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Einleitung Das Ruhrgebiet wird durch drei von Osten nach Westen fließende Gewässer geprägt, die in den Rhein entwässern: Im Süden die Ruhr (Abb. 1) und im Norden die Lippe (Abb. 2). Beide gel- ten noch weitgehend als naturbelassen bzw. sind wieder naturalisiert. Mitten durch das Ruhrgebiet fließt die Emscher, die vor ihrer Regulierung im frühen 20. Jahrhundert ein stark mäandrierender Fluss mit einer Gesamtlänge von etwa 109 km war. Die im 19. Jahrhundert einsetzende Indus- trialisierung verwandelte den Fluss dann sehr schnell in ein übelriechendes Industrieabwasser, das im Volksmund den Spottnamen „Köttelbecke“ erhielt 1 . Eingezwängt in ein Betonbett (Abb. 3), fließt sie seit dem frühen 20. Jahrhundert von ih- rem Quellteich in Holzwickede südlich von Dort- mund bis zur Rheinmündung in Dinslaken. Das heutige Bild der Emscher wird geprägt durch gro- ße Anlagen der chemischen Industrie und Kohle- kraftwerke für die Energiegewinnung (Abb. 3–4). Die alte Naturlandschaft des Emschertales scheint somit auf den ersten Blick unwiederbringlich ver- loren. Eine Vorstellung von ihrem ursprünglichen Aussehen erlauben jedoch u. a. neue Methoden der Archäologie. Verschiedene Prospektionsme- thoden bieten die Möglichkeit, verloren Geglaub- tes wieder zu entdecken und sichtbar zu machen. Eine dieser Methoden ist die Luftbildarchäologie, die nachfolgend als Flugreise entlang der Emscher einem größeren Publikum näher gebracht werden soll. Die Methode der Luftbildarchäologie Als eine der vielen Prospektionsmethoden der Archäologie bietet die Luftbildarchäologie dem Archäologen ein ganz besonderes Verfahren, Bo- dendenkmäler aufzufinden. Der Archäologe geht hierfür im wahrsten Sinne des Wortes in die Luft. Als vorteilhaft erweisen sich dabei sogenannte Schulterdecker, Flugzeuge, deren Flügel sich über der Fluggastkabine befinden und einen ungehin- derten Blick auf die unterhalb des Flugzeuges vorbeiziehende Landschaft erlauben. Für den Em- scherflug wurde ein einmotoriges Leichtflugzeug der Firma Cessna gewählt. Aus einer Flughöhe zwischen 600 und 1000 m wurden mit einer in der Hand gehaltenen Ka- mera sogenannte Schrägaufnahmen gemacht (Abb. 5,1). Im Gegensatz zu Senkrechtaufnahmen (Abb. 5,2–3; 6,1), wie sie z. B. von Google Earth verwendet werden, sind Denkmäler auf Schräg- aufnahmen (Abb. 6,2) besser zu erkennen und zu verorten. Eine der methodischen Grundlagen dieser Pro- spektionsmethode ist also die Sicht aus der Vo- gelperspektive, die Einblicke in eine Kulturland- schaft gibt, die vom Boden aus so nicht möglich wären. O. G. S. Crawford, ein englischer Pionier der Luftbildarchäologie, verglich das Phänomen mit dem Blickwinkel einer Katze, die am Rande eines Perserteppichs steht und aus ihrer geringen Kopfhöhe nur einen sehr beschränkten Blick auf diesen hat. Betrachtet der Mensch aus seinem, ge- genüber der Katze doch erheblich höheren Blick- winkel den Teppich, sind die Muster für ihn gut zu erkennen. Eine weitere, wichtige methodische Grundlage ist die Dauerhaftigkeit der anthropogenen Boden- veränderungen. „Nichts ist eben dauerhafter als ein ordentliches Loch…“ Mit dieser Feststellung umschrieb der deutsche Archäologe C. Schuchardt seine Beobachtung, dass bestimmte Verfärbungen im Boden vom Menschen verursacht und damit ein archäologischer Befund sind. So erkannte er erstmals Pfostenlöcher als solche und dokumen- tierte sie 1904 bei seiner Ausgrabung im Römer- lager von Haltern. Das war – obwohl heutzutage eine Selbstverständlichkeit – damals ein Meilen- stein in der archäologischen Forschung. Veränderungen im Boden, die auf menschliche Aktivitäten zurückgehen, wirken sich, wenn auch nicht immer auf den ersten Blick sichtbar, auch Das Emschertal aus der Vogelperspektive – Luftbildarchäologie im Ruhrgebiet Christina Vollmari – Anne van Oosten 1 Vgl. dazu den Beitrag von H. H. Menge in diesem Band.
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Das Emschertal aus der Vogelperspektive - Luftbildarchäologie im Ruhrgebiet.

Apr 20, 2023

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Page 1: Das Emschertal aus der Vogelperspektive - Luftbildarchäologie im Ruhrgebiet.

Einleitung

Das Ruhrgebiet wird durch drei von Osten nach Westen fließende Gewässer geprägt, die in den Rhein entwässern: Im Süden die Ruhr (Abb. 1) und im Norden die Lippe (Abb. 2). Beide gel-ten noch weitgehend als naturbelassen bzw. sind wieder naturalisiert. Mitten durch das Ruhrgebiet fließt die Emscher, die vor ihrer Regulierung im frühen 20. Jahrhundert ein stark mäandrierender Fluss mit einer Gesamtlänge von etwa 109 km war. Die im 19. Jahrhundert einsetzende Indus-trialisierung verwandelte den Fluss dann sehr schnell in ein übelriechendes Industrieabwasser, das im Volksmund den Spottnamen „Köttelbecke“ erhielt1. Eingezwängt in ein Betonbett (Abb. 3), fließt sie seit dem frühen 20. Jahrhundert von ih-rem Quellteich in Holzwickede südlich von Dort-mund bis zur Rheinmündung in Dinslaken. Das heutige Bild der Emscher wird geprägt durch gro-ße Anlagen der chemischen Industrie und Kohle-kraftwerke für die Energiegewinnung (Abb. 3–4). Die alte Naturlandschaft des Emschertales scheint somit auf den ersten Blick unwiederbringlich ver-loren. Eine Vorstellung von ihrem ursprünglichen Aussehen erlauben jedoch u. a. neue Methoden der Archäologie. Verschiedene Prospektionsme-thoden bieten die Möglichkeit, verloren Geglaub-tes wieder zu entdecken und sichtbar zu machen. Eine dieser Methoden ist die Luftbildarchäologie, die nachfolgend als Flugreise entlang der Emscher einem größeren Publikum näher gebracht werden soll.

