Masterarbeit Lisa Möseneder Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change Management in Gesundheitsorganisationen Medizinische Universität Graz, Institut für Pflegewissenschaft Betreuer: Prof. Dr. Reinhard Ammer Graz, am 14.12.2009 Seite 1 von 73
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Masterarbeit
Lisa Möseneder
Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change Management in Gesundheitsorganisationen
Medizinische Universität Graz, Institut für Pflegewissenschaft
Betreuer: Prof. Dr. Reinhard Ammer
Graz, am 14.12.2009
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Eidesstattliche Erklärung
Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet habe und die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommene Stellen als solche kenntlich gemacht habe.
Graz, am 14.12.2009
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Vorwort:
Die vorliegende Masterarbeit hat den organisatorischen Wandel und Change Management und
seinen Prozess zum Thema. Dies ist zwar kein Bereich der zuvor noch nicht behandelt worden
ist, doch gerade im Bereich von Gesundheitsorganisationen einige neue Ansätze und
Möglichkeiten aufzeigt. Vor allem die Umwelt von Organisationen, die sich zunehmend
verändert und neue Aufgaben an Unternehmen stellt, machen einen laufenden Wandel, gerade
von Gesundheitsorganisationen, unumgänglich und wichtig. Change Management ist dabei
eine wichtige Stütze die Möglichkeiten, und die damit verbundenen Vorteile einer
Veränderung aufzeigen kann. Die großen Herausforderungen an die Organisationen sind
dabei, frühzeitig die natürlichen Kräfte des Umfeldes zu nutzen und zu erkennen wie man das
eigene Niveau verbessern kann. Dabei sollte die Organisation vermehrt auch auf globale
strategische Partnerschaften oder auf eine Dehierarchisierung in der Organisationsstruktur
setzten und die Eigenverantwortlichkeiten zunehmend verstärken. Wichtig dabei ist es zu
erkennen, dass der Erfolg einer Veränderung in der Organisation nicht alleine von führenden
Positionen oder Managern abhängig ist, sondern vielmehr vom ganzen Team, alle Mitarbeiter
eingeschlossen. Daher ist es für mich ein spannendes und, besonders auf die
Gesundheitsorganisationen bezogen, interessantes Thema, um derzeit stattfindende Prozesse
in heutigen Organisationen zu verstehen und auch analysieren zu können.
- der soziale Status der Mitglieder des Unternehmens,
- die zu lösende Aufgabe,
- die Arbeitsbedingungen (z.B. Zeitdruck).9
Formale Regelungen sind demnach Regeln die fest beschlossen und vertraglich festliegen und
an die sich die Mitglieder halten müssen. Neben den formalen Regeln gibt es auch die
informalen Orientierungsmuster und Regeln. Mitglieder einer Organisation wissen meist sehr
schnell welche Regeln sie einzuhalten haben und welche nicht. Informale Regeln entstehen
oft spontan aus dem Handeln heraus und führen zu Routinen oder Standardprozeduren, die
das Verhalten besonders stark beeinflussen. Informale Regelungen können oft die
Einseitigkeit der formalen Organisation kompensieren, indem sie andere, für die
Zweckerfüllung der Unternehmung ebenfalls wichtige, Aspekte erfüllen. So kann die
informale Organisation (interne Verständigung, Erfüllung von Zugehörigkeitsbedürfnissen)
die formale stabilisieren, indem sie Schwächen kompensiert und die Organisation flexibler
macht als sie eigentlich ist.10
Im Laufe der Entwicklung der Organisationstheorie kam es immer wieder zu Diskussionen
bezüglich der Einordnung von Regeln und wie sich diese auf die Organisation auswirken.
Schlussendlich kam man aber zu dem Schluss, dass informale Handlungsmuster innerhalb 7 vgl. Thommen J. P. (2003) a.a.O., S. 741. 8 vgl. Schreyögg G. (2003) a.a.O., S. 11.9 vgl. Thommen J. P. (2003) a.a.O., S. 743. 10 vgl. Schreyögg G. (2003) a.a.O., S. 12- 14.
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einer Organisation, als auch die Entwurfsarchitektur, wichtige sich gegenseitig beeinflussende
Aspekte sind.
Organisieren wird heute nicht mehr als punktuelle Aufgabe gesehen die einmal festgelegt
wird, sondern vielmehr als ständiger sich bewegender Prozess der sich immer anderen
Schwerpunkten widmet. Da die Entwicklung der Umwelt aber auch innerhalb des Systems nie
vollständig kalkuliert werden kann, stellt der Vorgang des Organisierens immer ein Problem
dar. Daher wird Organisieren immer mehr als fortlaufende Umgestaltung der
Leistungsprozesse verstanden. Das Leitbild dazu ist nicht die stabile Ordnung, sondern die
fortlaufende Veränderung. Um dies umsetzten zu können, bedarf es einer Menge Know- how,
wie diese Veränderung umzusetzen ist und wie die Organisation in ständiger Bewegung
gehalten werden kann.11
1.5 Organisationsstrukturen und Verhalten
In keiner Organisation werden immer alle Regeln korrekt befolgt. Einerseits, weil es so viele
Regeln gibt, dass sie nicht immer alle erfüllt werden können, andererseits weil die Regeln
widersprüchlich sind und die Mitglieder versuchen sich ihnen zu entziehen. Fakt ist, dass
innerhalb des Organisierens auch die Motivation der Mitarbeiter und ihre Ermutigung, eigene
Lösungen für Problemstellungen zu entwickeln, wichtig sind. Organisieren bedeutet demnach
nicht nur Mitarbeiter durch festgelegte Regeln in vor gedachte Bahnen zu lenken, sondern
Bedingungen zu schaffen, die die Mitarbeiter ermutigen, ihre persönlichen Potenziale bei der
Lösung der organisatorischen Probleme zu entfalten.12
11 vgl. Schreyögg G. (2003) a.a.O., S. 19- 20.12 vgl. ebenda
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Je größer das Unternehmen ist, desto größer ist meist auch das Motivationsproblem der
Mitarbeiter, daher kann es zu unzulänglicher Ausführung der gesetzten Ziele kommen. Durch
Koordination und Motivation versucht die Unternehmensführung diese Lücke zwischen
idealtypischer Planung und unzulänglicher Ausführung zu verringern:13
Abb. 2: Effizienzsteigerung durch Koordination und Motivation
In dieser Überlegung besteht ein grundsätzlicher Widerspruch in der Aufgabe des
Organisierens, der sich nicht endgültig lösen lässt, da der Motivationsanspruch quer zum
Regelungswillen steht und in unterschiedliche Richtungen steuert.14
1.6 Problemlösungsprozess der Organisation
Um organisatorische Probleme lösen zu können, ist es sinnvoll den Problemlösungsprozess
als formales Schema aufzuzeichnen. Aus diesem Prozess können folgende Phasen für die
Organisation abgeleitet werden:
1. Analyse der Ausgangslage: Da es eine Vielzahl von Einflussfaktoren gibt, die auf die
Organisation wirken (Umweltbedingungen, unternehmensspezifische Faktoren wie
Größe des Unternehmens) werden diese analysiert.
2. Bestimmung der Ziele der Organisation: Oberstes Ziel ist es immer die Effizienz
und den Erfolg mit einer optimalen Arbeitsverteilung zu erhöhen. Dieses Ziel kann
sich entweder auf die Aufbauorganisation (Struktur) oder die Ablauforganisation
(Prozess) beziehen.
13 vgl. Wöhe G.: Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Verlag Vahlen (2008), S. 113.14 vgl. Schreyögg G. (2003) a.a.O., S. 18.
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3. Bestimmung der Organisationsmaßnahmen: Um die Ziele erreichen zu können
stehen jedem Unternehmen eine Vielzahl von organisatorischen Maßnahmen zur
Verfügung. Dabei stehen die verschiedenen Formen der Aufbau- und
Ablauforganisationen im Vordergrund, die im Laufe der Arbeit noch näher besprochen
werden.
4. Bestimmung der Mittel: Um Maßnahmen durchführen zu können, müssen
entsprechende Mittel zur Verfügung stehen. Das sind in erster Linie finanzielle Mittel
aber auch Personen, die für die Durchführung der Maßnahmen die notwendigen
- Aufgabenorientierung: Der primäre Bezugspunkt des organisatorischen Handelns ist
die Aufgabe, im Krankenhaus somit die medizinische Behandlung. Das gemeinsame
Ziel ist die medizinische Diagnose- bzw. der Therapieerfolg. Wo zum einen
Kommunikationsstrukturen wie die Organisation einer Operation und deren Erfolg
tagtäglich einwandfrei durchgeführt und verfolgt werden, werden zum anderen andere
struktur- und strategie bildende Kommunikationsprozesse tendenziell vernachlässigt.
Zu diesen zählen Teamentwicklung, Personalentwicklung oder gemeinschaftliche
Planungsprozesse.
- Kategorisierung der Aufgaben: In einer professionellen Organisation sind aufgrund
der Kompliziertheit der Aufgaben genaue Kategorisierungen der Aufgaben nötig.
