Depolymerisation von Polysiloxanen und die eisenvermittelte Aktivierung kleiner Moleküle vorgelegt von Diplom-Chemiker Peter Döhlert aus Berlin Von der Fakultät II - Mathematik und Naturwissenschaften der Technischen Universität Berlin zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der Naturwissenschaften – Dr. rer. nat. – genehmigte Dissertation Promotionsausschuss: Vorsitzender: Prof. Dr. rer. nat. Karola Rück-Braun Gutachter: Dr. rer. nat. Stephan Enthaler Gutachter: Prof. Dr. rer. nat. Matthias Drieß Gutachter: Prof. Dr. rer. nat. Carl Christoph Tzschucke Tag der wissenschaftlichen Aussprache: 02.06.2016 Berlin 2016
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Depolymerisation von Polysiloxanen und die eisenvermittelte ......Zusammenfassung Die vorliegende Arbeit umfasst im ersten Teil Studien zum Recycling von Polysiloxanen. Dazu wurde
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Depolymerisation von Polysiloxanen und die eisenvermittelte Aktivierung kleiner
Moleküle
vorgelegt von
Diplom-Chemiker
Peter Döhlert
aus Berlin
Von der Fakultät II - Mathematik und Naturwissenschaften
der Technischen Universität Berlin
zur Erlangung des akademischen Grades
Doktor der Naturwissenschaften
– Dr. rer. nat. –
genehmigte Dissertation
Promotionsausschuss:
Vorsitzender: Prof. Dr. rer. nat. Karola Rück-Braun
Gutachter: Dr. rer. nat. Stephan Enthaler
Gutachter: Prof. Dr. rer. nat. Matthias Drieß
Gutachter: Prof. Dr. rer. nat. Carl Christoph Tzschucke
Tag der wissenschaftlichen Aussprache: 02.06.2016
Berlin 2016
Publikationsliste
[9] Spent coffee ground as source for hydrocarbon fuels, P. Döhlert, M. Weidauer, S.
Enthaler, J. Energy Chem. 2016, 25, 146-152.
[8] Conversion of Poly(methylhydrosiloxane) Waste to Useful Commodities, P. Döhlert, S.
Enthaler, Catal. Lett. 2016, 146, 345-352.
[7] Depolymerization protocol for linear, branched, and crosslinked end-of-life silicones with
boron trifluoride diethyl etherate as the depolymerization reagent, P. Döhlert, S.
Enthaler, J. Appl. Polym. Sci. 2015, 132, 42814.
[6] Nitrous Oxide-dependent Iron-catalyzed Coupling Reactions of Grignard Reagents, P.
Döhlert, M. Weidauer, S. Enthaler, Chimia 2015, 69, 327-330.
[5] Introducing Students to Feedstock Recycling of End-of-Life Silicones via a
Low-Temperature, Iron-Catalyzed Depolymerization Process, P. Döhlert, M. Weidauer, R.
Peifer, S. Kohl, S. Enthaler, J. Chem. Educ. 2015, 92, 703-707.
[4] Recycling Concept for End-of-Life Silicones: Boron Trifluoride Diethyl Etherate as
Depolymerization Reagent to Produce Difluorodimethylsilane as Useful Commodity, P.
Döhlert, J. Pfrommer, S. Enthaler, ACS Sustainable Chem. Eng. 2015, 3, 163-169.
[3] Synthesis, characterization and application of iron N-substituted imidazole complexes
with the motif ClFeL4OFeCl3, P. Döhlert, E. Irran, R. Kretschmer, S. Enthaler, Inorg. Chem.
Commun. 2014, 51, 4-8.
[2] Exploring the coordination chemistry of 2-picolinic acid to zinc and application of the
complexes in catalytic oxidation chemistry, S. Enthaler, X.-F. Wu, M. Weidauer, E. Irran,
P. Döhlert, Inorg. Chem. Commun. 2014, 46, 320-323.
[1] Synthesis, characterization and application of nickel(II) complexes modified with
N,N´,N´´-pincer ligands, F. Czerny, P. Döhlert, M. Weidauer, E. Irran, S. Enthaler, Inorg.
Chim. Acta 2014, 425, 118-123.
Abstract
The first part of this work includes studies on recycling concepts of polysiloxanes. In this regard, a
method for the depolymerization was developed by using a depolymerization reagent and a Lewis
acid catalyst. After the successful depolymerization, the polymerization to new polysiloxanes was
demonstrated, so that this concept of feedstock recycling via depolymerization/polymerization
exemplifies an overall recycling process.
Moreover, this protocol was improved by using boron trifluoride diethyl etherate as the
depolymerization reagent and the Lewis acid enhancing the atom economy as well as the cost-
efficiency. The reaction conditions were then optimized and the depolymerization applied for
different polysiloxanes. This concept was extended by using a waste product of the polysiloxane
synthesis, Poly(methylhydrosiloxane) (PMHS), which served as a reducing agent or as a hydride
donor for hydrogen evolution. The resulting polymeric by-product was depolymerized to its
components. A particular interest was the use of PMHS as a reagent for the hydrodeoxygenation of
triglycerides. Coupled with the depolymerization it was possible to produce biodiesel and Green
Diesel from natural resources (spent coffee ground) and waste products converted into their
monomer components. Finally, the depolymerization of polysilazanes was also demonstrated.
In the second part, iron imidazole complexes as potential (pre)catalysts were synthesized. Here, the
synthesis and crystallization of four dinuclear iron(III) complexes with the ClFeL4–O–FeCl3 (L = subs.
imidazoles) motif were successful. These complexes were applied for the catalytic oxidative C-C
coupling reactions of Grignard reagents, as well as for the oxidation of olefins. Especially in the
oxidative C-C coupling reactions very good results were obtained within short reaction times.
Furthermore, modification of one of the complexes was possible. The synthesis of an iron complex
with bidentate ligand succeeded by a ligand exchange reaction. The resulting complex with
ClFe(phen)L2–O–Fe(phen)LCl2 motif was also tested successfully for catalysis.
Zusammenfassung
Die vorliegende Arbeit umfasst im ersten Teil Studien zum Recycling von Polysiloxanen. Dazu wurde
ein Protokoll zur Depolymerisation entwickelt, bei dem ein Depolymerisationsreagenz und ein
Lewis-Säure Katalysator verwendet wurde. Nach der erfolgreichen Depolymerisation wurde im
Anschluss daran die Polymerisation zu neuen Polysiloxanen gezeigt, sodass der vorliegende Prozess
als Recyclingverfahren genutzt werden kann.
Zur Verbesserung des Protokolls wurde das Depolymerisationsreagenz und die Lewis-Säure durch
Bortrifluoridetherat ersetzt, sodass eine verbesserte Atomökonomie und Kosteneffizienz für die
Depolymerisation erhalten wurde. Nach der Optimierung der Reaktion wurde die Methode an
weiteren Polysiloxanen angewandt. Dieses Konzept wurde erweitert, indem ein Abfallprodukt der
Polysiloxanherstellung, Poly(methylhydrosiloxan) (PMHS), im Vorfeld der Depolymerisation als
Reduktionsmittel oder Hydriddonor zur Wasserstoffentwicklung diente und das entstandene
Nebenprodukt im Zuge der Depolymerisation in seine Bestandteile zerlegt wurde. Ein besonderes
Interesse bestand in der Nutzung von PMHS als Reagenz zur Hydrodesoxygenierung von
Triglyceriden. Gekoppelt mit der Depolymerisation war es auf diesem Weg möglich Biodiesel und
Green Diesel aus natürlichen Ressourcen (Kaffeeabfall) und Abfallprodukten herzustellen, wobei die
polymeren Nebenprodukte in seine Monomere überführt werden konnten. Schlussendlich konnte
auch die Depolymerisation an Polysilazanen gezeigt werden.
Im zweiten Teil der Arbeit wurden Eisen-Imidazolkomplexe synthetisiert, die als (Prä)katalysatoren
dienten. Hierbei gelang die Darstellung und Kristallisation von vier dinuklearen Eisen(III)komplexen
mit ClFeL4-O-FeCl3 Motiv (L = subst. Imidazole). Diese wurden erfolgreich in der katalytischen
oxidativen C–C Kupplung von Grignard-Reagenzien sowie in der Oxidation von Olefinen
angewendet. Vor allem in der oxidativen C–C Kupplung konnten sehr gute Ergebnisse innerhalb
kurzer Reaktionszeiten erzielt werden.
Anschließend wurden Versuche zur Modifikation der Komplexe vorgenommen. Die Synthese eines
Eisenkomplexes mit bidentaten Liganden gelang mittels Ligandenaustauschreaktion. Der erhaltene
Komplex der Form ClFe(phen)L2–O–Fe(phen)LCl2 wurde ebenfalls erfolgreich in der Katalyse
getestet.
Danksagung
In erster Linie danke ich Herrn Dr. Stephan Enthaler für die Betreuung während meiner Doktorarbeit
und für das in mich gesetzte Vertrauen. Sein Fachwissen und die fortwährende
Diskussionsbereitschaft zur fachlichen Problembewältigung rechne ich ihm hoch an. Darüber hinaus
danke ich ihm für die Geduld und das Verständnis bei beruflichen aber auch privaten, schwierigen
Situationen, was heutzutage keine Selbstverständlichkeit bei Vorgesetzten ist.
Für eine angenehme Arbeitsatmosphäre danke ich Herrn Prof. Dr. Matthias Drieß. Die exzellente
Ausstattung der Labore und sehr guten Arbeitsbedingungen ermöglichten mir ein motiviertes und
zielstrebiges Arbeiten.
Herrn Prof. Dr. Carl Christoph Tzschuckedanke ich für die Übernahme des Zweitgutachtens und Frau
Prof. Dr. Karola Rück-Braun für die Übernahme des Prüfungsvorsitzes.
Des Weiteren bedanke ich mich bei allen Mitarbeitern des Institutes für Chemie für die gute
Zusammenarbeit. Namentlich möchte ich Paula Nixdorf, Dr. Jan Dirk Epping, Roswitha Hentschel,
Monika Ullrich, Dr. Elisabeth Irran, Dr. Maria Schlangen-Ahl, Juana Krone und Erik Neumann
erwähnen.
Gesondert nennen und danken möchte ich Andrea Rahmel, die außerordentlich und über allem
Maße heraus mich unterstützte. Ich werde die kurzen Plaudereien und unser gegenseitiges
Aufziehen vermissen und ihre Hilfe in vielerlei Dingen nicht vergessen.
In diesem Zusammenhang bedanke ich mich bei Stefan Schutte, der kontinuierlich die materielle
Voraussetzung für die Laborarbeit schuf und ein zuverlässiger Kollege ist. Seine aufgeschlossene und
freundliche Art machten den Arbeitsalltag heiter.
Meinem Kollegen Maik Weidauer danke ich für die motivierende und stets lustige Zeit. Durch ihn
lernte ich gerade in Belangen des alltäglich Lebens viel dazu.
Bei meiner Laborpartnerin Kerstin Hansen bedanke ich mich für zweieinhalb Jahre harmonisch
verlaufender Arbeitstage. Gelegentlich übernahm sie auch meine versäumten Aufgaben und
Pflichten ohne jemals Kritik zu äußern.
Zu großem Dank bin ich Dr. Stephan Enthaler, Nicolas Chaoui und Michael Bernicke für das
Korrekturlesen dieser Arbeit verpflichtet.
Arbeitstechnisch haben mich ganz besonders Dr. Axel Kannenberg, Dr. Marta Porta und Dr. Alper
Ünal geprägt. Ihnen verdanke ich ein sicheres, ordentliches und effizientes Arbeiten im Labor.
Ein Dankeschön gilt meinen Kollegen des AK Drieß, wobei ich Nils Lindenmaier, Carsten Walter, Dr.
Johannes Pfrommer und Alexander Burchert besonders erwähnen möchte.
Gleichzeitig bedanke ich mich beim AK Thomas für ein offenes und sympathisches Umfeld und die
ein oder andere schöne Abendveranstaltung. Eine besondere Wertschätzung gelten hierbei Nicolas
Chaoui, Sophie Kücken, Daniel Becker, Daniel Hagemeyer, Matthias Trunk, Dr. Jerome Roesser, Dr.
Johannes Schmidt, Frank Czerny und Michaela König.
Bei allen ehemaligen Mitarbeitern des AK Blecherts möchte ich ebenfalls meinen Dank äußern,
wobei Dr. Axel Kannenberg, Dr. Lennart Möhlmann, Dr. Lenard Hussein, Dr. Johanna Tornatzky, Dr.
Steffen Kress, Dr. Jens Döbler, Dr. Dominik Siegel, Dr. Moritz Baar, Dr. Anke Berger und Dr. Daniel
Rost besonders zu erwähnen sind.
Für eine hervorragende Zeit danke ich den ehemaligen Mitarbeitern Dr. Robert Kretschmer, Dr.
Burkhard Butschke und Dr. Nicolas Dietl des AK Schwarz.
Soraya Taabache, Nicolas Chaoui, Michael Bernicke, Nick Dibbert, Martin Jasyk und Leon Buschbeck
habe ich für die unvergleichliche Studienzeit zu danken. Vor allem die ereignisreichen Ausflüge nach
Danzig und Koserow sowie die fast wöchentliche „Mast“ mit Nico, Micha und Martin waren
sensationell und möchte ich nicht missen. Für einen kuriosen Wochenendausflug nach Köln danke
ich ebenso Johanna, Jessica Nickling und Nico.
Meinen besten Freunden Katja, Lars, Caro und Christopher möchte ich danken und erinnere mich
gern an jede Unternehmungen und Abende in heiterer Gesellschaft zurück. Während dieser Zeit
konnte ich Abstand von der Chemie nehmen und neue Kraft sammeln.
Mein größter Dank gebührt meinen Eltern Rita und Jörn, meinem Bruder Stefan und meiner Oma
Eva. Ohne die stete Motivation und finanzielle Hilfe wäre diese Arbeit nie zustande gekommen.
Explizit in schlechten Lebenslagen konnte ich auf ihre Unterstützung zählen und neuen Mut
schöpfen. Vielen lieben Dank dafür.
Inhaltsverzeichnis i
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung .................................................................................................................................. 1
Neben der Verwertung von Polymerabfällen spielt auch die Vermeidung von während einer
chemischen Reaktion auftretender Nebenprodukte eine bedeutende Rolle. Jedoch ist dies technisch
oder chemisch nicht immer möglich, sodass zumindest eine Weiterverarbeitung der Nebenprodukte
wünschenswert ist. Häufige Nebenprodukte in Reaktionen sind kleine Moleküle wie z.B.
Schema 12: Synthese von Adipinsäure 27 und anschließender Polymerisation mit Hexamethylendiamin 28 zu Nylon 6,6 29.
14 I. Einleitung
Kohlenstoffdioxid (CO2) oder Distickstoffmonoxid (Lachgas, N2O), deren Weiterverarbeitung
aufgrund ihres inerten Charakters schwierig ist. Anhand der Nylon 6,6-Synthese wird diese
Problematik verdeutlicht (Schema 12). Nylon 6,6 29 gehört zur Klasse der Polyamide 8 und geht aus
der Polymerisation von Hexamethylendiamin 28 und Adipinsäure 27 bzw. dessen Salz
(Hexamethylendiaminadipat, AH-Salz) hervor.[56] Adipinsäure wiederum wird aus der Oxidation von
Cyclohexen oder Cyclohexanol 26 mit Salpetersäure erhalten.[57] Ein während des Verfahrens
gebildetes Nebenprodukt ist N2O. Die durch industrielle Verfahren verursachte Emission von N2O
liegt bei 10%. Der größte Anteil des produzierten Distickstoffmonoxids geht mit ca. 70% auf die
Landwirtschaft zurück.[58] In Anbetracht der 300-mal größeren Wirksamkeit von Distickstoffmonoxid
gegenüber CO2 als Treibhausgas, ist die Verarbeitung des industriellen N2O-Abfalls von besonderem
Interesse.[58-59] Gegenwärtig wird N2O in der Industrie als Abfall angesehen und vernichtet,[60] wobei
die Nutzbarmachung von N2O für katalytische Reaktionen eine elegantere Methode wäre.
Als Vorbild zur Aktivierung kleiner, inerter Moleküle dient die Natur. Dabei fungieren Enzyme als
Biokatalysatoren, die in der Lage sind unter anderem H2,[61] O2,[62] N2[63] oder CO2
[64] zu aktivieren
und so für Reaktionen zugänglich zu machen. Bemerkenswert sind Enzyme dahingehend, dass sie
über eine hohes Maß an Chemo-, Regio-, Diastereo- und Enantioselektivität verfügen und die
Reaktionen bei milden Reaktionsbedingungen durchführen. Dies stellt gerade für enantioselektive
Katalysen eine interessante Alternative zu bisherigen chiralen Metallkomplexen dar.[65] Enzyme
bestehen aus mindestens einem aktiven Zentrum, welches von einer Proteinhülle umgeben ist. Das
Abbildung 2: Die N2O-Reduktase aus Pseudomonas stutzeri (links) und der Ausschnitt des aktiven Zentrums (rechts). C (grau), N (blau), O (rot), Cu (orange), S (gelb).
[66]
I. Einleitung 15
aktive Zentrum ist der Ort an dem die chemischen Reaktionen stattfinden und beinhaltet meist ein
oder zwei Übergangsmetalle.[67] So enthält beispielsweise das Enzym N2O-Reduktase im Bakterium
Pseudomonas stutzeri ein Kupfer–Schwefel-Cluster [4Cu:2S] als aktives Zentrum, wobei die vier
Kupferatome von sieben L-Histidinliganden komplexiert werden. Diese strukturelle Beschaffenheit
befähigt das Enzym, N2O in N2 zu konvertieren (Abbildung 2).[68] Ein sehr häufig vorkommendes
Übergangsmetall in Enzymen ist Eisen,[69] wobei auch Cobalt,[70] Nickel,[71] Mangan[72] oder Zink[73] in
den aktiven Zentren vorzufinden sind. Nicht umsonst nimmt Eisen einen besonderen Stellenwert
ein, da es ein häufig vorkommendes, kostengünstiges und toxisch weitgehend unbedenkliches
Element ist.[74] Ein eisenhaltiges und sehr weitreichend untersuchtes Enzym ist das Cytochrom
P450.[69d,75] Vom strukturellen Aufbau handelt es sich um ein Hämprotein, das im aktiven Zentrum
ein von Porphyrin koordiniertes Eisenion aufweist. Durch weitere Stabilisierung des Ions in axialer
Koordinationsumgebung ist Cytochrom P450 zur Oxidation von organischen Substraten befähigt.
Genauer betrachtet ermöglicht das Enzym den Transfer eines einzelnen Sauerstoffatoms aus O2 in
eine C–H-Bindung und gehört damit zur Klasse der Monooxygenasen. Bewerkstelligt wird dies nach
heutiger Auffassung durch einen reversiblen Oxidationsstufenwechsel des Eisens von +II bis +IV,
wobei der genaue Mechanismus noch nicht ausreichend geklärt und weiterhin Bestandteil
wissenschaftlicher Diskussion ist.[76]
Neben den Hämproteinen existieren in der Natur aber auch eisenhaltige Enzyme, deren
Übergangsmetall nicht von Porphyrinliganden stabilisiert ist (Nicht-Hämproteine). Als typischer
Vertreter dieser Gruppe ist die Methan-Monooxygenase (MMO) zu nennen, welche die Oxidation
von Methan zu Methanol katalysiert.[69c] Dabei liegt im aktiven Zentrum ein dinuklearer
Eisenkomplex vor, dessen Metallionen von insgesamt sechs Aminosäuren koordiniert werden
(Abbildung 3, links).[77] Darüber hinaus sind auch mononukleare Eisenkomplexe in aktiven Zentren
bekannt. Zum Beispiel vermittelt die Eisen(II)/α-Ketoglutarat basierte Halogenase aus dem
Bakterium Pseudomonas syringae pv. syringae die Chlorierung des Indolyls von L-Tryptophan an
C3-Position.[69b] Die Koordinationssphäre des Eisen(II) ist neben dem α-Ketoglutarat von einem
Aqua-, Chlorido- und zwei L-Histidinliganden geprägt (Abbildung 3, rechts).[78] Auch für derartige
Enzyme gab es in den letzten Jahrzehnten zahlreiche Modellkomplexe, welche überwiegend in
Oxidationsreaktionen untersucht wurden.[79] Ein häufig auftretendes Strukturmotiv ist die
Komplexierung des Eisens mittels stickstoffhaltiger Chelatliganden wie zum Beispiel
16 I. Einleitung
Abbildung 3: Ausschnitt aus dem aktiven Zentrum einer Methan-Monooxygenase (links)[77]
und Nicht-Häm Halogenase (rechts);
[78] C (grau), N (blau), O (rot), Cl (grün), Fe (orange).
Tris(2-pyridylmethyl)amin (tpa oder tpma). Die Chelatliganden begünstigen zwar die Stabilität der
Komplexe, geht aber meist mit einer Abnahme der katalytischen Aktivität einher.[80] Die sterische
Abschirmung des Metallions durch die bi- bzw. tridentaten Liganden bewirkt eine erschwerte
Koordination des Substrates an das Reaktionszentrum und resultiert in einem Herabsetzen der
Katalysatorleistung. Außerdem sind derartige Komplexe in der Qualität als Naturmodell
unzureichend geeignet, da bei Nicht-proteinen die Koordination des Metallions lediglich über die
mono- bis bidentaten Seitengruppen der Aminosäuren aus den Peptiden erfolgt.
Eine Alternative zu multidentaten Eisenmodellkomplexen veröffentlichte Beller 2009 in einem
Artikel zur Oxidation von Olefinen.[81] Die für die Katalyse erforderliche aktive Spezies wurde aus
Eisen(III)chlorid Hexahydrat und einem Imidazol-Derivat in tert-Amylalkohol in situ generiert. Nach
der Reaktion konnten Komplexe der Form ClFeL4OFeCl3 Fe-2 erhalten werden (Schema 13, rechts).
Genauere Untersuchungen an Komplexen mit Fe–O–Fe-Motiv und monodentaten Liganden wurde
im Arbeitskreis von Enthaler im Jahr 2013 durchgeführt.[82] Hierzu wurde eine alternative
Syntheseroute entwickelt, welche eine einfachere Isolierung der Komplexe Fe-1 aus Eisen(II)chlorid,
Pyridin-Derivaten in Gegenwart von Sauerstoff erlaubte (Schema 13, links). Weiterhin konnte durch
spektroskopische Untersuchungen geklärt werden, dass beide Eisenatome die Oxidationszahl +III
aufweisen und die Herkunft des verbrückenden Sauerstoffatoms aus dem atmosphärischen
Sauerstoff herrührt. Unabhängig von der Vielzahl an eisenhaltigen Modellkomplexen für Enzyme
und potenziellen (Prag)katalysatoren für Oxidationsreaktionen mangelt es zum jetzigen
I. Einleitung 17
Schema 13: Komplexe mit Fe–O–Fe Motiv und Pyridin- (links) bzw. Imidazolliganden (rechts).
Forschungsstand an Beispielen für eisenbasierte asymmetrische Reaktionen mit hoher
Stereoselektivität. Am Beispiel von asymmetrischen Oxidationsreaktionen soll dieses Problem
verdeutlicht werden.
Die wohl in den vergangenen Jahrzehnten bedeutsamsten homogenen, asymmetrischen
Oxidationsreaktionen mit hohen Enantiomerenüberschüssen (enantiomeric excess, ee) stellen die
Sharpless- und die Jacobsen-Epoxidierung dar. Die titanbasierte Sharpless-Epoxidierung ermöglicht
die enantioselektive Oxidation von prochiralen Allylalkoholen und findet bspw. in der Totalsynthese
von Atomoxetinhydrochlorid (selektiver Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer) Anwendung.[83] Bei
der Jacobsen-Epoxidierung bewerkstelligt ein chiraler Mangansalenkomplex die asymmetrische
Oxidation von meist Z-konfigurierten Olefinen. So wird sie in der Totalsynthese von CDP840
(Phosphodieesterase-4-Hemmer) eingesetzt.[84] Ein Nachteil der o.g. Oxidationsreaktionen ist die
Verwendung von harschen und atomunwirtschaftlichen Oxidationsmitteln. Während die
Sharpless-Epoxidierung tert-Butylhydroperoxid benötigt, wird bei der Jacobsen-Epoxidierung
Natriumhypochlorit verwendet. Bezogen auf den atomaren, übertragenden Sauerstoffanteil in
Relation zum Molekulargewicht des Oxidationsmittels werden lediglich 18% bzw. 21% übertragen,
während der Rest als ungenutzter Abfall anfällt (Abbildung 4).
