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ISSN 0720-2946
Bundesrat Drucksache 466/0427.05.04
EU - AS - G - In - K - Vk - Wi
Unterrichtungdurch die Bundesregierung
Weißbuch der Kommission der Europäischen Gemeinschaften zu
Dienstleistungen von allgemeinem
Interesse
KOM(2004) 374 endg.; Ratsdok. 9643/04
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Übermittelt vom Bundesministerium der Finanzen am 27. Mai 2004
gemäß § 2 des Gesetzesüber die Zusammenarbeit von Bund und Ländern
in Angelegenheiten der Europäischen Union(BGBl. I 1993 S. 313
ff.).
Die Vorlage ist von der Kommission der Europäischen
Gemeinschaften am 17. Mai 2004 demGeneralsekretär/Hohen Vertreter
des Rates der Europäischen Union übermittelt worden.
Das Europäische Parlament, der Europäische Wirtschafts- und
Sozialausschuss und derAusschuss der Regionen werden an den
Beratungen beteiligt.
Hinweis: vgl. Drucksache 413/03 = AE-Nr. 031943
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Drucksache 466/04
INHALTSVERZEICHNIS
1. Einleitung
.....................................................................................................................
2
2. Gemeinsame Verantwortung der öffentlichen Verwaltung in der
Union .................... 3
2.1. Eine wesentliche Komponente des europäischen Modells
.......................................... 3
2.2. Verantwortung der öffentlichen Hand
.........................................................................
5
2.3. Gemeinsame Verantwortung der Union und ihrer
Mitgliedstaaten ............................. 5
3. Leitprinzipien des Kommissionsansatzes
....................................................................
6
3.1. Voraussetzungen für bürgernahe öffentliche Regulierung
schaffen............................ 6
3.2. Die Ziele öffentlicher Dienste in wettbewerbsfähigen,
offenen Märkten erreichen.... 7
3.3. Kohäsion und universellen Zugang
sicherstellen.........................................................
8
3.4. Ein hohes Qualitäts-, Versorgungssicherheits- und
Schutzniveau aufrechterhalten.... 9
3.5. Die Rechte der Verbraucher und Nutzer sichern
......................................................... 9
3.6. Monitoring und Leistungsevaluierung
.......................................................................
10
3.7. Die Verschiedenheit von Dienstleistungen und Situationen
berücksichtigen ........... 10
3.8. Mehr Transparenz
schaffen........................................................................................
11
3.9. Rechtssicherheit gewährleisten
..................................................................................
12
4. Neue Ausrichtungen für eine kohärente Politik
......................................................... 12
4.1. Die Vielfalt in einem kohärenten Rahmen berücksichtigen
...................................... 12
4.2. Die rechtlichen Rahmenbedingungen bei Ausgleichszahlungen
fürGemeinwohlpflichten präzisieren und
vereinfachen..................................................
14
4.3. Einen präzisen, transparenten Rahmen für die Auswahl von
Unternehmen vorgeben,denen die Erbringung von Dienstleistungen von
allgemeinem Interesse auferlegt
wird....................................................................................................................................
16
4.4. Den Gemeinwohlauftrag bei Sozial- und
Gesundheitsdienstleistungen umfassendberücksichtigen
..........................................................................................................
18
4.5. Ergebnisse bewerten und Leistungsstand
evaluieren................................................. 20
4.6. Die sektoralen Politikbereiche
überprüfen.................................................................
21
4.7. Die interne Politik der internationalen Handelspolitik zu
Grunde legen ................... 23
4.8. Dienstleistungen von allgemeinem Interesse bei der
Entwicklungszusammenarbeitfördern
........................................................................................................................
24
ANHANG
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Drucksache 466/04 2
1. EINLEITUNG
In den letzten Jahren bildet die Rolle der Europäischen Union
bei der Ausgestaltungkünftiger Dienstleistungen von allgemeinem
Interesse1 zentrales Thema der Debatteüber das europäische
Gesellschaftsmodell. Im Bewusstsein um die essenzielleBedeutung,
die gut funktionierenden, allgemein zugänglichen und
erschwinglichenhochwertigen Diensten von allgemeinem Interesse mit
Blick auf die Lebensqualitätder Bürger Europas, die Umwelt und die
Wettbewerbsfähigkeit der europäischenUnternehmen zukommt, hat die
Europäische Kommission ein Grünbuch zuDienstleistungen von
allgemeinem Interesse2 aufgelegt, mit dem eine breit
angelegteöffentliche Anhörung darüber in Gang gesetzt wurde, wie
die Bereitstellunghochwertiger Dienstleistungen von allgemeinem
Interesse in der Europäischen Unionam geeignetsten gefördert werden
kann. Mit dem Grünbuch sollten Stellungnahmenzur globalen Rolle der
Europäischen Union bei der Festlegung desGemeinwohlauftrags von
Dienstleistungen von allgemeinem Interesse und bei derOrganisation,
Finanzierung und Bewertung dieser Dienste eingeholt werden.
Die durch das Grünbuch ausgelöste Debatte stieß auf reges
Interesse und wurde vonbreiten Interessenkreisen begrüßt. Der
Kommission gingen an die300 Stellungnahmen der unterschiedlichsten
Interessenten zu, darunter auchzahlreiche Mitgliedstaaten3. Über
die öffentliche Konsultation haben dieDienststellen der Kommission
einen Bericht erstellt, der die eingereichten Beiträgeanalysiert
und Hintergrundangaben zu dem hiermit vorgelegten Weißbuch
enthält4.
Wie vom Europäischen Parlament in seiner Entschließung vom 14.
Januar 2004 zudem Grünbuch gefordert5, legt die Kommission mit
diesem Weißbuch ihreSchlussfolgerungen vor, die sie aus der Debatte
gezogen hat.
Auch der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss6 und der
Ausschuss derRegionen7 haben die aufgeworfenen Fragen besprochen
und entsprechendeStellungnahmen präsentiert.
Darüber hinaus sind Dienstleistungen von allgemeinem Interesse
ebenso Gegenstandintensiver Erörterungen im Europäischen Konvent
gewesen.
Außerdem hat sich auch der Europäische Gerichtshof mit
verschiedenen Aspektender Dienstleistungen von allgemeinem
wirtschaftlichen Interesse, insbesondere der
1 Begriffsbestimmungen: Siehe Anhang 12 KOM(2003) 270 endg. vom
21.5.20033 Die ausführlichen Beiträge sind auf der Website der
Kommission zu finden unter:
http://europa.eu.int/comm/secretariat_general/service_general_interest/comments/public_en.htm.4
Bericht über die öffentliche Konsultation zum Grünbuch zu
Dienstleistungen von allgemeinem
Interesse, Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen, SEK
(2004) 326 vom XX.03.2004,
abrufbarunter:http://europa.eu.int/comm/secretariat_general/service_general_interest
5 Entschließung des Europäischen Parlaments zum Grünbuch zu
Dienstleistungen von allgemeinemInteresse, 14.1.2004,
(T5-0018/2004)
6 Stellungnahme zum Grünbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem
Interesse, EWSA 1607/2003 vom11.12.2003
7 Stellungnahme des Ausschusses der Regionen vom 20. November
2003 zum Grünbuch zuDienstleistungen von allgemeinem Interesse, CdR
149/2003 endg.
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3 Drucksache 466/04Frage ihrer Finanzierung, befasst und eine
bahnbrechende Entscheidung in SachenAusgleichszahlungen für
auferlegte Gemeinwohlverpflichtungen getroffen1.
Die Debatte hat deutlich gemacht, dass die Meinungen und
Perspektiven erheblichdifferieren. Dennoch scheint sich in der
Frage der Notwendigkeit, ein harmonischesMiteinander von
Marktmechanismen und Gemeinwohlaufgaben sicherzustellen, einKonsens
gebildet zu haben. Dienstleistungen von allgemeinem Interesse und
dieRahmenbedingungen, unter denen sie erbracht werden, unterliegen
auch auf Ebeneder Europäischen Union einem permanenten Wandel und
werden sich auch künftigweiterentwickeln. Mit dem nunmehr
vorgelegten Weißbuch möchte die Kommissionkeineswegs einen
Schlusspunkt unter die auf europäischer Ebene geführte
Debattesetzen. Vielmehr möchte sie einen Beitrag zum laufenden
Diskurs leisten und diesendadurch voranbringen, dass sie die Rolle
der Union präzise absteckt undRahmenbedingungen als Voraussetzung
dafür schafft, dass die Diensteordnungsgemäß funktionieren.
In diesem Weißbuch wird die Vorgehensweise der Kommission bei
der Erarbeitungeiner konstruktiven Rolle dargelegt, die der
Europäischen Union bei der Förderungder Entwicklung hochwertiger
Dienstleistungen von allgemeinem Interessezukommt. Vorgestellt
werden darin die zentralen Elemente einer Strategie, die
daraufausgerichtet ist, sicherzustellen, dass jeder Bürger und
jedes Unternehmen in derUnion effektiv Zugang zu hochwertigen
Dienstleistungen zu erschwinglichen Preisenhat. Ein besonderes
Augenmerk wird dabei lediglich auf bestimmte Schlüsselthemenaus der
Debatte gerichtet, da es unmöglich wäre, sämtliche im Verlauf
deröffentlichen Konsultation aufgeworfenen Fragestellungen
eingehend in diesemWeißbuch zu behandeln. Fragen, die spezifischer
Natur sind, sollen im Rahmen derjeweiligen Politik behandelt
werden.
2. GEMEINSAME VERANTWORTUNG DER ÖFFENTLICHEN VERWALTUNG IN DER
UNION
Die öffentliche Diskussion über das Grünbuch hat gezeigt, dass
hinsichtlich derBedeutung hochwertiger Dienstleistungen von
allgemeinem Interesse für dieGesellschaften in Europa Einvernehmen
besteht. Bedingt durch die Aufteilung derAufgaben und
Zuständigkeiten zwischen der Union und den Mitgliedstaaten
ergibtsich, dass die Union und die öffentlichen Einrichtungen der
Mitgliedstaatengemeinsam Verantwortung tragen; allerdings ist die
genaue Festlegung desDienstleistungsangebots und die Erbringung der
einzelnen Dienstleistungen nach wievor Aufgabe der
Mitgliedstaaten.
2.1. Eine wesentliche Komponente des europäischen Modells
Die Debatte über das Grünbuch hat nachhaltig bekräftigt, wie
wichtigDienstleistungen von allgemeinem Interesse als eine der
Grundsäulen sind, auf denendas europäische Gesellschaftsmodell
gründet, ist. Trotz mitunter substanzielldivergierender Meinungen
und Betrachtungsweisen der verschiedenen Teilnehmer ander Debatte
hat die Konsultation klar gezeigt, dass hinsichtlich der
Notwendigkeit,hochwertige Dienste von allgemeinem Interesse zu
erschwinglichen Kosten, zudenen jeder Bürger und jedes Unternehmen
in der Europäischen Union Zugang hat,
1 Urteil vom 24. Juli 2003 im Vorabentscheidungsverfahren
C-280/00 (Rechtssache Altmark Trans
GmbH)
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Drucksache 466/04 4bereitzustellen, weitgehend Konsens besteht.
Bestätigt hat die Debatte aber auch,dass es in der Union ein
gemeinsames Konzept für Dienstleistungen vonallgemeinem Interesse
gibt. Dieses Konzept, das Ausdruck gemeinschaftlicher Werteund
Ziele ist, beruht auf einer Reihe gemeinsamer Elemente, u.a.
demUniversaldienstkonzept und den Kriterien der Kontinuität,
Dienstequalität,Erschwinglichkeit und des Nutzer- und
Verbraucherschutzes.
In der Union sind Dienstleistungen von allgemeinem Interesse
nach wie vorunerlässlich für die Erhaltung sozialer und
territorialer Kohäsion und für dieWettbewerbsfähigkeit der
europäischen Wirtschaft. Zu Recht erwarten die Bürgerund die
Unternehmen, dass sie EU-weit Zugang zu hochwertigen Diensten
vonallgemeinem Interesse zu einem erschwinglichen Preis haben. Für
den EU-Bürgerstellt dieser Zugang eine essenzielle Komponente der
Unionsbürgerschaft dar, dieunverzichtbar ist, damit er die ihm
zustehenden Grundrechte in vollem Umfangwahrnehmen kann. Für die
Unternehmen ist die Verfügbarkeit hochwertigerDienstleistungen von
allgemeinem Interesse eine unabdingbare Voraussetzung
fürWettbewerbsfähigkeit. Mit der Bereitstellung allgemein
zugänglicher hochwertigerDienstleistungen von allgemeinem Interesse
zu erschwinglichen Preisen, soweitdiese Dienstleistungen den
Bedürfnissen der Verbraucher und der Unternehmengerecht werden,
wird mithin ein wichtiger Beitrag zur Verwirklichung
desstrategischen Zieles der Union geleistet, sie „zum
wettbewerbsfähigsten,dynamischsten wissensbasierten Wirtschafsraum
der Welt zu machen – einemWirtschaftsraum, der fähig ist, ein
dauerhaftes Wirtschaftswachstum mit mehr undbesseren Arbeitsplätzen
und einem größeren sozialen Zusammenhalt zu erzielen“1.
Wie die Kommission bereits in ihrem Grünbuch betont, haben
Dienstleistungen vonallgemeinem Interesse mit dazu beigetragen,
dass die Ziele der Union in einerVielzahl gemeinschaftspolitischer
Aufgabenfelder verwirklicht werden konnten.Gleichzeitig haben die
politischen Maßnahmen der Gemeinschaft erheblich dazubeigetragen,
die Dienstgüte, das Angebot und die Effizienz einer Reihe
vonDienstleistungen von allgemeinem Interesse zu verbessern.
Getreu den Grundsätzen in Artikel 16 des EG-Vertrags2 und
Artikel 36 der Chartader Grundrechte3 wird die Kommission bei den
politischen Maßnahmen undTätigkeiten, die in ihre Zuständigkeiten
fallen, der spezifischen Rolle derDienstleistungen von allgemeinem
Interesse in vollem Umfang Rechnung zu tragen.Sie wird darauf hin
wirken, sicherzustellen, dass die Europäische Union weiterhineinen
konstruktiven Beitrag zur weiteren Ausgestaltung der
Dienstleistungen vonallgemeinem Interesse als Bestandteil des
europäischen Modells leistet und dabei dievielfältigen Traditionen,
Strukturen und Gegebenheiten der Mitgliedstaaten gewahrt
1 Europäischer Rat von Lissabon, 23. und 24. März 200,
Schlussfolgerungen der Ratspräsidentschaft,
Ziffer 5. Näheres unter:
http://europa.eu.int/comm/lisbon_strategy/intro_en.html2 Artikel 16
lautet wie folgt: „Unbeschadet der Artikel 73, 86 und 87 und in
Anbetracht des Stellenwerts,
dem Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse innerhalb
der gemeinsamen Werte der Unioneinnehmen, so wie ihre Bedeutung bei
der Förderung des sozialen und territorialen Zusammenhaltstragen
die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer jeweiligen
Befugnisse imAnwendungsbereich dieses Vertrags dafür Sorge, dass
die Grundsätze und Bedingungen für dasFunktionieren dieser Dienste
so gestaltet sind, dass sie ihren Aufgaben nachkommen können.“
3 Artikel 36 lautet wie folgt: „Die Union anerkennt und achtet
den Zugang zu Dienstleistungen vonallgemeinem wirtschaftlichem
Interesse, wie er durch die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften
undGepflogenheiten im Einklang mit dem Vertrag zur Gründung der
Europäischen Gemeinschaft geregeltist, um den sozialen und
territorialen Zusammenhalt der Union zu fördern.“
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5 Drucksache 466/04bleiben. Im Einklang mit den Grundsätzen
besserer Rechtsetzung1wird die vorherigeausführliche
Folgenabschätzung bei wesentlichen Initiativen2 wie auch
dieregelmäßige Evaluierung der betreffenden
gemeinschaftspolitischen Maßnahmen zurVerwirklichung dieser
Zielsetzung beitragen.
In der jetzigen, entscheidenden Phase der Entwicklung der Union
wird einbesonderes Augenmerk auf die Entwicklungen in den neuen
Mitgliedstaaten und ihrespezifischen Bedürfnisse, die sich
insbesondere aus der Umgestaltung derVolkswirtschaft in diesen
Ländern in beiden letzten Jahrzehnten ergeben, zu richtensein.
2.2. Verantwortung der öffentlichen Hand
Während die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem
Interesse inZusammenarbeit mit der Privatwirtschaft organisiert
oder privaten oder öffentlichenUnternehmen übertragen werden kann,
obliegt die Festlegung derGemeinwohlaufgaben nach wie vor den
öffentlichen Instanzen auf der jeweiligenEbene. Letztere sind auch
zuständig für Marktregulierung und dafür
verantwortlich,sicherzustellen, dass die betreffenden Akteure die
ihnen übertragenenGemeinwohlverpflichtungen wahrnehmen.
Im Verlaufe des Konsultation zum Grünbuch wurde nachdrücklich
daraufhingewiesen, dass die zuständigen öffentlichen Stellen im
Rahmen eineswettbewerbsfähigen Binnenmarkts über die benötigten
Befugnisse verfügen müssen,damit gewährleistet ist, dass die
ausgemachten Ziele öffentlicher Politik effektivverwirklicht und
demokratische Entscheidungsmöglichkeiten gewahrt werden, undzwar
auch in Bezug auf Dienstequalitätsniveau und anfallende
Kosten.Unverzichtbare Voraussetzung dafür ist, dass den zuständigen
öffentlichen Stellendas adäquate Instrumentarium und Know-how zur
Verfügung steht. Die bestehendensektorspezifischen
Gemeinschaftsbestimmungen sehen denn auch
spezifischeRechtsinstrumente und Befugnisse vor, damit die Behörden
der Mitgliedstaaten dieZiele öffentlicher Politik durchsetzen
können. Vor allem sollten die Mitgliedstaatenihre Aufmerksamkeit
der zunehmend komplexen Aufgabenstellung derRegulierungsbehörden
widmen und sie mit allen erforderlichen Instrumenten undRessourcen
ausstatten.
2.3. Gemeinsame Verantwortung der Union und ihrer
Mitgliedstaaten
In ihrem Grünbuch hat die Kommission bereits ausgeführt, dass
mit dem Vertrag derGemeinschaft ein breites Spektrum von
Möglichkeiten eingeräumt wird, umsicherzustellen, dass die Nutzer
in der Europäischen Union Zugang zu hochwertigenDienstleistungen
von allgemeinem Interesse zu erschwinglichen Preisen haben.Dennoch
ist es in erster Linie Sache der zuständigen nationalen, regionalen
undlokalen Behörden, Dienstleistungen von allgemeinem Interesse zu
definieren, zuorganisieren, zu finanzieren und zu
kontrollieren.
Diese Teilung der Verantwortung entspricht jenem Konzept, das
der Bestimmung inArtikel 16 EG-Vertrags zugrunde liegt, wonach der
Gemeinschaft und denMitgliedstaaten die Verantwortung dafür
übertragen wird, dass sie im Rahmen ihrer
1 Europäisches Regieren: Bessere Rechtsetzung, KOM(2002) 275
endg. vom 5.6.20022 Mitteilung der Kommission über
Folgenabschätzung, KOM(2002) 276 endg. vom 5.6.2002
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Drucksache 466/04 6jeweiligen Befugnisse dafür Sorge tragen,
dass ihre Politik so gestaltet ist, dass dieAnbieter von
Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse
ihrenAufgaben gerecht werden können. Das Recht der Mitgliedstaaten,
denWirtschaftsakteuren spezifische Gemeinwohlverpflichtungen
auferlegen zu könnenund für deren ordnungsgemäße Erbringung Sorge
zu tragen, ist im Übrigenausdrücklich in Artikel 86 Absatz 2 des
EG-Vertrags anerkannt1.
In der Debatte zum Grünbuch bestand weitgehend Einigkeit
darüber, dass es nichtnötig sei, der Gemeinschaft zusätzliche
Befugnisse auf dem Gebiet derDienstleistungen von allgemeinem
Interesse zu verleihen. Grundsätzlich pflichtet dieKommission
dieser Feststellung bei. Nach Auffassung der Kommission sind
nämlichdie Befugnisse, über die die Gemeinschaft in Sachen
Dienstleistungen vonallgemeinem Interesse verfügt, angemessen und
ausreichend, damit EU-weitordnungsgemäß funktionierende Dienste
beibehalten bzw. entwickelt werdenkönnen.
Die Kommission begrüßt aber auch die Abänderung der Bestimmungen
desderzeitigen Artikels 16 des EG-Vertrags, wie vom Europäischen
Konvent in ArtikelIII-6 des Verfassungsvertragsentwurfs
vorgeschlagen. Darin heißt es in Artikel III-6:
„Unbeschadet der Artikel III-55, III-56 und III-136 und in
Anbetracht des von allenin der Union anerkannten Stellenwerts der
Dienste von allgemeinemwirtschaftlichem Interesse sowie ihrer
Bedeutung bei der Förderung des sozialenund territorialen
Zusammenhalts tragen die Union und ihre Mitgliedstaaten imRahmen
ihrer jeweiligen Befugnisse im Anwendungsbereich der Verfassung
dafürSorge, dass die Grundsätze und Bedingungen, insbesondere jene
wirtschaftlicherund finanzieller Art, für das Funktionieren dieser
Dienste so gestaltet sind, dassdiese ihren Aufgaben nachkommen
können. Diese Grundsätze und Bedingungenwerden durch Europäische
Gesetze festgelegt.“
Sobald der Verfassungsvertrag in Kraft ist, wird diese
Bestimmung eine weitereRechtsgrundlage für gemeinschaftliches
Vorgehen im Bereich der Dienstleistungenvon allgemeinem
wirtschaftlichem Interesse im Rahmen der Befugnisse der Unionund
des Geltungsbereichs der Verfassung bieten.
3. Leitprinzipien des Kommissionsansatzes
Der Ansatz der Kommission beruht auf mehreren Prinzipien, die in
der jeweiligensektoralen Politik der Gemeinschaft zum Ausdruck
kommen und sich auf derGrundlage der Ergebnisse aus der Debatte zum
Grünbuch näher umreißen lassen.
3.1. Voraussetzungen für bürgernahe öffentliche Regulierung
schaffen
In der Konsultation wurde deutlich herausgestellt, dass
Dienstleistungen vonallgemeinem Interesse möglichst bürgernah
organisiert und geregelt sein sollten unddass dabei das
Subsidiaritätsprinzip strengstens eingehalten werden müsste.
1 In Artikel 86 Absatz 2 heißt es: „Für Unternehmen, die mit
Dienstleistungen von allgemeinem
wirtschaftlichem Interesse betraut sind (…), gelten die
Vorschriften dieses Vertrags, insbesondere dieWettbewerbsregeln,
soweit die Anwendung dieser Vorschriften nicht die Erfüllung der
ihnenübertragenen besonderen Aufgabe rechtlich und tatsächlich
verhindert. Die Entwicklung desHandelsverkehrs darf nicht in einem
Ausmaß beeinträchtigt werden, das dem Interesse derGemeinschaft
zuwiderläuft.“
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7 Drucksache 466/04Die Kommission erkennt die essenzielle Rolle
an, die den Mitgliedstaaten und ihrenregionalen und lokalen
Behörden auf dem Gebiet der Dienstleistungen vonallgemeinem
Interesse zukommt. Diese Rolle spiegelt sich ist in der Politik
derGemeinschaft auf dem Gebiet der Dienstleistungen von allgemeinem
Interesse wider,soweit diese Politik auf unterschiedlichen
Aktionsebenen und in der Nutzungvielfältiger Instrumente im
Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip gründet.
Wie in der Vergangenheit beabsichtigt die Kommission, soweit
erforderlich,Vorschläge für eine sektorspezifische Regulierung
formulieren, die sich aufBereiche, wie z.B. die großen
netzgebundenen Wirtschaftszweige, beschränken, dieihrerseits
eindeutig europaweit ausgerichtet sind und fundierte Gründe dafür
bieten,ein europäisches Konzept für Dienstleistungen von
allgemeinem Interesse zudefinieren. Eine solche
Gemeinschaftsregelung gibt im Allgemeinen lediglich
einenRegelungsrahmen vor, den die Mitgliedstaaten unter
Berücksichtigungländerspezifischer Gegebenheiten umsetzen und näher
ausgestalten können.
3.2. Die Ziele öffentlicher Dienste in wettbewerbsfähigen,
offenen Märkten erreichen
Gestützt auf die durchgeführte Konsultation ist die Kommission
nach wie vor derAuffassung, dass die Ziele eines offenen,
wettbewerbsfähigen Binnenmarktseinerseits und die Entwicklung
allgemein zugänglicher, hochwertigerDienstleistungen von
allgemeinem Interesse zu erschwinglichen Preise
miteinandervereinbar sind. Tatsächlich hat die Schaffung des
Binnenmarkts wesentlich zurVerbesserung der Effizienz beigetragen
und für eine Reihe von Dienstleistungen vonallgemeinem Interesse
die Preise erschwinglicher gemacht. Außerdem hat derBinnenmarkt zu
einer Vergrößerung des Angebots an Dienstleistungen geführt,
wiesich speziell in den Bereichen Telekommunikation und Verkehr
feststellen lässt1.
Dennoch könnte in bestimmten Fällen die Verwirklichung eines
Zieles öffentlichernationaler Politik einer Abstimmung auf
bestimmte Ziele der Gemeinschaftbedürfen. Auf Ebene des Vertrags
werden die entsprechenden Fälle in Artikel 86Absatz 2 angesprochen,
wonach Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichenInteresse
insoweit nicht unter die Bestimmungen des Vertrags fallen, als
dieserforderlich ist, damit diese Dienstleistungen den mit ihnen
verbundenenGemeinwohlverpflichtungen Genüge leisten können. Dies
bedeutet, dass dem EG-Vertrag zufolge vorbehaltlich der Bedingungen
des Artikels 86 Absatz 2 dietatsächliche Erfüllung einer
Gemeinwohlaufgabe im Spannungsfall Vorrang vor derAnwendung der
Regeln des Vertrags hat2. Abgesichert sind also die Aufgaben
undnicht unbedingt die Art und Weise, wie sie erfüllt werden.
Demzufolge ermöglichtder EG-Vertrag die Erfüllung öffentlicher
Aufgaben mit den Wettbewerbszielen derEuropäischen Union insgesamt
zu vereinbaren, speziell aber mit der Notwendigkeitder
Gewährleistung gleicher Wettbewerbsbedingungen für alle Erbringer
vonDienstleistungen und der bestmöglichen Nutzung öffentlicher
Gelder.
1 Eine ausführliche Bewertung wird das in Kürze erscheinende
Arbeitsdokument der
Kommissionsdienststellen „Entwicklung der Leistungsfähigkeit
netzgebundener Wirtschaftszweige fürDienstleistungen von
allgemeinem Interesse – Bericht 2004“ enthalten
2 Ausführlich erläutert wird die Anwendung von Artikel 86 Absatz
2 in der Mitteilung der Kommissionüber Leistungen der
Daseinsvorsorge in Europa, ABl. C 17 vom 19.1.2001, S. 4.
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Drucksache 466/04 83.3. Kohäsion und universellen Zugang
sicherstellen
Dass jeder Bürger und jedes Unternehmen im gesamten
Hoheitsgebiet derMitgliedstaaten zu erschwinglichen Preisen Zugang
zu hochwertigenDienstleistungen von allgemeinem Interesse hat, gilt
als wesentliche Voraussetzungfür eine Förderung des sozialen und
territorialen Zusammenhalts in der EuropäischenUnion; dazu gehört
auch der Abbau der Benachteiligungen, die auf den Mangel
anZugangsmöglichkeiten der Regionen in äußerster Randlage
zurückzuführen sind. DieKommission hat sich zur Förderung und
Verbesserung des effektiven universellenZugangs zu Dienstleistungen
von allgemeinem Interesse bei allen von ihr verfolgtenPolitiken
verpflichtet.
In diesem Zusammenhang gelten Universaldienste als
Schlüsselkonzept, das dieGemeinschaft im Hinblick auf die
Sicherstellung eines effektiven Zugangs zuGrunddienstleistungen
entwickelt hat1. Dieses Konzept legt fest, dass jedermannAnspruch
auf Zugang zu bestimmten Diensten hat, die als essenzielle
Leistungengelten, und verpflichtet Dienstleister, bestimmte
Dienstleistungen unterBerücksichtigung spezifischen Bedingungen
anzubieten; dazu gehören auch dieKriterien der flächendeckenden
Versorgung und der Erschwinglichkeit. Das Konzeptder
Universaldienste ist ein dynamisches und flexibles Konzept, das
sich alswirksamer Schutzmechanismus für diejenigen bewährt hat, die
sich anderenfallsessenzielle Versorgungsleistungen nicht leisten
könnten. Das Konzept lässt sichperiodisch überprüfen, um es je nach
den Erfordernissen des Gemeinwohls dem sichweiterentwickelnden
politischen, sozialen, ökonomischen und technologischenUmfeld
anzupassen. Es schafft die Voraussetzungen dafür, dass
aufGemeinschaftsebene gemeinsame Grundsätze definiert werden, deren
praktischeUmsetzung Sache der Mitgliedstaaten ist, so dass den
spezifischen Gegebenheitenjedes einzelnen Landes im Einklang mit
dem Subsidiaritätsprinzip Rechnunggetragen werden kann.
Im Rahmen ihrer Strukturpolitiken trägt die Gemeinschaft mit
dazu bei, zuverhindern, dass besonders anfälligen
Gesellschaftsgruppen oder speziellenProblemregionen der Zugang zu
essenziellen Versorgungsleistungen verwehrtbleibt2. Kofinanziert
werden können unter bestimmten Bedingungen Investitionen
inNetzinfrastrukturen mithilfe der Strukturfonds3. Damit
dieseGemeinwohlverpflichtungen, insbesondere die Verpflichtung zur
Bereitstellung einesUniversaldienstes in der gesamten Europäischen
Union wahrgenommen werdenkönnen, stellt die Gemeinschaft
finanzielle Mittel bereit. Darüber hinaus konntedurch die Politik
der Kommission auf dem Gebiet der transeuropäischen Netze derZugang
zu den Verkehrs-, Energie, Versorgungs- und Kommunikationsnetzen in
denentfernteren geografischen Gebieten verbessert werden bzw.
können die neuenMitgliedstaaten die Infrastrukturen an die der
bisherigen 15 Mitgliedstaatenangebunden werden, womit ein hohes
Qualitäts-, Versorgungssicherheits- undSchutzniveau sichergestellt
wird. Mit ihrer Europäischen Wachstumsinitiative hat dieKommission
ein ehrgeiziges Programm zur Verwirklichung prioritärer
1 Siehe Abschnitte 50 bis 54, Grünbuch zu Dienstleistungen von
allgemeinem Interesse, KOM(2003) 270
endg. vom 21.5.20032 Mitteilung der Kommission – Dritter Bericht
über den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt,
KOM(2004) 107 endg. vom 18.2.20043 Siehe z.B. das
Arbeitsdokument der Kommissionsdienstsstellen „Leitlinien für die
Kriterien und
Modalitäten des Einsatzes der Strukturfonds zur Förderung der
elektronischen Kommunikation“,SEK(2003) 895
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9 Drucksache 466/04grenzübergreifender Projekte in den Bereichen
Verkehr, Energie undBreitbandkommunikationsnetze aufgelegt1
3.4. Ein hohes Qualitäts-, Versorgungssicherheits- und
Schutzniveau aufrechterhalten
Die öffentliche Konsultation hat deutlich gemacht, wie
grundwichtig es ist, ein hohesQualitäts-, Versorgungssicherheits-
und Schutzniveau zu gewährleisten. DieKommission erkennt an, dass
jedem Bürger und Nutzer von Dienstleistungen vonallgemeinem
Interesse angeboten werden müssen, die von höchster Güte
sind.Gewährleistet werden muss darüber hinaus die körperliche
Unversehrtheit derVerbraucher und Nutzer sowie sämtlicher an der
Produktion und Erbringung dieserLeistungen Beteiligter wie auch der
Öffentlichkeit schlechthin; dazu gehört auch derSchutz vor Gefahren
wie Terroranschläge und Umweltkatastrophen. Daneben stelltdie
Sicherheit der Dienstleistungserbringung, insbesondere
dieVersorgungssicherheit, ein essenzielles Erfordernis dar, das bei
der Festlegung derGemeinwohlaufgaben seinen Niederschlag finden
muss. Die Bedingungen, unterdenen Dienstleistungen erbracht werden,
müssen zudem denDienstleistungsanbietern ausreichende Anreize zur
Beibehaltung langfristigerInvestitionen in adäquater Höhe bieten.
Qualität und Versorgungssicherheit haben inwirtschaftlicher
Hinsicht ihren Preis für die Gesellschaft; die entsprechenden
Kostensollten in ausgewogenem Verhältnis zum erwarteten Nutzen
stehen und hinreichendtransparent sein.
Rechnung zu tragen ist, im Einklang mit der Politik der Union
für nachhaltigeEntwicklung, auch der Rolle, die Dienstleistungen
von allgemeinem Interesse imZusammenhang mit Umweltschutz spielen,
und den Besonderheiten jenerDienstleistungen von allgemeinem
Interesse, die in direktem Bezug zum BereichUmwelt stehen – so z.B.
etwa die Wasser- und die Abfallwirtschaft.
Die Kommission trägt diesen Anforderungen auf der ganzen Linie
Rechnung undwird dafür Sorge tragen, dass die Politik der
Gemeinschaft dazu beiträgt, dieAufrechterhaltung von Qualitäts-,
Versorgungssicherheits- und Schutzstandards zugewährleisten und auf
die Einhaltung dieser Standards hin zu wirken. Diediesbezüglichen
Fortschritte wird die Kommission insbesondere mit ihrenregelmäßigen
Evaluierungen und sektorenbezogenen Berichten laufend prüfen.
3.5. Die Rechte der Verbraucher und Nutzer sichern
Die Konsultation zum Grünbuch hat gezeigt, dass weitgehend
Einigkeit darinbesteht, dass die Bereitstellung von
Dienstleistungen von allgemeinem Interesse sozu organisieren ist,
dass ein hohes Niveau der Verbraucher- und
Nutzerrechtegewährleistet ist. Die Kommission ist gewillt, ihre
politischen Maßnahmen auf die inihrem Grünbuch und ihrer im
September 2000 aufgelegten Mitteilung überLeistungen der
Daseinsvorsorge in Europa2 ausgemachten Grundsätze zu stützen.
Dazu gehören insbesondere: der Zugang zu Dienstleistungen,
einschließlichgrenzübergreifenden Dienstleistungen, auf dem
gesamten Gebiet der Union, undzwar für alle Bevölkerungsschichten,
die Erschwinglichkeit der Kosten für
1 Mitteilung der Kommission – Eine Europäische
Wachstumsinitiative: Investitionen in Netze und
Wissen für Wachstum und Beschäftigung – Abschlussbericht an den
Europäischen Rat,KOM(2003) 690 endg. vom 11.11.2003
2 KOM(2000) 580 vom 20.9.2000, ABl. C 17 vom 19.1.2001. Siehe
insbesondere Ziff. 8 bis 13
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Drucksache 466/04 10Dienstleistungen, einschließlich
Sonderregelungen für Einkommensschwache, diephysische Sicherheit,
die Versorgungssicherheit und Zuverlässigkeit, Kontinuität,hohe
Qualität, Angebotsvielfalt, Transparenz und Zugang zur Information
derDienstleistungserbringer und Regulierungsbehörden.
Die praktische Verwirklichung dieser Grundsätze setzt gemeinhin
unabhängigeRegulierungsbehörden mit genau festgelegten Befugnissen
und Verpflichtungenvoraus. Dazu gehören auch Sanktionsbefugnisse
(Mittel zur Kontrolle derUmsetzung und Durchsetzung des
Universaldienstkonzepts) und solltenMöglichkeiten gehören mit Bezug
auf Vertretung und aktive Teilnahme vonVerbrauchern und Nutzern bei
der Festlegung der Vorgaben für Dienstleistungen undihre Bewertung,
die Verfügbarkeit adäquater Rechtsschutz-
undEntschädigungsmechanismen und das Bestehen einer
Evolutivklausel, d. h. einerrechtlichen Bestimmung, die nach
Maßgabe der sich ändernden Bedürfnisse undAnliegen der Nutzer und
Verbraucher in einem sich wandelnden wirtschaftlichenund
technologischen Umfeld Anpassungen der Erfordernisse ermöglicht.
DieRegulierungsinstanzen sollten auch die Marktentwicklungen
beobachten und fürEvaluierungen Datenmaterial bereitstellen.
3.6. Monitoring und Leistungsevaluierung
In ihrer Auffassung gestärkt durch die öffentliche Konsultation
ist die Kommissionnach wie vor der Überzeugung, dass eine
systematische Evaluierung und laufendeÜberwachung unerlässlich sind
für die Beibehaltung und Weiterentwicklungallgemein zugänglicher,
hochwertiger, effizienter Dienstleistungen von allgemeinemInteresse
zu erschwinglichen Preisen in der Europäischen Union. Die
Kommissionerkennt die besondere Verantwortung der
Gemeinschaftsorgane bei der mit Hilfe derauf nationaler Ebene
bereitgestellten Daten durchgeführten Evaluierung
derDienstleistungen an, die einem von der Gemeinschaft erstellten
sektorspezifischenRegelungsrahmen unterliegen. Allerdings wäre eine
Evaluierung aufGemeinschaftsebene auch für andere Bereiche denkbar,
wenn nachgewiesen werdenkann, dass sie in besonderen Fällen für die
Gemeinschaft von zusätzlichem Nutzenwäre.
Im Einklang mit der in der öffentlichen Konsultation zum
Ausdruck gebrachtenvorherrschenden Meinung vertritt die Kommission
die Auffassung, dass jedeEvaluierung mehrdimensional ausgerichtet
sein müsste und sämtliche in Fragekommenden rechtlichen,
ökonomischen, sozialen und umweltbezogenen Aspekteabdecken sollte.
In jedem Fall wird jedwede Evaluierung den spezifischenMerkmalen
des Sektors, der der Evaluierung unterzogen wird, wie auch
denunterschiedlichen Gegebenheiten der einzelnen Mitgliedstaaten
und ihrer Regionengebührend Rechnung tragen müssen. Basieren müsste
die Evaluierung auf periodischvon den Mitgliedstaaten und/oder den
nationalen Regulierunkstellen bereitgestelltenvergleichbaren
Daten.
3.7. Die Verschiedenheit von Dienstleistungen und Situationen
berücksichtigen
Deutlich herausgestellt hat die Konsultation auch die
Unterschiede zwischenverschiedenen Dienstleistungen von allgemeinem
Interesse und die unterschiedlichenBedürfnisse und Präferenzen der
Nutzer und Verbraucher je nach denwirtschaftlichen, sozialen,
geografischen und kulturellen Gegebenheiten. Betontwurde auch, dass
der personenbezogene Charakter dieser Leistungen in denBereichen
Soziales und Gesundheit zur Folge hat, dass sich hier die
Erfordernisse
-
11 Drucksache 466/04merklich von denen unterscheiden, wie sie
auf die netzgebundenenWirtschaftsbranchen zutreffen. Im Bereich
Rundfunk ist der Bedeutung desöffentlichen Hör- und Fernsehfunks
mit Blick auf die Bedürfnisse, die jede einzelneGesellschaft
hinsichtlich Demokratie und auf sozialem und kulturellem Gebiet
hat,Rechnung zu tragen1. Die Kommission schließt sich diesen
Auffassungen an.
Jede Gemeinschaftspolitik im Bereich der Dienstleistungen von
allgemeinemInteresse muss der Vielgestaltigkeit, die kennzeichnend
ist für die unterschiedlichenDienstleistungen von allgemeinem
Interesse, und den divergierenden Gegebenheiten,unter denen sie
erbracht werden, gebührend Rechnung tragen. Dies bedeutetallerdings
nicht, dass der gemeinschaftliche Ansatz unbedingt
sektorenübergreifendmit der gleichen Systematik angewandt werden
müsste oder dass die Ausgestaltunggemeinsamer Konzepte, die sich in
mehreren Sektoren anwenden lassen, nichtgenauso zweckdienlich sein
könnte.
Bemerkt sei in diesem Zusammenhang, dass der Vorschlag der
Kommission für eineRichtlinie über Dienstleistungen im Binnenmarkt2
sich nur auf solcheDienstleistungen bezieht, die eine
wirtschaftliche Tätigkeit darstellen.Ausgeklammert sind
nichtwirtschaftliche Dienstleistungen von allgemeinemInteresse bzw.
erfasst sind nur Dienstleistungen von allgemeinem
wirtschaftlichenInteresse. Aus dem sachlichen Geltungsbereich
ausgenommen sind ferner bestimmteTätigkeiten, die u.U. von den
Mitgliedstaaten als Dienstleistungen von
allgemeinemwirtschaftlichen Interesse betrachtet werden, so z. B.
der Bereich Verkehr, oder fürdie Ausnahmen zum
Ursprungsland-Prinzip gelten, z. B. Postdienste
sowieElektrizitäts-, Gas- und Wasserversorgung. Was aber noch
wichtiger ist: Dievorgeschlagene Richtlinie verlangt weder von den
Mitgliedstaaten eineLiberalisierung der Dienstleistungen von
allgemeinem wirtschaftlichen Interessenoch greift sie in die
Modalitäten der Finanzierung und Organisation ein.
3.8. Mehr Transparenz schaffen
Bei der Ausgestaltung und Durchführung staatlicher Politik im
Zusammenhang mitDienstleistungen von allgemeinem Interesse kommt
dem Transparenzprinzip eineSchlüsselrolle zu. Mit diesem Prinzip
wird sichergestellt, dass die Einrichtungen deröffentlichen Hand
ihre Verantwortungen wahrnehmen können und dassEntscheidungen nach
demokratischen Grundsätzen getroffen und eingehaltenwerden. Das
Transparenzprinzip sollte für sämtliche Aspekte der Erbringung
vonDienstleistungen gelten und sowohl für die Festlegung von
Gemeinwohlaufgaben alsfür auch die organisatorische Abwicklung, die
Finanzierung, die Regulierung derentsprechenden Dienstleistungen,
deren Erbringung und ihre Evaluierung sowie fürSysteme zur
Behandlung von Beschwerden als Richtschnur dienen.
Die Anwendung des Gemeinschaftsrechts hat bereits zu einem Mehr
an Transparenzbei der Erbringung von Dienstleistungen von
allgemeinem Interesse in der Unionbeigetragen. Der Kommission
obliegt es, auf weitere Verbesserung der Transparenzbei der
Erbringung von Dienstleistungen im Rahmen jeder von ihr verfolgter
Politikim Zusammenhang mit Dienstleistungen von allgemeinem
Interesse hin zu arbeiten.Die Mitgliedstatten sollten ihrerseits
volle Transparenz bei der Anwendung des
1 Siehe auch Protokoll über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk
in den Mitgliedstaaten, durch den
Vertrag von Amsterdam in den Vertrag über die Europäische Union
aufgenommen2 KOM(2004) 2 vom 13.1.2004
-
Drucksache 466/04 12Gemeinschaftsrechts und bei anderen
einschlägigen nationalen Bestimmungengewährleisten.
3.9. Rechtssicherheit gewährleisten
In der Konsultation zum Grünbuch wurde moniert, dass in
bestimmten Bereichen dieAnwendung der Gemeinschaftsregelungen für
Dienstleistungen von allgemeinemInteresse nicht hinreichend
präzisiert sei. Speziell genannt wurden wiederholt dieAnwendung der
Regelungen für staatliche Beihilfen bei der Finanzierung
vonDienstleistungen von allgemeinem Interesse und die Regeln für
dasBeschaffungswesen und Dienstleistungskonzessionen. Erwähnt wurde
auch dieSituation bei Sozial- und Gesundheitsdienstdiensten.
Die Kommission ist sich dessen bewusst, dass die Anwendung
desGemeinschaftsrechts bei Dienstleistungen von allgemeinem
Interesse mitunterAnlass zu komplexen Fragestellungen gibt. Deshalb
wird sie beharrlich daraufhinarbeiten, die Rechtssicherheit bei der
Anwendung des Gemeinschaftsrechts indem Bereich der Bereitstellung
von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse zuverbessern, und
zwar ohne dass die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofsund
des Gerichts erster Instanz davon berührt würde. Wie im Folgenden
näherausgeführt wird, hat die Kommission bereits die bisherigen
Regeln des öffentlichenBeschaffungswesens modernisiert und
Initiativen auf dem Gebiet der staatlichenBeihilfen wie auch im
Zusammenhang mit Partnerschaften zwischen öffentlichemund privatem
Sektor in Gang gesetzt.1
4. NEUE AUSRICHTUNGEN FÜR EINE KOHÄRENTE POLITIK
4.1. Die Vielfalt in einem kohärenten Rahmen berücksichtigen
Eine der zentralen Fragen, die das Grünbuch ausgeworfen hat, war
die nach derNotwendigkeit einer Rahmenrichtlinie für
Dienstleistungen von allgemeinemInteresse. Hierzu gingen in der
öffentlichen Konsultation die Meinung auseinander.Verschiedene
Mitgliedstaaten und das Europäischen Parlament waren in
dieserAngelegenheit skeptisch. Von daher blieb die Frage im Raum
stehen, ob in dieserPhase eine Rahmenrichtlinie das optimale Mittel
wäre, um in der Sachevoranzukommen. Außerdem konnte in der
öffentlichen Konsultation nichtnachgewiesen werden, welcher
zusätzliche Nutzen mit einem horizontalen Rahmenim Vergleich zum
bisher verfolgten sektorspezifischen Ansatz erzielt werden
könnte.
Deshalb hält es die Kommission für sinnvoll, davon abzusehen,
zum jetzigenZeitpunkt einen Vorschlag vorzulegen; stattdessen
möchte sie die Thematik zu einemspäteren Zeitpunkt nochmals
aufrollen, sobald der Verfassungsvertrag angenommenist. Im Rahmen
dieser nochmaligen Überprüfung wird die Kommission
jedenLegislativvorschlag einer vorherigen ausführlichen
Folgenabschätzung2 zwecksBewertung der damit verbundenen
wirtschaftlichen, sozialen und umweltbezogenenFolgewirkungen
unterziehen.
Was den Zeitplan für eine solche nochmalige Prüfung betrifft, so
kann auch derTatsache Rechnung getragen werden, dass mit
Inkrafttreten des Verfassungsvertrags
1 Siehe nachfolgenden Abschnitt 4.22 Mitteilung der Kommission
über Folgenabschätzung, KOM(2002) endg. vom 5.6.2002
-
13 Drucksache 466/04und des im Verfassungsvertragsentwurf
vorgesehenen Artikels III-6 eine weitere inFrage kommende
Rechtsgrundlage geschaffen würde, die komplementär zu denbisherigen
stehen würde. Die Kommission hält es für sinnvoll, diese
Angelegenheitnochmals aufzugreifen, sobald der Verfassungsvertrag
in Kraft ist.
Einstweilen wir die Kommission generell den von ihr verfolgten
sektoralen Ansatzdahingehend weiter verfolgen und ausbauen, dass
sie dort, wo dies nötig undangezeigt erscheint, sektorspezifische
Regeln in Vorschlag bringt, mit denenbesondere Bedürfnisse und
Umstände in jedem einzelnen Sektor berücksichtigtwerden können. Für
bestimmte spezifische Fragestellungen, wie etwa die derInteressen
der Verbraucher, des Monitoring und der Evaluierung
vonDienstleistungen von allgemeinem Interesse, die Anwendung der
Regeln fürstaatliche Beihilfen bei Ausgleichszahlungen oder die
Inanspruchnahme derStrukturfonds zur Förderung von Dienstleistungen
von allgemeinem Interesse wirdallerdings ungeachtet der bestehenden
sektorspezifischen Gemeinschaftsregeln einhorizontaler Ansatz in
Erwägung gezogen werden.
Während in der Frage des Bedarfs für ein Rahmeninstrument die
Meinungen starkauseinander gingen, fand die Notwendigkeit der
Gewährleistung konsistenter undkohärenter Gemeinschaftsmaßnahmen
für den Bereich der Dienstleistungen vonallgemeinem Interesse in
der öffentlichen Konsultation breite Zustimmung. Dabeiwurde
allerdings auch hervorgehoben, dass es von essenzieller Bedeutung
für dieGemeinschaftspolitik sei, die jeweiligen Besonderheiten
verschiedenenDienstleistungen und die unterschiedlichen
Gegebenheiten der Mitgliedstaatenanzuerkennen und gebührend zu
berücksichtigen.
Die Kommission wird ihre Bemühungen intensivieren, um im Bereich
derDienstleistungen von allgemeinem Interesse eine umfassende
Einheitlichkeitsicherzustellen und auf größtmögliche Kohärenz bei
ihren sektoralen politischenMaßnahmen achten, so weit es dabei um
den von ihr verfolgten generellen Ansatzbei den künftig anstehenden
Überprüfungen der betreffenden Sektoren geht.1
Außerdem wird die Kommission im Jahr 2005 die Sachlage bei
Dienstleistungen vonallgemeinem Interesse in der Europäischen Union
und den Bedarf an horizontalenMaßnahmen überprüfen. Die daraus
gewonnenen Erkenntnisse sollen dann vorEnde 2005 in Form eines
Berichts dem Europäischen Parlament, dem Rat, demEuropäischen
Wirtschafts- und Sozialausschuss und dem Ausschuss der
Regionenvorgelegt werden.
Die Kommission
• wird sich bei Inkrafttreten des Verfassungsvertrags mit der
Frage der Machbarkeitund der Notwendigkeit eines Rahmengesetztes
für Dienstleistungen vonallgemeinem Interesse befassen;
• wird eine Überprüfung der Sachlage bei Dienstleistungen von
allgemeinemInteresse in Angriff nehmen und vor Ende des Jahres 2005
einen entsprechendenBericht vorlegen.
Die Mitgliedstaaten
• sollten auf nationaler Ebene mit der Modernisierung der
Dienste von allgemeinemInteresse fortfahren, damit sichergestellt
wird, dass jeder Bürger Zugang zu
1 Siehe Anhang 2
-
Drucksache 466/04 14hochwertigen Dienstleistungen hat, die
seinen Bedürfnissen und Erfordernissenentsprechen.
4.2. Die rechtlichen Rahmenbedingungen bei Ausgleichszahlungen
fürGemeinwohlverpflichtungen präzisieren und vereinfachen
Insbesondere gibt es zwei Bereiche – nämlich zum einen den der
Finanzierung undzu anderen den der Vergabe von Aufträgen – , in
denen die Ermessensbefugnis derMitgliedstaaten,
Gemeinwohlverpflichtungen festzulegen und deren Wahrnehmungzu
bestimmen, in das Gemeinschaftsrecht hineinzugreifen vermag. Der
vorliegendeAbschnitt befasst sich mit dem Bereich Finanzierung.
Behandelt wird das Thema desöffentlichen Beschaffungswesens daran
anschließend unter Ziffer 4.3.
Der Grundsatz der Entscheidungsautonomie der Mitgliedstaaten bei
zu fassendenBeschlüssen in Sachen Dienstleistungen von allgemeinem
wirtschaftlichem Interessegilt in gleicher Weise für die
Finanzierung dieser Dienstleistungen. De factoverfügen die
Mitgliedstaaten über einen großen Ermessensspielraum bei
derEntscheidungsfindung darüber, ob und wie die Erbringung von
Dienstleistungen vonallgemeinem wirtschaftlichem Interesse
finanziert werden soll. Die Mitgliedstaatengreifen dabei auf
unterschiedliche Finanzierungsmechanismen zurück wie
finanzielleDirekthilfen aus dem Staatshaushalt, besondere oder
ausschließliche Rechte,Beiträge von Marktteilnehmern,
Gebührenvereinheitlichung und Finanzierung nachdem Solidarprinzip.
Grundregel ist, dass die Mitgliedstaaten selbst entscheidenkönnen,
welchen Finanzierungsmechanismus sie einsetzen möchten. In
Ermangelungeiner Harmonisierung auf Gemeinschaftsebene werden
dieser Wahlfreiheithauptsächlich durch das Erfordernis Grenzen
gesetzt, dass der gewählteFinanzierungsmechanismus den Wettbewerb
im Binnenmarkt nicht verzerren darf.Der Kommission als Hüterin der
Verträge obliegt es, dafür Sorge zu tragen, dassdiese Regel im
Sinne der Steuerzahler und der Wirtschaft schlechthin
eingehaltenwird.
Dennoch erweist sich die praktische Anwendung dieser Regel
mitunter alskompliziertes Unterfangen. So ist beispielsweise nicht
in allen Fällen klar, unterwelchen Bedingungen Ausgleichszahlungen
für auferlegte gemeinwirtschaftlichePflichten den Tatbestand der
staatlichen Beihilfe erfüllen. Entsprechend ist mitunterdort, wo
festgestellt wurde, dass es sich effektiv um staatliche Beihilfe
handelt, einegewisse Unsicherheit hinsichtlich der Bedingungen
entstanden, unter denenstaatliche Beihilfe als mit dem Gemeinsamen
Markt vereinbar betrachtet werdenkönnte. Im Übrigen bedeutet die im
EG-Vertrag verankerte Verpflichtung, dieKommission über eine
geplante Gewährung von Beihilfen oder Änderung bereitsgeleisteter
Beihilfe in aller Form zu unterrichten, eine Bürde administrativer
Natur,die bei relativ bescheidenen Beihilfen unverhältnismäßig
erscheint.
Die öffentliche Konsultation hat bestätigt, dass Bedarf für mehr
Rechtssicherheit undVorausschaubarkeit in Sachen Anwendung der
Erfüllungen für staatliche Beihilfenbei finanziellem Ausgleich für
öffentliche Dienstleistungen besteht. Besondersnachhaltig geltend
gemacht wurde diese Forderung von den Akteuren auf lokalerEbene im
Zusammenhang mit auf dieser Ebene erbrachten Dienstleistungen.
DerGerichtshof hat zwar unlängst bestimmte Vorbedingungen
festgelegt, unter denenAusgleichszahlungen für auferlegte
gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen eine
-
15 Drucksache 466/04staatliche Beihilfe darstellen1;
nichtsdestotrotz ist weiterhin mehr Rechtssicherheitvonnöten, so
dass es Aufgabe der Kommission ist, hier für
weitestgehendeRechtssicherheit Sorge zu tragen. Deshalb schlägt die
Kommission verschiedeneInitiativen vor:
Die erste vorgeschlagene Maßnahme ist eine Entscheidung der
Kommission,derzufolge relativ geringe öffentliche Finanzhilfen für
Unternehmen, denen dieErbringung von Dienstleistungen von
allgemeinem wirtschaftlichem Interesseobliegt, als mit dem
Binnenmarkt vereinbar gelten sollen, wenn bestimmteBedingungen
erfüllt sind. Demgemäß sollte in solchen Fällen die
Gewährungöffentlicher finanzieller Mittel nicht der Verpflichtung
der Vorabnotifizierungunterliegen, solange sie in angemessenem
Verhältnis zu den tatsächlichen Kostenstehen und einen bestimmten
Schwellenbetrag nicht überschreitet. Analog dazuschlägt die
Kommission eine Regelung für die öffentliche Finanzierung
vonDienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse vor,
die vonKrankenhäusern und im Sozialwohnungswesen erbracht werden,
und zwarunabhängig von der Höhe der Kosten.
Damit möchte die Kommission vor allem Ausgleichszahlungen, die
örtlichenErbringern von Dienstleistungen von allgemeinem
wirtschaftlichen Interesse gewährtwerden, von der Verpflichtung der
Vorabnotifizierung freistellen. Wenn erst einmaldie oberen
Schwellenwerte im Lichte der Ergebnisse des
jetzigenKonsultationsprozesses festliegen, dürfte in der Frage
relativ bescheideneröffentlicher Finanzierung deutlich mehr
Rechtssicherheit herrschen.
Außerdem möchte die Kommission zu einem Mehr an Sicherheit
beiAusgleichszahlungen für auferlegte gemeinwirtschaftliche
Pflichten hinwirken,soweit solche Ausgleichszahlungen die vorhin
erwähnten Stellenwerte übersteigen,so dass sie der Kommission
gegenüber notifizierungspflichtig sind – und zwar imWege eines
gemeinschaftliches Rechtsrahmens mit Bemessungskriterien für
dieBewertung des gewährten finanziellen Ausgleichs für
auferlegtegemeinwirtschaftliche Pflichten.
Weiter beabsichtigt die Kommission, die Richtlinie 80/723/EWG
über Transparenzder finanziellen Beziehungen zwischen den
Mitgliedstaaten und den öffentlichenUnternehmen abzuändern. Die
geplante Änderung soll besagen, dass die Richtliniefür
Ausgleichszahlungen bei auferlegten Gemeinwohlverpflichtungen
ungeachtetihrer Rechtsnatur gemäß Artikel 87 des EG-Vertrags gilt.
Weder die Entscheidungder Kommission noch der gemeinschaftliche
Rechtsrahmen soll für den SektorVerkehr gelten2.
Darüber hinaus plant die Kommission, die Bedingungen zu
präzisieren, unter denenfinanzieller Ausgleich für auferlegte
gemeinwirtschaftliche Pflichten eine staatlicheBeihilfe im Sinne
der kürzlich ergangenen Entscheidung des EuropäischenGerichtshofs
darstellen kann. Wie in einer Vielzahl der Stellungnahmen
gefordert,die in der öffentlichen Konsultation zum Grünbuch
eingegangen sind, wird dazu
1 Urteil vom 24. Juli 2003 im Vorabentscheidungsverfahren
C-280/00 (Altmark Trans GmbH) und Urteil
vom 24. November 2003 in den verbundenen Rechtssachen C-34/01
bis C-38/01 (Enirisorse SpA.)2 Anwendung finden könnte der
Beschluss allerdings für bestimmte Schiffsverkehrsverbindungen
zur
Bedienung von Inseln, soweit das jährliche Verkehrsaufkommen bei
diesen Verbindungen einenbestimmten Schwellenwert nicht
übersteigt
-
Drucksache 466/04 16auch eine weitere Klarstellung zur
Unterscheidung zwischen wirtschaftlichen undnichtwirtschaftlichen
Tätigkeiten gehören1.
Insgesamt dürften die auf der Grundlage umfassender
Konsultationen der betroffenenInteressenten erarbeiteten Maßnahmen
zu größtmöglicher Rechtssicherheit undVorhersehbarkeit sowohl auf
Seiten der Dienstleistungserbringer als auch derbetroffenen
Behörden führen. Im Übrigen wird die Kommission weiterhin bei
derBeurteilung von Ausgleichszahlungen für auferlegte
gemeinwirtschaftliche Pflichtenpragmatisch vorgehen, damit
gewährleistet wird, dass weiterhin allgemeinzugängliche,
bürgernahe, hochwertige Dienstleistungen von allgemeinem
Interessezu erschwinglichen Preisen unter Beachtung gemeinsamer
Grundregeln erbrachtwerden.
Die Kommission
• wird bis Juli 2005 eine Entscheidung annehmen über die
Anwendung von Artikel86 des EG-Vertrags auf staatliche Beihilfe in
Form von Ausgleichszahlungen fürauferlegte
Gemeinwohlverpflichtungen, soweit solche
Ausgleichszahlungenbestimmten Unternehmen gewährt werden, die
Dienstleistungen von allgemeinemwirtschaftlichen Interesse
erbringen;
• wird bis Juli 2005 einen gemeinschaftlichen Rechtsrahmen für
staatliche Beihilfenin Form von Ausgleichszahlungen für auferlegte
Gemeinwohlverpflichtungenfestlegen;
• wird bis Juli 2005 eine Änderung zur Richtlinie 80/723/EWG
über Transparenz derfinanziellen Beziehungen zwischen den
Mitgliedstaaten und den öffentlichenUnternehmen annehmen;
• wird bis Juli 2005 genauer klären, unter welchen
BedingungenAusgleichszahlungen für auferlegte
Gemeinwohlverpflichtungen staatlicheBeihilfen im Sinne von Artikel
87 Absatz 1 des EG-Vertrags darstellen können.
Die Mitgliedstaaten
• sollten die Kommission bei der Anwendung des neuen
Rechtsrahmensunterstützen – speziell durch präzise Definierung der
Gemeinwohlverpflichtungenund Anwendung transparenter Regeln für
Ausgleichszahlungen.
4.3. Einen präzisen, transparenten Rahmen für die Auswahl von
Unternehmenvorgeben, denen die Erbringung von Dienstleistungen von
allgemeinemInteresse auferlegt wird
In der Regel verfügen die Mitgliedstaaten für ihre
Entscheidungen über die Art undWeise der organisatorischen
Abwicklung von Dienstleistungen von allgemeinemInteresse über einen
großen Handlungsspielraum. In Ermangelung einerHarmonisierung auf
Gemeinschaftsebene steht es den betroffenen öffentlichenStellen der
Mitgliedstaaten in der Regel frei, darüber zu befinden, ob
eineDienstleistung von allgemeinem Interesse von ihnen selber oder
von einem Dritten,d.h. einem anderen (öffentlichen oder privaten)
Akteur, erbracht werden soll2. Da es
1 Näheres hierzu in: Mitteilung der Kommission über Leistungen
der Daseinsvorsorge in Europa, ABl. C
17 vom 19.1.2002, S.4 (Ziff. 28 bis 30), und: Grünbuch zu
Dienstleistungen von allgemeinem Interesse,KOM(2003) 270 endg. vom
21.5.2003, Ziff. 43 bis 45
2 Für den örtlichen Binnenverkehr hat die Kommission
Rechtsvorschriften vorgeschlagen, die dieVergabe von Konzessionen
für öffentliche Dienstleistungen seitens der Mitgliedstaaten
erfordernwürden. Vgl. Geänderter Vorschlag für eine Verordnung des
Europäischen Parlaments und des Ratesüber Maßnahmen der
Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit Anforderungen des öffentlichen
Dienstes
-
17 Drucksache 466/04sich jedoch bei den Erbringern von
Dienstleistungen von allgemeinemwirtschaftlichen Interesse,
einschließlich der Inhouse-Leistungserbringer, umUnternehmen
handelt, unterliegen diese den Wettbewerbsbestimmungen des
EG-Vertrags1. In der Praxis setzen die Mitgliedstaaten zunehmend
auf Partnerschaftzwischen öffentlichem Sektor und Privatwirtschaft,
u.a. in Form vonGeneralunternehmensverträgen als
Pauschalvereinbarungen über Entwicklung,Ausführung, Finanzierung
und Betrieb, von Konzessionsverträgen oder eigensgegründeten
gemischtwirtschaftlichen Unternehmen für die Erbringung
vonLeistungen im Rahmen von Infrastrukturvorhaben oder
Dienstleistungen vonallgemeinem Interesse.
In der öffentlichen Konsultation wurde mehrfach eine
Präzisierung verschiedenerAspekte im Zusammenhang mit den für
derartige Partnerschaftsregelungen
geltendenGemeinschaftsbestimmungen gefordert, und zwar speziell zum
Geltungsbereich undInhalt der Gemeinschaftsregeln, die ggf. von
öffentlichen Stellen bei derÜbertragung von
Gemeinwohlverpflichtungen an Dritte einzuhalten sind.
Zwecks Präzisierung der anwendbaren Bestimmungen hat sich die
Gemeinschaft umVereinfachung und klare Fassung der Richtlinien zum
öffentlichenBeschaffungswesen bemüht2. Die vom Europäischen
Parlament und vom Rat imvergangenen Monat März erlassenen neuen
Richtlinien sind von den Mitgliedstaatenbis spätestens Januar 2006
in nationales Recht umzusetzen. Sie sollen denVergabebehörden die
Einhaltung des Transparenzgebots gemäß EG-Vertragvereinfachen.
Außerdem hat die Kommission zwecks Feststellung, ob speziell
imZusammenhang mit dem Gebot der transparenten Vergabe
vonDienstleistungskonzessionen durch öffentliche Stellen
gemeinschaftsrechtlicheBestimmungen in Vorschlag gebracht werden
sollten, sowie zur Klärung sonstigerFormen der Zusammenarbeit
zwischen öffentlicher Hand und Privatsektor, erarbeitetunlängst ein
Grünbuch über öffentlich-private Partnerschaften in der
EuropäischenUnion angenommen3. Dieses Grünbuch bildet den Auftakt
einer auf breiter Ebeneangelegten Konsultation zu den Aspekten der
Auftragsvergabe bei Partnerschaftenzwischen öffentlichem und
privatem Sektor in Gang gesetzt werden.
Die Kommission
• wird eine öffentliche Konsultation zum Grünbuch über Fragen
des öffentlichenBeschaffungswesens bei öffentlich-privaten
Partnerschaften durchführen;
• vor Ende des Jahres 2004 auf der Grundlage der Ergebnisse aus
der öffentlichenKonsultation für Bereiche, in denen dies angezeigt
erscheint, Vorschlägeunterbreiten.
Die Mitgliedstaaten
und der Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge für den
Personenverkehr auf der Schiene, derStraße und auf
Binnenschifffahrtswegen, ABl. C 151 E vom 25.6.2002, S. 146
1 Näheres in: Grünbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem
Interesse, KOM(2003) 270 endg. vom21.5.2003, Ziff. 79 bis 83
2 Richtlinie 2000/18/EG vom 31. März 2004 über die Koordinierung
der Verfahren zur Vergabeöffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge
und Dienstleistungsaufträge und Richtlinie 2004/17/EG vom31. März
2004 zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im
Bereich Wasser-,Energie- und Verkehrsversorgung sowie der
Postdienste, ABl. L 134 vom 30.4.2004, S. 1 bzw. S. 114.
3 Grünbuch zu öffentlich-privaten Partnerschaften und den
gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften füröffentliche Aufträge und
Konzessionen, KOM(2004) 327 endg. vom 30.4.2004
-
Drucksache 466/04 18• sollten sicherstellen, dass die nationalen
Rahmenbedingungen für die Vergabe von
Aufträgen über die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen auf
transparenten undnichtdiskriminierenden Regeln beruhen.
4.4. Den Gemeinwohlauftrag bei Sozial- und
Gesundheitsdienstleistungenumfassend berücksichtigen
Das Grünbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse hat
bei den in Fragekommenden Kreisen reges Interesse für
Sozialdienstleistungen einschließlichGesundheitsdienstleistungen,
Langzeit-Gesundheitspflege, Aspekte der SozialenSicherheit,
Arbeitsvermittlung und Sozialwohnungswesen ausgelöst.
DaSozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse fester
Bestandteil desEuropäischen Gesellschaftsmodells sind, kommt ihnen
ein besonderer Stellenwertzu. Sozial- und
Gesundheitsdienstleistungen von allgemeinem Interesse, die auf
demSolidaritätsprinzip gründen und individuell auf den Einzelnen
zugeschnitten sind,ermöglichen es dem Bürger, seine Grundrechte
wahrzunehmen und in den Genusseines hohen Sozialschutzniveaus zu
gelangen. Sie verstärken den sozialen undterritorialen
Zusammenhalt. Die Erbringung solcher Leistungen,
ihreWeiterentwicklung und ihre Modernisierung stehen auf der ganzen
Linie imEinklang mit den Zielen, die auf dem Europäischen Rat von
Lissabon im März 2000beschlossen wurden, insbesondere mit dem Ziel
der Verwirklichung einerkonstruktiven Verzahnung von Wirtschafts-,
Sozial- und Beschäftigungspolitik. Dieöffentliche Konsultation hat
gezeigt, dass die Sozialdienstleistungserbringer daraufeingestellt
sind, einen Modernisierungsprozess in Angriff zu nehmen, um den
sichwandelnden Bedürfnisse des Bürgers in Europa besser gerecht
werden zu können.Allerdings haben die Erbringer von
Sozialdienstleistungen auch zum Ausdruckgebracht, dass mehr
Präzision und Vorhersehbarkeit vonnöten seien, damit sich
dieSozial- und Gesundheitsdienstleistungen reibungslos
weiterentwickeln können.
Obgleich für die Festlegung der Aufgaben und Ziele bei Sozial-
undGesundheitsdienstleistungen grundsätzlich die Mitgliedstaaten
zuständig sind, habendie Regeln der Gemeinschaft dennoch u.U.
Auswirkungen auf das Instrumentariumfür die Erbringung der
Leistungen und auf die Finanzierung. Eine deutlicheBerücksichtung
der Differenzierung von Aufgaben und Instrumentarium dürfte
dergenaueren Klarstellung im Hinblick auf eine Modernisierung im
Bereich dieserDienstleistungen in einem Kontext sich wandelnder
Bedürfnisse auf Seiten derBenutzer förderlich sein, wobei
allerdings der spezifische Charakter der Leistungen,gemessen an
besonderen Erfordernissen wie Solidarität, freiwilliger Erbringung
undEinbeziehung von Problemgruppen aus der Bevölkerung, gewahrt
bleiben muss. DiePräzisierung dieser Unterscheidung dürfte speziell
den Mitgliedstaaten, die für dieErbringung von Sozial- und
Gesundheitsdienstleistungen auf marktgestützte
Systemezurückgreifen, dabei helfen, die etwaigen Auswirkungen, die
das gemeinschaftlicheWettbewerbsrecht auf sie haben könnte, vorab
zu beurteilen. Selbstverständlich wirdes weiterhin für die
Mitgliedstaaten eine Frage politischer Optionen bleiben, obentweder
solcherlei Systeme genutzt oder aber die Dienstleistungen direkt
durchstaatliche Stellen, die aus Steuergeldern finanziert werden,
erbracht werden sollen.
Nach Auffassung der Kommission wäre es sinnvoll, einen
systematischen Ansatz zuentwickeln, um den Besonderheiten von
Sozial- und Gesundheitsdienstleistungenvon allgemeinem Interesse
Rechnung tragen zu können, und den Rahmen genau zuumreißen, in dem
diese Dienste funktionieren und modernisiert werden können.Dieser
Ansatz wird Gegenstand einer Mitteilung über Sozialdienstleistungen
von
-
19 Drucksache 466/04allgemeinem Interesse unter Einbeziehung der
Gesundheitsdienstleistungen sein, diedie 2005 angenommen werden
soll.
Diese Mitteilung wird eine Bestandsaufnahme der
gemeinschaftspolitischenMaßnahmen im Zusammenhang mit der
Erbringung von Sozial- undGesundheitsdienstleistungen von
allgemeinem Interesse umfassen. Außerdem wirddiese Mitteilung
beschreibende Angaben über die Art und Weise enthalten,
wieGesundheits- und Sozialdienstleistungen in den Mitgliedstaaten
organisiert sind undwie die Dienste funktionieren. Diese
Darstellung wird in enger Zusammenarbeit mitden Mitgliedstaaten1
und Organisationen der Zivilgesellschaft erstellt werden.
Die Mitteilung könnte überdies – im Einklang mit den
allgemeinenEvaluierungsgrundsätzen der Kommission – ein System zur
regelmäßigenBewertung und Evaluierung der nationalen Bedingungen
für die Erbringung vonSozialdienstleistungen von allgemeinem
Interesse vorsehen. Hierzu könnten diebestehenden Methoden der
offenen Koordinierung in den Bereichen sozialeEingliederung und
Sozialschutz benutzt werden. Vor kurzem hat die Kommissioneine
Methode der offenen Koordinierung für den Bereich
Gesundheitsversorgungund Langzeitpflege vorgeschlagen, die einen
sinnvollen Beitrag zum Austauschvorbildlicher Praktiken auf dem
Gebiet der Gesundheitsdienste leisten und die aufdiesem Gebiet
laufenden Reformen unterstützen könnte2.
Im Übrigen arbeitet die Kommission derzeit an Folgemaßnahmen im
Zuge des aufhoher Ebene geführten Reflexionsprozesses über
Patientenmobilität undEntwicklungen in der gesundheitlichen
Versorgung in der EU und hat im April 2004eine entsprechende
Mitteilung angenommen3, in der an die Grundsätze derRechtsprechung
des Europäischen Gerichtshofs erinnert wird und
verschiedeneInitiativen zu Arbeitsthemen vorgestellt werden wie die
gemeinsame Nutzung vonKapazitäten und Zusammenarbeit bei
grenzübergreifender Versorgung, dieBestimmung Europäischer
Referenzzentren und ihre Vernetzung und dieKoordinierung der
Bewertung neuer Gesundheitstechnologien. Der zu dieserMitteilung
gehörende Beschluss sieht die Einsetzung einer hochrangigen
Gruppezum Zwecke der Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den
Mitgliedstaatenauf diesem Gebiet vor.
Die Kommission
• wird 2005 eine Mitteilung über Sozial- und
Gesundheitsdienstleistungen vonallgemeinem Interesse vorlegen;
• wird die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten in den
BereichenGesundheitsdienstleistungen und medizinische Versorgung
fördern, um damit zurSicherstellung eines hohen
Gesundheitsschutzniveaus in der gesamten Unionbeizutragen.
Die Mitgliedstaaten
1 Insbesondere mit dem Ausschuss für Sozialschutz und der neuen
„Hochrangigen Gruppe für das
Gesundheitswesen und die medizinische Versorgung“2 Mitteilung
der Kommission – Modernisierung des Sozialschutzes für die
Entwicklung einer
hochwertigen, zugänglichen und zukunftsfähigen
Gesundheitsversorgung und Langzeitpflege:Unterstützung der
einzelstaatlichen Strategien durch die „offene
Koordinierungsmethode“, KOM(2004)304 endg. vom 20.4.2004
3 Mitteilung der Kommission: Reaktionen auf den
Reflexionsprozess auf hoher Ebene über diePatientenmobilität und
die Entwicklung der gesundheitlichen Versorgung in der Europäischen
Union,KOM(2004) 301 endg. vom 20.4.2004
-
Drucksache 466/04 20• sollten die Zusammenarbeit in den
Bereichen Gesundheitsdienstleistungen und
medizinische Versorgung verbessern, um auf diese Weise ein
hohesGesundheitsschutzniveau in der gesamten Union
sicherzustellen.
4.5. Ergebnisse bewerten und Leistungsstand evaluieren
Die öffentliche Konsultation hat die Kommission in ihrer
Auffassung gestärkt, dasseine Evaluierung des Leistungsstandes auf
gemeinschaftlicher wie auch aufnationaler Ebene unabdingbar für die
Weiterentwicklung allgemein zugänglicher,hochwertiger Dienste von
allgemeinem Interesse zu erschwinglichen Preise in einemsich
permanent wandelnden Umfeld ist. Unter den Teilnehmern, die sich im
Rahmender Konsultierung geäußert haben, herrscht weitgehend
Einigkeit darüber, dass füreine solche Evaluierung nicht
irgendwelche Kriterien zur Bemessung kurzfristigerökonomischer
Effizienz herangezogen werden sollten, sondern breiter
gefasstesoziale, ökonomische und umweltbezogene Parameter.
In den letzten Jahren hat die Kommission denn auch verstärkt
Bemühungen inSachen Evaluierung von Dienstleistungen von
allgemeinem Interesse unternommen.Für die netzgebundenen
Wirtschaftszweige umfasst die Evaluierungsstrategie derKommission
sowohl sektorale als auch horizontale Bewertungen, die
regelmäßigdurchgeführt werden und in die auch die übrigen Organe
und Einrichtungen derEuropäischen Union sowie die in Frage
kommenden Interessengruppen miteingebunden sind.1 Da die Kommission
mit der Durchführung horizontalerEvaluierungen im Jahr 2001
begonnen hat und 2004 ihren ersten Berichts überhorizontale
Evaluierung vorlegen wird, die zur Gänze auf der im Jahr
2002vorgestellten Methodik basiert, erscheint es angezeigt,
zunächst noch weitereErfahrungen mit diesem Prozess zu sammeln,
bevor Überlegungen über weitereEvaluierungsmechanismen angestellt
werden sollen.
Verbessert werden könnte zum anderen die Beteiligung der
betroffenenInteressenkreise. Deshalb wird die Kommission der Frage
nachgehen, wie diegegenwärtige Methodik und die Verfahren
dahingehend abgeändert werden können,dass gewährleistet ist, dass
sämtliche interessierten Kreise, d. h. einschließlichöffentlicher
Einrichtungen, Verbraucher, Nutzer, Dienstleistungsanbieter und
derenBeschäftigte, vollständig darin einbezogen sind. Weiter wird
die Kommission prüfen,ob und inwiefern Änderungsbedarf in Sachen
Abschätzung der Folgeauswirkungender Liberalisierung für die
Bürger, die Unternehmen und die Beschäftigten besteht.
Gedacht werden sollte an eine bessere Abstimmung der
derzeitigenEvaluierungsbemühungen, speziell dort, wo
Dienstleistungen von allgemeinemInteresse im Vordergrund stehen,
auf das Instrumentarium der Kommission für eineRechenschaftslegung
auf breiterem Rahmen. Damit könnten auf breiterer Ebene
einumfassenderer Ansatz für die Evaluierung von Dienstleistungen
von allgemeinemInteresse sichergestellt und ein echter Mehrwert
erzielt werden, ohne dass derGemeinschaft, den Mitgliedstaaten, den
Unternehmen und den Bürgern selbstzusätzliche Anforderungen in
Bezug auf Berichterstattung und Statistikenaufgebürdet würden.
1 Näheres hierzu in: Mitteilung der Kommission – Methodik der
horizontalen Bewertung von
Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse,
KOM(2002)331 endg. vom 18.6.2002
-
21 Drucksache 466/04In diesem Zusammenhang kommt der Verknüpfung
der genannten sektoralen undhorizontalen Evaluierungen einerseits
mit dem „Umsetzungspaket“ andererseits –das aus dem Bericht über
die Umsetzung der Grundzüge der Wirtschaftspolitik, demGemeinsamen
Beschäftigungsbericht und dem Bericht über die Umsetzung
derBinnenmarktstrategie besteht und mit dem Frühjahrsbericht zur
Frühjahrstagung desEuropäischen Rates präsentiert wird – besondere
Bedeutung bei, weshalb damitfortgefahren werden sollte.
Zudem könnte es zweckmäßig sein, die Evaluierung der
Dienstleistungen vonallgemeinem Interesse in die Analyse
einzubringen, die die Kommission regelmäßigzu verschiedenen Feldern
der Gemeinschaftspolitik vornimmt. Speziell in SachenSozial- und
Gesundheitsdienstleistungen könnte dies von Relevanz sein.
Ausgehend von ihren Erfahrungen mit der Anwendung ihrer
überarbeitetenMethodik wird die Kommission vor Ende des Jahres 2005
ihreEvaluierungsmechanismen und deren sachlicher Geltungsbereich
überprüfen., wennsie 2006, wie ihrer Mitteilung vom 18. Juni 2002
vorgesehen, ihre Vorgehensweiseeiner Evaluierung unterzieht. Dabei
soll auch der Bedarf an weiteren Maßnahmengeprüft werden, die auf
Verbesserung der Verfügbarkeit und Qualität von Daten,Austausch von
Informationen und vorbildlichen Praktiken und Partizipierung
derbetroffenen Kreise abzielen.
Die Kommission
• wird 2004 ihre erste auf der Grundlage ihrer
Evaluierungsmethodik basierendehorizontale Evaluierung von
Dienstleistungen von allgemeinem Interesse vorlegen;
• wird 2006 ihre Evaluierungsmechanismen für Dienstleistungen
von allgemeinemInteresse einer Überprüfung unterziehen.
Die Mitgliedstaaten
• sollten die Kommission bei der Entwicklung und Anwendung
vonEvaluierungsmechanismen unterstützen;
• sollten ggf. die Entwicklung von Evaluierungsinstrumenten auf
nationaler,regionaler und lokaler Ebene in Erwägung ziehen.
4.6. Die sektoralen Politikbereiche überprüfen
Sektorspezifische Regelungen auf Gemeinschaftsebene gelten
derzeit in erster Liniefür die großen netzgebundenen
Wirtschaftszweige wie z.B. die BereicheTelekommunikation,
Postdienste, Verkehr und Energie, denen eindeutig
einetranseuropäische Dimension zukommt. Nach Auffassung der
Kommission hat diesesektorale Regelungsweise in der öffentlichen
Konsultation eine Bestätigung erfahren.Für den Bereich
Wasserwirtschaft wird die Kommission vor Ende des Jahres
dieErgebnisse der von ihr durchgeführten Bewertung
veröffentlichen.1
Die öffentliche Konsultation hat bestätigt, wie wichtig das
„Paket vonVerpflichtungen“ ist, auf denen die derzeitigen
sektorspezifischen Vorschriften derGemeinschaft gründen und die in
dem Grünbuch aufgeführt sind (Universaldienst,Kontinuität,
Dienstequalität, Erschwinglichkeit, Schutz der Nutzer und
Verbraucher,Versorgungssicherheit, Zugang und Interkonnektivität).
Dort, wo es angezeigt
1 Binnenmarktstrategie – Vorrangige Aufgaben 2003 – 2006,
KOM(2003) 238 endg. vom 7.5.2003
-
Drucksache 466/04 22erscheint, wird die Kommission unter
Zugrundelegung der vorgesehenen sektoralenÜberprüfungen
vorschlagen, diese Verpflichtungen anzupassen.
In Sachen Medienpluralismus hat die öffentliche Konsultation
deutlich gemacht, dassdiese Thematik angesichts der Disparitäten
zwischen den einzelnen Mitgliedstaateneinstweilen Sache der
Mitgliedsstaaten bleiben sollte. Die Kommission schließt sichdieser
Meinung an und ist zu der Schlussfolgerung gelangt, dass es
gegenwärtig nichtangezeigt erscheint, eine Gemeinschaftsinitiative
in Sachen Medienpluralismus zuinitiieren. Auch hier wird die
Kommission die Lage weiter beobachten.
Was den institutionellen Regulierungsrahmen betrifft, so wurde
von verschiedenerSeite deutlich auf die Notwendigkeit einer engeren
Zusammenarbeit zwischen derKommission und den nationalen
Regulierungsbehörden verwiesen. Die Kommissionist gewillt, das
Zustandekommen und den Ausbau einer engen Zusammenarbeitzwischen
den Regulierungsstellen im Rahmen der bestehenden Netzwerke
derRegulierungsstellen zu fördern.1 Soweit es angezeigt erscheint,
wird die KommissionVorschläge zur Konsolidierung des Rechtsrahmens
für diese Kooperation erarbeiten.
Den dargelegten Standpunkten wie auch den übrigen Ergebnisse der
öffentlichenKonsultation zum Grünbuch wird die Kommission bei den
für die verschiedenenSektoren vorgesehenen Überprüfungen Rechnung
tragen.
1 Siehe Ziff. 53 – 59, Anhang zum Grünbuch von Dienstleistungen
von allgemeinem Interesse
-
23 Drucksache 466/04
Die Kommission
• wird die Kooperation der nationalen Regulierungsbehörden im
Rahmen derNetzwerke der Regulierungsstellen fördern;
• wird die Ergebnisse der öffentlichen Konsultation zum Grünbuch
in den für dieverschiedenen Sektoren bereits vorgesehenen
Überprüfungen, insbesondere dennachfolgend aufgeführten,
berücksichtigen:- Überprüfung des sachlichen Geltungsbereichs des
Universaldienstkonzepts imBereich der elektronischen Kommunikation
bis Juli 2005;- Überprüfung des Maßnahmenpakets zur elektronischen
Kommunikation bis Juli2006;- Überprüfung der Richtlinie über
Postdienste bis Ende 2006 ;- Überprüfung des
Elektrizitätsbinnenmarkts bis 1. Januar 2006;- Überprüfung des
Gasbinnenmarktes bis 1. Januar 2006;- Überprüfung der Richtlinie
„Fernsehen ohne Grenzen“ zum Jahresanfang 2005;- Bewertung des
Sektors Wasserwirtschaft bis Ende 2004.
(Näheres hierzu ist der nicht erschöpfenden tabellarischen
Aufstellung im Anhang zuentnehmen).
Die Mitgliedstaaten
• sollten sicherstellen, dass die bestehenden sektorspezifischen
Rechtsvorschriftenin vollem Umfang umgesetzt und angewandt
werden;
• sollten den nationalen Regulierungsbehörden mit allen
erforderlichenInstrumenten und benötigten Ressourcen
ausstatten;
• sollten die Kommission bei der Förderung einer engeren
Zusammenarbeit imRahmen von Netzwerken für Regulierungsstellen
unterstützen.
4.7. Die interne Politik der internationalen Handelspolitik zu
Grunde legen
Wie die Kommission in dem Grünbuch dargelegt hat, stehen die von
derGemeinschaft im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) wie
auch im Rahmenbilateraler Übereinkünfte eingegangenen
Verpflichtungen voll im Einklang mit denfür die betreffenden
Dienstleistungen geltenden Binnenmarktregeln und habenbislang in
der Praxis keinerlei Probleme hinsichtlich Organisation,
Bereitstellung undFinanzierung von Dienstleistungen von allgemeinem
Interesse verursacht. Gleichesgilt auch für die Übernahme neuer
Verpflichtungen im Rahmen der derzeit geführtenVerhandlung.
Die öffentliche Konsultation hat deutlich gemacht, dass auf
breiter Ebene derWunsch besteht, die Vereinbarkeit der internen
EU-Regulierungsmaßnahmen mitden von der Gemeinschaft und ihren
Mitgliedstaaten im Rahmen internationalerHandelsabkommen,
insbesondere gegenüber der WTO eingegangenenVerpflichtungen, auf
Dauer zu gewährleisten. Nachdrücklich gefordert wird,
dassinternationale Handelsabkommen nicht über das hinausgehen
sollten, was innerhalbder Europäischen Union vereinbart wurde.
Für die aktiven Wahrnehmung der Handelspolitik der Gemeinschaft
hat sich dieKommission absolut dazu verpflichtet, für die genannte
Vereinbarkeit Sorge zutragen; dabei zählt sie auf die Unterstützung
der Mitgliedstaaten und desEuropäischen Parlaments. Mit Blick
darauf wird die Kommission auch weiterhin dendurch den EG-Vertrag
(Artikel 133 und 300) gebotenen institutionellen Rahmen
vollausschöpfen und das Europäische Parlament ungeachtet der in
diesem Rahmenvorgesehenen beschränkten Befugnisse in die
Handelspolitik-Erarbeitung einbinden.
-
Drucksache 466/04 24Dabei sieht sie der gewünschten Ausweitung
ebendieser Befugnisse im Sinne desVerfassungsvertragsentwurfs mit
Interesse entgegen. Ferner wird die Kommissionauch weiterhin den
regelmäßigen Dialog mit der Zivilgesellschaft pflegen und beiihren
Verhandlungen in Handelsfragen größtmögliche Transparenz
gewährleisten.Dass etwa das erste Angebot der Gemeinschaft im
Rahmen der derzeitigen GATS-Verhandlungen publik gemacht wurde,
wäre ein Beispiel für eine solcheTransparenz.
Die Kommission
• wird weiterhin sicherstellen, dass die von der Gemeinschaft
bei internationalenHandelsverhandlungen vertretenen Positionen in
vollem Umfang im Einklang mitdem internen Regelungsrahmen der EU
für Dienstleistungen von allgemeinemInteresse stehen.
Die Mitgliedstaaten
• sollten mit der Kommission darauf hinarbeiten, dass die
interne Politik in vollemUmfang ihren Niederschlag in unserer
Handelspolitik findet.
4.8. Dienstleistungen von allgemeinem Interesse bei
derEntwicklungszusammenarbeit fördern
In der Konsultation zum Grünbuch ist die zentrale Bedeutung,
dieGrundversorgungsleistungen von allgemeinem Interesse mit Blick
auf dieEntwicklung besonders benachteiligter Länder zukommt, auf
breiter Ebene anerkanntworden. Herausgestellt wurde dabei, dass der
Mangel an Investitionen mit zu denwesentlichen Hemmnissen gehöre,
die einer Verbesserung der genannten Leistungenim Wege stehen. Im
Einklang mit der Empfehlung aus der Mitteilung derKommission zur
Reform staatlicher Unternehmen in den Entwicklungsländern1möchte
die Kommission weiterhin am Zustandekommen vernünftiger
institutionellerbzw. Regulierungs-Rahmenbedingungen in den
Entwicklungsländern als wesentlicheVoraussetzung für verstärkte
Investitionen in Grundversorgungsleistungen vonallgemeinem
Interesse und einen besseren Zugang zur Finanzierung
solcherLeistungen mitwirken.
Die auf dem Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung vorgestellten
Initiativen der EUin den Bereichen Wasser und Energie haben zum
Ziel, durch Bereitstellungmoderner Dienstleistungen zu
erschwinglichen Preisen für Mittellose einen Beitragzur Umsetzung
der Millenium-Entwicklungsziele zu leisten. An den
Initiativenbeteiligt sind Mitgliedstaaten und Akteure der
Zivilgesellschaft und derPrivatwirtschaft. Verwirklicht werden die
Initiativen gemeinsam mit Partnern inAfrika und anderen Regionen
durch fortlaufenden Dialog im Einklang mit demwichtigen Grundsatz
der Eigenverantwortung im Hinblick auf eine Initiierung
vonMaßnahmen auf nationaler und regionaler Ebene. Sinn und Zweck
sowohl derInitiative in Sachen Wasserversorgung als auch der
Initiative im Bereich Energie istes, durch gezielte technische
Kooperation und verstärkte Zusammenarbeit mitFinanzeinrichtungen
auf institutioneller Ebene Kapazitäten auszubauen,
dieVoraussetzungen für sektorenübergreifende Planung zu schaffen
und dieEntwicklung der Märkte zu fördern.
1 Die Reform staatlicher Unternehmen in Entwicklungsländern mit
Schwerpunkt auf öffentlichen
Versorgungseinrichtungen: Prüfung aller Optionen, Mitteilung der
Kommission, KOM(2003) 326 endg.vom 3.6.2003
-
25 Drucksache 466/04Die Kommission
• wird die Entwicklungsländer darin unterstützen, solide
institutionelle bzw.Regulierungsrahmenbedingungen als wesentliche
Voraussetzung für verstärkteInvestitionen in
Grundversorgungsleistungen von allgemeinem Interesse undeinen
besseren Zugang zur Finanzierung solcher Leistungen zu
schaffen.
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Drucksache 466/04 26
ANHANG 1: Begriffsbestimmungen1
Terminologische Unterschiede, semantische Unklarheit und
unterschiedliche Traditionen in denMitgliedstaaten haben in der
Diskussion auf europäischer Ebene zu zahlreichen
Missverständnissengeführt. Bezüglich der Dienstleistungen von
allgemeinem Interesse werden in den Mitgliedstaatenunterschiedliche
Begriffe und Definitionen gebraucht, was Ausdruck der jeweiligen
geschichtlichen,wirtschaftlichen, kulturellen und politischen
Entwicklung ist. Mit der von der Gemeinschaftverwendeten
Terminologie wird versucht, diesen Unterschieden Rechnung zu
tragen.
Dienstleistungen von allgemeinem Interesse
Der Begriff „Dienstleistungen von allgemeinem Interesse“ ist im
Vertrag selbst nicht enthalten. In derGemeinschaftspraxis wurde er
aus dem im Vertrag verwendeten Begriff „Dienstleistungen
vonallgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ abgeleitet. Sein
Bedeutungsspektrum reicht weiter als derBegriff „Dienstleistungen
von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“, da er sich sowohl auf
diemarktbezogenen als auch die nichtmarktbezogenen Dienstleistungen
bezieht, die von staatlichenStellen im Interesse der Allgemeinheit
erbracht und von ihnen daher mit
spezifischenGemeinwohlverpflichtungen verknüpft werden.
Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse
Der Begriff „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen
Interesse“ bzw. „Dienste vonallgemeinem wirtschaftlichem Interesse“
wird in Artikel 16 und Artikel 86 Absatz 2 des
EG-Vertragsverwendet. Er ist weder dort noch im abgeleiteten Recht
näher bestimmt. In der Gemeinschaftspraxisherrscht jedoch weit
gehende Übereinstimmung dahingehend, dass er sich auf
wirtschaftlicheTätigkeiten bezieht, die von den Mitgliedstaaten
oder der Gemeinschaft mit besonderenGemeinwohlverpflichtungen
verbunden werden und für die das Kriterium gilt, dass sie im
Interesse derAllgemeinheit erbracht werden. Das Konzept der
Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichenInteresse umfasst
daher insbesondere bestimmte Leistungen der großen
netzgebundenenWirtschaftszweige wie des Verkehrswesens, der
Postdienste, des Energiesektors und derTelekommunikation. Der
Begriff gilt jedoch auch für jede sonstige wirtschaftliche
Tätigkeit, die mitGemeinwohlverpflichtungen verknüpft ist.
Ebenso wie das Grünbuch konzentriert sich das Weißbuch
hauptsächlich, wenn auch nichtausschließlich, auf Fragen im
Zusammenhang mit den „Dienstleistungen von
allgemeinemwirtschaftlichen Interesse“, so wie auch der Vertrag in
erster Linie auf wirtschaftliche Tätigkeitenabstellt. Der Begriff
„Dienstleistungen von allgemeinem Interesse“ wird im Weißbuch nur
dortverwendet, wo der Text sich auch auf nichtwirtschaftliche
Dienstleistungen bezieht oder wo es nichterforderlich ist, zwischen
wirtschaftlichen und nichtwirtschaftlichen Dienstleistungen zu
unterscheiden.
Öffentlicher Dienst
Die Begriffe „Dienstleistung von allgemeinem Interesse“ und
„Dienstleistung von allgemeinemwirtschaftlichen Interesse“ dürfen
nicht mit dem Begriff „öffentlicher Dienst“ verwechselt
werden.Dieser Begriff ist weniger exakt; er kann mehrere
Bedeutungen haben und deswegen Verwirrungstiften. Mitunter
beschreibt er, dass eine Leistung für die Allgemeinheit erbracht
wird, mitunterunterstreicht er, dass der Leistung eine besondere
Rolle im öffentlichen Interesse zugewiesen wurde,und manchmal wird
ein Bezug auf die Eigentumsverhältnisse bzw. die Rechtsstellung der
Einrichtung,die die Leistung erbringt, hergestellt.2 Daher findet
dieser Begriff im vorliegenden Weißbuch keineVerwendung.
1 Diese Definitionen beruhen auf den Definitionen aus dem
„Grünbuch zu Dienstsleistungen von
allgemeinem Interesse“, KOM(2003) 270 vom 21.5.20042 Oft werden
die Begriffe „öffentlicher Dienst“ und „öffentlicher Sektor“
verwechselt. Der Begriff
„öffentlicher Sektor“ umfasst sämtliche staatlichen
Verwaltungsbehörden einschließlich aller von denstaatlichen
Verwaltungsbehörden kontrollierten Unternehmen
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27 Drucksache 466/04Gemeinwohlverpflichtungen
In diesem Weißbuch wird der Begriff „Gemeinwohlverpflichtungen“
verwendet. Er bezieht sich auf diebesonderen Anforderungen
staatlicher Behörden an den Anbieter des betreffenden Dienstes,
mitdenen sichergestellt werden soll, dass bestimmte
Gemeinwohlinteressen erfüllt werden –beispielsweise im Luft-,
Schienen- und Straßenverkehr oder im Energiesektor. Diese
Verpflichtungenkönnen auf nationaler, regionaler oder
Gemeinschaftsebene auferlegt werden.
Öffentliches Unternehmen
Der Begriff „öffentliches Unternehmen“ wird in der Regel
verwendet, um die Eigentumsverhältnissedes Leistungserbringers zu
bestimmen. Der Vertrag fordert strikte Neutralität. Im Rahmen
desGemeinschaftsrechts spielt es keine Rolle, ob der Erbringer von
Dienstleistungen von allgemeinemInteresse öffentlich- oder
privatrechtlich organisiert ist; beide haben dieselben Rechte und
Pflichten.
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Drucksache 466/04 28
ANHANG 2: Wichtigste Ergebnisse der öffentlichen
Konsultation1
1. Bedeutung der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse
• Es besteht breite Übereinstimmung über die zentrale Bedeutung
der Dienstleistungen vonallgemeinem Interesse für die europäischen
Gesellschaften. Allgemein anerkannt wird auch, dassbei der
Erbringung dieser Dienstleistungen die Interessen der Nutzer im
Mittelpunkt stehen sollten.
• Keine Einigkeit besteht in der Frage, wie sich
Dienstleistungen von allgemeinem Interesse undMarktprinzipien
zueinander verhalten.
2. Die Rolle der Europäischen Union
• Trotz unterschiedlicher Beurteilung der Notwendigkeit einer
Vertragsänderung herrscht breiteÜbereinstimmung darüber, dass die
Gemeinschaft keine zusätzlichen Handlungsbefugnisse imBereich der
Dienstleistungen von allgemeinem Interesse erhalten sollte.
• Die jeweiligen Zuständigkeiten der Gemeinschaft und der
Mitgliedstaaten sind offenbar klar. Es gibtjedoch Forderungen nach
einer Erläuterung der Gemeinschaftsregelungen in einigen
Bereichen.
• Breite Einigkeit besteht darüber, dass die sektorspezifische
Regulierung nicht auf alleDienstleistungen ausgeweitet werden darf.
Uneinigkeit herrscht hingegen darüber, ob bei
einigenDienstleistungen (Wasser, Abfall, öffentlicher Nahverkehr)
ein spezifisches Regelwerk aufGemeinschaftsebene wünschenswert
wäre. Es wird unterstrichen, dass die Besonderheiten
einigerSektoren, etwa des Gesundheitswesens, berücksichtigt werden
müssen.
• Es besteht ein breiter Konsens, dass die Schaffung
europäischer Regulierungsbehörden zumjetzigen Zeitpunkt nicht
erforderlich ist. Bevorzugt wird offenbar eine Zusammenarbeit
dereinzelstaatlichen Regulierungsbehörden in Netzwerken, die auf
europäischer Ebene koordiniertwerden.
3. Sektorspezifische Vorschriften und allgemeiner
Rechtsrahmen
• Die Ansichten zum Erfordernis eines allgemeinen Rechtsrahmens
sind nach wie vor geteilt. Einigist man sich über den weiterhin
bestehenden Bedarf an sektorspezifischen Rechtsvorschriften.
• In zahlreichen Konsultationsbeiträgen werden die Vorzüge der
bestehenden sektoralen Ansätzeherausgestellt. Im anderen wiederum
wird darauf hingewiesen, dass sich die Liberalisierung insozialer
und wirtschaftlicher Hinsicht nachteilig ausgewirkt habe.
4. Wirtschaftliche und nichtwirtschaftliche Dienstleistungen
• Viele Konsultationsteilnehmer halten die Unterscheidung für
wichtig