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I! Zeitschrift des Historischen Vereines für Steiermark Jahrgang 59 (1968) Das französische Hauptquartier in Judenburg 1797 Von JOHANN ANDRITSCH Über die Invasion der französischen Revolutionstruppen in Judenburg im Jahre 1797 sind wir durch die ausführlichen und gründlichen Berichte des Stadtpfarrers und Historikers Alois Friedrich Leithner sehr gut in- formiert 1 . Seine genauen Schilderungen — auf Augenzeugenberichte und eigene Erlebnisse gestützt — geben ein verläßliches und packendes Bild von der Drangsal der Stadt in der Zeit von 1797 bis 1809. Von späteren Historikern wurden seine Ausführungen gründlich ausgewertet und stellenweise ergänzt 2 . Ein im Stadtpfarrarchiv Judenburg kürzlich auf- gefundenes Aktenstück, das mit notarieller Akribie die Einzelheiten des Monats April 1797 anführt, und die Korrespondenz Napoleons aus Ju- denburg veranlaßten mich, der Aufhellung einer lokalgeschichtlich höchst bewegten Zeit mit dem folgenden Beitrag zu dienen. Den Vormarsch nach Judenburg leitet Napoleon von seinem Haupt- quartier in Schcifling (Schloß Schrattenberg) aus. Am 3. und 4. April zieht der General von Friesach über den Neumarkter Sattel nach Scheif- ling. Auf dieser Strecke gibt es bei Bad-Einöd noch eine blutige Schlacht, bei der die Österreicher sehr hohe Verluste zu verzeichnen haben und noch in der Nacht zum 3. April bis Unzmarkt zurückweichen müssen. Die Nachhut der kaiserlichen Truppen mit den Generälen Brady und Ocskay sollte die Vorhut der Franzosen unter General Massena auf- halten 3 . Die Österreicher erreichen bereits am 1. und 2. April Judenburg; das Oguliner-Regiment fungiert als Quartiermacher. Nach dem schweren 1 A. Fr. L e i t h n e r , Getreue Schilderung der Ereignisse in der Kreisstadt Juden- burg beim Einfall der französischen Armee 1797. Judenburg 1839. — Ders., Versuch einer Monographie über die k. k. Kreisstadt Judenburg. Judenburg 1840, S. 132 ff. 2 Franz Martin M a y e r , Steiermark im Franzosenzeitalter. Graz 1888. — Karl G r i l l , Judenburg einst und jetzt. Judenburg 1925, S. 51 ff. — Hannes D r a w e t z, Judenburg in den Franzosenkriegen. Blätter für Heimatkunde, 34. Jg., Heft 2, S. 47 ff., Graz 1960. 3 Edmund G l a i s e - H o r s t e n a u , Der erste Koalitionskrieg im Jahre 1797 mit besonderer Berücksichtigung der Kämpfe bei Bad-Einöd. Österreichische Wehrzeitung, XXXV— XXXVI. Heft, 1929. — M a s s e n a , Memoires. Paris 1848, 2. Bd., S. 360. 15
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Das französische Hauptquartier in Judenburg 1797 · bei der die Österreicher sehr hohe Verluste zu verzeichnen haben und noch in der Nacht zum 3. April bis Unzmarkt zurückweichen

Jun 17, 2020

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Page 1: Das französische Hauptquartier in Judenburg 1797 · bei der die Österreicher sehr hohe Verluste zu verzeichnen haben und noch in der Nacht zum 3. April bis Unzmarkt zurückweichen

I !

Zeitschrift des Historischen Vereines für Steiermark Jahrgang 59 (1968)

Das französische Hauptquartier in Judenburg 1797

Von JOHANN ANDRITSCH

Über die Invasion der französischen Revolutionstruppen in Judenburg im Jahre 1797 sind wir durch die ausführlichen und gründlichen Berichte des Stadtpfarrers und Historikers Alois Friedrich Leithner sehr gut in­formiert1. Seine genauen Schilderungen — auf Augenzeugenberichte und eigene Erlebnisse gestützt — geben ein verläßliches und packendes Bild von der Drangsal der Stadt in der Zeit von 1797 bis 1809. Von späteren Historikern wurden seine Ausführungen gründlich ausgewertet und stellenweise ergänzt2. Ein im Stadtpfarrarchiv Judenburg kürzlich auf­gefundenes Aktenstück, das mit notarieller Akribie die Einzelheiten des Monats April 1797 anführt, und die Korrespondenz Napoleons aus Ju­denburg veranlaßten mich, der Aufhellung einer lokalgeschichtlich höchst bewegten Zeit mit dem folgenden Beitrag zu dienen.

Den Vormarsch nach Judenburg leitet Napoleon von seinem Haupt­quartier in Schcifling (Schloß Schrattenberg) aus. Am 3. und 4. April zieht der General von Friesach über den Neumarkter Sattel nach Scheif-ling. Auf dieser Strecke gibt es bei Bad-Einöd noch eine blutige Schlacht, bei der die Österreicher sehr hohe Verluste zu verzeichnen haben und noch in der Nacht zum 3. April bis Unzmarkt zurückweichen müssen. Die Nachhut der kaiserlichen Truppen mit den Generälen Brady und Ocskay sollte die Vorhut der Franzosen unter General Massena auf­halten3.

Die Österreicher erreichen bereits am 1. und 2. April Judenburg; das Oguliner-Regiment fungiert als Quartiermacher. Nach dem schweren

1 A. Fr. L e i t h n e r , Getreue Schilderung der Ereignisse in der Kreisstadt Juden­burg beim Einfall der französischen Armee 1797. Judenburg 1839. — Ders., Versuch einer Monographie über die k. k. Kreisstadt Judenburg. Judenburg 1840, S. 132 ff.

2 Franz Martin M a y e r , Steiermark im Franzosenzeitalter. Graz 1888. — Karl G r i l l , Judenburg einst und jetzt. Judenburg 1925, S. 51 ff. — Hannes D r a w e t z, Judenburg in den Franzosenkriegen. Blätter für Heimatkunde, 34. Jg., Heft 2, S. 47 ff., Graz 1960.

3 Edmund G l a i s e - H o r s t e n a u , Der erste Koalitionskrieg im Jahre 1797 mit besonderer Berücksichtigung der Kämpfe bei Bad-Einöd. Österreichische Wehrzeitung, XXXV— XXXVI. Heft, 1929. — M a s s e n a , Memoires. Paris 1848, 2. Bd., S. 360.

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Gefecht bei Bad-Einöd trifft auch die Haupttriippe am 3. April hier ein. Generalmajor Brady und Generalfeldmarschall Mercantin (Mercandin) schlagen für einen Tag ihr Quartier im Pfarrhof auf.

Erzherzog Karl, der Oberbefehlshaber der österreichischen Truppen, kommt um sieben Uhr abends mit seinem Stab — bestehend aus acht Generälen und 70 Stabsoffizieren — in unserer Stadt an und logiert im Hause des Bürgermeisters Franz Marko. Die Stadt ist bereits früher als Hauptquartier der Österreicher vorgesehen gewesen, und man hat in Blitzeseile die ehemalige Jesuitenkirche zum k. k. Monturdepot einge­richtet. Der lange Flüchtlingsstrom zieht bereits seit Monaten von Kärn­ten her, so daß nicht nur der Hauptplatz, sondern auch die Höfe der 140 Bürgerhäuser von den Wagen der Fliehenden vollbesetzt sind. Die k. k. Dienststellen werden aufgelöst, nur Kreishauptmann Andreas Pucher, Franz Gratta von Heinrichsberg (Inhaber der Herrschaft Weyer), der k. k. Kreiskommissär Johann Caj. Poliner und Kreisamtspraktikant Elias Freiherr von Spiegelfeld bleiben im Kreisamt (Martinihof) zurück4. Alle Vorkehrungen sind umsonst. Am Morgen des 4. April verläßt Erz­herzog Karl die Stadt, seine Armee folgt ihm um elf Uhr vormittag. Eine Abteilung Husaren vom Regiment „Erzherzog Joseph'' muß noch in der Nähe von Rothenthurm und Grünhübl die Franzosen aufhalten. Ge­kämpft wird noch bis zum Stadttor (Kärntnertor). Die Bürgerschaft sperrt ängstlich die Haustore, und um sechs Uhr abends marschiert die gefürchtete Division Massenas ein. Der Einmarsch dauert bis neun Uhr: auf den Straßen nach Knittelfeld und Weißkirchen sowie bei den Schlöp-sern Liechtenstein und Authal gibt es noch weitere Gefechte. Das Depot in der Kaserne wird sofort beschlagnahmt.

Um sieben Uhr erscheint der französische Kommissär für Verpflegung bei der „Munizipalität" und schreibt der Stadt als Forderung 30.000 Ra­tionen Brot, 1000 Rationen Wein, 60 Schlachtochsen und 100 Säcke Hülsenfrüchte vor. Nachdem die Stadtväter erwidern, man könne die hohe Brotforderung nicht erfüllen, läßt Massena diese zu sich in sein Quartier im Pfarrhof rufen und bedroht sie mit den härtesten Strafmaß­nahmen. So beugt man sich der Erpressung und kommt den Forderungen bis zum nächsten Morgen nach.

Die französischen Truppen erhalten indes genaue Weisungen aus Scheifling. Am 4. April ergeht an Massena der Befehl, in Richtung Leoben zu marschieren und noch an diesem Tag Judenburg zu erreichen:

4 L e i t h n e r , Monographie. Die angeführten Beamten erhielten als Dankba r s t für ihr aufopferndes Wirken während der Okkupationszeit spater das Burgerreo der Stadt Judenburg.

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Wie wir sehen, vollzieht sich dies planmäßig. Massena möge die Straßen­abzweigung nach Rottenmann über Zeiring (Zeyring) nicht übersehen und in diese Richtung Aufklärer senden5. Aus Scheifling ergeht auch ein stolzer Bericht an das Direktorium in Paris über die Schlachten bei Neu­markt und Unzmarkt8. Nachdem Bonaparte von der Einnahme Juden-burgs erfahren hat, erteilt er noch am 5. April abends um zehn Uhr dem General Massena die Order, von Judenburg aus nach Knittelfeld bzw. nach Leoben vorzustoßen; dabei mögen jedoch die Abzweigungen nach Seckau und bei St. Peter (!)' genau erkundigt werden. Dem General Chabot, der nach Massena am 5. April in Judenburg einzieht, schreibt er vor, bis Mittag des 6. April in Judenburg zu verbleiben und abzuwarten, ob Massena im Kampf um Knittelfeld etwa seiner Hilfe bedürfe. Wenn Chabot von Massena erführe, daß Knittelfeld genommen sei, dann solle er rasch die Straße bis Rottenmann besetzen, weiters einen Pionier-Offi­zier mit Spähtrupp nach Obdach entsenden8. Bonaparte will insbesondere die Talverbindungen nach dem Westen gesichert wissen, damit die aus Tirol zurückziehenden kaiserlichen Truppen (General Spork) sich nicht mit den Truppen Erzherzog Karls im Murtal vereinen können. Diesen Vorkehrungen dienen auch die Befehle, die aus Scheifling an die Gene­räle Guieu (Guyeux) in Friesach und Bon im Lungau ergehen, die Ver­bindungen nach Spittal/Drau bzw. nach dem Salzburgischen aufrechtzu­erhalten und erst nach Sicherung der Flanken ihre Divisionen murab-wärts ziehen zu lassen9. Am 6. April verläßt Napoleon Scheifling und erreicht noch am selben Tag Judenburg, wo er im Pfarrhof sein neues Hauptquartier aufschlägt.

Außer Bonaparte wohnen hier noch vier Generäle: der schweigsame Berthier, später Marschall und Fürst von Neufchätel sowie Herzog von Wagram; der Generaladjutant Sulkovsky, ein Pole, der als Dolmetsch fungiert; die Generäle Villemency und Lederque, dieser als Generaladju­tant. Dem Stab gehören noch 36 Offiziere an, die mit 24 Dienern, 250 Dragonern und mit insgesamt 310 Pferden ebenfalls im Pfarrhof unter­gebracht werden. Erwägt man die Kapazität der Pfarrgebäude (Pfarrhof. Mesnerhaus und das damals vor dem Stadtturm stehende Beiiefiziaten-haus), so muß man annehmen, daß mit den Offizieren und ihren Dome­stiken wohl alle Zimmer voll belegt waren. Die gemeinen Soldaten und

• Correspondence de Napoleon I. Paris 1859, 2. Bd., Nr. 1684. 6 Ebenda, Nr. 1690. 7 Ebenda. Nr. 1694. Die Ortsangabe ..St. Pe te r" muß ein I rr tum sein: . . . . . ä Knit­

telfeld. II fera reconnaitre le pays depuis cette ville, sur Sekkau et Saint-Peter, le long d'un petit ruisseau qui remonte du cöte de Rottenmann . . ." Also muß St. Michael gemeint sein.

8 Correspondence, Nr. 1695. 8 Ebenda, Nr. 1699.

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die Pferde mußten teils im Wirtschaftsgebäude hausen, teils frei biwa­kieren. Hiezu dient der geräumige Hof der Pfarre und der freie Platz um die Kirche, wo zehn Jahre früher der Friedhof aufgelassen worden ist. Aus dem Ausweis des Stadtpfarrers ist es allerdings klar ersichtlich, daß alle Personen und Tiere ausschließlich von der Pfarre erhalten wer­den mußten. Zu den Erwähnten kommen noch 50 Dragoner und 56 Pferde, die im Meierhof verbleiben, hinzu.

Das Heer, das etwa 70.000 Mann zählt, läßt sich auf den naheliegen den Feldern und auf dem Hauptplatz nieder. Außer den kämpfenden Truppen muß die Stadt mit ihrer Umgebung auch die mitziehenden Zivilpersonen, darunter zahlreiche Weiber, erdulden. Napoleon hat be­reits in Scheifling einen Tagesbefehl herausgegeben, in dem er nur den Waschfrauen und dem weiblichen Kantinenpersonal den Weitermarscli mit den Truppen erlaubt, den Offizieren jedoch verbietet, Frauen mit­ziehen zu lassen, denn sie gäben den einfachen Soldaten ein schlechtes Beispiel10. Auch die Waschfrauen und Kantinenweiber müßten binnen fünf Tagen zur Nachhut zurückkehren. Sie sind also in Judenburg noch bei der Haupttruppe11 .

Zeitgenössische Schilderungen geben über die Franzosen ein belebtes Bild. Der Leobncr Bürgermeister, Franz Dirnpöck, beschreibt in seinem Bericht an das Gubernium die Fremden: „Die französische Armee war schlecht behoßt und beschuht und hielt sich sehr unreinlich. In ihren Kleidungen herrschte ungeachtet der bei ihnen beliebten Egalite die größte Unglaichheit. Einer hatte blaue Strümpfe mit Weibsbilder­zwickeln, ein anderer einen lodenen Bauernrock, Einer wieder einen runden Hut, und so ging es untereinander12." Andere Quellen sagen wiederum aus, wie die Sieger teils barfuß, teils mit geraubten Bauern­kleidern oder auch in dunkelblauen Fracks und Hosen, mit dreieckigen Hüten die Marseillaise singend dahinziehen, auf ihren kurzen Bajonetten Speck, Brot und Geflügel aufgespießt mitnehmen13. Bemerkenswert aber ist die Beurteilung des „Obergenerals" seitens der Judenburger Bevölke­rung. Während Massena und seine Truppen sehr anmaßend und mit aller militärischen Härte auftreten, ist die Audienz der Judenburger Bürger

10 Correspondence, Nr. 1697: „Ordre du jour", Scheifling, 5. April 1797. — Das­selbe auch in Leoben, 17. April 1797. Ebenda, Nr. 1742.

11 Gleichzeitig mit der Verkündung des Vorfriedens zu Leoben gebar eine mit den Truppen mitziehende Frau einen Sohn, welchem auf Befehl Napoleons der Tauf­name ,.Pacificus" gegeben wurde. M a y e r , a. a. O., S. 70.

12 Dirnpöcks Meldung: „Ueber das Dasein der Franzosen in Leoben 1797" be­findet sich in Ahschrift im Steiermärkischen Landesarchiv, gedruckt im „Obersteirer-blatt", Dezember 1884 und Jänner 1885. — Vgl. M a y e r , S. 46.

13 Georg A. P i c h I e r, Salzburgs Landesgeschichte. Salzburg 1876. S. 676. Richard K n a b 1, Die Franzosen in Graz. Wien, o. J. (1859), S. 1.

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bei Napoleon in einem mehr gefälligen Ton verlaufen. Bonaparte spricht freundlich zu den Judenburgern und verspricht sogar die Vergütung ihrer Schäden, er zeigt Interesse an den schulischen Anstalten der Stadt und will auch die Einstellung der Bevölkerung zu den neuen Ideen der Fran­zösischen Revolution erfahren. Dies scheint dem ehemaligen Jakobiner und Freund Robespierres wohl wichtig, da er mit seiner Invasion in Italien und in Österreich die Mission verbunden hat, die Parolen von der ..Liberte — Egalite — Fraternite" auch im übrigen Europa zu ver­breiten und einen republikanischen Geist wachzurufen.

Napoleon verfaßt in Judenburg insgesamt 18 wichtige Schriften, von denen das Dokument über den W a f f e n s t i l l s t a n d wohl das histo­risch bedeutsamste ist.

Bereits in Klagenfurt eröffnet Napoleon am 31. März die Friedens­verhandlungen mit den Österreichern. Er schreibt an diesem Tag zwei Briefe an Erzherzog Karl: In einem beteuert er den Friedenswillen des Direktoriums, im anderen zeigt er eine wohlwollende Geste, indem er die österreichischen Verwundeten in Klagenfurt sorgfältig behandeln läßt14. Man ist sowohl in Paris wie in Wien kriegsmüde, und so versucht der Korse, die Initiative zu einem Friedensschluß zu ergreifen. „Le Directoire executif de la Republique frangaise avait fait connaitre ä S. M. l 'Empereur le desir de mettre fin ä la guerre qui desole les deux peuples . . . Vous, Monsievir le General en chef" — heißt es in höflichster Form im Schreiben an den Erzherzog — „qui, par votre naissance approchez si pres du tröne et etes au-dessus de toutes les petites passions qui animent souvent les ministres et les gouvernements, etes-vous deeide ä meriter le titre de bienfaiteur de l'humanite entiere, et de vrai sauveur de l'Allemagne?" An einer anderen Stelle: „ . . . les braves militaires fönt la guerre et desirent la paix. Celle-ci ue dure-t-elle pas depuis six ans? Avons-nous assez tue de monde et commis assez de maux ä la triste humanite! Elle reclame de tout cöte." Die Briefe überbringt der Adju­tant des Korsen, Marmont, der spätere Marschall und Herzog von Ragusa, dem Erzherzog, der die Schreiben sofort nach Wien weiterleitet. Napo­leon wird darüber verständigt.

Die Franzosen wollen aber noch die Zeit, die die Kuriere nach Wien und zurück benötigen, ausnützen, eine günstige Verhandlungsbasis zu schaffen und eine Vereinigung der österreichischen Italienarmee mit der vom Rhein und Tirol zurückziehenden zu vereiteln. Daher der rasche Vormarsch ins obere Murtal. Die von Wien bestimmten kaiserlichen Unterhändler, Generalmajor Meerveldt und Generalleutnant Graf von

14 Correspondence, Nr. 1663 und 1664.

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Bellegarde, treffen erst am 5. April in St. Michael ein; Erzherzog Karl empfängt sie — aus dem Schlafe geweckt — zur späten Abendstunde und ruft sofort alle seine Stabsoffiziere zusammen. Die Lagebesprechung dauert bis nach Mitternacht: Meerveldt und Bellegarde sollen über einen Waffenstillstand verhandeln und darüber hinaus über die Friedensbedin­gungen Bonapartes Klarheit schaffen15. In dem mit dem 6. April datier­ten Brief bekräftigt der kaiserliche Oberbefehlshaber den Friedenswillen des Wiener Hofes und nominiert die beiden Unterhändler. Napoleon erhält diesen Brief in Judenburg und schreibt am 7. April in der Früh von hier aus sofort an die beiden Generäle, worin er diese in sein Haupt­quartier in Judenburg einlädt16.

Das Schreiben muß sehr früh aus Judenburg abgegangen sein, denn bereits um zwei Uhr nachmittags treffen die beiden kaiserlichen Gene­räle in Judenburg ein. Die Beratungen im Pfarrhof dauern genau zwölf Stunden lang, denn Meerveldt und Bellegarde verlassen das französische Hauptquartier erst um zwei Uhr nach Mitternacht.

Aus dem Bericht Napoleons an das Direktorium sind die Einzelheiten dieser Unterredung genau zu rekonstruieren17: Der Korse stellt als oberste Bedingung zu einem Präliminarfrieden die Räumung linksrheini­scher Gebiete durch die Österreicher. Die kaiserlichen Unterhändler verlangen von ihm wiederum eine Klärung der Situation in Italien. Als Bonaparte dies energisch zurückweist, erörtern Meerveldt und Bellegarde die Meinung des Kaisers, wonach man alle Friedenschancen aufgeben müsse, falls die Österreicher in Italien alles verlören. Darauf beteuert Napoleon wieder, daß man bei einer Defensivgrenze am Rhein eventuell auch über Italien sprechen könne.

Außer diesen prinzipiellen Verhandlungspunkten treten auch Na­poleons verschwiegene Hintergedanken aus dem Bericht nach Paris her­vor: Er versucht dem Direktorium zu demonstrieren, daß die französische Rheinarmee bisher nicht fähig gewesen sei, den Rhein zu überqueren, während er selbst bereits zwanzig Meilen (etwas übertrieben!) vor Wien stehe. Seine italienische Armee, und somit auch seine eigenen Erfolge, stellt er als „une des premieres puissances de l 'Europe" hin. Venetien, besonders aber die terra ferma, gilt als Hexenkessel für die Franzosen, wo etwa 20.000 bewaffnete Italiener den Rückzug der Franzosen bedro­hen. Er versucht somit dem Direktorium anzudeuten, daß man bei einem Angebot Venetiens an Österreich sich selbst einer Bürde entledigen könnte. Man könnte dabei ja die gesamte Lombardei, Modena, Carrara,

15 M a y e r, a. a. 0 . , S. 42. 16 Correspondence, Nr. 1700. Der erste in Judenburg verfaßte Brief. 17 „Au Directoire Executif." Judenburg, 8. April 1797. Correspondence, Nr. 1703,

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den Weg zur Adria und zum Kirchenstaat für die Republik sichern. Bis eine Approbation seiner Vorschläge aus Paris einlangen würde, wolle er weitere günstige militärische Positionen schaffen.

Noch während der Verhandlung mit den kaiserlichen Generälen kann man diese Taktik des ehrgeizigen Korsen genauest verfolgen: Um drei­viertel sechs Uhr abends erteilt er Massena den Befehl, sofort mit seiner Division aufzubrechen und Leoben zu besetzen, dabei aber Kampfhand­lungen möglichst zu vermeiden18. Noch bevor diese Direktive Massena erreichen kann, ist er bereits in Leoben. Erzherzog Karl, äußerst über­rascht von der scharfen Forderung Massenas, die Stadt sofort zu räumen, sonst müsse man sie mit Gewalt einnehmen, wendet sich zwar schriftlich an Bonaparte, doch weicht er einem Gefecht aus, indem er um fünf Uhr nachmittags die Stadt räumt. Es ist bezeichnend, daß Massena, um die Judenburger Verhandlungen nicht zu stören, seiner Division Befehl er­teilt, beim Vordernberger Tor zu warten, bis der Erzherzog und die Österreicher Leoben verlassen haben und erst nachher dort einzumar­schieren19.

Die Waffenstillstandsurkunde von Judenburg20 ist vom Generalmajor Meerveldt, vom Grafen Bellegarde, „lieutnant general au Service de S. M. l 'Empeurer", und General Bonaparte, „general en chef de l'armee de la Republique francjaise", am 7. April zu Mitternacht („minuit") unterzeich­net worden. Sie beinhaltet drei Artikel: 1. Die französischen und kaiser­lichen Armeen unterbrechen auf die Zeit vom 7. April abends bis zum 13. April abends die Kampfhandlungen. — 2. Als Demarkationslinie werden die Orte angegeben: Fiume—Triest, Treffen, Littau (Littay), Win-disch-Feistritz, Marburg, Ehrenhausen, das rechte Murufer, Graz, Brück, Leoben, Trofaiach, Mautern, die Straße von Mautern nach Rottenmann, Irdning, Ennstal, Radstadt, St. Michael (Lungau), Spittal (Drau), Drautal, Lienz. — 3. Der Waffenstillstand gilt auch für Tirol, nur müssen die kaiserlichen und französischen Generäle dort eine eigene Kampflinie vereinbaren. Die Feindseligkeiten sollen in Tirol nur dann wieder auf­genommen werden, wenn die kommandierenden Generäle sich beiderseits verständigt hätten. Für diesen Fall bestünde eine 24stündige Wartezeit.

Hiezu sei bemerkt, daß Bonaparte voraussehend zahlreiche Orte be­setzen läßt, die zur Zeit der Verhandlungen noch nicht in französischen Händen sind, ferner, daß die sechstägige Frist, während der die kaiser­lichen Unterhändler weitere Vollmachten von Wien einholen sollten, äußerst knapp bemessen ist: also die Franzosen auf jeden Fall im Vorteil

18 Correspondence, Nr. 1701. 19 M a y e r , a. a. 0. , S. 44. — M a s s e n a, Memoires, 2. Bd., S. 364 f. 20 Correspondence, Nr. 1702.

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bleiben. Deshalb wird das Abkommen zweimal verlängert: am 13. April bis zum 16. und dann wiederum bis zum 20. April21. Während dieser Woche können aber die Franzosen alle vorgesehenen Orte planmäßig

besetzen! Mit den Judenburger Waffenstillstandsbesprechungen wurde später

eine Anekdote verbunden, die — wie alle Anekdoten — zwar grobe Un­richtigkeiten beinhaltet, jedoch zur Zeit des Napoleon-Kultes die Über­legenheit des Korsen gegenüber den Österreichern dokumentieren sollte. Da diese Geschichte von zwei Biographen Napoleons erwähnt wird22, wollen wir sie hier kurz anführen:

Nach Abschluß des Waffenstillstandes — also nach Mitternacht — saßen die französischen und österreichischen Generäle im Pfarrhof bei Tafel, und es kam zu folgendem Gespräch: Berthier fragte die Öster­reicher: „Wo glauben Sie wohl, meine Herren, daß jetzt Bernadotte s teht?" Bellegarde: „Er mag wohl bis Laibach gekommen sein." Darauf Berthier: „Sie irren sich sehr, er ist im Nebensaal und seine Division eine halbe Stunde weit entfernt. Indessen wissen Sie vielleicht besser. wo Joubert is t?" Bellegarde: „Vielleicht zwischen Brixen und Mühl­bach." Die Antwort Berthiers: „ 0 nein, auch er ist hier im Nebensaal und seine Division über eine Meile weit von hier23,"

Die Atempause des Waffenstillstandes ist für die französische Armee sehr notwendig: Der Marsch über die Alpenpässe (Neumarkt, Trieben, Katschberg, Radstädter Tauern) stellte doch an die Truppen sehr hohe Anforderungen. Bonaparte benützt die Zeit, von Judenburg aus Orga­nisationsmaßnahmen zu treffen. Am 8. April mittags um halb zwölf Uhr ergeht sein Befehl an General Bernadotte, der in Krain von seiner vor­geschriebenen Marschroute Laibach—Graz abkehren mußte, über den Loiblpaß nach Kärnten kam und die Nachhut für Bonapartes Haupt armee bildete, mit seiner Division in Neumarkt Halt zu machen, dort die Magazine zu füllen und den Nachschub zu organisieren. Etwa hundert Männer zu Fuß und ebensoviel Mann Kavallerie mögen an der Murlinie bis Mauterndorf bzw. bis St. Michael im Lungau vorstoßen, die Verbin­dung mit der französischen Division im Drautal (Spittal) gemäß der Demarkationslinie herstellen. Bernadotte soll dann mit General Guyeux in Judenburg weitere Anordnungen abwarten24.

21 Leoben, 13. April 1797. Correspondence, Nr. 1726. 22 C. T. H e y n e , Geschichte Napoleons von der Wiege bis zum Grabe. 2 Bde..

Chemnitz 1839—40. — Heinrich E 1 s n e r, Umfassende Geschichte des Kaisers Napo­leon, IV. Bd., S. 237 ff., Stuttgart 1836.

23 Bernadotte befand sich auf dem Marsch nach Neumarkt, kam erst vier Tage später im Judenburger Pfarrhof an. Joubert stand zu dieser Zeit mit seiner Division auf der Strecke zwischen Lienz und Spittal an der Drau.

24 Correspondence, Nr. 1704. Judenburg, 8. April 1797, 11.30 Uhr.

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G e n e r a l G u y e u x ( G u i e u ) , d e r z u d i e s e r Z e i t v o r B e r n a d o t t e R i c h t u n g

Judenburg marschiert, muß hundert Infanteristen und 25 Mann Kaval­lerie nach Rottenmann entsenden. Diese Patrouille besetzt Irdning und muß noch im Ennstal bis Radstadt ziehen, damit auch diese, im Waffen­stillstand festgelegte Linie von den Franzosen besetzt erscheint25. Auch der Divisionsgeneral im Drautal, Joubert, erhält gleichzeitig Weisungen, nicht nur die Verbindung mit Bernadotte über Spittal—Katschberg— St. Michael (Lungau) aufzunehmen, sondern auch die Befehle weiter­zuleiten, daß die zwei französischen Divisionen in Tirol (Bozen, Brixen) und die Truppen des Generals Kilmaine um Verona—Mantua verbleiben müssen26. Den zwei Generälen, die im Murtal den Haupttruppen voran­ziehen, General Massena und General Chabot, sendet er um vier Uhr nachmittags von Judenburg den Auftrag, am nächsten Tag (9. April) vormittags um neun Uhr von Leoben aufzubrechen. Massena soll in Brück a. d. Mur die Straße nach Wien, Chabot die nach Graz besetzen27. Da für die kommenden fünf Tage ein Waffenstillstand abgeschlossen wurde, mögen sich beide Generäle zwar militärisch verhalten, doch jede Feind­seligkeit vermeiden: „En consequence, il se placera militairement, mais de maniere qu'il n'intervienne aueune hostilite28."

Bezeichnend für den Weitblick Napoleons ist auch jener Brief, den er an diesem Tag, am 8. April, von Judenburg aus dem republikanischen Kommissär in Rom — dem „Bürger" Cacault — sendet. Citoyen Cacault soll vom Heiligen Vater („Sa Saintcte") 50.000 livres als Kontribution fordern und die Summe der „Kommission für die Künste" in Paris als Vorschuß für die von Bonaparle versprochene Unterstützung zur Ver­fügung stellen29. Der Bürger Fauvelet de Bourrienne soll aus Sens auf­brechen und sich sofort im Hauptquartier der italienischen Armee melden30. Ein sehr ausführlicher Bericht an das Direktorium, datiert vom 9. April in Judenburg, befaßt sich mit der Situation auf Korsika: Bonaparte gibt Vorschläge für militärische Operationen auf seiner Hei­matinsel31. Überblickt man die Vielfalt der Direktiven, so gewinnt man allein an Hand dieser kleinen Beispiele immer größeren Respekt vor dem Genie eines kaum 28jährigen Mannes.

25 Correspondence, Nr. 1705. Judenburg. 8. April 1797 (..midi'). 26 Correspondence, Nr. 1706. 27 Massena brach am 9. April bereits um 8 Uhr früh in Leoben auf und rückle um

9 Uhr in Brück an der Mur ein. Leoben besetzte später die Division Serrurier bzw. Bonaparte, und nach deren Abzug verblieb General Guyeux (Division Augerau) bis zum 26. April als Besatzung in dieser Stadt. M a y e r , S. 48.

28 Correspondence, Nr. 1707 und 1708. 29 Correspondence, Nr. 1709. 30 Correspondence, Nr. 1710. 31 Correspondence, Nr. 1711.

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Von größter historischer Tragweite sollten aber seine zwei Briefe werden, die er an diesem Tag an V e n e d i g absendet: einen drohenden Appell an den Dogen und einen freundlich gehaltenen Aufruf an die Bevölkerung des venetianischen Hinterlandes.

Mit aller Strenge eröffnet er den Brief an den Dogen32, wohl auch mit der Absicht, diesen einzuschüchtern, und macht ihm Vorwürfe, daß das gesamte venetianische Hinterland bewaffnet gegen die Franzosen sich erhebe und bereits mehrere Franzosen Opfer der Anschläge ge­worden seien. Nationales Selbstbewußtsein spricht aus den Sätzen: „Croyez-vous que, dans un moment oü je suis au coeur de l'Allemagne. je sois impuissant pour faire respecter le premier peuple de l'univers?" . . . „Le sang de mes freres d'armes sera venge, et il n'est aucun des bataillons fran^ais qui, charge d'un si noble ministere, ne sante redoubler son courage et tripler ses moyens." Er stellt dem Dogen eine 24stündige Frist, alle antifranzösischen Unternehmen einzustellen, die bei den letz­ten Aufständen schuldig gewordenen Personen auszuliefern, widrigen­falls sie sich in einem neuen Kriegszustand befänden. Bonaparte droht mit allen Schrecken eines neuen Krieges, den er erbarmungslos gegen die Regierung der Lagunenstadt führen würde; das Volk der terra ferma würde den Tag segnen, an dem man es von der tyrannischen Herrschaft der Dogen befreite . . .

Dieses Ultimatum sendet Napoleon am 9. April von Judenburg an den französischen Bevollmächtigten „Citoyen" Lallement mit zwei wei­teren Briefen. Im ersten gibt er Lallement den Befehl, den Flügeladju­tanten Junot dem venetianischen Rat vorzustellen. Junot möge das Ultimatum im Namen des Oberkommandierenden (Bonaparte) dem Dogen überreichen, worauf Lallement den zweiten Brief dem Rat in­haltlich mitteilen sollte33. Sollte die Antwort negativ sein, so möge Lallement sofort den Kriegszustand erklären und sich ohne Verzug nach Mantua oder Ferrara begeben.

Allein der Ton und die Anführung zahlreicher Argumente, die Lalle­ment dem Dogen vorhalten muß und auf denen die Forderung einer sofortigen Erfüllung der sieben Punkte des Ultimatums beruhte, geben Anlaß zur sicheren Annahme, daß Bonaparte bereits in Judenburg mit der Zertrümmerung der Dogenrepublik rechnet34:

Es bestünde kein Zweifel, daß die Regierung Venedigs einen Angriff auf die Franzosen vorbereitete. Man habe die Zeit, in der man Bona-

32 „Au Serenissime Doge de la Republique de Venise. Quartier general, Judenburg 20 germinal an V (9 avri.l 1797)." Correspondence, Nr. 1712.

33 Correspondence, Nr. 1713. 34 Correspondence, Nr. 1714.

51

parte in den Schluchten Kärntens mit den Truppen des Prinzen Karl im schweren Kampf verwickelt weiß, geschickt genützt und einen Auf­stand angezettelt. Wie wäre es sonst verständlich, wenn ein Aufstand in Bergamo, in einer Stadt, die dem Senat blindlings ergeben war, als Ursache benützt werde, 25.000 Mann zu bewaffnen? Schließlich habe in der Konferenz zu Görz M. Pesaro, der Bevollmächtigte des Senats, eine französische Unterstützung Venedigs im Falle verschiedener Auf­stände.zvtrückgewiesen. Wenn jetzt von den Ortsbehörden von Bergamo, Brescia und Crema Protokolle angefertigt würden, die die Erhebung in diesen Ländern allein den Franzosen unterschieben wollten, so fände man hiefür keine andere Erklärung als die treulose, vertragsbrechende Haltung des Senats. Für diese Treulosigkeit gäbe es nur in der Ge­schichte, und zwar zur Zeit Karls VIII. von Frankreich und der Sizi-lianischen Vesper Beispiele. Darauf folgen die konkreten Angaben, die beweisen, daß man ja praktisch bereits im Kriegszustand stünde. So: Ein venetianisches Kriegsschiff hat die Fregatte „La Brune" angegriffen und malträtiert, indem es ein österreichisches Konvoi unter seinem Schutz nahm. — Das Haus des Konsuls von Zante wurde angezündet, und die venetianische Regierung hat mit Freude zugesehen, wie der Vertreter der französischen Republik insultiert wurde. — 10.000 be­waffnete Bauern, vom Senat besoldet, haben auf dem Weg Mailand— Bergamo fünfzig Franzosen ermordet. — Die Städte Verona, Venedig, Padua sind voll von bewaffneten Truppen. — Die kaiserlichen Agenten werden gefeiert und stehen an der Spitze der Empörer. — Die Parole heißt überall „Tod den Franzosen!", an allen Seiten agitieren Prediger als Agenten des Senats gegen die französische Republik. Demzufolge soll Lallement in scharfem Ton eine zwölfstündige Frist erteilen35, während­dessen folgende sieben Punkte erfüllt werden sollten: 1. Alle franzö­sisch gesinnten Personen, die derzeit inhaftiert sind, müssen sofort die Freiheit erlangen. — 2. Alle Truppen, außer den regelrechten Garni­sonen, müssen die terra ferma verlassen. — 3. Alle Bauern sind zu ent­waffnen. — 4. Der Senat muß alles unternehmen, auf dem Festland Ruhe herzustellen und sich nicht allein auf die Lagunen zu konzentrieren. — 5. Die Unruhen in Bergamo und Brescia betreffend, wird die Hilfe der Franzosen angeboten. — 6. Die Täter, die das Haus des Konsuls zu Zante angezündet haben, müssen bestraft und das Haus auf Kosten Venedigs wiederhergestellt werden. — 7. Ebenso muß der Kapitän, der die Fre­gatte „La Brune" angriff, bestraft und der Wert des Konvois ersetzt werden.

Im Ultimatum an den Dogen wird ein 24stündiger Termin festgestellt!

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Page 7: Das französische Hauptquartier in Judenburg 1797 · bei der die Österreicher sehr hohe Verluste zu verzeichnen haben und noch in der Nacht zum 3. April bis Unzmarkt zurückweichen

Während in der Lagunenstadt Bonapartes Flügeladjutant, der Bri­gadegeneral Junot, sowie der bevollmächtigte Minister Lallement dem Dogen, Ludovico Manin, sowie seiner Regierung die ultimativen Wünsche Bonapartes vorbringen und über Krieg oder Frieden entscheiden müs­sen, soll aber auch das venetianische Hinterland propagandistisch erfaßt werden. Deshalb diktiert Napoleon gleichzeitig mit den eben bespro­chenen Schriftstücken am 9. April noch einen Aufruf an das Volk der terra ferma, den ebenfalls Junot von Judenburg nach Italien bringt. Darin wird der Senat als unfähiger Beherrscher dieses Landes hinge­stellt, die Franzosen aber als Boten einer neuen demokratischen Ord­nung und als Beschützer des Volkes gegen die Tyrannei bezeichnet:

„AN DAS VOLK DER TERRA FERMA DER REPUBLIK VENEDIG! Der Senat von Venedig hat seit Beginn dieses Krieges all seine

Sorgen auf die Lagunen konzentriert und ist den Übeln der terra ferma gegenüber gleichgültig; er hat dieses Gebiet den feindlichen Armeen ausgeliefert, die in Euren Ländern kämpfen. Die Regierung des Senates von Venedig bietet weder Eurer Person, noch Eurem Besitz einen Schutz; infolge dieses Systems zieht er — indem er Euch gleichgültig dem Schicksal überläßt — die Empörung der Französischen Republik

auf sich. Ich weiß — da bei Euch niemand an der Regierung den geringsten

Anteil hat —, daß ich zwischen Euch unterscheiden muß bei den ver­schiedenen Züchtigungen, die ich den Schuldigen auferlegen muß. Die französische Armee wird Eure Religion, Eure Personen und Eure Be­sitztümer schützen. Ihr seid von dieser kleinen Zahl von Männern, die sich seit der Zeit der Barbarei der Regierung bemächtigt haben, geplagt worden. Wenn der Senat von Venedig über Euch das Recht der Erobe­rung hat, so werde ich Euch davon befreien; wenn er über Euch das Recht der Unterdrückung hat, so werde ich Eure Rechte wieder her­stellen. Was die Törichten betrifft, die, von perfiden Männer beraten. teilnehmen und auf Eure Städte die Übel des Krieges herabziehen woll­ten, so werde ich diese beklagen und sie so bestrafen, daß sie den andern zum Beispiel dienen und daß sie ihre Torheit bereuen.

BONAPARTE"36

Diesen Schriften wird aber gleichzeitig auch an General Kilmaine, dem Kommandanten der französischen Truppen im Raum Mantua—

36 Correspondence, Nr. 1716. — Für die liebenswürdige Hilfe meines Kollegen Prof. Dr. Edmund Schreiber bei der Durchsicht der französischen Quellen sei an dieser Stelle der innige Dank ausgesprochen.

56

Verona, ein sehr ausführlicher Bericht angeschlossen, worin die Mög­lichkeit des erneuerten Kriegszustandes erörtert wird. Ein großange­legter strategischer Plan wird im Judenburger Hauptquartier ausge­arbeitet und an Kilmaine gesandt37. Wie aus der allgemeinen Geschichte bekannt, sind diese Vorkehrungen wohl äußerst wichtig gewesen, denn in den kommenden Tagen bricht im gesamten venetianischen Hinterland ein Aufstand aus. Die Anmaßung der französischen Besatzungen fordert an manchen Stellen die Italiener heraus; die Geistlichkeit stellt sich mancherorts an die Spitze der antifranzösischen Agitation. Gleichzeitig mit den Leobner Vorverhandlungen zum Präliminarfrieden bricht in Verona zwischen 17. und 23. April ein blutiger Aufstand aus („Vero-nesische Ostern"), der dann zu den härtesten Maßnahmen der Franzosen führt. Nach Niederschlagung der Revolte muß Ludovico Manin am 12. Mai abdanken, und durch den Großen Rat wird die Umwandlung der Dogenrepublik in eine demokratische Republik verkündet38. Zu dieser Zeit ist aber bei Bonaparte der Entschluß bereits sicher, Venedisr für die Niederlande einzutauschen.

Doch vorerst bleiben wir noch beim Judenburger Hauptquartier. Der letzte Brief, den der Korse hier am 9. April verfaßt, ist ein Sain-melbericht an das Direktorium in Paris mit den Kopien der Briefe an den Dogen, an Lallement ixnd an Kilmaine. Mit dem Ausdruck einer völligen Selbstsicherheit schließt er den Brief: „Quand vous lirez cette lettre, nous serons maitre des tous les etats de terre-ferme, ou bien tout sera rentre dans Tordre, et vos Instructions executees. Si je n'avais pas pris une mesure aussi prompte, et que j'eusse donne ä tout cela le temps de se consolider, cela aurait pu etre de la plus grande consequence39."

Napoleon verläßt — von seiner Garde umgeben — am 9. April nach­mittags um halb 5 Uhr Judenburg und erreicht nach einem Nachtmarsch am 10. April um 10 Uhr vormittags Leoben. Hier bleibt er diesmal nur kurz; noch am selben Tag ist er in Brück und am 11. April bereits in Graz.

Am 11. April marschiert in Judenburg General Bernadotte mit etwa 15.000 Mann ein40. Er schreibt neue Requisitionen vor. folgt aber bereits am nächsten Tag der Hauptarmee in Richtung Leoben—Graz. Auch Bernadotte, der spätere König von Schweden. Karl XIV.. bezieht mit seinem Stab die Räume des Stadtpfarrhofes: zwei Generäle, 12 Offiziere. 10 Domestiken, 30 Grenadiere und 50 Pferde muß der Pfarrhof erhal-

3 ' Correspondence, Nr. 1715. 18 Luigi S a l v a t o r e l l i . Geschichte Italiens. Berlin 1942. S. 538. 30 Correspondence, Nr. 1717. 10 L e i t h n e r . Monographie. S. 135, gibt den 10. April an. nach dem amtlichen

Verzeichnis, s. u. gilt aber der 11. als sicher.

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ten. Am 12. April kommt der Flügeladjutant Bonapartes, Marmont, nach Judenburg. Am 14. kehrt wiederum der Stab des Generals Serrurier im Pfarrhof ein, bleibt allerdings nur einen Tag hier. In den kommenden Tagen zieht die gesamte französische Nachhut noch durch unsere Stadt.

Der Präliminarfriede wird in Leoben am 18. April unterzeichnet. Die Urkunde bringt General Massena nach Paris. Er macht am 22. April im Pfarrhof Halt. Solignac, sein Flügeladjutant, bleibt bis zum 26. April in Judenburg, dann schließt er sich dem zurückziehenden Trupp der Division Augereau — General Guyeux — an. Diese Division durchzieht als einzige auf dem Rückmarsch das obere Murtal, alle übrigen fran­zösischen Truppen und Napoleon selbst ziehen über Graz nach Italien weiter. Judenburg kann beim Abschied des letzten französischen Platz­kommandanten, der am 28. April um 12 Uhr mittags die Stadt verläßt. aufatmen.

Die den Franzosen folgenden österreichischen Truppen vom Husaren­regiment des Generals Wurmser — Oberleutnant Sellinger — sind zah­lenmäßig und auch in ihren Forderungen weit bescheidener. Bis zum 4. Mai bleibt unsere Stadt Durchzugsgebiet. Der Friede dauerte allerdings nicht allzu lang. Bereits am 1. April 1799 ziehen russische Hilfstruppen, 28.000 Mann, unter General Suwarow durch Judenburg, und im Dezember 1800 müssen die Judenburger in ihrer nächsten Nähe wieder französische Besatzung fürchten: Die Stadt selbst ist zwar für „neutral" erklärt wor­den, doch verläuft die Demarkationslinie zwischen Knittelfeld und Pols. 1805 und 1809 muß Judenburg neuerdings schwere Besatzungen er­tragen41.

Unseren Ausführungen über das Kriegsjahr 1797 sei hier die Be­sprechung eines Aktenstückes angeschlossen, das nicht allein lokalge­schichtlich einige wertvolle Angaben birgt, sondern darüber hinaus eine Ergänzung des Bildes über die erste französische Invasion in der Steier­mark liefert. Das Aktenstück wurde bisher bei keiner Darstellung berück­sichtigt und lag unter verschiedenen anderen wertvollen Dokumenten im Stadtpfarrarchiv verborgen42. Wohl auf die Aufforderung der steirischen Statthalterei in Graz bzw. des Kreisamtes in Judenburg, oder auch auf die Versprechungen Napoleons hin, die Schäden der Judenburger Bürger zu vergüten, wurde vom Stadtpfarrer ein „Verzeichnis" zusammengestellt, worin nach Abzug der Truppen (datiert „vom letzten May 1797") ein genaues Tagebuch über die Einquartierungen im Pfarrhof und im dazu-

41 Sehr ausführlich bei L e i t h n e r , Monographie, S. 140—158. 42 Stadtpfarrarchiv Judenburg, Militär, 18. Jahrhundert , Il-E-3a (Abschrift).

51!

gehörigen „Mayrhaus"43 geführt wurde, das auch sämtliche Ausgaben an Geld und Naturalien enthält sowie über die von den Franzosen verur­sachten Schäden berichtet. Das Verzeichnis ist also eine authentische Quelle über das „Französische Hauptquartier in Judenburg". Die Zu­sammenstellung besorgten der damalige Stadtpfarrer Raphael Ignaz von Knauer (f 30. Jänner 1806), der Magistratskommissär Joseph Nep. Friederich und der Magistratsrat und Schätzmeister Matthias Staudinger.

Ganz besondere Aufmerksamkeit verdient dieses Verzeichnis deshalb, weil man daraus erfährt, daß im Judenburger Pfarrhof im Laufe eines Monats insgesamt 13 Generäle, 83 Offiziere, 432 Dragoner und 80 Diener Quartier nahmen und 644 Pferde verpflegt werden mußten! Auffallend ist, daß bei den Anforderungen für Schadenersatz die österreichischen Generäle bzw. Offiziere, die im Pfarrhof vor und nach den Franzosen Quartier bezogen haben, zwar namentlich angeführt sind, doch für ihre Unterkunft und Verpflegung kein Ersatz gefordert wird. Ein Blick auf den „ordentlichen Ausweis" bzw. auf das „Schadenverzeichnis" läßt uns die ungeheure Belastung erkennen, die in diesem Monat allein vom katholischen Pfarrhof zu tragen war. Natürlicherweise ist anzunehmen, daß Stadtpfarrer und Schätzer beim Anlegen dieses Verzeichnisses nichts vergessen haben . . . Die höchsten Schadenposten betreffen insbesondere Raub und böswillige Vernichtung, wie 250 Gulden für den abgerissenen und verbrannten Friedhofzaun, die im Meierhaus verursachten Schäden sowie die auf den Feldern und Wiesen angerichteten Zerstörungen (mit 300 Gulden angegeben); die Plünderung an den Armen im Spital (Alters­heim) und an den Dienstboten betrug 312 fl. — In unserem Verzeichnis scheinen sofort an der Spitze der Pfarrausgaben 5 Halbstartin Wein mit dem hohen Betrag von 207 fl. 30 Kreuzern auf, und auch die exquisiten Weine (Tokajer und Burgunder waren gefordert, doch nicht vorhanden) für die hohe Generalität! — Auch Episoden kann man aus unserem Dokument herauslesen: Das kranke Pferd Napoleons mußte in Judenburg eine Woche lang gepflegt werden; oder, im „Fürstenzimmer" des Pfarr-hofes wurde in diesem Monat ein wertvoller Spiegel (14 Gulden wert) zerstört: ob ihn nun Bonaparte zerschlagen hat, oder jemand anderer vom Stab, kann nicht nachgewiesen werden.

Beachtet man, was außer der Verpflegung für Mensch und Tier noch an Inventargegenständen mit Mutwillen vernichtet oder als Raubgut mitgenommen wurde, so kann man die Tragweite der französischen Inva-

43 Das ehemalige Wirtschaftsgebäude der Pfarre in der Murvorstadt, im Burg­frieden St. Magdalena, bestehend aus einem geräumigen Wohnhaus, Stadl, Stallung. Getreidekammern, wurde am 16. November 1805 durch den Leichtsinn der dort ein­quartierten und berauschten Franzosen ein Raub der Flammen.

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sion für den Judenburger Pfarrhof voll ermessen. Darüber hinaus sei aber auch die menschliche Seite nicht übersehen: Pfarrer Ignaz Raphael von Knauer, ein Chorherr des zur Zeit Josefs IL aufgehobenen Prämonstra-tenserstiftes Griffen in Kärnten, kam kurz vor dieser Invasion als Pfarrer nach Judenburg und wurde auch Dechant. Während seiner gesamten Judenburger Tätigkeit mußte er stets die Einquartierungen, begleitet mit unzähligen Demütigungen, Schäden und Leiden, ertragen4 ' .

Über die Drangsale, die das Jahr 1797 über ihn und die Judenburger Pfarre gebracht hat, sei der Akt selbst als lebendige Illustration zitiert. Die folgende wörtliche Wiedergabe der sieben Bogen behält die Ortho­graphie (auch bei Personennamen) des Originals bei45.

„V e r z e i c h n i s deren im Stadtpfarrhof Judenburg und deßen Mayrhaus vom lten April bis 4ten Moj 797 beschehenen Einquartirnng, und täglichen Verpflegungen für sowohl kaiserl. als französische Generals. Offiziers derselben Domesticken Dragoners, oder gemeine Soldaten u. Pferde.

Im Stadtpfarrhof 3 J

18 16 36

36 24 250 310

Vom lten bis 2ten April vom Oguliner Regiment ein Kor­poral mit 8 gemeinen Kroaten.

Vom 2ten his 3ten April Grenadiers Obristlieutnante Affer-miinii und Mercantin mit 2 Domestiken und 5 Pferde.

Vom 3ten bis 4ten April G. F. L. Mercantin und G. M. Bradi mit 2 Adjutanten 2 Domestiken 2 Mann Ordinanzen und 10 Pferde. Gegen 6 Uhr Abends sind die Franzosen ein gerukt.

Vom 4ten his 6ten April General Massena und ein General-Kommissar

Vom 6ten bis 9ten April General Buonaparte, mit dem Ge­neralen Berthier. Solkovszky, General Adjutanten Le-derque, und dem Chefcomissar Villemanzy

Vom 7ten bis 8ten April Kaiserl. Generalen Meerfeld, und Bellegarte so von 2 Uhr Nachmittag bis 2 Uhr nach Mitternacht mit dem französischen Generalen Bouna-parte Berthier, und Chefcomissar Villemanzy den ersten Friedens Unterhaltungen beigewohnten, und zugleich einen ötägigen Waffenstillstand machten. Vom 9ten bis 21ten April hinterließ General Buonaparte an seinen Do­mestiken und Pferde

Vom lOten bis Uten April der Flügladjutant von General Massena, nebst 2 Oberfeldkyrurgen von der Division des General Düffore

Vom Uten bis 12ten April General Bernadotte und ein Ge­neral Komissär

Vom 12ten bis 13ten April der Flügladjutant vom General Buonaparte

3

12

I

3

10

I

30

Kna ist im Friedhof bei de

I

6

50

l I

Kirr l ic 44 L e i t h n e r , Monographie. S. 62. St. Magdalena beerdigt worden.

45 Ergänzungen des Verfassers in Klammern angegeben. Irrtümliche Angaben im Original beibehalten. f = Gulden, x = Kreuzer.

Im Stadtpfarrhof

a a -

Vom 14ten bis 15ten April General Serrarie und ein Gene­ral Komissär

Vom 15ten bis löten April der Flügladjutant vom General Bernadotte

Vom 19ten bis 20ten April der Flügladjutant vom General Buonaparte

Vom 21ten bis 27ten April zurückbelassen worden vom Ge­neral Buonaparte

den 22ten April General Massena, und ein General Komis­sär mit Friedensartikeln nach Paris

Vom 23ten bis 26ten April der Flügladjutant vom General Massena zurückbelassen worden

Vom 27ten bis 30ten April von Wurmsern Husaren Regiment Oberlieutenant Sellinger mit 1 Korporalen 4 Husaren und 6 Pferd

Vom 3ten bis 4ten May Brechanteille Inf. Regimen. Obrist-wachtmeister Schmittet Hauptmann Darmai mit 2 Do­mestiken und 4 Pferde.

I n M a y r h a u s

Vom lten bis 2ten April vom Oguliner Regiment 2 Feld-kyrurg 2 Korporalen und 20 Kroaten.

\ o m 3ten bis 4ten April vom Oguliner Regiment 1 Feldwebl; 1 Kor(poral) ; und 16 Kroaten gegen 7 Uhr Abends die Franzosen eingeruckt.

Vom 4ten bis 6ten April von der Avantgarde des General Massena

Vom 6ten bis 9ten April von dem Hauptkorps des General Buonaparte

3 4 8 19

1 1 2

1 1 2 4

1

1 8 4 25

46 54

50 56

Im Stadtpfarrhof und Mayrhaus zusammen: 13 83 80 432 644

O r d e n t l i c h e r A u s w e i s

der Stadtpfarrhöflichen Ausgaben, sowohl an Geld, als auch an Naturalien zur nö-thigen, theils auch mit Gewalt und aus Muthwillen abgeforderten Verpflegung des daselhst einquartiert gewessenen französischen Militärs.

Vom 4ten bis 26ten April: fl. kr.

Wein ein alter und von bester Gattung 5 Halbstartin ä 41 f 30 x Zuker fein rafinat 49 ff ä 1 f 12 x Caffe 3 3 « ä l f 12 x Anstatt den abgeforderten Tokayer und Burgunder Wein du Montepoli-

ziano 6 Boutellien ä 1 f Fleisch rindenes 116« ä 6V2 x macht 12 f 34 x Mehr kälbernes 1 60« ä 6V2 x macht 17 f 20 x zusamen Fleisch geselchtes 3 0 « ä 10 x macht 5 f geräucherte 3 große Schinken

ä 2 f macht zusamen Semein um 17 f Weizen Hausbrod mit 3 1 « 30 Laib ä 14 x macht 7 f

Gesindlbrod mit 5 8 24 Laib ä 15 x macht 6 f zusamen 30 — Mundmehl 3 Maßl ä 25 x macht 1 f 15 x. Semelmehl 3 Maßl ä 20 x

macht l f ord(inäres) Mehl 6 Maß.1 ä 18 x macht 1 f 48 x zusamen 4 3

207 58 39

(>

29

11

30 lf! 36

54

__

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zusam.

12 x

Limonien 54 Stuck ä 2 x macht 1 f 48 x, Pomeranzen 18 St(ück) ä 6 x macht 1 f 48 x zusamen

Eingesottenes 2 « ä l f 3 0x macht 3 f Mandel (2) « ä 24 x macht 48 x Weinberl und Ziveben 2 « ä 13 x macht 26 x zusamen

Eyer 1200 Stuck ä Vi x macht 10 f Haushänne 10 St(ück) ä 21 x macht 9 f 36 x zusamen

Speck 24 8 ä 14 x macht 5 f 36 x. Schmer 4 ß ä 15 x macht l f An Wildprat ein ganzes Reh Reiß und feine Gersten 7 « ä 12 x Milch 45 Maaß ä 4 x macht 3 f. Süß und sauren Ram 26 Maß

macht 5 f 12 x zusamen Obst, Salat und verschiedenes Zugemüß Wachxkerzen 5 « ä l f 18 x macht 6 f 30 x. Glaskerzen ä 7 «

macht 2 f 6 x. Ord(inäre) Kerzen 2 0 « ä 14 x macht 6 f 30 x Essig für Leuthe und Pferde 11 Maß ä 12 x Baumoel in die Kuhr, zu Nachtleichte und zur Kur des vom General

Buonaparte zurückgelassenen kranken Pferdes 3 " ä 24 x Salz für Leuthe und Pferde 3 2 « ä 3V2X Heu 5 Fuder ä 15 f macht 75 f. Stroh zu Legstädten, zu Paraken. oder

Strohhüten machen, und für die Pferde 6 Schöber ä 2 f macht 12 f zusamen

Holz 20 Klafter ä l f 30 x Vom 4ten bis 12ten April zur Aushilfe der Bedienung 3 freinbte Perso­

nen aufnehmen müssen des Tags ä 24 x

18 x

Verpflegungs Suma

a. 3

i

19 6 3 1

8 2

13 2

1 1

87 30

10

595

kr.

36

14

36 36

24

12 30

16 12

12 41

48

41

S c h a d e n V e r z e i c h n i s

deren in Stadtpfarrhof Judenburg und dessen Mayrhaus theils geraubten, theils ver­wüsteten Haus und Wirtschaftsfahrnissen, Geräthschaften, Kleidungsstücke, Zimer Einrichtungen, Viktualien, Getraid, Heu, Stroh und so weiters.

I m S t a d t p f a r r h o f

Fein silberne, ein mit 3V2 Loth schwere, Eßlöfeln ä 5 f Porzellanene Zuckerbichsen Messingene Kaffekanne ä 1 f 30 x Große zinnern Speissehißl 4 ä 1 f 30 x macht 6 f deto Thäller 13 ä 36 x

macht 7 f 48 x zusamen Schwarzbeinerne Messer und Gabi mit silbernen Blateln 10 Baar ä 40 x

nebst 4 zinnern Eßlöfl ä 5 X Ganz gute feine Tischtücher 2, ä 6 f macht 12 f, deto Salvieter 10, ä 36 x

macht 6 f, deto Handtücher 4 a 30 x macht 2 f zusamen Fein reistene Leintüher 2, ä 5 f macht 10 f, deto 2 gröbere ä 2 f macht

4 f zusamen Von fein geschlifenen und geschnittenen Glaß, Mäßflaschen 4, ä 36 x,

macht 2 f 24 x Halbflaschen 14, ä 18 x, macht 4 f 12 x, deto große Trünkglässer 10, ä 10 x macht 1 f 40 x zusamen

Das Spieglglaß in Fürstenzimmer mit einem Ramen zugeschnitten Kanzileypapier verbraucht 4 Bücher ä 24 x macht l f 36 x, mehr in der

Kanzley die gedruckten Fassionsbögen, Steuer und Samlungsbücheln. dann mehrere Schriften zerrissen oder verschmirrt beiläufig um 2 f zusamen

In den herobigen Stadtpfarrhöflichen Getraidkasten eingebrochen und aus selben geraubet Habern über 40 Mezen, ä 1 f 15 x

Korn über 8 Mezen, ä 2 f 15 x, macht 18 f, Gersten 10 Mezen ä 1 f 45 x, macht 17 f 30 x zusamen

Aus der Küche 1 Kupfern Kößl zu 7 f nebst mehr andern Kuchlgeschier zu 2 f zusamen

fl. 10 3 3

13

20

I I

kr.

18

8 16 14 -

3

50

35

9

36

30

An Thüren, Schlössern, Kasten, Sesseln, Tischen, Zimmerboden und Mauern ruiniert wenigstens

Den Freythof Zaun ganz eingerissen und verbrannt, so nicht hergestellt werden kann unter

Wagenleiter verbräm ä 1 f 30 x

I m M a y r h a u s

Heu, wovon das meiste ins Lager gekommen 6 Fut ter ä 15 f macht 90 f. Grumet und Klee 3 Futer ä 16 f macht 49 f 30 x zusamen

Stroh wovon das meiste verwüstet oder ins Lager mitgeführet worden 6 Schober ä 2 f

Mehr unausgetroschenes Haberstroh verwüstet, 1 Schober beileifig in den untern Getraidkasten 3 mahl eingebrochen und aus selben geraubt von Haber über 30 Mezen, ä 1 f 15 x

Mehr Winterwaizen 5 Mezen, ä 4 f 18 x, macht 21 f 30 x, Somer Waitzen 5 Mezen ä 4 f macht 8 f zusamen vom 7 Mezen ä 2 f 15 x

Bohnen 2 Mezen ä 2 f macht 4 f, Erbsen 3 Mezen ä 4 f 18 x macht 12 f 54 x, zusamen

Getraidsäck 15, ä 24 x macht 6 f, Heuwagen Seilen 2, ä 1 f 12 x macht 2 f 24 x, zusamen

Mittlere Schweine abgestochen 2, ä 5 f 30 x Ganz gute Leinthüher geraubt 7 Baar, ä 4 f, macht 28 f. Strohsäck, oder

sogenannte Unterblachen 7, ä 1 f 30 x macht 10 f 30 x zusamen Denen armen Spitalern und Dienstbothen 13 an der Zahl alle Wäsche.

und Kleindungsstücke geraubt wie auch ihre Truhen und Behältnissen zertrümmert, ein gegen den anderen gerechnet wenigstens a 24 f

Eben denselben ihre ganze monatliche Kosteinfassung geraubt als Korn­mehl 4 Mezen ä 2 f 15 x, macht 10 f. Waizenmehl 1 Mezen 4 f 15 x, Bohnen 1 Mezen 2 f 15 x. Nebst allen Speck und geselchten Fleisch Zugemüssen und andern Eßwaren beyleifig um 4 f. zusammen

Mit Gewalt genohmene Mülch 16 Maaß ä 4 x macht 1 f 4 x, mehr sauern Ram 5 Maß ä 12 x zusammen

Kupferne Käßel. 1 kupfernes, eisernes und alles übrige kupfern geschirr. wie auch alle Haken, Sapinen alle Wasser- und Milchsrhafer, nebst mehr anderen Wirtschafts Geräthschaften geraubet oder verwüstet. wenigstens an Thüren, Schlössern, Kasten, Stühlen, Banken, Fenstern und an Mauern ruinirt beileifig um

Die Mayrhaus Blanken, wie auch bei den Feldern und Wiesen die Zäune eingerissen und verbrannt, so nicht hergestellt werden können unter

Alles vorräthige Brennholz, Ladenzeug, Wagenleitern etc. verbrannt Den untern Wald an der Poststraße beschädigt wenigstens um Die gesamt um 4 bis 5 Wochen verspätete Aussaat nicht ein zu rechnen

sind wenigstens die Felder und Wiesen ob Judenburg verwüstet worden um

20

250 3

139

20

2

300 20 B0

20

Schaden Summa Verpflegs Summa

1574 595

Summarium

Judenburg den letzten May 797

LS

LS

LS

2170

30

12 3

37

15

16 B

11

38

— —

30

45

54 24

30

312

33

1

50 1!

31

Raphael Ignaz v. Knauer m. p . Stadtpfarrer

Joseph Nep. Friederich m. p. Magistr. u. W. L. Koär (Kommissär)

Matthias Staudinger m. p. Magistr. Rath und Schäzmann"

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Page 11: Das französische Hauptquartier in Judenburg 1797 · bei der die Österreicher sehr hohe Verluste zu verzeichnen haben und noch in der Nacht zum 3. April bis Unzmarkt zurückweichen

Das Gubemium in Graz hat laut Schreiben vom 11. Dezember 1797 wenigstens einen Teil des insgesamt 2170 Gulden 31 kr. betragenden Schadens ersetzt. Aus dem Religionsfonds wurde dem Stadtpfarrhof die Summe von 600 Gulden am 20. Dezember ausbezahlt46. So konnte der Judenburger Pfarrhof nach einem äußerst bewegten Jahr die Weih­nachtsfeier mit einer „Trostsumme" feiern.

4* Gubernialerlaß vom 6./9. Dezember 1797. ZI. 16.178; Kreisamt Judenburg a» den Stadtpfarrer am 11. Dezember 1797 (darauf der Vermerk: ..bezahlt wordea am 20. Dezember 1797"). — Stadtpfarrarchiv Judenburg, II-E-3a.

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