Charakterisierung und Modellierung der Temperaturabhängigkeit von Polymerelektrolytmembran-Brennstoffzellen Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Master of Science der Studienrichtung Umweltsystemwissenschaften / Naturwissenschaften-Technologie an der Karl-Franzens-Universität Graz vorgelegt von Birgit KONRAD am Institut für Physik Begutachter: Ao. Univ.-Prof. Dr. phil. Peter Knoll Graz, September 2020
This document is posted to help you gain knowledge. Please leave a comment to let me know what you think about it! Share it to your friends and learn new things together.
Transcript
Charakterisierung und
Modellierung der Temperaturabhängigkeit von
Polymerelektrolytmembran-Brennstoffzellen
Masterarbeit
zur Erlangung des akademischen Grades
Master of Science
der Studienrichtung Umweltsystemwissenschaften / Naturwissenschaften-Technologie
an der Karl-Franzens-Universität Graz
vorgelegt von
Birgit KONRAD
am Institut für Physik
Begutachter: Ao. Univ.-Prof. Dr. phil. Peter Knoll
Graz, September 2020
I
Danksagung:
Ich möchte meinem Betreuer Ao. Univ.-Prof. Dr. phil. Peter Knoll für die Unterstützung, die
vielen aufschlussreichen Diskussionen und die Geduld, die er aufbrachte, herzlich danken.
Bedanken möchte ich mich auch bei meiner Familie, die mir mit vielen Anregungen beiseite
gestanden ist.
II
Kurzfassung
In der vorliegenden Arbeit erfolgt die Charakterisierung einer Polymerelektrolytmembran-
Brennstoffzelle (PEMFC). Der Einfluss von der Betriebstemperatur auf die Leistung einer
Brennstoffzelle wird betrachtet. Dabei wird das Verhalten der Spannung unter Last bei
verschiedenen Temperaturen im Bereich zwischen 24°C und 80°C experimentell
aufgezeichnet und ausgewertet. Diese Daten werden in weiterer Folge für die
Parametrierung der Strom-Spannungskennlinie verwendet. Die Brennstoffzellen-Simulation
wird mit der Tafelgleichung und der Butler-Volmer-Gleichung durchgeführt und anschließend
auch das Verhalten der einzelnen Parameter der Butler-Volmer-Gleichung bei sieben
unterschiedlichen Temperaturen verglichen und dargestellt.
Abstract
In the present work a polymer electrolyte membrane fuel cell (PEMFC) is characterized. The
influence of the operating temperature on the performance of a fuel cell has been analysed.
The behavior of the voltage under load at different temperatures in the range between 24 ° C
and 80 ° C is experimentally recorded and evaluated. These data are used to parameterize
the current-voltage characteristic curve. The fuel cell simulation is carried out with the Tafel
equation and the Butler-Volmer equation. Finally the behavior of the individual parameters of
the Butler-Volmer equation at seven different temperatures is compared and displayed in
Elektrische Energie ist weder für private Haushalte noch für die Industrie verzichtbar und der
weltweite Energiebedarf wächst jährlich, allerdings bringt die Energiebereitstellung auch
unterschiedliche Umwelt- und Sicherheitsprobleme mit sich. Fossile Energieträger sind eine
nicht erneuerbare und daher endliche Ressource, deren Verbrennung negative
Auswirkungen auf unser Klima und unsere Umwelt hat. Atomkatastrophen wie 1986 in
Tschernobyl oder 2011 in Fukushima zeigen, dass die atomare Energieerzeugung ein zu
hohes Risiko darstellt. Für die Endlagerung der Brennstäbe wurde noch immer keine
vernünftige, ungefährliche Lösung gefunden. Ein politisches Umdenken der
Energiebereitstellung findet statt und wird von den Vereinten Nationen in zumindest zwei der
im September 2015 von 193 Ländern einstimmig angenommenen siebzehn "Ziele für
Nachhaltige Entwicklung" festgehalten (Ziel 7: Zahlbare und saubere Energie; Ziel 13:
Maßnahmen zum Klimaschutz) (UN Vienna 2020).
Die Industrieländer müssen an alternativen Energiesystemen forschen, bei denen nicht nur
die Umwandlung vom Rohprodukt in eine andere Energieform, sondern der gesamte
Kreislauf berücksichtigt wird (cradle-to-cradle). Eine Entwicklung bei der Energieeffizienz ist
hier aber ebenso wichtig, wie auch das Konsumverhalten der Menschen.
Wasserstoff ist ein Bestandteil von Wasser und auf unserem Planeten reichlich vorhanden.
Er ist ein erneuerbarer Energieträger, mit dem Energie gespeichert oder auch transportiert
werden kann. Ein weiterer Vorzug ist seine gute Verbrennungseigenschaft. Zur
kostenintensiven, elektrolytischen Herstellung von Wasserstoff ist allerdings ein hoher
Energieaufwand nötig, der aktuell noch zu einem großen Teil mit fossilen Energieträgern
abgedeckt wird. Um den zuvor erwähnten 17 Zielen für Nachhaltige Entwicklung gerecht zu
werden, muss dieser Energiebedarf aber mit Sonnenenergie oder anderer erneuerbarer
Energie abgedeckt werden.
Bei der Verwendung von Wasserstoff werden vor allem zwei technische Verfahren in der
Industrie angewandt. Die Verbrennung von Wasserstoff in Motoren mit der herkömmlichen
Verbrennungstechnologie und die Verwendung von Wasserstoff in der Brennstoffzelle. Ein
Vergleich der beiden Verfahren zeigt, dass der Tank-to-Wheel Wirkungsgrad (bei
Fahrzeugen im Neuen Europäischen Fahrzyklus NEFZ gemessen) von
Verbrennungskraftmaschinen, die mit Wasserstoff betrieben werden, zwischen 18 % und
24 % liegt, wogegen ein Antrieb mit einer Wasserstoff-Brennstoffzelle einen Wirkungsgrad
zwischen 35 % und 60 % hat (Eichlseder et al. 2012, S. 16).
1 Einleitung 2
Das Prinzip der Brennstoffzelle wurde schon vor mehr als 180 Jahren von Sir William Grove
und Christian Friedrich Schönbein entdeckt (Mohrdieck et al. 2014, S 107). Ab Mitte des 20.
Jahrhunderts fand der Wasserstoff in der Raumfahrt Einsatz, erst in den letzten Jahrzehnten
wird wieder vermehrt an der Brennstoffzellen-Technologie geforscht. Der Bericht des
Hydrogen Council (2020) zeigt, dass die Kosten für eine Vielzahl von Anwendungen vor
allem durch die Ausweitung der Wasserstoffproduktion und -verwendung voraussichtlich um
die Hälfte in den nächsten zehn Jahren bis 2030 sinken werden.
In der vorliegenden Masterarbeit wird die Charakterisierung der Polymer-Elektrolyt-
Membran-Brennstoffzelle (kurz PEM-FC) untersucht. Das Ziel der Arbeit war es dabei, durch
Strom-Spannungs-Messungen einer Versuchs-Brennstoffzelle die Temperaturabhängigkeit
realer Betriebsparameter zu ermitteln. In weiterer Folge wurden die Strom-
Spannungskennlinien der Messungen mit zwei Gleichungen, der Tafelgleichung und der
Butler-Volmer-Gleichung, verglichen und modelliert.
2 Grundlagen Brennstoffzelle 3
2 Grundlagen Brennstoffzelle
Eine Brennstoffzelle wandelt die chemische Energie eines Brennstoffes direkt in elektrische
Energie um. Für diese Transformation macht man sich elektrochemische Vorgänge zu
Nutze.
Die Brennstoffzelle besteht aus zwei Elektroden, nämlich der Anode und der Kathode, die
durch einen protonenleitenden Elektrolyten getrennt sind. Die Elektronen fließen über einen
äußeren elektrischen Leiter von der Anode zur Kathode und erzeugen so elektrischen Strom.
Die Leistung einer Brennstoffzelle wird durch folgende Parameter beeinflusst: Temperatur,
Druck, Gaszusammensetzung, Reaktantausnutzung, Stromdichte, Alter/Zustand der Zelle,
etc. (Simader 2001, S. 13+24)
In diesem Kapitel werden zunächst die Grundzüge von unterschiedlichen
Brennstoffzellensysteme beschrieben. In der Folge werden das Funktionsprinzip und der
Aufbau der Zelle erklärt. Im Kapitel 2.4 geht es um Spannungspotentiale und Ströme und es
werden die Tafelgleichung und die Butler-Volmer-Gleichung schrittweise aufgebaut.
2.1 Brennstoffzellensysteme
Brennstoffzellentypen hängen vom jeweiligen Elektrolyten ab und lassen sich in
Hochtemperatur-Brennstoffzellen und Niedertemperatur-Brennstoffzellen einteilen. In der
Tabelle 1 werden die Typen übersichtlich dargestellt und in der Folge beschrieben. Die
Ermittlung des elektrischen Wirkungsgrades, der in der Tabelle angegeben ist, wird im
Kapitel 2.4.3 näher erläutert.
2 Grundlagen Brennstoffzelle 4
Tabelle 1: Kenndaten der unterschiedlichen Typen von Brennstoffzellen (Larminie et al. 2009, S. 15), Elektrolyt + elektr. Wirkungsgrad (Noreikat 2013, S. 248)
Brennstoff- zellentyp
mobi- les Ion
Betriebs- tempe- ratur
Elektrolyt elektr. Wirkungs- grad
Anwendungen / Anmerkungen
Alkalisch (AFC) OH- 50 - 200°C
wässrige Kalilauge
60-70% Raumfahrzeuge, zB Apollo
Phosphorsauer (PAFC)
H+ ~220°C Phosphorsäure 40-55% 200-kW Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) Systeme in Betrieb
Proton Exchange Membrane (PEMFC)
H+ 30 -100°C
Protonenleitende Membran
50-70% Fahrzeuge, mobile Anwendungen, Niedrigenergie KWK Systeme
Direktmethanol (DMFC)
H+ 20-90°C Protonenleitende Membran
20-30% tragbare elektronische Systeme mit Niedrigenergie, lange Laufzeit
Carbonat- schmelzen (MCFC)
CO32- ~650°C Alkalikarbonat-
schmelze 45-55% mittlere bis große
KWK-Systeme bis MW
Festoxid (SOFC)
O2- 500 bis 1000°C
Zirkonoxid 45-65% alle Größen der KWK Systeme, 2 kW bis mehrere MW
2 Grundlagen Brennstoffzelle 5
2.1.1 AFC Alkalische Brennstoffzelle, Alkaline Fuel Cell
Die Alkalische Brennstoffzelle zählt zu den Niedertemperatur-Brennstoffzellen. Als Elektrolyt
wird Kalilauge (KOH) verwendet, wobei das Hydroxidion OH- der Ladungsträger ist. Reiner
Wasserstoff kommt als Brenngas zum Einsatz und reiner Sauerstoff ist das Oxidationsmittel.
Bei diesem Brennstoffzellensystem wird Platin, Platin-Palladium aber auch eine
Nickellegierung als Katalysator eingesetzt. (Simader 2001, S. 24+25)
Diese Brennstoffzelle zählt zu den Hochtemperatur-Knallgaszellen und arbeitet mit einem
Festelektrolyten (ZrO2 und Y2O3). Es werden als Elektroden keine Edelmetalle eingesetzt
und daher ist die CO-Toleranz höher. Durch die hohen Betriebstemperaturen (800 - 1000°C)
muss bei der Materialauswahl der Werkstoffe und Dichtungen auf Temperaturbeständigkeit
geachtet werden. Brenngas ist wieder der Wasserstoff und Oxidationsmittel Luft oder
Sauerstoff. (Kurzweil 2013, S. 175)
2.2 Funktionsprinzip einer Polymerelektrolyt-Brennstoffzelle
Die Brennstoffzelle zählt zu den galvanischen Zellen und wandelt chemische Energie direkt
in elektrische Energie um, wobei die Reaktanten kontinuierlich einströmen müssen.
Durch die Elektrolyse von wässrigen Lösungen entstehen in einer elektrochemischen
Zerlegung unter Stromzufuhr Wasserstoff und Sauerstoff, wenn die Zersetzungsspannung
mehr als 1,23 Volt (in der Praxis 1,5 Volt) beträgt. Wird der Strom unterbrochen, wirkt die
Zelle wie ein Doppelschichtkondensator und die Spannung nimmt dadurch nur langsam ab.