18 I. Einleitung
Abbildung 4: Prozentualer Anteil des übertragbaren Sauerstoffs bezüglich der Gesamtmasse des Oxidationsmittels. [a] Der theoretische übertragene Sauerstoffanteil beträgt 100%, jedoch zeigt die derzeitigen Forschungsergebnisse nur den Transfer
eines Sauerstoffatoms. Für das zweite Sauerstoffatom muss stets ein Abfangreagenz verwendet werden.
Das in der Theorie atomökonomischste Oxidationsmittel stellt O2 mit 100% Anteil an atomaren
Sauerstoff dar. In der Praxis kann jedoch in Oxidationsreaktion – nach jetzigem Forschungsstand –
lediglich eines der beiden Sauerstoffatome zur Oxidation genutzt werden, wodurch für das
verbleibende Sauerstoffatom ein Abfangreagenz notwendig ist. Daher liegt der reale Wert für die
Atomökonomie für Sauerstoff bei 50%. Ein ebenso atomökonomisches Oxidationsmittel ist
Wasserstoffperoxid, das mit 47% eine nahezu dreimal höhere Atomökonomie gegenüber den oben
diskutierten Oxidationsmitteln aufweist und ist nach O2 das atomökonomischste Oxidationsmittel.
Zudem entsteht nach der Reaktion lediglich Wasser als Abfallprodukt, was die Umweltverträglichkeit
des Oxidationsmittels unterstreicht. So konnte Katsuki 2006 die asymmetrische Oxidation an
Olefinen unter Verwendung von Titansalenkomplexen und Wasserstoffperoxid zeigen, die mit
hohen ee von bis zu 99% verbunden waren. Während ein Enantiomerenüberschuss von >90% für die
Sharpless- und Jacobsen-Epoxidierung gängig sind, sind derartige Befunde für Eisen nur selten in der
Literatur beschrieben. 1999 konnte Jacobsen in 5760 Reaktionen aus verschiedenen
Metall-Ligandkombinationen beobachten, dass trans-β-Methylstyren unter Verwendung von
Eisen(II)chlorid und eines chiralen, polystyrolgebundenen Peptidliganden in Gegenwart von
Wasserstoffperoxid in das entsprechende Epoxid überführt wurde.[85] Der Enantiomerenüberschuss
der Reaktion betrug 20%. Im Jahr 2007 veröffentlichte Beller eine variierte Methode zur
asymmetrischen Oxidation von Olefinen. Indem Eisen(III)chlorid, ein chirales Sulfonsäureamid und
ein Additiv in situ mit dem Substrat umgesetzt wurde, konnte der Enantiomerenüberschuss auf 28%
gesteigert werden.[86] In weiterführenden Untersuchungen wurde für trans-Stilben ein
I. Einleitung 19
Enantiomerenüberschuss von bis zu 47% bei einer Ausbeute von 97% erhalten. Erst kürzlich
veröffentlichte Costas Ergebnisse von asymmetrischen Epoxidationen externer Olefine.[87] Hierbei
wurde als katalytisch aktive Spezies ein Eisen(II)komplex Fe-3 mit tetradentatem Aminrückgrat
sowie zwei Triflatgruppen verwendet, welcher in Anwesenheit von H2O2 und katalytischen Mengen
einer amingeschützten Aminosäure die Reaktion vollzieht (Schema 14).
Schema 14: Darstellung für enantioselektive Oxidationsreaktionen nach Costas.[87]
Interessant hierbei ist die hohe Kontrolle über die Enantioselektivität der erhaltenen Epoxide,
sodass Enantiomerenüberschüsse von bis zu 85% beobachtet werden konnten. Dabei erfolgt die
Induzierung der Stereoinformation mittels Zugabe von chiralen, N-geschützten Aminosäuren. Trotz
der atomökonomischeren Reaktionsführung für eisenbasierte Oxidationsreaktionen, bietet sie
gerade in Bezug auf die Enantioselektivität Raum für Verbesserungen.
Neben der Nutzung von H2O2 als grünes Oxidationsmittel gibt es auch Beispiele für die Nutzung von
N2O.[88] Zwar ist die Atomökonomie von N2O als Oxidationsmittel mit 36% niedriger als die von H2O2,
jedoch entsteht als Nebenprodukt das für die Umwelt unbedenkliche N2 (Abbildung 4). Kürzlich
erbrachte Severin einen bemerkenswerten Beitrag zur Nutzung von N2O.[89] Hierbei gelang ihm die
oxidative C–C-Kupplung zweier Grignard-Reagenzien 33 unter Verwendung von N2O in Anwesenheit
von Übergangsmetallsalzen zu Biphenylderivaten 34 (Schema 15).
20 I. Einleitung
Schema 15: Oxidative C–C-Kupplung von Grignard-Reagenzien.
Das sonst für derartige Reaktionen notwendige Oxidationsmittel 1,2-Dihalogenethan,[90] welches
selbst erst aus fossilen Rohstoffen erzeugt werden muss, wurde durch N2O ersetzt. Darüber hinaus
wurden Eisensalze als Übergangsmetallspezies verwendet. Dies bietet gegenüber der gängigen
C–C-Kupplung mit edlen Übergangsmettallen wie Palladium oder Platin entscheidende Vorteile. Zum
einen ist Eisen das vierthäufigste Element der Erdkruste und dementsprechend mit <0.01 €/mol
kostengünstig erhältlich. Demgegenüber steht bspw. Palladium mit dessen geringeren Häufigkeit
von 0.006 ppm und einem Preis von 1460 €/mol.[74a] Zum anderen ist Eisen gegenüber Palladium für
viele Organismen und Lebewesen existenziell wichtig, was sich in der Toxizität der Metalle
widerspiegelt.[74b] Allerdings ist Eisen in Relation zu den edlen Metallen meist reaktionsträger und
oxidationsempfindlicher, was den Umgang mit Eisen in chemischen Reaktionen erschwert.
II. Zielsetzung und Konzept 21
II. Zielsetzung und Konzept
2.1. Recycling von Polysiloxanen via Depolymerisation und Polymerisation
Im ersten Teil der Arbeit wurde der Aspekt zur rohstofflichen Verwertung von Polysiloxanen
untersucht. Das Ziel bestand darin, lineare Poly(dimethylsiloxane) im Zuge einer Depolymerisation in
seine monomeren oder dimeren Bestandteile zu zerlegen und in einer anschließenden
Polymerisation in neue Polysiloxane zu überführen (Schema 16). Als Grundlage diente das in unserer
Arbeitsgruppe entwickelte Modell zur Depolymerisation von Poly(dimethylsiloxanen) unter
Zuhilfenahme von Eisen(III)chlorid und Benzoylfluorid.[91] In weiterführenden Untersuchungen sollte
nach einer Alternative des Depolymerisationsreagenzes geforscht werden, wobei das
Hauptaugenmerk auf eine kostengünstigere Fluoridquelle als Benzoylfluorid gelegt wurde. Mit der
Wahl von Bortrifluoridetherat (BF3·OEt2) als Depolymerisationsreagenz bot sich neben der weitaus
günstigeren Fluoridquelle auch der Vorteil, die notwendige Lewis-Säure und das
Fluorierungsreagenz in einem Reagenz zu kombinieren.
Schema 16: Schematische Darstellung für das Konzept zur rohstofflichen Verwertung von Polysiloxanen.
Das Konzept zur Depolymerisation von linearen Poly(dimethylsiloxanen) sollte anschließend auf
andere Systeme übertragen werden. Dazu wurden in ersten Reaktionen verzweigte und vernetzte
22 II. Zielsetzung und Konzept
Poly(dimethylsiloxan)-Modelle in der Depolymerisation untersucht und nach Erfolg auf die Polymere
angewendet. Ferner war die Depolymerisation von Poly(methylhydrosiloxanen) (PMHS) von hohem
wissenschaftlichen Interesse, da sie Nebenprodukte der Silikonherstellung[92] sowie häufig
verwendete Reduktionsmittel in der organischen Chemie sind.[93] Dieses wissenschaftliche
Aufmerksamkeit galt auch den Polysilazanen.
2.2. Synthese und Anwendung von Imidazol-Eisenkomplexen
Im weiteren Verlauf der Arbeit stand die Synthese, die Charakterisierung und die Anwendung von
Imidazol-Eisenkomplexen im Mittelpunkt. Das Bestreben war es, luft- und wasserstabile
homobimetallische Eisenkomplexe zu erhalten, dessen Eisenzentren μ-oxido-verbrückt sind
(Schema 17). Die Wahl von Imidazolliganden lag darin begründet, dass Imidazol in der Seitengruppe
von L-Histidin enthalten ist und somit als Modell der natürlichen Aminosäure dient. Bei erfolgreicher
Komplexierung der Imidazolliganden wäre ebenso die Fragestellung nach der Komplexierung von
L-Histidin sinnvoll, um den Zugang zu chiralen Komplexen bzw. (Prä)katalysatoren zu ermöglichen.
Konzeptionell galt es die Eisenkomplexe via Oxidation von Eisen(II)chlorid in Gegenwart von
verschiedenen Imidazolliganden zu synthetisieren (siehe Einleitung 1.2.). Anschließend sollten die
Komplexe in katalytischen Reaktionen zur Aktivierung kleiner Moleküle verwendet und auf ihre
Aktivität hin untersucht werden.
Schema 17: Synthese von Imidazol-Eisenkomplexen und ihre Anwendung.
Hierbei wurden die Komplexe vor allem in der Aktivierung von N2O im Zuge einer C–C Kupplung
sowie in der Aktivierung von H2O2 während der Oxidation von Olefinen untersucht. Desweiteren
bestand das Interesse die Reaktivität der Komplexe selbst zu untersuchen. Demnach galt es die
Substitution der Chlorido- oder der monodentaten Imidazolliganden zu studieren.
III. Ergebnisse und Diskussion 23
III. Ergebnisse und Diskussion
3.1. Recycling von Polysiloxanen via Depolymerisation und Polymerisation
3.1.1. Eisenkatalysierte Depolymerisation von Polysiloxanen und anschließender
Polymerisation zu neuen Polysiloxanen
Beginnend mit ersten Studien zur Depolymerisation von Poly(dimethylsiloxanen) wurden
katalytische Mengen Eisen(III)chlorid als Lewis-Säure und Benzoylfluorid 36 als
Depolymerisationsreagenz verwendet. Hierzu wurden 1.0 g eines Hydroxyl-terminierten
Poly(dimethylsiloxans) 35 eingewogen und mit 1.0 mol% FeCl3 (bezogen auf die monomere Einheit
des Polymers) versetzt. Das Reaktionsgefäß wurde anschließend mit einer Vigreux-Kolonne
verbunden, welche selbst an einer Destillationsapparatur befestigt war. Zur Initiierung der
Depolymerisation wurden über den Destillationsaufsatz 2.5 Äquivalente (eq.) des Benzoylfluorids 36
(bezogen auf die monomere Einheit des Polymers) zugegeben. Nach Erhitzen des
Reaktionsgemisches auf 130 °C konnten das Monomer Difluordimethylsilan 37 und das Dimer
1,3-Difluor-1,1,3,3-tetramethyldisiloxan 38 nach kontinuierlicher Destillation erhalten werden
(Schema 18). Es ist anzumerken, dass sowohl eine Inertgasatmosphäre sowie Lösungsmittel für die
Reaktion nicht notwendig sind. Entscheidend für eine hohe Ausbeute war eine genaue
Temperaturkontrolle des Vorlagekolbens. Diese durfte nicht mehr als 0 °C betragen, da sonst die
leicht flüchtige Verbindung 37 (Siedepunkt: 3 °C) aus dem Vorlagekolben verdampfen würde und
Schema 18: Depolymerisation von Hydroxyl-terminiertem Poly(dimethylsiloxan) mit Eisen(III)chlorid und Benzoylfluorid.
24 III. Ergebnisse und Diskussion
Abbildung 5: NMR Spektren der Verbindungen 37 und 38; a) 1H-NMR (200 MHz, CDCl3, 25 °C); b)
13C{
1H}-NMR (50 MHz, CDCl3,
25 °C); c) 19
F-NMR (188 MHz, CDCl3, 25 °C); d) 29
Si{1H}-NMR (40 MHz, CDCl3, 25 °C).
eine Verminderung der Ausbeute zur Folge hätte. Dementsprechend wurde der Vorlagekolben
mittels Aceton/Distickstoff (flüssig) stets auf -78 °C gekühlt. Nach einer Reaktionszeit von einer
Stunde konnten die Produkte 37 und 38 in einer Gesamtausbeute von 90% erhalten werden. Zur
genauen Bestimmung der Produktspezies wurde das Destillat mittels 1H-, 13C{1H}-, 19F- und
29Si{1H}-NMR Spektroskopie untersucht. Für das 1H-NMR Spektrum wurden zwei Signale beobachtet
(Abbildung 5a). Das Triplett bei 0.33 ppm konnte der Verbindung 37 zugeordnet werden und weist
eine Kopplungskonstante von 6.3 Hz auf, welche aus der Kopplung der Protonen mit den zwei
Fluoratomen (3JHF) hervorgeht.[94] Das zweite Signal bei 0.23 ppm wurde 38 zugeordnet und zeigt ein
Dublett mit einer Wasserstoff-Fluorkopplung von 6.2 Hz.[95] Die spezifische Ausbeute von 37 und 38
wurde mit Hilfe der 1H-NMR Spektroskopie bestimmt. Hierbei wurden die Protonensignale der
jeweiligen Spezies integriert, der Wasserstoffanteil gleichgesetzt und auf die Gesamtausbeute
b) a)
d) c)
III. Ergebnisse und Diskussion 25
bezogen. Dementsprechend betrug die Ausbeute von 37 83%, wohingegen 38 mit 7% erhalten
wurde. Übereinstimmende Befunde zum Kopplungsmuster wurden aus dem 13C{1H}-NMR Spektrum
erhalten (Abbildung 5b). Das Signal bei -3.1 ppm wurde 37 zugeordnet und zeigt eine
Triplett-Aufspaltung, was durch die Kopplung des Kohlenstoff- mit zwei Fluoratomen (2JCF) und einer
Kopplungskonstante von 16.8 Hz hervorgerufen wird. Das Dublett bei -1.3 ppm wurde der
Verbindung 38 zugeordnet und weist eine Kopplungskonstante von 18.7 Hz auf.[91a] Das 19F-NMR
Spektrum zeigt ein komplexeres Aufspaltungsmuster (Abbildung 5c). Für das Produkt 37 wurde ein
Septett bei -131.6 ppm mit einer Kopplungskonstante von 6.2 Hz (3JFH) erhalten.[94] Darüber hinaus
wurden Satelliten dieses Signals detektiert, die durch die Kopplung des Fluor- mit dem Siliciumatom
verursacht werden. Die Kopplungskonstanten des Dublett von Septetts betragen 289.5 Hz (1JFSi) und
6.2 Hz (3JFH). Für das Produkt 38 wurde ebenfalls ein Septett bei -131.2 ppm verzeichnet, wobei die
Kopplungskonstante 6.1 Hz (3JFH) beträgt. Auch für diese Verbindung wurden Siliciumsatelliten
beobachtet, die in der Abbildung aufgrund der geringen Auflösung des Spektrums nicht sichtbar
sind. Das Dublett von Septett weißt Kopplungskonstanten von 277.7 Hz (1JFSi) und 6.2 Hz (3JFH)
auf.[91b] Als weitere NMR Methode zur Charakterisierung der Produkte wurde die 29Si{1H}-NMR
Spektroskopie herangezogen (Abbildung 5d). Das Spektrum zeigt lediglich ein Signal bei -5.8 ppm,
welches in ein Dublett aufspaltet. Mit einer Kopplungskonstante von 277.3 Hz (1JSiF) wurde das
Signal dem Produkt 38 zugeordnet. Das Hauptprodukt 37 konnte im 29Si{1H}-NMR Spektrum nicht
beobachtet werden, da während der langen Messzeit der Siliciummessung die stark flüchtige
Verbindung aus der Probe verdampfte. Aufgrund der schwierigen Handhabung und Trennung von 37
und 35 konnte auch nicht auf die IR Spektroskopie als weitere Methode zur Charakterisierung
zurückgegriffen werden. Die Analyse des Rückstandes im Reaktionskolben ergab die Bildung von
Benzoesäureanhydrid 39 als Nebenprodukt der Depolymerisation. Mit Hilfe der 13C{1H}-NMR
Spektroskopie konnte eine Tieffeldverschiebung des Carbonylkohlenstoffsignals von 157.5 ppm für
Benzoesäurefluorid[96] hin zu 162.2 ppm für Benzoesäureanhydrid beobachtet werden.[97] Zur
weiteren Charakterisierung diente die Massenspektrometrie, bei der das ionisierte Molekül (EI) von
39 sowie dessen Fragmente detektiert wurden.[91a]
Auf der Basis dieser Erkenntnisse wurde ein Reaktionsmechanismus zur eisenkatalysierten
Depolymerisation von Polysiloxanen postuliert (Schema 19). Ausgehend von Eisen(III)chlorid erfolgt
nach Zugabe des Poly(dimethylsiloxans) 17 eine Koordination des Siloxansauerstoffs an die
26 III. Ergebnisse und Diskussion
Schema 19: Postulierter Reaktionsmechanismus zur eisenkatalysierten Depolymerisation von Polysililoxanen.
Lewis-Säure FeCl3 (I). Dies bewirkt eine Aktivierung der Silicium–Sauerstoffbindung 40, wodurch eine
Bindungsspaltung ermöglicht wird. Verdeutlicht wurde dieser Sachverhalt anhand von
DFT-Berechnungen.[91b] Dazu wurde am Modell Me3SiOSi(Me2)OSi(Me2)OSi(Me2)OSiMe3 die
Bindungsdissoziationsenergie (BDE) der hervorgehobenen Si–O Bindung mit 505.8 kJ/mol
berechnet. Die Koordination des Siloxansauerstoffs an Eisen(III)chlorid führt zu einer Herabsetzung
der BDE um 79.5 kJ/mol auf 426.3 kJ/mol. In Gegenwart einer Fluorquelle 36 erfolgt die Substition
eines Sauerstoffatoms mit einem Fluoratom (II). Neben der hervorgerufenen labilen Silicium–
Sauerstoffbindung ist vor allem die hohe Affinität des Siliciums gegenüber Halogenen und der
daraus resultierenden starken Bindung als Triebkraft der Reaktion zu nennen. Die beiden neu
entstandenen Verbindungen beinhalten zum einen die Si–F 41a und zum anderen die
Benzoylspezies 42, wobei die neu entstandenen Poly- oder Oligomere im Gegensatz zum
III. Ergebnisse und Diskussion 27
ursprünglichen Polymer eine geringere Molekülmasse besitzen (n > o, p). Im Zuge einer zweiten
Bindungsspaltung zwischen Silicium und Sauerstoff des Intermediates 42 kann die Freisetzung von
Benzoesäureanhydrid 39 verstanden werden (III). Die monofluorierten Zwischenprodukte 41a und
41b können durch wiederholende Reaktionszyklen via Addition an der Lewis-Säure, Destabilisierung
der Sauerstoff–Siliciumbindung und Substitution eines Sauerstoffes mit Fluor in die gewünschten
Produkte 37 oder 38 überführt werden (IV). An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass es sich bei
dem Reaktionszyklus um einen postulierten Reaktionsmechanismus handelt und die
Zwischenprodukte 40, 41a, 41b und 42 nicht nachgewiesen wurden. An dieser Stelle muss auch ein
Lewis-Säure aktiviertes Carbonyl des Benzoesäurefluorids erwähnt werden, der als alternatives oder
paralleles Intermediat gebildet werden kann.[98] Rückschlüsse auf die Bildung von
Benzoesäureanhydrid ausgehend von 42 wurde an einer Modellreaktion gezeigt (Schema 20).
Schema 20: Modellreaktion für Si–O Bindungsspaltung an 39.
Dafür wurde das Trimethylsilylbenzoat 43 mit Benzoesäurefluorid 36 in Gegenwart von Zinktriflat,
welches ebenso wie Eisen(III)chlorid die Depolymerisation katalysiert, zu Benzoesäureanhydrid 39
erfolgreich umgesetzt.[91a]
Nach der erfolgreichen Depolymerisation der Poly(dimethylsiloxane) stand die Polymerisation zu
neuen Poly(dimethylsiloxanen) im Vordergrund. Als Ausgangsstoff dienten die aus der
Depolymerisation gewonnenen Verbindungen Difluordimethylsilan 37 und 1,3-Difluor-
1,1,3,3-tetramethyldisiloxan 38. Dazu wurde das stets auf -78 °C gekühlte Destillat mit einer
wässrigen Kaliumhydroxid versetzt. Das Reaktionsgemisch wurde erst langsam auf Raumtemperatur
und anschließend für zwei Stunden bei 100 °C unter Rückfluss erhitzt (Schema 21). Daraufhin wurde
das Produkt mit Dichlormethan extrahiert und über wasserfreiem Magnesiumsulfat getrocknet,
sodass 17 in einer Ausbeute von 63% erhalten wurde. Die Analyse des Polymergemisches erfolgte
mittels GC-MS und NMR Spektroskopie. Im Chromatogramm wurden verschiedene, cyclische
28 III. Ergebnisse und Diskussion
Schema 21: Polymerisation der aus der Depolymerisation erhaltenen Verbindungen 37 und 38 zu Poly(dimethylsiloxanen).
Poly(dimethylsiloxane) den Signalen zugeordnet und identifiziert, wobei die Vielfalt der Produkte
von Tetrameren ([Me2SiO]4) bis zu Dekameren ([Me2SiO]10) reichte (Abbildung 6). Zur Verifizierung
der Produkte dienten die in der Literatur beschriebenen Fragmentierungsmuster des Tetramers und
Pentamers, welche mit den gemessenen Befunden übereinstimmen.[99] Zur Berechnung der
Molmassen-Mittelwerte wurden die Signale der Spezies aus dem Chromatogramm integriert und
das Zahlenmittel (Mn) bzw. Gewichtsmittel (Mw) anhand ihres prozentualen Anteils sowie ihrer
Molmasse bestimmt. Das Zahlenmittel beträgt 507 g/mol, während für das Gewichtsmittel ein Wert
von 532 g/mol berechnet wurde. Für industrielle Polymersynthesen ist der Wert der
Uneinheitlichkeit ein wichtiges Indiz für die Qualität des Polymers. Während beispielsweise
biologische Polymere eine Uneinheitlichkeit gegen null (entspricht einer engen
Abbildung 6: Gaschromatogramm von 17; Trennbedingungen: Flussrate 3.0 mL/min He, 3 min konstant bei 60 °C, von 60 °C auf 200 °C in einer Rate von 14 °C/min, von 200 °C auf 250 °C in einer Rate von 2.5 °C/min.
(1.0 eq. je monomere Polysiloxaneinheit), 30 min, 100 °C. [a] bestimmt mittels 1H-NMR Spektroskopie.
[b] Stoffmengenverhältnis beträgt 95:5 von Dimethylsiloxan:Diphenylsiloxan. [c] ~20 Gew.-% von [(CH3)2SiO]n.
[d] 10.0 g, 2 h. [e] 1.0 g des Silikons (Xenox Home Collection).
Als Grundlage für die weiteren Experimente wurden die Ergebnisse aus den Optimierungsreaktionen
herangezogen. Dabei reagierte das jeweilige Polymer mit 1.0 Äquivalent des
Depolymerisationsreagenzes bei 100 °C für 30 Minuten, sodass nach der kontinuierlichen
Destillation die Produkte auf Ausbeute hin untersucht wurden. Als erstes Beispiel diente ein weitaus
längerkettiges Polymer 48 mit einem Zahlenmittel der Molmasse von ~110,000 g/mol. Das
Monomer 37 konnte in guten Ausbeuten erhalten werden und betrug 50%, während das Dimer 38
zu 13% erhalten wurde. Dies entspricht einer Gesamtausbeute von 63% (Tabelle 3, Eintrag 2).
Im Weiteren wurden Polymere mit diversen Endgruppen untersucht. Deutliche Ausbeuteeinbußen
ergab die Depolymerisation mit Polysiloxanen 49, die primäre Amine als Endgruppen beinhaltet
(Tabelle 3, Eintrag 3). Hierbei konnte eine verringerte Ausbeute von 37 auf 34% festgestellt werden.
III. Ergebnisse und Diskussion 37
Ähnliche Beobachtungen wurden von Polysiloxanen mit terminalen Hydroxylgruppen 50 gemacht,
wobei die Ausbeute des Monomers mit 39% ebenfalls gering ausfiel (Tabelle 3, Eintrag 4). Im
Gegensatz dazu stehen Polysiloxane mit Wasserstoffatomen als Endgruppe. Diese zeigten wiederum
mit 53% gute Ausbeuten von 37, wobei das Dimer 38 vermehrt auftrat (Tabelle 3, Eintrag 5).
Inwieweit polysiloxanhaltige Copolymere zur Depolymerisation mit BF3·OEt2 herangezogen werden
können, wurde im Folgenden geklärt. Auffallend für die drei Copolymere 52, 53 und 54 ist die stark
verringerte Ausbeute des Monomers und die hohe Tendenz zur Bildung des Dimers. So ergab die
Depolymerisation von 53 ein ausgewogenes Verhältnis der Produkte, sodass 37 mit einer Ausbeute
von 28% und 38 mit 25% erhalten wurde (Tabelle 3, Eintrag 7). Ein ähnliches Ergebnis erbrachte die
Depolymerisation von 52, wobei aufgrund des unbekannten Zahlenmittels der Molmasse lediglich
eine Einwaage erfolgte und die Gewichtsanteile mittels 1H-NMR Spektroskopie ermittelt wurden.
Hierbei wurde für 37 eine Ausbeute von 32 mg und für 38 eine Ausbeute von 50 mg erhalten
(Tabelle 3, Eintrag 6). Bei der Betrachtung der Stoffmenge beider Produkte von 0.33 mmol (37) zu
0.29 mmol (38) lässt sich daraus ein Verhältnis von 1.1:1 von Monomer zu Dimer herleiten. Ein
unerwartetes Ergebnis ergab die Umsetzung des Copolymers 54 mit BF3·OEt2, bei dem das Monomer
nicht zu beobachten war. Demgegenüber war jedoch die Bildung des Dimers mit 93% nahezu
quantitativ (Tabelle 3, Eintrag 8). Als mögliche Ursache für die Beobachtung wäre eine
Abschwächung des Depolymerisationsreagenzes oder der Zwischenstufen zu nennen, welche durch
die Koordination des Polyethylenglycols (PEG) hervorgerufen wird und die Spaltung der Si–O
Bindung von Dimer zu Monomer verhindert.
Um das Anwendungsspektrum dieser Methode zu erweitern, wurden diesbezüglich auch auf
Polysiloxane mit unterschiedlichen physikalischen Eigenschaften und im Alltag verwendete Silikone
zurückgegriffen. Mit dem Silikonöl M100 55 wurde ein Polysiloxan mit einer geringeren Viskosität als
35 untersucht, welches überwiegend als Heizöl für Ölbäder verwendet wird. Die Reaktion von 55 mit
46 ergab mit 68% sehr gute Ausbeuten für das Monomer aber auch eine ausgeprägte Bildung des
Dimers mit 28% (Tabelle 3, Eintrag 9). Weiterhin wurden aber auch hochviskose Silikonöle oder
Silikonelastomere untersucht. So ergab die Umsetzung des Silikonöls Baysilon®, welches als
Hochvakuumfett für Pumpensysteme oder Glasschliffe Anwendung findet, ebenfalls gute Ausbeuten
mit einer Gesamtausbeute von 68% (Tabelle 3, Eintrag 10). Zur Verbesserung der Ausbeute und
Selektivität wurde dieses Experiment wiederholt, wobei ein vergrößerter Ansatz gewählt und die
Reaktionszeit auf zwei Stunden verlängert wurde. In der Tat konnte hierbei eine Ausbeutesteigerung
38 III. Ergebnisse und Diskussion
auf 81% erzielt werden, womit auch eine verbesserte Monomer-/Dimerverhältnis mit 75% für 37
und 6% für 38 einherging (Tabelle 3, Eintrag 11). Unter einem sehr interessanten Standpunkt stand
die Depolymerisation von Silikonelastomeren, da es sich hierbei um feste Polysiloxane mit höherem
Vernetzungsgrad handelt und daher einen erhöhten Anspruch an die Depolymerisationsreaktion
stellt. Weiterhin sind in kommerziellen Polysiloxanelastomeren Additive wie Farbstoffe beigemischt,
die ebenfalls einen Einfluss auf die Depolymerisation haben können. Unter diesen Aspekten wurde
die Depolymerisation einer Silikon-Backform untersucht. Da die Zusammensetzung der
Poly(dimethylsiloxan)-Bestandteile nicht bekannt war, wurden die Produkte lediglich nach der
Destillation auf das Gewicht untersucht und mittels 1H-NMR Spektroskopie die Ausbeuten des
Monomers und Dimers bestimmt. Bemerkenswert war die erhaltene Gesamtausbeute von 650 mg,
wobei das Monomer zu 540 mg und das Dimer zu 110 mg erhalten wurde. Dies entspricht einem
Verhältnis von 9:1 der Produkte 37 zu 38 (Tabelle 3, Eintrag 12).
Bis zu diesem Zeitpunkt war die Zusammensetzung des Nebenproduktes unbekannt und wurde
dahingehend untersucht. Der während der Reaktion entstandene farblose Niederschlag wurde in
mehreren Waschprozessen gereinigt, indem wiederholt durch suspendieren in Dichlormethan,
n-Hexan und Diethylether der Feststoff von löslichen Verunreinigungen befreit wurde. Vermutet
wurde die Bildung von Bortrioxid (B2O3). Um dies zu belegen, wurde der Feststoff mittels
Röntgen-Pulverdiffraktometrie (PXRD) analysiert. Die Untersuchung des kristallinen Materials ergab
Abbildung 7: Röntgen-Pulverdiffraktogramm des Rückstands aus der Depolymerisation mit BF3·OEt2; gemessene Probe (rot), Referenz aus der ICDD Datenbank
[104] (schwarz).
III. Ergebnisse und Diskussion 39
jedoch eine trikline Zelle, dessen Röntgenreflexe mit dem des kristallinen Borats Sassolin
übereinstimmen, welches wiederum die natürliche Form der Orthoborsäure B(OH)3 darstellt
(Abbildung 7). Zum einen wurde für den Vergleich auf die in der Literatur beschriebenen Daten des
International Centre of Diffraction Data (ICDD) zurückgegriffen[104] und zum anderen am selben
Pulverdiffraktometer eine Probe der kommerziell erhältlichen Borsäure vermessen. Beide
Datensätze stimmen sehr gut mit dem des gemessenen Feststoffes aus der Depolymerisation
überein, sodass das Nebenprodukt der Reaktion Borsäure ist. Ein klassischer und nasschemischer
Nachweis der Borsäure ist die Überführung in Borsäuremethylester, dessen Flammenfärbung eine
charakteristisch grüne Farbe aufweist. Nach Aufnahme des Feststoffes in Methanol und Verbrennen
der Lösung wurde eine intensiv grüne Flamme beobachtet. Dadurch konnte ebenfalls dargelegt
werden, dass es sich bei dem Feststoff um B(OH)3 handelt. Die Quelle für die Protonen der Borsäure
ist aus der Luft oder der im Waschprozess verwendeten Lösungsmitteln anzunehmen, da die
Reaktion nicht unter Inertbedingungen durchgeführt wurde und die Lösungsmittel aus technischer
Qualität stammen, ohne vorab absolutiert zu werden.
Nachdem das Potenzial von BF3·OEt2 zur Depolymerisation von Poly(dimethylsiloxan) und weiteren
Polysiloxanen gezeigt wurde, galt es im weiteren Verlauf der Arbeit ein scale-up Experiment zur
Depolymerisation zu untersuchen. Die Fragestellung nach dem Reaktionsverhalten im multimol
Maßstab ist gerade für Anwendungen in industriellen Prozessen von großer Bedeutung. Für eine
Großproduktion sind die labortypischen Bedingungen nicht übertragbar, weil Einflüsse wie
Wärmeverteilung, Rührverhalten oder Viskosität auf den Reaktionsausgang eine entscheidende
Auswirkung haben. In Anlehnung dessen wurden für die Depolymerisation 500 g Silikonöl M100 52
mit 0.6 Äquivalenten 46 umgesetzt (Schema 22). Aufgrund der großen Menge und der hohen
Reaktivität des Depolymerisationsreagenzes, erfolgte die Zugabe mittels Tropftrichter sehr langsam.
Während der Zugabe wurde das Reaktionsgemisch stetig mittels KPG-Rührer gerührt, um eine gute
Konvektion der Komponenten zu gewährleisten. Nach der vollständigen Zugabe wurde die Lösung
auf 85 bis 90 °C erwärmt. Nach 330 Minuten Reaktionszeit und kontinuierlicher Destillation wurden
die flüchtigen Bestandteile direkt in eine auf 0 °C gekühlte wässrige Natriumhydroxidlösung
eingeleitet und die Polymerisation initiiert. Der Verzicht auf das Isolieren der Intermediate 37 und
38 war industriellen Prozessen nachempfunden, da eine direkte Polymerisation und Wegfall der
Lagerung der Monomere ökonomischer erscheint. Mit dem Beenden der Destillation wurde die
40 III. Ergebnisse und Diskussion
Schema 22: Depolymerisation und Polymerisation im vergrößerten Maßstab.
gebildete Suspension im Auffangkolben langsam auf Raumtemperatur erwärmt und anschließend
auf 40 °C erhitzt, um den Diethylether aus der Lösung zu destillieren. Dieser wurde in einer
Ausbeute von 56% isoliert. Nach der vollständigen Destillation des Diethylethers wurde die
verbliebene Suspension zwei Stunden auf 100 °C unter Rückfluss erhitzt. Das Reaktionsgemisch
wurde auf Raumtemperatur abgekühlt und anschließend mit Dichlormethan extrahiert, woraufhin
das Produkt in einer Ausbeute von 22% erhalten wurde. Die leicht viskose, farblose Flüssigkeit
wurde bezüglich ihrer Polymeranteile mittels NMR Spektroskopie und GC-MS untersucht. Hierbei
wurden im 1H-NMR Spektrum die typischen Signale der Poly(dimethylsiloxane) um 0.00 ppm
beobachtet. Ebenso ergab das 13C{1H}-NMR Spektrum Signale bei 0.5 bis 2.0 ppm sowie zwei Signale
im 29Si{1H}-NMR Spektrum bei -22.0 und -22.1 ppm. Eine massenspektrometrische Untersuchung
zeigte diverse cyclische Poly(dimethylsiloxane), die von Tetrameren bis Septameren reichten. Die
niedrige Ausbeute der Poly(dimethylsiloxane) war weniger durch die Teilreaktion der
Depolymerisation als vielmehr durch die Polymerisation begrenzt. Aufgrund von limitierenden
Volumina der Laborgeräte war die Natriumhydroxidlösung stark konzentriert. Durch die geringe
Temperatur von 0 °C wurde zusätzlich die Löslichkeit herabgesetzt, woraufhin im Auffangkolben
III. Ergebnisse und Diskussion 41
eine Suspension vorlag. Mit Einsetzen der Depolymerisation im Reaktionskolben entstand im
Auffangkolben während der Polymerisation Natriumfluorid als Nebenprodukt, welches in Wasser
schlechter löslich ist als Natriumhydroxid. Daraus ergab sich eine weitaus viskosere Suspension,
sodass der Magnetrührer nicht mehr ausreichend die Durchmischung gewährleisten konnte.
Dementsprechend konnten die reaktiven Bestandteile nicht die Polymerisation durchlaufen und
verdampften auch wegen der schlechteren Kühlwirkung aus dem Reaktionskolben. Dennoch konnte
gezeigt werden, dass ein Depolymerisation-Polymerisation-Prozess im größeren Maßstab
durchführbar ist. Allerdings benötigt das up-scaling der Reaktion noch weitere Forschungsarbeit in
Bezug auf ihrer Optimierung. Nichtsdestotrotz wurde neben den o.g. Produkten auch B(OH)3 in einer
Ausbeute von 74% isoliert, was eine Schlussfolgerung zur erfolgreichen Depolymerisation im
größeren Maßstab zulässt.
Abbildung 8: Depolymerisation-Polymerisation-Konzept mit BF3·OEt2 und das Konzept zur Rückgewinnung des Depolymerisationsreagenzes.
42 III. Ergebnisse und Diskussion
Aufgrund dieser Erkenntnisse wurde sich, neben einem Konzept zur Depolymerisation und
Polymerisation, auch Gedanken über die Rückgewinnung des Depolymerisationsreagenzes gemacht
(Abbildung 8). Die entstandene Orthoborsäure kann im Zuge einer Kondensationsreaktion zu
Bortrioxid reagieren und fungiert als Ausgangsmaterial für BF3 (I). Hierbei wird das Bortrioxid mit
Schwefelsäure und Natriumfluorid, welches als Nebenprodukt aus der Polymerisation anfällt, zu
Bortrifluorid umgesetzt (II).[105] Das dabei entstehende Wasser kann in der Polymerisation
wiederverwendet werden. Schließlich wird BF3 in Gegenwart von Diethylether, das aus der
Depolymerisation stammt, zu Bortrifluoridetherat umgesetzt und so das Depolymerisationsreagenz
zurückgewonnen (III). Dieses kann einen neuen Reaktionszyklus der Depolymerisation durchlaufen.
Nach der idealisierten Darstellung wird demnach für die Depolymerisation/Polymerisation – neben
der einmaligen Anschaffung der Reagenzien – lediglich Silikonabfall zur Depolymerisation,
Natriumhydroxid zur Depolymerisation und Schwefelsäure zur Rückgewinnung von BF3·OEt2
benötigt, wobei als Abfallprodukt das für Natur und Mensch unbedenkliche Natriumsulfat zu
nennen ist. Das Natriumsulfat kann in anderen Industriezweigen wie der Glas-, Textil- oder
Farbindustrie verwendet werden.[106] Nach dieser Methode ist es möglich das
Depolymerisationsreagenz, je nach Angebot an Silikonabfall bzw. Nachfrage an neuen Polymeren,
während der Depolymerisation herzustellen und direkt zu nutzen. Dies minimiert den Kontakt von
gefährlichen Chemikalien mit der Umwelt und untermalt die Nachhaltigkeit dieser Methode.
Demnach bilden der Zyklus für die Depolymerisation und Herstellung von BF3·OEt2 eine
ökonomische und ökologische Symbiose. Aus den Untersuchungen und den hervorgegangenen
Produkten und Nebenprodukten wurde ein Reaktionsmechanismus für die Depolymerisation von
Polysiloxanen formuliert, welcher dem Mechanismus aus Kapitel 3.1.1. angelehnt ist (Schema 23).
Durch die Dissoziation von Diethylether des Bortrifluoridetherats wird die Koordination eines
Sauerstoffatoms des Polysiloxans an die Lewis-Säure Bortrifluorid ermöglicht (A).[107] Die Bindung an
das BF3 induziert eine Schwächung der Si–O Bindung, sodass im weiteren Verlauf die Bindung
gespalten wird. Dabei verbleibt eine SiOBF2 Spezies (B) und eine Spezies, bei der eine Si–F Bindung
durch die Addition eines Fluorid Ions an das Silicium (C) erfolgte. Beide Komponenten besitzen
gegenüber dem ursprünglichen Polysiloxan ein geringeres Molekulargewicht. Anhand von
Verbindung C soll der weitere Verlauf der Depolymerisation dargelegt werden. Mit einem weiteren
Äquivalent BF3·OEt2 und der Dissoziation des Diethylethers besteht erneut die Möglichkeit für das
III. Ergebnisse und Diskussion 43
Schema 23: Postulierter Reaktionsmechanismus zur Depolymerisation von Polysiloxanen mit BF3·OEt2. Zum besseren Verständnis des Reaktionsschemas in der Erläuterung wurden Siliciumatome in den Strukturen eingefärbt.
44 III. Ergebnisse und Diskussion
Sauerstoffatom von C an Bortrifluorid zu koordinieren. Hierbei können zwei mögliche
Folgereaktionen auftreten. Zum einen kann der Bindungsbruch zwischen der Si–O Bindung von
statten gehen und die Addition eines Fluorid Ions an das bereits mit einem Fluor substituierte
Siliciumatom (Si) addieren. Demzufolge wird das Monomer Difluordimethylsilan 37 generiert und
eine SiOBF2 Spezies in Analogie zu B erhalten, welches in weiteren Reaktionen depolymerisiert wird.
Zum anderen ist eine Bindungsspaltung zwischen der Si–O Bindung denkbar. Die resultierenden
Zwischenprodukte entsprechen unter Ausbildung einer Si–F Bindung ein um eine Siloxaneinheit
verkürztes Polysiloxan C sowie dem ((Difluorboranyl)oxy)fluordimethylsilan (Si) D, welches sowohl
ein Fluoratom aus der vorangegangen Bindungsspaltung und ein OBF2-Rest – resultierend durch die
zweiten Depolymerisationsschritt – besitzt. In einer dritten Reaktion kann Verbindung D mit einem
weiteren Äquivalent BF3·OEt2 einer Si–O Bindungsspaltung unterzogen werden, sodass das
Monomer 37 erhalten wird und als weiteres Produkt Tetrafluordiboroxan E resultiert. Dieses besitzt
je Boratom noch immer zwei Fluoratome, die ebenfalls zur Depolymerisation herangezogen werden
können, sodass Verbindung E ebenso wie BF3·OEt2 als Depolymerisationsreagenz fungiert.
3.1.3. Studien zur Depolymerisation von verzweigten und vernetzten Polysiloxanen mit
Bortrifluoridetherat
Die bisherigen Versuche zur Depolymerisation von Polysiloxanen mit Bortrifluoridetherat
beschränkten sich überwiegend auf lineare Poly(dimethylsiloxane). Um das Anwendungsspektrum
von BF3·OEt2 zu erweitern, wurde die Depolymerisation von verzweigten und vernetzten
Polysiloxanen untersucht. Für die jeweilige Depolymerisation wurde die Reaktion am verzweigten 59
und vernetzten Polysiloxan 60 erforscht (Abbildung 9). Zuvor wurden die Polymere 59 und 60 nach
einer in der Arbeitsgruppe entwickelten Versuchsvorschrift synthetisiert. Dazu wurden jeweils 10.0 g
des linearen Poly(dimethylsiloxans) 35 vorgelegt und mit einer äquimolaren Menge von 1.4 mL
Trichlormethylsilan für verzweigte Polymere respektive 1.0 mL Siliciumtetrachlorid für vernetzte
Polymere versetzt. Die Lösung wurde für drei Tage bei Raumtemperatur gerührt und ein Tag auf
50 °C erhitzt. Nachdem das Reaktionsgemisch auf Raumtemperatur abkühlte, wurden die flüchtigen
Bestandteile unter vermindertem Druck entfernt. Nach dieser Vorschrift wurde 59 in einer Ausbeute
von 86 Gew.-% und 60 in 79 Gew.-% erhalten (Abbildung 10).
III. Ergebnisse und Diskussion 45
Abbildung 9: Verzweigtes Polysiloxan 59 und vernetztes Polysiloxan 60.
Aufgrund der schlechten Löslichkeit in organischen Lösungsmitteln und Wasser, erfolgte eine
Analyse beider synthetisierter Polymere mittels Festkörper-NMR. Die Ergebnisse aus dem 1H-NMR
Spektrum waren wenig zielführend zur Verifikation einer verzweigten oder vernetzten
Polymerspezies. Es wurden breite Singulett Signale für 59 im Bereich von -0.29 bis -0.42 ppm und für
60 im Bereich von -0.41 bis -0.49 ppm erhalten. Die Beobachtungen im 13C{1H}- sowie 29Si{1H}-NMR
Spektrum erwiesen sich als aussagekräftiger. Im Fall des verzweigten Polysiloxans wurden
im13C{1H}-NMR Spektrum zwei Signale bei -1.4 und -5.4 ppm beobachtet, während das vernetzte
Polysiloxan erwartungsgemäß nur ein Signal bei -1.5 ppm aufweist. Die Schlussfolgerung daraus ist,
dass die Signale bei -1.4 ppm für Verbindung 59 und -1.5 ppm für Verbindung 60 aus den
Methylgruppen der Poly(dimethylsiloxane) hervorgehen, während das Signal von 59 bei -5.4 ppm
dem Trioxy(methyl)silan zuzuordnen ist. Das Resultat der 29Si{1H}-NMR Spektroskopie ergab für 59
zwei Signale bei -24.8 und -68.6 ppm.[108] Für die Verbindung 60 wurden ebenfalls zwei Signale
detektiert, die bei -17.4 und -100.6 ppm auftreten.[109] Dementsprechend wurden die Signale bei
-24.8 bzw. -17.4 ppm den Siliciumatomen der Poly(dimethylsiloxane) zugeordnet. Die chemische
Umgebung eines Siliciumatoms mit drei statt zwei Sauerstoffatomen führt zur weiteren
elektronischen und magnetischen Abschirmung des Siliciumatomkerns, sodass dies eine weitere
Hochfeldverschiebung bei kleineren ppm-Werten zur Folge hat. Dieses Verhalten stimmt mit dem
Signal bei -68.6 ppm für die Trioxy(methyl)silan-Gruppe des Polymers 59 überein. Bei vier
Sauerstoffatomen ist der Effekt abermals verstärkt und verursacht eine weitaus stärkere
Hochfeldverschiebung, was der chemischen Verschiebung bei -100.6 ppm des Tetraoxysilans von
Polymer 60 entspricht.
Die synthetisierten Polysiloxane 59 und 60 wurden im Folgenden hinsichtlich der Depolymerisation
mittels BF3·OEt2 46 untersucht. Um Einblicke über das Reaktionsverhalten von verzweigten oder
Schema 24: Depolymerisation von verzweigten Polysiloxanen mit BF3·OEt2.
III. Ergebnisse und Diskussion 47
vernetzten Polysiloxanen mit 46 zu gewinnen, wurden vorab Studien zur Depolymerisation an
Modellsubstraten durchgeführt. Für die verzweigten Polysiloxane diente die Verbindung
1,1,1,3,5,5,5-Heptamethyl-3-((trimethylsilyl)oxy)trisiloxan 61 als Modell für die Trisiloxangruppe des
Polymers und wurde in NMR Experimenten untersucht (Schema 24, oben). Dazu wurde 61 in
deuteriertem Chloroform vorgelegt und mit unterschiedlichen Mengen des
Depolymerisationsreagenzes 46 versetzt, wobei die Untersuchungen bei einer Reaktionszeit von
zehn Minuten und Raumtemperatur durchgeführt wurden. Beginnend mit einem Verhältnis von
1.0:1.3 des Modellsubstrates 61 zu 46 ergab dieses Verhältnis eine Ausbeute von 29%. Parallel
durchgeführte Experimente mit einem höherem Anteil an BF3·OEt2 von 2.3 bzw. 4.6 Äquivalenten
resultierten in einer verbesserten Ausbeute. Bemerkenswert ist, dass eine Ausdehnung der
Reaktionszeit auf eine Stunde die Ausbeute von 44 abermals steigert. Das beste Ergebnis wurde mit
4.6 Äquivalenten und einer Ausbeute von 64% nach einer Stunde Reaktionszeit erzielt. Dabei konnte
in 1H-NMR Spektren eine Abnahme der Protonsignale des Edukts, welche bei 0.08 ppm für die
SiOMe3-Spezies und -0.02 ppm für die SiMe-Spezies auftreten, beobachtet werden. Gleichzeitig
wurde die Bildung neuer Signale im Bereich von 0.04 bis 0.09 ppm detektiert. Ein Dublett Signal bei
0.18 ppm mit einer Kopplungskonstante von 7.4 Hz (3JHF) wurde dem Produkt 44 zugeordnet.