Patienten werden demnach in Fachbereiche sortiert und innerhalb der Fachbereiche
weiter kategorisiert, um somit die richtigen therapeutischen Maßnahmen durchführen
zu können. Diese Kategorisierung hat den Zweck, dass möglichst standardisierte
Abläufe durchgeführt werden können. Wie in anderen Organisationen führen diese
Ausdifferenzierungen oft zu Kompetenzkonflikten (z.B. zwischen Chirurgie und
Pädiatrie).
- Autonomie: Aufgrund der Aufgabenkomplexität und dem hohen Grad an ExpertInnen
im Spital, ist es für die Administration schwer, inhaltlich kompetente Diskussionen mit
ihnen zu führen. Die Autonomie der einzelnen operativen Organisationsbereiche
(Abteilungen, Stationen) stellt einen hohen Wert dar, der gegenüber der Organisation,
aber auch den anderen Abteilungen verteidigt wird. Daher ist es oft sehr schwer
strategische Koordination oder fachübergreifende Zusammenarbeit durchzuführen.
- Personenorientierung: In der Regel treten Personen als Orientierungspunkte für die
Wahrnehmung vor die Bedeutung und die Struktur der Organisation. Bestimmte
Organisationseinheiten (z.B. die pädiatrische Abteilung eines Spitals) werden meist
bestimmten Personen, wie dem dort zuständigen Primar zugeordnet. Auch Patienten
orientieren sich in erster Linie an der Kompetenz der leitenden Person. Kommt es
dann aber zu Fehlern, wird stets rasch nach schuldigen Personen gesucht und
Handlungsmuster der Organisation verkürzt auf die Handlungen einzelner Personen
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zurückgeführt. In Bezug auf Strukturveränderungen in professionellen Organisationen,
machen Situationen wie diese erhebliche Probleme.
- Die Rolle des professionellen Administrators: Er ist einerseits ein Bindeglied
zwischen Experten und Administration und hat andererseits auch eine Außenfunktion
mit dem Ziel der Ressourcensicherung. Dabei ist zu erwähnen, dass der professionelle
Administrator seinen Einfluss nur so lange behält, wie die Mitarbeiter den Eindruck
haben, dass er ihre Interessen vertritt und umsetzt.
- Strategieentwicklungsproblem: Aufgrund der schon genannten Punkte ist erkennbar,
dass es nur schwer möglich ist, eine einheitliche Organisationsstrategie zu definieren
und zu praktizieren. Diese Tatsachen machen auch den Trägerorganisationen zu
schaffen, da Innovationsvorhaben und die damit verbundene Zusammenarbeit
mehrerer Spezialisten immer wieder auf Zurückhaltung stoßen.
- Berufsgruppenorientierung: In professionellen Organisationen ist es üblich, dass es
zu einer strikten Differenzierung zwischen den professionellen und den
unterstützenden Funktionen kommt. Mediziner sind meist die professionelle Funktion
und die Pflege ist, je nach Blickwinkel, eine der beiden Gruppen zuzuordnen. Die
beiden Kulturen Pflege und Medizin sind aber nach wie vor zwei Bereiche, die sich
voneinander abgrenzen und nebeneinander her „leben“.25
2.2 Strukturen von Gesundheitsorganisationen
In der Praxis gibt es, wie auch schon im Laufe der Arbeit zuvor erwähnt, zwei Arten der
Arbeitsteilung: funktional (nach Art der Tätigkeit) und divisional (nach Objekten). Im Spital
liegt eine funktionale Arbeitsteilung, die sich an Berufsgruppen stützt, vor. Wie jede
Organisationsstruktur hat auch die funktionale Gliederung einer Organisation bestimmte,
schon aufgezählte, Vor- und Nachteile. Dabei gilt, je stärker die funktionale Arbeitsteilung ist,
desto mehr Schnittstellen und Informationsbedarf bestehen.
Auch in der Pflegetätigkeit auf der Stationsebene kann entweder funktional organisiert
werden (jede/r PflegerIn erbringt einzelne Tätigkeiten an allen Patienten; Funktionspflege),
oder objektorientiert (jede/r PflegerIn betreut einige wenige Patienten umfassend;
25 vgl. Heimerl- Wagner P. (1996) a.a.O., S. 132 ff.Seite 34 von 73
Bezugspflege). Daher lassen sich schlussendlich drei Gliederungskriterien aufzeigen, die im
Spital anwendbar sind: Berufsgruppen, Produktgruppen und Kundengruppen, wobei jedes
dieser Gliederungsprinzipien spezifische Kriterien der Organisationsentwicklung fördert aber
auch behindert.26
In einem Spital wird der Primärprozess auf struktureller Ebene in berufsgruppenspezifische
Teilfunktionen aufgespaltet. Daher gibt es einen erhöhten Kommunikations- und
Koordinationsaufwand der einerseits von einer zentralen Leitung und andererseits von
laufenden horizontalen Abstimmungen auf ausführender Ebene gesteuert wird. In der Praxis
gibt es oft Missverständnisse und Kompetenzabgrenzungskonflikte zwischen den
Berufsgruppen die auch fatale Folgen, wie Patientenverwechslungen, haben können. Je
stärker die funktionale Arbeitsteilung ist, desto mehr Schnittstellen und umso mehr
Informationsbedarf entstehen.27
Ein wesentliches Charakteristikum von Gesundheitsorganisationen ist, dass sie an mehreren
gesellschaftlichen Funktionalsystemen teilnehmen und somit mehrere „Sprachen“
nebeneinander existieren. Damit steigen auch die Ansprüche an die formalen und informalen
Regelstrukturen der Organisation, um den Kommunikationsfluss zu kanalisieren.28
An der Spitze der gesetzlich definierten Verantwortlichkeitsstruktur eines Krankenhauses
steht die Kollegiale Führung, die sich aus unterschiedlichen Berufsgruppen zusammensetzt
(in der Regel die ärztliche Leitung, die Pflegedirektion und die Verwaltungsdirektion). Der
Berufsgruppenstruktur der kollegialen Führung liegen eher standespolitische als
patientenorientierte Überlegungen zugrunde. Öffentliche Träger übernehmen wie schon
erwähnt meist die dreifache Verantwortlichkeitsstruktur. Die somit bestehende
Aufbauorganisation nach Berufsgruppen und die Verankerung entsprechender, kollegialer
Führungsorgane hat zu einer vermeintlichen oder tatsächlichen Gleichstellung der
Berufsgruppen geführt. Dabei wird aber weder die Kooperation noch die Koordination der
Leistungserbringung der Spitäler gefördert, sondern im Gegenteil sogar behindert. Somit
können Konflikte zwischen Berufsgruppen die „unten“ auftreten leicht nach „oben“ getragen
werden.29
26 vgl. Heimerl- Wagner P. (1996) a.a.O., S. 136 ff. 27 vgl. ebenda28 vgl. Heimerl P.: Wandel und Intervention in Gesundheitsorganisationen, Linde Verlag (2005) S. 43.29 vgl. Heimerl P. (2005) a.a.O., S. 60.
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Oft kommt es in Gesundheitsorganisationen zu Abgrenzungstendenzen zwischen den
Berufsgruppen. Fast jede zweite Pflegende erlebt zumindest zeitweilig Probleme in der
Zusammenarbeit mit Ärzten. Ursachen für diese Probleme können sein:
- Unterschiedliche Gesundheitskonzepte: naturwissenschaftlich- analytische versus
ganzheitliche Ansätze.
- Unterschiedliche Berufskulturen: Umgang miteinander, Umgang mit Fehlern etc.
- Statusunterschiede: z.B. akademische versus überwiegend nichtakademische
Ausbildung.
- Frauenberuf versus Männerberuf verbunden mit Berufsstereotypen.30
Spitäler werden offiziell häufig als Einliniensysteme dargestellt. Dies entspricht in der Praxis
jedoch nicht der ganzen Wirklichkeit, da in der gängigen Spitalsstruktur oft zwei
Gliederungsprinzipien parallel existieren: Die disziplinarische Berufsgruppen- und die
medizinisch- fachliche Produktgruppenstruktur. Weiters existieren in Spitälern traditionell
zwei Autoritätslinien: Eine geht von der Trägerorganisation über die Kollegiale Leitung zu
den Mitarbeitern der verschiedenen Berufsgruppen, die andere besteht aus unterschiedlichen
professionellen Mitarbeitern, meist Ärzten, die dem Pflege- und technischen Personal
Anweisungen in Bezug auf die Patientenbehandlung geben. Durch diese beiden
Autoritätslinien kommt es zu Ziel- und Kompetenzkonflikten. Ansätze aus den siebziger
Jahren gehen davon aus, beide Linien bestehen zu lassen und sie explizit zu machen.
30 vgl. Heimerl P. (2005) a.a.O., S. 69.Seite 36 von 73
Damit entsteht eine Matrixstruktur die im Folgenden abgebildet ist:
Abb. 10: Matrixförmige Darstellung der Organisationsstrukturen eines Spitals
Mit der Matrixorganisation wird die Eindeutigkeit der Unterstellung aufgegeben und es
entsteht eine für Spitäler typische fragmentierte Organisationsstruktur. Wie in jeder
Matrixorganisation kommt es auch in diesem Fall oft zu einem erhöhten Konfliktpotential und
eine hohe Anforderung an die interpersonale Kompetenz, Konflikttoleranz und
Konfliktlösungsfähigkeit der einzelnen Rollenträger sind von großer Bedeutung.