Werden die Elektroden noch länger von den beiden Gasen umspült, wird die Elektrolyse
umgekehrt und die Brennstoffzelle produziert eine Spannung von ca. 1 Volt. (Kurzweil 2013,
S. 3)
2 Grundlagen Brennstoffzelle 7
In der Brennstoffzelle findet an der Anode die Oxidation vom Brennstoff (Wasserstoff) unter
Elektronenabgabe statt und das H2-Molekül wird in 2 H+-Kationen gespaltet. An der Kathode
findet die Reduktion von Sauerstoff statt, d.h. es werden Elektronen aufgenommen. Ein O2-
Molekül nimmt vier Elektronen auf und spaltet sich so in zwei Sauerstoffatome, wird zu zwei
O2- (Anionen). Ein Sauerstoff-Ion bildet mit zwei vorhandenen Wasserstoff-Protonen H+
sofort ein Wassermolekül H2O.
Wasserstoff wird in die Zelle geleitet und flächig über die Bipolarplatten und die
Gasdiffusionslage der Anode verteilt. Der Wasserstoff und Feuchtigkeit diffundieren durch
die Elektroden, die eine poröse Struktur aufweisen, zum Katalysator und dort wird der
Wasserstoff in zwei Protonen unter Abgabe von zwei Elektronen aufgespaltet.
Oxidation an Anode 2H2 ⇌ 4H+ + 4e-
Die Elektronen werden durch die Schichten der Anodenseite bis zum Stromfänger geleitet.
Die Wasserstoff-Protonen werden unter Feuchtigkeitsaufnahme als protonierte
Wassermoleküle (H3O+) im Elektrolyten weitertransportiert (Elektro-Osmose). An der
Kathodenseite wird vom H3O+ - Ion das Wassermolekül wieder abgegeben. Zum Teil wird
das Wassermolekül durch die Membran wieder rückdiffundiert und steht auf der Anodenseite
wieder zur Verfügung. Die Rückdiffusion erfolgt von der hohen (Kathode) zur niedrigen
Konzentration (Anode). (Wang et al. 2012, S. 842-843)
Wenn die Membran ausreichend befeuchtet ist, sodass die Seitenketten der Sulfongruppen
(= Verbindungen mit organisch gebundenem Schwefel und Sauerstoff) verbunden sind,
findet ein weiterer Prozess des Protonen-Transportes statt. Die Protonen "springen" entlang
dieser Seitenketten von einer auf die andere Seite (Kornyshev et al. 2003, S. 3351; Marx et
al. 1999, S. 601).
Sauerstoff wird an der Kathodenseite in die Zelle geleitet und ebenso flächig über die
Gasdiffusionslage verteilt. Der Sauerstoff diffundiert zur elektrochemisch aktiven Oberfläche
des Katalysators und nimmt so vier Elektronen auf und reagiert mit den Wasserstoffprotonen
aus dem Elektrolyten zu Wasser.
Reduktion an Kathode O2 + 4H+ + 4e- ⇌ 2H2O
Gesamtreaktion 2H2 + O2 ⇌ 2H2O
2 Grundlagen Brennstoffzelle 8
In der Abbildung 1 wird das Funktionsprinzip der PEM-Brennstoffzelle noch einmal bildlich
dargestellt.
Abbildung 1: Prinzip einer PEM-Brennstoffzelle
Das Produktwasser, Wärme sowie nicht verbrauchter Sauerstoff und Wasserstoff wird über
die Bipolarplatten abgeführt.
Eine PEMFC ist Kohlenmonoxid-Verunreinigungen im Brenngas gegenüber sehr
empfindlich, weil es die aktive Fläche der Elektroden blockiert. Besonders reine
Platinkatalysatoren sprechen auf dieses „Gift“ an und erfordern einen maximalen Gehalt von
10 ppm, bei Katalysatoren aus Platin-Ruthenium ist immerhin eine CO-Verunreinigung von
bis zu 100 ppm möglich. CO adsorbiert an Platin viel stärker als H2, was zu einer
Leistungsminderung führt. (Hamann et al. 2005, S. 542)
2 Grundlagen Brennstoffzelle 9
2.3 Aufbau einer Brennstoffzelle
Der Aufbau der Brennstoffzelle wird in diesem Kapitel anhand der PEM-FC erklärt, also mit
einem Festkörperelektrolyten, wie er im Versuch auch verwendet wird.
Das Herzstück der Zelle ist die Membran-Elektroden-Einheit (MEA - Membrane Electrode
Assembly), die aus drei, fünf oder sieben Lagen zusammengesetzt wird. Die Drei-Lagen
MEA besteht aus dem Elektrolyten und einer beidseitigen katalytischen Schicht, bei der fünf-
lagigen Version wird auf jeder Seite noch eine inerte Randfolie aufgebracht und bei der
Sieben-Lagen MEA kommt zusätzlich noch beidseitig eine Begrenzung durch die
Gasdiffusionsschicht (GDL - Gas Diffusion Layer) dazu. An der Grenzfläche zwischen den
Elektroden und dem Elektrolyten findet die Redoxreaktion statt, die durch die
Katalysatorschicht zusätzlich beschleunigt wird. Die Schichten werden mit Bipolarplatten
zusammengehalten, die der elektrischen Verbindung der Zelle, der flächigen Gasverteilung
und der Dichtung nach außen dienen. (Jörissen 2014, S 247)
Abbildung 2: Schematischer Aufbau einer sieben lagigen Membran-Elektroden-Einheit
2 Grundlagen Brennstoffzelle 10
2.3.1 Membran
Die Polymermembran dient als Elektrolyt und Separator der Reaktionsgase. Sie muss also
eine hohe Protonenleitfähigkeit aufweisen, aber zugleich keine elektrischen Ladungsträger
durchlassen. Bei der Auswahl des Materials ist darauf zu achten, dass die Membran nicht mit
Wasserstoff, Sauerstoff und Wasser reagieren darf.
Diese Eigenschaften werden im meistverwendeten Elektrolyten Nafion® geeint. Er
funktioniert theoretisch bis 125°C, muss aber immer feucht gehalten werden (Wassergehalt
ca. 30 %). Findet allerdings eine ungleichmäßige Befeuchtung oder auch eine punktuelle
Überhitzung statt, so entstehen „hot spots“, an denen die Membran leicht reißen kann.
Steigende Temperatur und steigender Wassergehalt lässt auch die Leitfähigkeit der
Protonen steigen. Ab einer Feuchtigkeit von mehr als ca. 75 % geht die Protonenleitfähigkeit
verloren. (Kurzweil 2013, S. 79)
Die Grundstruktur von Nafion® besteht aus Polytetrafluorethylen (PTFE) und daran ist als
Seitenkette die Sulfonsäuregruppe (SO3H) angehängt (siehe Abbildung 3). Je dünner die
Membran umso mehr Leistung können sie liefern, allerdings besteht eher die Gefahr eines
Wasserstoffdurchbruchs. Laut Herstellerangeben (Nafionstore 2019) beträgt die Dicke der
Nafion® Membran N1110 254 m und die Nafion® Membran HP nur mehr 20,32 m.
Abbildung 3: Nafion: Chemische Formel von Nafion®, typische Werte für n sind ca.7 während m im Bereich 100 < m < 1 000 liegt (siehe zB Jörissen et al. 2014, S. 248)
Die meisten im Handel erhältlichen Nafion-Membrane haben eine bezeichnende Nummer zB
Nafion-117. Diese Nummer gibt die Äquivalentmasse (Gramm trockenes Nafion pro Mol
Sulfonsäuregruppe) und auch die Materialstärke an. Für die Membran Nafion-117 bedeutet
das also 1100 g Äquivalentmasse und eine Dicke von 0,007 Zoll. (Nafionstore, 2019)
Ein Ziel im Brennstoffzellenbereich ist es, die Membran dünner zu machen, um den
Ionenwiderstand zu verringern, das Durchdringen von Wasser zu erleichtern und vor allem
auch die Kosten der Membran zu senken. Die Sulfonsäuregruppen sind größtenteils in
2 Grundlagen Brennstoffzelle 11
wassergefüllten hydrophilen Bereichen zu finden. Die Ionen-Hydration, Wasserlöslichkeit und
die Protonen-Leitfähigkeit stehen in engem Zusammenhang. Alle diese Eigenschaften
ergeben sich aus der Beschaffenheit der Membran. (Peron et al. 2010, S. 44)
2.3.2 Katalysatorschicht
Eine dünne Katalysatorschicht befindet sich beidseitig auf der PEM und bildet die Elektroden
der Brennstoffzelle. Hier finden die elektrochemischen Reaktionen statt und der Katalysator,
meist Platin oder ein Gemisch aus Platin-Ruthenium, reduziert die Aktivierungsenergie. Die
Platin-Nanopartikel werden zur Stabilisierung auf einen Kohleträger mit einer großen
spezifischen Oberfläche aufgetragen. Zur Verbesserung der Elektroden-Elektrolyt
Grenzfläche wird die gesamte Katalysatorschicht zusätzlich mit Polymerelektrolyt
imprägniert.