Derselben Verbindung wurde das Dezett bei -157.8 ppm mit den Kopplungskonstanten 7.4 (3JFH) und
für die Satelliten 274.1 Hz (1JFSi) im 19F-NMR Spektrum zugeordnet. Widererwartend konnte im
Rahmen der Untersuchungen nicht das zweite Produkt Trifluormethylsilan 62 in den NMR Spektren
detektiert werden. Als mögliche Ursache sind der geringe Siedepunkt und die geringe Konzentration
von 62 zu nennen.[110] Aufgrund dessen wurde das Experiment in einem größerem Ansatz wiederholt
und leicht variiert. Dafür wurde 1.0 g des Modellsubstrates mit 3.0 Äquivalenten des
Depolymerisationsreagenzes umgesetzt. Nach dem Erwärmen auf 100 °C und kontinuierlicher
Destillation unter zur Hilfenahme einer Vigreux-Kolonne sowie das Kühlen des Auffangkolbens auf
-196 °C wurde neben 44 auch das Produkt 62 isoliert. Dieses weist im 1H-NMR Spektrum ein
Quartett bei 0.50 ppm mit einer Kopplungskonstante von 4.0 Hz (3JHF) sowie ein Quartett bei
-133.5 ppm mit den Kopplungskonstanten 4.0 Hz (3JHF) und 272.0 Hz (1JFSi) im 19F-NMR auf. Da die
Verbindung 62 in der Literatur nicht ausreichend spektroskopisch charakterisiert ist, wurde sie auf
einem alternativen Weg synthetisiert und mit den Ergebnissen verglichen. Hierfür wurde in einem
NMR-Experiment Trichlorsilan in deuteriertem Chloroform gegeben und mit 5.0 Äquivalenten KF
umgesetzt. Die spektroskopischen Daten stimmen exakt mit den zuvor erhaltenen experimentellen
48 III. Ergebnisse und Diskussion
Befunden überein. Die vielversprechenden Ergebnisse aus den Experimenten mit der
Modellverbindung motivierten die Depolymerisation an verzweigte Polysiloxane zu untersuchen.
Eingangs wurde die Depolymerisation in einem NMR Experiment verfolgt. Hierbei konnten nach 18
Stunden Reaktionszeit bei Raumtemperatur nur geringe Mengen eines der beiden Produkte 44
nachgewiesen werden (Schema 24, unten). Das Experiment wurde in einem größeren Maßstabe
wiederholt, wobei die Reaktion bei 100 °C (Ölbadtemperatur) durchgeführt wurde. Die
Gesamtausbeute der Reaktionsprodukte und des entstandenen Diethylethers betrug nach einer
Stunde Reaktionszeit 32 Gew.-%. Mit dem vorsichtigen Erhöhen der Reaktionstemperatur auf 120 °C
konnte die Ausbeute auf 78 Gew.-% signifikant verbessert werden.
Als Modellsubstrat zur Depolymerisation von vernetzten Polysiloxane diente
Tetrakis(trimethylsilyl)silikat 63 (Schema 25, oben). In Anlehnung an die Studien zur
Depolymerisation von verzweigten Polysiloxanen wurde das Modellsubstrat in Gegenwart von
Schema 25: Depolymerisation von vernetzten Polysiloxanen mit BF3·OEt2.
III. Ergebnisse und Diskussion 49
BF3·OEt2 bei Raumtemperatur in NMR-Experimenten untersucht. Ähnlich wie bei 61 konnte nach der
Behandlung von 63 mit 46 die Spaltung von Si–O Bindungen und Bildung von Si–F Bindungen
beobachtet werden. Allerdings wurden lediglich die fluorierten Trimethylsilylgruppen im 1H-NMR
Spektrum detektiert. Die Anwesenheit von Siliciumtetrafluorid konnte nicht nachgewiesen werden.
Auch die Wiederholung des Experiments im größerem Maßstab ergab nicht das erwartete
Zweitprodukt 64. Da Siliciumtetrafluorid eine sehr niedrige Siedetemperatur von -96 °C aufweist,[111]
gestaltet sich ein Nachweis mittels NMR Spektroskopie schwierig. Im Anschluss daran wurde die
Depolymerisation des vernetzten Polymers untersucht. Hierzu wurde das Polymer 60 analog zur
Depolymerisation von verzweigten Polysiloxanen mit 3.0 Äquivalenten 46 eine Stunde bei 100 °C
(Ölbadtemperatur) zur Reaktion gebracht. Nach der Destillation entsprach das Destillat einer
Gesamtausbeute von 29 Gew.-%. Diese Ausbeute konnte auf 76 Gew.-% gesteigert werden, sofern
die Temperatur kontrolliert auf 120 °C erhöht wurde. Eine 1H-NMR spektroskopische Untersuchung
ergab lediglich das Depolymerisationsprodukt der Poly(dimethylsiloxan)ketten 37 und Diethylether
47. Das Produkt 64 konnte wiederum nicht isoliert werden. Auffällig gegenüber den linearen
Poly(dimethylsiloxanen) ist, dass die Ausbeute nach der Depolymerisation von verzweigten und
vernetzten Polysiloxanen bei gleichbleibenden Reaktionsbedingungen von 100 °C weitaus geringer
ist. Erst durch die Temperaturerhöhung um 20 °C lassen sich ähnliche Befunde erbringen. Erklärbar
ist dies durch die geringere Löslichkeit von 59 und 60 im Depolymerisationsreagenz 46 sowie der
erschwerte Zugang von Si–O Bindungen im jeweiligen verzweigten oder vernetzten Polymer. Daher
wird durch die Temperaturerhöhung die Löslichkeit verbessert und aufgrund der
Molekularbewegung die Möglichkeit zur Ausbildung einer koordinativen Bindung nach Schema 23, A
gefördert.
3.1.4. Die Nutzung von PMHS als Reduktionsmittel und dessen Depolymerisation
Poly(methylhydrosiloxan) (PMHS, R(SiOMeH)nOR) ist ein allgegenwertiges Nebenprodukt der
Silikonherstellung. Das Potential als kostengünstiges, wenig toxisches, sauerstoff- und
wasserstabiles Reduktionsmittel ist bekannt.[112] Allerdings wird während einer Redoxreaktion mit
PMHS als Reduktionsmittel ausschließlich das Hydridion benötigt, was nur ca. 1.7 mol% des PMHS
entspricht. Die restlichen 98.3 mol% fallen nach der Reaktion als Silikonabfall an. Die ungenügende
Atomökonomie in der Reduktion und die Abfallverwertung von PMHS stellt ein Problem dar. Ein
50 III. Ergebnisse und Diskussion
wichtiges Bestreben in der Chemie ist die Entwicklung von umweltverträglichen Methoden und
Protokollen voranzutreiben,[113] sodass in dem folgenden Kapitel Ideen zur Lösung beigetragen
wurden.
Eine mögliche Verwendung von PMHS ist die Nutzung als Reduktionsmittel für organische
Substrate.[36,114] So wurde im Rahmen dieser Arbeit die Hydrodesoxygenierung am Beispiel von
Di(p-methylphenyl)sulfoxid mit PMHS untersucht (Schema 26).
Schema 26: Reaktionsschema zur Hydrodesoxygenierung mit PMHS und anschließender Depolymerisation.
In Anwesenheit von 10 mol% Dieisennonacarbonyl war es möglich die Reaktionspartner 65 und 66
zur Reaktion zu bringen. Nach 12 Stunden Reaktionszeit bei 100 °C (Ölbadtemperatur) in Toluol
wurde das Lösungsmittel entfernt. Der Reaktionskolben wurde mit einer Vigreux-Kolonne und einer
Destillationsapparatur versehen. Anschließend wurde der Rückstand im Reaktionskolben mit dem
Depolymerisationsreagenz BF3·OEt2 versetzt, sodass die darauffolgende Depolymerisation initiiert
wurde. Als Produkte nach der Depolymerisation gingen aus dem auf -196 °C gekühltem
Auffangkolben 62 und 68 hervor. Die spektroskopischen Daten für 62 wurden in Kapitel 3.1.3.
bereits diskutiert, während Difluormethylsilan 68 als Verbindung im Folgenden spektroskopisch
diskutiert wird. So ergab die 1H-NMR spektroskopische Untersuchung von 68 zwei Multiplett Signale
bei 0.29-0.54 ppm das Signal der Methylprotonen und bei 4.70-4.76 ppm für das Si–H. Das
13C{1H}-NMR zeigte ein Triplett Signal bei -2.7 ppm und einer Kopplungskonstante von 13.8 Hz. Für
das 19F-NMR wurde ein Dublett von Quartett bei -137.3 ppm mit den Kopplungskonstanten 67.9
(2JFH) sowie 6.7 Hz (3JFH) detektiert und Satelliten mit einer Kopplungskonstante von 295.5 Hz (1JFSi)
vorgefunden, die aus der Kopplung zwischen Fluor und Silicium resultiert. Eine Untersuchung mittels
29Si{1H}-NMR Spektroskopie wurde ebenfalls durchgeführt, jedoch konnte kein Signal beobachtet
III. Ergebnisse und Diskussion 51
werden, was auf die geringe Konzentration des Produktes zurückzuführen ist. Auch für 68 gab es in
der Literatur keine ausreichende NMR spektroskopische Charakterisierung, sodass 68 als Referenz
auf einem anderen Syntheseweg dargestellt wurde. Dazu wurde in einem weiteren Experiment
Diethoxy(methyl)silan in deuteriertem Chloroform gegeben und mit 3.0 Äquivalenten BF3·OEt2
versetzt. Die NMR spektroskopische Untersuchung des Reaktionsgemisches ergab die zuvor
gemessenen Signale von 65. Des Weiteren wurde aus dem Reaktionskolben durch wässrige
Aufarbeitung und Extraktion das Di(p-methylphenyl)sulfid 67 in einer Ausbeute von 41% erhalten.
Neben NMR spektroskopischen Untersuchungsmethoden wurde auch eine massenspektrometrische
Bestimmung herangezogen, die 67 bei einer Masse von 214 m/z via Elektronenstoß (EI) nachweist.
Von besonderem Interesse ist die Verwendung von PMHS als Hydriddonor für die Bildung
von Wasserstoff.[115] Mit Hilfe der Alkoholyse lässt sich auf diesem Weg Wasserstoff herstellen, der
für die Wasserstoffwirtschaft genutzt werden kann (Schema 27).[116]
Schema 27: Wasserstoffentwicklung durch Alkoholyse von PMHS und anschließender Depolymerisation.
Hierzu wurde eine Suspension aus palladiumgeträgerter Aktivkohle (5 Gew.-% Pd) und Methanol
hergestellt. Daraufhin wurde PMHS bei Raumtemperatur innerhalb von 30 Minuten langsam
zugegeben. In diesem Zusammenhang wurde eine Gasentwicklung beobachtet. Das Gas wurde
aufgefangen und das Volumen bestimmt. Nach einer Stunde wurden 151 mL des Gases gemessen,
52 III. Ergebnisse und Diskussion
was einer Ausbeute von 40% entspricht. Die Reaktion wurde weitere 11 Stunden bei
Raumtemperatur untersucht, woraufhin ein Volumen von 183 mL gemessen wurde. Schließlich
wurde das Gemisch auf 50 °C erhitzt und abermals ein Anstieg des Volumens auf 222 mL
verzeichnet, was einer Ausbeute von 59% entspricht. Dem folgend wurde das Methanol unter
vermindertem Druck entfernt und der Reaktionskolben mit einer Vigreux-Kolonne und
Destillationsapparatur versehen. Nach der Zugabe von BF3·OEt2 wurde das Reaktionsgemisch auf
100 °C erhitzt und die flüchtigen Bestandteile kontinuierlich eine Stunde abdestilliert. Die
spektroskopische Untersuchung des auf stets -196 °C gekühltem Destillats ergab neben der
Anwesenheit von Diethylether die Produkte 62 und 68 in einer Gesamtausbeute von 1.40 g. Für ein
erfolgreiches Gelingen der Redoxreaktion bzw. des Hydridtransfers, ist ein Überschuss von PMHS für
die jeweilige Reaktion von Nöten. Durch den Überschuss ist mit einem hohen Anteil an
unverbrauchtem PMHS zu rechnen ist. Dementsprechend ist die Fragestellung zur Verwertung von
PMHS gerechtfertigt und erlaubt die Untersuchung der Depolymerisation des Polymers (Schema 28).
Schema 28: Depolymerisation von PMHS mit BF3·OEt2.
In Übereinstimmung mit den vorangegangenen Experimenten wurde PMHS mit BF3·OEt2 für eine
Stunde bei 100 °C umgesetzt. Nach der Depolymerisation konnte das Produkt Difluormethylsilan 68
neben Diethylether in einer Ausbeute von 73% erhalten werden. Das Monomer kann ebenso wie die
Depolymerisationsprodukte 37, 38, 62 und 64 als Baustein für neue Polymere herangezogen
werden. Interessant ist der Verlauf der Reaktion, wenn die Reaktionszeit auf zehn Minuten verkürzt
wird. Hierbei wurden ähnlich hohe Ausbeuten bis hin zu 69% erzielt.
Ein weiteres Anwendungsgebiet offenbart sich durch die Verwendung von PMHS als
Reduktionsmittel für Carbonsäureester. So zeigte die Arbeitsgruppe von Fu die Synthese von
aliphatische Kohlenwasserstoffe aus Fettsäureestern mit Hilfe von PMHS.[117] Die entstandenen
Kohlenwasserstoffe können daraufhin für die Herstellung von Green Diesel verwendet werden.
Dabei ist Green Diesel eine Art von Brennstoff bestehend aus Kohlenwasserstoffe, der aus
III. Ergebnisse und Diskussion 53
Triglyceriden der Biomasse gewonnen wird.[118] Das Konzept wurde aufgegriffen und im Folgenden
bezüglich seiner Nachhaltigkeit verbessert. Während der Esterreduktion werden neben dem
gewünschten Reduktionsprodukt aus dem PMHS signifikante Mengen an verzweigten Polysiloxanen
als Nebenprodukt gebildet, sodass die Depolymerisation der Polysiloxane nach der Reaktion
wünschenswert ist. Hierfür wurden Laurinsäuremethylester 69 mit 9.0 Äquivalenten PMHS 65
umgesetzt (Schema 29).
Schema 29: Reduktion von Estern und anschließender Depolymerisation.
Als Katalysator dienten 5 mol% von Tris(pentafluorphenyl)boran. Die Bestandteile wurden in
Dichlormethan gelöst und die Reaktion sechs Stunden bei Raumtemperatur verfolgt. Nach dem
Entfernen des Lösungsmittels wurde zu dem Reaktionsrückstand das Depolymerisationsreagenz 46
zugegeben und die Reaktion für eine Stunde bei 100 °C durchgeführt. Die niedrigsiedenden
Produkte wurden während der Reaktion mittels Destillation kontinuierlich aus dem
Reaktionsmedium entfernt und in einer Gesamtausbeute von 0.5 g erhalten. Die NMR
spektroskopische Analyse des Destillats ergab die Produkte 62 und 68 und Diethylether. Der
Rückstand im Reaktionskolben wurde wässrig aufgearbeitet und das Produkt 70 mit
Essigsäureethylester extrahiert. Nach dem Trocknen der Lösung über wasserfreiem Natriumsulfat
wurde die Lösung über Silica filtriert, das Lösungsmittel entfernt und am Hochvakuum getrocknet,
sodass n-Dodecan in einer Ausbeute von 66% isoliert werden konnte. Die NMR spektroskopische
Untersuchung von 70 zeigte zwei Signale im 1H-NMR Spektrum. So wurde zum einen ein breites
Singulett Signal bei 1.25 ppm festgestellt, was den CH2 Gruppen entspricht, sowie ein Multiplett
zwischen 0.84-0.90 ppm beobachtet, welches aus den sechs Protonen der terminalen CH3 Gruppe
hervorgeht. Das 13C{1H}-NMR Spektrum wies fünf Signale bei 32.0, 29.8, 29.7, 29.4 und 22.7 ppm
54 III. Ergebnisse und Diskussion
auf, die den CH2 Gruppen zugeordnet wurden. Ein weiteres Signal wurde bei 14.1 ppm für die CH3
Gruppen detektiert.[119] Für die weitere Charakterisierung des Produktes wurden
massenspektrometrische Untersuchungen mittels Elektronenstoß durchgeführt. Hierbei konnte das
Molekülsignal mit 170 m/z und dessen Fragmente wie das Hexylium-, Pentylium- sowie Butylium-Ion
beobachtet werden.
Die gekoppelten Methoden aus der Esterreduktion von Fettsäuren mit PMHS zur Gewinnung von
Green Diesel und der im Nachhinein folgenden Depolymerisation des entstehenden
Nebenproduktes sowie des überschüssigem PMHS stellt ein Protokoll für die Wiedergewinnung von
Polymerrohstoffen dar. So kann zum einen aus natürlichen Ressourcen Treibstoff für
Energiewirtschaft gewonnen und darüber hinaus anfallende Nebenprodukte minimiert werden.
Aufgrund dessen wurde im weiteren Verlauf dieser Arbeit das Konzept tiefgehender untersucht und
weiterentwickelt.
3.1.5. Kaffeesatz als Quelle für Green Diesel und Biodiesel unter Verwendung von PMHS
Unabhängig davon, ob neue Quellen für fossile Brennstoffe erschlossen werden, schwinden die
Reserven von Erdöl und Erdgas auf der Erde allmählich, bis sämtliche Vorkommen erschöpft sind.[120]
Dem Problem müssen sich daher diese und zukünftige Generationen stellen, um eine adäquate
Energieversorgung zu gewährleisten. Eine Alternative zu Rohöl stellen erneuerbare Rohstoffe
dar.[121] So wird beispielsweise Biodiesel – bestehend aus Fettsäureestern – aus natürlich
vorkommenden Fetten wie z.B. Rapsöl, Palmöl oder Sojaöl hergestellt. Durch die Umesterung der
genannten Triglyceride mit Methanol oder Ethanol lassen sich daraus Fettsäuremethylester (FAME)
bzw. Fettsäureethylester (FAEE) gewinnen, die für die Verwendung als Biodiesel geeignet sind. Diese
umweltfreundliche Methode hatte sich bereits in den letzten Jahren etabliert.[122] Eine interessante
und geeignete Methode zur Gewinnung von Biodiesel ist die Umsetzung von fetthaltigen
Abfallprodukten wie z.B. pflanzliche Öle und Fette aus Essensresten.[123] In diesem Zusammenhang
ist auch Kaffee als ergiebige Quelle für Öle zu nennen. Dabei enthalten Kaffeebohnen im
Durchschnitt 15 Gew.-% an Lipiden, die auf einfachem Weg nach dem Kaffeekonsum aus dem
Kaffeesatz mittels Extraktion erhalten werden können. In einer anschließenden Umesterung der
Triglyceride ist die Synthese zu den entsprechenden FAME respektive FAEE möglich.[124] Bei einer
jährlichen Produktion von 8 Millionen Tonnen an Kaffee im Jahr können auf diesem Weg jährlich 1.3
III. Ergebnisse und Diskussion 55
Milliarden Liter an Biodiesel hergestellt werden. [125] Damit stellt Kaffeesatz als Abfallprodukt sein
Potenzial als Energielieferant unter Beweis und wäre eine kostengünstige Ergänzung zur
bestehenden Energiewirtschaft. Nichtsdestotrotz ist FAME- bzw. FAEE-basierter Biodiesel mit
Nachteilen behaftet, da er meist schlechte Fließeigenschaften, einen hohen Sauerstoffanteil sowie
eine geringe thermische Oxidationsstabilität aufweist.[126] Eine mögliche Option die Nachteile der
Ester-basierten Kohlenwasserstoffe zu umgehen, ist die Konvertierung der Triglyceride oder
FAME/FAEE zu Kohlenwasserstoffen (Green Diesel) über einen Hydrodesoxygenierungsprozess.[127]
Als zuverlässiges und kostengünstiges Hydrierungsmittel erwies sich das aus dem vorherigen Kapitel
gezeigte PMHS, das dazu befähigt ist Carbonsäureester unter Hydrodesoxygenierung in die
jeweiligen Kohlenwasserstoffe zu überführen. Unabhängig davon wird für eine Reduktion mit PMHS
stets ein großer Überschuss verwendet werden. So fallen bei der Synthese von 1.0 g Oktadecan aus
Tristearin ca. 1.5 g PMHS in Form von Abfall an. Dies verringert den nachhaltigen Charakter der
Hydrodesoxygenierung von Fettsäureestern zu Kohlenwasserstoffen enorm und erfordert die
anschließende Behandlung des entstehenden Polysiloxanabfalls. Dementsprechend wurde ein
kombiniertes Protokoll zur Hydrodesoxygenierung von Fettsäureestern mit anschließender
Depolymerisation des Polysiloxanabfalls entwickelt (Schema 30).
Schema 30: Darstellung der Hydrodesoxygenierung von Triglyceriden und Depolymerisation der PMHS-Abfalls.
Zur Veranschaulichung dieses Prinzips wurden im ersten Schritt die gemahlenen Kaffeebohnen
(Caffé Crema, 100% Arabica, Tchibo GmbH) mit einer Kaffeemaschine aufgebrüht. Der Kaffeesatz
wurde danach für zwölf Stunden im Trockenofen getrocknet. Anschließend wurden 11.0 g des
56 III. Ergebnisse und Diskussion
getrockneten Kaffeesatzes in eine Soxhlet-Apparatur gegeben und die löslichen Bestandteile zwei
Stunden mit Cyclohexan extrahiert. Nach der Extraktion wurde der Filterrückstand getrocknet und in
einer Ausbeute von 9.1 g erhalten. Dieser kann bspw. als Düngemittel verwendet werden.[128] Bei
dem Filtrat wurde das Lösungsmittel entfernt und das Extrakt in Dichlormethan aufgenommen,
woraufhin die organische von der wässrigen Phase separiert wurde. Daraufhin wurde über
wasserfreiem Natriumsulfat getrocknet, filtriert und eingeengt, sodass das braune Kaffeeöl 71 mit
1.89 g isoliert werden konnte. Dies entspricht einem prozentualen Gewichtsanteil von 17 Gew.-%
und stimmt mit den ungefähren Anteil an Lipiden im Kaffee überein. Die 1H-NMR spektroskopische
Untersuchung von 71 ergab ein kompliziertes Spektrum, welches bezüglich seiner Auswertung
schwierig war. Dennoch war es möglich Signale des Glycerins sowie olefinische Protonen der
ungesättigten Fettsäuren nachzuweisen. Hierbei entspricht das Multiplett Signal von 4.11-4.39 ppm
der CH2 Gruppen und das Multiplett Signal bei 5.29-5.47 ppm der CH Gruppe des Glycerins
(Abbildung 11, rot).[129] Darüber hinaus weist das Multiplett bei 5.29-5.47 ppm durch Überlappung
der Protonensignale auf olefinische Wasserstoffatome hin, die aus den jeweiligen ungesättigten
Fettsäureresten herrühren.[130] Zur weiteren Analytik wurde die 13C{1H}-NMR Spektroskopie
herangezogen, um die Carbonyl-Kohlenstoffe der Esterfunktion und Doppelbindungskohlenstoffe zu
belegen. Die Analyse ergab mehrere Signale im Bereich 172.9-178.9 ppm, welche für
Carbonyl-Kohlenstoff typisch und stark tieffeldverschoben sind (Abbildung 12, rot). Darüber hinaus
wurden auch die olefinischen Kohlenstoffe beobachtet, welche bei 127.9-130.2 ppm liegen. Ein
derartiges Resultat wurde ebenso mit einer anderen Kaffeesorte (aus Senseo Kaffeepads, Arabica
und Robusta) erhalten.
Zur Synthese von Biodiesel wurde das isolierte Kaffeeöl 71 in einem Überschuss an Ethanol
aufgenommen, mit 10 Gew.-% Schwefelsäure versetzt und zwölf Stunden bei Raumtemperatur
umgesetzt (Schema 31). Nach der Umesterung und Aufarbeitung des Reaktionsgemisches wurde das
Produktgemisch in einer Ausbeute von 80 Gew.-% erhalten und NMR spektroskopisch und
massenspektrometrisch untersucht. Als Hauptprodukte wurden zwei Verbindungen beobachtet. Ein
Produkt stellte mit einem Anteil von 47% der Palmitinsäureethylester (16:0) 72 dar, während zum
anderen Linolsäureethylester (18:2) 73 mit einem Anteil von 52% erhalten wurde. Die isolierten
Mengen liegen im Rahmen der in der Literatur beschriebenen Ausbeuten.[125c,131] Ein weiteres
Produkt wurde mit 1% detektiert, bei dem es sich um Stearinsäureethylester handeln könnte.
III. Ergebnisse und Diskussion 57
Schema 31: Umesterung von Triglyceriden zu Fettsäureethylestern (FAEE).
Allerdings war die erhaltene Menge zu gering, um eine eindeutige Zuordnung treffen zu können. Aus
diesen Untersuchungsergebnissen lassen sich Rückschlüsse auf die Fettsäurezusammensetzung der
Triglyceride im Kaffe ziehen. So sind Linolsäure und Palmitinsäure die Hauptbestandteile der
Triglyceride.
Nach der Extraktion des Kaffeeöls aus dem Kaffeesatz und der Demonstration zur Gewinnung von
Biodiesel galt es im Folgenden die Darstellung von Green Diesel ausgehend vom Kaffeeöl zu zeigen.
Als Methode wurde die Hydrodesoxygenierung der Triglyceride mit PMHS gewählt. Hierzu wurden
2.0 g von 71 mit katalytischen Mengen Tris(pentafluorophenyl)borat versetzt und in Dichlormethan
vorgelegt (Schema 32).
Schema 32: Hydrodesoxygenierung (A) von Triglyceriden und anschließender Depolymerisation (B) des PMHS-Überschusses und -Nebenproduktes zu den Produkten 37, 44, 62, 68 und Diethylether.
58 III. Ergebnisse und Diskussion
Unter langsamer Zugabe mit einer Spritzenpumpe von 385 Gew.-% an PMHS 65 wurde das Edukt 30
Minuten bei Raumtemperatur umgesetzt. Als Beobachtungen während der Reaktion sind zum einen
die Gasentwicklung und zum anderen die Viskositätssänderung von flüssig zu gelartig zu nennen. Die
Reaktionslösung wurde weitere 23 Stunden bei Raumtemperatur gerührt und von dem Rohprodukt
wurde eine 1H-NMR spektroskopische Untersuchung angefertigt. Interessant war hierbei, dass das
Signal für die CH2 Gruppen des Glycerins nicht mehr beobachtet werden konnte, obgleich die
olefinischen Protonen der ursprünglichen Fettsäuren noch immer detektiert wurden. Dies untermalt
die hohe Chemoselektivität der Hydrodesoxygenierung. Unabhängig davon wurde nach der Reaktion
das Lösungsmittel Dichlormethan entfernt und der orange-braune Rückstand (unter anderem PMHS
und andere Polysiloxane) mit Bortrifluoridetherat weiter umgesetzt. Die flüchtigen Bestandteile
wurden bei 100 °C (Ölbadtemperatur) eine Stunde kontinuierlich über eine Vigreux-Kolonne und
Destillationsbrücke abdestilliert, während sich im Reaktionskolben ein farbloser Niederschlag
bildete. Das Destillat wurde in einer Gesamtausbeute von 10.5 g erhalten und anschließend auf
seine Bestandteile hin NMR spektroskopisch untersucht. Dabei konnten die Produkte 37, 44, 62, 68
und Diethylether beobachtet werden. Eine genaue Quantifizierung der einzelnen Komponenten
mittels 1H-NMR Spektroskopie war nicht möglich, da die Produkte 37, 62 und 68 eine sehr niedrige
Siedetemperatur besitzen und dadurch das Ergebnis verfälschen. Der Rückstand im Reaktionskolben
wurde wässrig aufgearbeitet und mit Dichlormethan extrahiert. Nach dem Trocknen der Lösung
über wasserfreiem Natriumsulfat, Filtration und Entfernen des Lösungsmittels ergab die
orange-gelbe Flüssigkeit eine Ausbeute von 850 mg. Die Analyse der Flüssigkeit mit 1H- und
13C{1H}-NMR spektroskopischen Methoden ergab im Vergleich zum Edukt eine signifikante
Abweichung der Spektren (Abbildung 11, Abbildung 12). Zum einen wurden im 13C{1H}-NMR
Spektrum keine Carbonyl-Kohlenstoffsignale im tieffeldverschobenen Bereich vorgefunden, was für
eine vollständige Hydrodesoxygenierung sämtlicher Esterfunktionalitäten spricht. Zum anderen
konnten im 13C{1H}-NMR Spektrum keine Signale für die CH und CH2 Gruppen des Glycerins
beobachtet werden. Weiterhin wird bei der Betrachtung der olefinischen Protonen bzw.
Kohlenstoffsignale deutlich, dass der Anteil der ungesättigten Kohlenwasserstoffe nach der Reaktion
abgenommen haben muss. Dies kann verschiedene Gründe haben. Auf der einen Seite kann durch
die hohe Temperatur während der Depolymerisation eine Polymerisation der Doppelbindung nicht
ausgeschlossen werden. Auf der anderen Seite kann dies aber auch auf Löslichkeitsaspekte der evtl.
längerkettigen ungesättigten Spezies zurückführbar sein.
III. Ergebnisse und Diskussion 59
Abbildung 11: 1H-NMR Spektren des Kaffeeöls 71 (rot) und der hydrodesoxygenierten Produkte 72 und 73 (blau). Die beiden
Spektren sind gegeneinander in x-Achse verschoben und sind nicht deckungsgleich.
Abbildung 12: 13
C{1H}-NMR Spektrum des Kaffeeöls 71 (rot) und des hydrodesoxygenierten Produkts 72 und 73 (blau).
Die beiden Spektren liegen deckungsgleich.
Die GC-MS Analyse der Flüssigkeit erbrachte einen Nachweis für die Bildung von n-Hexadecan,
welches ursprünglich aus der Palmitinsäure stammt. Dieses kann als Green Diesel genutzt
werden.[132] Die Isolierung der aliphatischen Kohlenwasserstoffe ist auch vor der
Depolymerisationsreaktion möglich. So ergab ein erneuter Versuch und die Extraktion der
Kohlenwasserstoffe nach der Hydrodesoxygenierung aber vor der Depolymerisation vergleichbare
Ausbeuten von 900 mg. Eine anschließende Depolymerisation der PMHS-Nebenprodukten und
60 III. Ergebnisse und Diskussion
Schema 33: Hydrodesoxygenierung (A) von Triglyceriden und anschließender Depolymerisation (B) des PMHS-Überschusses und –Nebenproduktes zu den Produkten 37, 44, 62, 68 und Diethylether.
-Überschüsse ergab die Produkte 37, 44, 62, 68 und Diethylether in einer Gesamtausbeute von 4.2 g.
Die Hydrodesoxygenierung mit anschließender Depolymerisation wurde darüber hinaus mit einem
anderen Kaffeeöl aus einer anderen Kaffeesorte (Arabica und Robusta) untersucht. Hierbei wurde
eine geringere Ausbeute der Kohlenwasserstoffe von 600 mg erhalten und die
Depolymerisationsprodukte zu 3.1 g erhalten.
Im Weiteren wurde sich mit der Fragestellung beschäftigt, ob es ebenso möglich ist die Bestandteile
für Green Diesel (Kohlenwasserstoffe) aus Biodiesel (Fettsäuremethyl/ethylester) generieren zu
können (Schema 33). In Anlehnung an die Versuchsvorschrift zur Hydrodesoxygenierung von
Triglyceriden wurden in diesem Experiment 0.8 g eine Mischung aus den Vorversuchen erhaltenen
Fettsäureethylester 72 und 73 verwendet. Nach der Reaktion und Aufarbeitung ergab die Analyse
eine Ausbeute mit 453 mg für die Kohlenwasserstoffe und liegt im Rahmen der vorangegangenen
Ergebnissen. In der anschließende Depolymerisation konnten die Depolymerisationsprodukte sowie
Diethylether zu 4.7 g erhalten werden. So zeigt dieses Protokoll die erfolgreiche
Hydrodesoxygenierung von FAEE, um aus Biodiesel den für Verbrennungsmotoren besseren Green
Diesel zu synthetisieren.
3.1.6. Depolymerisation von Polysilazanen mit Bortrifluoridetherat
Die erfolgversprechenden Ergebnisse aus der Depolymerisation von Polysiloxanen veranlassten zur
Untersuchung anderer Silicium-basierter Polymere. Das Hauptaugenmerk wurde auf Polysilazane
III. Ergebnisse und Diskussion 61
gelegt, die in erster Näherung den Polysiloxanen ähneln, jedoch aufgrund des Stickstoffes eine
differenzierte elektronische Struktur aufweisen. Dies beeinflusst die Eigenschaften des Polymers so
stark, dass Polysilazane ein vollkommen anderes Einsatzfeld besitzen. Unter anderem werden diese
als Beschichtungen[133] oder Vorstufen für Hochtemperaturkeramiken[134] sowie Trägerkomponente
für Funktionsmaterialien[135] verwendet.
In diesem Abschnitt der Arbeit lag das Ziel das Konzept zur Depolymerisation von Polysiloxanen mit
BF3·OEt2 auch auf Polysilazane anzuwenden, um ein Konzept zum Recycling von Polysilazanabfällen
zu erörtern (Abbildung 13).
Abbildung 13: Konzept zur Depolymerisation und Polymerisation von Poly(dimethylsilazanen) mit BF3·OEt2.
Die Überlegung zum Reaktionsverlauf veranlasste die Vermutung zur Bildung von Bornitrid als
Nebenprodukt. Das während der Depolymerisation entstehende Monomer Difluordimethylsilan 37
fungiert ebenso als Ausgangsmaterial für neue Polysilazane, indem die Behandlung bspw. mit
Ammoniak zu neuen Poly(dimethylsilazane) führen könnte. Ein Nebenprodukt, welches bei der
Polymerisation entsteht, ist Ammoniumfluorid, dass durch die Reaktion des entstehenden
Fluorwasserstoffs mit Ammoniak begründet ist.
62 III. Ergebnisse und Diskussion
Um die Vermutungen zum Reaktionsverhalten zu belegen, wurden in ersten Studien zur
Depolymerisation von Poly(dimethylsilazanen) vorab Experimente am Modellsubstrat durchgeführt
(Tabelle 4). Hierzu wurde das Substrat Hexamethyldisilazan 76 verwendet und entspricht der
kleinsten Polysilazaneinheit. Die Versuche wurden als NMR Experiment durchgeführt, bei denen 76
in deuteriertem Chloroform aufgenommen und mit verschiedenen Äquivalenten des
Depolymerisationsreagenz BF3·OEt2 46 versetzt wurde. Die Reaktion wurde jeweils zehn Minuten bei
Raumtemperatur verfolgt und anschließend mit NMR spektroskopischen Methoden analysiert. Im
ersten Versuch lagen 76 und 46 äquimolar vor (Tabelle 4, Eintrag 1). Das 1H-NMR Spektrum ergab
ein Dublett Signal bei 0.20 ppm mit einer Kopplungskonstante 7.4 Hz (3JHF), was dem erwarteten
Produkt 44 entspricht. Neben dem Ausgangsprodukt 76 mit einer chemischen Verschiebung von
0.03 ppm wurde ein weiteres Signal bei 0.37 ppm beobachtet. Die zu diesem Signal zugehörige
Verbindung (77) konnte nicht bestimmt werden. Aus dem Verhältnis der Integralflächen im 1H-NMR
für die drei beobachteten Signale wurde die Ausbeute für 44 ermittelt und betrug bei einem
Verhältnis von 0.42:1.00:0.26 (76:44:77) 60%.
Tabelle 4: Modellreaktion zur Depolymerisation von Poly(dimethylsilazanen) mit BF3·OEt2.
RT, 10 min. [a] bestimmt mittels 1H-NMR Spektroskopie.
Auch im 19F-NMR Spektrum konnte 44 als Dezett bei -157.8 Hz und einer Kopplungskonstante von
7.4 Hz (3JFH) nachgewiesen werden. Ebenso stimmen die Ergebnisse aus dem 13C{1H}-NMR mit den
vorherigen Befunden aus Kapitel 3.1.1. überein. Mit einer Ausbeute von 60% kann der Annahme
III. Ergebnisse und Diskussion 63
entsprochen werden, dass jeweils beide Silylreste den Bindungsbruch der Si–N Bindung durchlaufen.
Diese Aussage bestätigte sich bei erhöhter Zugabe von BF3·OEt2. Unter Verwendung von 2.0
Äquivalenten 46 konnte die Ausbeute geringfügig auf 63% verbessert werden, während 3.0
Äquivalente zu einer deutlichen Ausbeuteverbesserung von bis zu 80% führte
(Tabelle 4, Eintrag 2 und 3). Darüber hinaus ist anzumerken, dass das Nebenprodukt 77 bei einem
Verhältnis von 1:2 bzw. 1:3 (76:46) nicht vorkam. Ähnlich wie bei der Depolymerisation von
Poly(dimethylsiloxanen) entsteht auch bei Poly(dimethylsilazanen) ein farbloser Niederschlag, für
dessen Untersuchung das Experiment leicht modifiziert in einem größerem Maßstab wiederholt
wurde. Hierzu wurde das Substrat 76 zur besseren Konvektion in 1,2-Dichlorethan gelöst, der
Reaktionskolben mit Vigreux-Kolonne und Destillationsapparatur versehen und mit der äquimolaren
Menge des Depolymerisationsreagenz versetzt. Anschließend wurde nach Zugabe von 46 die
Reaktionslösung auf 80 °C erhitzt und die flüchtigen Bestandteile destilliert. Nach Beendigung der
Reaktion wurde die Suspension im Reaktionskolben basisch aufgearbeitet und filtriert. Der
Filterrückstand wurde erst mit destilliertem Wasser und danach mit Dichlormethan sowie
Diethylether gewaschen getrocknet. Eine Analyse des Feststoffes mit Hilfe der
Röntgen-Pulverdiffraktometrie zeigte ein interessantes Ergebnis (Abbildung 14).
Abbildung 14: Pulverdiffraktogramm des Rückstands aus der Depolymerisation von Poly(dimethylsilazan); gemessene Probe (blau), Referenz aus der ICDD Datenbank
[136] (rot).
64 III. Ergebnisse und Diskussion
Hierbei stimmen die gemessenen Reflexe mit einem NH3·BF3 Addukt aus der ICDD Datenbank
überein, dessen Kristallsystem orthorombisch ist und in der Raumgruppe Pbca kristallisiert.[136] Die
Frage zur Herkunft der Protonen, die für die Bildung des Amine notwendig sind, wurde im Rahmen
dieser Arbeit nicht untersucht. Denkbar wäre aber eine Protonierung durch die Luftfeuchtigkeit oder
im Lösungsmittel vorhandenem Wasser.
Im weiteren Verlauf der Untersuchungen wurde ausgehend vom cyclischen Trimer
1,1,3,3,5,5-Hexamethylcyclotrisilazan 78 die Bindungsspaltung der Si–N Bindung untersucht
(Schema 34). Nach der vorsichtigen Zugabe von 3.0 Äquivalenten 46 wurde das Reaktionsgemisch
für drei Stunden bei 100 °C (Ölbadtemperatur) erwärmt und die leicht flüchtigen Bestandteile
kontinuierlich destilliert. Die NMR spektroskopische Analyse des Destillats wies im 1H-NMR
Spektrum neben Diethylether, anhand des Triplett Signals bei 0.33 ppm und der
Kopplungskonstante 6.2 Hz (3JHF), das Produkt 37 auf. Das 19F-NMR bestätigte diese Beobachtung
durch das Septett Signal bei -131.6 ppm und der Kopplungskonstante 6.2 Hz (3JFH) sowie den
Siliciumsatelliten mit der Kopplungskonstante 289.9 Hz (1JFSi). Die weiteren Daten aus der 13C{1H}-
sowie 29Si{1H}-NMR Spektroskopie stimmen mit der Verbindung 37 aus Kapitel 3.1.2. überein. Die
ermittelte Ausbeute beträgt 73%, wobei eine kontrollierte Erhöhung der Reaktionstemperatur auf
Schema 34: Reaktion von 1,1,3,3,5,5-Hexamethylcyclotrisilazan mit BF3·OEt2 und anschließender Polymerisation.
120 °C (Ölbadtemperatur) mit einer Ausbeuteverbesserung auf 92% einherging. Das erhaltene
Monomer kann im Zuge einer Polymerisation für neue Polymere herangezogen werden. Die
Umsetzung mit wässriger Natriumhydroxidlösung und Erhitzen unter Rückfluss resultierte in der
Bildung von Poly(dimethylsiloxan) 17 und konnte mit einer Ausbeute von 59% isoliert werden. Die
III. Ergebnisse und Diskussion 65
Polymerisation zu neuen Poly(dimethylsilazanen) 75 ausgehend von 37 mit kondensiertem
Ammoniak war nicht erfolgreich. Der Grund dafür könnte in der geringen Nucleophilie des
Ammoniakstickstoffes liegen, sodass eine Bindungsspaltung von Silicium und Fluor nicht realisiert
wird.
Schema 35: Depolymerisation von Poly(dimethylsilazan) mit BF3·OEt2.
Nach der Demonstration des Potenzials von BF3·OEt2 Di- oder Trisilazane zu spalten, wurde sich im
Folgenden dem Poly(dimethylsilazan) zugewandt (Schema 35). Hierbei wurde 75 mit 3.0
Äquivalenten (bezogen auf die monomere Einheit des Polymers) 46 versetzt und die Reaktion bei
100 °C für drei Stunden durchgeführt. Die NMR spektroskopische Untersuchung ergab die Bildung
des Produkts 37 und einer Ausbeute von 54%.
Abschließend wurde ebenso versucht Siliciumnitrid (Si3N4) mit Bortrifluoridetherat reagieren zu
lassen, um so Siliciumtetrafluorid zu synthetisieren. Allerdings wurde nach drei Stunden bei einer
Reaktionstemperatur von 120 °C keine Produktbildung beobachtet.
3.2. Synthese und Anwendung von Imidazol-Eisenkomplexen
3.2.1. Darstellung von Imidazol-Eisenkomplexen
Der zweite Teil der Arbeit befasst sich mit der Synthese von Eisenkomplexen, die im Hinblick auf die
Aktivierung kleiner Moleküle verwendet werden sollen. Explizit wurden als kleine Moleküle
Disauerstoff, Wasserstoffperoxid sowie Distickstoffmonoxid untersucht. Letzteres gilt als
anthropogenes Treibhausgas und verursacht einen enormen Schaden für Natur und Umwelt, sodass
die Konvertierung von N2O einen hohen Stellenwert hat.[137] In Anlehnung daran weist die Natur
viele Beispiele in Enzymen auf, bei denen Eisenkomplexverbindungen eine relevante Rolle zur
Aktivierung kleiner Moleküle einnehmen.[138] Die Synthese von Modellverbindungen bzw.
66 III. Ergebnisse und Diskussion
Komplexen, um die chemische bzw. biologische Eigenschaften von Enzymen nachzuahmen, ist
jedoch schwierig, weil eine exakte Kopie der Struktur aus dem aktiven Zentrum nicht immer möglich
ist oder nicht zu denselben Ergebnissen führt.[139] Dies bestärkt umso mehr das Interesse an diesem
Forschungsthema zu arbeiten und Ergebnisse beizutragen.
Abbildung 15: Dinukleare Sauerstoff-verbrückte Eisenkomplexe mit substituierten Pyridinliganden.
Eine potenzielle Klasse von Eisenkomplexen sind dinukleare Eisenkomplexe, deren Eisenzentren
über einem Sauerstoffliganden verbunden sind. Derartige Eisenkomplexe mit [Fe–O–Fe]
Bindungsmotiv wurden bereits mit multidentaten Liganden weitreichend
untersucht,[79b,79d,79f,79g,79j,79k] wohingegen Verbindungen mit monodentaten Stickstoff-basierten
Liganden weniger bekannt sind.[81,82b,140] Vorarbeiten aus unserem Arbeitskreis führten zu
Eisenkomplexen bestehend aus monodentaten Pyridinliganden, die zwei mögliche
Erscheinungsformen aufweisen können (Abbildung 15). Hierbei kann je nach Rest in 4-Position am
Pyridin Einfluss auf die Koordination genommen werden. So ergab die Verwendung von Pyridin oder
4-(Dimethylamino)-pyridin (DMAP) die Komplexe Fe-1a bzw. Fe-1b.[82a] Dabei weist ein Eisenatom
eine oktaedrische Geometrie als 17 Valenzelektronenkomplex auf und ist neben einem
Chloridoliganden und dem verbrückenden Oxidoligand von vier Pyridin bzw. DMAP-Liganden
umgeben, während das zweite Eisenatom tetraedrisch vom Oxidoligand und drei Chloridoliganden
koordiniert ist und als 13 Valenzelektronenkomplex vorliegt. Bei der Vergrößerung des sterischen
Anspruches und der veränderten elektronischen Verhältnisse der Pyridinliganden resultiert eine
andere Geometrie des [Fe–O–Fe]-Komplexes. So kristallisierte bei der Verwendung von
III. Ergebnisse und Diskussion 67
4-tert-Butylpyridin ein 15 Valenzelektronenkomplex, dessen Eisenzentren eine trigonale Bipyramide
aufweisen. Unabhängig davon führten Untersuchungen mittels Mößbauerspektroskopie zu dem
Ergebnis, dass für die Komplexe Fe-1a-c sämtliche Eisenionen in einem high-spin Eisen(III)-Zustand
vorliegen. Aufgrund der stabilen Oxidationsstufe +III des Eisens ist eine erleichterte Handhabung des
Komplexes gegeben, sodass die Verwendung und Lagerung der Komplexe keine Inertgasatmosphäre
erfordert.
Diese Resultate motivierten zur Verwendung des [Fe–O–Fe]-Motivs auch im Rahmen dieser Arbeit.
Hierbei lag der Fokus auf der Synthese ebenfalls monodentater Eisenkomplexe, welche die
Perspektive auf enantioselektive Reaktionen eröffnen sollen und daher chiral sein müssen. Um eine
Chiralität der Eisenkomplexe zu realisieren, muss auf chirale Liganden zurückgegriffen werden. Zu
einer kostengünstigen Stoffklasse, die einen hohen Enantiomerenüberschuss garantiert, gehören
natürliche Aminosäuren, welche Bestandteil des chiral pools sind.[141] Ein häufig anzutreffendes
Strukturmotiv in biologischen Systemen ist – neben der Komplexierung von Eisen in
Porphyrinliganden – die Koordinierung von L-Histidin an Eisen, wobei die Aminosäure Bestandteil
eines Polypeptids ist und nur über den Imidazolrest der Seitenkette an das Metallzentrum
bindet.[142] Daher war es das Bestreben Eisen an L-Histidin über das bekannte [Fe–O–Fe]-Motiv zu
binden, damit ein chiraler Eisenkomplex erhalten wird.
Um die Frage nach einer Koordination von L-Histidin über die Imidazolseitenkette an Eisen
ausreichend zu untersuchen, wurden im Vorfeld Modellliganden für L-Histidin herangezogen.