Die Methode der Luftbildarchäologie

Als eine der vielen Prospektionsmethoden der Archäologie bietet die Luftbildarchäologie dem Archäologen ein ganz besonderes Verfahren, Bo-dendenkmäler aufzufinden. Der Archäologe geht hierfür im wahrsten Sinne des Wortes in die Luft. Als vorteilhaft erweisen sich dabei sogenannte

Schulterdecker, Flugzeuge, deren Flügel sich über der Fluggastkabine befinden und einen ungehin-derten Blick auf die unterhalb des Flugzeuges vorbeiziehende Landschaft erlauben. Für den Em-scherflug wurde ein einmotoriges Leichtflugzeug der Firma Cessna gewählt.

Aus einer Flughöhe zwischen 600 und 1000 m wurden mit einer in der Hand gehaltenen Ka-mera sogenannte Schrägaufnahmen gemacht (Abb. 5,1). Im Gegensatz zu Senkrechtaufnahmen (Abb. 5,2–3; 6,1), wie sie z. B. von Google Earth verwendet werden, sind Denkmäler auf Schräg-aufnahmen (Abb. 6,2) besser zu erkennen und zu verorten.

Eine der methodischen Grundlagen dieser Pro-spektionsmethode ist also die Sicht aus der Vo-gelperspektive, die Einblicke in eine Kulturland-schaft gibt, die vom Boden aus so nicht möglich wären. O. G. S. Crawford, ein englischer Pionier der Luftbildarchäologie, verglich das Phänomen mit dem Blickwinkel einer Katze, die am Rande eines Perserteppichs steht und aus ihrer geringen Kopfhöhe nur einen sehr beschränkten Blick auf diesen hat. Betrachtet der Mensch aus seinem, ge-genüber der Katze doch erheblich höheren Blick-winkel den Teppich, sind die Muster für ihn gut zu erkennen.

Eine weitere, wichtige methodische Grundlage ist die Dauerhaftigkeit der anthropogenen Boden-veränderungen. „Nichts ist eben dauerhafter als ein ordentliches Loch…“ Mit dieser Feststellung umschrieb der deutsche Archäologe C. Schuchardt seine Beobachtung, dass bestimmte Verfärbungen im Boden vom Menschen verursacht und damit ein archäologischer Befund sind. So erkannte er erstmals Pfostenlöcher als solche und dokumen-tierte sie 1904 bei seiner Ausgrabung im Römer-lager von Haltern. Das war – obwohl heutzutage eine Selbstverständlichkeit – damals ein Meilen-stein in der archäologischen Forschung.

Veränderungen im Boden, die auf menschliche Aktivitäten zurückgehen, wirken sich, wenn auch nicht immer auf den ersten Blick sichtbar, auch

Das Emschertal aus der Vogelperspektive – Luftbildarchäologie im Ruhrgebiet

Christina Vollmari – Anne van Oosten

1 Vgl. dazu den Beitrag von H. H. Menge in diesem Band.

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auf die Vegetation aus. Beispielsweise wachsen Pflanzen im Bereich einer alten, verfüllten Grube aufgrund der humusreicheren und lockeren Fül-lung besser als die Gewächse in der Umgebung. Die gegenteilige Wirkung tritt oberhalb einer im Erdreich verborgenen Mauer ein: Sie verhindert das Wachstum der Wurzeln und die Pflanzen ent-wickeln sich im Vergleich zum Bewuchs der Um-gebung schlechter.

Solche Bewuchsmerkmale sind eine von vielen Merkmalen, mit deren Hilfe die Luftbildarchäolo-gie anthropogene Eingriffe im Boden feststellen kann. Ein weiteres Hilfsmittel ist das sogenannte Schattenmerkmal. Auch die unscheinbarste Erhe-bung, wie z. B. Überreste eines vorgeschichtli-chen Grabhügels oder eines Erdwalles, wirft einen Schatten. Hier nutzt der Luftbildarchäologe das sogenannte Schräglicht aus, das bei tief stehender Sonne herrscht, um von einer optimalen Schatten-bildung zu profitieren.

Nicht jedes dieser Merkmale ist zu jeder Zeit erkennbar: Bewuchsmerkmale zeigen sich nur in den Wachstumszeiten der Pflanzen, Schatten-merkmale erfordern eine tief stehende Sonne bei klarem Himmel. Auch die winterliche Jahreszeit bietet dem Luftbildarchäologen Vorteile, um mög-liche Bodendenkmäler zu entdecken. Hier helfen ihm sogenannte Schnee- bzw. Reifmerkmale. Diese entstehen durch unterschiedliche Tempera-turen im Boden oder durch Windeinwirkung. So können Schneeverwehungen oder stellenweise geschmolzener Schnee auf der Sonnenseite einer überschneiten Bodenerhebung auf entsprechende Bodendenkmäler hinweisen (Abb. 7).

Flut- bzw. Feuchtigkeitsmerkmale machen es möglich, selbst in überfluteten Gegenden Boden-denkmäler zu entdecken. Zu guter Letzt seien auch noch Bodenmerkmale genannt, wie sie sich meist auf Feldern zeigen. Pflügt der Bauer mit seinem Pflug im Bereich einer verfüllte Grube, so reißt er dabei dunkle humusreichere Erde auf; umgekehrt erzeugt das Überpflügen alter Mauerreste helle Bodenverfärbungen. Markantes Merkmal dieser Bodenveränderung sind die ausgezackten Ränder.

Die Luftbildarchäologie vermag also nicht nur oberirdisch sichtbare Bodendenkmäler zu doku-mentieren, sondern sie trägt auch dazu bei, mög-liche Bodendenkmäler aufzufinden, zu dokumen-tieren und letztlich zu schützen2.

Die Emscher aus der Luft

Ein weiterer Einsatzbereich der Luftbildarchäo-logie besteht in der Luftbild-Dokumentation von Kulturräumen und ihrer Entwicklungsgeschichte. Der Emscherraum ist ein Kulturraum, der sich über etliche Jahrtausende hinweg durch natürliche Kräfte und menschliche Eingriffe zu der Land-schaft geworden ist, in der wir heute leben. Und die Entwicklung des Kulturraums kennt keinen Stillstand. Inzwischen wird der Industrie-Abwas-serkanal von einst abschnittweise renaturalisiert und damit der Emscherraum erneut nachhaltig verändert.

Bis in das 19. Jahrhundert hinein prägte die durch regelmäßige Hochwasser versumpfte Nie-derung den Emscherraum, später setzte die Indus-trialisierung mit den entstehenden Großindustrien unserer Region den Stempel auf. Die Probleme mit dem Fluss nahmen zu und zwangen zu ein-schneidenden Maßnahmen. Doch bevor die Em-scher in ihr Betonkorsett gezwungen wurde, war sie ein Fluss, der sich seinen Weg mäandrierend durch die Landschaft suchte (Abb. 8). Im Fol-genden werden wir die Emscher auf ihrem Weg vom Quellteich bis zur Einmündung in den Rhein begleiten. Als allgemeiner Überblick gedacht, beschränken wir uns bewusst auf knappe Kom-mentare zu den einzelnen Luftbildaufnahmen, ohne diese zu vertiefen3. Verschiedene Monumen-te und Ausgrabungen wurden bereits in den vo-rangehenden Beiträgen der Tagung ausführlicher besprochen.

Die Emscherquelle

Die Emscher besteht aus einem System von ver-zweigten Nebenflüssen und kommt damit auf ein Einzugsgebiet von 775,466 km². Der Emscherlauf nimmt seinen Anfang am Quellteich in Holzwi-ckede. Von hier aus macht sich der Fluss auf seine heute nur noch 83,1 km lange Reise zum Rhein. Dabei überwindet die Emscher 129 Höhenmeter. Schon der Quellteich, der durch kleine Rinnsale aus dem Hixterwald gespeist wird, ist ein gutes Beispiel für den Charakter des Flusses im begin-nenden Industriezeitalter. Heute sieht man von den Zuläufen nicht mehr viel, da sie unterirdisch

2 Song 2010, 9–16.

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verlaufen. Der Quellteich liegt auf dem Gelände des Emscherquellhofes, dem ehemaligen Lün-schermannhof, der heute der Emschergenossen-schaft gehört (Abb. 9). Die Fachwerk-Hofanlage wurde 1801 erbaut und ist in der regionaltypischen Bauweise eines „Westhellweghofes“ errichtet. Es besteht aus dem Haupthaus, einem ausgebauten Stallgebäude und einem freistehenden ehemaligen Backhaus. Bis 2003 wurde das Anwesen als priva-ter Reiterhof betrieben. 2004 erwarb die Emscher-genossenschaft die Anlage und ließ sie aufwändig unter denkmalpflegerischen Aspekten restaurie-ren. Heute wird der Hof als Schulungszentrum, für Ausstellungen und als Tagungsort genutzt. In der eingerichteten Dauerausstellung kann man sich zu allen Themen der Emscher, ihrer Geschichte und der Renaturierung informieren. Im Garten des Hofes ist der Verlauf der Emscher gartenbautech-nisch nachempfunden.

Haus Sölde

Von Holzwickede aus dem Verlauf der Emscher folgend gelangt man nach Dortmund. Hier liegt eine Gruppe von Herrenhäusern, die sich entlang des Flusses in lockerer Folge aneinanderreihen. Haus Sölde ist von Osten nach Westen das erste in dieser Reihe, gefolgt von Haus Rodenberg und Haus Hörde mit dem heutigen Naherholungsge-biet Phoenixsee4.

Im Osten des Dortmunder Stadtzentrums liegt der Stadtteil Sölde. Ehemals befand sich der Orts-kern von Sölde nördlich der Emscher; im Zentrum lag der namengebende Rittersitz Haus Sölde. Heu-te fließt die Emscher in einem Kanal unterirdisch unter dem Stadtteil hindurch. Die Gräftenanlage der Burg wird von einem kleinen Bach gefüllt der weiter südlich in die Emscher mündet. Erst-mals erwähnt wurde „Haus Sulethe“ um 1100, allerdings hat das heutige Aussehen mit dem da-maligen Rittersitz nichts mehr gemein. Mehrmals musste er nach Bränden neu errichtet werden. Über ihn notiert Johann Dietrich von Steinen in seiner Mitte des 18. Jahrhunderts verfassten

„Westphälischen Geschichte“: „Sölde ist ein ein-träglicher Rittersitz, und ein Lehen vom Grafen von Limburg, eine Mühle gehörte dazu“5. Auffal-lend im Gelände ist der kleine „Rosenhügel“, eine mit altem Baumbestand bewachsene Erhebung in dessen Mitte ein alter Mühlstein zu einem Tisch umgewandelt wurde. Südwestlich davon, am Rand der Erhebung finden sich die umgestürzten Grabplatten der Familie Hövel, die lange Zeit hin-durch die Aufsitzer dieses Rittergutes waren. Das heutige Haus stammt aus dem 19. Jh. und wurde im Stil der Neogotik errichtet. In den Jahren 1993 und 1996 grundlegend saniert, beheimatet es nun etwa 80 Wohneinheiten (Abb. 10)6.

Haus Rodenberg

Das heutige Haus Rodenberg liegt mitten im Dort-munder Stadtteil Aplerbeck im Südosten der Stadt Dortmund; von der einstigen Randlage ist nichts mehr zu spüren. Laut der örtlichen Überlieferung haben dort gegen Ende des 7. Jhs. zwei angelsäch-sische Missionare – genannt der weiße und der schwarze Ewald – das Martyrium erlitten. Grund war ihr fortwährendes aber vergebliches Bestre-ben, die heidnische Bevölkerung Sachsens zum Christentum zu bekehren. Bauern hatten in einem heftigen Streit die beiden Missionare erschlagen und ihre Leiber in die Emscher geworfen, von wo sie dann bis in den Rhein getrieben sein sollen.

Die frühste historische Erwähnung der Anla-ge stammt aus dem Jahre 1290. Dort wird sie als eine Besitzung des Diederich von dem Rodenberg genannt, einem Lehen der Grafen von der Mark. Bis um 1400 blieb das Haus im Besitz der Fami-lie Rodenberg. Von nun ab wechselte es häufig den Besitzer und wurde mehrfach umgebaut. Im Jahre 1810 stürzte das völlig zerfallene Haus ein und wurde abgetragen. Heute ist von Haus Ro-denberg nur noch die Vorburg zu sehen, welche zwischen den Jahren 1992 und 1996 von der Stadt Dortmund, die der heutige Besitzer ist, aufwendig restauriert wurde. Inzwischen wird Haus Roden-berg als Sitz mehrerer kultureller Einrichtungen

3 Zu den einzelnen Burgen und Schlössern im Emschertal informiert überblickend Burgen AufruHr 2010; s. außerdem den Beitrag von St. Leenen in diesem Band. Überblick zur Geschichte des Ruhrgebiets bei HArenBerg 1987.4 S. dazu <www.route-industriekultur.de/themenrouten/13-auf-dem-weg-zur-blauen-emscher/emschquelle.html>, ab-gerufen am 17.5.2013.5 Steinen 1755–1760.6 Vgl. KurowSKi 2009, 15 f.

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genutzt; der Innenhof dient der Bevölkerung als Ruheinsel in der Ortsmitte (Abb. 11)7.

Dortmund-Hörde

Dem Verlauf der Emscher weiter folgend, erreicht man einen der beeindruckendsten Bereiche, die der Strukturwandel an der Emscher kreiert hat, das Gelände des ehemaligen Phönix-Stahlwerks. Sei-ne Geschichte beginnt 1837 mit dem Aufbau der Hermanns-Hütte durch den Hoerder Bergwerks- und Hüttenverein auf dem heutigen Gelände Phö-nix-Ost. Auf dem Gelände Phönix-West entstand ab 1852 der erste Hochofen. In den 1850er Jahren fusionierte der Hoerder-Verein mit der Phoenix AG für Bergbau und Hüttenbetrieb. Nach dem zweiten Weltkrieg ging das Werk im Rahmen der Neuordnung in der Dortmund-Hörder Hüttenuni-on AG auf. Unter der Firma Hösch gelangte das Hochofen-und Stahlwerk ab 1966 zu neuer Blüte. Nach der Übernahme durch Thyssen-Krupp wur-de das Werk im Jahr 2001 geschlossen (Abb. 12). Große Teile der Anlage wurden demontiert und nach China verkauft, zurück blieb eine riesige In-dustriebrache. Auf dem Gelände von Phönix-Ost entstand der Phönixsee, eine Freizeit- und Erho-lungsstätte mit Hafen, Inseln und Wohnbebauung. Seit Mai 2011 ist das Ufer des Sees für die Öf-fentlichkeit zugänglich. Durch die Luftbilder ist es möglich, die Entwicklung des Geländes gut zu verfolgen.

Das Emscherbett wechselte im Zuge der Re-naturierung von der einen Seite des Geländes auf die andere und folgt jetzt dem Verlauf des feurigen Elias, einer Eisenbahnlinie, die die beiden Phö-nixwerke miteinander verband. Mit der Eliasbahn wurde in speziellen Waggons das geschmolzene Eisen in die andere Werkshälfte transportiert. Am 18. Dezember 2009 wurde das renaturierte, 1,3 Kilometer lange oberirdische Bett der Emscher geflutet (Abb. 13).

Mitten in dieser Industrielandschaft befindet sich das Haus Hörde. Besitzer der ersten Burg im 12./13. Jahrhundert war die Familie Hörde, die wie alle Burgherren in und um Dortmund in die sogenannte Große Dortmunder-Fehde (1388/89)

verwickelt waren. 1673 brannte die Burg ab, Teile der verfallenen Anlage wurden bei Ausgrabungen freigelegt (Abb. 14). Der heute noch aufrecht ste-hende Burgturm gilt dagegen als ältestes Gebäude der Stadt Dortmund. Seit der Industrialisierung spielten die Reste der Burg erneut eine wichtige Rolle. Durch alle Firmenübernahmen hindurch wurde die Hütte aus den historischen Mauern he-raus verwaltet (Abb. 15). Heute befindet sich auf dem Gelände der Burg Hörde ein Freilichtmuseum und in der Burg eine kleine Ausstellung zu der Ge-schichte des Gebäudes und zum Stadtteil Hörde.

Inmitten des Phönixsees ist eine Insel aufge-schüttet worden (Abb. 16). Das futuristisch an-mutende Gebilde auf der Insel ist keine moderne Skulptur, sondern eine sogenannte Thomas-Birne (Abb. 17), die an die Zeiten des Stahlwerks erin-nern soll. Das Thomas-Verfahren war eine beson-dere Methode, um dem Roheisen Kohlenstoff zu entziehen und Stahl zu produzieren. Die Hörder Hütte war die erste in Deutschland, die eine Li-zenz für das Verfahren aus Großbritannien erwor-ben hatte8.

Waltrop-Henrichenburg

Nach Westen fließt die Emscher durch den Wal-troper Stadtteil Henrichenburg, der durch ein Schiffshebewerk bekannt wurde. Dieses außerge-wöhnliche Bauwerk wurde am 11. August 1899 von Kaiser Wilhelm II. eingeweiht. Mithilfe des Hebewerkes überwanden Schiffe einen Höhenun-terschied von 14 Metern im Dortmund-Ems-Ka-nal (Abb. 18).

Am Emscherufer lag die alte Henrichenburg aus dem 13. Jahrhundert. Sie war ein Glied in der Befestigungskette der Grafschaft Mark. Nach mehrfachem Wechsel der Aufsitzer gelangte sie schließlich in den Besitz der Fürstin Franziska Christine von Pfalz-Sulzbach. Nach ihrem Tod 1777 ging der Gebäudekomplex in die Fürstin-Franziska-Christine-Stiftung über, die hier ein Waisenhaus einrichtete. Schon zehn Jahre später wurde die baufällige Burg abgerissen. Das Ge-bäude geriet in Vergessenheit und wurde erst 1990 bei Bautätigkeiten wiederentdeckt. Anhand der

7 Song 2010, 47.8 Song 2010, 41; HerMAnn 2008.

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221Das Emschertal aus der Vogelperspektive – Luftbildarchäologie im Ruhrgebiet

archäologischen Dokumentation wurde der alte Mauerverlauf mit Heckenbewuchs nachgezeich-net (Abb. 19).

Nur wenige Meter weiter kreuzt der Rhein-Herne-Kanal den Lauf der Emscher. Im Zuge der Renaturierung muss auch der Durchfluss unter dem Kanal erneuert werden (Abb. 20).

Die Grabung Castrop-Rauxel-Ickern

Anschließend verlässt die Emscher den Dortmun-der Raum und erreicht Castrop-Rauxel. Von be-sonderem Interesse ist der Stadtteil Ickern, in dem über Jahre hinweg immer wieder vorgeschichtliche Scherben gefunden wurden. Als dann im Zuge der Renaturierung der Emscher ein Hochwasserrück-haltebecken in Ickern entstehen sollte, wurde im Rahmen des Bauprogramms eine der größten Aus-grabungen der Abteilung Archäologie des Land-schaftsverbandes Westfalen-Lippe durchgeführt. Die untersuchte Gesamtfläche hat eine Größe von über 120.000 m² und barg Spuren von mehr als 14.000 Jahren Menschheitsgeschichte (Abb. 21). Der wichtigste Befund stammt aus der Vorrömi-schen Eisenzeit und Römischen Kaiserzeit9. Be-wusst wurde schon damals ein Siedlungsstand-ort in Emschernähe gewählt, weil der Fluss eine ausreichende Wasserversorgung, die Möglichkeit zum Fischfang, Transporte und Warenverkehr in Richtung der römischen Reichsgrenze am Rhein und eine unkomplizierte Abfallentsorgung bot. Mithilfe der Luftaufnahmen sind besonders gut die freigelegten Pfostenlöcher von Standpfosten zu erkennen, anhand derer einzelne Hausgrundris-se rekonstruiert werden können (Abb. 22).

Schloss Bladenhorst

Eingebettet zwischen Großindustrie, Eisenbahn und Rhein-Herne-Kanal liegt inmitten eines Grün-streifens das typisch westfälische Wasserschloss Bladenhorst im gleichnamigen Stadtteil von Cas-trop-Rauxel. Erstmals erwähnt wird ein Adelssitz im Jahre 1266. Damals saßen Gefolgsleute des Grafen Dietrich von Kleve, die „von Blarnhurst“ auf der Burg. Erhalten blieben von der mittelalter-

lichen Burg nur der Wassergraben und Reste der Wehranlage.

Heute beherbergt das im 16. Jahrhundert im Stil der Renaissance errichtete Schloss Wohnun-gen und Büroräume (Abb. 23)10.

Schloss Strünkede

Von Castrop-Rauxel aus geht es weiter nach Her-ne. Im heutigen Stadtteil Baukau der Stadt Herne liegt Schloss Strünkede. Das Wasserschloss, des-sen Gräften nur noch zum Teil erhalten sind, ist einer der drei Standorte des Emschertal-Museums der Stadt Herne und beherbergt die heimat- und naturkundliche Sammlung.

Erstmals urkundlich erwähnt wurde das Ge-schlecht derer von Strünkede im Jahre 1142. Wann jedoch der Grundstein für die damalige Burg ge-legt wurde, ist nicht überliefert.

Erst 1263 wird in einer Urkunde erwähnt, dass es sich wohl um eine Haupt- sowie eine Vorburg aus Stein handelt. Im Besitz der Grafen zu Kleve wurde es als Lehen an die Strünkeder gegeben und blieb in deren Besitz bis in das 18. Jahrhundert. Wie viele andere Burgen der Region auch wurde Strünkede im Laufe der Jahrhunderte mehrfach belagert, niedergebrannt, wieder aufgebaut, erwei-tert und umgebaut. Goddert von Strünkede war es dann, der den frühbarocken Bau samt dazugehö-rigem Barockgarten vollenden ließ. Bis zum Jah-re 1777 blieb das Haus in den Händen derer von Strünkede. Von dem Barockgarten ist leider heute nichts mehr zu erkennen, das im Besitz der Stadt Herne befindliche Schloss liegt in einem 2008 neu gestalteten Park (Abb. 7; 24).

Das Gruppenkraftwerk der STEAG in Herne

Ein typisches Bild der Emscher bietet das Grup-penkraftwerk der Steinkohlen-Elektrizität AG, STEAG, bei Herne (Abb. 4)11. Für die Luftbildar-chäologie an der Emscher sind solche Indust-riekomplexe eine besondere Herausforderung. Bebaute Flächen wechseln sich mit modern ge-stalteten Grünflächen ab. Aber häufig liegen unter

9 Vgl. hierzu auch den Beitrag von CH. grünewALd, J. PAPe und A. SPeCKMAnn in diesem Band; ferner: PAPe/SPeCKMAnn 2011.10 Song 2010, 152f.11 S. auch <www.steag.com/herne.>

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Christina Vollmari – Anne van Oosten222

den Grünflächen aufgegebene Industrielagen oder deren Reste verborgen, sei es eine renaturierte Halde oder eine stillgelegte Anlage, die sich die Natur zurückerobert hat.

Haus Crange

Herne-Crange ist vielen Einwohnern der Region durch die landesweit bekannte Cranger Kirmes ein Begriff (Abb. 28). Dass in direkter Nachbarschaft eine Wasserburg liegt, ist hingegen den wenigsten bewusst. Haus Crange wurde auf einer ehemali-gen Emscherinsel errichtet und ist umgeben von Gräften und der zugehörigen Freiheit (einer ange-gliederten Siedlung). Rechnungen aus den Jahren 1433 und 1437 erwähnen einen „Diderich van Ekel oppen Krange“, die einen ersten Hinweis auf die Existenz eines Adelssitzes geben. In der Neu-zeit wurde Haus Crange von verschiedenen Wirt-schaftsunternehmen als Sitz genutzt. Als das Haus dann 2002 in den Besitz der Stadt Herne überging, war die Bausubstanz in einem solch schlechten Zustand, dass es bis auf die Grundmauern abge-rissen werden musste. Heute sind in der Ruine nur noch die Grundrisse des ehemaligen Hauses zu er-kennen (Abb. 26)12.

Schloss Horst

Die nächste Stadt, durch die Emscher auf ihrem Weg nach Westen fließt, ist Gelsenkirchen, und auch hier liegt ein Herrenhaus in unmittelbarer Flussnähe. Wie viele Adelssitze der Region hat wahrscheinlich auch das heutige Schloss Horst als Motte, d. h. als aufgeschütteter Hügel mit ei-nem Turm als Wohnstatt, begonnen. Das Auf-schütten eines Hügels bot nicht nur Schutz vor Angreifern, sondern auch vor dem Hochwasser des unberechenbaren Flusses. Die Geschichte des Hauses Horst ist bis in das 12. Jh. zurückzuverfol-gen, als sich hier eine Hofstelle der Abtei Essen befand. Im Laufe der Jahrhunderte wandelte sich das Antlitz des Hauses von einer Motte zu einer mächtigen Burg mit Vorburg und Freiheit (einer angegliederten Siedlung). Mit Einführung der Schusswaffen wurden die mächtigen Schutzwälle

und Türme dann jedoch schlagartig unbrauchbar. Die Funktion der Adelssitze wandelte sich und folgt dem geänderten Repräsentationsbewusstsein seiner Besitzer: Aus Schutzburgen wurden in der Renaissance prächtige Schlösser. In Horst fand dieser Umbau Mitte des 16. Jahrhunderts unter Rutger von der Horst statt. Doch schon bald nach seinem Tod verfiel die Anlage. Erst nachdem das Schloss in städtischen Besitz gelangte, wurde in Verbindung mit dem Förderverein Schloss Horst e.V. das Schloss durch eine vorsichtige und mo-derne Rekonstruktion einer öffentlichen Nutzung zugänglich gemacht. Heute befinden sich dort die Stadtbibliothek, ein Museum und eine Abteilung des Standesamtes (Abb. 27)13.

Zeche und Kokerei Prosper

In Bottrop, dem nächsten Ziel unseres Fluges, be-findet sich eine der letzten noch aktiven Zechen-anlage des Ruhrgebiets, die Zeche und Kokerei Prosper, die nur wenige Kilometer von der Em-scher entfernt liegt. Das Bergwerk feierte 2006 sein 150–jähriges Bestehen. Noch heute fördert die Zeche mit über 4.100 Mitarbeitern 3,5 Millio-nen Tonnen Steinkohle pro Jahr. Die größte Teufe liegt auf der 2006 erschlossenen siebten Sohle bei 1.340 Metern (Abb. 28). Hier lagern Kohlevorräte von bis zu 54 Millionen Tonnen, was theoretisch einem gesicherten Abbau von rund weiteren 15 Jahren entspräche. Im Vordergrund der Luftbild-aufnahme ist unter anderem der mächtige Mala-kowturm der historischen Zechenanlage Prosper II zu sehen14.

Burg Vondern

Die Burg liegt bereits auf Oberhausener Stadtge-biet und ist ein Paradebeispiel für die Entwicklung des Emscherraumes im Industriezeitalter und für den Umgang mit historischen Baudenkmälern: Eingezwängt zwischen der Zugbildungsanlage der Deutschen Bahn und dem Emscherschnellweg, der BAB 42, lässt sich Burg Vondern heute nur noch aus der Luft optimal in den Blick nehmen (Abb. 6,1–2; 29)15.

12 M. HiLdeBrAndt in: Burgen AufruHr 2010, 239; s. auch den Beitrag von St. Leenen in diesem Band.13 Song 2010, 114f.14 Vgl. dazu HerMAnn 2008.15 Ch. Brox in: Burgen AufruHr 2010, 306.

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223Das Emschertal aus der Vogelperspektive – Luftbildarchäologie im Ruhrgebiet

Vondern wird erstmalig 1266 in Verbindung mit einem Gerhard von Vonderen urkundlich erwähnt. Wann genau die Herren zu Vondern sich hier nie-derließen, ist jedoch unbekannt. Die Anlage dürfte auf eine Motte zurückgehen, für die inzwischen dank einer Prospektion erste Hinweise vorliegen16. Letzter adeliger Aufsitzer von Burg Vondern war im Jahre 1799 Reichsgraf von Nesselrode-Lands-cron. 1947 ging die marode Burg für wenig Geld in den Besitz der Stadt Oberhausen über. Fast schon dem Abriss preisgegeben17, konnte die Anlage 1984 als Bürgerzentrum in die Trägerschaft des Förderkreises Burg Vondern e.V. übergehen und wird seitdem in einzelnen Schritten restauriert.

Schloss Oberhausen

Südlich der Emscher, im Gebiet von Alt-Ober-hausen, liegt ein weiteres Herrenhaus. Das heuti-ge Schloss geht auf einen vollständigen Neubau aus dem Beginn des 19. Jahrhunderts zurück. Dieser ersetzte den alten Rittersitz Overhus, auch Overhuysen oder Averhus genannt, der an ande-rer, bis heute nicht eindeutig identifizierter Stelle im späten 12. oder frühen 13. Jahrhundert zum Schutz ei ner Emscherfurt errichtet worden war. Zu den Auf sitzern des Adelssitzes gehörten die von der Hoven, Freiherr von Boenen zu Berge und Oberhaus, die Grafen Westerholt-Gysenberg und die von Betzenheim. Das im zweiten Welt-krieg stark be schädigte Gebäude besteht aus ei-nem Haupthaus, dem Wirtschaftsgebäude „Klei-nes Schloss“ und dessen Flügelbauten. An der Innenseite des Haupt hauses befindet sich eine moderne Glas-Stahl-Konstruktion, die nach dem Einzug der Galerie Ludwig als neuer Hauptein-gang erbaut wurde (Abb. 30)18. Der angegliederte Kaisergarten wurde anlässlich des 100. Geburts-tages Kaiser Wilhelms I. eröffnet und ist seitdem ein Naherholungsort für die Menschen aus der näheren und weiteren Um gebung.

Das OXEA-Werk Ruhrchemie in Oberhausen-Holten

Von Oberhausen aus nimmt die kanalisierte Em-scher seit dem frühen 20. Jahrhundert einen ganz anderen Verlauf als der ursprüngliche Fluss; sie biegt scharf nach Nordwesten Richtung Dinsla-ken ab. Dabei streift die Emscher den Oberhau-sener Stadtteil Holten, an dessen südwestlicher Grenze das Werk Ruhrchemie der OXEA liegt (Abb. 3). Die 1927 als Kohlechemie AG ge-gründete Firma stellt verschiedene Produkte aus Kohlenstoffverbindungen her. 1938 gelang hier Otto Roelen erstmalig die Hydroformylierung (auch: OXO-Synthese), die für die Herstellung von Weichmachern und Polymeren entschei-dend ist.

Emschermündung

Nach ihrer 83,1 km langen Reise mündet die Emscher bei Dinslaken-Eppinghoven in den Rhein. Dabei fließen rund 16 m³ Emscherwas-ser pro Sekunde in den Strom. Die letzten acht Höhenmeter stürzt das Wasser in die Tiefe; die-se Staustufe war nötig, um Spielraum für wei-tere Bergsenkungen zu schaffen, die bereits in den letzten hundert Jahren dazu geführt haben, dass sich das Flussbett beträchtlich abgesenkt hat. Für die im Fluss lebende Fauna ist die Staustufe jedoch von großem Nachteil, so dass bei der geplanten Renaturierung einige weitere Flusskilometer hinzu kommen sollen, um den Höhenunterschied dann wieder auszugleichen und eine „normale“ Mündung der Emscher zu ermöglichen (Abb. 31). In den Luftbildern ist gut zu erkennen, wie das braune, schmutzige Wasser des Rheins und das dunklere, heute wieder sauberere Wasser der Emscher noch ein Stück nebeneinander fließen, bevor sie sich vermischen19.

16 S. hierzu den Beitrag von St. Leenen in diesem Band.17 S. hierzu den Beitrag von w. PASSgAng in diesem Band.18 Song 2010, 149.19 S. dazu auch die Informationen unter <www.emschergenossenschaft.de, www.route-industriekultur.de>.

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Renaturierung

Mit Hilfe der Luftbildarchäologie haben wir die verschiedenen Abschnitte der Emscher kennen-gelernt, vom idyllischen Quellteich bis zum In-dustriegelände. Dabei wurde vor Augen geführt, wie sehr sich das Antlitz der Emscher im Laufe der Jahrhunderte verändert hat. Aus einer ehemals idyllischen, moorreichen Auenlandschaft mit um-fangreicher Flora und Fauna hat der Mensch seit dem 19. Jahrhundert eine hässliche Industrieland-schaft geschaffen…mit teilweise fatalen Folgen. Inzwischen sind nicht nur die Fehler erkannt, sondern es herrscht auch die Bereitschaft, die schlimmsten Auswüchse zu beseitigen. So hat die Emschergenossenschaft im Jahre 2005 einen Mas-terplan „Emscher-Zukunft“ aufgestellt. Oberstes Ziel ist die Renaturierung der Emscher, die wieder ein annähernd natürliches Aussehen erhalten soll. Mit Hilfe der Luftbildarchäologie kann auch die-ser Wandel eindrucksvoll dokumentiert werden, wie das Beispiel des Flussabschnittes rund um den Phoenix-See in Dortmund zeigt (Abb. 32,1–2).

Zusammenfassung

Der Emscherraum bietet ein hervorragendes Be-tätigungsfeld für die Luftbildarchäologie, die hier ihr ganzes Potenzial aufzeigen kann. Mit ihrer Hil-fe wurden und werden nicht nur bisher unentdeck-te Bodendenkmäler aufgespürt und Baudenkmäler in ihrem naturräumlichen Kontext besser erfasst, sondern auch ein wertvoller Beitrag zur Industrie-Archäologie geleistet. Außerdem ermöglicht der Blick aus der Vogelperspektive, die aktuelle Ent-wicklung des Emscherraumes zu verfolgen. Somit ist die Luftbildarchäologie nicht nur ein wichtiges Werkzeug in der Hand der Archäologen, sondern sie ist ebenso ein unverzichtbares Instrumentari-um für die Darstellung des Entwicklungsprozes-ses einer Kulturlandschaft.

Abgekürzt zitierte Literatur

ArCHäoLogie AuS der Luft 1989Archäologie aus der Luft. Sechs Jahre Luftbildar-chäologie in Westfalen. Red. M. Balzer (Münster 1989).

Burgen AufruHr 2010Burgen AufRuhr. Unterwegs zu 100 Burgen, Schlössern und Herrensitzen in der Ruhrregion. Hrsg. vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe und dem Ministerium für Bauen und Verkehr des Landes NRW (Essen 2010).

HArenBerg 1987B. HArenBerg (Hrsg.), Chronik des Ruhrgebiets (Dortmund 1987).

HerrMAnn 2008W. und G. HerMAnn, Die alten Zechen an der Ruhr (Königstein 2008).

KurowSKi 2009H. KurowSKi, Entlang der Emscher (Erfurt 2009).

PAPe/SPeCKMAnn 2011J. PAPe/A. SPeCKMAnn, EmscherZeitLäufe. 14.000 Jahre Mensch und Umwelt in Castrop-Rauxel (Darmstadt 2011).

Song 2010B. Song, Die verborgene Seite des Ruhrgebiets (Bochum 2010).

Steinen 1755–1760J. d. von Steinen, Westphälische Geschichte 1–4 (Lemgo 1755–1760).

Abbildungsnachweise

Abb. 1, 2, 3, 4, 5, 9, 11–32: Foto B. Song; Abb. 5,1: Foto B. Seyock; Abb. 5,2: Nach ArCHäoLogie AuS der Luft 1989; Abb. 6,1: Google Earth; Abb. 6,2: Foto Ch. Vollmari.

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Abb.1: Die Ruhr bei Hattingen.

Abb. 2: Die Lippe bei Lünen.

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Abb. 3: Das Werk OXEA-Ruhrchemie in Oberhausen-Holten.

Abb. 4: Das STEAK-Gruppenkraftwerk bei Herne.

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Abb. 5: 1 Luftbildarchäologe B. Song bei der Arbeit; 2–3 Fo-tograf und Operateur bei einer Senkrechtaufnahme.

Abb. 6: Senkrecht- und Schrägaufnahme im Vergleich am Beispiel der Burg Vondern, Oberhausen-Osterfeld.

Abb. 7: Schneemerkmale bei Schloss Strünkede, Herne.

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Abb. 8: Teilstück der Emscher. Roter Pfeil: Verlandeter, mäandrierender Altarm.

Abb. 9: Holzwickede, Kr. Unna. Emscherquellhof. Roter Pfeil: Quellbecken.

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Abb. 10: Dortmund-Sölde, Haus Sölde 1.

Abb. 11: Dortmund-Aplerbeck, Haus Rodenberg.

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Abb. 12: Dortmund. Fläche der Phoenix-Hütte nach der Demontage des Stahlwerks.

Abb. 13: Entstehung des Phönixsee.

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231Das Emschertal aus der Vogelperspektive – Luftbildarchäologie im Ruhrgebiet

Abb. 14: Dortmund-Hörde. Ausgrabung der mittelalterlichen Burganlage.

Abb. 15: Dortmund-Hörde, Burg Hörde.

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Abb. 16: Dortmund-Hörde, Blick auf den Hafen mit der integrierten Insel im Phönixsee.

Abb. 17: Thomasbirne aus dem ehemaligen Stahlwerk Phoenix.

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233Das Emschertal aus der Vogelperspektive – Luftbildarchäologie im Ruhrgebiet

Abb. 18: Waltrop-Henrichenburg, Kr. Recklinghausen. Schiffshebewerk.

Abb. 19: Waltrop-Henrichenburg, Kr. Recklinghausen. Burg Henrichenburg.

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Abb. 20: Übergang des Rhein-Herne-Kanals über die Emscher.

Abb. 21: Castrop-Rauxel-Ickern, Kr. Recklinghausen. Übersicht über die Grabung.

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Abb. 22: Castrop-Rauxel-Ickern, Kr. Recklinghausen. Detail der Grabungsfläche.

Abb. 23: Castrop-Rauxel, Kr. Recklinghausen. Schloss Bladenhorst.

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Abb. 24: Herne. Schloss Strünkede.

Abb. 25: Herne-Crange. Cranger Kirmes.

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237Das Emschertal aus der Vogelperspektive – Luftbildarchäologie im Ruhrgebiet

Abb. 26: Herne-Crange. Haus Crange.

Abb. 27: Gelsenkirchen-Horst. Schloss Horst.

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Abb. 28: Bottrop. Zeche und Kokerei Prosper.

Abb. 29: Oberhausen-Osterfeld, Siedlung Vondern mit Burg Vondern zwischen dem Zugbildungswerk der Deutschen Bahn und der BAB 42/Emscherschnellweg.

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Abb. 30: Oberhausen, Schloss Oberhausen.

Abb. 31: Emschermündung in den Rhein bei Dinslaken.

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Abb. 32: 1 Bauabschnitt an der Emscher bei Dortmund. 2 Die renaturierte Emscher bei Dortmund.