2.3.3 Gasdiffusionslage (GDL)
Die Gasdiffusionslage (GDL) oder Trägerschicht besteht aus <100 m dünnem
Kohlenstoffpapier oder -gewebe und verteilt die Reaktionsgase gleichmäßig über die
gesamte Zellenfläche. Diese poröse Schicht liegt zwischen der Katalysatorschicht und der
Bipolarplatte. Eine hohe elektrische Leitfähigkeit ist nötig, um die Elektronen von der
Anodenseite über eine externe Leitung abzuleiten bzw. auf der Kathodenseite zuzuleiten.
Die GDL dient auch der Stabilisierung der Elektrolytmembran und der katalytisch aktiven
Schicht, außerdem leitet die hydrophobe GDL die Reaktionsprodukte (Wasser) und die
Prozesswärme ab. (Kurzweil 2013, S. 87)
Bei einer schlechten Verbindung zur Elektrode kann es zu Wasseransammlungen zwischen
diesen beiden Schichten kommen. Darauf kann mit Porengrößenverteilung oder einer
Oberflächenanpassung mit einer mikroporösen Schicht eingewirkt werden. (Hakenjos 2006,
S. 14)
2.3.4 Bipolarplatten
Die Funktionen der Bipolarplatten bestehen aus der Reaktantenverteilung, der
Elektronenweiterleitung und der thermischen Beeinflussung der Zelle. Für die Gasverteilung
werden in die Oberfläche kleine Kanäle nach verschiedenen Gangmuster oder andere
Verteilmuster, wie zB Mäander, Noppen, eingefräst oder eingeprägt. Diese Platten können
aus Graphit, Kohlenstoff-Compositmaterialien mit Kunststoff oder Metall bestehen. Auf alle
Fälle müssen sie korrosionsbeständig sein und einen möglichst niedrigen elektrischen
2 Grundlagen Brennstoffzelle 12
Widerstand und mechanische Stabilität aufweisen. (Eichlseder et al. 2012, S. 228 + 229;
Arends 2004, S. 6)
Hakenjos (2006, S. 120) beschreibt eine optimierte Gaskanalstruktur in doppelten
Mänderform, die den Wassergehalt positiv beeinflusst und so für eine höhere Leistung sorgt.
Dabei spielt das Kanal-Steg-Breitenverhältnis eine wichtige Rolle.
Außerhalb der Bipolarplatten kommen die Stromabgriffplatten aus Metall (zB Kupfer), die die
Elektronen von der Anoden-Seite mit elektrischen Anschlüssen an einen äußeren
Verbraucher weiterleiten und an der Kathodenseite für die Sauerstoffreaktion zur Verfügung
stellen. Die Endplatten aus Metall oder Kunststoff sind der mechanische Abschluss der Zelle
und dienen der Stabilisierung, der Montage der Schraubverbindungen und der Anschlüsse.
(Kurzweil 2013, S. 95)
2.3.5 Dichtungen
Die Anforderung an die Dichtung besteht in der thermischen, mechanischen und chemischen
Beständigkeit für eine möglichst lange Zeit. Die sichere Abdichtung zwischen den beiden
Reaktanten und auch nach außen hin ist die wichtigste Aufgabe der Dichtungen. Jede
einzelne fehlerhafte Dichtung kann die Brennstoffzelle unbrauchbar machen. Je nach
Einsatzstelle werden zB O-Ringe, Flachdichtungen, Klebedichtungen etc. eingebaut.
(Jörissen 2014, S. 269 - 272)
2.4 Potentiale und Ströme
In der Brennstoffzelle finden zwei räumlich getrennte chemische Hauptreaktionen statt, die
man zu einer Gesamtreaktion zusammenfassen kann. Die beiden Reaktionen der
elektrochemischen Vorgänge an den Elektroden in der Brennstoffzelle bringen
unterschiedlichen Potentiale:
2 Grundlagen Brennstoffzelle 13
Oxidation an Anode 2 H2 ⇌ 4H+ + 4e- U0 = 0 V
Reduktion an Kathode O2 + 4H+ + 4e- ⇌ 2H2O U0 = 1,23 V
Gesamtreaktion 2 H2 + O2 ⇌ 2 H2O U0 = 1,23 V
U0...Normalpotential bei Standardbedingungen (25°C, 101.325 Pa)
Die Werte sind der Tabelle Normalpotentiale bei 25°C aus L. Brown et al. (2011, S. 971)
entnommen. Bei Raumtemperatur beträgt die theoretische Leerlaufspannung also 1,23 V.
∆𝑈0 = 𝑈𝑟𝑒𝑑0 − 𝑈𝑜𝑥
0 (Formel 1)
Ist die Differenz des Normalpotentials U0 größer als Null, dann lauft die Reaktion an den
Elektroden spontan ab und es wird Spannung erzeugt. Die Stärke der Reaktion wird durch
die freie bzw. Gibbs'sche Enthalpie G0 angegeben, was der maximal erhaltbaren,
elektrischen Arbeit entspricht. Angewandt für die o.a. Gesamtreaktion werden vier
Elektronen durch zwei Wasserstoffmoleküle ausgetauscht, also z = 4/2 = 2 je mol H2. Oder
man bricht die Reaktion zuerst auf ein Mol herunter (H2 + 1
2O2 ⇌ H2O), dann bedeutet das,
dass ein Wasserstoffmolekül zwei Elektronen austauscht, also z = 2 je mol H2, und es ergibt
sich somit: (Kurzweil 2013, S. 4; Hamann et al. 2005 S. 73)
G0 = − z ∗ F ∗ U0 (Formel 2)
= − 4
2 ∗ 96.485
𝐶
𝑚𝑜𝑙 ∗ 1,23 𝑉 ≈ −237,13
𝑘𝐽
𝑚𝑜𝑙
z ... Anzahl ausgetauschter Elektronen
F ... Faradaysche Konstante
Die Faradaysche Konstante F gibt die Ladung eines Mols an Elektronen an (F = NA * e =
6,022*1023/mol * 1,602*10-19C = 96.485 C/mol) (NA = Avogadro-Konstante). Das Ergebnis
2 Grundlagen Brennstoffzelle 14
von ∆G0 ist negativ, was bedeutet, dass vom System Energie freigesetzt wird. Wenn der
Brennstoffzellen-Prozess reversibel wäre bzw. es keine Verluste gäbe, so würde die
gesamte Gibbs'sche freie Energie in elektrische Energie umgewandelt werden.
Werden Brennstoffzellen in Reihe geschaltet („Stacks“) kann man eine direkt proportional
steigende Spannung generieren (Spannung einer Zelle multipliziert mit der Anzahl der
Zellen).
2.4.1 Thermodynamische Grundlagen
Die thermodynamischen und elektrochemischen Formeln wurden aus dem Buch Bartelmann
et al. (2018, S. 11 - 53) verwendet und mit Formelausführungen von Knoll et al. (2019, S. 15-
24) ergänzt.
In der Brennstoffzelle wird die gespeicherte chemische Energie direkt in elektrische Energie
und auch in Wärmeenergie umgewandelt. Die Enthalpie H gibt dabei in der Thermodynamik
die Summe der inneren Energie U und der Volumenarbeit pdV an (Formel 8). Die
Volumenarbeit ist jene Arbeit, die verrichtet werden muss, um das Volumen V vom System
unter dem Druck p zu erreichen. Bei einer chemischen Reaktion setzt sich die Standard-
Reaktionsenthalpie aus der Differenz der molaren Standard-Bildungsenthalpien der Produkte
und Edukte zusammen:
H0 = ∑( HProdukte0 −HEdukte
0 ) (Formel 3)
Die Bildungsenthalpie H eines Elements ist gleich null. In der Tabelle 2 wird die
Bildungsenthalpie bei einer Temperatur von 25°C und einem Druck von 101.325 Pa von
einigen ausgewählten Stoffen angegeben.
Die Standard-Reaktionsentropie S0 setzt sich aus der Differenz der Entropien vor und nach
der Reaktion unter Standardbedingungen zusammen. Die Entropie wird meist als ein Maß
der möglichen Zustände im System bezeichnet und sie gibt Auskunft über die Umkehrbarkeit
einer Zustandsänderung. In der Tabelle 2 werden auch die Werte der Entropien der
ausgewählten Stoffe angegeben.
