1 DAS MANAGEMENT DES POLYTRAUMAS ALLGEMEINES DEFINITION „Polytrauma“: • Gleichzeitige Verletzungen mehrerer (mindestens 2 Körperregionen, davon muss mindestens 1 Verletzung oder die Kombination lebensbedrohlich sein. Abzugrenzen von der: • Mehrfachverletzung ohne vitale Bedrohung und der • schweren, lebensbedrohlichen Einzelverletzung EPIDEMIOLOGIE: • Die jüngeren Patienten erleiden ein Polytrauma, die älteren sterben daran häufiger. LETALITÄT beim Polytrauma: • Frühletalität: bedingt durch Blutung und SHT (Schädel-Hirn-Trauma) • Spätletalität: durch Sepsis und MOV (Multi-Organ-Versagen) AM NOTFALLORT ÜBERBLICK AM NOTFALLORT: • Wie viele Verletzte gibt es? • Wer ist von den Verletzten am meisten gefährdet? (oft schreit nicht der Patient am lautesten, der die Behandlung am dringendsten braucht!) • Wird Verstärkung der Einsatzkräfte benötigt? (2. Notarzt, zusätzl. Rettungswagen, Feuerwehr, Bahnbedienstete zum Abschalten der Oberleitung, …..) VERDACHT AUF POLYTRAUMATISIERUNG: • Sturz aus mehr als 3 m Höhe • Herausschleudern aus dem Unfallfahrzeug • Tod eines anderen Pkw-Insassen • Fußgänger oder Radfahrer angefahren • Motorrad oder Autounfall mit hoher Geschwindigkeit • Starke Fahrzeugdeformität • Einklemmung • Verschüttung • Explosionsverletzung BODY-CHECK (Inspektion, Palpation, evtl. Perkussion und Auskultation): • Kopf (GCS, Pupillen, Instabilitäten im Gesichtsschädel, offene Wunden,…) • Halswirbelsäule (Druckschmerzen, aktive Beweglichkeit, • Motorik und Sensibilität peripher – Neurologie!, evtl. Priapismus, ...) • BWS und LWS (idem) • Thorax (Atembewegungen, Instabilitäten, Deformitäten, Hautemphysem, • Einflussstauung, Wunden, ...) • Abdomen (Abwehrspannung, angezogene Beine, äußerliche Verletzungszeichen, ...) • Becken (Instabilitäten, Prellmarken,…) • Extremitäten (abnorme Beweglichkeit der langen Röhrenknochen, Stabilität der großen Gelenke, Wunden, herausragende Knochenanteile, Amputationen…)
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DAS MANAGEMENT DES POLYTRAUMAS ALLGEMEINES DEFINITION „Polytrauma“: • Gleichzeitige Verletzungen mehrerer (mindestens 2 Körperregionen, davon muss mindestens
1 Verletzung oder die Kombination lebensbedrohlich sein. Abzugrenzen von der: • Mehrfachverletzung ohne vitale Bedrohung und der • schweren, lebensbedrohlichen Einzelverletzung EPIDEMIOLOGIE: • Die jüngeren Patienten erleiden ein Polytrauma, die älteren sterben daran häufiger. LETALITÄT beim Polytrauma: • Frühletalität: bedingt durch Blutung und SHT (Schädel-Hirn-Trauma) • Spätletalität: durch Sepsis und MOV (Multi-Organ-Versagen) AM NOTFALLORT ÜBERBLICK AM NOTFALLORT: • Wie viele Verletzte gibt es? • Wer ist von den Verletzten am meisten gefährdet? (oft schreit nicht der Patient am lautesten, der
die Behandlung am dringendsten braucht!) • Wird Verstärkung der Einsatzkräfte benötigt? (2. Notarzt, zusätzl. Rettungswagen, Feuerwehr,
Bahnbedienstete zum Abschalten der Oberleitung, …..) VERDACHT AUF POLYTRAUMATISIERUNG: • Sturz aus mehr als 3 m Höhe • Herausschleudern aus dem Unfallfahrzeug • Tod eines anderen Pkw-Insassen • Fußgänger oder Radfahrer angefahren • Motorrad oder Autounfall mit hoher Geschwindigkeit • Starke Fahrzeugdeformität • Einklemmung • Verschüttung • Explosionsverletzung BODY-CHECK (Inspektion, Palpation, evtl. Perkussion und Auskultation):
• Kontrolle der Vitalparameter • Atemwege • Atmung • Kreislauf • Ggf. Notfallintubation unter HWS-Stabilisierung • Ggf. Reanimation
BRAVO 5 Minuten
• HWS-Immobilisationsschiene • Sauerstoffapplikation (10 l/min) • Volumentherapie (1000 ml kristalline Lösung über 2 großlumige periphere Venenzugänge)
CHARLIE 15 Minuten
• Beurteilung des Verletzungsmusters • Analgesie, Sedierung • Frühintubation und Beatmung • Anlage einer Thoraxdrainage • Lagerung • Immobilisation • Transport
Bei korrekter Anwendung des Algorithmus können sowohl eine zeitaufwendige Übertherapie als auch eine unzureichende Regelversorgung vermieden werden. INDIKATION ZUR INTUBATION • Störungen der Atmung (Hypoxie, respiratorisch gestörte Funktion mit SO2 < 90%, Atemfrequenz
<10 oder >29) • Eingeschränktes Bewusstsein (GCS <9) • Aspirationsschutz (gegen Mageninhalt und Blut) bei Verminderung der Schutzreflexe • Hohe Gesamtverletzungsschwere, wenn Begleitverletzungen vorliegen, die eine Verschlechterung
der Bewusstseinslage/Spontanatmung befürchten lassen (z. B. Polytrauma, schweres Thorax-, Abdominal-, oder SHT, schwere Mittelgesichtsverletzung, hoher Querschnitt)
• Großzügige Indikation bei Lufttransporten (mangelnde Interventionsmöglichkeit während des Transportes)
• Inhalationstrauma INDIKATION ZUR THORAXDRAINAGE • Fehlendes oder abgeschwächtes Atemgeräusch (nach Überprüfung der Tubuslage) • Verdacht auf Spannungspneumothorax bei unklarem Blutdruckabfall • Hohe Beatmungsdrucke • Instabiler Thorax bei Rippenserienfrakturen • Hautemphysem (sicherstes klinisches Zeichen – tastbares Knistern der Haut) • Großzügige Indikation bei Lufttransporten
Therapie EXTREMITÄTENTRAUMA: • Dokumentation von Durchblutung, Motorik und Sensibilität • Reposition von Luxationen und dislozierten Frakturen durch axialen Zug, Ausnahme:
Hüftgelenk; keine mehrfachen Repositionsversuche bei Repositionshindernis ! • Schienung der Frakturen und verletzten Gelenke (inklusiver angrenzender Gelenke) • Steriles Abdecken offener Knochen- und Gelenkverletzungen (OP-Site-Folie) • Mitnahme von Amputaten zur Replantation oder Autotransplantation
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„GOLDEN HOUR OF SHOCK“ • Volumen! (mind. 2000ml/30 Minuten bei RR syst. < 80mmHg) • Medikamente (Katecholamine) sind Notlösungen • Kolloidale Infusionen (HAES etc.) haben 3x mehr Effekt als kristalloide Infusionen, stören aber die
Blutgerinnung WAS WANN TUN? LOAD AND GO? versus STAY AND PLAY? • unmittelbar lebensbedrohliche Zustände sofort behandeln (Schock, Pneumothorax, Herz-
Kreislaufstillstand) • Intubation entsprechend der Situation frühzeitig! • Ausreichende Infusions- und Volumentherapie • abnorm verformte Extremitäten gerade richten und lagern (Vakuummatratze) • Polytraumatisierte Patienten in ein geeignetes Trauma-Zentrum bringen • verzögerte präklinische Behandlungs- und lange Verweildauer führen unweigerlich zur negativen
Beeinflussung des Outcomes • Rechtzeitige und möglichst genaue Vorankündigung im Zielkrankenhaus ZUR KUNST DER ÄRZTLICHEN ENTSCHEIDUNGSFINDUNG: • Beurteilung der eigenen Erfahrung: je mehr Eigenerfahrung, desto weniger benötigt man die
medizinische Wissenschaft • Beurteilung der Art der medizinischen Fragestellung: ist die Frage überhaupt geeignet, durch
Eigenerfahrung beantwortet zu werden oder muss man sich auf die medizinische Wissenschaft verlassen?
ZUM NACHDENKEN: • Ein Patient, der wegen eines Zeitverlustes von wenigen Minuten den Transport nicht überlebt, hat
mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch keine Chance in der Klinik! • Die Anfahrt zum Einsatzort und die Einlieferung ins Spital müssen unter geordneten Umständen
erfolgen, damit Patient und Notarztteam, ohne Schaden zu nehmen, das geplante Zielkrankenhaus erreichen können!
• ANHANG: TÖDLICHE SPIRALE DES SCHOCKGESCHEHENS - VERBRAUCHSKOAGULOPATHIE: