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Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Theologische Fakultät
Wintersemester 2014/15
Aufbaumodul Religionswissenschaft und Interkulturelle Theologie
Dozent: Prof. Dr. Daniel Cyranka
Essay zum Thema:
Christliche Mission und die Brahmo Samaj:
Ein gegenseitiger Austausch.
Khelga Sokolova
Diplom Ev.Theologie
9. Fachsemester
Matrikelnummer: 210245428
Anschrift: Unstrutstraße 12, 06122 Halle (Saale)
2
Einleitung:
Die Entwicklung indischer Reformbewegungen resultierte aus wirtschaftlichen und
territorialen Machtausübungen des Westens: seit 1818 stand der indischer Subkontinent
unter britischen Herrschaft, es entwickelte sich eine Zusammenarbeit zwischen den
lokalen britischen Kolonialmächten und Hindus. Dank dieser Zusammenarbeit hat sich
der Prozess der Rezeption von indischen Texten auf Europa und USA ausgebreitet.
Derselbe Prozess fand auch in Indien statt: die Inder durften die westliche Denkweise
entdecken. Nicht die letzte Rolle hat in diesen Prozessen die christliche Missionsarbeit
gespielt. So haben die Bibelübersetzungen, Schul- und Collegegründungen einen
beachtlichen Einfluss auf das geistige Leben vor allem in Bengalen.
Die westlich ausgebildeten Hindus konnten nicht gleichgültig bleiben, zu der Tatsache,
dass das ganze Land in einer verderbten Form des Götzenkults eingetaucht wurde, und
ein Aberglaube den Sinn der Nation ergriffen hatte. Infolgedessen sind manche Sitten
wie Shudhi, das Werfen der Kinder in Gang-Fluss, Massenverbrennung der Witwen
oder Selbstmord unter den Rädern des Kampfwagens des Jagannath (Gottheit, Form des
Vishnu), modisch geworden und wurden als Tugendtaten betrachtet.
In diesem Gesamtkontext entwickelten sich die Reformbewegungen, deren Anhänger
für sich das Christentum neu entdeckt haben, ohne sich zum Christentum zu bekehren,
sogar mehr – Indien durfte im Westen missionieren (z.B. Ramakrishna Mission).
* * *
Die Entstehung der Brahmo Samaj Gesellschaft ist ein gutes Beispiel für
Selbstverständnis und Fremdwahrnehmung im kolonialen Indien. Die Brahmo Samaj
diente als reformstimulierendes Instrument, Halbfass schreibt folgendes:
Der Brahmo Samaj, Rammohans Reformbewegung, besteht durch Schismen und Wandlungsprozesse
hindurch bis nach 1900 weiter, freilich, nicht als populäre Bewegung, sondern hauptsächlich als
Katalysator für die bengalische Intelligenz und als Ausgangspunkt für mancherlei Nachfolge- und
Gegenströmungen.1
1 Halbfass, Indien und Europa, 228.
3
Man datiert die Gründung von Brahmo Samaj in das Jahr 1828, als Rammohun Roy die
erste Reformbewegung gründete. Durch seine Ausbildung ist Roy zuerst von persisch-
islamistischem Geist geprägt, jedoch, wendet er sich zunehmend der Christus-Figur und
seiner Ethik hinzu.2 Die modernen Forscher tendieren zu der Meinung, dass Roys
Gedankenwelt sehr abhängig von den westlichen Einflüssen war.3 Tatsächlich wurde
Rammohan Roy kosmopolitisch erzogen und ausgebildet. Zu der Zeit war die
christliche Mission in Indien stark vertreten, als eines der markanten Beispiele nennt
Lüdekkens die baptistische Mission unter Führung von William Carey. Carey führte
aktive Missionsarbeit zuerst in Kalkutta, dann in naheliegenden Serampore, seine
Missionsarbeit leistete Unterrichtsangebote für Inder, missionarische Predigt,
Beschäftigung mit Hinduismus und Übersetzungsarbeit – Carey übersetzte und druckte
Teile der Bibel in 44 indischen Dialekte. Im Jahr 1818 gab seine Mission die erste
bengalische Zeitung heraus und gründete ein College, an dem westliche
Naturwissenschaften, Englisch, Bengalisch, Sanskrit und Arabisch unterrichtet wurden.
Lüdekkens pointiert zwar, dass im britischen Gebiet die Missionen offiziell erst 1813
zugelassen wurden, das sollte den Missionaren mehr Raum für ihre Tätigkeit geben.
Gemäß der zunehmenden Zahl von Taufen in Bengalen konnte man feststellen, dass die
Missionen einen enormen Einfluss auf die Gesellschaft ausübten. Die Missionen
wurden besonders in medizinischen und sozialen Bereichen aktiv, sie waren
Katalysatoren der späteren Frauenbewegung in Indien. Seit 1856 wurden christlichen
Schulen und Colleges offiziell von der britischen Politik unterstützt.4
Die westlichen Forscher betonen also, dass die Entwicklung von Brahmo Samaj und
weiteren Reformbewegungen in Indien einen engen Zusammenhang mit dem westlichen
Einfluss haben. Um diesen Einfluss deutlicher zu machen, können wir die Lesung von
Keshub Chunder Sen nachschlagen, wo er über die damalige aktuelle Lage berichtet:
„The total number of native converts to Christianity has been estimated at 154,000. There are thirty-two
Missionary Societies engaged in Indian evangelization, of which twelve are British, four Continental,
nine American, and seven devoted to educational purposes. The number of foreign missionaries in India
is 519, and the sum annually spent on missions is £25o,ooo.“5
2 Vgl. Klimkeit, Der politische Hinduismus, 97-98.
3 Lüdekkens, Weltparlament, 37.
4 Vgl. Lüdekkens, ebd., 25.
5 Keshub Chunder Sen, The Brahmo Somaj. Lectures and Tracts, London 1870, 18
4
Wie schon früher erwähnt wurde, war der Stifter von Brahmo Samaj, Rammohun Roy,
seit seiner Kindheit verschiedenen nicht-hinduistischen Einflüssen ausgesetzt. Er
stammte aus einer Brahmanen Familie, welche der Tradition der Vaishnavas folgte und
zur muslimischen Regierung von Bengalen Kontakt hatte. Als Jugendlicher lernte er in
muslimisch geprägten Patna Urdu Persisch und Arabisch. Dort setzte er sich mit
Sufismus und mit den Lehren der Mutzaliten, einer islamischen Strömung, die
besonders die Einheit Gottes betont hatte, auseinander. Diese Auseinandersetzung mit
anderen religiösen Traditionen sollte seine vehemente Ablehnung der Idolatrie im
Hinduismus und positive Bewertung des Monotheismus beeinflussen, so die Forscher.
Nach Patna hat er in Varanasi Sanskrit und das hinduistische Schrifttum studiert. Schon
als er 16 Jahre alt war, schreibt er einen Aufsatz, in dem er den Bilderkult angegriff.
Dies verursachte Roy´s Trennung von seiner Familie und er ging nach Kalkutta und
setzte sich in Kontakt mit dem Fort William College – spätestens hier sehen die
Forscher den Ansatzpunkt für die westlichen Einflüsse, die ihn prägten. 1803 wurde er
von den Engländern als Finanzbeamter eingestellt. Zur selben Zeit schreibt er sein
erstes Buch „Tuhfat al-muwahhidin“, wo er die wahre Religion, die allen Menschen von
Natur aus eigen ist, und die kulturbedingten Zusätze unterscheidet. So propagiert er den
Monotheismus und greift irrationale religiöse Elemente an. Er löst das Verhältnis von
der Pluralität der Religionen zur Einheit Gottes, indem er die Idee des einen Gottes in
allen Religionen findet. Roy hielt den zeitgenössischen Hinduismus für ein Stadium des
Verfalls und hatte eine Vorstellung einer idealen vedischen Vergangenheit, in der er den
„wahren“ Hinduismus in den Schriften, wie Veden und Upanischaden, sehen wollte.6
Roy setzte sich mit Christentum spätestens durch die Kontakte zu den baptistischen
Missionaren der Serampore Mission auseinander. Vor allem interessierte ihn die Ethik
des Neuen Testamentes, welche „den gewünschten Effekt der Besserung von
menschlichem Herz und Sinn ergibt“.7 Nach den Übersetzungen von Vedanta und
Upanischaden ins Bengalische und Englische, veröffentlicht er 1820 seine Schrift „The
Precepts of Jesus, the Guide to Peace and Happiness“, was der Erneuerung und
Vertiefung des Hinduismus dienen sollte. Das Christentum selbst spielte für Roy keine
6 Vgl. Lüdekkens, ebd., 37-38.
7 „I feel persuaded that by separating from the other matters contained in the New Testament, the moral
precepts found in that book, these will be more likely to produce the desirable effect of improving the
hearts and minds of men of different persuasions and degrees of understanding“. Nag, Kalidas; Burman,
Debajyoti (Ed.): The English Works of Raja Rammohun Roy, Calcutta 1946. Part V., 4. Zitiert nach
Lüdekkens, S.39.
5
große Rolle, er konzentrierte sich explizit auf den ethischen Teil der Lehre. Seine
Position brachte Verständnisschwierigkeiten mit den Missionaren, welche ja die
Aufgabe hatten, möglichst viele Hindus zu Christentum zu konvertieren. Roy war der
Meinung, dass jede Nation, die gottesfürchtig ist und das Richtige tut, von Gott
anerkannt wird und man darf Gott eigentlich in jeder beliebten Form lobpreisen.8 Roy
versuchte aufzuzeigen, dass die ‚Neuerungen‘ des Hinduismus keinesfalls Neuerungen
westlicher Elemente bedürfen, sondern diese schon im Hinduismus und namentlich im
Vedanta vorhanden sind.
Die christlichen Missionare aber, haben sehr scharf auf seine Schrift reagiert, worauf die
weitere Reaktion Roys in seiner Schrift „Appeal to the Christian Public“ folgte, Klaes
äußert sich dazu:
In einem dreifachen „Appeal to the Christian Public“ erwiderte er auf ihre Einwände. Für ihn und seine
reformerische Aufgabe spielte nur die sittliche Lehre des Neuen Testamentes eine Rolle. Wohl verehrte
er Jesus, als den „größten aller Propheten“ und betonte seine enge Beziehung zu Gott dem Vater. Jedoch
den Glauben an die Menschwerdung, an die Erlösung, an das sühnende Kreuzesopfer und die
Auferstehung Jesu lehne er als lehrhafte Zusätze späterer Zeiten ab. Er fürchtete, dass die hervorragende
Rolle, die das Christentum durch die einzigartigen sittlichen Prinzipien für Indien spielen könnte, gerade
durch die Dogmen wieder nivelliert wurden. Denn durch die Herausstellung der Inkarnation würde Jesus
zu einem der vielen Avatars des Hinduismus; und die Beschreibung seiner Wunder und seiner
Auferstehung stellten die Bibel in eine Linie mit den Puranas; durch die Betonung des Sühneopfers
Christi würde das nicht selten blutige Opfersystem in den Hindutempeln nur bestätigt; und schließlich
erinnerte ihn die Weiterentwicklung der persönlichen Beziehung Jesu zu Gott und seiner willentlichen
Einheit mit dem Vater zu einem trinitarischen Dogma an hinduistischen Polytheismus und Götzendienst.9
Roy sah keine wesentlichen Unterschiede zwischen Hindus und Anhänger anderer
Religionen, im Zentrum der Gemeinsamkeiten stellte er einen monotheistischen
Gesichtspunkt. Außerdem, übte er eine gewisse Kritik gegenüber christlichen Tradition,
indem er Bibel und Vedanta verglichen hat: zum Beispiel, die biblischen Versuche,
gewisse Attribute dem Gott anzuschreiben, fehlen in Vedanta überhaupt – daher Roys
Kritik an die Trinitätslehre und gewisse Sympathie zu den Unitarier, welche die Trinität
nicht anerkennen. Auch die Notwendigkeit des Blutopfers (gemeint ist Selbstopfer von
Christus am Kreuz), um vom Schuld befreit zu werden, ist dem Vedanta fern: hier soll
8 „I am led to belief, from reason, what is set forth in scripture, that in every nation he that feareth God
and worketh righteousness is accepted with him”, in whatever form of worship he may have been taught
to glorify God”. Sharma, S.K: Raja Rammohun Roy: An Apostle Of Indian Awakening, New-Dheli 2005,
122. 9 Klaes, Hindu Reformer und Reformbewegungen der Neuzeit, In: Studia Missionalia S.153.
6
nur eine aufrichtige Reue und ernsthaftes Gebet helfen.10
Diese systematischen
Versuche, gleichermaßen wie die Übersetzungen des Vedanta und der Upanischaden ins
Englische, sollten Roys kontinuierliche Gegenüberstellung dem missionierenden
Christentum und Versuch die Religion seines Landes zu erneuern verdeutlichen. Roys
Zeitgenossen, allerdings, haben ihn nicht als Hindu anerkannt, so zum Beispiel,
beschreibt Farquhar Roys Versuche zurück zu den Wurzeln des Hinduismus zu kehren
als „deistische Theologie und Anbetung“, der stärkste Vorwurf war aber, dass Roy nicht
an die Reinkarnation geglaubt hatte.11
1826 gründet er selbst ein „Vedantic College“ in Kalkutta, zwei Jahre später gründet er
Brahmo Samaj und 1830 reist nach England – so war er einer der ersten Inder, die aus
Interesse an europäischer Kultur und Christentum nach Europa reisten.12
Bei der
Gründung der Brahmo Samaj war Roys Hauptgedanke den Hinduismus zur
ursprünglichen Reinheit der Anbetung widerherzustellen.13
Roy legt das Programm der
Brahmo Samaj in sog. „Trust Deed“ aus, hier die wichtigsten Auszüge:
Anhänger werden Ihn lieben und Seinen Willen tun und anbeten Einen Absolut Prambrahma,
den Schöpfer, Retter, Zerstörer, den Spender alles Guten in dieser Welt und den Allwissenden
alles Durchdringenden, Transzendenten und Gnädigen.
Die Anhänger werden nicht jedes erschaffenes Ding anbeten, denkend es sei der Allerhöchste.
Die Anhänger sollen gute Taten vollbringen, denn durch die guten Taten kann man Gott dienen.
Er ist der Eine, Einziger und Absoluter
Samaj soll ein Ort der Versammlung aller Religionsgemeinden zur Verehrung des Einen Wahren
Gottes sein.
Kein Objekt der Anbetung oder einer Reihe von Männern werden beschimpft oder verächtlich
angesprochen oder in irgendeiner Weise angespielt.
Kein Götzenbild, Statue oder Skulptur, Schnitzwerk, Malerei oder die Darstellung von
irgendetwas darf darin zugelassen werden.
Auch ist kein belebtes oder unbelebtes Objekt, welches als Objekt der Anbetung anerkannt
wurde oder wird, zugelassen
Jede Art von Opfer ist nicht erlaubt
Förderung, Nächstenliebe, Moralität, Frömmigkeit, Güte, Tugend und Verstärkung der
Verbindung zwischen Menschen aller Religionen und Glaubensbekenntnissen.14