2 Grundlagen Brennstoffzelle 15
S0 = ∑( SProdukte0 − SEdukte
0 ) (Formel 4)
Tabelle 2: Bildungsenthalpien 𝑯𝟐𝟗𝟖,𝟏𝟓𝟎 und Entropien 𝑺𝟐𝟗𝟖,𝟏𝟓
𝟎 für ausgewählte Stoffe (g -
gasförmig, fl - flüssig, aq - in einer Lösung der Aktivität eins), (Hamann et al. 2005, S. 85; Werte für H2O (g) Kurzweil 2013, S. 19)
Stoff Zustand 𝑯𝟐𝟗𝟖,𝟏𝟓𝟎 𝒌𝑱/𝒎𝒐𝒍 𝑺𝟐𝟗𝟖,𝟏𝟓
𝟎 𝑱/(𝑲 ∗ 𝒎𝒐𝒍)
H2 g 0 130,74
H3O+ aq 0 0
O2 g 0 205,25
H2O fl -285,25 70,12
H2O g -241,83 188,83
Der erste Hauptsatz der Thermodynamik beschreibt die Energieerhaltung und teilt die
Gesamtenergie in Innere und Äußere Energie. Jedes thermodynamische System hat eine
extensive Zustandsgröße U, die innere Energie. Sie wächst an durch Zufuhr von Wärme
(δQ) und Arbeit (δW).
𝑑𝑈 = 𝛿𝑊 + 𝛿𝑄 (Formel 5)
Die mechanische Arbeit bzw. Volumenarbeit, die dem System zugeführt wird, setzt sich aus
Druck p und Volumenänderung dV zusammen.
𝛿𝑊 = −𝑝𝑑𝑉 (Formel 6)
2 Grundlagen Brennstoffzelle 16
Die Änderung der Energie wird üblicherweise als Wärmeaustausch dQ bezeichnet. Sie ist im
thermischen Gleichgewicht bei der Temperatur T zur Änderung der Entropie (dS)
proportional. Zur Vervollständigung der Änderung der Inneren Energie muss außerdem noch
die Änderung der Teilchenzahl idNi für Element i hinzugefügt werden, beschreibt das
chemische Potential. Somit lautet die Formel der Änderung der inneren Energie dU wie folgt:
𝑑𝑈 = 𝑇𝑑𝑆 − 𝑝𝑑𝑉 + ∑𝑖𝑑𝑁𝑖
𝑖
(Formel 7)
Durch Legendre-Transformationen (Bartelmann et al. 2018, S. 125) werden weitere
thermodynamisch relevante Potentiale berechnet. Für die Enthalpie H eines
thermodynamischen Systems wird zur inneren Energie U auch das Produkt aus Volumen
und Druck (Volumenarbeit) hinzugezählt. Bei der Freien Energie F (Helmholtz-Potential) wird
von der inneren Energie das Produkt aus der Temperatur und der Entropie abgezogen. Die
Gibbs Energie G ergibt sich aus der Differenz zwischen der Enthalpie und dem Produkt von
Temperatur und Entropie. Folgende drei Formeln geben die eben genannten Differentiale
wieder:
𝑑𝐻 = 𝑑𝑈 + 𝑝𝑑𝑉 + 𝑉𝑑𝑝 = 𝑇𝑑𝑆 + 𝑉𝑑𝑝 + ∑𝑖𝑑𝑁𝑖
𝑖
(Formel 8)
𝑑𝐹 = 𝑑𝑈 − 𝑆𝑑𝑇 − 𝑇𝑑𝑆 = −𝑆𝑑𝑇 − 𝑝𝑑𝑉 + ∑𝑖𝑑𝑁𝑖
𝑖
(Formel 9)
𝑑𝐺 = 𝑑𝐻 − 𝑆𝑑𝑇 − 𝑇𝑑𝑆 = −𝑆𝑑𝑇 + 𝑉𝑑𝑝 + ∑𝑖𝑑𝑁𝑖
𝑖
(Formel 10)
Anhand der Änderung des Gibbs'schen Potentials dG erkennt man, in welche Richtung die
Reaktionen ablaufen werden. Bei negativen Werten liegt das Reaktionsgleichgewicht auf
Seite der Produkte. Bei einem Wert von 0 ist der Gleichgewichtszustand erreicht.
2 Grundlagen Brennstoffzelle 17
∆𝐺 = ∑∆𝐺𝑃𝑟𝑜𝑑𝑢𝑘𝑡𝑒 − ∑∆𝐺𝐸𝑑𝑢𝑘𝑡𝑒 (Formel 11)
Für die Gesamtreaktion der Brennstoffzelle (2H2 + O2 ⇌ 2H2O) bedeutet das: