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SCHWEIZERISCHE ZEITSCHRIFT FÜR OBST- UND WEINBAU 6/09 PFLANZENSCHUTZ 6 Christian Linder, Patrik Kehrli, Fabrice Lorenzini und Heinrich Höhn, Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW [email protected] Der Asiatische Marienkäfer, Harmonia axyridis Pallas, ist ein ausserordentlich gefrässiger Blattlausräuber, der in Europa seit über zwei Jahrzehnten erfolgreich als bio- logisches «Pflanzenschutzmittel» in Gewächshäusern eingesetzt wird. Aus dieser «geschützten Umgebung» ist das exotische Insekt vor einigen Jahren entwichen und heute findet man es in weiten Teilen Europas (Brown et al. 2008). Das Entkommen von H. axyridis in die freie Na- tur ist aus drei Gründen beunruhigend. Erstens kann sich dieser Räuber bei ungenügendem Blattlausangebot auch von den Eiern und Larven unserer einheimischen Marienkäferarten ernähren. Zweitens kann das Insekt im Herbst grosse Schwärme bilden, die sich zuweilen an Gebäuden ansammeln. Diese Schwärme dringen dann nicht selten in Häuser ein, was von den Bewohnern als sehr lästig empfunden wird. Und drittens ist der Nutzen dieser Marienkäfer im Obst- und insbesondereWeinbau nicht unumstritten (Koch und Galvan 2008). In Nord- amerika kam es verschiedentlich zu grösseren Ansamm- lungen von H. axyridis in reifen Trauben. Die Käfer such- ten dort Schutz und fanden an verletzten Beeren Nah- rung und Flüssigkeit.Wenn die Trauben nun zusammen mit den Käfern geerntet werden, setzen die Tiere bei der Verarbeitung (Traubenmühle, Presse, Gärstanden) den Verteidigungsstoff Alkylmethoxypyrazine frei. Dieser Duftstoff ist dann für den «Marienkäfer-Fehlton» (Lady- bug taint) im Wein verantwortlich. Amerikanische Stu- dien bei Weisswein der Sorte Riesling und bei Rotwein der Sorte Frontenac haben gezeigt, dass bereits eineVer- Der Asiatische Marienkäfer und sein geschmacklicher Einfluss auf Chasselas- und Blauburgunder-Weine Erstmals 2004 in der Schweiz entdeckt, hat sich der Asiatische Marienkäfer innert Kürze über das Land ausgebreitet. Obwohl im Schweizer Weinbau bisher noch keine Probleme auftraten, sind die in den USA gemachten Erfahrungen mit dem «herzigen» Käfer beunruhigend. Versuche an der Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW haben gezeigt, dass bereits ein Marienkäfer pro Kilogramm Trauben die Qualität von Chasselas-Weinen mindern kann. Beim Blauburgunder waren hingegen erst bei fünf Käfern pro Kilogramm gesicherte Geschmackseinbussen festzustellen.
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Mar 29, 2016

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Bill Nanson

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SCHWEIZERISCHE ZEITSCHRIFT FÜR OBST- UND WEINBAU 6/09

P F L A N Z E N S C H U T Z

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Christian Linder, Patrik Kehrli,

Fabrice Lorenzini und Heinrich Höhn,

Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW

[email protected]

Der Asiatische Marienkäfer, Harmonia axyridis Pallas,ist ein ausserordentlich gefrässiger Blattlausräuber, derin Europa seit über zwei Jahrzehnten erfolgreich als bio-logisches «Pflanzenschutzmittel» in Gewächshäuserneingesetzt wird. Aus dieser «geschützten Umgebung» istdas exotische Insekt vor einigen Jahren entwichen undheute findet man es in weiten Teilen Europas (Brown etal. 2008).DasEntkommenvonH.axyridis in die freieNa-tur ist aus drei Gründen beunruhigend. Erstens kannsich dieser Räuber bei ungenügendemBlattlausangebotauch von den Eiern und Larven unserer einheimischenMarienkäferarten ernähren. Zweitens kann das Insekt

imHerbst grosse Schwärme bilden, die sich zuweilen anGebäuden ansammeln. Diese Schwärme dringen dannnicht selten in Häuser ein, was von den Bewohnern alssehr lästig empfunden wird. Und drittens ist der NutzendieserMarienkäfer imObst- und insbesondereWeinbaunicht unumstritten (Koch und Galvan 2008). In Nord-amerika kames verschiedentlich zu grösserenAnsamm-lungen vonH.axyridis in reifenTrauben.DieKäfer such-ten dort Schutz und fanden an verletzten Beeren Nah-rung und Flüssigkeit.Wenn dieTrauben nun zusammenmit den Käfern geerntet werden, setzen dieTiere bei derVerarbeitung (Traubenmühle, Presse, Gärstanden) denVerteidigungsstoff Alkylmethoxypyrazine frei. DieserDuftstoff ist dann für den «Marienkäfer-Fehlton» (Lady-bug taint) im Wein verantwortlich. Amerikanische Stu-dien bei Weisswein der Sorte Riesling und bei Rotweinder Sorte Frontenac haben gezeigt, dass bereits eineVer-

Der Asiatische Marienkäfer und seingeschmacklicher Einfluss auf Chasselas-und Blauburgunder-Weine

Erstmals 2004 in der Schweiz entdeckt, hat sich der Asiatische Marienkäfer innert Kürze über das

Land ausgebreitet. Obwohl im Schweizer Weinbau bisher noch keine Probleme auftraten, sind die

in den USA gemachten Erfahrungen mit dem «herzigen» Käfer beunruhigend. Versuche an der

Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW haben gezeigt, dass bereits ein

Marienkäfer pro Kilogramm Trauben die Qualität von Chasselas-Weinen mindern kann. Beim

Blauburgunder waren hingegen erst bei fünf Käfern pro Kilogramm gesicherte

Geschmackseinbussen festzustellen.

Harm

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unreinigung von1.5bis 1.9Käfernpro kgTraubengut dieWeinqualität herabsetzen kann (Pickering et al. 2007;Galvan et al. 2007a).In der Schweizwurden die ersten Exemplare des Asia-

tischen Marienkäfers vor fünf Jahren in Basel gefunden.Dies obwohl diese Art bei uns nie als Pflanzenschutzmit-tel bewilligt und demzufolge auch nicht eingeführt wur-de. Die Käfer haben sich dann sehr rasch über dieSchweiz ausgebreitet und heute zählt der AsiatischeMa-rienkäfer zu den häufigsten Marienkäferarten derSchweiz (ART 2008). Bereits 2007 wurde in dieser Zeit-schrift auf diemöglichenProblememitH.axyridishinge-wiesen (Linder und Höhn 2007) und erst kürzlich be-schrieb Riesen (2008) die Situation im nordamerikani-schen Weinbau. Dass die in den USA und Kanadagemachten Erfahrungen unsere SchweizerWinzer beun-ruhigen, ist nicht weiter erstaunlich. ACW hat sich daherdesProblemsangenommenundersteVersuchedurchge-führt. Im Herbst 2007 wurden Trauben der Sorten Gut-

edel (Chasselas)undBlauburgunder (PinotNoir)mitundohne Beigabe von Asiatischen Marienkäfern vinifiziert(siehe Abb. S. 6).

Mikro-Vinifikation mit MarienkäfernEnde August 2007 wurden gegen 1000 Asiatische Mari-enkäfer in einem Sonnenblumenfeld in Changins beiNyoneingesammelt.DieKäferwurdendaraufhinbis zurTraubenlese in einer Klimakabine bei 10 °C aufbewahrt.Ein beziehungsweise fünf adulte Marienkäfer pro Kilo-grammTraubengut wurden je 50 kg Gutedel- oder Blau-burgundertrauben zugefügt. Beim Gutedel wurden dielebenden Käfer zusammen mit den Trauben in einerpneumatischen Horizontalpresse verarbeitet. BeimBlauburgunder fügte man die lebenden Käfer der fri-schenMaische indenGärstandenbei. AlsVergleichwur-de jeweils nach demselben Verfahren ohne Käfer vinifi-ziert. Nach Abschluss derMikro-Vinfikation wurden dieWeine im März 2008 abgefüllt. Danach wurde eine che-mische Standard-Analyse (Winescan, FOSS) durchge-führt. Im Mai 2008 wurden die Weine dann zusätzlichvon zwölf Experten degustiert. Die degustative Bewer-tung der verschiedenen Kriterien erfolgte anhand einerSkala von 1 (schlecht/schwach ausgeprägt) bis 7 (ausge-zeichnet/stark ausgeprägt).

Ein Käfer pro Kilo genügtDie chemische Standard-Analyse der Weine (pH, Ge-samtsäure,Weinsäure, Äpfelsäure, flüchtige Säure, Etha-nol) liess keine Unterschiede zwischen denWeinen mitund ohne Marienkäfer erkennen. Die organoleptischeDegustation zeigte dagegen gesicherte Unterschiedezwischen den «Harmonia-Weinen» und den Kontroll-Weinen auf (siehe Abb. unten).Die Gutedel-Weine wurden bereits nach einer Zuga-

be von einem Marienkäfer pro Kilogramm Traubengutvöllig aus demGleichgewicht gebracht. Am stärksten lit-ten die Fruchtigkeit, die Finesse undder allgemeineEin-druck derWeine (Abb. 2a). Ausserdem fiel den Degusta-toren bei denHarmonia-Weinen einGeruch nach ranzi-gemÖl auf.

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Körper/Dichte

1

2

3

4

5Säure

Bitterkeit

Farbintensität

Ausgewogenheit

Fruchtigkeit

Finesse

Allgemeiner Eindruck

Struktur

Kontrolle 1 MK/kg 5 MK/kg

a) Gutedel

1

2

3

4

5Säure

Bitterkeit

Farbintensität

Trockenheit/Herbe

Finesse

Fruchtigkeit

Allgemeiner EindruckFarbton

Geschmeidigkeit

Würze

Struktur

Gerbstoffintensität

Gerbstoffqualität

b) Blauburgunder

Kontrolle 1 MK/kg 5 MK/kgKontrolle 1 MK/kg 5 MK/kg Kontrolle 1 MK/kg 5 MK/kgKontrolle 1 MK/kg 5 MK/kgKontrolle 1 MK/kg 5 MK/kg

Sensorische Beur-teilung von a)Chasselas und b)Blauburgundermit einemoderfünfMarienkä-fern (MK) pro kgTrauben. Skala 1(= schwach ausge-prägt, schlecht)bis 7 (= stark aus-geprägt, ausge-zeichnet).

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Harmonia axyridis. (Foto: ©Entomart)

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BeimBlauburgunder konntenachZugabe vonnur ei-nem Käfer pro Kilogramm Trauben der Wein nicht ein-deutig von demjenigen ohne Käferverunreinigung un-terschieden werden, auch wenn der allgemeine Ein-druck des kontaminierten Weins etwas schlechterbewertet wurde (Abb. b, S. 7). Die Qualität des stark kon-taminierten Harmonia-Weins wurde hingegen als starkbeeinträchtigt wahrgenommen. Die Unterschiede äus-serten sich insbesondere in der Gerbstoffqualität (Tan-nine), der Finesse, der Fruchtigkeit sowie in der Strukturund im Körper derWeine. Keinen Einfluss hatte der Zu-satz vonMarienkäfer hingegen auf die Farbe, Säure undBitterkeit der Pinot Noirs.Die schweizerischen Degustationsresultate bei Gut-

edel und Blauburgunder stimmen weitgehend mit denamerikanischen Ergebnissen bei den Sorten Rieslingund Frontenac überein. Unter Berücksichtigung einesdurchschnittlichen Traubengewichts von etwa 300 g beiChasselas, muss man davon ausgehen, dass bereits einBesatz von 0.3H. axyridis proTraube zu einer Qualitäts-minderung führen kann. Beim Blauburgunder mit ei-nemmittlerenTraubengewicht von etwa 180 g scheinenetwa 0.2 Käfer pro Traube bedenkenlos.Wegen des «ge-klumpten» Auftretens der Tiere interpretieren Galvan etal. (2007b), dass lediglich 18% der Gutedeltrauben res-pektive 12% der Blauburgundermit einemKäfer besetztseinmüssen, um eine negative Beeinflussung derWeineauszulösen.Obwohl der AsiatischeMarienkäfer im Sommer 2008

in der Schweiz sehr häufig, fast überall und teilweise inMassen beobachtet wurde, trat er kurz vor Lesebeginnnur vereinzelt in Rebbergenund inTrauben auf. Die vor-liegenden degustativen Resultate und die Erfahrungenaus Nordamerika lassen jedoch befürchten, dass durch-aus auch bei unseren Weinen ein Risiko für den «Mari-enkäfer-Fehlton» besteht. Eine Beeinträchtigung desLeseguts mit dem Asiatischen Marienkäfer kann des-halb nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden. Es istdaher wichtig, die Entwicklung von H. axyridis in denSchweizer Rebbergen weiterzuverfolgen. Die Winzer

müssen insbesondere kurz vor Lesebeginn und wäh-rend der Lese auf ein allfälligesVorkommen achten. DieKäfer sind vor oder bei der Ernte zu entfernen (in offe-nen Gärständen schwimmen sie obenauf) und stark be-fallene Traubenposten sollten gar nicht erst verarbeitetwerden. Nichtsdestotrotz müssten immerhin etwa 5000bis 10 000 AsiatischeMarienkäfer proHektare Rebflächeauftreten, damit ein Risiko besteht.

DankWir danken Jacques Derron für die Anregung zu dieserStudie, Philippe Cuénat und Edmond Zufferery für dieVinifikation der Proben und Stève Breitenmoser für dasSammeln derMarienkäfer im Feld. �

Literatur

ART: Marienkäfer im Haus: was tun? Pressemitteilung, 2008.

Brown P. M. J., Adriaens T., Bathon H., Cuppen J., Goldarazena A.,Hägg T., Kenis M., Klausnitzer B. E. M., Ková I., Loomans A. J. M.,Majerus M. E. N., Nedved O., Pedersen J., RabitschW., Roy H. E.,Ternois V., Zakharov I. A. und Roy D. B.: Harmonia axyridis inEurope: spread and distribution of a non-native coccinellid. Bio-control 53, 5–21, 2008.

Galvan T. L., Burkness E. C., Vickers Z., Stenberg P., Mansfield A.K. und HutchinsonW. D.: Sensory-based action threshold formulticoloured asian lady beetle-related taint in winegrapes. Am.J. Enol. Vitic. 58 (4), 518–522, 2007a.

Galvan T. L., Burkness E. C. und HutchinsonW. D.: Enumerativeand binomial sequential sampling plans for the mulitcoloredasian lady beetle (Coleoptera: Coccinellidae) in wine grapes.J. Econ. Entomol. 100 (3), 1000–1010, 2007b.

Koch R. L. und Galvan, T. L.: Bad side of a good beetle: the NorthAmerican experience with Harmonia axyridis. Biocontrol 53,23–35, 2008.

Linder C. und Höhn H.: Der Asiatische Marienkäfer – eine Gefahrfür unserenWeinbau? Schweiz. Z. Obst-Weinbau 143 (11/07),10–12, 2007.

Pickering G. J., Ker K. und Soleas G. J., 2007. Determination ofthe critical stages of processing and tolerance limits for Harmo-nia axyridis for «lady bug taint» in wine. Vitis 46 (2), 85–90, 2007.

Riesen R.: Der Asiatische Marienkäfer imWeinbau. Schweiz. Z.Obst-Weinbau 144 (22/08), 6–9, 2008.

R É S U M É

Des vinifications de Chasselas et Pinot noir contami-nés par la coccinelle Harmonia axyiridis ont étémenées à ACW. Pour le Chasselas, un insecte par kilode raisin a suffit à altérer significativement le vinqui estapparu déséquilibré et manquant de finesse. A lamême dose, le Pinot noir s'est classémoins bien que letémoin non contaminé mais les défauts étaient moinsmarqués qu'avec le Chasselas. En revanche à cinq in-sectes par kilo, le Pinot noir a été fortement déprécié.La qualité des tannins, la finesse, le fruité, la structure

et la charpente du vin ont été particulièrement affec-tés. Bien que la coccinelle ait été fréquemment obser-vée durant l'été 2008, les contrôles effectués avant lesvendanges ont montré qu'Harmonia n'était que trèspeu présente sur les grappes. Les dégustations mon-trent cependant que le risque de contamination devins existent et qu'une surveillance de la dynamiquedes populations d'Harmonia en milieu viticole est né-cessaire pour éviter les futurs problèmes.

Impact de la coccinelle asiatique sur des vinsde Chasselas et de Pinot noir

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