Das Innovationspotenzial dieser Struktur liegt in teamartigen Koordinations- und
Entscheidungsprozessen, die aufgrund der Doppelunterstellung gegeben sind. Die Matrix
kann aber auch zu einer Hemmung von Entscheidungsprozessen führen, vor allem wenn das
Prinzip der Gruppenentscheidung zu stark betont wird und es zu Gruppendiskussionen und
möglichen schlechten Entscheidungen kommt. Weiters gibt es derzeit den Trend zur
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Errichtung von Stabstellen (z.B. Controlling, Qualitätsmanagement oder
Personalentwicklung), die aber auch die Gefahr der Verlangsamung und Komplizierung der
Entscheidungsprozesse beinhalten.
3. Organisationen im Wandel
Wandelprozesse in Organisationen sind nicht nur durch eine spezielle Intervention
gekennzeichnet, sondern bestehen aus einem ganzen Bündel von Maßnahmen die auf
unterschiedlichen Ebenen ansetzen. Die Interventionsmethoden um zu einem
organisatorischen Wandel zu gelangen wurden nie als bloßer Werkzeugkasten begriffen, aus
dem beliebig einzelne Werkzeuge entnommen werden können, sondern sind vielmehr im
Kontext des Gesamtsystems zu verstehen und anzuwenden.31
Wenn man Organisationen im Zeitverlauf beobachtet, lassen sich aus unterschiedlichen
Blickwinkeln Veränderungen feststellen: Personen treten in die Organisation, verändern sich,
scheiden aus, neue Technologien kommen zur Anwendung und bedingen Veränderungen der
Arbeitsorganisation, Kundengruppen verschieben sich, die Umwelt der Organisation
verändert sich etc. In der Organisationsforschung gibt es zahlreiche Modelle die
unterschiedliche Veränderungsprozesse in Organisationen beschreiben. Alle Modelle gehen
aber von folgenden Prämissen aus:
- Organisationen tragen eine gerichtete, irreversible, immanente Entwicklungslogik von
Gründung in sich. Die Umwelt wird als Kraft gesehen, die Veränderungen der
Organisation induziert.
- Die Veränderung von Organisationen besteht aus einer konsekutiven Abfolge von
Entwicklungsphasen die sich gegenseitig bedingen.
- Die einzelnen Entwicklungsstadien sind durch bestimmte „Konfigurationen“ markiert,
wobei es dazwischen auch Phasen des Umbruchs oder der Krise gibt.
31 vgl. Schreyögg G. (2003) a.a.O., S. 514.Seite 38 von 73
Ein oft beschriebenes Entwicklungsmodell ist das Entwicklungsmodell von Glasl/Lievegoed
und definiert vier Phasen:
1. Pionierphase
2. Differenzierungsphase
3. Integrationsphase
4. Assoziationsphase
Die einzelnen Phasen haben jeweils Organisationsmetaphern zugeordnet: Familie, Apparat
(Maschine), Organismus und Glied im Biotop. An den Übergängen der jeweiligen Phase tritt
immer eine Zeit der Neuorientierung der Organisation auf, die meistens mit krisenhaften
Erscheinungen einhergeht:
Abb. 11: Modell organisatorischen Wandels
1. Pionierphase: Das Unternehmen als Familie oder Stamm: In dieser Phase wird das
Unternehmen grundlegend von der Pionierpersönlichkeit, die meist der Gründer selbst
ist, geprägt. Typische Charakteristika sind:
- Image, Sinn und „Leitbild“ werden geprägt
- Ziele, Sinn und Zweck sind für jeden sichtbar
- Die Mitarbeiter sind alle direkt dem Chef unterstellt
- Die Funktionen wachsen um die Personen herum
- Das Unternehmen ist wie eine „große Familie“
- Die Mitglieder der Organisation pflegen intensive und direkte Kontakte
- etc.
2. Organisationsphase (= Differenzierungsphase): Das Unternehmen als konstruierter
Apparat: Transparenz, Systematik, Logik und Steuerbarkeit stehen in dieser Phase an
erster Stelle. Die Organisation wird als steuerbare, beherrschbare und kontrollierbare
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Maschine angesehen, daher steht betriebswirtschaftliches und technisches Denken im
Vordergrund. Die Säulenbildung in Verwaltung, Produktion und Verkauf findet statt.
Kennzeichen dieser Phase sind:
- produktorientiertes Denken
- Marktforschung
- Klares Kommunikations- und Berichtwesen wird installiert
- Wirtschaftliche Unternehmensführung
- Statistiken
- etc.
3. Integrationsphase: Das Unternehmen als lebendiger Organismus: Da es im Laufe
der Organisationsphase zu einer Erstarrung, in der Verfahren wichtiger als Ziele und
Ergebnisse werden, der Organisation kommen kann, gilt es in dieser Phase die
Beziehungen zwischen Menschen, Gruppen (Abteilungen) und größeren Einheiten neu
zu gestalten. Die Eigenschaften der Organisation in der Integrationsphase sind
folgende:
- Das Handeln der Organisationsmitglieder orientiert sich am Problem des Kunden
- Gemeinsames Selbstverständnis wird entwickelt
- Das Gesamtunternehmen wird in kleine, eigenverantwortliche Einheiten strukturiert
- Mensch und Arbeit befruchten einander
- Das Rechnungswesen dient als Informationsquelle für Entscheidungen
- etc.
4. Assoziationsphase: Das Unternehmen als Glied im Biotop: Diese Phase wurde in
einer Überarbeitung des Modells in den neunziger Jahren hinzugefügt. Diese Phase
lenkt den Blick auf die Handhabung der Organisationsumwelt, daher geht es um die
Vernetzung der Organisation mit den Umwelten. Vernetzungen finden z.B. in
Forschung und Produktentwicklung, mit Lieferanten, in der Produktion und mit
Vertriebspartnern statt.
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Typische Charakteristika sind:
- Intensive Zusammenarbeit mit anderen Organisationen, daher eine ständige Arbeit an
der eigenen Integrität
- Vermehrte Personalpolitik und Personalentwicklung
- In der Ablauforganisation erweitertes Prozessdenken, Selbststeuerung und
Nahtstellen- Management
- etc.32
Entwicklungsmodelle wie das eben beschriebene haben einen idealtypischen Charakter, daher
sind Prognosen für Einzelfälle kaum ableitbar. Die Modelle dienen aber als Unterstützung bei
Organisationsdiagnosen, da sich einzelne Symptome zusammenfügen lassen und Krisen-
erscheinungen als „natürlich“ erkennbar gemacht werden. So kann verdeutlicht werden, dass
Krisen in einer Organisation nicht oder nur selten auf das Versagen einzelner Personen
zurückzuführen sind, sondern meist von den Strukturen des Systems ausgehen. Daher sind
Phasenmodelle dazu da, die Notwendigkeit der Veränderungen in Organisationen zu
verdeutlichen.33
3.1 Gesundheitsorganisationen im Wandel:
Die aktuelle Umweltsituation von Gesundheitsorganisationen zeigt, dass die Komplexität
stark zunimmt. Gründe dafür sind z.B. die steigende Konkurrenz zwischen einzelnen
Gesundheitsorganisationen, „Mündigkeit“ der Patienten, Personalprobleme, neue
Aufgabenbereiche (z.B. Prävention) oder steigender Finanzierungsdruck.34
Ein gut funktionierendes Gesundheitssystem ist ein integrierter und nicht wegzudenkender
Bestandteil des Sozialsystems der entwickelten Industriegesellschaften. Dieses System
befindet sich jedoch in den letzten Jahren in den meisten Industrieländern im Mittelpunkt
zahlreicher Diskussionen und in einem Prozess dynamischer Veränderung. Es vergeht kaum
eine Woche in der nicht über die Zweifel der Finanzierbarkeit des Systems oder der sozialen
Krankenversicherung der Spitäler berichtet wird. Im Mittelpunkt dieser Diskussionen stehen
die künftige Absicherung der Finanzierung der Versorgung, der Aufrecherhaltung einer
32 vgl. Heimerl P. (2005) a.a.O., S. 114- 118.33 vgl. Heimerl P. (2005) a.a.O., S. 119.34 vgl. Heimerl- Wagner P. (1996) a.a.O., S. 155.
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Zugangsgarantie zu medizinischen Leistungen für alle, der Qualität der Leistungen und auch
der Einsatz von moderner medizinischer Technologie. Die meisten Länder versuchen diese
bestehenden Probleme anhand von Reformprojekten zu lösen, stoßen aber immer wieder auf
Widerstand oder Ablehnung aus den verschiedenen Berufsgruppen und Akteuren. Beispiele
dafür sind das Gesundheitsstrukturgesetz in der Bundesrepublik Deutschland, der
Bundeskrankenanstaltenplan oder die Einführung der leistungsorientierten Finanzierung in
Österreich. Fakt ist, dass die Ausgaben pro Kopf in den letzten Jahrzehnten deutlich gestiegen
sind. Dabei ist weiters zu beachten, dass die Zuwächse jeweils über den Zuwächsen des
Bruttoinlandsproduktes der jeweiligen Länder lagen und gleichzeitig der Ressourceneinsatz
auch stieg.35
Der demographische Wandel ist ein weiterer grundlegender Aspekt der zu den starken
finanziellen Anstiegen im Gesundheitswesen beiträgt. Die Zunahme der Lebenserwartung ist
ein Trend, der sich laut Prognosen auch in der Zukunft noch fortsetzten wird. In Österreich
stieg die Lebenserwartung zwischen dem Jahr 1902 und dem Jahr 1994 eines neugeborenen
Mädchens von 40.6 Jahren auf 73.3 Jahr, was einer Erhöhung um rund 85% entspricht. Seit
Beginn der achtziger Jahre kommt es aber auch zu einer Zunahme der ferneren
Lebenserwartung. Die Daten zeigen, dass es in den letzten Jahrzehnten zu einer Zunahme der
Lebenserwartung um rund 3 Jahre gekommen ist:36
Lebenserwartung bei Geburt (Österreich) Männer Frauen1970/72 66,68 73,691994/96 73,60 79,99
Tab. 2: Lebenserwartung bei Geburt
Infektionskrankheiten wie Scharlach, Masern, Tuberkulose, Pocken oder Cholera waren
Anfang des Jahrhunderts die wesentlichen Todesursachen. Im Laufe der ersten Jahrzehnte
dieses Jahrhunderts kam es, hauptsächlich durch die Verbesserung der hygienischen, sozialen
und ökonomischen Bedingungen und später auch durch die Entwicklung und Verbreitung von
Antibiotika und zahlreicher Schutzimpfungen, zur Abnahme der Infektionskrankheiten und zu
einer Zunahme der chronisch- degenerativen Erkrankungen. Damit sind z.B. chronische
Erkrankungen des Herz- Kreislauf- Systems und bösartige Neubildungen gemeint, die
heutzutage 75% aller Sterbefälle ausmachen. Experten wie Epidemiologen und
Gesundheitssystemforscher sind sich einig, dass diese Entwicklung vor allem auf die
35 vgl. Heimerl- Wagner P. (1996) a.a.O., S. 18-19.36 vgl. Heimerl P. (2005) a.a.O., S. 15.
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Veränderungen der sozialen, hygienischen und ökonomischen Verhältnisse zurückzuführen
sind und Infektionskrankheiten mittlerweile eine völlig untergeordnete Rolle spielen. Daraus
kann geschlossen werden, dass die besseren Lebensbedingungen und die bessere
medizinische Versorgung dazu führen, dass immer mehr Menschen, zwar chronisch-
degenerativ erkrankt, überleben, und nicht wie früher unmittelbar an einer Infektionskrankheit
sterben.37
Drei Faktoren, Demographie, Epidemiologie und Technologie- bewirken, dass sich der
Abstand zwischen Morbidität- und Mortalität nicht verkleinern, sondern eher vergrößern wird
und somit der Ressourcenbedarf im Gesundheitswesen auch steigt.38
Weiters wächst der Druck Organisationseinrichtungen zu ermöglichen, die den Bedürfnissen
der Patienten besser entsprechen. So werden z.B. Gruppenpraxen, Tageskliniken, ambulante
Betreuungseinrichtungen oder mobile Heimbetreuungsorganisationen gegründet. Der
Kostendruck, die Anforderung flexibel zu sein, und die wachsende Konkurrenz und der
Wettbewerb bedeuten große Herausforderungen für die Versorgungseinrichtungen, da die
Lücke die entsteht wenn keine Ressourcen mehr bestehen, nur durch Verminderung des
Angebots oder durch die Mobilisierung von Produktivitätspotentialen beschlossen werden
kann. Der Zwang zur Veränderung der Organisationsstrukturen und -prozesse, steigender
Know- how- Bedarf, verstärkter Wettbewerb und andere Anforderungen sind zukünftig
Anforderungen die an das Management der einzelnen Organisationen gerichtet sein werden.39
Die Kosten im Gesundheitswesen werden zusammenfassend durch zwei Komponenten
beeinflusst:
- Die Entwicklungen auf der Angebotsseite: Der medizinisch- technische Fortschritt
führt einerseits zur Senkung der Verweildauer durch bessere Verfahren, andererseits
sind allerdings die Kosten für neue Behandlungen höher bzw. sie sind vorher nicht
angefallen.
- Die Entwicklungen auf der Nachfrageseite: Demografische Veränderungen durch ein
höheres Lebensalter führen zu einem veränderten Krankheitsspektrum.
37 vgl. Heimerl- Wagner P. (1996) a.a.O., S. 24.38 vgl. Heimerl- Wagner P. (1996) a.a.O. S. 33.39 vgl. Heimerl- Wagner P. (1996) a.a.O., S. 35.
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Multimorbidität ist eine der Folgen. Zugleich sind höhere Ansprüche der Bevölkerung
an Gesundheitsleistungen entstanden, und zwar in medizinischer und pflegerischer,
aber auch in serviceorientierter Hinsicht. Der Patient fühlt sich heute viel mehr als
Kunde denn als „Ratsuchender Bittsteller“.40
Der laufende Druck von außen wird zunehmend dazu führen, dass nur mehr jene
Organisationen überlebensfähig sind, die Bereitschaft zu kontinuierlicher Veränderung im
Sinne einer lernenden Organisation aufweisen. Aber auch das zunehmend dynamische
Umfeld, der schon erwähnte wachsende Kostendruck und die zunehmende Bereitschaft und
Fähigkeit der Konsumenten, zwischen verschiedenen Angeboten zu wählen und das für sie
attraktivste zu identifizieren, werden den Konkurrenzdruck auf Gesundheitsorganisationen
und den Wettbewerb am Gesundheitsmarkt zunehmend erhöhen und verstärken.41
Gesundheitsorganisationen haben vielfältige Zielbezüge zu erfüllen, da das Prinzip der
bestmöglichen Versorgung laufend mit dem Wirtschaftlichkeitsprinzip kollidiert. Da beide
Aspekte wichtig und gleichrangig anzusehen sind, zwingt dies Gesundheitsorganisationen in
eine ständige „Sowohl- als- auch- Strategie“ überzugehen. Diese Tatsache geht mit
Kommunikationsproblemen einher, da in Gesundheitsorganisationen stets mehrere
„Sprachen“ gesprochen werden, da sie gleichzeitig an mehreren Funktionssystemen
teilnehmen. Ein Krankenhaus nimmt einerseits am medizinischen und andererseits auch am
wirtschaftlichen aber auch, wie ein Universitätsklinikum, am wissenschaftlichen
Funktionssystem teil. Alle diese Funktionssysteme haben, nach Luhmann, jeweils ein
primäres Merkmal bzw. eine Sprache ausgebildet, die sich auf einen binäre Code
zurückführen lässt: Das medizinische Funktionssystem geht nach krank/gesund vor, das
wirtschaftliche nach zahlen/nicht zahlen und das wissenschaftliche auf wahr/nicht wahr.42
Durch die „Mehrsprachigkeit“ in Gesundheitsorganisationen kommt es zu Problemen in der
Zusammenarbeit, da unterschiedliche Sprachen, unterschiedliche Gesundheitskonzepte
(naturwissenschaftlich- analytische versus ganzheitliche Ansätze) aber auch
Statusunterschiede (akademische versus überwiegend nichtakademische Ausbildung) zu
unterschiedlichen Auffassungen führen.43
40 vgl. Albrecht D.: Erfolgreiches Changemanagement im Krankenhaus, Springer Verlag (2006) S. 5.41 vgl. Heimerl- Wagner P. (1996) a.a.O., S. 37.42 vgl. Heimerl- Wagner P. (1996) a.a.O., S. 39.43 vgl. Heimerl P. (2005) a.a.O., S. 97.
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Aus den unzähligen Umfeldentwicklungen können folgende Rahmenbedingungen zur
Entwicklung von Gesundheitsorganisationen abgeleitet werden:
- Trend zur Finanzierung über Fallpauschale
- Erweiterte technische Möglichkeiten führen zu Kostendruck nach oben
- Geriatrische Versorgung gewinnt immer mehr an Bedeutung, daher kommt es zu
einem zunehmenden Bedarf der lindernd- pflegenden Medizin im Vergleich zur
heilenden Akutmedizin.
- Verlagerung des Schwerpunkts von Akut- zu Vorsorgemedizin
- Zunehmende Flexibilisierung und Differenzierung der Organisationsformen der
Bedarfsdeckung
- Zunehmende Privatisierung der Anbieterorganisationen
- etc.
Diese bereits stattfindenden Strukturveränderungen begründen den Bedarf nach
organisationalem Wandel in diesem Bereich. Wenn man die bisherigen Analysen und Modelle
zusammenfasst, lassen sich folgende zentrale Themenfelder der zukünftigen Entwicklung von
Gesundheitsorganisationen zusammenfassen:44
Abb. 12: Themenfelder und Ansatzpunkte der Organisationsveränderung in Gesundheitsorganisationen
44 vgl. Heimerl P. (2005) a.a.O., S. 128.Seite 45 von 73
Unter Vernetzungsstrategien werden Beziehungen die vertraglich oder institutionell zwischen
zwei Organisationen festgelegt wurden verstanden. Diese Beziehungen zielen temporär oder
dauerhaft auf die Nutzung beidseitiger Vorteile ökonomischer, effektiver oder technologischer
Natur. Die prozessorientierte Zusammenarbeit innerhalb aber auch über Organisationsgrenzen
ist ein wichtiger Aspekt, der durch die Reduktion innerorganisationaler Schnittstellen erreicht
werden soll.45
Die Abhängigkeit von gesetzlichen Rahmenbedingungen, insbesondere der
Finanzierungsstrategien macht es oftmals schwer strategische Managementziele umzusetzen
und Strukturen längerfristig zu verändern und die Abschätzbarkeit der Steuerungseingriffe
sinkt.46
3.2 Fallbeispiel zur Reorganisation einer Klinik
Im Folgenden wird ein Fallbeispiel zur Reorganisation einer Klinik vorgestellt und
anschließend kurz diskutiert:47
Um der wachsenden Konkurrenz der Umwelt standzuhalten, änderte das Krankenhaus X
seine Organisation von einer funktionalen zu einer divisionalen Struktur. Durch das
Wachstum und die Entwicklung profitorientierter Spitalsketten, aber auch durch allgemeine
Gemeindespitäler die begannen ihre Dienstleistungen aufzusplittern und das Angebot zu
erweitern stieg die Konkurrenz laufend und eine Veränderung durch die defizitäre Lage
wurde unumgänglich.
Das Spital war seit seiner Inbetriebnahme 1889 nach funktionalen Entscheidungslinien
organisiert. Der Übergang zu einer Spartenstruktur wurde vollzogen, um Kosten zu sparen
und um das Spital in eine günstigere Position in Bezug auf seine Umwelt zu bringen. Die
Wahl der divisionalen Struktur stellte ein bewusstes Bestreben dar, der Tatsache zu
begegnen, dass Ärzte im allgemeinen die wichtigsten Entscheidungen der
Ressourcenallokation im Spital treffen, während die Administratoren für die Ausgaben
verantwortlich sind. Administratoren konnten die Kosten der Hoteldienstleistungen
kontrollieren, jedoch nicht behandlungsbezogene Ausgaben, wie Radiologie, Labor und
pharmazeutische Leistungen.
45 vgl. Heimerl P. (2005) a.a.O., S. 130.46 vgl. Heimerl P. (2005) a.a.O., S. 132.47 vgl. Heimerl- Wagner P. (1996) a.a.O., S. 170.
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Die neue divisionale Struktur wurde eingeführt, um die Ärzte sowohl für die Qualität als
auch die Kosten der Behandlung inhaltlich und wirtschaftlich verantwortlich zu machen.
Das Spital wurde in zehn „Produkt“- Sparten reorganisiert; z.B. Psychiatrie, Chirurgie,
Medizin, Onkologie. Für jede Sparte wurde ein Leiter ernannt, der ein Mitglied der
medizinischen Berufsgruppe war.
Diese Person wurde für alle Aktivitäten innerhalb der Sparte (etwa 200- 300 Betten) voll
verantwortlich gemacht. Jedem Spartenleiter wurde ein Pflegeleiter, ein Administrator und
ein Verantwortlicher für finanzielle Angelegenheiten unterstellt. Daneben wurden sieben
Vizepräsidenten eingerichtet, die jedoch keine Anordnungsbefugnisse in der Organisation
hatten und in erster Linie für die langfristige Planung verantwortlich waren.
Unterstützende Leistungen, wie Labor, Radiologie und Verpflegung, blieben zentralisiert
zur Nutzung durch alle Sparten.
Zusätzlich zur Änderung der Organisationsstruktur war es auch notwendig, die
Entscheidungsfindungsprozesse, das Kommunikationssystem sowie das klinische und
wirtschaftliche Informationssystem zu verändern. Innerhalb jeder Sparte wurden durch das
Management- Team unter Führung des Chefarztes Ziele gesetzt. Von jeder Sparte wurde
erwartet, dass sie im Rahmen der Politik der gesamten Institution arbeite. Das
Spartenmanagementteam war jedoch für Budgeterstellung, Personalentscheidungen und
die Evaluation der klinischen und finanziellen Leistung verantwortlich. Die Abteilungen
wurden ermutigt, Entscheidungen selbst zu treffen und so autonom wie möglich zu arbeiten.
Unterstützungsleistungen wie Küche, Reinigung und Instandhaltung können die Sparten
von zentralen Stellen innerhalb des Hauses, in bestimmten Fällen auch durch Externe,
erhalten.
Buchhaltung, Budgeterstellung und Ressourcenzuteilungssystem wurden für die
Spartenebene entwickelt. Als Mittel der Verantwortungszuordnung auf Spartenebene wurde
ein umfassendes Managementinformationssystem eingerichtet. Das Informationssystem
beinhaltet Berichte über Gewinn und Verlust innerhalb der Sparte, Belagsquoten,
durchschnittliche Aufenthaltsdauer etc. Weiters wurden Größen zur Bestimmung der
Patientenzufriedenheit entwickelt.
Insgesamt wird geschätzt, dass die neuen Sparten direkte Kontrolle über 47% ihrer
Ausgaben gegenüber nur 30% im früheren System haben. Darüber hinaus haben die
Abteilungen schätzungsweise die Kontrolle über 20% der Ausgaben für zentrale Leistungen
wie Labor und Radiologie.
Es ist zu beobachten, dass die vorliegende Spartenstruktur eine beträchtliche Stabilität in
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die Tätigkeiten des Spitals gebracht hat. Es ist beispielsweise festzustellen, dass zwischen
Ärzten,
Pflegepersonal und Verwaltung eine bessere Zusammenarbeit und Kommunikation über die
Organisationsziele und Leistungen bestehen. Jede Sparte wird nicht nur mit Informationen
über ihr eigenes Leistungsniveau informier, sondern auch über jenes der anderen Sparten.
Daher kann jede Abteilung die eigene Leistung mit den anderen vergleichen und es
entstehen weniger Konflikte untereinander. Durch gemeinsame Planungsbesprechungen
entsteht ein besseres Verständnis der Zusammenhänge zwischen den einzelnen
Funktionseinheiten.
Das wahrscheinlich wichtigste Anzeichen dafür, dass die Neuorientierung zu greifen
scheint, ist das gestiegene Kostenbewusstsein des gesamten Personals auf der Ebene der
Patientenversorgung. Ärzte, Pflege- und Verwaltungsmitarbeiter sind sich genau bewusst,
dass übermäßige Nutzung klinischer Leistungen und ausgedehnter Patientenaufenthalte
einen negativen Einfluss auf das finanzielle Ergebnis der Sparte haben. Wenn die Sparte in
einem Bereich Geld spart, hat sie die Möglichkeit, dies anderwärtig auszugeben, wo sie
dies für erforderlich hält.
Keine größere Neuorganisation geht ohne Probleme vorüber, so hatte zu Beginn die
Pflegeabteilung Schwierigkeiten, sich an die neue Struktur anzupassen. Sie fürchtete,
professionelle Autonomie über die Pflegeentscheidungen zu verlieren; die Praxis hat jedoch
gezeigt, dass die neue Struktur für die Pflegeleitungen und –personal Möglichkeiten bringt,
an Entscheidungsfindungen intensiver mitzuwirken.
Es gab auch Befürchtungen bezüglich der Fähigkeiten der Ärzte, Managementfunktionen
neben ihren anderen Verpflichtungen aus Patientenversorgung, Lehre und Forschung zu
übernehmen. Es dauerte einige Zeit, bist die Ärzte sich an ihre Managementrollen gewöhnt
hatten. In der Übergangszeit gab es dazu auch Unterstützung seitens der Institution. Die
Spartenleiter erhalten genügend administrative Unterstützung, um sich von alltäglicher
Routine freizuhalten.
Generell hat man den Eindruck, dass die Neuorganisation des Krankenhauses gut läuft und
ein Beispiel für ein Projekt ist, das auf die Bedürfnisse und Umstände einer speziellen
Organisation zu einem bestimmten Zeitpunkt mit einer spezifischen Entwicklungsgeschichte
zugeschnitten wurde.
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Was in diesem schon etwas älterem Fallbeispiel beschrieben wird, kann aus der Sicht
öffentlicher Spitäler im deutschsprachigen Raum wahrscheinlich noch als Utopie bzw. Vision
angesehen werden. Weder die Umfeldbedingungen (Gesetzgebung etc.) noch organisationale
Voraussetzungen (z.B. Managementexpertise) ermöglichen die kurzfristige Realisierung einer
Neuorganisation wie oben beschrieben. Trotzdem beinhaltet das Fallbeispiel einige Aspekte
die bemerkenswert und wichtig zu erwähnen sind.
Grundlage der Reorganisation war die Umstellung von funktionalen auf divisionale
Strukturen, wobei sich jede Sparte im Rahmen der Gesamtpolitik Ziele setzt und dafür
verantwortlich ist. Die Leitlinie dieser hausinternen Dezentralisierung ist es,
Entscheidungskompetenzen und Verantwortung möglichst den betroffenen Stellen zu
übertragen und sicherzustellen, dass die gemeinsamen Ziele laufend verfolgt und umgesetzt
werden.
Im Fallbeispiel wird die Rücknahme hierarchischer Koordination und der Ausbau alternativer
Koordinationsinstrumentarien deutlich. Neben dem Managementinformationssystem sind
folgende Ansätze bemerkenswert:
- Förderung des Zusammenhalts der Gesamtorganisation durch ein Organisationsleitbild
(„Politik der gesamten Institution“) bzw. durch möglichst breit akzeptierte Ziele
- Beschränkung auf zwei Managementebenen (Haus- und Spartenleitung)
- Vernetzte Managementteams: Das Fallbeispiel macht Struktur und Bedeutung solcher
Teams auf allen Entscheidungsebenen deutlich. Dennoch ist jeweils die
Letztverantwortung eindeutig, d. h. an einer Stelle, verankert.48
Problemstellungen einer Neuorganisation wie oben beschrieben könnten sein:
- Mehrfachbelastung des Personals: „Verschlankungen“ in der Industrie zeigen, dass
Stress und Erschöpfung der Arbeitenden anstiegen. Der Druck kann dabei aus
mehreren Quellen kommen: Die Routine wird trotz neuer Strukturen nicht weniger, da
oft Personal eingespart wird. Sozialer Druck innerhalb der Gruppe und
Kreativitätsdruck zur kontinuierlichen Verbesserung oder Druck aus der
Verantwortung für hohe Ergebnis- und Prozessqualität sind weitere Gründe.
48 vgl. Heimerl- Wagner P. (1996) a.a.O., S. 172.Seite 49 von 73
- Neue Kosten: Den Einsparungspotentialen im Bereich der Primär- und
Sekundärprozesse stehen neue Kosten gegenüber:
- Leistungsverrechnungs- und –kontrollsysteme
- Kosten der Preisbildung und des Preisvergleichs
- Managementkosten
Im Vergleich zu heute ist davon auszugehen, dass der Anteil der Verwaltungskosten an
den Gesamtkosten in schlanken Gesundheitsorganisationen zunehmen wird, da dieser
im internationalen aber auch im Branchenvergleich überaus gering ist. Diesem
Mehraufwand sind aber die erwähnten Kostensenkungspotentiale durch eine
verbesserte Mittelallokation im Bereich der Primärprozesse und erhöhte
Leistungsorientierung gegenübergestellt.
- etc.49
4. Change Management
4.1 Definitionen
Veränderung ist eines der wichtigsten Themen in der Managementliteratur der neunziger Jahre
und wird in Begriffe wie „Change- Management“, „Business- Transformation“ oder
„Lernende Organisation“ gepackt, wobei bei allen der Wandel der Organisation im
Mittelpunkt steht. Der Wandel wird als höchste Kunst des Managements und eigentliche
Seitdem es Handeln von Menschen in Organisationen gibt, besteht die Anforderung, sich
weiterzuentwickeln, um somit wettbewerbsfähig auftreten zu können. Change Management
hat die Anforderung, dass die Veränderung der Organisation mindestens so schnell und in dem
Maße erfolgt, wie sich das Umfeld und die Umwelt verändern, da nur so ein Überleben im
Wettbewerb gesichert werden kann. Daher geht es bei einem erfolgreichen
Veränderungsmanagements darum, die natürlichen Kräfte des Umfeldes frühzeitig zu nutzen
und zu erkennen, um das eigene Niveau zu verbessern. Die Gegenposition ist, sich auf Dauer
strikt gegen Veränderungen zu stellen, was die Gefahr „überollt“ zu werden in sich birgt.51
49 vgl. Heimerl- Wagner P. (1996) a.a.O., S. 179.50 vgl. Heber H.: Change Management zum Angreifen, Verlag Styria (1998) S. 14.51 vgl. Albrecht D. (2006) a.a.O., S. 581.
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Die Wurzeln für den hohen Stellenwert von Change Management liegen in der doch sehr
rasanten Geschwindigkeit, mit der sich die westliche Industriegesellschaft verändert, aber
auch die Umweltbedingungen für Unternehmen die sich in immer schnelleren Zyklen
modifizieren.
Die folgende Tabelle zeigt alte verglichen mit neuen Spielregeln auf, und wie sich
Organisationen zu verändern haben um wettbewerbsfähig und leistungsstark zu bleiben:
Die alten Spielregeln der klassischen
Industriegesellschaft
Die neuen Spielregeln
1. Die Tendenz zur Globalisierung-Lokale/nationaleMärkte;
Abschottungsmöglichkeiten für eigene Märkte
-Zentralistische Organisation; die Konzernzentrale
- Identifizieren und Diskutieren der potenziellen Krisen und Möglichkeiten
2. Eine Führungskoalition aufbauen
- Koalition muss teamfähig sein
- Koalition muss Machtbefugnisse haben
3. Vision und Strategien entwickeln
- Dem Wandel mit einer Vision die richtige Richtung geben
- Strategie entwickeln, um die Vision umzusetzen
4. Die Vision des Wandels kommunizieren
- Konstante Kommunikation über verschiedene Kanäle
- Vorbildfunktion der Führungskoalition sicherstellen
5. Empowerment auf breiter Basis
6. Kurzfristige Ziele ins Auge fassen
- Kurzfristige Erfolge planen und herstellen
7. Erfolge konsolidieren und weitere Veränderungen ableiten
- Neueinstellung, Beförderungen oder Freisetzung von Mitarbeitern im Sinne des
Wandels
8. Neue Ansätze in der Kultur verankern
60 vgl. Heber H. (1998) a.a.O., S. 21.61 vgl. Heber H. (1998) a.a.O., S. 23-24.
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- Zusammenhang artikulieren zwischen Erfolg und „neuen“ Verhaltensweisen
- Weitere Investitionen in effektiveres Management und verbessertes Führungsverhalten
Change- Projekte können auf jeder der eben genannten Stufen des Prozesses scheitern, wobei
die Schritte 1- 4 den Status quo fundamental in Frage stellen und die Schritte 5- 7 die
Implementierungsschritte und Schritt 8 der dauerhaften Verankerung des Wandels im
Unternehmen dient. Jede der einzelnen Stufen ist mit kommunikativen Aktivitäten verbunden
und kann durch externe Berater sinnvoll unterstützt werden.62
Ein weiteres Prozessschema der Phasen eines Veränderungsprozesses stammt von Lewin, der
diesen in drei wesentlichen Phasen beschreibt. Die folgende Abbildung veranschaulicht den
Prozess der in die Phasen Auftauen (Unfreezing), Verändern (Moving) und Einfrieren
(Refreeezing) gegliedert ist:
Abb. 15: Phasen und Kräfte des Veränderungsprozesses
1. In der ersten Phase des Auftauens ist es vor allem wichtig, die Führungskräfte aber auch die
Mitarbeiter zu informieren und aufzuklären, um somit die Veränderungsbereitschaft zu
erhöhen und Ängste zu nehmen. Die Problematik dabei ist, je früher und damit je
strategischer der Zeitpunkt dieser Information und Intervention gewählt wird, desto
schwieriger ist es die Betroffenen zu überzeugen und eine Bereitschaft zur Veränderung zu
ermöglichen.
62 vgl. Kuhnert J. (2008) a.a.O., S. 3.Seite 58 von 73
Ein weiteres Problem ist, dass wenn sich die Leitung einer Klinik z.B. schon seit Monaten mit
der Notwendigkeit gezielter Einschnitte und Maßnahmen beschäftigt und sicht vor allem auch
mental darauf vorbereitet hat, nicht automatisch von den übrigen Beschäftigten verlangt
werden kann, dass sie sofort die Veränderungsnotwendigkeit innerhalb weniger Tage
akzeptieren.
Dieser Prozess kann dadurch gefördert und beschleunigt werden, indem die Mitarbeiter aktiv
in den Veränderungsprozess involviert werden. Dieses Vorgehen entspricht der klassischen
Philosophie, Betroffene zu Beteiligten zu machen, und dies nicht nur bei der Umsetzung
sondern auch schon zu Beginn bei der Analyse und Bestimmung der Ausgangssituation. Die
Mitwirkung der Mitarbeiter stellt am ehesten sicher, dass die Notwendigkeit einer
Veränderung erkannt wird und das Krankhaus überlebens- und erfolgsfähig gehalten werden
kann.
Zusammenfassend kann davon ausgegangen werden, dass eine realistische Darstellung der
Ausgangsituation, der Anforderungen und der erheblichen Veränderungen, die auf alle
Beteiligten zukommen, das Vertrauen der Mitarbeiter erhöht (vgl. Albrecht 2006, S. 585).
2. In der Phase des Veränderns soll durch gezielte Maßnahmen ein höheres
Produktivitätsniveau in einem festgelegten Zeitraum erreicht werden. Die Entwicklung in
diesem Prozess kann positiv aber auch negativ laufen. Das Ergebnis hängt zum einen sehr
stark von der Qualität der Projektleitung des Veränderungsmanagements und von der
Klinikleitung ab. Grundsätzlich gilt folgender Grundsatz: Der Veränderungsprozess darf in
der Phase der Instabilität nie zu lange dauern, da eine Instabilität nicht vollständig beherrscht
werden kann und per se negativ ist.
3. Die Phase des Einfrierens ist nicht weniger wichtig als die anderen Phasen, obwohl ja die
Veränderung im Sinne einer Verbesserung bereits realisiert wurde. Es gilt das erreichte neue
Ergebnisniveau zu stabilisieren und zu festigen. Neue Routinen und Instrumente, wie
klinische Behandlungspfade als standardisierte und optimierte Prozesse, sind dabei besonders
wichtig.63
63 vgl. Albrecht D. (2006) a.a.O., S. 586.Seite 59 von 73
4.3 Alternativen des Change Management- Prozesses im Krankenhaus
Wie die folgende Abbildung zeigt, stehen drei Alternativen für die Vorgehensweise bei einem
Veränderungsprozess zur Verfügung, aus denen in Abhängigkeit von der spezifischen
Ausgangssituation des jeweiligen Krankenhauses die am besten geeignete auszuwählen ist:64
Abb. 16: Alternativen des Changemanagement- Prozesses
- Die Insel-Lösung führt eine Veränderung zunächst in einem relativ abgeschlossenen
Krankenhausbereich durch, z.B. einer einzelnen Fachklinik. Durch diese
Vorgehensweise kann vermieden werden, dass mögliche Fehler und Versäumnisse bei
der Umsetzung von Veränderungen gleich im gesamten Krankenhaus auftreten. Ein
weiterer Vorteil ist, dass Erfolge anhand der praktischen Umsetzung belegt werden
können und die positiven Effekte möglichen Kritikern verdeutlicht werden können.
Ein Nachteil ist, dass im Krankenhaus während des Veränderungsprozesses zwei
Welten existieren und dies zu Schwierigkeiten bei der Zusammenarbeit führen kann.
Daher sollte die Zeit des Veränderungsprozesses möglichst kurz gefasst werden.
- Die Kaskaden- Lösung führt die Veränderung Top- down, ausgehend von der
Krankenhausleitung über alle Führungs- und Mitarbeiterebenen ein. Dies ist
grundsätzlich die klassische bürokratische Vorgehensweise, bei der jede gravierende
Änderung die Führung, Steuerung und das Vorleben übergeordneter Ebenen braucht.
Ein Nachteil dieser Vorgehensweise kann unter anderem sein, dass entsprechend dem
Bild eines mehrstufigen Wasserfalls das Wasservolumen von Ebene zu Ebene immer
64 vgl. Albrecht D. (2006) a.a.O., S. 590- 91.Seite 60 von 73
schwächer wird. In der Praxis im Krankenhaus findet man dieses Phänomen, indem
jede nachfolgende Ebene immer wieder erneut von Sinn, Zweck und Nutzen der
Veränderungsinitiative überzeugt werden muss. Daher ist eine schon anfänglich
kommunizierte und gemeinsam getragene Vision aller Organisationsebenen
notwendig.
- Bei diesem Aspekt setzt die Simultan- Lösung an, bei der von einer gemeinsamen
Vision ausgegangen wird, und nach einer Auftaktveranstaltung die
Veränderungsprozesse auf allen Ebenen gleichzeitig durchgeführt werden. Das Lernen
aus gemachten Erfahrungen ist hier nicht möglich, daher ist es wichtig den gesamten
Lern- und Erfahrungsprozess gut zu organisieren und in seinen Ergebnissen schnell zu
kommunizieren, um zu verhindern, dass die gleichen Fehler von verschiedenen
Ebenen weitgehend gleichzeitig oder sogar noch zeitlich versetzt gemacht werden.
Der größte Vorteil dieser Alternative ist, dass die gesamte Veränderung, zumindest zu
Beginn, mit dem geringsten Zeitaufwand auskommt.
Die generelle Grundformel eines erfolgreichen Veränderungsprozesses bleibt dabei immer,
eine starke strategische Steuerung und gleichzeitig eine schnelle dezentrale Umsetzung zu
ermöglichen. Alle ergebnisverantwortlichen Struktureinheiten des Krankenhauses agieren auf
der Basis einer klaren Vision und strategischen Zielsetzung.
4.4 Bedeutung und Rolle von Führungskräften und Mitarbeitern
Da diesen beiden Gruppen im Verlauf einer Veränderung ein wichtiger und bedeutender Teil
zugeschrieben wird, wird im folgenden kurz auf dieses Thema eingegangen.
Sowohl bei den Führungskräften als auch bei den Mitarbeitern sind die Anteile von
Befürwortern und Blockierern von Veränderungen gleich verteilt.
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Die folgende Abbildung zeigt die sehr oft anzutreffende Verteilung der Einstellungen zu
Veränderungsprogrammen in der Praxis:
Abb. 17: Reaktionen auf Veränderung
Auf der positiven Seite sind 5% der Führungskräfte und Mitarbeiter von der Veränderung
überzeugt und führen sie an. 20% schließen sich dem relativ schnell an. Auf der negativen
Seite stehen ebenfalls 25%. Die größte Gruppe ist jedoch die breite (schweigsame und
unentschlossene) Mitte mit 50%, die in der Regel abwartet und schaut was passiert und wie
groß der Druck für die Durchführung der Veränderung wird.65
In der Praxis besteht die Schwierigkeit zu erkennen wer von den Mitarbeitern und
Führungskräften zu welcher Gruppe gehört. Dies herauszufinden ist nur dann möglich, wenn
Zustimmung und vor allem Widerstand gegen das Vorhaben artikuliert wird. Die schwierigste
und problematischste Gruppe ist jedoch die der „Tarnkappenträger“, also Personen die ja
sagen, aber nein denken und handeln. Eine gewisse Abneigung gewohnte Verhaltens- und
Handlungsweisen ohne weiteres aufzugeben ist aber jedem Menschen nicht immer angenehm
und führt zu Beginn immer zu einer verschieden stark ausgeprägten Verunsicherung der nicht
immer eine Phase der Ablehnung folgen kann.
Mitarbeiter stellen sich generell folgende Fragen:
- Was bringt/ bewirkt die Veränderung für mich?
- Werden Arbeitsplätze wegrationalisiert?
- Was passiert mit den betroffenen Beschäftigten?
65 vgl. Albrecht D. (2006) a.a.O., S. 593.Seite 62 von 73
Aus diesem Grund heraus ist es wichtig, bereits zu Beginn eines Veränderungsprojektes diese
Themen und damit bestehende Unsicherheit und Ängste anzusprechen, auch wenn sie bis dato
nicht offen artikuliert wurden.66
Das Ziel ist, durch Kennen (Information/ Transparenz), Können (Qualifikation), Wollen
(Motivation) und Dürfen (Organisation/ Kompetenzen und Verantwortung) die
Veränderungsfähigkeit und Veränderungsbereitschaft zu erhöhen. Ein Anreiz für jeden
Mitarbeiter ist es die Neustrukturierung aktiv mitzugestalten und so Einfluss auf sie zu
nehmen. Dabei darf aber nicht die Effizienz des Veränderungsprozesses übersehen werden
und muss gewährleistet bleiben. Die Sicherung von Akzeptanz und Effizienz ist immer eine
schmale Gratwanderung.67
Führungskräften kommt eine besondere Rolle zu, da sie im Vergleich zur Normalsituation
eine stärkere Durchsetzungsfähigkeit und sensible Führungsfähigkeit aufweisen müssen.
Auch die Fähigkeit zur Konflikterkennung, -analyse, -besprechung und –lösung ist von großer
Bedeutung und muss laufend angewendet werden. Erforderlich ist dadurch Sozialkompetenz
und Managementkompetenz.
Im Krankenhaus bedeutet dies für die Führungskraft, dass sie in Veränderungsprojekten bereit
sein muss, eine angenehm empfundene Stabilität aufzugeben, und die Fähigkeit besitzen
muss, mit Unsicherheit umzugehen. Die Führungskraft wird automatisch zum
Instabilitätsmanager, der mit völlig anderen Führungsanforderungen konfrontiert ist. Diese
sind veränderte Fähigkeiten in der Führung, neue Formen der Kooperation und ein
verändertes Führungsverhalten bis hin zu anderen Persönlichkeitsprofilen. Damit auch die
Führungskräfte die Möglichkeit erhalten, den Veränderungsprozess aktiv und positiv
mitzugestalten, müssen sie vorab und auch parallel durch Qualifizierung und Coaching
unterstützt werden.68
66 vgl. Albrecht D. (2006) a.a.O., S. 595.67 vgl. Albrecht D. (2006) a.a.O., S. 596.68 vgl. Albrecht D. (2006) a.a.O., S. 598.
Seite 63 von 73
Die folgende Abbildung veranschaulicht wichtige Bausteine für ein erfolgreiches
Veränderungsmanagement:
Abb. 18: Acht typische Fehler im Veränderungsmanagement
Sollte einer der sechs Bausteine fehlen, dann resultiert hieraus ein spezielles Problem im
Veränderungsprozess, das den gesamten Erfolg in Frage stellen kann. Ein wichtiger Aspekt
der immer vor Augen gehalten werden sollte ist, dass eine Störung der Routine nicht als
Bedrohung aufgefasst, sondern als Veränderungsimpuls akzeptiert wird, da sich so viele
Probleme schon von vornherein vermeiden lassen.69
4.5 Das 15- Punkte Sofortprogramm
Das 15- Punkte Sofortprogramm ist ein von Albrecht und Töpfer verfasster, in Form eines
Buches geleisteter, Beitrag, der auf der Basis der zukünftigen Anforderungen einen gezielten
und vor allem einen von möglichst Allen getragenen, Veränderungsprozess in der Klinik
umzusetzen versucht. Das 15- Punkte Sofortprogramm zeigt den Handlungs- und
Entwicklungsbedarf der an eine Klinik im Laufe ihrer Veränderung gestellt wird.70
69 vgl. Albrecht D. (2006) a.a.O., S. 599.70 vgl. Albrecht D. (2006) a.a.O., S. 3.
Seite 64 von 73
Die folgende Abbildung zeigt das 15- Punkte Sofortprogramm und seine einzelnen
Managementfelder, sowie die Zusammenhänge untereinander:
Abb. 19: Vernetzung der einzelnen Managementfelder
Die Reihenfolge der einzelnen Schritte des Programms folgt weitgehend dem Vorgehen in der
Klinikpraxis. Ausgangsbasis ist eine klinikspezifische Bewertung der Ausgangssituation,
wobei alle wichtigen Führungskräfte der Klinik miteinbezogen werden müssen, um wie auch
schon zuvor erwähnt, ein notwendiges Bewusstsein zur Veränderung zu schaffen. Auf dieser
grundlegenden Basis lässt sich dann eine tragfähige strategische Ausrichtung für die Klinik
erreichen. Reibungsverluste können dabei durch eine klare Strategie und präzise
Kommunikation reduziert werden. Bestandteil der strategischen Ausrichtung ist in jedem
Falle auch die Einbindung von Partnern, um die eigene Position am Gesundheitsmarkt zu
festigen.
Statusanalyse und strategische Ausrichtung erfordern beide eine möglichst hohe Seite 65 von 73
Kostentransparenz in den Prozessen, siehe Punkt 3. Die Kostentransparenz zeigt der
Organisation ob die Umsatzerlöse die Kosten decken oder z.B. neue Produkte am Markt den
gewünschten Erfolg erbracht haben. Eine fehlende Kostentransparenz in den Prozessen kann
wie ein „Blindflug“ angesehen werden, da notwendige Maßnahmen zur Beseitigung von
Kostentreibern nicht erkannt werden können.
Negativer Verbrauch von Ressourcen und damit Verschwendung führt zu Qualitätsdefiziten,
die wiederum Fehlerkosten verursachen. So können z.B. Fehler bei der Patientenaufnahme
bei der Erfassung der Patientendaten in den darauf folgenden Phasen der Diagnose und
Therapie zu aufwändigen Korrekturen und Nacharbeiten führen. Diese Situationen nennt man
Blindleistungen, die bei einem hohen Qualitätsniveau von vornherein vermeidbar gewesen
wären. Diese Prozesse sind Inhalt des 4. Punkts.
Eine gezielt stärkere Prozessorientierung in der Klinik ist der Hebel zur Kosteneinsparung,
weil sie die Grundlage schafft, erkannte Defizite zu beseitigen.
Eine maßgeblich zentrale Richtlinie für Qualität in einer Klinik wird im 6. Punkt behandelt.
Dabei geht es primär um die Analyse der Patientenzufriedenheit, die wichtig und immer
aussagekräftig über die Qualität der Leistungen in einem Spital ist. Diese kann z.B. anhand
von Fragebögen erhoben und ausgewertet werden.
Das Erreichen von strategischen Zielen durch ein hohes Maß an Partnerorientierung wird
in Punkt 7. behandelt. Partner sind in diesem Fall z.B. Krankenkassen oder
Finanzierungsmöglichkeiten mit Medizintechnik- Unternehmen.
Alle Maßnahmen bezogen auf Adressaten, Qualität und Qualitätsmanagement sowie Partner
mit denen zusammengearbeitet wird sind Bestandteil des im Punkt 8. erwähnten
Marketingkonzepts der Klinik und auch Gegenstand der laufenden Öffentlichkeitsarbeit.
Vor der heutigen Situation von Gesundheitsorganisationen war aufgrund der finanziellen
Ressourcen praktisch kein Spielraum für ein aktives Marketing. Da sich dies aber, wie schon
zuvor erwähnt, maßgeblich geändert hat, werden Marketing und Öffentlichkeitsarbeit
zunehmend wichtiger und stellen bedeutende Positionen im Betrieb dar. Das Auftreten und
die Präsenz nach Außen hin und in der Öffentlichkeit, sind ausschlaggebenden Komponenten
im Bestehen eines Krankenhauses geworden.
Wie auch schon im Laufe der Arbeit erwähnt, kann keine nachhaltige Veränderung in
Gesundheitsorganisationen ohne Einbeziehung und aktive Mitwirkung der Mitarbeiter
vollzogen und durchgeführt werden. Daher ist es in Punkt 9. vor allem wichtig
unternehmerisch denkende und handelnde Mitarbeiter zu erreichen, die in ihrem Bereich
jeweils aktiv für Transparenz sorgen und ihren aktiven Beitrag zur angestrebten positiven
Seite 66 von 73
Entwicklung der Klinik leisten. Mitarbeiterbefragungen und daraus resultierende Diagnosen
und konkrete Verbesserungsmaßnahmen sind hierfür ein bewährtes Instrument. Diese
Bereiche sind meist Aufgaben der Personalentwicklung und stellen ebenfalls eine wichtige
Komponente dar.
Ziel des Krankenhauses der Zukunft ist es, die klassische starre Strukturorganisation durch
die kollegiale Führung, aber auch die strenge Disziplintrennung im medizinischen Bereich zu
überwinden. Dies soll in Punkt 10. angestrebt werden.
Wie in allen Bereichen kommen auch im Krankenhaus immer mehr IT- gestützten Lösungen
Bedeutung zu. Die Informationstechnologie wird dabei nicht nur im Verwaltungsbereich
eingesetzt, sondern hält zukünftig immer stärker Einzug in die medizinische Indikation und
Behandlung. Beispiel dafür wäre die elektronische Patientenakte, die auch bei der Visite
anhand eines tragbaren Laptops bedient und ausgefüllt werden kann, und zum Teil auch schon
in der gängigen Praxis verwendet wird. Ein Prozess, der erst langsam Einzug in die Praxis
findet, zumindest in Österreich.
Punkt 12. Beschäftigt sich mit dem wichtigen Thema des Qualitätsmanagements und dessen
Konzepten. Wichtig dabei ist zu erwähnen, dass die Einführung eines Qualitätkonzepts immer
mit einem enormen Aufwand und ständiger Kontrolle verbunden ist. Soweit es aber
eingeführt und kontinuierlich besteht, zeichnet es eine Klinik maßgeblich aus, und sowohl
Mitarbeiter als auch Patienten profitieren davon.
Punkt 13. Hat das Controlling bzw. ganzheitliche Steuerungskonzepte zum Inhalt. Das
Controlling ermöglicht Messungen und Abläufe in der Organisation zum messen und anhand
von Zahlen darzustellen, um so Arbeitsprozesse zu steuern.
Beispiel hierfür wäre z.B. der Balanced Scorecard, der ein Konzept zur Dokumentation der
Ergebnisse aus Messungen der Aktivitäten eines Unternehmens bezüglich seiner Vision und
Strategien ist. Ziel ist es, den Führungskräften einen umfassenden Überblick über die
Leistungsfähigkeit und Effektivität der Organisation zu bieten. Der BSC hat unterschiedliche
Perspektiven die er einnimmt, z.B. werden in der Finanzperspektive Kennzahlen zum
Erreichen der finanziellen Ziele festgelegt oder in der Kundenperspektive Kennzahlen zum
Erreichen der Kundenziel.71
Das erreichte Niveau eines Krankenhauses kann erst dann als gut genannt werden, wenn es
mit anderen Wettbewerbern verglichen werden kann. Daher beschäftigt sich der Punkt 14. Mit
den Grundzügen einer Wettbewerbsanalyse und Benchmarking.
Risikomanagement ist besonders in den heutigen Rahmenbedingungen besonders für den
71 vgl. http://www.balancedscorecard.org/BSCResources/AbouttheBalancedScorecard/tabid/55/Default.aspxHompage Balanced Scorecard Institute, Zugriff am 05.10.09