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6 Das Jesuswort der zwei Wege im Epilog der Bergpredigt (Mt 7,13-14 par. Lk 13,23-24) Tradition und Redaktion Matthäus 7,13-27 bietet im Rahmen der Bergpredigt eine Sammlung von Je- susworten. Ihr vorliegender Wortlaut und Kontext sind das Endresultat eines längeren Traditionsprozesses, der ungefähr um 80 A.D. seine endgültige Fixie- rung gefunden hat. Ist es möglich, ausgehend von dieser jüngsten Über- lieferungsschicht, in die ältere Traditionsschichten durchzudringen und die äl- teste Schicht der ipsissima verba Jesu zu rekonstruieren? Mit welchen lite- rarischen Methoden können wir dieses Ziel erreichen? Welche Kriterien stehen uns zur Verfügung, um die traditionellen Jesusworte von ihrem redaktionellen Rahmen loszulösen und ihren ursprünglichen Wortlaut zu rekonstruieren? Wir werden erst die Abgrenzung des betreffenden Perikope vornehmen (I). Dann folgt eine synchrone Analyse des Abschnittes (II). Das Schwergewicht unserer Untersuchung wird im dritten Teil auf einer diachronen, d.h. einer tradi- tionsgeschichtlichen, bzw. quellenkritischen Analyse von Mt 7,13-14 liegen (III). Viertens folgen dann einige methodologische Schlussfolgerungen allge- meiner Art (IV). I. Mt 7,13-27 eine literarische Einheit Dass der Abschnitt Mt 7,13-27 eine literarische Einheit bildet, wird an seiner relativen Selbständigkeit gegenüber den vorhergehenden (7,12) und folgenden (7,28-29) Äußerungen deutlich. 1. Die Abgrenzung von Mt 7,27 und 7,28-29 lässt sich problemlos nachwei- sen. Mt 7,27 gehört zum Gleichnis vom Hausbau (7,24-27), dessen Sprecher Jesus ist und dessen Adressaten die Jünger bzw. die Scharen sind (vgl. 5,1). Die Verse 7,28-29 dagegen formen den Abschluss der Bergpredigt. Hier spricht nicht mehr Jesus, sondern der Evangelist, und nicht die Jünger, sondern die Leser des Evangeliums werden angesprochen. Zusammen mit Mt 5,1-2, bildet Mt 7,28-29 also den Rahmen, mit dem der Evangelist die eigentliche Sammlung von Jesusworten, die Bergpredigt, einleitet und abschließt. 2. Die Abgrenzung nach vorn bietet mehr Schwierigkeiten. Das Wort von der engen Pforte (7,13-14) hat keine eigene Einleitungsformel. Es schließt sich unmittelbar an die goldene Regel (7,12) an. Abgesehen von dem neuen Inhalt
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Das Jesuswort der zwei Wege im Epilog der Bergpredigt (Mt 7,13-14 par. Lk 13,23-24) Tradition und Redaktion

Jan 29, 2023

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Sophie Dufays
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Page 1: Das Jesuswort der zwei Wege im Epilog der Bergpredigt (Mt 7,13-14 par. Lk 13,23-24) Tradition und Redaktion

6

Das Jesuswort der zwei Wege im Epilog der Bergpredigt

(Mt 7,13-14 par. Lk 13,23-24)

Tradition und Redaktion

Matthäus 7,13-27 bietet im Rahmen der Bergpredigt eine Sammlung von Je-

susworten. Ihr vorliegender Wortlaut und Kontext sind das Endresultat eines

längeren Traditionsprozesses, der ungefähr um 80 A.D. seine endgültige Fixie-

rung gefunden hat. Ist es möglich, ausgehend von dieser jüngsten Über-

lieferungsschicht, in die ältere Traditionsschichten durchzudringen und die äl-

teste Schicht der ipsissima verba Jesu zu rekonstruieren? Mit welchen lite-

rarischen Methoden können wir dieses Ziel erreichen? Welche Kriterien stehen

uns zur Verfügung, um die traditionellen Jesusworte von ihrem redaktionellen

Rahmen loszulösen und ihren ursprünglichen Wortlaut zu rekonstruieren? Wir

werden erst die Abgrenzung des betreffenden Perikope vornehmen (I). Dann

folgt eine synchrone Analyse des Abschnittes (II). Das Schwergewicht unserer

Untersuchung wird im dritten Teil auf einer diachronen, d.h. einer tradi-

tionsgeschichtlichen, bzw. quellenkritischen Analyse von Mt 7,13-14 liegen

(III). Viertens folgen dann einige methodologische Schlussfolgerungen allge-

meiner Art (IV).

I. Mt 7,13-27 eine literarische Einheit

Dass der Abschnitt Mt 7,13-27 eine literarische Einheit bildet, wird an seiner

relativen Selbständigkeit gegenüber den vorhergehenden (7,12) und folgenden

(7,28-29) Äußerungen deutlich.

1. Die Abgrenzung von Mt 7,27 und 7,28-29 lässt sich problemlos nachwei-

sen. Mt 7,27 gehört zum Gleichnis vom Hausbau (7,24-27), dessen Sprecher

Jesus ist und dessen Adressaten die Jünger bzw. die Scharen sind (vgl. 5,1). Die

Verse 7,28-29 dagegen formen den Abschluss der Bergpredigt. Hier spricht

nicht mehr Jesus, sondern der Evangelist, und nicht die Jünger, sondern die

Leser des Evangeliums werden angesprochen. Zusammen mit Mt 5,1-2, bildet

Mt 7,28-29 also den Rahmen, mit dem der Evangelist die eigentliche Sammlung

von Jesusworten, die Bergpredigt, einleitet und abschließt.

2. Die Abgrenzung nach vorn bietet mehr Schwierigkeiten. Das Wort von

der engen Pforte (7,13-14) hat keine eigene Einleitungsformel. Es schließt sich

unmittelbar an die goldene Regel (7,12) an. Abgesehen von dem neuen Inhalt

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und von der Formänderung (bildhafte Warnung statt weisheitliche Erfahrungs-

regel), enthält das Wort Mt 7,13-14 keine Indizien dafür, dass es den Anfang

einer neuen literarischen Einheit bilden könnte. Trotzdem zeigen der Platz und

die Funktion der goldenen Regel im Ganzen der Bergpredigt, dass es zwischen

7,12 und 7,13 eine Zäsur gibt, und dass demzufolge 7,13-14 der Beginn eines

neuen Abschnittes ist, den man als Epilog der Bergpredigt bezeichnen könnte.

Ohne hier eine detaillierte Beweisführung bringen zu können, nehmen wir mit

mehreren Autoren an, dass die goldene Regel (Mt 7,12 par. Lk 6,31) ein Q-

Logion ist, das Lk im ursprünglichen Kontext bewahrt hat und Mt nachgestellt

hat1. In seiner Studie über das Gesetzesverständnis des Matthäus hat G. Barth

auf die wichtige Funktion des Verses 7,12 im Gesamtaufbau und in der Bedeu-

tung der matthäischen Version der Bergpredigt hingewiesen2. Der Evangelist ist

zwar von der bleibenden Gültigkeit des Gesetzes überzeugt, aber zugleich auch

von ihrer Unterordnung unter das Liebesgebot. Diese Überzeugung zeigt sich

am Anhang an Mt 22,40 («In diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz

und die Propheten») zur markinischen Perikope über das Hauptgebot (Mk

12,28-34), und an der matthäischen Bearbeitung der zwei Sabbatperikopen Mk

2,23-28 und 3,1-6. Auch in der Bergpredigt bringt Mt dieselbe Überzeugung

zum Ausdruck. Schon in Q fungierte die goldene Regel als Konklusion der Lo-

gien über das Liebesgebot (vgl. Lk 6,27-31). Mt stellt das Logion nach (7,12).

Durch die redaktionelle Zufügung «denn dies ist das Gesetz und die Propheten»

(7,12b)3

bringt er eine literarische Inklusion mit 5,17 ff.4 zustande. Auf diese

Weise gliedert Mt die Bergpredigt in drei Teile: Exordium (5,3-16), Korpus

1 Cf. H.J. HOLTZMANN, Synoptiker, Tübingen/Leipzig, 31901, p. 61; M.-J. LAGRANGE, Mat-

thieu, Paris, 21923, p. 149; A. LOISY, Les Évangiles synoptiques, T. 1, Ceffonds, 1907, p.

643; T. SOIRON, Die Logia Jesu, Münster, 1916, p. 32 f.; A.H. M’NEILE, Matthew, London,

1915 (=1961), p. 93; T.W. MANSON, The Sayings of Jesus, London, 1949, p. 50; J.

SCHNIEWIND, Matthäus, Göttingen, 1964, p. 96; E. SCHWEIZER, Matthäus, Göttingen, 1976,

p. 110; H. SCHÜRMANN, Lukas. T. 1., Freiburg, 1969, pp. 350-351; S. SCHULZ, Q. Die

Spruchquelle der Evangelisten, Zürich, 1972, p. 121; I.H. MARSCHALL, Luke, Exeter, 1978, p.

261; V. TAYLOR, The Original Order of Q, in A.J.B. HIGGINS (ed.), New Testament Essays in

Memory of T.W. Manson, Manchester, 1959, pp. 246-269, bes. pp. 250-251.

2 Cf. G. BARTH, Das Gesetzesverständnis des Evangelisten Matthäus, in G. BORNKAMM, G.

BARTH, J. HELD (Hrsg.), Überlieferung und Auslegung im Matthäusevangelium, Neukirchen,

1965, pp. 54-154, bes. 68.74-75.

3 Für einen redaktionellen Zusatz halten Mt 7,12b: M.J. LAGRANGE, Matthieu, 1923, p. 149, R.

BULTMANN, Geschichte der synoptischen Tradition (FRLANT 12), Göttingen, 61964, p. 93;

J. DUPONT, Les Béatitudes. T. 1, Paris, 1969, p. 173, Anm. 1; G. STRECKER, Der Weg der

Gerechtigkeit (FRLANT, 82), Göttingen, 21966, p. 135; W. TRILLING, Das wahre Israel

(SANT, 10), München, 31964, p. 135, S. SCHULZ, Q (Anm. 1), p. 139.

4 Über die «stilistische Klammer», ein geliebtes Stilmittel des Matthäus, siehe M.-J.

LAGRANGE, Matthieu, 1923, p. LXXXI; B.C. BUTLER, The Originality of St. Matthew, Cam-

bridge, 1951, pp. 150-151; J.C. FENTON, Inclusio and Chiasmus in Matthew, in Studia Evan-

gelica 1 (TU, 73), Berlin, 1959, pp. 174-179; J. STAUDINGER, Die Bergpredigt, Wien, 1957,

p. 225, Anm. 12; E. MAYENCE, La parole de Jésus sur le serment (Mt 5,33-37; Jc 5,1) (Diss.

doct. théol.), Löwen, 1965, pp. 171-175. J. RADERMAKERS, Au fil de l’évangile selon saint

Matthieu. 1. Texte, Bruxelles, 1974, bietet in seiner Übersetzung die Möglichkeit, eine ex-

haustive Liste der stilistischen Klammern in Mt zusammenzustellen.

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DAS JESUSWORT DER ZWEI WEGE IM EPILOG DER BERGPREDIGT

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(5,17-7,12), und Epilog (7,13-27). Durch die Inklusion 5,17/7,12 will Mt die

einzelnen konkreten Weisungen der Bergpredigt im Lichte des Liebesgebotes

interpretieren. Dies ist der Grund und das geheime Ziel aller Gebote. Mt 7,12

schließt also passend den Korpus der Bergpredigt ab. Mt 7,13 markiert den neu-

en Anfang einer literarischen Einheit, die bis 7,27 durchläuft. Mt 7,13-27 bringt

die Schlussmahnungen zum Tun des so gezeigten Willen Gottes. Diese Struktur

scheint uns der Absicht des ersten Evangelisten besser gerecht zu werden als

andere vorgeschlagene Einteilungsversuche5.

II. Synchrone Analyse von Mt 7,13-27

1. Aufbau

Obwohl Mt 7,13-27 eine literarische Einheit bildet, weist diese Perikope doch

eine innere Gliederung auf. Man kann, noch vor jeder diachronen Analyse, auf

Grund literarischer und sachlicher Indizien den Abschnitt in vier kleinere Ein-

heiten aufteilen, die jeweils paarweise zusammen gehören:

I. Die notwendige Wahl (7,13-20)

A. 1. 7,13-14: Von den zwei Wegen

B. 2. 7,15-20: Echte und falsche Propheten

II Die eschatologische Konsequenz (7,21-27)

B’ 3. 7,21-23: Echte und falsche Charismatiker

A’ 4. 7,24-27: Gleichnis von den zwei Häusern6.

Wir geben dieser Gliederung den Vorzug gegenüber der Dreiteilung 7,13-

14, 7,15-23, 7,24-27 oder gegenüber der Zäsur zwischen 7,13-23 und 7,24-277.

Mt 7,13-14 und 7,15-20 gehören formal und inhaltlich zusammen. Beide Ein-

heiten beginnen mit einer Warnung in der Imperativform. In beiden Fällen folgt

5 Sehen Mt 7,13-27 als eine Einheit: die Kommentare von M’NEILE, J. RADERMAKERS, P.

HOFFMANN, Die bessere Gerechtigkeit. Auslegung der Bergpredigt III, in BibLeb 10 (1969)

175-189, bes. 175-176. P. GAECHTER, Matthäus, Innsbruck, 1963, z. St.; W. GRUNDMANN,

Matthäus, Berlin, 1968, z. St., und E. SCHWEIZER, Matthäus, 1976, z. St., betrachten Mt 7,13-

23 als eine Einheit und Mt 7,24-27 als den Abschluss der ganzen Bergpredigt. P.S. MINEAR,

False Prophecy and Hypocrisy in the Gospel of Matthew, in J. GNILKA (ed.), Neues Testa-

ment und Kirche. Fs. R. Schnackenburg, Freiburg/Basel/Wien, 1974, pp. 76-93, bes. pp. 85-

86: Mt 5,1-10 entspricht Mt 7,15-27 und ist für die bestimmt; Mt 5,11-16 entspricht Mt

7,12-14 und ist für die bestimmt.

6 Eine vierteilige Gliederung Mt 7,13-14.15-20.21-23.24-27 nehmen die Mt-Kommentare an

von M.-J. Lagrange, J. Schmid und J. Radermakers; J. STAUDINGER, Bergpredigt (Anm. 4),

pp. 226ff.; G. STRECKER, Der Weg der Gerechtigkeit (Anm. 3), pp. 137-138, Anm. 4; und W.

TRILLING, Amt und Amtsverständnis bei Matthäus, in Mélanges Bibliques Fs B. Rigaux,

Gembloux, 1970, pp. 29-44, bes. 35. Eine dreiteilige Gliederung Mt 7,13-14.15.23.24-27

nehmen A.H. M’NEILE, Matthew, pp. 93ff.; M.D. GOULDER, Midrash and Lection in Mat-

thew, London, 1974, p. 269 an.

7 Cf. Anm. 5 und 6.

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eine Explikation: eine Begründung (7,13b-14) und ein Kriterium, um falsche

von wahren Propheten zu unterscheiden (7,16-20). Die Einheit 7,15-20 wird

deutlich durch die literarische Inklusion von 7,16a/20 markiert. Das heißt: man

wird 7,21-23 als eine neue Einheit sehen können. Ob man daraus die Folgerung

ziehen darf, dass es sich in 7,21-23 nicht um dieselben Leute handelt wie in

7,15-20, ist nicht sicher. Denn vielleicht muss Mt 7,13-27 als ein Chiasmus ge-

sehen werden (ABB’A’). A und A’ würden sich in diesem Fall auf alle Christen

beziehen, während B und B’ sich in dem Fall an eine bestimmte Gruppe in der

Gemeinde richten.

Liegt in 7,13-14 und 7,15-20 das Schwergewicht der Aussage auf dem ak-

tuellen Tun, auf der Notwendigkeit einer Wahl zwischen zwei Lebenshal-

tungen im Rahmen der Geschichte, so liegt es in 7,21-23 und in 7,24-27 auf

dem zukünftigen eschatologischen Gericht. Mt 7,21-23 beschreibt in einem

Gleichnis das Gericht in der Form eines Dialogs vor der Tür des Königreich-

saales, Mt 7,24-27. In beiden Einheiten wird die eschatologische Konsequenz

der notwendigen Option plastisch geschildert. Beide fangen mit dem verallge-

meinernden Subjekt (V. 21) und (V. 24) an. Durch die

Partikel (7,24) wird das Gleichnis vom Hausbau lediglich als eine Konklu-

sion der Einheit 7,13-27, und nicht der ganzen Bergpredigt angedeutet. Der Ab-

schluss der Bergpredigt wird erst in den Versen 7,28-29 gegeben, die mit 5,1-2

eine Klammer bilden.

2. Sachlicher Zusammenhang

Was ist der sachliche Zusammenhang dieser vier Jesusworte? In jedem der vier

Worte werden zwei (oder drei) Themen angesprochen und in Beziehung zuein-

ander gesetzt.

a. Den Willen des Vaters in den Himmeln tun. Das Leitwort der Perikope

ist . Es kommt in diesem relativ kurzen Text neunmal vor: 7,17(2x).

18(2x).19.21.24.26. Objekt des Tuns, wozu die Jünger aufgerufen werden, ist

der «Wille meines Vaters in den Himmeln» (7,21), d.h. nicht mehr die Thora,

wie sie durch Pharisäer und Schriftgelehrte ausgelegt wird, sondern wie sie zur

Erfüllung gelangt ist durch «diese meine Worte» (d.h. die Worte des Herrn)

(7,24) und wovon die Bergpredigt eine Zusammenfassung bietet. Es genügt

nicht, sich diese Worte wohlwollend anzuhören. Die Jünger sollen sie verwirk-

lichen. Dazu werden sie mit Nachdruck aufgerufen. Die Mahnung, Gottes Wil-

len zu tun, wird jedesmal antithetisch formuliert:

Mt 7,13-14: Hineingehen durch das breite oder das enge Tor;

den weiten oder den gedrängten Weg gehen8;

8 Das Bild der zwei Wege hat offensichtlich auch eine ethische Bedeutung: man muss wählen

zwischen zwei Lebenshaltungen. Das Bild ist geläufig im Judentum. Es ist im A.T. (Ps 1,6;

118,29-30; 138,24; Spr 2,13; 4,18-19, 12,28), in der intertestamentarischen Literatur (1 Hen

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DAS JESUSWORT DER ZWEI WEGE IM EPILOG DER BERGPREDIGT

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Mt 7,15-20: gute oder schlechte Früchte hervorbringen;

Mt 7,21-23: nur «Herr! Herr!» sagen oder auch den Willen des Vaters in den

Himmels tun;

Mt. 7,24-27: meine Worte hören und sie tun, oder meine Worte hören und nicht

tun.

Die antithetische Formulierung zeigt zweierlei: (1) man muss wählen; eine

freibleibende Haltung des nicht-Wählens wird ausgeschlossen; und (2) es gibt

nicht viele, beliebige Möglichkeiten; im Grunde gibt es nur zwei fundamentale

Lebensoptionen.

b. Das eschatologische Gericht ist das zweite Thema, das in dem Epilog der

Bergpredigt systematisch entfaltet wird. Auch dieses Thema wird dreimal in

antithetischer Form präsentiert:

Mt 7,13-14: «der Weg, der ins Verderben führt » gegenüber «dem Weg, der ins

Leben führt»;

Mt 7,15-20: «Ausgehauen und ins Feuer geworfen werden» (7,19)

Mt 7,21-23 «hineingehen ins Königtum der Himmel» gegenüber «Niemals kannte

ich euch! Geht weg von mir, die ihr wirkt das Ungesetzliche“;

Mt. 7, 24-27 der Regen, die Flüsse und die Winde bringen das Haus auf den Felsen

nicht zum Einsturz und das Haus auf den Sand wohl.

Durch die Verflechtung der beiden Themen des Tuns und des Gerichtes bringt

Mt den eschatologischen Ernst des christlichen - und menschlichen - Lebens

zum Ausdruck. Die ethische Option ist keineswegs eine beliebige Angelegen-

heit. Ihre äußerste Folge ist das (ewige) Verderben oder das (ewige) Leben. Die

aktuellen Taten des Menschen bestimmen sein endgültiges Heil oder Unheil.

Die nähere Qualifikation der beiden Wege zeigt außerdem, dass die ethische

Grundoption des Jüngers, bzw. des Christen nicht leicht ist. Er wählt einen

schmalen, schwierigen Weg. Die Nachfolge ist keine Sache der «billigen Gna-

de», sondern erfordert Einsatz und Anstrengung9.

91,18-19, 2 Hen 30,15; 42,10B; Test. Aser 1,3-5; Test. Jud 20,1; Or. Sib 8,399-400), in der

rabbinischen Literatur (vgl. STRACK-BILLERBECK, 1, 460-464), und besonders in der Ge-

meinderegel von Qumran (1 QS 3,13-4,16) belegt. Mt hat das traditionelle jüdische Bild in

7,15 eingeführt. Vgl. später die frühchristliche Literatur: Didachè 1-6, Barn 18-20, Hermas,

Vis. 111,7,1-3. Cf. W. MICHAELIS, art. , in TWNT, V, pp. 42-101, bes. 53-55.57-60.61-

62.71-77; F. NOETSCHER, Gotteswege und Menschenwege in der Bibel und in Qumran, in

Bonner Biblische Beitrage 15 (1958) 9-71; Voies divines et humaines selon la Bible et Qum-

ran, in La secte de Qumran et les origines du christianisme (Rech. Bibl., 4), Löwen, 1959,

pp. 135-148; P. WINTER, Ben Sirach and the Teaching of the Two Ways, in VT 5 (1955) 315-

318; W. RORDORF, Un chapître d’éthique judéo-chrétienne. Les deux voies, in RechScRel 60

(1972) 109-128.

9 Cf. D. BONHOEFFER, Nachfolge, München, 1963.

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ADELBERT DENAUX 154

c. Das Gericht führt eine endgültige Scheidung der Erwählten von den Aus-

geschlossenen herbei (7,21-27). Diese Scheidung manifestiert sich bereits in-

nerhalb der Geschichte der Jüngerschar (7,13-20).

. Mt 7,13-14 zieht die Trennungslinie zwischen der massenhaften Welt

() und der kleinen Herde der Gemeinde ( ). Wer Jünger wird,

muss bereit sein, eine Minderheitsposition einzunehmen. Er wird von der Masse

abgesondert. Der Christ, der sich um jeden Preis dem Empfinden, den Mei-

nungen und dem Verhalten der «Vielen», der großen Mehrheit anschließen will,

läuft Gefahr, vom schmalen Weg abzukommen. Die Anzahl ist kein notwendi-

ges Kriterium der Authentizität der christlichen Lebenshaltung.

. Mt 7,15-20 betont die Notwendigkeit einer Unterscheidung zwischen

wahren und falschen Propheten. Ob es hier um eine Scheidung zwischen Au-

ßenstehenden und Gemeindegliedern handelt, oder um eine Scheidung zwischen

wahren und falschen Führern in der Gemeinde, hängt von der Deutung ab, die

dem Wort beigemessen wird. Die Exegeten schlagen sehr ver-

schiedene Deutungen vor. Man hat gedacht an (1) die Essener; (2) die Gnosti-

ker; (3) eine paulinische oder ultra-paulinische Gruppe; (4) die Zeloten; (5) Ver-

treter einer enthusiastischen Bewegung auf palästinensischem Boden, (6) eine

Gruppe hellenistischer Christen, die sog. Antinomisten; (7) die Pharisäer und

(8) bestimmte Führer der Gemeinde, die sich zu Pseudopropheten entwickelt

haben10

. Die große Vielfalt der Deutungen wird zum Teil durch die Unbe-

stimmtheit veranlasst, womit Mt die falschen Propheten beschreibt, aber zum

Teil auch durch die Neigung einiger Forscher, mit lebhafter Phantasie dem Mat-

thäus zuviel zu zuschreiben. Trotzdem scheint es möglich, auf Grund einer Prü-

fung des matthäischen Textes, die Pseudopropheten etwas genauer zu bestim-

men. Die sorgfältige Untersuchung David Hills11

hat überzeugend gezeigt, dass

keine der ersten fünf genannten Gruppen in Betracht kommt. Auch die öfters

vertretene Meinung, dass Mt sich in 7,15-23 mit einer antinomistischen Gruppe

auseinander setzt12

, wird mit zutreffenden Argumenten von mehreren Autoren

abgelehnt: die herangezogenen Belegstellen (5,17-20; 7,15-23 ; 24,10-12) sind

zu schwach, als dass man in den falschen Propheten eine bestimmte antinomis-

tische oder libertinistische Gruppe sehen könnte13

. M.-J. Lagrange seinerseits

10 Vgl. die Übersicht und Besprechung der Deutungen bei D. HILL, False Prophets and

Charismatics: Structure and Interpretation in Matthew 7,15-23, in Bib 57 (1976) 327-348,

bes. pp. 327-333.

11 Ebenda.

12 Cf. B.W. BACON, Studies in Matthew, London, 1931, p. 348, G. BARTH, Gesetzesverständ-

nis (siehe Anm. 2), pp. 68-70.92.152; R. HUMMEL, Die Auseinandersetzung zwischen Kirche

und Judentum im Matthäusevangelium (BEvT, 33), München, 1966, pp. 27.64-65.

13 Cf. G. STRECKER, Der Weg der Gerechtigkeit (s. Anm. 3), p. 137, Anm. 4; W. TRILLING, Das

wahre Israel (s. Anm. 3), p. 211; Amt und Amtsverständnis bei Matthäus (s. Anm. 6), p. 35,

Anm. 5; A. SAND, Die Polemik gegen «Gesetzlosigkeit» im Evangelium nach Matthaus und

bei Paulus. Ein Beitrag zur neutestamentlichen Überlieferungsgeschichte, in BZ 14

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DAS JESUSWORT DER ZWEI WEGE IM EPILOG DER BERGPREDIGT

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sieht in 7,15 eine Warnung des historischen Jesus an die Pharisäer14

. Diese

Identifikation wird von D. Hill übernommen, aber dann auf der Ebene der Mt-

Redaktion: 7,15 ist eine redaktionelle Bildung, mit der Mt seine Leser gegen die

Pharisäer warnt, die von außen in die Kirche hineindringen, um die Christen

irrezuführen und aus der Herde heraus zu reißen15

.

Obwohl wir dieser Gleichstellung Pseudopropheten = Pharisäer nicht zu-

stimmen können, muss den Vertretern dieser Meinung doch zugestanden wer-

den, dass der Evangelist sich mehrmals in gleicher Weise über falsche Prophe-

ten und Pharisäer äußert. Zum ersten werden die Pseudopropheten durch die

heuchlerische Diskrepanz zwischen ihrer äußeren Erscheinung und ihrem inne-

ren Wesen charakterisiert: sie kommen in Schafsgewändern (prophetische Be-

rufskleidung?)16

, von innen aber sind sie reißende Wölfe (Bild der dämo-

nischen Feinde der Gemeinde) (7,15b). Mit derselben Antithese

wird die Heuchelei der Pharisäer beschrieben in Mt 23,25 = Lk 20,39

(Q; Mt 23,27.28. Auch dort wird die wahre, innere Natur der Pharisäer mit den

Wörtern (23,25; vgl. 7,15: ) und (23,28: vgl. 7.23)

angedeutet. Zweitens wird dasselbe Kriterium der notwendigen Gleichartigkeit

des Baumes und der Frucht auf die falschen Propheten (7,16-18.20) und die

Pharisäer (12,24.33-35) angewandt. Drittens werden beide Gruppen mit dersel-

ben eschatologischen Strafe bedroht (vgl. 3,10 und 7,19). Diese Überein-

stimmungen rechtfertigen jedoch nicht eine Gleichstellung der falschen Prophe-

ten mit den Pharisäern. Man wird eher an christliche Wanderpropheten denken

müssen, die die matthäischen Gemeinden besuchen. Das Phänomen der christli-

chen Propheten scheint den matthäischen Gemeinden bekannt gewesen zu sein

(vgl. 7,22; 10,41; 13,57; 23,34)17

. Mt 7,15 warnt die Christen vor der aktuellen

(: pres.) Gefahr, dass nicht alle, die sich der Gemeinde als Propheten

vorstellen, in Wirklichkeit auch von Gott und seinem Propheten par excellence,

Jesus Christus, beauftragte Propheten sind. Es besteht zudem die Möglichkeit,

dass wahre Propheten ihrer Berufung untreu werden und sich zu falschen Pro-

pheten oder Heuchlern entwickeln, wie das auch mit den Pharisäern der Fall

war. Auch sie hatten einst, zusammen mit den anderen geistlichen Führern (Ho-

hepriestern und Schriftgelehrten), den Auftrag Gottes Willen dem Volk bekannt

zu machen. Aber sie sind aufgrund ihrer Heuchelei «Lügen-propheten», «blinde

Führer» geworden, die das Volk getäuscht und in die Verwirrung geführt haben.

Deshalb ist ihnen von Gott der Lehrauftrag genommen und den Jüngern über-

(1970) 112-125, bes. p. 124; D. HILL, False Prophets (s. Anm. 10), pp. 333-340.

14 Cf. M.-J. LAGRANGE, Matthieu, p. 152.

15 Cf. D. HILL, False Prophets (s. Anm. 10), pp. 343-348.

16 Cf. O. BOECHER, Wölfe in Schafspelzen. Zum religionsgeschichtlichen Hintergrund von Mat-

th. 7,15, in TZ 24 (1968) 405-426.

17 Cf. R. HUMMEL, Auseinandersetzung (siehe Anm. 12), p. 67; P.S. MINEAR, False Prophecy

(siehe Anm. 5), pp. 76-78; A. LEMAIRE, Les ministères aux origines de l’Église (Lectio Di-

vina, 68), Paris, 1971, p. 181, A. SAND, Propheten, Weise und Schriftkundige in der Ge-

meinde des Matthäusevangeliums, in J. HAINZ (ed.), Kirche im Werden, München/Pader-

born/Wien, 1976, p. 167-184, bes. 173-175.

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ADELBERT DENAUX 156

tragen worden (vgl. 27,62 - 28,20). Die Haltung und das Schicksal der jüdi-

schen, geistlichen Führer wird als ein negatives Modell den christlichen Ge-

meindeleitern (d.h. den Jüngern/Propheten) vor Augen gehalten, damit sie nicht

denselben Weg der Untreue gehen18.

Das Kriterium, das der Gemeinde ( ) vorgehalten wird, um falsche

von wahren Propheten zu unterscheiden, ist ihre Fruchtbarkeit: «An ihren

Früchten werdet ihr sie erkennen» (7,16a.20). Ist mit diesem Bild an die Au-

thentizität ihrer Lehre gedacht (so wird übrigens das Bild im Zusammenhang

mit den Pharisäern interpretiert: 12,33-37)19

? Oder ist damit gemeint, dass ein

Prophet nur von der Gemeinde akzeptiert werden darf, wenn nicht nur seine

Worte, sondern auch seine Taten mit der messianischen Thora im Einklang ste-

hen20

? Die letztgenannte Deutung scheint durch den Kontext 7,13-27, mit sei-

nem konsequenten Nachdruck auf das Tun des Willens des Vaters als entschei-

dendes Kriterium, bestätigt zu werden. In diesem Sinne verstand es auch der

Autor der Didachè: «Jeder Prophet aber, der die Wahrheit lehrt, ist, wenn er,

was er lehrt, nicht tut, ein Pseudoprophet» (Did 11,10; vgl. 11,8; Herm Mand

XI,7.16). Wir können daher schussfolgern: Mt 7,15-20 zieht keine Trennungsli-

nie zwischen Außenstehenden und Gemeindegliedern, sondern zwischen wah-

ren und falschen Propheten innerhalb der Gemeinde21.

. Von 7,21 ff. ab ändert sich die Perspektive. Es handelt sich nicht mehr

um eine durchzuführende Scheidung zwischen Gemeinde und Welt inmitten der

Geschichte (7,13-14) oder zwischen falschen und wahren Propheten inmitten

der Gemeinde (7,15-20). Die Szene verlagert sich nach dem eschatologischen

Gericht (das freilich in 7,13-14 und 7,19 schon angekündet war), wo alle inner-

weltliche und innerkirchliche Geschichte zu Ende geht. Mt 7,21-23 und 7,24-27

sind zwei Gerichtsszenen, in denen das Gericht als solches geschildert wird.

Dieser Szenenwechsel bringt aber nicht notwendigerweise eine Änderung

aller auftretenden Personen mit sich. In einer neuen Szene können zum Teil

auch dieselben Personen auftreten. Wenn es stimmt, dass Mt 7,13-27 eine

chiastische Struktur hat, wie wir versucht haben zu zeigen, dann können ei-

nerseits 7,13-14 und 7,24-27 alle Jünger (und eben alle Menschen) meinen,

während andererseits 7,15-20 und 7,21-23 sich eher auf die prophetischen

Führer in der Gemeinde beziehen. Mt weiß, dass es auf dieser Erde unmög-

lich ist, eine definitive Scheidung zwischen Guten und Bösen durchzufüh-

18 Cf. G. BAUMBACH, Das Verständnis des Bösen in den synoptischen Evangelien, Berlin, 1963,

pp. 82-85; P.S. MINEAR, False Prophecy (Anm. 5), pp. 79-86.

19 Als Irrlehrer werden die Pseudopropheten verstanden durch M. KRÄMER, Hütet euch vor den

falschen Propheten. Eine überlieferungsgeschichtliche Untersuchung zu Mt 7,15-23/Lk 6,43-

46/Mt 12,33-37, in Bib 57 (1976) 349-377, bes. p. 350, O. BOECHER, Wölfe in Schafs-pelzen

(Anm. 16), pp. 424-425, u.a.

20 Cf. S. LÉGASSE, Les faux prophètes. Matthieu 7,15-20, in Études franciscaines 1 (1968) 205-

218, bes. p. 215; noch anders deutet J. SCHMID, Das Evangelium nach Lukas, Regensburg, 41960, p. 150.

21 Cf. die Argumentation von S. LÉGASSE, Les faux prophètes (s. Anm. 20), p. 213.

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DAS JESUSWORT DER ZWEI WEGE IM EPILOG DER BERGPREDIGT

157

ren, sei es zwischen Christen und Nicht-Christen (vgl. Mt 25,31-46), oder aber

zwischen guten und bösen Christen innerhalb der Kirche (vgl. Mt 13,24-30.36-

43). Das Bewusstsein um die Unmöglichkeit einer solchen Scheidung, hat

vielleicht die Unbestimmtheit der Aussage in 7,13-14.15-20 mitveranlasst,

und die Schwierigkeit um der Identität der betreffenden Gruppen auf die

Spur zu kommen. Wenn sich die Sache so verhält, dann darf man die Verse

7,21-23 zum besseren Verständnis von 7,15-20 heranziehen. Mt 7,21a.22 würde

dann eine genauere Beschreibung der in 7,15 genannten Pseudopropheten bie-

ten und 7,21c.23b eine präzisere Auslegung des unbestimmten Bildwortes

in 7,16a.2022

.

Die in 7,22 genannten Personen charakterisieren sich durch das Bekenntnis

der Herrschaft Jesu (bzw. die Anrufung Jesu als Herr), und durch eine charis-

matische Tätigkeit, die sich in Prophezeiungen, Exorzismen und Krafttaten

(Heilungswundern) äußert23. Es wird nicht an Außenstehende gedacht, sondern

an christliche Propheten innerhalb der Kirche. Nicht nur das Bekenntnis der

Herrschaft Jesu, sondern auch die Tätigkeiten eines charismatischen Propheten-

tums sind durchaus legitime Lebensäußerungen der matthäischen Kirche. Denn

die Propheten von 7,22 tun nichts anderes als das, was Jesus seinen Jüngern

aufgetragen hat (vgl. 10,8.41). Trotzdem werden sie durch den endzeitlichen

Weltenrichter abgewiesen, weil sie den Willen des Vaters nicht tun (7,21), d.h.

die «Gesetzlosigkeit» bewirken (7,23). Die bezeichnet eine Haltung, die

nach matthäischer Auffassung allgemein charakteristisch ist für den Unge-

horsam gegenüber dem 24d.h. konkret, gegenüber den ethi-

schen Weisungen Jesu, deren Inbegriff das Liebesgebot ist (24,12)25

. Der Maß-

22 In seiner (an sich richtigen) Kritik an der «Antinomisten-Hypothese» geht W. TRILLING, Amt

und Amtsverständnis (s. Anm. 6), pp. 34-35, zu weit, wenn er 7,21-23 von 7,15-20 absondert

und in diesen Einheiten zwei verschiedene Gruppen sieht. Mt 7,21-23 bildet zwar eine relativ

selbständige Einheit, aber sie ist aufgenommen in eine umfangreichere (redaktionelle) Ein-

heit, und muss deshalb von daher interpretiert werden. G. Barth u.a. haben Recht, wenn sie

einen Zusammenhang zwischen 7,15-20 und 7,21-23 sehen. Dieser muss jedoch nicht unbe-

dingt zu einer «antinomistischen» Interpretation von 7,15 führen.

23 Mt 7,22 spricht wahrscheinlich nicht von einzelnen «Diensten» in der Gemeinde, auszeich-

nenden Charismen Einzelner (vgl. 1 Kor 12,28 ff.), noch von drei verschiedenen Gruppen

von Charismatikern (berufsmäßige Propheten, Exorzisten und Wundertäter), sondern von

drei Tätigkeiten, die insgesamt ein charismatisches Prophetentum bezeichnen: so W.

TRILLING, Amt- und Amtsverständnis (s. Anm. 6), pp. 36-37.

24 Cf. G. STRECKER, Der Weg der Gerechtigkeit (s. Anm. 2), p. 137, Anm. 4, der hinzufügt:

«Der -Begriff ... wird auch an anderer Stelle nicht auf eine antinomistische Gruppe

beschränkt (13,41; 23,28; entsprechend 24,12)».

25 In der redaktionellen Bildung Mt 24,10-12 kommen die Worte «Falschpropheten» und «Ge-

setzlosigkeit» auch in demselben (eben sehr nahen) Kontext vor. (Vielleicht muss auch die

Anwesenheit des Wortes «die Vielen» in 7,13 und 24,12 hervorgehoben werden?) Zwar

können die Beschreibungen von 24,11 und 24,12 sich auf zwei verschiedene Phänomene be-

ziehen, aber es liegt doch nahe, das «Überhandnehmen der Gesetzlosigkeit» der Tätigkeit

oder dem Einfluss der Falschpropheten zuzuschreiben (vgl. P. GAECHTER, Matthäus, p. 770;

E. SCHWEIZER, Matthäus, p. 295). Es ist bemerkenswert, daß Mt 24,10-12 zum ersten Teil

(24,4b-24) der Parousierede (Mt 24,4b-25,46) gehört, dem man die Überschrift «Noch nicht

das Ende» geben kann (vgl. J. LAMBRECHT, The Parousia Discourse. Composition and Con-

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ADELBERT DENAUX 158

stab, woran die Gesetzlosigkeit gemessen wird, ist nicht das mosaische Gesetz

(auch die Pharisäer und Schriftgelehrten, welche dieses hochschätzen, werden

gelegentlich der Gesetzlosigkeit beschuldigt, vgl. 23,38), sondern das Liebesge-

bot Jesu. Die scharfe Drohung gegen die charismatischen Propheten in 7,22-23

trifft also den Zwiespalt zwischen religiösem Bekennen und charismatischem

Auftreten einerseits, und praktischem Befolgen des messianischen Gesetzes der

Liebe andererseits. Gerade diese Heuchelei macht christliche Propheten zu fal-

schen Propheten (7,15). „Die falschen Propheten werden als Leute gekenn-

zeichnet, die zwar ‚Herr, Herr!’ sagen, und darin ihr Schafsgewand tragen, aber

‚den Willen meines Vaters im Himmel nicht tun’ und sich darin als ‚reißende

Wölfe’ erweisen“26

. Die Früchte dieser Pseudopropheten (7,16a.20) sind ihre

Taten der Gesetzlosigkeit (7,23). Die Scheidung, die in Mt 7,21-23 beschrieben

wird, ist deshalb die zwischen wahren und falschen Pro-pheten, ebenso wie in

7,15-20. Aber diesmal geht es um die endgültige Scheidung beim Endgericht.

. Von eine endgültige Scheidung beim Endgericht handelt auch das

Schlussgleichnis vom Hausbau (7,24-27). In dieser Szene jedoch wird die

Scheidung universalisiert ( ) und zugleich individualisiert

( vs. ). Es geht im Grunde um eine Scheidung zwi-

schen der eschatologischen Gemeinde der Auserwählten und den Ausge-

schlossenen, zwischen Gerechten und Verfluchten (vgl. Mt 25,31-46). Zwar

geht es wie in 7,13-14 um eine Scheidung zwischen Gemeinde und Außenste-

henden, aber das Endgericht macht gerade deutlich, dass sich die eschato-

logische Gemeinde mit der irdischen Gemeinde des Herrn nicht völlig deckt.

Denn im Endgericht wird das Tun der Worte des Herrn ein entscheidenderer

Maßstab sein als das bloße christliche Bekenntnis. Weit mehr als die Orthodo-

xie wird die Orthopraxie die Schafe von den Böcken absondern.

tent in Mt. XXIV-XXV, in M. DIDIER (ed.), L’Évangile selon Matthieu (BETL, 29), Gem-

bloux, 1972, pp. 309-342, bes. p. 312). In 24,4b-24 warnt Mt vor blindem Lärm. Die verwir-

renden Zeichen der Zeit (das Auftreten von Pseudomessiassen: 24,4b-5; Kriege und Naturka-

tastrophen: 24,6-8; Verfolgung durch die Heidenvölker: 24,9; innerkirchliche Spannungen:

24,10-12, Verkündigung des Evangeliums vor dem Ende: 24,13) haben zwar eine eschatolo-

gische Dimension und dürfen im Lichte des Eschatons gesehen werden, aber sie sind noch

nicht das Ende der Zeiten oder die eigentliche Parousie (cf. J. Lambrecht, ebenda, pp. 319-

321). Nach matthäischer Auffassung spielen sich die angegebenen Zeichen deshalb innerhalb

der Geschichte ab. Die Pseudopropheten sind keine lauter zukünftige, bzw. eschatologische

Kategorie, sondern eine aktuelle Erfahrung der Kirche. Mt 24,11-12 darf demzufolge zur

Deutung von Mt 7,15.22-23 angewendet werden (gegen W. TRILLING, Amt und Amtsver-

ständnis [s. Anm. 6], p. 37, der 7,22 eine Sonderstellung gegenüber 10,41, 7,15.20, und

24,11.24 beimißt).

26 Cf. W. GRUNDMANN, Matthäus, 1968, p. 234.

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DAS JESUSWORT DER ZWEI WEGE IM EPILOG DER BERGPREDIGT

159

III. Diachrone Analyse von Mt 7,13-14

In der vorhergehenden synchronen Untersuchung haben wir versucht, die redak-

tionelle Intention und Thematik des Epilogs der Bergpredigt aufzuzeigen.

Nunmehr soll mittels einer diachronen Analyse gefragt werden, in welchem

Maß Mt von der Tradition abhängig ist, und, ob es möglich ist, diese Tradition

zu rekonstruieren.

Mit Ausnahme von einigen Versen (7,15.17), gehören die in Mt 7,13-27 vor-

kommenden Logien zur zweifachen Tradition (Mt/Lk). Im Lukasevangelium

finden sich jedoch die betreffenden Jesusworte in zwei verschiedenen Kontex-

ten: nämlich in der Feldrede (Lk 6,20-49), und in dem «Gleichnis» vom ge-

strengen Hausherrn (Lk 13,22-30). Mt hat in 12,33-35 noch einen zweiten Pa-

ralleltext zu Lk 6,43-45:

a. Q Mt 7,13-14 -------------------------------------------------------------- Lk 13,(23)-24

b. Rd Mt 7,15

Q Mt 7,16 Mt 12,33a ----------------------------- Lk 6,43

Rd Mt 7,17

Q Mt 7,18 Mt 12,33b -----------------------------

Lk 6,44a

Lk 6,44b

Rd Mt 12,34a ----------------------------- (Lk3,7b)

Rd Mt 7,19 ------------------------------------------ (Lk 3,9b)

Rd Mt 7,20 ------------------------------------------ (Lk 6,44a)

Q Mt 12,34b Lk 6,45a

Q Mt 12,35 Lk 6,45b

c. Q Mt 7,21 ------------------------------------------ Lk 6,46

Q [Mt 25,10-12] --------------------------------------------- [Lk 13,25]

Q Mt 7,22-23 --------------------------------------------------------------- Lk 13,26-27

d. Q Mt 7,24-27 ------------------------------------------ Lk 6,47-49

Q Mt 7,28a ------------------------------------------ Lk 7,1a

e. Q Mt 8,5-10.3 ------------------------------------------ Lk 7,1b-3.6b-10

Mt 8,11-12 --------------------------------------------------------------- Lk 13,28-29

In der gegenwärtigen Forschung versucht man, diesen Sachverhalt im gro-

ßen und ganzen auf drei Weisen traditionsgeschichtlich zu erklären: (1) man

beruft sich auf die Hypothese der mündlichen Tradition27

; (2) man vermutet,

dass beide Referenten über eine eigene literarische Fassung, bzw. eine Sonder-

quelle verfügen, woraus sie die betreffenden Logien übernommen haben28

, (3)

Mt und Lk machten unabhängig voneinander Gebrauch von derselben, im Grie-

27 Cf. H.-TH. WREGE, Die Überlieferungsgeschichte der Bergpredigt (WUNT, 9), Tübingen,

1968, p. 132ff.; J. JEREMIAS, Neutestamentliche Theologie. 1. Die Verkündigung Jesu, Gü-

tersloh, 1971, pp. 46-47; M. KRÄMER, Hütet euch (s. Anm. 19).

28 Cf. J. DUPONT, Béatitudes I (s. Anm. 3), p. 181 (QMt); Eine lukanische Sonderquelle nehmen

die Lk-Kommentare von A. Schlatter, K. H. Rengstorf und W. Grundmann an. Vgl. bes. F.

REHKOPF, Die lukanische Sonderquelle. Ihr Umfang und Sprachgebrauch (WUNT, 5), Tü-

bingen, 1959.

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ADELBERT DENAUX 160

chischen verfassten Redequelle (die sog. Q-Hypothese)29

. Wir werden im Fol-

genden versuchen zu zeigen, dass trotz neuester Infragestellung, die Q-

Hypothese noch stets eine brauchbare Arbeitshypothese bleibt, um den Traditi-

onsprozess der Jesusworte teilweise zu erhellen. Unser Interesse wird womög-

lich auf eine Rekonstruktion des griechischen Q-Textes gerichtet sein. Ebenso

werden wir die Frage in den Blick nehmen, welcher der beiden Synoptiker, Mt

oder Lk, dem Q-Text am nächsten steht. Aus Platzgründen beschränken wir un-

sere Untersuchung auf das Logion von den zwei Wegen (Mt 7,13-14 par. Lk

13,23-24).

1. Übersicht

a. Vergleich der beiden Fassungen

Mt 7,13-14 und Lk 13,23-24 haben folgende Elemente gemeinsam. Bei beiden

fängt das eigentliche Logion mit einem Mahnwort im Imperativ und mit den

gemeinsamen Worten , an. Es enthält auch den ge-

meinsamen Begriff «Durchgang» (in den verschiedenen Vokabeln (/):

beide Fassungen formulieren also dieselbe Idee, d.h. dass man durch das enge

Tor/Tür hineingehen muss. Beide Logien bieten weiter eine Begründung des

Mahnwortes. Diese wird durch die kausale Konjunktion eingeleitet. Die

Begründung enthält die gemeinsamen Worte und . Sach-

lich stimmen beide Fassungen in der Begründung überein: nach Mt sagt, gehen

viele durch das breite Tor hinein und wenige finden das enge Tor. Bei Lk sind

beide Bilder zusammengefasst, ohne dass das Objekt erwähnt wird: «viele wer-

den suchen hineinzukommen und (es) nicht vermögen». Das Wort , das

sich bei Mt im Logion findet, kommt auch in der einleitenden Frage einer ano-

nymen Person der Lukasfassung vor (Lk 13,23). Weiter stimmt (Lk

13,23) sachlich mit dem Satzteil «der ins Leben führt» (Mt 7,14) überein.

Es gibt jedoch erhebliche Unterschiede zwischen beiden Fassungen. In dem

Lk-Kontext ist das betreffende Logion eine Antwort auf die Frage eines Ano-

nymus (Lk 13,23). Anders als Lk bringt Mt das Logion in der Form eines anti-

thetischen Parallelismus, dessen Glieder symmetrisch gebildet sind. Mt spricht

von einem breiten (engen) Tor, Lk von einer engen Tür. Mt hat zudem das Mo-

tiv der Zwei Wege, das bei Lk fehlt (oder muss man in Lk 13,22

eine Parallele sehen?).

29 Die meisten später genannten Ausleger (s. Anm. 33-41).

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DAS JESUSWORT DER ZWEI WEGE IM EPILOG DER BERGPREDIGT

161

b. Verschiedene Meinungen

. Wegen der beträchtlichen Unterschiede denkt W. Michaelis, dass «beide

Fassungen auf Jesus zurückgehen und selbständige Prägungen darstellen»30

.

Nach H.Th. Wrege haben beide Fassungen zwar einen gemeinsamen Kern, die-

ser hat sich aber in den verschiedenen Überlieferungsgeschichten der ur-

christlichen Gemeindeunterweisung ganz unterschiedlich «entwickelt»31

. Die

Annahme mündlicher Tradition erklärt zwar die Unterschiede beider Fas-

sungen, aber nicht deren wörtliche Übereinstimmungen. Die Unterschiede kön-

nen auch auf eine andere Weise erklärt werden, z.B. durch redaktionelle Bear-

beitung. Die Hypothese der mündlichen Tradition gibt ebensowenig eine Erklä-

rung der gemeinsamen absoluten oder relativen Akoluthie, in der das Logion

eingeordnet ist.

. Die Mehrheit der Autoren meint daher zurecht, dass die genannten Über-

einstimmungen eine (direkte oder indirekte) gemeinsame literarische Grundla-

ge voraussetzen.

Eine indirekte gemeinsame literarische Grundlage nimmt T.W. Manson an,

wenn er beide Fassungen zwar auf zwei verschiedene Quellen zurückgehen lässt

(Mt 7,13-14 = M; Lk 13,23-24 = Q), jedoch die M-Fassung eine Bearbeitung

der Q-Fassung nennt32

. Viele Forscher führen die beiden Fassungen von Mt und

Lk auf eine direkte gemeinsame literarische Grundlage zurück (die Q-

Hypothese). Doch dann stellt sich die Frage, welche der beiden Seitenreferen-

ten, Mt oder Lk, dem Q-Text näher steht. Mehrere Autoren sind der Meinung,

dass die Mt-Fassung ursprünglicher ist als die des Lukas33

. Argumente für die

Ursprünglichkeit des matthäischen Wortlauts sind: der semitische Parallelismus

membrorum34

; die lukanischen Vorzugsworte in Lk 13,24

35 und die redaktionel-

le Bildung von Lk 13,2336

. Andere Autoren dagegen halten Lk 13,2337

, 13,2438

,

30 Cf. W. MICHAELIS, TWNT, V, p. 71; vgl. J. STAUDINGER, Bergpredigt (s. Anm. 4), p. 258.

31 H.TH. WREGE, Überlieferungsgeschichte (s. Anm. 27), pp. 132-135.

32 Cf. T.W. MANSON, Sayings (s. Anm. 1), pp. 175. 124. Vgl. B.H. STREETER, The Four

Gospels, London, 1924, pp. 283-284: Mt 7,13-14 = Q + M; Lk 13,23-24 + Q; V. TAYLOR,

Original Order (s. Anm. 1), pp. 246-269, bes. 253: Mt 7,13-14 = Q oder M?

33 Cf. A. HARNACK, Sprüche und Reden Jesu, Leipzig, 1907, p. 50; J. SCHMID, Matthäus und

Lukas, Freiburg i. Br., 1930, pp. 243-244: Lk behält aber das Plus der Situationsangabe

(13,23); J.M. CREED, Luke, London, 1930, p. 185; H. HUBER, Die Bergpredigt, Göttingen,

1932, p. 157; S. SCHULZ, Q (s. Anm. 1), pp. 309-311; W. SCHENK, Synopse zur Redenquelle

der Evangelien. Q-Synopse und Rekonstruktion in deutscher Übersetzung mit kurzen Erläute-

rungen, Düsseldorf, 1981, p. 102.

34 Cf. A. HARNACK, ebenda; J . SCHMID, ebenda.

35 Cf. A. HARNACK, ebenda; S. SCHULZ, ebenda.

36 Cf. B. WEISS, Mt und Lk, 1901, p. 510; H. J. HOLTZMANN, Synoptiker (s. Anm. 1), p. 378; die

Lk-Kommentare von E. Klostermann, J.M. Creed, F. Hauck, J. Ernst, z. St.; M. DIBELIUS,

Formgeschichte, p. 162; R. BULTMANN, Geschichte (s. Anm. 3), p. 97.361; W.E. BUNDY, Je-

sus and the First Three Gospels, Cambridge, Mass., 1955, p. 369; P. HOFFMANN,

. Redaktion und Tradition in Lk 13,22-30, in ZNW 58 (1967) 188-214, bes.

p. 193, Anm. 16; S. SCHULZ, Q (s. Anm. 1), p. 310; u.a.

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ADELBERT DENAUX 162

oder 13,23-2439

für ursprünglicher als die Mt-Fassung oder schreiben Lk 13,23-

24 der Quelle zu40. Der sekundäre Charakter der Mt-Fassung wird darin gese-

hen, dass die MtRd das geläufigere Bild von den zwei Wegen hinzugefügt hat41

.

Einige Autoren schreiben Lk 13,23 einer eigenen Quelle zu, dem sog. SLk oder

ProtoLk42

.

Wir unterstützen die Auffassung, dass Mt 7,13-14 und Lk 13,23,24 direkt

auf den ihnen gemeinsamen griechischen Q-Text zurückgehen. Mann kann je-

doch nicht einfach sagen, dass Mt oder Lk den Q-Text besser bewahrt hat. Eher

muss mit der Möglichkeit gerechnet werden, dass sowohl Mt wie Lk die Q-

Fassung des Logions redaktionell bearbeitet haben43

. Mt hat das Q-Logion mit

dem Bild von den zwei Wegen bereichert, er ist wahrscheinlich auch für die

straffe Symmetrie des Logions verantwortlich. Lk hat seinerseits dem ursprüng-

lichen Logion eine erzählende Einleitung vorangestellt.

2. Die Mt-Fassung 7,13-14

a. Die Argumente der Mt-Priorität sind nicht beweiskräftig

Die Argumente, die für die Ursprünglichkeit der Mt-Fassung angebracht wer-

den, sind nicht überzeugend. Erstens ist die Ursprünglichkeit der Mt-Fassung

noch nicht bewiesen, wenn gezeigt werden kann, dass Lk 13,23 eine redaktio-

nelle Bildung ist und dass Lk 13,24 lukanische Vorzugswörter enthält. Zweitens

bietet der sog. semitische Parallelismus von Mt 7,13-14 an sich keinen Beweis

für die Ursprünglichkeit dieser Fassung. Die Redefigur des Parallelismus ist

nicht nur typisch für die älteste oder ursprüngliche Traditionsschicht44

! Man darf

37 Cf. J. SCHMID, Mt und Lk (s. Anm. 33), p. 244; J. JEREMIAS, Gleichnisse Jesu, Göttingen,

61962, p. 193, Anm. 8; F. MUSSNER, Das «Gleichnis» vom gestrengen Mahlherrn (Lk 13,22-

30). Ein Beitrag zum Redaktionsverfahren und zur Theologie des Lukas, in TrTZ 65 (1956)

129-143, bes. p. 130; A.R.C. LEANEY, Luke, London, 1958, p. 208.

38 Cf. TH. SOIRON, Logia Jesu (s. Anm. 1), 1916, p. 33f.; E. KLOSTERMANN, Das Matthäuse-

vangelium (HNT, 4), Tübingen, 41971, p. 68.

39 Cf. J.C. HAWKINS, Horae Synopticae (21909), Oxford, 1968, p. 195; J. DUPONT, Les Béatitu-

des 1, p. 95; J. JEREMIAS, Neutestamentliche Theologie, I, p. 28, Anm. 19; F. MUSSNER,

Gleichnis (s. Anm. 37), pp. 130-131.

40 Cf. Anm. 32; A. POLAG, Die Christologie der Logienquelle (WMANT, 45), Neukirchen, 1977,

p. 5.

41 Cf. J. WEISS, Schriften des N.T.s, I, p. 276; die Mt-Kommentare von J. Wellhausen, E. Klos-

termann, J. Schmid, E. Schweizer; G. SCHNEIDER, Lukas II (ÖTKNT, 3,2), Güters-

loh/Würzburg, 1977, p. 305; J. DUPONT, Béatitudes, I, p. 99; F. MUSSNER, Gleichnis (s.

Anm. 37), p. 131; P. HOFFMANN (s. Anm. 36), p. 195; H. CONZELMANN, Die Mitte der Zeit

(BHT, 17), Tübingen, 51964, p. 100.

42 Siehe die in Anm. 28 genannten Autoren K.H. RENGSTORF und F. REHKOPF, p . 87, Anm. 2:

Lk 13,23 ist eines der besten Beispiele, bei dem sich die Indizien für unlukanischen Sprach-

gebrauch auf engstem Raum nebeneinander finden. Dagegen P. HOFFMANN, Ebenda (s.

Anm. 36), p. 194, Anm. 16.

43 Cf. A. LOISY, Évangiles Synoptiques, 1, Ceffonds, 1907, pp. 634-635.

44 Gegen C.F. BURNEY, The Poetry of our Lord, Oxford, 1925, pp. 83-88.

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DAS JESUSWORT DER ZWEI WEGE IM EPILOG DER BERGPREDIGT

163

den Fall von Mt 7,13-14 nicht isoliert betrachten, sondern muss ihn im Lichte

der (möglich) vollständigen Redefigur in den synoptischen Evangelien beurtei-

len. Eine Untersuchung der Bearbeitung von etwa 70 markinischen Jesusworten

durch Mt und Lk lässt bestimmte Tendenzen der Mt- und Lk-Redaktion erken-

nen. Mt hat die konsequente Neigung, dem Parallelismus der markinischen Je-

susworte eine straffere Symmetrie mitzugeben: zwei oder mehr Glieder des

Satzparallelismus entsprechen einander sehr genau. Lk dagegen zeigt die Ten-

denz, den wörtlichen Parallelismus seiner Mk-Quelle zu erweichen oder zu ver-

kürzen durch Weglassung korrespondierender Wörter, durch Änderung der

Wortfolge oder der Terminologie, besonders im zweiten Glied des Parallelis-

mus45

.

Wer die Mk-Priorität annimmt (und das tun die meisten Forscher), und auf

Grund dieser Hypothese hinsichtlich bestimmter redaktioneller Tendenzen der

Seitenreferenten Mt und Lk (relativ sicher, weil man ihre Quelle kennt) zu rela-

tiv sicheren Ergebnissen kommt, der darf und muss eben folgerichtig vorausset-

zen, dass seine Beobachtungen auch hinsichtlich der Mt/Lk-Tradition gelten.

Wer also feststellt, dass Mt den Parallelismus seiner Mk-Quelle konsequent ge-

strafft, Lk dagegen denselben beharrlich erweicht hat, der darf methodisch die

Arbeitshypothese annehmen, dass Sie auf die gleiche Weise die Q-Tradition

bearbeitet haben. Tatsächlich finden sich 22 Belege in der Mt/Lk-Tradition, wo

Mt und Lk einen identischen Parallelismus bzw. eine identische Symmetrie bie-

ten, wobei die eventuellen terminologischen Unterschiede die formelle Struktur

des Parallelismus nicht ändern (Gruppe 1). Mt bietet 40 mal einen stärker sym-

metrischen Parallelismus als Lk (Gruppe 2), Lukas dagegen hat nur 8 mal einen

stärker symmetrischen Parallelismus als Mt (Gruppe 4). In 13 Fällen hat Mt ei-

nen Satzparallelismus wo Lk ihn nicht hat (Gruppe 3); das Umgekehrte kommt

10mal vor (Gruppe 5)46

. Da der Q-Text uns nicht zur Verfügung steht, kann der

soeben erwähnte Sachverhalt verschieden beurteilt werden. Doch spricht vieles

dafür, dass analog der dreifachen Tradition, die Mt-Rd verantwortlich ist für die

große Diskrepanz zwischen den Gruppen 2 und 4 (40 vs. 8 Belege). Demzufol-

ge dürfen wir vermuten, dass in den 13 Fällen, wo Mt einen Satzparallelismus

hat und Lk nicht, es zwar möglich ist, dass Lk den Q Parallelismus ausgelassen

hat47

, aber doch wahrscheinlicher, dass Mt den Q-Text in eine parallele

Form umgearbeitet hat48

.

b. Der Wortlaut von Mt 7,13-14 spricht nicht gegen matthäische Redaktion

Der Wortlaut der Mt-Fassung des Logions 7,13-14, bzw. des Bildes von den

zwei Wegen, spricht nicht gegen die Möglichkeit einer matthäischen Redaktion.

Das Adjektiv (breit) ist zwar ein Hapaxlegomenon im N.T., aber nur

45 Siehe die Übersicht im Anhang I.

46 Siehe die Übersicht im Anhang II.

47 So in Lk 3,17a.b diff. Mt 3,12a.b; Lk 6,46 diff. Mt 7,21; Lk 10,23 diff. Mt 13,16.

48 Siehe die nicht in Anm. 47 genannten Stellen von Gruppe (3) im Anhang II.

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ADELBERT DENAUX 164

Mt hat das stammverwandte Verbum in der Rede gegen die Phari-

säer (Mt 23,5: redaktioneller Sondervers?). Auch die Vokabel (weit-

räumig) ist ein hapax im N.T. In den jüdischen Parallelen findet sich keine Be-

legstelle, bei der der Gegensatz weit-schmal mit dem Bild von den zwei Wegen

verbunden ist49

.

Das Substantiv gehört zum matthäischen Vokabular (Mt 22x; Mk 16x;

Lk 20x)50

. In dem Gleichnis von den zwei Söhnen (Mt 21,28-32), das eine mat-

thäische Bearbeitung von der Rede über den Täufer sein könnte (vgl. Lk 7,24-

35, bes. 7,27.33 und parr.), wird vom Täufer gesagt: «Johannes kam zu euch

» (21,32). Dieser Vers zeigt, dass Mt den ethischen Gebrauch

des Bildes vom Weg selbständig anwendet.

Das Verbum (Mt 5x; Mk 3x; Lk 4x) wird von Mt, abgesehen von

7,13.14 (diff. Lk 13,24), noch einmal von Mk 14,53 in Mt 26,57 übernommen.

Zweimal bearbeitet er seine Mk-Quelle in diesem Sinne Mt 27,2 ()

diff. Mk 15,1 (), und Mt 27,31 ( ... ) diff. Mk 15,20

( ... ). Die beiden letzten Stellen machen eine redaktionelle An-

wendung des Verbums in Mt 7,13.14 sehr wahrscheinlich. Wenn Mt das Ver-

bum (Mt lx; Mk lx; Lk 0x) aus Mk 3,9 weglässt, dann folgt daraus noch

nicht, dass das Partizip in Mt 7,14 vor-matthäisch sein muss. Mt

lässt den ganzen Vers Mk 3,9 aus, weil er das Motiv von dem Gedränge der

Menge als der Würde Jesu nicht passend empfand (vgl. die Weglassung des

Kompositums durch Mt aus Mk 5,24.31). Dass Mt von sich aus

nichts gegen das Verbum hat, beweist seine Verwendung des stamm-

verwandten Substantivs (3x par. Mk in Mt 13,21 = Mk 4,17; Mt 24,21 =

Mk 13,19; Mt 24,29 = Mk 13,24, und einmal Mt 24,9 diff. Mk 13,9).

In der atl. oder intertestamentlichen Literatur gibt es keine wörtlichen, wohl

aber sachlichen Parallelen für den Gegensatz - im Zusammen-

hang mit den Bild von den zwei Wegen. Dort wird eher der Gegensatz Le-

ben/Tod verwendet. Trotzdem gibt es einige Stellen, wo die Vokabel

oder das stammverwandte Verbum mit dem Bild von den zwei Wegen verbun-

den wird (Ps l,6; Deut 30,15-20, bes. 19; Weish 5,6-7; 4 Esdr 7,48; vgl. Ps Sal

3,13.16). Obwohl eine literarische Abhängigkeit des Mt nicht nach-gewiesen

werden kann, kann man doch sagen, dass der Gegensatz Verderben/Leben in Mt

7,13-14 keine radikale Neuerung ist. Neben 7,13 kommt das Substantiv

noch einmal in Mt 26,8 (= Mk 14,4) vor, aber dort hat es die Bedeu-

tung von «Verschwendung». Das Verbum gehört zum matthäischen

Vokabular51

. Die religiös-eschatologische Bedeutung vom «ewigen Tod» gibt es

49 4 Esdr 7,12-13 und Ps 118,45.96 wenden den Gegensatz breit-schmal im umgekehrten Sinne

an.

50 Mt hat 22x (Mk 16x; Lk 20x): 9x par. Mk: Mt 3,3; 10,10 (auch par. Lk), 13,4.19;

15,32; 20,17.30; 21,8; 22,16; 2x diff. Mk: Mt 8,28; 21,19; 2x par. Lk: Mt 11,10; 22,9; 4x

diff. Lk : Mt 5,25; 7,13.14; 22,10; und 4x Sg oder Sv : Mt 2,12; 4,15 (Reflexionszitat); 10,5

(Rd?) und 21,32.

51 Mt hat 19x (Mk 10x; Lk 27x): 7x par. Mk: Mt 8,25; 9,17; 10,42; 12,14; 16,25

(2x); 21,41; 2x par. Lk: Mt 10,39 (2x); 3x diff. Lk: Mt 10,28; 18,14;22,7 (Rd?); 3x diff. ML

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DAS JESUSWORT DER ZWEI WEGE IM EPILOG DER BERGPREDIGT

165

auch in Mt 16,25 (= Mk), Mt 10,39 (= Lk) und Mt 10,28 (diff. Lk). Der Gegen-

satz - findet sich in den Doubletteilen Mt 10,39 (2x diff.

Lk 17,33) und 16,25 (diff. Mk 8,35)52

. Das Vorkommen des Substantivs

zusammen mit dem Verbum in Mt 7,13-14 kann also vom

Mt-Redaktor stammen.

Auch das Substantiv (Mt 7x; Mk 4x; Lk 5x) ist guter matthäischer

Wortgebrauch. Das Wort hat bei ihm stets die Bedeutung von «ewiges Leben».

Mt übernimmt drei der vier Mk-Stellen: Mt 18,8 (= Mk 9,43); 19,16 (= Mk

10,17) und 19,29 (= Mk 10,30). In Mk 9,45 lässt Mt das Substantiv weg, weil er

die Trilogie des Markus zu einem zweigliedrigen Parallelismus umarbeitet. Mt

liebt die Wendung : Mt 18,8 (= Mk 9,43), 18,9 (diff. Mk

9,47); 19,17 (add. Mk 10,18), vgl. Mt 25,46 (Sg). Wenn Lk in 13,(23)-24.25.26-

27.28-29 noch die Q-Ordnung bewahrt hat, dürfen wir annehmen, dass Mt das

Verbum in seiner Vorlage (vgl.Lk 13,24 = Mt 7,13) auf Grund des

folgenden Kontextes (vgl. Lk 13,25 ff.) im Sinne des Eingehens in das Reich

Gottes verstanden hat, was für ihn dasselbe ist wie «eingehen in das Leben»

(vgl. Mk 9,47 diff. Mt 18,9). Der Q-Kontext (vgl. Lk 13,24-29) könnte also die

redaktionelle Zufügung der Vokabel in Mt 7,14 sehr gut inspiriert haben.

Der Gedanke des Eingehens in das Reich Gottes, den Mt in Q fand, könnte eben

bei ihm das Bild von den zwei Wegen hervorgerufen haben. Unsere Unter-

suchung des Wortlauts von Mt 7,13-14 führt zum Ergebnis, dass nichts einer

redaktionellen Zufügung des Bildes von den zwei Wegen widerspricht.

c. Unebenheiten in Mt 7,13-14

In Mt 7,13-14 gibt es bestimmte Unebenheiten, die eine sekundäre Zufügung

des Wegmotivs verraten. Diese Nähte verschwinden, wenn man das Bild von

den Wegen von Mt 7,13-14 wieder loslöst.

. Die Begründung (Vv. 13b-14: Tor und Weg) ist sachlich weiter ent-

wickelt als das Mahnwort (V. 13a), das nur von einem Tor spricht. Streng ge-

nommen beantwortet die Mahnung «Geht hinein durch das enge Tor» nur die-

ses: «Denn breit ist das Tor, das ins Verderben führt, und viele sind’s, die durch

es hineingehen, und eng ist das Tor, das ins Leben führt, und wenige sind’s, die

durch es hineingehen».

. Der Satzteil , «die durch sie hineingehen»

(7,13b), passt eigentlich nicht zu dem Bild von dem Weg, sondern nur zu dem

des Tors53

. Gerade diesen Ausdruck hat Lk in 13,24: «viele werden suchen hin-

5,29.30; 27,20; und 4x Sg oder Sv: Mt 2,13; 10,6; 15,24; 26,52.

52 Vgl. die Antithese - in Mt 8,25 (diff. Mk 4,38); Mt 16,25 (=Mk 8,35).

Beide antithetischen Verbenpaare meinen für Mt dasselbe, wie in Mt 16,25 gezeigt wird.

53 Grammatikalisch bezieht sich zwar auf (vgl. Mt 2,12), aber die Kombination

lässt sich in Bezug auf einen Weg schwer vorstellen.

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ADELBERT DENAUX 166

einzugehen», d.h. durch die enge Tür. In 7,13b übernimmt Mt den Wortlaut der

Quelle, aber er fügt durch das hinzugefügte Wegmotiv eine Unebenheit ein.

. Das Finden des Tors (so Mt 7,14b: ) hat nur einen Sinn,

wenn die Mahnung lautet: «(Ver-)sucht hineinzugehen durch das enge Tor».

Eben diese Mahnung lesen wir in Lk 13,24 mit einem eigenen Verbum:

. Das Mahnwort des Matthäus «Geht hinein durch das

enge Tor!» setzt voraus, dass nicht das Finden der beiden Wege schwierig ist,

sondern das tatsächliche gehen auf dem engen Weg oder durch das enge Tor54

. Die genannte Unebenheit lässt sich in der Annahme verstehen, dass Mt die tra-

ditionelle Mahnung (V. 13a) dem von ihm selbst eingefügten Bild von den zwei

Wegen angepasst hat. Wenn der Mensch aufgerufen wird, zwischen zwei We-

gen zu wählen, dem breiten und dem schmalen, dem guten und dem schlechten

Weg, dann passt der Aufruf «Sucht hineinzugehen» nicht mehr, sondern «Geht

hinein durch das enge Tor» (= den schmalen Weg). Der Traditionsprozess wird

begreiflicher, wenn wir den Wortlaut des Q-Logions wie folgt rekonstruieren:

«Suchen sie (jetzt) hineinzugehen durch das enge Tor. Denn viele werden su-

chen [durch sie] hineinzugehen, und wenige werden sie finden». Das an sich

formale Bild erfordert eine inhaltliche Deutung. In Q wird diese im folgenden

Vers angegeben, wo die Tür als Eingang zum königlichen Hochzeitssaal gedeu-

tet wird (vgl. Lk 13,25). Wenn Mt das Logion aus dem Q-Kontext loslöst, um

es in den Epilog der Bergpredigt aufzunehmen, braucht es eine Ergänzung. Dies

geschieht nun durch die motivierende Zufügung des Wegmotivs. Diese Zufü-

gung entspricht der ethisch-paränetischen Orientierung des Epilogs und so be-

kommt das Logion dort einen passenden Platz.

. Die Zufügung des Wegmotivs veranlasste Mt, das Q-Wort (vgl. die

Stichwortverbindung in Lk 13,24.25) durch die Vokabel zu ersetzen55

. Die

Bildassoziation Tor-Weg klingt besser als die von Tür-Weg. «Chez Matthieu, il

ne s’agit pas de la porte d’une salle (), mais de la porte qui donne accès à

une ville (), image qui correspond à celle de la route»56

.

. Schließlich muss noch auf die merkwürdige Reihenfolge Tor-Weg in

7,13.14 hingewiesen werden. Die normale Reihenfolge der bildhaften Begrün-

dung wäre eher, dass man erst den Weg einschlägt, um danach an das Tor zu

gelangen, das zu der Stadt (Bild vom Reich Gottes) Zugang gibt. Die unge-

wöhnliche Reihenfolge des Mt lässt noch sehen, dass seine Vorlage nur über

eine Tür/Tor sprach, woran das Wegmotiv durch Mt sekundär angehängt wurde.

54 Cf. W.E. BUNDY (s. Anm. 36), p. 122.

55 : Mt 4x; Mk 0x; Lk 7,12 (Sg Rd?); Apg 3,10; 9,24; 12,10; 16,13. Lukas kennt das Wort.

Wenn es in Q gestanden hätte, würde er es übernommen haben. Es ist unwahrscheinlich,

dass der Eingang des Gottesreichsaales in Q (so in Lk 13,25 par. Mt 25,10-12) eine

(Stadt- oder Tempeltor) wäre. Mt gebraucht das Wort noch einmal in 16,18 (Rd?).

56 Cf. J. DUPONT, Béatitudes, I, p. 99; Vgl. J. JEREMIAS, TWNT, VI, 923,8-10.

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DAS JESUSWORT DER ZWEI WEGE IM EPILOG DER BERGPREDIGT

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Diese Unebenheit erklärt vielleicht die Weglassung des Wortes in einigen

Handschriften57

. Jedoch konnte Mt in und zwei synonyme Bilder

sehen («Weder folgt die auf die noch umgekehrt»), die jedes für sich

dieselbe Sachhälfte schildern58

.

3. Die Lk-Fassung 13,23-24

a. Lukas 13,24

Die Untersuchung der Mt-Fassung hat gezeigt, dass Lk 13,24 im Großen und

Ganzen der Q-Fassung des Logions näher steht als Mt. Doch eine nähere Prü-

fung des Vokabulars macht deutlich, dass auch die lukanische Form des Spru-

ches redaktionell überarbeitet ist, obwohl es schwer ist, Redaktion und Traditi-

on zu unterscheiden.

Der Spruch beginnt mit der Aufforderung, darum zu kämpfen, durch die

enge Tür einzutreten. In III.2.c. haben wir schon versucht zu zeigen, dass die

einfachere Form des Mt «Geht hinein» das Ergebnis einer Anpassung an das

von ihm eingefügte Wegmotiv ist. Daraus darf gefolgert werden, dass in der Q-

Fassung dem Verbum ein Verbum des Wollens voranging. Nun hat

eben Lk den Imperativ . Es stellt sich also die Frage, ob Lk diese

Vokabel in Q vorgefunden hat oder ob er ein anderes Q-Wort durch dieses er-

setzt hat? « ist in den Evangelien sonst nicht belegt und wird

auch von Lukas nur an dieser Stelle verwendet, so dass von der Wortstatistik

her die Frage der Redaktion nicht entschieden werden kann», so sagt mit Recht

P. Hoffmann, der das Wort nachher doch aus anderen Gründen der Lk-

Redaktion zuschreibt59

. In diesem Fall würde das lukanische ge-

mäß unserer Sichtweise ein ursprünglicheres oder ersetzt

haben. Die Argumente Hoffmanns können aber ebensogut für das Vorkommen

des Wortes in Q angeführt werden. Zunächst: «Das Bildwort vom ethischen

Agon war in der hellenistischen Diatribe verbreitet und wurde sowohl von der

jüdischen als auch von der urchristlichen Paränese aufgenommen»60

. Warum

konnte dann der Q-Redaktor dieses geläufige Bildwort nicht schon aufgenom-

men haben? Zweitens: Der Zusammenhang von Ethik (vgl. das Agonmotiv in

57 Cf. B.M. METZGER, A Textual Commentary an the Greek New Testament, London/New

York, 1971, p. 19: einige Handschriften und viele patristische Zitate haben in 7,13b

und 14 nicht. Die Lesart mit dürfte jedoch authentisch sein, weil sie in den meisten

Hss. vorkommt, und weil sie die lectio difficilior ist. Man kann noch die Argumente hinzu-

fügen: die Leseart mit entspricht dem Mt-Stil (symmetrischer Parallelismus); wenn das

Wort in 7,13b.14 fehlt, wird der Zusammenhang zwischen Aufruf und Begründung

völlig unbegreiflich; Vgl. J. JEREMIAS, TWNT, VI, 922,10-16.

58 Cf. A. LOISY, Évangiles synoptiques, I, p. 635; W. MICHAELIS, TWNT, V, p. 72; J. SCHMID,

Mt, z. St.; J. JEREMIAS, TWNT, VI, 922,23-24, Anm. 14.

59 Cf. P. HOFFMANN (s. Anm. 36), pp. 196-197; vgl. auch A. HARNACK, Sprüche (s. Anm. 33),

p. 50; S. SCHULZ, Q (s. Anm. 1), p. 310; J. JEREMIAS, Die Sprache des Lukasevangeliums

(KEK), Göttingen, 1980, p. 232.

60 P. HOFFMANN, ebd., p. 196.

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ADELBERT DENAUX 168

der Aufforderung) und Eschatologie (vgl. die Futura in der Begründung) stimmt

mit der theologischen Konzeption des Lukas im allgemeinen überein61

. Gilt

nicht dasselbe für den Q-Redaktor? Man darf demnach die Möglichkeit nicht

von vornherein ausschließen, dass Lk den Imperativ schon in Q

vorgefunden hat62

.

Auch die lukanische Form der Begründung zeigt Spuren redaktioneller

Überarbeitung. Die parenthetisch gebrauchte Formel könnte in Q

gestanden haben63

, aber es ist durchaus möglich, dass Lk sie hier eingefügt

hat64

. Das Verbum , negiert und mit folgendem Infinitiv (13,24 ist zu

ergänzen), ist lukanisch65

. Es ersetzt vielleicht ein ursprüngliches (so

Mt 7,14b).

Recht schwierig ist es, das Verhältnis zwischen «Denn viele werden suchen

hineinzugehen» (Lk 13,24b) und „Und viele sind die(jenigen) die durch es hin-

eingehen“ (Mt 7,13b) zu bestimmen. In der Begründung 7,13b-14 legt Mt

Nachdruck auf die 3x2 antithetisch verbundenen Prädikate (breit-eng, weiträu-

mig-eingeengt; viele-wenige), er stellt sie deshalb voran. Von diesem Ganzen

her darf man vermuten, dass die MtRd für die Veränderung der grammatikali-

schen Funktion von in 7,13b verantwortlich ist. Lk hat zwei Futurformen

(, ), Mt dagegen zweimal die Kopula in Präsens ().

Auch hier hat Mt die Änderung vom Futurum im Präsens durchgeführt. In dem

Q-Logion (so in Lk) gab es einen Gegensatz zwischen der gegenwärtigen

Chance (vgl. der aktuelle Ruf zur Umkehr) und der zukünftigen Schwierigkeit

durch die enge Tür hineinzugehen (vgl. die eschatologisch drohende Begrün-

dung). Durch seine Hinzufügung des ethischen Wegmotivs war Mt veranlasst,

die traditionelle Begründung zu aktualisieren. In Mt 7,13b-14 wird eine Art

weisheitlicher Beschreibung der gegenwärtigen moralischen Situation der

Menschheit gegeben: viele wählen den bequemen Weg des moralischen Sich-

gehen-lassens, nur wenige wählen den schwierigen Weg der ethischen Anstren-

gung und des religiösen Ernstes. Nur nebenbei, in zwei Relativsätzen, wird die

eschatologische Konsequenz erwähnt. Wenn es in Mt 7,13-14 einen Gegensatz

gibt, dann eher der zwischen dem Aufruf an die Jünger, einen ernsten Lebens-

61 P. HOFFMANN, ebd., pp. 196-97.

62 Cf. J.H. MOULTON, A Grammar of New Testament Greek, I, Edinburgh, 1908, p. 174.

63 Cf. J. JEREMIAS, Sprache (s. Anm. 59), p. 232.

64 Cf. P. WERNLE, Die synoptische Frage, Freiburg i. Br., 1899, p. 82: «Als Mittel für lebhafte-

re, für die Erzählung passende Gestaltung, braucht Lc ... in verschiedenen Varia-

tionen. Lc schreibt es mit Mt zusammen aus der Quelle 10mal, für sich allein in Stücken der

Quelle noch 11mal (6,27; 11,9; 12,4.5.8.51; 14,24; 15,7.10; 17,34; 19,26) ». Da Lk 12,4 =

Mt 10, 27, und Lk 14,24; 15,10 = Sv zählen wir 8mal statt 11mal. Vgl. J. DELOBEL,

L’Onction par la pécheresse. La composition littéraire de Lc., VII,36-50, in ETL 42 (1966)

415-475, p. 44: «Des 46 cas chez Lc., il y a tout de même 6 cas par. Mc (Lc., IX,27;

XVIII,17.19; XXI,32; XXII,18.34) et peut-être un cas diff. Mc, dans Lc., IV,24».

könnte deshalb von Lk eingeschoben sein.

65 Cf. S. SCHULZ, Q (s. Anm. 1), p. 310; J. JEREMIAS, Sprache (s. Anm. 59), pp. 150.232.

: Mt 4x; Lc 8x; Apg 6x; Lc 6,48; 13,24: diff. Mt; Lk 8,43 diff. Mk; LkSg oder Sv:

14,6; 14,29.30; 16,3; 20,26 (Rd?).

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DAS JESUSWORT DER ZWEI WEGE IM EPILOG DER BERGPREDIGT

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wandel anzustreben und der bedenklichen Situation der großen Mehrheit der

Menschen. Die Präsensform dürfte daher von Matthäus stammen.

Wenn diese Vermutung stimmt, können wir einen Schritt weiter gehen und

uns fragen, ob die Begründung des Aufrufes in der Q-Fassung nicht die zwei

Futura der Antithese - enthielt, von der Mt (in 7,14b) und Lk

(in 13,24b) jeweils ein Verbum bewahrt haben? Tatsächlich gehören beide Ver-

ben zum Q-Wortschatz66

, und die Antithese Suchen-Finden selbst kommt dort

mindestens dreimal vor (Mt 7,7.8 = Lk 11,9.10; Mt 19,43 = Lk 11,24; vgl. Mt

18,13 diff. Lk 15,5?).

Man könnte jedoch gegen diesen Rekonstruktionsversuch den Einwand ma-

chen, dass das antithetische Verbenpaar - in den genannten Q-

Stellen nicht die Bedeutung «sich bemühen - gelingen» (so Lk 13,24), sondern

die von «suchen - finden» hat. Zudem scheint die Formel (= wollen,

trachten, sich bemühen) mit dem Infinitiv eine typisch lukanische Ausdrucks-

weise zu sein67

. Diese Schwierigkeit wird aber zum Teil durch die Annahme

behoben, dass in Q das Objekt hatte (vgl. Mt 7,14b)

und daher die Bedeutung von «sie finden (die Tür) nicht».

b. Lukas 13,23

Obwohl die Einleitung Lk 13,23 (mit Ausnahme von ) streng genommen

keine Parallele zu Mt 7,13-14 ist, sind hier darüber noch einige Worte zu sagen.

Mehrere Autoren sind der Meinung, Lukas habe in 13,23 eine ältere Tradition

(Q oder Proto-Lk), bzw. eine ursprüngliche Situationsangabe bewahrt. Doch ist

m.E. dieser Vers zweifellos redaktionelle Bildung.

Erstens entspricht der Wortlaut von Lk 13,23 den lukanischen Sprach- und

Stileigentümlichkeiten. Sicher lukanisch sind 68, das Pronomen inde-

finitum 69, und 70

. Wahrscheinlich lukanisch ist 71. Gegen F.

66 Lk hat das Verbum 25mal: 7x par. Mk: Lk 11, 16.29 (par. Mk 8,12?) ; 19,47; 20,19;

22,2.6; 24,5; 3x add. Mk: Lk 5,18; 6,19; 9,9; 4x par. Mt: Lk 11,9.10.24; 12,31 (sicher Q); 3x

diff. Mt: Lk 12,29 (Q?); 13,24 (Q?); 17,33 (Rd?); und 8x Sg (Lk 2,48.49; 12,48; 13,6.7; 15,8

und 19,3.10. Mt hat das Verbum 27mal (Mk l 1x, Lk 45x): 5 par. Mk: Mt 21,2.19;

26,40.43; 26,60; 2x diff. Mk 16,25; 27,32; 7x par. Lk: Mt 7,7.8; 8,10; 12,43.44; 18,13; 24,46

(sicher Q, 5x diff. Lk: Mt 7,14 (Q?); 10,39 (2x Q?); 22,9.10; und 8x SgMt: Mt 1,18; 2,8;

11,29 (Rd?); 13,44.46 (Rd?); 17,27; 18,28; 20,6.

67 mit Infinitiv in Lk 19,47 (par. Mk, aber Lk hat den Infinitiv hinzugefügt); 20,19 (par.

Mk), an drei Stellen diff. Mk (Lk 5,18; 6,19; 9,9), an zwei Stellen diff. Mt (Lk 13,24; 17,33),

und im Sv Lk 19,3. Die Bedeutung «trachten, sich bemühen» hat das Verbum in Lk 22,2.(6)

und in 5,18; 6,19; 9,9; 13,24; 17,33; 19,47 und 20,19. Diese Bedeutung wird durch den

Vergleich von Lk 9,9 (Herodes Jesum, vgl. 19,3) und Lk 23,8 (Herodes

Jesum) (vgl. Lk 13,31) bestätigt, und durch den Vergleich der zwei Doublettenteile Lk

9,24 (par. Mk 8,35) und Lk 17,33 (par. Mt 10,39). Vgl. Apg. 16,10: .

68 Cf. J.C. HAWKINS, Horae Synopticae (s. Anm. 39), pp. 17.39, H.J. CADBURY, The Style and

Literary Method of Luke, Cambridge, 1919-20, p. 169; J. JEREMIAS, Sprache (s. Anm. 59), p.

33.231.

69 Eben F. REHKOPF, Sonderquelle, p. 67, Anm. 9, und 87, Anm. 2, erkennt den möglich lukani-

schen Charakter des unbestimmten Pronomens an. Es kommt 78mal in Lk und 112mal in

Page 22: Das Jesuswort der zwei Wege im Epilog der Bergpredigt (Mt 7,13-14 par. Lk 13,23-24) Tradition und Redaktion

ADELBERT DENAUX 170

Rehkopf72

muss gesagt werden, dass der protolukanische Charakter von

73, als Anrede des irdischen Jesus

74, der unklassische Septuagin-

tismus als Fragepartikel vor direkter Frage75

, und schließlich das Fehlen der

Kopula 76nicht bewiesen werden kann, sondern dass diese Redeweisen

auf lukanischen Sprachgebrauch hinweisen können.

Zweitens hat Lk auch an anderen Stellen selbständig erzählende Einlei-

tungen gebildet, deren Motive oft den Worten, die er bringen wollte, entnom-

men sind77

. Er tat dies nicht nur gegenüber Markus (vgl. Lk 4,14-15; 5,17.36;

6,6-7; 21,10.29; 22,24), sondern auch gegenüber der Redequelle (vgl. Lk 3,15;

11,l.37; 14,15; 15,l-3 und 17,5.6a).

Dies alles macht deutlich, dass Lukas in 13,23 weder die ursprüngliche Si-

tuation des Logions 13,24 erhalten hat78

, noch primär den historischen Sitz im

Leben wachrufen wollte, etwa die apokalyptisch dringende Frage, ob nur weni-

ge zum erwählten Rest Israels gehören79

. Die in der Situationsangabe gestellte

Frage ist vielmehr ein redaktionelles Mittel des Evange-

listen, um seine Auffassung über das Wesen der heidenchristlichen Kirche vom

Leben Jesu her zu erhellen und so ihre Situation heilsgeschichtlich zu erleuch-

ten. Mit der Einleitung 13,23 wollte Lk die Aufmerksamkeit seiner Leser, die er

in Apg 2,47 mit einer Anspielung auf den prophetischen Restgedanken , die er die Geretteten nennt, auf die Wichtigkeit der folgenden Lo-

Apg vor (Mt 21x; Mk 33x). Davon 38mal mit Substantiv (Vorzugswort gemäß J.C.

HAWKINS, Horae, pp. 22.47), und 12mal mit Genitiv (cfr. J. DELOBEL, L’Onction, p. 438,

Anm. 95: hinzufügen: Lk 20,39 und 24,24). An 16 Stellen wird , absolut gebraucht: 4x

par. Mk (Lk 8,46; 9,23; 19,31 ; 20,28); 2x diff. Mk (Lk 9,7.8); 3x diff. Mt (Lk 9,57; 13,23;

14,26); und 7x Sg (Lk 7,40; 12,15; 13,6; 14,8; 19,8 (2x); 22,35. Absolutes , als Subjekt in

Lk 8,46; 9,23.57; 13,23; 14,26; 19,31 und vielleicht in 8,49; 13,1; 16,30.31.

70 J.C. HAWKINS, Horae, pp. 21.45-46; J. DELOBEL, L’Onction, p. 436, Anm. 87; J. JEREMIAS,

Sprache, p. 33.231.

71 Cf. H. SCHÜRMANN, Paschamahlberich, I, p. 87; Jesu Abschiedsrede, III, pp. 22.27.

72 F. REHKOPF, Sonderquelle, p. 87, Anm. 2.

73 Cf. H. SCHÜRMANN, Protolukanische Spracheigentümlichkeiten?, in BZ 5 (1961) 266-286:

Bedingungen 1 (p. 271, Anm. 28); 3 (p. 272, Anm. 36); 4 (p. 273, Anm. 39); 6 (p. 274; Anm.

41) und 9 (p. 276 und Anm. 46) sind nicht erfüllt; J. DELOBEL, pp. 435-436.

74 Cf. H. SCHÜRMANN, Jesu Abschiedsrede, III, pp. 28-29; gegen. B.H. STREETER, The Four

Gospels (s. Anm. 32), pp. 213-214; F. REHKOPF, Sonderquelle, p. 99.

75 Cf. A. DENAUX, De sectie Lc., XIII,22-35 en haar plaats in het lucaanse reisbericht (Thes.

Doct. Theol.), Löwen, 1967, pp. 317-319; J. JEREMIAS, Sprache, p. 231.

76 Cf. S. ANTONIADIS, L’Évangile de Luc, Paris, 1930, pp. 129.152f.; H. SCHÜRMANN, Einset-

zungsbericht, II, pp. 36-37; J. JEREMIAS, Sprache, pp. 21-22, Anm. 28; p. 231.

77 Cf. C. WEIZSÄCKER, Untersuchungen über die evangelische Geschichte, ihre Quellen und

den Gang ihrer Entwicklung, Gotha, 1864, 21901, p. 87, Anm. 1; P. WERNLE, Frage (s. Anm.

64), pp. 82-83; B.H. STREETER, The Original Extent of Q, in Oxford Studies in the Synoptic

Problem, Oxford, 1911, pp. 185-208, bes. 207-208; H.J. CADBURY, Style (s. Anm. 68), pp.

119-126, bes. 121; W. LARFELD, Die neutestamentlichen Evangelien nach ihrer Eigenart und

Abhängigkeit, Gütersloh, 1925, pp. 310-312; M. DIBELIUS, Formgeschichte, pp. 161-163; R.

BULTMANN, Geschichte, pp. 359-362.

78 Siehe Anm. 37.

79 Vgl. 4 Esdr. 8,3: «Multi quidem sunt creati, pauci gutem salvabuntur» (vgl. Mt 22,14).

Page 23: Das Jesuswort der zwei Wege im Epilog der Bergpredigt (Mt 7,13-14 par. Lk 13,23-24) Tradition und Redaktion

DAS JESUSWORT DER ZWEI WEGE IM EPILOG DER BERGPREDIGT

171

gien lenken. Das Faktum, zur Gruppe der Geretteten zu gehören, entbindet die

Heidenchristen nicht von der ethischen Anstrengung, weil die Auserwählung

nur am letzten Tag definitiv sein kann. Diese Einsicht können die Leser des Lu-

kas aus der Antwort Jesu an den Vertreter des jüdischen Volkes erschließen.

Die doppelte Einleitung 13,22-23 bildet den redaktionellen Rahmen, in dem Lk

die Q-Logien 13,24-29.34-35 auf die Situation seiner heidenchristlichen Kirche

hin interpretiert80

.

4. Die Q-Fassung

Fassen wir das Ergebnis der bisherigen Untersuchung in einer (hypothetischen!)

Rekonstruktion der Q-Fassung zusammen:

() [ ]

Das Wort gehört zu den sog. Einlasssprüchen, die vom Eingehen in das

Reich Gottes handeln. Der Form nach ist es ein prophetisch-apokalyptisches

Wort: derjenige, der es vorträgt, weiß auf Grund seines prophetischen Bewusst-

seins, nach welchen Regeln über den Zugang zum Reich Gottes entschieden

wird81. Das Wort enthält einen Aufruf und eine Begründung. Für den Q-Redak-

tor «ist das Wort ein Ruf zur Umkehr, die Chance der gegenwärtigen eschatolo-

gischen Stunde zu nutzen. Die «Enge Tür» ist ein Sinnbild für die Schwere der

geforderten Entscheidung (vgl. Mk 10,25 par. Lk 18,25). Der Aufruf wird durch

den warnenden Hinweis motiviert, dass es demnächst zu spät sein werde »82

.

Im Kontext von Q schließt sich das Logion passend dem Doppelgleichnis

vom Senfkorn und vom Sauerteig an (Lk 13,18-21 par. Mt 13,31-33). Diese

Kontrastgleichnisse sagen angesichts des Widerstandes gegen Jesus aus, dass

Gott aus dem kümmerlichsten Anfängen seine machtvolle Königsherrschaft

schaffen wird, die die Völker der Welt umfassen wird83

. Diese im Namen Got-

tes zugesagte Sicherheit hinsichtlich der kommenden, alles umfassenden Voll-

endung der Gottesherrschaft, darf jedoch die Zuhörer nicht irreführen, als wäre

der Zugang zum Gottesreich von seiten der Menschen ohne Umkehr oder ethi-

schen Einsatz möglich. Deswegen hat der Q-Redaktor dem Doppelgleichnis

eine kleine Spruchkette hinzugefügt, die von der Schwierigkeit des «Ein-

gehens» und der Gefahr des Hinausgeworfenwerdens handelt (Lk 13,24-30).

«Da ist zunächst das Wort vom Eingehen durch die enge Tür Lc 13,24) …, dar-

80 Cf. A. DENAUX, L’hypocrisie des Pharisiens et le dessein de Dieu. Analyse de Lc., XIII,31-

33, in L'Évangile de Luc (BETL, 32), Gembloux, 1973, pp. 245-258, bes. 247-248 und Anm.

8.

81 Cf. H. WINDISCH, Die Sprüche vom Eingehen in das Reich Gottes, in ZNW 27 (1928) 163-

192.

82 Cf. P. HOFFMANN (s. Anm. 36), p. 197.

83 Cf. J. JEREMIAS, Gleichnisse Jesu, Göttingen, 19622, p. 148.

Page 24: Das Jesuswort der zwei Wege im Epilog der Bergpredigt (Mt 7,13-14 par. Lk 13,23-24) Tradition und Redaktion

ADELBERT DENAUX 172

an anschließend die parabolische Beschreibung der fatalen Szene am Tor, wo

die Einlass Begehrenden schmählich abgewiesen werden (13,25-27), endlich

das Logion von den vielen, die zugelassen werden zur Festmahlzeit und den

Juden; die hinausgeworfen werden (3,28-29)». Gemeinsam ist diesen drei Sprü-

chen, dass sie den Eingang ins Reich als Zugang zu einer Festmahlzeit veran-

schaulichen84.

Ist es möglich, noch tiefer in die Traditionsgeschichte des Q-Logions Lk

13,24 par. Mt 7,13-14 einzudringen? Zunächst: das Wort vom Eingehen durch

die enge Tür war vor seiner Aufnahme in Q-Kontext wahrscheinlich ein selbst-

ändiges Logion85

. Nun entsprechen Form und Inhalt dieses Spruches durchaus

der prophetischen Reich-Gottesverkündigung Jesu (das Kohärenzkriterium)86

.

Es besteht deshalb kein Grund, das Logion der ipsissima vox Jesu abzuspre-

chen. Zweitens: vielleicht muss mit der Möglichkeit gerechnet werden, dass

der zweigliedrige Spruch Lk 13,24 schon selbst eine Kombination von zwei in

der Tradition herumlaufenden Einzellogien ist: (1) ein Alarmruf angesichts

der unmittelbar bevorstehenden eschatologischen Katastrophe: /87 und (2) ein prophetisch-apokalypti-sches Droh-

wort: (sc. ), (vgl. die förmliche und sachliche Ähnlichkeit mit Mt

22,14: 14 )88. Für die Zufügung

von bzw. würde dann derjenige verantwortlich sein,

der beide Einzellogien zusammengefügt hat (der Q-Redaktor oder ein älterer

Tradent?). Das Wort könnte schon zum ursprünglichen Logion gehört

haben, oder ein ursprünglicheres Wort ersetzt haben, als es mit Lk 13,25

kombiniert wurde. Selbstverständlich kann man hinsichtlich dieser Traditions-

schicht nicht über Vermutungen hinauskommen.

84 Cf. H. WINDISCH (s. Anm. 81), p. 165-166.

85 Es liegt der Kombination Lk 13,24.25 oder 13,24.25-27 eine Stichwortassoziation zu-

grunde: zwei isolierte, inhaltlich nicht ganz übereinstimmende Bildworte wurden in Q auf

Grund eines wichtigen, gemeinsamen Wortes miteinander verbunden. Die Unstimmig-

keit der Bilder ist eine zweifache: (1) «Die bereits geschlossene Tür 13,25 verträgt sich

schlecht mit der Mahnung, sich um den Eintritt durch die enge Tür zu bemühen» (H.-TH.

WREGE, Bergpredigt, p. 133); (2) «Die Tür ist in V. 25 eine ganz andere als in V. 24, wo die

diese Tür ja gar nicht suchen» (R. BULTMANN, Geschichte, p. 138). Lk 13,25 ist nicht

erst vom LkRd hier eingefügt worden, sondern vom Q-Redaktor: vgl. A. DENAUX, De sectie

(s. Anm. 75), pp. 333-346.

86 Vielleicht muss für den ersten Teil des Logions (der Aufruf «Geht durch das enge Tor»)

auch das Diskrepanzkriterium berücksichtigt werden. Hinsichtlich der Proklamation der ein-

brechenden Gottesherrschaft gibt es im gewissen Sinne schon jetzt die Möglichkeit, in das

Gottesreich einzutreten. Zum Thema der Authentizitätskriteria, siehe R. LATOURELLE, Cri-

tères d’authenticité historique des Évangiles, in Gregorianum 55 (1974) 609-637.

87 In diesem Sinne G. SCHWARZ, Matthaus VII,13a. Ein Alarmruf angesichts höchster Gefahr,

in NT 12 (1970) 229-232.

88 R. BULTMANN, Geschichte, p. 110, erwägt die Möglichkeit, dass Mk 10,31 und Mt 22,14

echte Jesusworte sind, «wenn dies nicht traditionelle Sätze jüdischer Apokalyptik sind».

Aber auf Grund welchen Prinzips kann Bultmann Jesus den Gebrauch jüdisch-apokalyp-

tischer Drohworte absagen? Jesus war doch auch ein Jude!

Page 25: Das Jesuswort der zwei Wege im Epilog der Bergpredigt (Mt 7,13-14 par. Lk 13,23-24) Tradition und Redaktion

DAS JESUSWORT DER ZWEI WEGE IM EPILOG DER BERGPREDIGT

173

IV. Schlussfolgerungen

Zum Schluss sei uns gestattet, einige Folgerungen methodologischer Art aus

unserer Untersuchung zu ziehen.

l. Die synchrone Analyse der Evangelien (bzw. bestimmter Abschnitte)

muss auch unabhängig von der diachronen Analyse durchgeführt werden kön-

nen. Sie ist der redaktionsgeschichtlichen Forschung ein wichtiges Mittel, um

bestimmten Tendenzen, Auffassungen usw. der Redaktion auf die Spur zu

kommen. In der gegenwärtigen Forschung steht die synchrone Analyse m.E.

noch zuviel im Schatten der traditionsgeschichtlichen Untersuchung. Beide

Formen der Analyse müssen sich relativ selbständig mit dem Text beschäftigen,

einander in Gleichgewicht halten und ergänzen.

2. Welche Argumente oder Kriteria werden für oder wider die Q-Hypothese

angewendet? Welchen Wert haben sie? Werden sie konsequent gebraucht oder

werden sie vernachlässigt, ja einfach übergangen? Wir geben drei Beispiele:

a. Das Argument der gemeinsamen (absoluten oder partiellen) Akoluthie ist

nach der Meinung der Verteidiger der Q-Hypothese von großem Gewicht. Wie

erklären die Anhänger der Hypothese der mündlichen Tradition diesen Sach-

verhalt, oder übergehen sie ihn einfach? Es genügt nicht, ein Logion abzuson-

dern und dessen Traditionsgeschichte klären zu wollen, wenn man nicht auch

seinen Platz im Rahmen der Mt/LkTradition berücksichtigt.

b. Das Argument, dass der sog. semitische Parallelismus ein sicheres Indiz

des ursprünglichen Charakters eines Jesuswortes ist, hat sich als nicht tragfähig

erwiesen (siehe III.2.a). Die Redefigur des Parallelismus ist nicht ein Monopol

der ältesten oder ursprünglichen Schicht der Tradition. Das semitische Kolorit

der Jesusworte darf daher nur mit großer Behutsamkeit zur Scheidung von Tra-

dition und Redaktion angewendet werden.

c. Das Argument des redaktionellen Vokabulars oder Stils muss konsequent

angewendet werden. Wenn z.B. die Mt-Fassung eines Jesuswortes typisch mat-

thäische Vorzugswörter oder -wendungen enthält, dann folgt daraus nicht unbe-

dingt, dass die Lk-Fassung ursprünglicher ist. Es könnte sein, dass auch diese

Spuren redaktioneller Bearbeitung aufweist. Man muss daher den ganzen Wort-

laut der beiden Fassungen auf seinen redaktionellen oder traditionellen Gehalt

prüfen. Wenn dann beide Fassungen redaktionelle Eigentümlichkeiten aufzei-

gen, ist es schwer bzw. unmöglich, den Wortlaut der Q-Fassung zu rekonstruie-

ren.

3. Ein Vergleich der wichtigsten Rekonstruktionsversuche des vollständigen

Q-Textes (A. Harnack, J. Schmid, T.W. Manson, S. Schulz, A. Polag, W.

Schenk) zeigt, dass die Forscher zu sehr verschiedenen Ergebnissen kommen.

Deshalb scheint es uns wichtig, die Bemühungen der Q-Forschung in nächster

Zeit auf die genaue literarkritische Untersuchung von kleineren Texteinheiten

der Mt/LkTradition zu lenken (so wie hier versucht wurde), in der Absicht den

griechischen Text der Quelle zu rekonstruieren (und nicht nur die deutsche,

englische oder französische Übersetzung, was relativ leichter ist). Diese analy-

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ADELBERT DENAUX 174

tische, literarkritische Arbeit verdient gewissermaßen den Vorzug, da die Er-

gebnisse der eher synthetischen Q-Forschung (etwa nach Schichten in Q, nach

der Q-Redaktion oder der Theologie von Q) weitgehend von dem Sicherheits-

grad abhängig sind, den man in der Rekonstruktion des hypothetischen Q-

Dokuments erreicht hat.

Page 27: Das Jesuswort der zwei Wege im Epilog der Bergpredigt (Mt 7,13-14 par. Lk 13,23-24) Tradition und Redaktion

DAS JESUSWORT DER ZWEI WEGE IM EPILOG DER BERGPREDIGT

175

Anhang

Parallellismen in markinischen Jesusworten

und ihre Bearbeitung durch die Seitenreferenten Mt und Lk

Die Liste der Mk-Texte ist entnommen aus F. NEIRYNCK, Duality in Mark

Contributions to the Study of the Markan Redaktion (BETL, 31), Leuven 1972,

pp. 133-134. Neirynck gibt 71 Belege. Wir fügen drei Belege hinzu: Mk 8,34;

10,40; und 13,8a. Es handelt sich stets um Jesusworte, außer Mk 1,3.7.8; 11,28.

Bei jedem Mk-Text notieren wir mit den Ziffern (l) bis (5) die Weise mit der Mt

und Lk den Parrallelismus des Markus bearbeiten. Wir unterscheiden fünf Arten

der Bearbeitung:

(l) Übernahme ohne (nennenswerte) Änderungen.

(2) Der Seitenreferent hat den Parallelismus des Mk-Wortes gestrafft, schärfer

hervortreten lassen oder die wörtliche Symmetrie verstärkt.

(3) Der Parallelismus bzw. die Symmetrie des Mk-Wortes wird durch den Sei-

tenreferenten erweicht.

(4) Der Mk-Text wird so umgearbeitet, dass der Parallelismus ausfällt.

(5) Der Mk-Text (und demzufolge auch der Satzparallelismus) wird durch den

Seitenreferenten nicht übernommen.

Synonymer, antithetischer (*), klimaktischer (**) Parallelismus.

Mk

1,3 (Zit.) Mt (1) Lk (1) Mt 3,3 ; Lk 3,4

1,7 Mt (5) Lk (5) (siehe Q: Mt 3,11 = Lk 3,16)

*1,8 Mt (5) Lk (5)

2,17 Mt (1) Lk (3) Mt 9,12-13 ; Lk 5,31-32

2,19 Mt (4) Lk (4) Mt 9,15 ; Lk 5,34

*2,19.20 Mt (2) Lk (1) Mt 9,15 ; Lk 5,34

2,21.22 Mt (2) Lk (3) Mt 9,16.17 ; Lk 5,36.37

*2,22 Mt (2) Lk (1) Mt 9,17ab.cd ; Lk 5,37-38

*2,27 Mt (5) Lk (5)

2,27.28 Mt (4) Lk (4) Mt 12,8 ; Lk 6,5

3,4 Mt (4) Lk (1) Mt 12,12 ; Lk 6,9

3,24.25.26 Mt (5) Lk (5) (siehe Q : Mt 12,25-25 = Lk 11,17)

*3,28.29 Mt (5) Lk (5) (siehe Q : Mt 12,31-32 = Lk 12,10)

*3,33.34 Mt (2) Lk (4) Mt 12,48.49 ; Lk 8,21

4,4.5-6.7 Mt (1) Lk (1) Mt 13,4-7 ; Lk 8,5-7

*4,4-7.8 Mt (1) Lk (1) Mt 13,4-8 ; Lk 8,5-8

*4,11 Mt (2) Lk (3) Mt 13,11 ; Lk 8,10a

4,12 (Zit.) Mt (2) Lk (2) Mt 13,13 ; Lk 8,10b

4,13 Mt (4) Lk (4) Mt 13,18 ; Lk 8,15

4,15.16-17.18-19 Mt (2) Lk (3) Mt 13,19-22 ; Lk 8,12-14

*4,15-19.20 Mt (2) Lk (3) Mt 13,19-23 ; Lk 8,12-15

*4,21 Mt (5) Lk (3) –– ; Lk 8,16 (vgl. Q : Mt 5,15 = Lk 11,33)

4,22 Mt (5) Lk (3) –– ; Lk 8,17 (vgl. Q : Mt 10,26 = Lk 12,2)

4,24 Mt (5) Lk (5) (siehe Q : Mt 7,2 = Lk 6,37a.38b)

*4,25 Mt (3)(2) Lk (3)(2) Mt 13,12 ; Lk 8,18 (vgl. Q : Mt 25,29

= Lk 19,26)

4,30 Mt (4) Lk (1) Mt 13,31 ; Lk 13,18

*4,31-32 Mt (3)(2) Lk (4) Mt 13,31-32 ; Lk 13,19

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ADELBERT DENAUX 176

*6,10.11 Mt (5) Lk (3) –– ; Lk 9,4 (vgl. Q : Mt 10,11.14

= Lk 10,10-11)

*7,6 (Zit.) Mt (1) Lk (5) Mt 15,8 ; ––

*7,7 (Zit.) Mt (1) Lk (5) Mt 15,8 ; ––

*7,8 Mt (4) Lk (5) Mt 15,3b ; ––

*7,9 Mt (5) Lk (5)

*7,10 (Zit.) Mt (1) Lk (5) Mt 15,4 ; ––

*7,10.11-12 Mt (1) Lk (5) Mt 15,4.5-6 ; ––

*7,13 Mt (4) Lk (5) Mt 15,6b ; ––

*7,15 Mt (2) Lk (5) Mt 15,11 ; ––

*8,12 Mt (5) Lk (5) (siehe Q : Mt 16,4 = Lk 11,29)

8,17 Mt (4) Lk (5) Mt 16,8 ; –– (Mt 16,5-12: Chiasmus)

8,18 (Zit.) Mt (4) Lk (5) Mt 16,9 ; ––

8,34 Mt (1) Lk (3) Mt 16,24 ; Lk 9,23 (vgl. Q : Mt 10,38

= Lk 14,27: kein Parallelismus)

*8,35 Mt (2) Lk (2) Mt 16,25 ; Lk 9,24 (vgl. Q : Mt 10,39

= Lk 17,33)

8,36.37 Mt (1) Lk (3) Mt 16,26 ; Lk 9,25

8,38 Mt (4) Lk (3) Mt 16,27 ; Lk 9,26 (vgl. Q : Mt 10,32.33

= Lk 12,8-9)

9,19 Mt (1) Lk (3) Mt 17,17 ; Lk 9,41

**9,37 Mt (4) Lk (2) Mt 18,5 ; Lk 9,48 (vgl. Q : Mt 10,40

= Lk 10,16)

9,43.45.47 Mt (2)(3) Lk (5) Mt 18,8-9 ; ––

9,48 (Zit.) Mt (5) Lk (5)

*10,9 Mt (1) Lk (5) Mt 19,6

10,11.12 Mt (4) Lk (5) Mt 19,7 ; –– (vgl. Q : Mt 5,32 = Lk 16,18)

10,14 Mt (2) Lk (3) Mt 18,14 ; Lk 18,16

*10,18 Mt (2) Lk (1) Mt 18,17 ; Lk 18,19

*10,27 Mt (2) Lk (4) Mt 10,27 ; Lk 18,27

*10,31 Mt (1) Lk (2) Mt 19,30 (20,16) ; Lk 13,30

10,38 Mt (4) Lk (5) Mt 20,22 ; ––

10,39 Mt (4) Lk (5) Mt 20,23 ; ––

*10,40 Mt (2) Lk (5) Mt 20,23 ; ––

10,42 Mt (2) Lk (3) Mt 20,25 ; Lk 22,25

*10,42.43-44 Mt (2) Lk (3) Mt 20,25.26-27 ; Lk 22,25.26

10,43-44 Mt (2) Lk (3) Mt 20,26-27 ; Lk 22,26

10,45 Mt (1) Lk (4) Mt 20,28 ; Lk 22,27

*11,17 (Zit.) Mt (2) Lk (2) Mt 21,13 ; Lk 19,46

11,28 Mt (2) Lk (2)(3) Mt 21,23 ; Lk 20,2

12,17 Mt (1) Lk (1) Mt 22,21 ; Lk 20,25

*12,44 Mt (5) Lk (2)(3) –– ; Lk 21,4

13,8a Mt (1) Lk (1) Mt 24,7 ; Lk 21,14

*13,11 Mt (2) Lk (4) Mt 24,19 ; Lk 21,14

*13,20 Mt (2) Lk (5) Mt 24,22 ; ––

13,24 (Zit.) Mt (1) Lk (4) Mt 24,29a ; Lk 21,25a

13,25 (Zit.) Mt (2) Lk (4) Mt 24,29b ; Lk 21,25b.26

13,28.29 Mt (1) Lk (3) Mt 24,32-33 ; Lk 21,30-31

*13,31 Mt (1) Lk (1) Mt 24,35 ; Lk 21,33

*14,7 Mt (1) Lk (5) Mt 26,11 ; ––

*14,38b Mt (1) Lk (5) Mt 26,41 ; ––

*14,58 Mt (1) Lk (5) Mt 26,61

Page 29: Das Jesuswort der zwei Wege im Epilog der Bergpredigt (Mt 7,13-14 par. Lk 13,23-24) Tradition und Redaktion

DAS JESUSWORT DER ZWEI WEGE IM EPILOG DER BERGPREDIGT

177

A. Ergebnis

Mt Lk

Kategorie (1) 20x 11x

Kategorie (2) 23x + 3x (teilweise) 5x + 3x (teilweise)

Kategorie (3) 1x + 3x (teilweise) 17x + 3x (teilweise)

Kategorie (4) 14x 10x

Kategorie (5) 13x 28x

71x + 3x = 74x 71x + 3x = 74x

Anhang II

Parallesismus (membrorum) in der Mt/Lk-Tradition

Wir geben eine (möglichst vollständige) Liste von 93 Jesusworten (mit Aus-

nahme von Lk 3,8.16.17[2x], die dem Täufer zugeschrieben werden) in der

Mt/Lk-Tradition, die formal einen parallelen Satzbau aufzeigen. Wir unter-

scheiden fünf Gruppen:

(l) Worte, die in Mt und Lk in gleicher Weise einen Satzparallelismus bzw. eine

Symmetrie haben. Die eventuellen terminologischen Unterschiede ändern die

formelle Struktur des Parallelismus nicht.

(2) Der Parallelismus der Mt-Fassung ist straffer oder symmetrischer als die Lk-

Fassung.

(3) Die Mt-Fassung hat einen Satzparallelismus; die Lk-Fassung nicht.

(4) Der Parallelismus der Lk-Fassung ist straffer oder symmetrischer als die Mt-

Fassung.

(5) Die Lk-Fassung hat einen Satzparallelismus; die Mt-Fassung nicht.

Die Belege von Parallelismen in matthäischen oder lukanischen Sg-Versen in-

nerhalb eines Q-Kontextes sind nicht in diese Liste aufgenommen. Ein antitheti-

scher Parallelismus wird mit einem Asterikus (*) angedeutet. Wir übernehmen

die Lk-Ordnung.

Lk Mt

*3,8b-c = 3,9 (1)

*3,16 = 3,11 (2x) (2)

3,17a.b = 3,12a.b (3)

*3,17c.d = 3,12c.d (2)

4,4 (Zit.) = 4,4 (3)

*6,20b-23.24-26 = 5,3.6.11-12 (5)

6,27-28 = 5,44 (5)

6,29 = 5,39b-40 (4)

6,30 = 5,42 (4)

6,31 = 7,12 (2)

6,32-34 = 5,46-47 (2)

6,35 = 5,45 (3)

6,37 = 7,1 (5)

6,38 = 7,2 (3)

6,40 = 10,24-25 (2)

Page 30: Das Jesuswort der zwei Wege im Epilog der Bergpredigt (Mt 7,13-14 par. Lk 13,23-24) Tradition und Redaktion

ADELBERT DENAUX 178

*6,41 = 7,3 (4)

*6,42b = 7,4b (2)

6,42c = 7,5 (2)

*6,41-42b.42c = 7,3-4.5 (2)

6,43 = 7,18 (7,17) (1)

6,44b = 7,16b (1)

*6,45 = 12,35 (2)

*6,46 = 7,21 (3)

*6,47-48.49 = 7,24-25.26-27 (2)

7,8 = 8,9 (1)

*7,24-25.26 = 11,7-8.9 (2)

*7,28 = 11,11 (2)

7,31 = 11,16a (5)

7,32b = 11,17 (1)

*7,33.34 = 11,18.19 (2)

*9,58 = 8,20 (1)

*10,2 = 9,37 (1)

*10,6 = 10,13 (2)

*10,8-9.10-11 = 10,7.8.14 (5)

*10,15 (Zit.) = 11,23 (2)

*10,16a.b = 10,40a (5)

*10,16a-b.c = 10,40a.b (1)

*10,21 = 11,25 (1)

10,23 = 13,16 (3)

10,24 = 13,17 (2)

*10,23.24 = 13,16.17 (2)

*11,4c = 6,13a.b (3)

11,9.10 = 7,7.8 (1)

11,11.12 = 7,9.10 (2)

11,13 = 7,11 (2)

11,17 = 12,25 (2)

*11,19.20 = 12,27.28 (1)

11,23 = 12,30 (1)

(*)*11,29 = 12,39 (1)

11,31.32 = 12,42.41 (2)

*11,34b-c.d-e = 6,22b.23a (2)

*11,39 = 23,25 (2)

*11,41 = 23,26 (3)

11,39-41 = 23,25-26 (2)

*11,42 = 23,23 (4)

*11,44 = 23,27 (23,28) (3)

11,46 = 23,4 (4)

11,47a = 23,29 (3)

*11,47a.b = 23,29.30 (5)

*11,48 = 23,31 (5)

12,2 = 10,26 (1)

*12,3a.b = 10,27a.b (2)

*12,3c.d = 10,27c.d (2)

12,3a-b.c-d = 10,27a-b.c-d (2)

*12,4.5 = 10,28a.b (2)

*12,8-9 = 10,32.33 (2)

*12,10 = 12,32 (2)

12,22-23 = 6,25 (1)

*12,29.31 = 6,31.33 (4)

Page 31: Das Jesuswort der zwei Wege im Epilog der Bergpredigt (Mt 7,13-14 par. Lk 13,23-24) Tradition und Redaktion

DAS JESUSWORT DER ZWEI WEGE IM EPILOG DER BERGPREDIGT

179

*12,33 = 6,19-20 (3)

*12,42-44.45-46 = 24,45-47.48-51 (1)

12,46a = 24,50 (1)

12,46b = 24,51 (1)

*12,51 = 10,34 (2)

12,52-53 = 10,35 (2)

*13,23.24 = 7,13.14 (3)

*13,28 = 8,11-12 (3)

13,34a = 23,27a (1)

*13,34b = 23,27b (1)

*14,11 (18,14) = 23,12 (1)

14,18-20 = 22,5 (5)

14,26-27 = 10,37-38 (2)

*16,13 = 6,24 (1)

16,16b = 11,12b (2)

16,18 = 5,32 (4)

*17,3 = 18,15 (4)

17,26-30 = 24,37-41 (5)

*17,33 = 10,39 (2)

*17,34 = 24,40 (2)

*17,35 = 24,41 (2)

17,34.35 = 24,40.41 (2)

19,16-19 = 20,20-23 (2)

*19,26 = 25,29 (2)

Ergebnis:

Gruppe (1): 22 Fälle

Gruppe (2): 40 Fälle

Gruppe (3): 13 Fälle

Gruppe (4): 8 Fälle

Gruppe (5): 10 Fälle

93 Fälle