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Cool, krass, fett, geil. Warum nicht?Christian Holl |
18.05.2011
Pop und Architektur – da könnten einem grelle, bunteFassaden mit
kurzer Halbwertszeit einfallen. Popkann aber auch als ein
diskursives Phänomenverstanden werden. Dann ist Pop auch eine Art,
überDinge zu sprechen, Inhalte zu vermitteln, mitAmbivalenzen
produktiv umzugehen, anstatt letztlichvergeblich danach zu
trachten, ihrer durch DogmenHerr zu werden. Architektur in Bezug zu
Pop zusetzen, scheint allerdings derzeit nicht populär zusein.
Schade eigentlich. Denn die verkrampftenArchitekturdiskurse (etwa
der aktuelle um dieFrankfurter Altstadt) könnten eine Portion Pop
gutgebrauchen.
Pop ist eine Frage des Umgangs mit den Dingen und den Inhalten.
(Bild:Christian Holl)
Jeder, so scheint es, kann Popstar werden. Vorausgesetzt,
ersteht in der Öffentlichkeit und tut oder sagt etwas, das
vielebewegt oder interessiert, auf eine Weise, die viele bewegt
oderinteressiert. Popmusik muss sein Metier nicht mehr sein.
AlsPopstar wurde in letzter Zeit – vor seinem Rücktritt und
dendamit verbundenen Peinlichkeiten – der Verteidigungsministervon
Guttenberg, aber auch der erste grüne MinisterpräsidentWinfried
Kretschmann bezeichnet. Real Madrids Trainer JoséMourinho ist der
Popstar der Verschwörungstheoretiker,Stephen Hawking der der
Physiker. Und so weiter. Wenn das,was Popstars vertreten, Pop ist,
dann lässt sich Pop nicht mehrauf bestimmte Inhalte, bestimmte
Ausdrucksformenbeschränken. Das hieße, dass nicht einmal die
Komplexität vonInhalten reduziert werden muss. Pop ist dann eine
Frage desUmgangs mit ihnen.
Was ist Pop?Damit wird die Antwort auf die Frage, was Pop denn
nuneigentlich ist, nicht leichter. Immerhin ist Pop zu wichtig,
um
Zitierte Quellen und LiteraturhinweiseRoger Behrens über
Popbegriffe undPopdiskurse
(http://www.beatpunk.org/popkritik/pop-die-raving-society-frist-
ihre-kinder/)
Diedrich Diedrichsen über Theodor W.Adorno und Poptheorie
(http://www.taz.de/1/archiv/archiv/?dig=2003/03/11/a0124)
Gerd de Bruyn über undisziplinierteArchitekturtheorie(n)
(http://www.tu-cottbus.de/theoriederarchitektur/Wolke
/deu/Themen/042/deBruyn/de-bruyn.htm)
LiteraturBeat Wyss: Die Welt als T-Shirt. ZurÄsthetik und
Geschichte der Medien.DuMont, Köln 1997Daniela Konrad (Ed.):
Interrogatin Pop inArchitecture. Wasmuth VerlagTübingen /Berlin,
2008
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ihn zu ignorieren. Pop sei, so der Kunstwissenschaftler BeatWyss
schon 1997, zur Hochkultur geworden, zum kulturellenAusdruck einer
deregulierten Aufklärung. Pop sei dasVersprechen auf Teilhabe am
Konsum aller, die nach Glückstreben. Damit ist die erste
Charakteristik von Pop genannt – ersetzt eine prinzipielle oder
zumindest potenzielle Verfügbarkeitund Zugänglichkeit (und damit
Vervielfältigbarkeit) voraus.Teilhabe, Zugänglichkeit,
Verfügbarkeit – es ist offensichtlich,dass Pop im Kern auch eine
Frage der Medien ist. Man musswissen, was man bekommen kann. Und
was man haben sollte.Pop ist die Verständigung darüber, was zu
haben, was zu hören,zu sehen, woran teilzunehmen wichtig ist. Pop,
so RogerBehrens, habe "mit der Art und Weise zu tun, in der über
Popgeschrieben und reflektiert wird, damit, inwiefern Pop
selbstneben einer kruden kulturell-ökonomischen Realität ein
Produktvon Diskursen ist. Das Reden über Pop ist bisweilen mehr
Popals das, worauf es gerichtet ist." Und, so Behrens weiter,
derAdressat, der Konsument, verstehe sich genauso als Teilnehmeram
Diskurs wie die, die ihn führen.
Pop als Diskurs – erzählen, was man sein will. (Bild: Christian
Holl)
Als Akteur ist der Konsument dabei einer dringenden
Frageausgesetzt: Gehöre ich dazu oder nicht? Das ist nicht nur
dieFrage danach, ob man dabei gewesen ist, ob man selbst imBesitz
dessen ist, was auch die anderen besitzen. Diepermanente
Neujustierung setzt den Zwang zur permanentenAktualisierung, zum
Neuerwerb, zur Veränderung. Damit istauch deutlich, dass Pop nicht
endgültig bestimmt werden kann,sondern immer neu beschrieben werden
muss.Die Beschreibung von Pop erschöpft sich aber nicht
inErklärungsmustern einer soziologischen odermedientheoretischen
Disziplin. Auch das gehört zu Pop: UmGrenzen von Disziplinen und
deren immanenteSelbstbeschreibungen schert er sich nicht. Man
könnte sogarsagen, dass gerade die Grenzüberschreitung essentiell
zu ihmgehört, dass es sein Wesen ist, in fremden Revieren zu
wildern.Pop ist beweglich. Gesänge mittelalterlicher Mönche
werdengenauso popularisiert wie religiöse Symbole. Dabei wird
auchnobilitiert. Fangesänge oder Sportkleidung dringen in
Bereicheein, in denen sie lange tabu waren. Die Grenzen
werdengeschliffen: die zwischen Hoch- und Massenkultur,
zwischenKunst- und Warenästhetik, zwischen Virtualität und
Realität. Eszählt nicht, was nach systeminternen Kriterien der
Disziplin,derer sich der Pop bedient, jeweils als richtig, objektiv
definiert
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wurde. Pop folgt dem und erzeugt das Bedürfnis nachEmotionen und
intensivem Erleben – und erschöpft sich darindoch nicht.
Intellektueller Genuss oder wissenschaftlicheErkenntnisvermittlung
und Pop schließen sich nicht aus.
Pop und ArchitekturNun ist es also schon schwierig genug, über
Pop zu reden. FürArchitektur gilt das um so mehr, als sie sich in
einigenCharakteristika dem widersetzt, was zum Pop gehört. Auchwenn
es keine endgültige Bestimmung dessen geben kann, wasPop ist, wird
deutlich, dass Architektur als Produkt sichdagegen sperrt, Pop zu
sein. Architektur ist teuer, man kann sienicht sammeln wie Bücher
oder Platten. Man kann sie nicht soeinfach wechseln wie Schuhe,
Frisuren, Kleider. Sie wird nichtvorgetragen wie Musik. Und
Architektur steht länger als Modenhalten. Man kann sich ihrer nicht
schnell und leicht entledigenoder sie archivieren, um sie nach ein
paar Jahren wiederhervorzukramen. Das ist die eine Seite.
Allzu verkrampft darf man mit geschichtlichen Architekturformen
nichtumgehen, wenn sie für heutige Bedürfnisse passen sollen.
(Bild: ChristianHoll)
Wenn Pop eine Frage des Umgangs mit den Inhalten ist, dannkönnte
Pop zu akzeptieren auch heißen, den Architekturdiskursanders zu
führen. Darin zeigt sich, dass viele Architekten nochnicht so recht
im Zeitalter des Pop angekommen sind. IhrHabitus und
Selbstverständnis ist noch vielfach eines, das sichmit dem Wesen
des Pop nicht verträgt. Das Ideal ist das nichtvervielfältigbare
Kunstwerk. Das macht ja eigentlich nichts.Was lange steht, so wird
allerdings geschlossen, müsse seineRechtfertigung außerhalb
emotionaler Faktoren suchen, dürfenicht modischen, subjektiven
Kriterien folgen.Dabei sind sie doch ausschlaggebend. Kollhoff – um
nur einBeispiel zu nennen – beschreibt in der FAZ
(http://www.faz.net/s/Rub117C535CDF414415BB243B181B8B60AE/Doc~E60CFCD0D488B4105BD8B5145F890B62B~ATpl~Ecommon~Scontent.html)den
Unmut der Menschen über die Architektur der Moderne,sie wollten
Häuser, in die sie sich einfühlen könnten. Soweit sogut. Aber
Kollhoff instrumentalisiert "die Bürger" gleich wiederfür ein
vermeintlich kollektives Erbe, für ein "von Architekt zuArchitekt
weitergereichten verfeinerten Repertoires". Es sei denArchitekten
ja gegönnt, dass gefällt, was sie für gut halten. Sie
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sollten aber auch genau hinsehen. "Dem Bürger"
gefälltdummerweise auch Wertheim Village
(http://www.outlet-cities.de/wertheim-village/bilder/) . Es soll
sogar Bürger geben, die gernein Wohnmaschinen leben. "Der Bürger"
geht anders mit derArchitektur um, als Architekten es für richtig
halten. Deswegenkann es auch sein, dass "der Bürger" auf die von
Kollhoffbemühte "Konstante des Architektonischen" oder
die"Jahrtausende umspannende Architekturgeschichte" pfeift,
vorallem, wenn er sich kein privates Haus auf der Parzelle
bauenkann oder will. Bürger ist er übrigens trotzdem noch.
Unddann?
Da hat der Bürger gut, aber noch nicht gut genug aufgepasst.
(Bild:Christian Holl)
Nein, Pop hieße zunächst einmal, sich in dem, was man
alsArchitektur denken darf, worüber man als Architektur redendarf,
von all dem hemmenden Ballast zu entledigen, der unterBerufung auf
alte Meister, auf die Geschichte, auf die richtigeStadt (es muss ja
auch immer gleich die ganze Stadt sein, auchwenn es nur um 36
Häuser geht), auf das über Jahrhundertetradierte Repertoire
aufgetürmt wurde, weil man dem meint,ihm verpflichtet zu sein. Pop
ist radikal subjektiv.Eine solche Befreiung könnte sich in der
individuellenAnverwandlung von historischen Referenzen, dem
opulentenund verschwenderischen Umgang mit ihren Formen
äußern.Weder müssen bunte, poppige Fassaden entstehen, noch
solleiner beliebigen Wegwerfarchitektur das Wort geredet
werden.Wollte man das tun, wäre man rasch mit der Diskussion
amEnde. Es geht dabei um etwas anderes. Pop und
Architekturaufeinander zu beziehen, hätte für den Diskurs
zumindestzweierlei mögliche Konsequenzen. Architektur ließe
sichemotional vermitteln, etwa mit einem überraschenden
Film(http://www.architekturclips.de/8House) , mit einer
einnehmendenÜberzeugungsstrategie, man muss im Diskurs
demAtmosphärischen, dem emotionalen Bewegtsein nicht mitMisstrauen
begegnen.
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Es gibt einen Grund, dass der Barock bei denen, die Geschichte
alsarchitektonische Instanz einfordern, keine Rolle spielt: zu viel
Pop. (Bild:Christian Holl)
Warum sollen Menschen sich nicht für Architektur begeistern,sie
ohne Rechtfertigung mögen dürfen? Pop in der Architekturwäre das
Ende des lähmenden Beharrens auf vermeintlichkorrekten, wahren und
zeitlosen Werten. Wenn Werte zeitlossind, werden sie sich auch
durchsetzen, ohne dass sieproklamiert werden müssen. Werden sie
bemüht, ist das schonein Grund, misstrauisch zu werden. Das Bild
unserer Städtezeigt, dass jede Epoche ihre Moden hat, ihre
eigenenGeschichten erzählt, aber gerade das macht die Qualität
derStadt aus. Sie um diese Vielfalt an Geschichten zu
reduzieren,hieße, sie künstlich ärmer zu machen als sie sein kann.
Warum?Warum einen Mangel darin sehen, dass Menschen dieArchitektur
benutzen, um ihre eigenen Geschichten zuerzählen? Warum sollte der
Architekt das für sie tun? All diesbedeutet keinen Jota an Verzicht
auf Ernsthaftigkeit. Vielleichtnur einen etwas unverkrampfteren
Blick auf die Wirklichkeitder Menschen, für die gebaut wird.Und
dann gibt es ja immer noch das Betätigungsfeld fürArchitekten, auf
dem sie nicht einer möglichen Dauerhaftigkeitverpflichtet sind. Das
ist die Inszenierung im städtischen, imöffentlichen Raum. Das ist
die Gestaltung, die Menschenzueinander bringt, ihnen Angebote
macht, sie aufeinanderzugehen lässt. Temporäre Installationen, die
Inszenierung vonFesten etwa war schon einmal in der Geschichte (!)
eine hoheKunst – warum soll sie es in bestem Pop-Verständnis
nichtwieder werden?Einige Architekten, insbesondere der jüngeren
Generation,haben dieses Potenzial erkannt. Graft Architekten haben
esimmerhin geschafft, in der Presse als Popstars bezeichnet
zuwerden. Sollte das ihr Privileg bleiben? Wäre doch schön, eskämen
noch ein paar andere dazu. ch