Beginnend mit der Komplexierung von Imidazol wurde nach einer in der Arbeitsgruppe entwickelten
Schema 36: Reaktionsschema zur Komplexierung von Eisen(II)chlorid mit Imidazol.
68 III. Ergebnisse und Diskussion
Vorschrift Eisen(II)chlorid Fe-4 mit 2.0 Äquivalenten des Imidazols 79 in Tetrahydrofuran 16 Stunden
bei Raumtemperatur unter N2-Atmosphäre gerührt. Anschließend wurde die Lösung auf -50 °C
gekühlt und ein Atmosphärenaustausch mit Disauerstoff durchgeführt. Hierbei wurde ein
Farbumschlag der Lösung von farblos nach rot beobachtet. Nach dem Entfernen der flüchtigen
Bestandteile wurde der Rückstand in Acetonitril aufgenommen, die Lösung filtriert und bei -20 °C
gelagert. Nach drei Tagen konnten dunkelrote stäbchenförmige Kristalle in einer Ausbeute von 68%
erhalten werden. Die vermutete Struktur war ein in Anlehnung an Fe-1a dinuklearer Eisenkomplex
mit oktaedrischem und tetraedrisch koordiniertem Eisen Fe-2c, da Imidazol keine sterisch
anspruchsvollen oder elektronisch beeinflussende Reste aufweist (Schema 36). Allerdings ergab die
Einkristallröntgenstrukturanalyse einen mononuklearen 17 Valenzelektronen-Eisen(III)komplex Fe-5,
dessen Zentralatom äquatorial von vier Imidazolliganden und axial von zwei Chloridoliganden
umgeben ist und somit eine oktaedrische Geometrie aufweist (Abbildung 16).[143]
Abbildung 16: Molekülstruktur von Fe-5 im Kristall. Aus Gründen der Übersichtlichkeit wurden Wasserstoffatome und das kokristallisierte Imidazoliumsalz nicht gezeigt. Die thermischen Schwingungsellipsoide repräsentieren 50% der
Aufenthaltswahrscheinlichkeit. Symmetrietransformationen wurden genutzt, um äquivalente Atome – gekennzeichnet mit (‘) – zu generieren: #1 -x, -y+1, -z.
Cl2
Cl1
Cl1‘
Fe1
N1 N2
N3
N4
N1‘
III. Ergebnisse und Diskussion 69
Als Gegenion des einfach positiv geladenen Komplexes ergab die Kristallstruktur ein Chlorid-Ion.
Darüber hinaus kokristallisierte neben dem Komplex ein hydrochloriertes Imidazoliumsalz, welches
aus Gründen der Übersicht nicht abgebildet wurde.
Die Bindungslänge zwischen dem Zentralatom und Stickstoff der Imidazolliganden beträgt
2.131(2) Å für Fe1–N1 und 2.1278(18) Å für die Bindung zwischen Fe1–N3. Die axial angeordneten
Chloridoliganden weisen demgegenüber eine längere Bindungslänge mit 2.3473(5) Å für Fe1–Cl1
auf, was durch die freien Elektronen am Chlor hervorgerufen wird. Die Bindungswinkel des
Komplexes weisen auf einen nahezu idealen Oktaeder hin. Hierbei beträgt der Winkel zwischen
Imidazolliganden 89.75(7)° für N1–Fe1–N3. Die Winkel zwischen Imidazol- und Chloridoliganden
stimmen mit 88.99(5)° für N1–Fe1–Cl1 bzw. 91.18(5)° für N3–Fe–Cl1 dem idealen Oktaederwinkel
von 90° nahezu überein. Schließlich wurden für die axialen Winkel Cl1–Fe–Cl1‘ und N1–Fe1–N1‘ mit
jeweils 180.0 bzw. 180.00(10)° gefunden. Die Komplexierung von Imidazol an Eisen(II)chlorid war für
die Synthese eines dinuklearen Eisenkomplexen nicht zielführend. Daher wurde auf N-substituierte
Imidazolliganden zurückgegriffen, da die Arbeitsgruppe um Beller dinukleare Eisenkomplexe mit
derartigen Liganden über eine andere Syntheseroute synthetisieren konnte.[81] Zum einen wurden
mit den Verbindungen 80-81 alkylsubstituierte Imidazole verwendet und zum anderen mit 83-85
arylsubstituierte Imidazole für die Komplexsynthese herangezogen (Abbildung 17).
Abbildung 17: Verwendte N-substituierte Imidazolliganden in Komplexsynthesen.
70 III. Ergebnisse und Diskussion
Zudem wurde mit dem Ligand 82 eine chirale Komponente verwendet, die die Möglichkeit für
Für die Komplexsynthese wurden in Analogie zur o.g. Reaktionsdurchführung wiederum
Eisen(II)chlorid mit den jeweiligen Liganden in Tetrahydrofuran vorgelegt und anschließend ein
Atmosphärenaustausch mit Disauerstoff vorgenommen. Nach dem Entfernen der flüchtigen
Bestandteile und Lösen in Acetonitril, konnten vier Komplexe Fe-2d-g nach Filtration und
anschließender Kristallisation aus Acetontril bei -20 °C isoliert werden (Schema 37).
Schema 37: Komplexsynthese von dinuklearen Eisenkomplexen mit substituierten Imidazolliganden.
Dabei wurden die Komplexe mit N-alkylsubstituierten Imidazolliganden Fe-2d mit 74% und Fe-2e mit
80% in sehr guten Ausbeuten erhalten, während für die Komplexe mit N-arylsubstituierten
Imidazolliganden Fe-2f mit 43% sowie Fe-2g mit 46% geringere Ausbeuten erzielt wurden. Die roten
stäbchen- bzw. braunen würfelförmigen Kristalle wurden mittels Einkristallröntgenstrukturanalyse
untersucht und die Ergebnisse im Folgenden diskutiert, um Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede
der Komplexe zu ermitteln (Abbildung 18a/b und Abbildung 19a/b). Diese könnten ausschlaggebend
für ein unterschiedliches Reaktionsverhalten bei den späteren Katalysereaktionen sein.
III. Ergebnisse und Diskussion 71
Abbildung 18a/b: Molekülstruktur von Fe-2d (a) bzw. Fe-2e (b) im Kristall. Aus Gründen der Übersichtlichkeit wurden Wasserstoffatome und kokristallisierte Lösungsmittelmoleküle (3x MeCN für Fe-2d; 1x MeCN für Fe-2e) nicht gezeigt. Die
thermischen Schwingungsellipsoide repräsentieren 50% der Aufenthaltswahrscheinlichkeit.
a)
b)
N8
N7
N6
N5
Fe2
N1
N2
Fe1
N3
N4
O1
Cl4
Cl2
Cl3
Cl1
N4
Cl1
N3 Fe1
N1
N2
Fe2 O1
Cl2
Cl4
Cl3
N7
N8
N6
N5
72 III. Ergebnisse und Diskussion
Abbildung 19a/b: Molekülstruktur von Fe-2f (a) bzw. Fe-2g (b) im Kristall. Aus Gründen der Übersichtlichkeit wurden Wasserstoffatome, kokristallisierte Lösungsmittelmoleküle (1x MeCN für Fe-2f; 1x MeCN für Fe-2g) sowie ein weiteres Molekül
von Fe-2g nicht gezeigt. Die thermischen Schwingungsellipsoide repräsentieren 50% der Aufenthaltswahrscheinlichkeit.
a)
b)
Cl1
N4
N3 N5
Fe1
Cl1
N1
N2
N7 O1
N6
Cl2
Cl3
Cl4 N8
Fe2
Fe1
Fe2 O1
N1
Cl1
N8
N7 N5
N6
N2 N3
N4
Cl2 Cl3
Cl4
III. Ergebnisse und Diskussion 73
Für das oktaedrisch koordinierte Eisenatom sind die Bindungslängen für die Fe1–N1 Bindung der
Komplexe im Bereich von 2.146-2.161 Å ähnlich (Tabelle 5, Eintrag 1).[144] Auch für die Fe1–Cl1
Bindung im Bereich von 2.3973-2.4342 Å konnten keine signifikanten Unterschiede beobachtet
werden (Tabelle 5, Eintrag 2).[145] Im Gegenzug wurde beim Vergleich der beiden Eisen–Sauerstoff
Bindungen ein deutlicher Unterschied festgestellt. Hierbei ist die Fe1–O1 Bindung mit
1.8278-1.841 Å gegenüber der Fe2–O1 Bindung mit 1.745-1.7581 Å weitaus länger (Tabelle 5,
Eintrag 3 und 4).[146] Dies ist ungewöhnlich, da das Sauerstoffatom räumlich näher am elektronisch
gesättigtem Eisen (Fe2 mit drei Chloridoliganden) als zum elektronisch ungesättigtem Eisen (Fe1 mit
einem Chloridoliganden) gelegen ist. Diese Beobachtung basiert auf drei möglichen Gegebenheiten.
Zum einen führt der negative induktive Effekt von den Chloridoliganden am Fe2 zur
Elektronendichteabnahme und erklärt eine kürzere Bindungslänge von Fe2–O1 (trans-Einfluss).
Daneben ist eine höhere Elektronendichte, bedingt durch die Elektronendonorliganden (Imidazol),
am Fe1 zu erwarten und führt zu einer längeren Fe1–O1 Bindung. Schließlich können auch sterische
Effekte der Imidazolliganden ausschlaggebend für die längere Fe1–O1 Bindung sein. Die Betrachtung
der Bindungswinkel zeigt eine leicht verzerrte Oktaederstruktur. In axialer Richtung ist der von
Tabelle 5: Ausgewählte Bindungslängen und -winkel der Komplexe Fe-2d-g.
(Tabelle 10, Eintrag 1 und 2), wurden mit den Komplexen der N-arylsubstituierten Imidazolliganden
erhöhte Ausbeuten erhalten. So zeigte der Komplex Fe-2g moderate Ausbeuten von 10%
(Tabelle 10, Eintrag 3), während die Ausbeute von Komplex Fe-2f mit Mesitylimidazolliganden bei
52% lag und die besten Ausbeuten lieferte (Tabelle 10, Eintrag 4). Die erhaltenen Ausbeuten sind
88 III. Ergebnisse und Diskussion
ähnlich zu denen, die in der Literatur mit in situ Reaktionen aus Eisen(III)chlorid mit Imidazolen
beschrieben sind.[81]
3.2.4. Modifizierung der dinuklearen Eisenkomplexe mit [Fe–O–Fe] Motiv
Inwieweit die erhaltenen dinuklearen Eisenkomplexe mit [Fe–O–Fe] Motiv Fe-2d, Fe-2e, Fe-2f und
Fe-2g für eine Reaktivitätsänderung modifiziert werden können, wurde in diesem Teil der Arbeit
untersucht. Dazu wurden verschiedene Änderungen am Komplex vorgenommen. Zum einen galt es
eine Substitution der Chlorido- und Imidazolliganden herbeizuführen. Zum anderen Bestand das
Interesse darin das [Fe–O–Fe] Motiv auf Festphasen zu transferieren (Abbildung 20).
Abbildung 20: Übersicht zur Modifizierung von dinuklearen Eisenkomplexe.
In ersten Studien zur Substitution wurde versucht die Chloridoliganden des Komplexes mit
Pseudohalogeniden wie z.B. Cyanid- oder Azid-Anionen auszutauschen. Ein weiteres einfach
geladenes Anion war das Triflat-Anion, das für den Ligandenaustausch herangezogen wurde.
Experimentell wurde dazu der dinukleare Eisenkomplex mit tert-Butylimidazolliganden Fe-2e
verwendet und in absolutem Acetonitril gelöst. Um das Lösen des Komplexes zu beschleunigen,
wurde ein Ultraschallbad zur Hilfe genommen und anschließend 1.0 Äquivalent des jeweiligen
Anions als Trimethylsilyl-Verbindung der Komplexlösung zugegeben (Schema 41). Nach 16 Stunden
rühren bei Raumtemperatur wurde die trübe Lösung filtriert.
Im Fall der Zugabe von Trimethylsilylazid 109 konnte ein Farbumschlag von dunkelrot nach hellrot
bzw. karminrot beobachtet werden. Im Gegensatz dazu ergab die Verwendung von
Trimethylsilylcyanid 110 eine grüne Lösung, während nach der Zugabe des Trimethylsilyltriflats 111
III. Ergebnisse und Diskussion 89
Schema 41: Reaktionsschema zum Ligandenaustausch der Chloridoliganden.
innerhalb von zehn Minuten die Fällung eines braunen Feststoffes auftrat. Der erhaltene Feststoff
konnte weder in organischen Lösungsmitteln noch in destilliertem Wasser gelöst werden, wodurch
eine Charakterisierung der Spezies mittels Einkristallröntgenstrukturanalyse nicht möglich war. Die
Ansätze mit den Verbindungen 109 und 110 wurden zur Kristallisation erst bei Raumtemperatur und
darauffolgend bei -20 °C gelagert. Da die Kristallisation ausblieb, wurden andere
Lösungsmittel(gemische) zur Kristallisation verwendet. Eine Aufnahme des Rückstandes in
Tetrahydrofuran und Kühlung bei -78 °C führte nicht zur gewünschten Kristallisation. Auch die
Dampfdiffusion oder Überschichten von unpolaren Lösungsmitteln in die Komplexlösung ergab
keine Einkristalle. So konnte mittels Dampfdiffusion von Diethylether in Acetonitril lediglich eine
Fällung beobachtet werden. Eine Aussage über die Anzahl an substituierten Chloridoliganden oder,
ob der Chloridoligand am oktaedrischen und/oder am tetraedrischen Eisenzentrum ausgetauscht
wurde, war aufgrund der fehlenden Kristallstruktur nicht möglich.
Ein weiteres Anliegen bestand darin Komplexe mit [Fe–O–Fe] Motiv zu synthetisieren, die andere
Liganden beinhalten. Dahingehend sollte geklärt werden, ob ein variiertes Ligandenmuster Einfluss
auf die Oxidationsreaktion von Olefinen bzw. C-C Kupplung von Grignard-Reagenzien hat (siehe
Kapitel 3.2.2. und 3.2.3.). Dazu wurde in einem ersten Experiment – analog zu der in der Arbeit
angewandten Methode zur Synthese von dinuklearen Eisen(III)komplexen – Eisen(II)chlorid Fe-4 mit
zwei Äquivalenten des zweizähnigen Liganden vorgelegt und in Tetrahydrofuran gelöst. Als Ligand
90 III. Ergebnisse und Diskussion
Schema 42: Komplexierung von 1,10-Phenanthrolin an Eisen.
wurde 1,10-Phenanthrolin 112 verwendet, der über die jeweils freien Elektronenpaare bidentat an
das Metallzentrum koordinieren kann. Anschließend erfolgte die Zugabe von Sauerstoff via
Atmosphärenaustausch (Schema 42). Während des Atmosphärentauschs konnte ein Farbumschlag
beobachtet werden. Widererwartend änderte sich die Farbe nicht von farblos nach rot, sondern von
farblos nach blau. Nachdem die Reaktionslösung filtriert wurde, bildeten sich bereits nach 16
Stunden Lagerung bei Raumtemperatur violette Kristalle. Die Auswertung mittels
Einkristallröntgenstrukturanalyse ergab nicht den erwarteten dinuklearen Eisenkomplex Fe-6,
sondern einen mononuklearen 18 Valenzelektronen-Eisenkomplex Fe-7, dessen Zentralatom von
drei 1,10-Phenanthrolinliganden umgegeben ist und dem Ferroin mit Chlorid als Gegenionen
entspricht.[161]
Um einen dinuklearen Eisenkomplex zu gewinnen, wurde eine alternative Syntheseroute verfolgt.
Hierbei galt es die Zielverbindung Fe-6, ausgehend vom bestehenden dinuklearen Eisenkomplexes
mit monodentaten, tert-Butyl N-substituierten Imidazolliganden Fe-2e, mittels
Ligandenaustauschreaktion zu synthetisieren. Dazu wurde Fe-2e in Acetonitril aufgenommen und
Abbildung 21: Bidentate Liganden für die Ligandenaustauschreaktion von Fe-2e.
III. Ergebnisse und Diskussion 91
mit 2.0 Äquivalenten 112 versetzt. Des Weiteren wurde die Methode auf drei dem Phenanthrolin
angelehnten bidentaten Liganden ausgeweitet, sodass die Reaktion ebenso mit Neocuproin 113,
Bathophenanthrolin 114 sowie Bathocuproin 115 durchgeführt wurde (Abbildung 21). Für die
derivatisierten Phenanthroline 113-115 wurden nach mehreren Tagen Lagerung der
Reaktionslösung bei Raumtemperatur dunkelrote Kristalle erhalten, die nach
Einkristallröntgenstrukturanalyse lediglich den Ausgangskomplex Fe-2e entsprachen. Ein anderes
Reaktionsverhalten konnte im Fall der Ligandenaustauschreaktion von Fe-2e mit 112 beobachtet
werden (Schema 43).
Schema 43: Komplexsynthese von Fe-8 via Ligandenaustausch von Fe-2e (die Ligandenanordnung und Fe–O–Fe Bindung sind aufgrund der besseren Übersicht abstrakt dargestellt).
Nachdem die Reaktionslösung drei Tage bei -20 °C gelagert wurde, konnten hellrote Kristalle
gewonnen werden. Diese waren für die Einkristallröntgenstrukturanalyse geeignet und zeigten nach
der Auswertung der Kristallstruktur einen dinuklearen Eisenkomplex. Allerdings war dieser nicht der
erwartete Komplex Fe-6, sondern ein dinuklearer Eisenkomplex mit jeweils zwei oktaedrischen
Eisenzentren (Abbildung 22).
Wie aus der Molekülstruktur des Komplexes hervorgeht, sind beide Eisenatome in axialer Richtung
vom verbrückenden Oxidoliganden sowie von jeweils einem Stickstoffatom des Phenanthrolin
umgeben. Bei der Betrachtung der Bindungslängen zeigt Fe-8 im Gegensatz zu Fe-2d-g mit
1.794(4) Å für Fe1–O1 und 1.798(4) Å für Fe2–O1 einen nahezu identischen Abstand zwischen dem
Eisen- und Sauerstoffatom. Der Abstand zwischen dem Eisen- und Stickstoffatom ist
erwartungsgemäß größer und weist Bindungslängen von 2.250(5) Å für Fe1–N1 und 2.273(5) Å für
Fe1–N8 auf. Das zweite Stickstoffatom des Phenanthrolins koordiniert jeweils in äquatorialer
92 III. Ergebnisse und Diskussion
Abbildung 22: Molekülstruktur von Fe-8 im Kristall. Aus Gründen der Übersichtlichkeit wurden Wasserstoffatome und kokristallisierte Lösungsmittelmoleküle (3x MeCN) nicht gezeigt. Die thermischen Schwingungsellipsoide repräsentieren 50% der
Aufenthaltswahrscheinlichkeit.
Position an das Eisenatom, wobei die Bindungslängen von Fe1–N2 bzw. Fe2–N7 im Bereich von
2.179-2.212 Å liegen. Die kürzeren Bindungslängen von Fe1–N2 bzw. Fe1–N8 gegenüber Fe1–N1
bzw. Fe2–N7 ist auf einen trans-Einfluss des gegenüberliegenden Chlorido- respektive
Oxidoliganden zurückzuführen. Darüber hinaus besitzen beide Eisenatome jeweils tert-
Butylimidazolliganden sowie Chloridoliganden, die mit Bindungslängen von 2.144-2.149 Å bzw.
2.3445-2.3772 Å einhergehen. Weitaus interessanter ist, dass beide Eisenatome sich bezüglich der
Anzahl an tert-Butylimidazol- und Chloridoliganden unterscheiden. Während Fe1 zwei
tert-Butylimidazol- und einen Chloridoliganden aufweist, zeigt das Ligandenmuster bei Fe2 lediglich
einen tert-Butylimidazol und zwei Chloridoliganden.
Bei Betrachtung der Bindungswinkel fällt eine verzerrte Oktaederstruktur beider Eisenzentren auf.
Hauptsächlich wird dieses Phänomen durch den bidentaten Phenanthrolinliganden verursacht. So
Fe1
Fe2
N3
N4 N10
N9
Cl1
Cl2
Cl3
Cl4
O1
N8
N7
N6
N5
N1
N2
III. Ergebnisse und Diskussion 93
liegt der Winkel von N1–Fe1–N2 bei 74.84(19)°, wohingegen der in äquatorialer Ebene
gegenüberliegende Winkel O1–Fe1–Cl1 einen Winkel von 100.83(14)° zeigt. Auch der Winkel von
Sauerstoff zum gegenüberliegenden Stickstoff des Phenanthrolins (O1–Fe1–N1) weicht mit
168.90(19)° stark von idealen 180° ab. In axialer Richtung liegen die Winkel der gegenüberliegenden
Imidazolliganden (N3–Fe1–N5) bei 167.3(2)°. Der Bindungswinkel zwischen Fe1–O1–Fe2 weicht
ebenfalls stark von einem linearen Ideal mit 173.3(3)° ab. Als weiteren Winkel ist der Torsionswinkel
der Imidazole zueinander zu nennen. Hierbei wurde für N3–Fe1–Fe2–N9 ein Wert von 36.3°
beobachtet.
Der Komplex Fe-8 wurde als (Prä)katalysator in der C-C Kupplung als auch in der Oxidation von
Olefinen erfolgreich getestet. So ergab die Homokupplung von 4-Methoxyphenylmagnesiumbromid
86 eine Ausbeute von 96% und die Epoxidierung von trans-Stilben 95 eine Ausbeute von 11%.
Neben der Untersuchung von monodentaten N-substituierten Imidazolen und bidentaten
Phenanthrolinderivaten wurde in weiteren Studien das Koordinationsverhalten von Imidazolen
analysiert, die ein Substitutionsmuster an C4- und C5-Position zeigen. Diese dienten als
Modellversuche für die Komplexierung von L-Histidin und ging mit der Frage einher, inwieweit eine
Substitution an C4- oder C5-Position Einfluss auf Koordination am Eisen haben können. Schließlich
weißt L-Histidin selbst eine Substitution am Imidazol an C4-Position auf.
Im Fokus standen Imidazole mit Diester- oder Diamidfunktionalitäten. Dazu wurde ausgehend vom
kommerziell erhältlichen Imidazol-4,5-dicarbonitril 116 im ersten Schritt die Amin-Funktionalität des
Imidazols mit Dimethylsulfat in Anwesenheit einer Base methyliert (Schema 44).[162]
Schema 44: Methylierung, Hydrolyse und Chlorierung von Imidazol-4,5-dicarbonitril 116.[162]
Die Methylierung der Amin-Funktionalität unterbindet die Tautomerie des Imidazols, sodass eine
mögliche Koordination des Iminstickstoffes am Eisen erleichtert wird. Das erhaltene
94 III. Ergebnisse und Diskussion
Schema 45: Umsetzung des Dicarbonsäurechlorids 119 zum Dicarbonsäureester 120a-d bzw. Dicarbonsäureamid 121.
1-Methylimidazol-4,5-dicarbonitril 117 wurde im Anschluss daran mittels Hydrolyse zur
Dicarbonsäure 118 umgesetzt. Dies eröffnet die Möglichkeit aus der Dicarbonsäure über das
Dichlorid 119 zum jeweiligen Diester 120a-d oder Diamid 121 zu gelangen (Schema 45). Für die
Synthese der Diester wurde 119 mit einem Überschuss (84.0 eq.) des jeweiligen Alkohols 24
Stunden unter Rückfluss erhitzt. Anschließend wurden die flüchtigen Bestandteile am Hochvakuum
entfernt und der Rückstand mit gesättigter Natriumhydrogencarbonatlösung basifiziert. Nach der
Extraktion mit Dichlormethan und Behandlung mit Aktivkohle konnten die Dicarbonsäureester nach
dem Entfernen der Lösungsmittel und Trocknung erhalten werden. Hierbei wurden aus der
Umsetzung von 119 mit Methanol, Ethanol, Isopropanol sowie 2,2,2-Trifluorethanol die
entsprechenden Diester in guten Ausbeuten von 51% für 120a, 69% für 120b, 57% für 120c und 73%
für 120d isoliert (Abbildung 23). Ferner wurde versucht, einen cyclischen Diester aus dem Dichlorid
und Ethylenglykol zu synthetisieren. Dazu wurde die Reaktionsführung von der Synthese der
acyclischen Diester herangezogen und geringfügig verändert. Hier wurde das Dichlorid als gering
konzentrierte Tetrahydrofuranlösung vorgelegt und eine langsame Zugabe des Ethylenglycols
mittels Spritzenpumpe ermöglicht. Dennoch ergab eine Analyse via DC und GC-MS eine Vielzahl an
Nebenprodukten aber nicht das gewünschte Produkt. Vorstellbar wäre die zu große Ringspannung
beim entstehenden Achtringprodukt, die eine Bildung des Produktes erschwert.
Die Synthese des Diamides verlief analog zu den Diestern. Durch Zugabe eines Überschusses an
Amin (15.0 eq.) und erhitzen unter Rückfluss konnte aus dem Dichlorid das Diamid 121 nach
anschließender Aufarbeitung und säulenchromatographischen Reinigung in einer Ausbeute von 30%
III. Ergebnisse und Diskussion 95
Abbildung 23: Synthetisierte Imidazole mit Ester- oder Amidfunktion in C4- und C5- des Imidazolrückgrates.
als farbloser Feststoff erhalten werden (Abbildung 23). Weiterhin war es möglich das Diamid aus
dem Dimethylester 120a zu gewinnen. Dazu wurde der Diester mit einem Überschuss (50.0 eq.) des
Amins fünf Tage unter Rückfluss erhitzt. Das Amin verdrängte das Alkoholat aus der Verbindung,
sodass nach Aufarbeitung und Reinigung das Diamid 121 erhalten wurde. Anschließend wurden die
unterschiedlichen C4- und C5-substituierten Imidazole 120a-d und 121 nach dem aus Kapitel 3.2.1.
vorgestellten Protokoll an Eisen komplexiert. Hierbei zeigte sich bei jedem Komplexierungsansatz
ein Farbumschlag der Lösung von farblos nach rot, jedoch konnten keine Einkristalle der Komplexe
aus Acetonitril oder Tetrahydrofuran erhalten werden. Desweiteren wiesen die synthetisierten
Metallspezies eine hohe Instabilität auf. Bereits nach einmaligem einengen und erneutem lösen fiel
ein brauner Niederschlag aus, welcher sich in keinem organischem Lösungsmittel oder Wasser lösen
lies. Nach verschiedenen Komplexierungsversuchen der Diester mit diversen Lösungsmitteln
konnten Einkristalle aus einem Methanol/Wasser-Gemisch erhalten werden (Abbildung 24).
Abbildung 24: Molekülstruktur von Fe-9 im Kristall. Aus Gründen der Übersichtlichkeit wurden Wasserstoffatome (außer an Sauerstoffatomen) und das Gegenion (Chlorid) nicht gezeigt. Die thermischen Schwingungsellipsoide repräsentieren 50% der
Aufenthaltswahrscheinlichkeit. Symmetrietransformationen wurden genutzt, um äquivalente Atome – gekennzeichnet mit (‘) – zu generieren: #1 -x+1/2, y, -z+1; #2 -x+3/2, y, -z+1.
Fe1
O1
O2
O3
N1
N2
O4 O5
O6 N1‘
O2‘
96 III. Ergebnisse und Diskussion
Der 17 Valenzelektronenkomplex weist eine oktaedrische Struktur auf. Das Zentralatom wird von
zwei Aqua- und zwei Imidazolliganden umgeben. Letztere koordinieren bidentat am Eisen mittels
der Iminfunktionalität des Imidazols sowie dem Carboxylat. Die vorliegenden Carbonsäure resultiert
aus einer Verseifung, welche durch die verschiedenen Lösungsmittel und in der Siedehitze
verursacht wurde.
Die vorangegangenen Untersuchungen zum Koordinationsverhalten von Imidazolen und dessen
Derivaten dienten als Grundlage zur möglichen Ligation der Imidazol-haltigen Aminosäure L-Histidin
an Eisen. Zwar sind Histidineisenkomplexe bekannt, jedoch koordinieren die terminalen Gruppen
der Aminosäure ebenfalls am Metallzentrum.[163] Dies spiegelt nicht die wahre Bindungssituation in
Enzymen wider. Schließlich interagiert in den meisten natürlichen Aminosäure-basierten
Metallkomplexen die Seitenkettenfunktionalität der Aminosäure als monodentater Ligand mit dem
Zentralatom, während die Amin- und Carboxylgruppen als Amide in Polypeptidketten eingebunden
sind.
Um das Bindungsmotiv nachzuempfinden, galt es L-Histidin im Vorfeld der Komplexierung chemisch
zu verändern. Dazu wurden die Amin- und Carboxylgruppe in Amidgruppen überführt. Wohlwissend,
dass dies nicht die exakte Nachbildung eines Polypeptids ist, so sind diese Modelle der Natur eher
nachempfunden als bspw. sekundäre Amin-, Ester- oder Ethergruppen. Desweiteren war es das Ziel
– gerade für die Kristallisation des Komplexes – ein Amidsubstituent zu wählen, der keine freie
Rotation um eine C–C Achse aufwies. Ein weitestgehend starres Molekül erleichtert die
Kristallisation eher als Verbindungen, deren Reste um C–C Bindungen rotierend. Dahingehend
wurden tert-Butylgruppen als Substituenten der Wahl herangezogen. Ausgehend von L-Histidin 122
erfolgte im ersten Schritt eine Veresterung zum Carbonsäuremethylester 123, da sich
Carbonsäureester besser handhaben lassen als die entsprechenden Carbonsäuren. Darauffolgend
Schema 46: Reaktionspfad zur Kupplung von Pivalinsäure an L-Histidin-carbonsäuremethylester.
III. Ergebnisse und Diskussion 97
sollte mit bekannten Peptidkupplungsreagenzien (DCC/HOBt) der N-Terminus zum Amid modifiziert
werden (Schema 46).[164] Die säulenchromatographische Reinigung von 124 gelang nicht, sodass die
Verbindung nicht isoliert werden konnte. Vermutet wurde eine Wechselwirkung des Imidazols mit
der stationären Phase (Kieselgel) bei der säulenchromatographischen Reinigung. Auch andere
Methoden zur Reinigung des Produktes wie die Umkristallisation führten nicht zum Erfolg. Daher
wurde ein alternatives Startmolekül 125 verwendet, welches ursprünglich am N-Terminus
Fmoc-geschützt und am Amin des Imidazols Trityl-geschützt war (Schema 47). Beginnend mit einer
Amidkupplung von 125 und tert-Butylamin unter Verwendung von DCC/HOBt gelang die Kupplung
des tert-Butylamids am C-Terminus.[164] Dabei wurde 126 in einer Ausbeute von 66% als farbloser
Feststoff erhalten. Im Anschluss wurde unter basischen Bedingungen mit Piperidin in DMF die
Fmoc-Entschützung vorgenommen und das freigesetzte Amin 127 in einer Ausbeute von 84%
isoliert.[165] Daraufhin wurde die Peptidknüpfung am N-Terminus mit Pivalinsäure und DCC/HOBt
vorgenommen und mittels Säulenchromatographie (SiO2, DCM/MeOH, 100:1) gereinigt, sodass das
Diamid 128 in einer Ausbeute von 57% synthetisiert wurde.[164] Schlussendlich gelang die Darstellung
des gewünschten Produktes 129 nach Entschützung der säurelabilen Trityl-Schutzgruppe mit
wässriger HCl-Lösung und anschließender basischer Aufarbeitung in einer Ausbeute von 83%.[166] Die
Schema 47: Syntheseroute des L-Histidin-diamids 129.
98 III. Ergebnisse und Diskussion
darauffolgende Komplexierung von 128 sowie 129 mit Eisen(II)chlorid wurde nach der in Kapitel
3.2.1. vorgestellten Methode durchgeführt. Allerdings erwies sich die Bildung von Einkristallen als
schwierig. Unter Verwendung von diversen Lösungsmittel bzw. –gemischen wie Toluol,
tert-Amylalkohol, 1,4-Dioxan, Acetonitril/Ethanol (1:1) sowie Acetonitril/Ethanol (2:1) konnten zum
jetzigen Zeitpunkt keine Kristalle für die röntgenspektroskopische Untersuchung gewonnen werden,
sodass keine Aussage über die Struktur des Komplexes gemacht werden kann.
Da während der Synthese der Verbindungen 128 oder 129 mehrfach unter basischen Bedingungen
gearbeitet wurde, ist eine Deprotonierung des in α-Position gebundenen Protons nicht
unwahrscheinlich.[167] Dies hätte eine Racemisierung der Liganden zur Folge, woraufhin ein
racemisches Gemisch vorliegt und stereoselektive Reaktionen nicht mehr durchführbar sind. Daher
wurden zu gleicher Zeit Experimente durchgeführt, die Aufschluss zur Enantiomerenreinheit der
Verbindung 129 bringen sollten. Hierfür wurde 129 mit (11bS)-4-Chlordinaphtho[2,1-d:1',2'-
f][1,3,2]dioxaphosphepin 130 äquimolar umgesetzt und in ein Diastereomer überführt (Schema 48).
Das Reagenz 130 gehört zur Gruppe der CDA (chiral derivatizing agent; chirales Derivationsreagenz),
welche für das Derivatisieren von Enantiomeren zur Bildung von Diastereomere herangezogen
werden.[168] Die nun physikalisch unterschiedlichen Eigenschaften der Diastereomere können sich
zunutze gemacht werden, indem sie spektroskopisch untersucht werden und so Rückschlüsse auf
ihren Enantiomerenüberschuss gezogen werden können.
In der Verbindung 129 sind drei N–H-Gruppen vorhanden, die unter Abspaltung von HCl zu einer
Ausbildung von N–P-Bindungen führen können. Beispiele zeigen eine Bindung an N–H-Gruppen von
Amiden bzw. Lactamen.[169] Wird diese Gegebenheit auf 129 übertragen, so ist eine zweifache
Phosphorylierung an einem Molekül denkbar aber auf Grund der großen Abstoßung der
Phosphorsubstituenten unwahrscheinlich. Unter Berücksichtigung dieses Sachverhaltes könnten im
Fall einer Racemisierung nach der Reaktion von 129 mit 130 vier Produkte entstehen, wovon zwei
Regioisomere 131 und 132 mit jeweils zwei Stereoisomeren 131ss/131rs bzw. 132ss/132rs auftreten
(Schema 48).
Die Reaktion wurde in absolutem Tetrahydrofuran durchgeführt und nach Entfernen der flüchtigen
Bestandteile am Hochvakuum in deuteriertem Chloroform aufgenommen und im 1H-
sowie31P{1H}-NMR spektroskopisch untersucht. Das 1H-NMR Spektrum war aufgrund der vielen
III. Ergebnisse und Diskussion 99
Schema 48: Reaktionsschema zur Bestimmung des Enantiomerenüberschusses mittels CDA-Reagenz 130.
Signale zu kompliziert und für eine qualitative Aussage nicht auswertbar. Das 31P{1H}-NMR dagegen
lieferte einen unkomplizierteren Datensatz zur Auswertung (Abbildung 25). Es wurden fünf Signale
detektiert. Das am weitesten tieffeldverschobene Signal bei 178.2 ppm (Abbildung 25, I) ist dem
nicht reagierten 130 zuzuordnen. Bei dem Signal 13.8 ppm (Abbildung 25, V) handelt es sich um das
oxidierte (11bS)-4-Chlordinaphtho[2,1-d:1',2'-f][1,3,2]dioxaphosphepin-4-oxid.[170] Die Signale von II
und III bei 136.7 und 135.7 ppm lassen auf die mögliche Produkte schließen. Wegen der geringen
chemischen Verschiebung zueinander (Δ = 1 ppm) ist jedoch nicht zu beurteilen, ob es sich hierbei
100 III. Ergebnisse und Diskussion
Abbildung 25: 31
P{1H}-NMR Spektrum (81 MHz, CDCl3, 25 °C) des Reaktionsgemisch der aus Schema 48 dargestellten Reaktion.
um zwei Regioisomere mit gleicher Stereokonfiguration (bspw. zweimal R,S) oder einem
Regioisomer mit unterschiedlichen Diastereomeren handelt. Das Signal IV bei 132.1 ppm konnte
nicht zugeordnet werden. Unabhängig davon muss auch die N-P Bindung an der Imidazolseitenkette
erwogen werden. Darüber hinaus war die Reaktion nicht vollständig verlaufen, was jedoch für eine
Bestimmung des Enantiomerenüberschusses via CDA notwendig ist. Die unbefriedigenden
Ergebnisse bezüglich der Bestimmung des Enantiomerenüberschusses mit Hilfe von CDA via NMR
Spektroskopie erforderte weitere Untersuchungen. Hierbei galt es im Folgenden den ee-Wert
mittels Einkristallröntgenstrukturanalyse zu bestimmen. Demnach sollte mittels Kristallisation eines
Einkristalls und der darauffolgenden Röntgenstrukturanalyse der Enantiomerenüberschuss über den
Flack parameter bestimmt werden. Danach ergeben sich aus Werten um 0.5 racemische Gemische
und Werte gegen 0.0 oder 1.0 enantiomerenreine Verbindungen. Darauf aufbauend wurde aus der
Verbindung 128 bzw. 129 versucht ein Einkristall aus n-Hexan, und n-Hexan/Essigsäureethylester
sowie Dichlormethan und Dichlormethan/Methanol zu gewinnen. Bedauerlicherweise konnte auf
diesem Weg kein Kristall gewonnen werden. Weitere Kristallisierungsmethoden ergaben sich aus
der Umsetzung von 129 mit Pikrinsäure in einer methanolisch, wässrigen Lösung. Nach einengen der
I
II und III
IV
V
III. Ergebnisse und Diskussion 101
Lösung wurde versucht durch eindiffundieren von Dichlormethan einen Einkristall zu erhalten. Auch
hierbei wurde bis zum jetzigen Zeitpunkt kein Einkristall isoliert.
Da die Katalyse mit einer nicht identifizierten Komplexspezies wenig aussagekräftig ist, wurden in
situ Studien mit den Verbindungen 128 und 129 durchgeführt. Dazu wurde Eisen(II)triflat mit 2.0
Äquivalenten von 128 bzw. 129 vorgelegt und in der Oxidation von Olefinen (siehe Kapitel 3.2.3.)
untersucht. Allerdings wurde nach der GC-MS Analyse kein Umsatz beobachtet.
3.2.5. Synthese und katalytische Anwendung von heterogenen Eisen(prä)katalysatoren
Für industrielle Prozesse spielen Katalysatoren auf heterogener Basis eine wichtige Rolle, da sie die
Optionen auf eine leichtere Abtrennung vom Produkt und Wiederverwendbarkeit bieten. Ein
aktueller Forschungsschwerpunkt in der heterogenen Katalyse ist die Wasserspaltung unter
Verwendung von metallhaltigen (Photo)katalysatoren.[171] So zeigte Nakanishi eine Methode zur
Wasserspaltung mittels metallfreiem Katalysator bestehend aus Kohlenstoffnitrid.[172] Im Rahmen
dieser Arbeit wurden zuvor ein mit den synthetisierten dinuklearen Eisenkomplexen aus Kapitel
3.2.1. geträgertes Polymer thermolytisch zersetzt, um neue heterogene Katalysatoren zu erhalten.
Durch den Transfer des [Fe–O–Fe] Motivs aus den homogenen Katalysatoren auf die Oberfläche der
Kohlenstoffnitridmatrix wurde ein Synergismus aus Metallspezies und photokatalytisch aktivem
Kohlenstoffnitrid zur Reaktivitätssteigerung erwartet. Schließlich sind Eisenoxide durchaus in der
Lage die Wasserspaltung zu katalysieren.[173]Als Präkursoren wurden die Komplexe Fe-2e und Fe-1a
Abbildung 26: Verwendete dinukleare Eisenkomplexe als Präkursoren für heterogene Katalysatoren.
102 III. Ergebnisse und Diskussion
herangezogen, wobei Polyformamidin 133[174] als Vorstufe des Stickstoff-dotierten Trägermaterials
diente (Abbildung 26). Zur Synthese wurden Polyformamidin und 5 wt% des jeweiligen Komplexes in
Acetonitril aufgenommen und 16 Stunden bei Raumtemperatur gerührt. Nach dem Entfernen des
Lösungsmittels und trocknen des Rückstandes am Hochvakuum wurde der Feststoff in einem
Hochtemperaturofen überführt und dieser zwei Stunden mit Stickstoff gespült. Anschließend wurde
das Gemisch 13 Stunden nach einem Temperaturprogramm (siehe Experimenteller Teil) erhitzt.
Dabei wurden die Produkte Fe-2e@CN in einer Ausbeute von 14% und Fe-1a@CN in einer Ausbeute
von 44% als schwarze Feststoffe erhalten.
Schema 49: Synthese der geträgerten Eisenspezies Fe-2e@CN und Fe-1a@CN.
Erste Untersuchungen mittels PXRD ergaben im Fall von Fe-2e@CN keine Beugungsreflexe. Dieses
Material beinhaltet keine kristallinen Eisen(oxid)nanopartikel. Demnach liegt das Eisen oder
Eisenoxid in amorphen Strukturen auf dem Trägermaterial vor. Im Gegensatz dazu konnten für
Fe-1a@CN Beugungsreflexe beobachtet, die jedoch mit zu schwachen Intensitäten einherging und
den Vergleich mit einer Referenz nicht möglich machte. Um genauere Einsicht und Vorstellungen
von dem Material zu bekommen, wurde als weitere Analyse eine
Transmissionselektronenmikroskopie (TEM) vorgenommen.[175] Die Gegenüberstellung der
Materialien zeigt deutliche Unterschiede bezüglich ihrer Struktur. Die Ergebnisse des PXRD wurden
mittels hochauflösender TEM-Aufnahmen bestätigt und zeigen für Fe-2e@CN keine kristallinen
Partikel auf dem Kohlenstoffmaterial (Abbildung 27). Lediglich die EDX-Untersuchung weist Eisen auf
der Oberfläche nach, sodass Eisen(oxid) amorph auf der Oberfläche vorliegen sollte. Im Gegensatz
dazu konnten für das Material Fe-1a@CN in den hochauflösenden TEM-Bildern Eisen(oxid)partikel
beobachtet werden (Abbildung 28). Hierbei handelt es sich um Partikel mit einer Größe von 15
III. Ergebnisse und Diskussion 103
Abbildung 27: Hochauflösende TEM-Bilder von Fe-2e@CN mit Maßstab: 50 nm (oben links), 20 nm (oben rechts), sowie EDX-Spektrum (unten).
[175]
104 III. Ergebnisse und Diskussion
Abbildung 28: Hochauflösende TEM-Bilder von Fe-1a@CN mit Maßstab: 200 nm (oben links), 50 nm (oben rechts), 20 nm (mitte links), 2 nm (mitte rechts) sowie EDX-Spektrum (unten).
[175]
bis 20 nm. Deutlich zu erkennen ist die rautenförmige Struktur der Kristalle. Desweiteren sind den
EDX-Spektren beider Proben Schultern im Bereich des Stickstoffs zu entnehmen.
Der Anteil von Stickstoff im Material wurde mit Hilfe der Elementaranalyse bestimmt und ist in
Tabelle 11 zusammengefasst. Beide Materialien weisen einen Stickstoffgehalt von 5 bis 9% auf. Zu
erwähnen ist, dass der Gehalt an Stickstoff und Wasserstoff bei Fe-2e@CN größer ist als der von
Fe-1a@CN, was anhand des höheren Stickstoff- und Wasserstoffgehalts der Präkursoren erklärbar
ist. Zur Bestimmung der Eisenbeladung des Materials wurden Untersuchungen mittels ICP-OES
durchgeführt. Daraus ergaben sich für Fe-2e@CN und Fe-1a@CN eine Eisenbeladung des Materials
von 14 Gew.-% bzw. 10 Gew.-%.
III. Ergebnisse und Diskussion 105
Tabelle 11: Elementaranalyse von Fe-2e@CN und Fe-1a@CN.
Prozentualer Anteil Fe-2e@CN [%] Fe-1a@CN [%]
Kohlenstoff 65.31 73.47
Stickstoff 8.66 5.50
Wasserstoff 1.58 0.90
Ob das [Fe–O–Fe] Motiv oder lediglich ein Oxid der Art FexOy als Eisenspezies auf der Oberfläche des
Materials vorlag, wurde zuerst mit Hilfe der Infrarotspektroskopie versucht aufzuklären. Allerdings
konnte anhand des Spektrums keine Aussage über die Spezies getroffen werden, da die Signale als
stark verbreiterte Banden beobachtet wurden und eine Auswertung nicht ermöglichte. Deshalb
sollte die Fragestellung mittels Röntgenemissionsspektroskopie (XES) beantwortet werden.
Bedauerlicherweise sind die Messzeiten dieser Geräte sehr begrenzt und benötigen eine lange
Planung im Voraus, sodass unabhängig der noch offenen analytischen Auswertung bereits mit
katalytischen Experimenten fortgefahren wurde.
Dazu wurden die Materialien Fe-2e@CN und Fe-1a@CN für die elektrokatalytischen Wasserspaltung
herangezogen. Explizit wurde die limitierende Teilreaktion der Wasserspaltung (oxygen evolution
reaction, OER) untersucht, welche ein Standardpotenzial E0 von 1.23 V gegen reversible
Wasserstoffelektrode (VRHE) aufweist. Aufgrund des Vierelektronenprozesses liegt der OER eine
langsame Kinetik zugrunde, sodass die hergestellten Materialien in Spannungsbereichen von
1.2-1.8 VRHE vermessen wurden. Im ersten Schritt wurden die Elektroden vorbereitet, indem 5.0 mg
Fe-2e@CN bzw. Fe-1a@CN in 2.5 mL milliQ Wasser sowie 2.5 mL Isopropanol aufgenommen und
mit 20 μL Nafionlösung versetzt wurde. Anschließend wurde die Suspension 15 Minuten im
Ultraschallbad durchmischt, auf die Elektroden aufgetragen und das Lösungsmittel fünf Minuten in
einem 60 °C getrocknetem Trockenschrank abgedampft. Die präparierten Elektroden wurden
anschließend als Arbeitselektrode in einer Messzelle mit einer wässrigen 0.1 M
Kaliumhydroxidlösung für die Wasserspaltung verwendet. Die Wasserspaltung fand
cyclovoltammetrisch in einem Spannungsbereich von 1.2-1.8 VRHE, bei einer Vorschubspannung von
6 mV/s, und 1600 U/min der Arbeitselektrode statt.[176] Neben den eisenhaltigen Materialen
Fe-2e@CN und Fe-1a@CN wurde als Vergleichsprobe ein metallfreies Material 134 hergestellt und
untersucht.
106 III. Ergebnisse und Diskussion
Abbildung 29: Cyclovoltammogramm nach 50 Zyklen 134 (rot), Fe-1a@CN (blau) und Fe-2e@CN (grün).
Nach der cyclovoltammetrischen Untersuchung der synthetisierten Materialien zeigte sich ein
interessantes Verhalten. Das Material ohne Eisenbeladung 134 wies die höchste Stromdichte nach
50 Zyklen auf. Eine schwächere Stromdichte zeigte sich bei Verwendung von Fe-1a@CN, während
das Material mit einer amorphen Eisenverteilung Fe-2e@CN die geringste Stromdichte lieferte.
Daraus ist zu schlussfolgern, dass die Anwesenheit von Eisen die Wasserspaltung inhibiert und die
besten Ergebnisse mit dem reinen Stickstoff-dotierten Kohlenstoffmaterial erzielt wurden. Je größer
die Eisenbeladung ist, desto geringer ist die erhaltene Stromdichte. Dass metallfreie
Stickstoff-dotierte Kohlenstoffmaterialien aktiver als die metallbeladenen Spezies sein können, ist
bekannt und in der Literatur beschrieben.[177] Darüber hinaus ist auch die Form der Eisenspezies
ausschlaggebend. Schließlich konnten mit der Probe Fe-1a@CN, welche kristalline Nanopartikel
aufweist, höhere Stromdichten erhalten werden als mit dem Material mit amorph verteiltem Eisen
Fe-2e@CN. Dies zeigt, welchen Einfluss die Form und die Größe der Nanopartikel auf die Katalyse
haben.[178]
IV. Zusammenfassung 107
IV. Zusammenfassung
3.1. Recycling von Polysiloxanen via Depolymerisation und Polymerisation
Im ersten Teil der Arbeit wurde ein Protokoll zur Depolymerisation von Poly(dimethylsiloxanen)
bestehend aus Benzoylfluorid als Depolymerisationsreagenz und Eisen(III)chlorid als Lewis-Säure
Katalysator entwickelt. Dieses Protokoll konnte erfolgreich in der Depolymerisation angewendet
werden, sodass nach der Reaktion das Monomer und Dimer in sehr guten Ausbeuten erhalten
werden konnte. Die Produkte wurden mit Hilfe der 1H-, 13C{1H}-, 19F- und 29Si{1H}-Spektroskopie
sowie der Massenspektrometrie vollständig charakterisiert. Anschließend wurde das aus der
Depolymerisation erhaltene Monomer und Dimer genutzt, um wiederum neue Polymere
herzustellen. Dabei konnten nach der NMR spektroskopischen und massenspektrometrischen
Analyse cyclische Poly(dimethylsiloxane) im Größenordnungsbereich von Tetrameren bis zu
Dekameren beobachtet werden.
Im weiteren Verlauf der Arbeit wurde das Protokoll zur Depolymerisation von
Poly(dimethylsiloxanen) gerade in Hinblick auf monetäre und atomökonomische Aspekte verbessert.
Dazu wurde eine Alternative zum kostenintensiven Depolymerisationsreagenz gesucht und mit
Bortrifluoridetherat gefunden. Die Verwendung von BF3·OEt2 ist eine kostengünstige und
atomökonomische Verbindung, die Depolymerisationsreagenz und Lewis-Säure in einem Molekül
vereint. In ersten Studien an einem Modellsubstrat Hexamethyldisiloxan konnten bereits nach zehn
Minuten mit 1.0 Äquivalenten BF3·OEt2 sehr gute Ausbeuten des Produktes erhalten werden. Dieser
Wert konnte durch eine verlängerte Reaktionszeit auf 95% in exzellente Ausbeuten gesteigert
werden. Daraufhin wurde die Methode an Poly(dimethylsiloxan) getestet.
Im Folgenden galt es die Depolymerisation mit BF3·OEt2 auf weitere Polysiloxane anzuwenden.
Dabei zeichneten sich ähnliche Befunde wie bei dem Poly(dimethylsiloxan) ab. In wenigen
Ausnahmen zeigten sich jedoch geringere Ausbeuten, welche stark von den Endgruppen oder den
Copolymeren der jeweils untersuchten Polysiloxane abhingen. Bemerkenswert ist, dass die
Depolymerisation auch auf handelsübliche Silikonprodukte wie Silikon-Backformen anwendbar ist.
Außerdem wurde das Protokoll in einem multimol Maßstab untersucht. Es gelang die
Depolymerisation und Polymerisation auch im großen Maßstab durchzuführen.
108 IV. Zusammenfassung
Anschließend wurde das Protokoll auf verzweigte bzw. vernetzte Polysiloxane erweitert. Die
verzweigten und vernetzten Polysiloxane konnten zuvor in sehr guten Ausbeuten synthetisiert und
mittels Festkörper-NMR charakterisiert werden. Anfänglich wurde die Methode an
Modellsubstraten studiert und nach erfolgreicher Umsetzung auf die jeweiligen Polymere
angewendet. Die erhaltenen Depolymerisationsprodukte konnten in moderaten Ausbeuten erhalten
werden, wobei eine Temperaturerhöhung um 20 °C mit einer Steigerung der Ausbeute einherging.
Anhand eines Nebenproduktes der Polysiloxansynthese [Poly(methylhydrosiloxan), PMHS]
konnte das Prinzip der Depolymerisation ebenfalls verdeutlicht werden. Zudem gilt PMHS selbst als
Reagenz mit dessen Hilfe Sulfoxide reduziert und Wasserstoff aus der Alkoholyse gewonnen werden
konnte. Ferner wurden Carbonsäureester mittels PMHS desoxygeniert, was Green Diesel als Produkt
zur Folge hatte. Das aus dem PMHS entstehende Polysiloxan konnte in einer darauffolgenden
Depolymerisation in seine monomeren Bestandteile überführt werden.
Abbildung 30: a) Depolymerisation von Poly(dimethylsiloxanen) mit BF3·OEt2 und b) Hydrodesoxygenierung mit gekoppelter Depolymerisation.
Die Hydrodesoxygenierung mit PMHS als Green Diesel und anschließender Depolymerisation der
entstehenden Polysiloxane bietet einen interessanten Beitrag zur Energiewirtschaft. Dieses Konzept
a)
b)
IV. Zusammenfassung 109
wurde weiterentwickelt, indem die dafür notwendigen Carbonsäureester aus natürlich
vorkommenden Triglyceriden stammten. Hierbei wurden aus dem Abfallprodukt Kaffeesatz die
entsprechenden Triglyceride extrahiert, im Zuge einer Umesterung zu Fettsäuremethylester
dargestellt und der Hydrodesoxygenierung mit gekoppelter Depolymerisation zur Verfügung
gestellt. Dabei konnten die aliphatischen Kohlenwasserstoffe (Green Diesel) in guten und die
Depolymerisationsprodukte in sehr guten Ausbeuten erhalten werden.
Abschließend wurde die Depolymerisation von Polysilazanen mit BF3·OEt2 untersucht. In
Experimenten an Modellsubstraten konnten die jeweiligen Produkte synthetisiert werden. Auch das
Polymer wurde in Monomere überführt und beweist die erfolgreiche Durchführung der
Depolymerisation auch an anderen Silicium-basierten Polymeren.
3.2. Synthese und Anwendung von Imidazol-Eisenkomplexen
Im weiteren Verlauf dieser Arbeit wurden Eisenkomplexe entwickelt, die auf Grundlage von
Imidazolen als Liganden beruhen. Für die Synthese wurde eine in der Arbeitsgruppe entwickelte
Methode verwendet, die zu dinuklearen Eisenkomplexen der Form ClFeL4OFeCl3 sollten.
Bei der Synthese mit Imidazol wurde widererwartend ein mononuklearer Eisenkomplex erhalten.
Erst mit der Verwendung von N-substituierten Imidazolen konnten die dinuklearen Eisenkomplexe
in guten Ausbeuten erhalten werden und mittels Einkristallröntgenstrukturanalyse charakterisiert.
Die synthetisierten dinuklearen Imidazol-Eisenkomplexe wurden anschließend als potenzielle
(Prä)katalysatoren getestet.
In ersten Studien wurden die Komplexe in der oxidativen C–C Kupplung von zwei nucleophilen
Grignard-Reagenzien verwendet. Dabei wurden in Experimenten anhand eines Modellsubstrates die
optimierten Reaktionsbedingungen ermittelt, wobei die besten Ergebnisse mit 0.1 mol%
Katalysatorbeladung bei einer Reaktionszeit von fünf Minuten erhalten wurden. Daraufhin galt der
weiteren Untersuchung die Toleranz der Reaktion bei Anwesenheit verschiedener funktioneller
Gruppen zu fokussieren. Es zeigte sich, dass die C–C Kupplung in Anwesenheit von Elektrophilen
überwiegend möglich ist. Allerdings war in Anwesenheit eines Ketons die Reaktion zweier
Nucleophile nicht durchführbar, wohingegen Carbonsäureamide, -ester, Nitrile, Mehrfachbindungen
oder Bromarylen die Kupplung nicht beeinflusste.
110 IV. Zusammenfassung
Abbildung 31: a) Komplexsynthese der Imidazol-Eisenkomplexe und b) deren katalytische Anwendung als (Prä)katalysatoren in der Oxidation von Olefinen sowie der oxidativen C–C Kupplung.
Im Anschluss daran wurde die Substratpalette erweitert, indem weitere Grignard-Reagenzien
verwendet wurden. Darunter waren sowohl Reagenzien mit sp2- und sp3-Hybridisierung. Die besten
Ausbeuten lieferten elektronenreiche aromatische Grignard-Verbindungen, wobei auch das
sp3-hybridisierte Grignard-Reagenz erfolgreich in moderaten Ausbeuten gekuppelt wurde. Die C–C
Kupplung einer sterisch abgeschirmten Grignard-Verbindung gelang jedoch nicht. Nach der
Homokupplung diverser Substrate stand die Kreuzkupplung zur Untersuchung an. Dabei konnte für
die Kupplung von zwei elektronenreichen aromatischen Grignard-Reagenzien die besten Umsätze
mit einer hohen Produktselektivität zum Kreuzkupplungsprodukt beobachtet werden. Unter
Verwendung von sp3-hybridisierten Grignard-Reagenzien nahm die Produktselektivität des
a)
b)
IV. Zusammenfassung 111
Kreuzkupplungsproduktes stark ab und zeigte eine hohe Tendenz zum Homokupplungsprodukt der
sp3-hybridisierten Grignard-Verbindung.
Darüber hinaus wurden die synthetisierten dinuklearen Imidazol-Eisenkomplexe in der Oxidation
von Olefinen untersucht. Hierbei konnte trans-Stilben in guten Ausbeuten zum Epoxid umgesetzt
werden.
Die fortlaufende Untersuchung beschäftigte sich mit der Modifikation der Imidazol-Eisenkomplexe.
Eine Substitution der Chloridoliganden mit Pseudohalogeniden wurde angestrebt. Die Durchführung
ergab eine Farbänderung der Reaktionslösung, wobei ein fundierter experimenteller Beweis noch
aussteht. Die Substitution der Imidazolliganden konnte mit Hilfe von 1,10-Phenanthrolin
bewerkstelligt werden, sodass ein Komplex der Form Cl2Fe(phen)LOFe(phen)L2Cl (L = subst.
Imidazol) isoliert werden konnte und in der C–C Kupplung und Oxidation von trans-Stilben
angewendet wurde.
Im weiteren Verlauf wurde die Komplexierung von L-Histidin Derivaten an Eisen angestrebt. Die
Komplexierungsversuche wurden durchgeführt und zeigten den erwarteten Habitus der Reaktion.
Allerdings konnte bis zu diesem Zeitpunkt kein Einkristall des Komplexes isoliert werden, sodass eine
eindeutige Charakterisierung der Spezies nicht möglich war.
Abschließend wurde versucht aus den Imidazol-Eisenkomplexen neue heterogene
Funktionsmaterialien für die Wasserspaltung zu synthetisieren. Die Synthese gelang mittels
Thermolyse der Komplexe in Gegenwart von Polyformamidin. Nach der Charakterisierung via
TEM/EDX, Elementaranalyse und ICP-OES wurden die Materialien in Wasserspaltung getestet.
Hierbei konnte eine kurzweilige Reaktivität festgestellt werden.
112 V. Experimenteller Teil
V. Experimenteller Teil
5.1. Allgemeines
1H-NMR-Spektren wurden mit den Geräten Avance II der Firma Bruker bei 200 MHz bzw. 400 MHz
aufgenommen. Die Spektren wurden, soweit nicht anders angegeben, bei Raumtemperatur
aufgenommen. Die Lösungsmittel sind für die jeweiligen Substanzen vermerkt. Die chemischen
Verschiebungen sind als dimensionslose -Werte in ppm mit einer Genauigkeit von 0.01 relativ zum
internen Lösungsmittelpeak angegeben. In Klammern sind die Signalmultiplizität, die durch
elektronische Integration ermittelte Protonenzahl und die Kopplungskonstanten J in Hz angegeben.
Die Multiplizitäten sind wie folgt gekennzeichnet: s (Singulett), d (Dublett), dd (Dublett von Dublett),
t (Triplett), q (Quartett), sept (Septett), m (Multiplett), br (breites Singulett). Der Zusatz Ar bezieht
sich auf aromatische und DB auf Protonensignale einer Doppelbindung.
13C-NMR-Spektren wurden mit dem Spektrometern Avance II der Firma Bruker bei 50 MHz bzw.
100 MHz aufgenommen. Die Lösungsmittel sind für die jeweiligen Substanzen vermerkt. Die
Spektren wurden 1H-breitbandentkoppelt ( {1H} ) und, soweit nicht anders angegeben, bei
Raumtemperatur aufgenommen. Die chemischen Verschiebungen sind als dimensionslose -Werte
in ppm mit einer Genauigkeit von 0.1 angegeben. Die Multiplizitäten wurden durch DEPT-135
ermittelt und wie folgt angegeben: Cq, CH, CH2, CH3. Der Zusatz Ar bezieht sich auf aromatische und
DB auf Kohlenstoffatome einer Doppelbindung.
2D-NMR-Spektren (COSY, HMQC, HMBC) wurden mit den Spektrometern Avance II der Firma Bruker
aufgenommen. Die Spektren wurden, soweit nicht anders angegeben, bei Raumtemperatur
aufgenommen.
Heteroatom-NMR-Spektren wurden mit den Spektrometern Avance II der Firma Bruker
aufgenommen. Die Spektren wurden, soweit nicht anders angegeben, bei Raumtemperatur
aufgenommen. 19F-NMR-Spektren wurden bei 188 MHz aufgenommen. 29Si-NMR-Spektren wurden
1H-breitbandentkoppelt ( {1H} ) und bei 40 MHz mittels INEPT-Verfahren aufgenommen.
V. Experimenteller Teil 113
31P-NMR-Spektren wurden 1H-breitbandentkoppelt ( {1H} ) und bei 81 MHz aufgenommen. In
Klammern sind die Signalmultiplizität und die Kopplungskonstanten J in Hz angegeben. Die
Multiplizitäten sind wie folgt gekennzeichnet: s (Singulett), d (Dublett), t (Triplett), dt (Dublett von
Triplett), q (Quartett), dq (Dublett von Quartett), ddq (Dublett von Dublett von Quartett), sept
(Septett), dsept (Dublett von Septett), dec (Dezett), ddec (Dublett von Dezett).
Festkörper-NMR-Spektren wurden mit dem Spektrometer Avance 400 MHz Solid State der Firma
Bruker aufgenommen. Die Spektren wurden, soweit nicht anders angegeben, bei Raumtemperatur
aufgenommen. Die untersuchten Kerne 1H, 13C und 29Si wurden bei einer Frequenz von 400 MHz,
100 MHz bzw. 80 MHz gemessen, wobei die 13C- und 29Si-Spektren 1H-breitbandentkoppelt ( {1H} )
aufgenommen wurden. Die Messungen wurden von Angestellten der TU Berlin durchgeführt.
IR-Spektren wurden mit den FTIR-Spektrometern PerkinElmer Spectrum 100 FT-IR als KBr-Pressling
und Nicolet Magna 750 als ATR (Attenuated Total Reflectance) aufgenommen. Die Lage der Banden
ist in Wellenzahlen (cm-1) angegeben. Die Intensitäten wurden relativ zum stärksten Peak (100%)
wie folgt gekennzeichnet: vs (sehr stark), s (stark), m (mittel), w (schwach), br (breit). Die
Messungen mit ATR-Messtechnik wurden von Angestellten der TU Berlin durchgeführt.
EI-MS- und HR-MS-Spektren wurden auf dem Spektrometer Finnigan MAT 95S aufgenommen. Die
Ionisierung der Proben erfolgte durch Elektronenstoß (EI) bei 70 °C und einem Ionisierungspotential
von 70 eV. Die relativen Signalintensitäten sind in Prozent bezogen auf das intensivste Signal (100%)
angegeben. Die Messungen wurden von Angestellten der TU Berlin durchgeführt.
ESI-MS- und APCI-MS-Spektren wurden auf einem LTQ Orbitrap XL von Thermo Scientific
aufgenommen. Die Ionisierung erfolgte bei 5 kV durch Elektronenspray-Ionisierung oder chemischer
Ionisation bei Atmosphärendruck. Die Proben wurden in Acetonitril oder Isopropanol gelöst. Bei
Messungen über den Autosampler galten folgende Bedingungen: MeOH + 0.1% HCOOH, Flussrate
200 μl/min. Bei Messungen mittels Direkteinspritzung betrug die Flussrate 5 μL/min. Die Messungen
wurden von Angestellten der TU Berlin durchgeführt.
Schmelzpunkte wurden mit einem SMP30 der Firma Stuart bestimmt und sind nicht korrigiert.
114 V. Experimenteller Teil
GC-MS-Messungen wurden an einem Gas-Chromatographen GC-2010 gekoppelt an einem
Massenspektrometer des Typs GCMS-QP2010 der Firma Shimadzu durchgeführt. Als Säule wurde
eine Restek Rxi 5 ms, 30 m x 0.25 mm mit Helium als Trägergas verwendet.
CHN-Analysen (Elementaranalysen) wurden von Angestellten der Technischen Universität Berlin an
einem Thermo FlashEA 1112 Organic Elemental Analyzer durchgeführt.
UV/Vis-Spektren wurden an einem Specord S600 der Firma Analytik Jena durchgeführt. Für die
Messungen wurden 1 cm Quarzküvetten verwendet.
Einkristallröntgenstrukturanalysen wurden am Chemischen Institut der Technischen Universität
Berlin von Frau Paula Nixdorf durchgeführt. Dazu wurden die Einkristalle in perfluoriertem Öl auf
einer Glaskapillare befestigt und in einem kalten Stickstoffstrom vermessen. Die Aufnahme der
Daten erfolgte an einem SuperNova X-ray Diffraction System der Firma Agilent Technologies bei
150 K mit Spiegelmonochromator (Cu-Kα-Strahlung, λ = 1.54184 Å). Die Strukturen wurden mit der
direkten Methode gelöst und mit Hilfe des SHELX-97 Softwarepakets gegen F2 verfeinert.[179]
Nicht-Wasserstoffatome wurden anisotrop verfeinert. Die Position der Wasserstoffatome wurde in
geometrisch optimierten Positionen berechnet und die Verfeinerung wurde isotrop durchgeführt.
Die Kontrolle der Rechnungen und Berechnung von Fehlordnungen wurden von Frau Dr. Elisabeth
Irran übernommen.
Röntgenpulverdiffraktogramme wurden an einem X‘PERT Pro PANalytical aufgenommen. Die
Messungen wurden von Mitarbeitern des Arbeitskreises Lerch an der Technischen Universität
Berlin durchgeführt.
TEM- sowie EDX-Untersuchungen wurden mit einem Tecnai G² 20 S-TWIN der Firma FEI
durchgeführt. Die Messungen wurden am ZELMI der Technischen Universität Berlin von Frau Dr.
Caren Göbel durchgeführt.
V. Experimenteller Teil 115
ICP-OES-Messungen wurden mit einer ICP-OES 715 ES der Firma Varian durchgeführt. Dazu wurden
jeweils 5 mg einer Probe für die Eisengehaltsbestimmung in 20 mL HCl-Lösung (1 M) 2 Tage gerührt.
Die Messungen wurden von Angestellten der TU Berlin durchgeführt.
Inertreaktionen wurden mittels Schlenktechnik unter Stickstoffatmosphäre mit getrockneten und
entgasten Lösungsmitteln durchgeführt. Für besonders luft- und feuchtigkeitsempfindliche
Reaktionen wurde der Ansatz in Gloveboxen der Firma MBraun durchgeführt. Als Inertgas diente
über Phosphorpentoxid getrockneter Stickstoff.
Säulenchromatographie wurde mit Kieselgel der Firma Acros Organics (Korngröße 0.04-0.06 mm)
durchgeführt. Als Eluenten wurden die jeweils angegebenen Lösungsmittel verwendet.
Dünnschichtchromatogramme wurden auf Aluminiumfolien mit Fluoreszenzindikator 254 der Firma
Merck (Kieselgel, Merck 60 F254 Platten, Schichtdicke 0.2 mm) angefertigt. Zur Auswertung erfolgte
nach UV-Detektion (λ = 254 nm) das Anfärben mit Kaliumpermanganatlösung.
Lösungsmittel (Diethylether, Dichlormethan, Toluol, n-Hexan und THF) wurden über eine
Lösungsmitteltrocknungsanlage der Firma MBraun mit entsprechenden Trockensäulen geleitet. Das
entnommene Lösungsmittel wurde über Molsieb (3 oder 4 Å) in einer Stickstoffatmosphäre gelagert.
Bei Bedarf wurden die Lösungsmittel mittels freeze-pump Verfahren entgast. Desweiteren wurde
durch Erhitzen unter Rückfluss in Umlaufapparaturen mit den entsprechenden Trocknungsmitteln
absolutiert (n-Hexan, Toluol und THF über Natrium/Benzophenon; Acetonitril und Dichlormethan
über Calciumhydrid), destilliert und über Molsieb gelagert. Deuterierte Lösungsmittel wurden in
Analogie zu den herkömmlichen Lösungsmitteln getrocknet und aufbewahrt.
Technische Gase (O2, N2O, NH3) wurden aus handelsüblichen Druckgasflaschen mittels
Reduzierventils entnommen und über Phosphorpentoxid getrocknet.
Chemische Namen wurden mit CambrigeSoft ChemBioDraw Ultra 11.0 nach ChemDraw-
Nomenklatur erstellt. Sie entsprechen der Beilstein-Nomenklatur und wurden der deutschen Norm
angepasst.
116 V. Experimenteller Teil
5.2. Versuchsvorschriften und spektroskopische Daten
Allgemeine Vorschrift zur Durchführung der Depolymerisation
A) mit Eisen(III)chlorid und Benzoylfluorid:
In einem 10 mL Rundkolben wurden das Polymer (1.0 eq.) und das Eisen(III)chlorid (1.0 mol%)
vorgelegt und mit einer Vigreux-Kolonne und Destillationsapparatur verbunden. Anschließend
wurde der Auffangkolben auf -78 °C gekühlt und Benzoylfluorid (2.5 eq.) über den
Destillationsaufsatz langsam zugegeben. Das Reaktionsgemisch wurde 1 h bei 130 °C
(Ölbadtemperatur) gerührt und die Depolymerisationsprodukte nach kontinuierlicher Destillation als
farblose Flüssigkeit (Produktgemisch) erhalten.
B) mit Bortrifluoridetherat:
In einem 10 mL Rundkolben wurde das Polymer (1.0 eq.) vorgelegt und mit einer Vigreux-Kolonne
und Destillationsapparatur verbunden. Anschließend wurde der Auffangkolben auf -78 °C gekühlt
und Bortrifluoridetherat (0.3-2.0 eq.) über den Destillationsaufsatz langsam zugegeben. Das
Reaktionsgemisch wurde 1 h bei 130 °C (Ölbadtemperatur) gerührt und die
Depolymerisationsprodukte nach kontinuierlicher Destillation als farblose Flüssigkeit
(Produktgemisch) erhalten.
5.2.1. Vorschriften zu Kapitel 3.1.1. bis 3.1.3.: Depolymerisationsprodukte von
Poly(alkylsiloxanen) und Produkte nach anschließender Polymerisation
Difluordimethylsilan (37)
Nach der Allgemeinen Vorschrift zur Durchführung der Depolymerisation A wurden
1.00 g Hydroxyl-terminiertes Poly(dimethylsiloxan) 35 (13.5 mmol entspricht
monomere Einheit, 1.0 eq., Mn ~550 g/mol) und 22.0 mg FeCl3 (135 μmol je
V. Experimenteller Teil 117
monomere Einheit, 1.0 mol%) vorgelegt und mit 4.19 g Benzoylfluorid (33.8 mmol je monomere
Einheit, 2.5 eq.) versetzt. Nach kontinuierlicher Destillation wurde das Produktgemisch aus 37 und
38 via 1H-NMR Spektroskopie untersucht und die Ausbeute von 37 mit 1.08 g (11.2 mmol, 83%)
berechnet.
Nach der Allgemeinen Vorschrift zur Durchführung der Depolymerisation B wurden 1.00 g