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Bodenvibrationen bei DESY und Umgebung
Heiko Ehrlichmann und Wilhelm Bialowons DESY, Hamburg
August 2003
1. Einleitung Am Deutschen Elektronen-Synchrotron DESY in
Hamburg werden seit mehreren Jahren Planungen für ein neues
Beschleunigerprojekt namens TESLA durchgeführt [1,2]. Hierbei
handelt es sich um eine grob 33km lange, lineare Anlage, in der ein
hochenergetischer Elektronenstrahl mit einem hochenergetischen
Positronenstrahl zur Kollision gebracht werden soll. Die
Beschleunigung der Teilchen auf 250GeV soll jeweils in einem
supraleitenden Linearbeschleuniger erfolgen. Im Gegensatz zu
Kollisionsexperimenten in einem Speicherring kommt ein
beschleunigtes Teilchen bzw. Teilchenpaket nur ein einziges Mal zur
Kollision. Um sinnvoll hohe Kollisionsraten (Luminosität) zu
erhalten, muss die Fokussierung der Teilchenstrahlen am
Kollisionspunkt extrem gut sein. Aus den hierfür nötigen, sehr
geringen Strahlabmessungen am Kollisionspunkt folgen sehr hohe
Anforderungen an die Aufstellungsstabilität der fokussierenden
Magnete. Auch starke Bodenvibrationen können sich auf die Magnete,
und damit auf die Teilchenstrahlen übertragen und damit die
erreichbare Kollisionsrate reduzieren [3,4]. Um die in Hamburg und
Umgebung vorherrschenden Verhältnisse der Bodenvibrationen zu
untersuchen, wurden mit zwei Breitbandseismometern an verschiedenen
Positionen auf dem DESY-Gelände und in der Umgebung über jeweils
mehrere Stunden, zum Teil auch Tage, seismische Daten aufgenommen.
Zum einen sollten diese Messungen eine Abschätzung erlauben, in wie
weit TESLA durch Bodenvibrationen negativ beeinflusst werden könnte
und ob aktive Stabilisierungsmaßnahmen nötig wären. Zum anderen
sollten diese Messungen klären, welche lokalen, äußeren Einflüsse
zu signifikanten Beiträgen der messbaren Schwingungsamplituden
führen.
2. Messaufbau
Bereits in der Bau- und Inbetriebnahmephase des
Elektronen-Protonen-Speicherrings HERA wurden am DESY Messungen zu
Bodenvibrationen durchgeführt, um deren Einfluss auf den
Strahlbetrieb bei HERA abschätzen zu können [5,6,7]. Hierfür wurden
verschiedene Meßsysteme beschafft, unter anderem auch zwei
Breitbandseismometer des Typs GÜRALP CMG-3T. Für die hier
vorgestellten Messungen wurden diese Seismometer sowie das
zugehörige Datennahmesystem reaktiviert. Bei den Seismometern
handelt es sich um Feedbackseismometer mit einem Messbereich von
1/360Hz bis 20Hz. Solche Geräte messen über eine geeignet gelagerte
seismische Masse, kapazitive Positionsaufnehmer und eine
magnetische Rückkopplung die Beschleunigung, die diese Masse
erfährt. Nach einer internen Signalintegration wird ein
Geschwindigkeitssignal, hier mit einer Auflösung von 750V/m/s,
bereitgestellt. Jedes Gerät verfügt über drei Sensoren, einen für
die vertikale Komponente und zwei senkrecht
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angeordnete Sensoren für die horizontalen Komponenten. Die
Verstärkung und Digitalisierung der Messdaten erfolgt in einer im
Seismometer selbst integrierten Elektronikeinheit. Es wurde bei
allen Messungen der maximal wählbare Verstärkungsfaktor von 127
verwendet. Der 16-bit ADC konvertiert mit 225µV/bit. Zur
Datenauslese und zur Steuerung der Seismometer dient ein PC unter
Windows 95, der über vom Seismometerhersteller gelieferte
Interfaceboxen mit den Geräten verbunden ist. Das verwendete
originale Auslese- und Steuerprogramm SMART16D ist MS-DOS
basierend. Es erzeugt bei laufender Messung kontinuierlich alle 60s
einen binären Datensatz mit 3000 Messpunkten für alle drei
Komponenten beider Seismometer. Die Samplingrate beträgt demnach
50Hz, so dass die maximal messbare Frequenz bei 25Hz liegt. Wegen
fest in der Geräteelektronik integrierter Lowpassfilter ist die
obere Frequenzgrenze allerdings auf 20Hz limitiert. Da für die hier
durchzuführenden Untersuchungen Frequenzen unterhalb 1/60Hz
zunächst nicht betrachtet werden müssen, erfolgte die weitere
Datenverarbeitung auf Basis der minütlich erzeugten Rohdaten. Im
ersten Schritt wurden die Rohdaten mit Hilfe des Programms CONVERT
des Herstellers in ASCII-Daten umgewandelt. Anschließend wurden
diese Daten nach Komponenten getrennt mittels eines Visual Basic
Programms fouriertransformiert und die spektrale Leistungsdichte
der Bewegung errechnet, wobei, um Verzerrungen durch
langperiodisches Driften zu vermeiden, vor der
Fouriertransformation durch den Anfangs- und Endwert eines jeden
Datensatz eine Gerade gelegt und diese von den Ausgangsdaten
subtrahiert wurde. Zur Analyse konnten dann die spektralen
Leistungsdichten mit Hilfe eines weiteren Visual Basic Programms
interaktiv bearbeitet werden (z.B. Mittelungen, Integration).
Zusätzlich wurden für jede Messreihe Übersichten erzeugt, indem,
wieder auf Basis der minütlichen Datensätze, für die
Geschwindigkeit der Mittelwert, der rms-Wert und der
peak-to-peak-Wert sowie für die Bewegung der rms-Wert oberhalb
einer variablen Frequenzgrenze, üblicherweise 1Hz, berechnet
wurden. Da bei dem Beschleunigerprojekt TESLA die Anforderungen an
die vertikale Aufstellungsgenauigkeit der strahlführenden Elemente
deutlich höher sind als in der horizontalen Ebene, werden hier nur
die Messergebnisse der vertikalen Seismometerkomponenten
vorgestellt.
3. Messungen
3.1. Moxa Um die saubere Funktionsweise und Kalibration der
Geräte zu überprüfen, wurden am geodynamischen Observatorium Moxa,
einer zur Universität Jena gehörenden Einrichtung, Daten
aufgenommen und mit denen des dortigen Stationsseismometers
verglichen. Dieser in Bezug auf Bodenvibrationen sehr ruhige Ort
wird häufig für Testmessungen mit Seismometern genutzt. Bei dem
Sationsseismometer handelt es sich um ein Gerät vom Typ Steckeisen
STS-2, dessen Daten mit verschiedenen Samplingraten im Internet zur
Verfügung gestellt werden. In Abbildung 1 sind oben die Rohdaten
und darunder die resultierende spektrale Leistungsdichte, gemessen
mit dem Moxa-Stationsseismometer über eine Minute (23.1.20003,
01:04Uhr) dargestellt, wobei die
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Samplingrate bei 20Hz lag. Abbildung 2 zeigt die nahezu
zeitgleiche Messung mit den beiden DESY-Seismometern (23.1.20003,
01:05Uhr). Schon anhand der Rohdaten erkennt man die gute
Übereinstimmung aller drei Geräte. Da die DESY-Seismometer nicht
über ein GPS-System synchronisiert sind, sondern die lokale PC-Zeit
benutzen, sind die Datensätze der beiden verschiedenen Meßsysteme
nicht sauber synchronisiert. Darüber hinaus erkennt man bei den
DESY-Geräten ein langsames Driften, dass auf ein noch nicht
perfektes Temperaturgleichgewicht der Sensoren zum Meßzeitpunkt
zurückzufüren ist. In Abbildung 3 ist der Vergleich aller drei
Seismometer dargestellt, wobei jeweils über einen Zeitraum von
20min gemittelt wurde. Da die Messergebnisse sehr gut
übereinstimmen, liegen im gemeinsamen Frequenzmessbereich bis etwa
8.5Hz die spektralen Leistungsdichten übereinander. Damit konnte
gezeigt werden, dass die alten, DESY-eigenen Seismometer gut
kalibriert sind und auch sehr geringe Schwingungsamplituden
auflösen können. Die Abbildung 4 zeigt den zeitlichen Verlauf der
Mittelwerte der Messdaten, aufgenommen mit den DESY-Seismometern.
Es ist deutlich die sehr langsame Aklimatisieren der Geräte zu
erkennen. Selbst zum Zeitpunkt der oben vorgestellten Messungen
waren die Geräte noch nicht in einem Temperaturgleichgewicht, wie
es für Präzisionsmessungen bei sehr niedrigen Frequenzen nötig
wäre. In den Abbildungen 1 bis 3 sind typische spektrale
Leistungsdichten dargestellt. Man erkennt neben der
1/ω4-Abhängigkeit des spektralen Verlaufs die von Meereswellen
verursachte Überhöhung bei etwa 0.15Hz. Diesen „mikroseismischen
Peak“ findet man weltweit. Seine Amplitude hängt vom Messort, also
von der Entfernung zur nächsten Ozeanküste und der Zeit, also der
gerade vorherrschenden Anregungsstärke, ab. Auch die jeweils
dargestellten Rohdaten werden von diese langwelligen Schwingungen
dominiert.
3.2 Asse In der Nähe von Wolfenbüttel befindet sich der Schacht
Asse, eine ehemalige Salzförderstätte, die in den letzten Jahren
von der Gesellschaft für Strahlenforschung GSF zu Forschungszwecken
genutzt wurde und in diesen Tagen zur entgültigen Stilllegung
verfüllt wird. In etwa 900m Tiefe, in einem ins Salz vorgetriebenen
Forschungsstollen, wurden die Seismometer ein weiteres mal an einem
sehr ruhigen Ort getestet. Abbildung 5 zeigt die über eine Stunde
gemittelten Messergebnisse, einmal für den Zeitraum zwischen
01:00Uhr und 02:00Uhr und einmal für die Zeit von 07:00Uhr bis
08:00Uhr. In der Nacht sind die Vibrationsverhältnisse ähnlich
ruhig wie in Moxa, man erkennt aber deutlich die am Morgen
beginnenenden Arbeiten im Bergwerk. In der Abbildung 6 ist der
Verlauf der rms-Werte der Bewegung oberhalb einer
Start-Integrationsfrequenz über dieser Startfrequenz aufgetragen.
Auch in dieser Darstellungsform ist der Unterschied in der
Tageszeit im Frequenzbereich oberhalb von etwa 1Hz deutlich zu
sehen, während der untere Frequenzbereich nahezu unabhängig von der
Tageszeit ist.
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Hier wird deutlich, dass der spektrale Bereich grob unterhalb
1Hz im Wesentlichen von den natürlichen Verhältnissen am Messort
wie Bodenbeschaffenheit und dessen langreichweitigem
Übertragungsverhalten sowie den aktuellen mikroseismischen
Anregungen abhängt, während der höherfrequente Teil des Spektrums
zusätzlich von „cultural noise“, also durch das menschliche Umfeld
verursachte Anregungen bestimmt wird. Seismische Aktivitäten wie
die Signale von Erdbeben werden in der spektralen Leistungsdichte
hauptsächlich im niederfrequenten Bereich unterhalb von 1Hz, meist
sogar unterhalb von 0.1Hz auftreten. Im Gegensatz zu längeren
Messzeiten an anderen Orten konnten während der Messzeiten in Asse
oder Moxa gerade keine Erdbeben detektiert werden.
3.3 DESY-Gelände Der größte Teil der gesammelten seismischen
Daten wurde selbstverständlich an vielen verschiedenen Standorten
auf dem DESY-Gelände in Hamburg-Bahrenfeld aufgenommen. An dieser
Stelle soll nur ein kleiner Teil dieser Datenmenge, repräsentativ
für die Verhältnisse der Bodenvibrationen bei DESY, gezeigt werden.
In einer der Messreihen wurden die Seismometer für mehrere Tage
etwa 20m unter der Erdoberfläche im HERA-Tunnel auf der
Betonfahrbahn des Tunneltransportfahrzeugs („HERA-TRAM“)
aufgestellt. Das erste Gerät (Kanal1) stand direkt unter der
Luruper Chaussee an der Position NL605, das andere (Kanal2) stand
unter dem DESY-Gelände in der Nähe von Gebäude 3b bei WL745. Die
Abbildung 7 zeigt den zeitlichen Verlauf der rms-Werte der Bewegung
für den Frequenzbereich oberhalb von 1Hz. Man erkennt deutlich die
Tag-Nacht-Variationen sowie das Wochenende (Kalendertage 116 und
117) und den Feiertag am 1.Mai (Kalendertag 121). Durch Zufall fand
in dem Messzeitraum ein Erdbeben statt. In der Abbildung 8 sind die
rms-Wertanteile der Geschwindigkeit für verschiedene
Frequenzbereiche dargestellt. Für einen Zeitraum von einigen
Minuten zeigen die Spektren bei Frequenzen unterhalb von 0.5Hz
deutliche Überhöhungen. Ein solches Spektrum, zusammen mit den
Rohdaten, ist in Abbildung 9 zu sehen. Selbst der mikroseismische
Peak wird hier überdeckt. Im Gegensatz zur Situation in Moxa oder
im Schacht Asse spielen bei DESY die Einflüsse lokaler Anregungen
eine massive Rolle. Messungen in der Nacht machen es möglich,
Einzelereignisse zu selektieren und potentiellen Anregungen
zuzuordnen. Ein solches Ereignis ist in Abbildung 10 dargestellt.
In den Rohdaten dieser Minute erkennt man auf Kanal 1 ein extremes
Schwingungssignal, während Kanal 2 gleichzeitig relativ ruhig ist.
Dem Spektrum kann entnommen werden, dass der Haupteffekt im Bereich
um 10Hz liegt. In Abbildung 11 ist für diesen Datensatz wieder der
Verlauf der rms-Werte der Bewegung oberhalb einer
Start-Integrationsfrequenz über dieser Startfrequenz aufgetragen.
Zum rms-Wert oberhalb von 1Hz trägt das Ereignis auf Kanal 1 mit
etwa 40nm bei. Derartige Ereignisse treten in der Nacht auf Kanal 1
relativ häufig, also in dieser Intensität etwa alle 10min auf.
Daneben gibt es weit häufiger auftretende Ereignisse mit geringerer
Amplitude, aber gleichem spektralen Verhalten. Es liegt nahe, diese
Ereignisse dem Straßenverkehr oberhalb des Tunnels zuzuordnen,
wobei Ereignisse
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mit hohen Amplituden von LKWs und Bussen, solche mit kleinen
Amplituden von PKWs erzeugt werden. Auch in den Signalen des Kanal
2 sind derartige Ereignisse zu beobachten, jedoch immer mit
deutlich niedrigeren Amplituden. Die nächste, befahrene Straße
(Notkestraße) ist hier etwa 300m entfernt. In Abbildung 12 ist ein
Vergleich der Situation bei DESY mit der sehr ruhigen Situation in
Moxa dargestellt, wobei jeweils ein in der Nacht genommener
Datensatz ausgewählt wurde. Es fällt sofort auf, dass das bei DESY
gemessene Spektrum oberhalb von 0.8Hz nicht mehr dem 1/ω4-Verlauf
wie in Moxa folgt, sondern ab etwa 2Hz um grob vier Größenordnungen
höher parallel verschoben ist. Zusätzlich tritt hier noch eine
leichte Überhöhung bei 10Hz auf, die auf einen einige hundern Meter
entfernt fahrenden PKW hindeutet. Für den rms-Wert der Bewegung
oberhalb von 1Hz führt diese Parallelverschiebung zu einem
Unterschied von etwa 50nm. Ursache für das verschobene Spektrum
scheint die Summe aller durch relativ weit entfernten
Straßenverkehr und schwere Maschinen verursachte Anregungen zu
sein. Die Stärke dieses auf menschlichen Aktivitäten basierenden
Untergrundrauschens („cultural noise“) hängt von der Besiedelung
und Flächennutzung in der Umgebung des Messortes sowie von den
dortigen Bodenverhältnissen, also den Übertragungseigenschaften des
Bodens, ab.
3.4 Technische Universität Hamburg Harburg (TUHH) Eine weitere
Messreihe wurde in den Räumlichkeiten des Arbeitsbereich Geotechnik
und Baubetrieb der Technischen Universität Hamburg Harburg
aufgenommen. Wegen einer dort in wenigen 100m Entfernung
verlaufenden Bahnlinie und der Nähe zu Hafen- und Industrieanlagen
sind die dort genommenen Daten ein gutes Beispiel für massiven
„cultural noise“. Abbildung 13 zeigt die über eine Stunde in der
Nacht gemittelte spektrale Leistungsdichte, gemessen in Harburg, im
Vergleich zur Situation in Moxa. Auch hier gibt es oberhalb von 1Hz
eine Parallelverschiebung des spektalen Verlaufs, in diesem Fall
allerdings um fünf (tagsüber sechs) Größenordnungen. Zusätzlich
treten durch lokale Anregungen im Spektum markante Spitzen auf
(z.B. 4.0Hz, 5.4Hz). Diese sind zu einem erheblichen Teil auf die
Anrgung durch vorbeifahrende Züge zurückzuführen. In Abbildung 14
sind die Rohdaten und das zugehörige Spektum für den Moment eines
vorbeifahrenden Zuges dargestellt. Die Rohamplituden erreichen hier
bereits die Genzen des ADC-Messbereichs (+/- 80mum/s). Ein solches
Ereignis kann, je nach Zuglänge und –geschwindigkeit, einige
Minuten dauern. Der rms-Wert der Bewegung oberhalb von 1Hz
überschreitet hierbei deutlich die 1000nm und liegt selbst zu
ruhigen Zeiten nicht unter 150nm.
3.5 Ellerhoop Die Wechselwirkungszone und der damit bezüglich
Bodenvibrationen sensibelste Teil des geplanten
Linearbeschleunigers TESLA soll etwa 17km vom DESY-Gelände entfernt
in der Nähe der Ortschaft Ellerhoop liegen. Um die dortigen
Vibrationsverhältnisse mit denen auf dem DESY-Gelände vergleichen
zu können, wurden beide Seismometer in wenigen 100m Entfernung zum
geplanten Wechselwirkunkspunkt in einer Scheune
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aufgestellt. Abbildung 15 zeigt den Vergleich der Messungen in
Ellerhoop gegen die Messungen in Moxa, wobei jeweils wieder über
eine Stunde in der Zeit von 0:00Uhr bis 1:00Uhr gemittelt wurde.
Der rms-Wert der Bewegung oberhalb von 1Hz liegt in Ellerhoop
während ruhiger Zeiten bei grob 15nm.
4. Häufigkeit lokaler Anregung Es wurden im Rahmen dieser
Untersuchung an mehreren, verschiedenen Orten seismische Daten
aufgenommen. Dabei hat sich gezeigt, dass die zu messenden
Bodenvibrationen einerseits von einer Art Grundlevel, verursacht
durch weit entfernte Anregungen, und andererseits von lokalen,
temporären Anregungen bestimmt wird. Beide Anteile hängen deutlich
von der Tageszeit und dem Wochentag ab. Um eine aussagekräftige,
für einen Messortvergleich sinnvolle Größe zu gewinnen, die beide
Vibrationsursachen beinhaltet, wurden für jede Messreihe jeweils
auf Minutenbasis die rms-Werte der Bewegung oberhalb von 1Hz
ermittelt und für jede Stunde der gesamten Messreihe eine
Häufigkeitsverteilung gebildet. Im Fall der Messungen in HERA
wurden die rms-Werte in 10nm-Schritten von 0 bis 400 unterteilt.
Die Ergebnisse für die oben vorgestellten Messreihen im HERA-Tunnel
sind als dreidimensionale Darstellung in den Abbildungen 16 und 17
zu sehen. Wie auch in der Abbildung 7 erkennt man hier deutlich das
Wandern des Maximums mit der Tageszeit sowie die Wochenenden und
Feiertage. Die Abbildung 18 zeigt die jeweilige
Häufigkeitsverteilung über den gesamten Messzeitraum. In den
Abbildungen 10 und 11 wurde ein Beispiel für eine nächtliche
Messung mit lokaler Anregung durch eine LKW-Überfahrt gezeigt. Der
rms-Wert der Bewegung oberhalb von 1Hz lag hier bei 83nm. Die
Situation eine Minute später ist in Abbildung 19 dargestellt. Hier
kommt es gerade zu keiner zusätzlichen, lokalen Anregung, so dass
der rms-Wert bei 50nm liegt. Eine einzelne LKW-Überfahrt führt also
hier zu einer Erhöhung des rms-Wertes um 30nm. Zu unruhigeren
Tageszeiten würden entsprechend alle in einer Minute auftretende
Ereignisse den rms-Wert erhöhen. Tagsüber sind allerdings lokale
Anregungen nicht mehr sauber zu trennen. Darüber hinaus sind auch
die messbaren Schwingungsamplituden in Momenten ohne klar
erkennbare, lokale Anregung deutlich höher. Eine typische Messung
ist in der Abbildung 20 gezeigt. Auffällig ist hier, dass selbst an
der ruhigeren Position WL745(schwarz) ohne erkennbares lokales
Ereignis der rms-Wert der Bewegung oberhalb von 1Hz bei 147nm, also
deutlich höher als nachts, liegt, während an Position NL605, mit
erheblicher lokaler Anregung, der rms-Wert „nur“ weitere 20nm
höher, bei 167nm, liegt. Die Tag-Nacht- -und
Wochtag-Wochenende-Variationen sind also zum einen auf
Veränderungen in den lokalen Anregungsverhältnissen, zum größten
Teil aber durch Veränderungen in der Summe aller Anregungen in der
weiteren Umgebung zurückzuführen. Im Übergang zwischen einem
ruhigen Zeitraum (nachts) und einem unruhigen (tagsüber) ist in den
Häufigkeitsverteilungen immer nur ein Maximum ohne zweiten Peak zu
erkennen.
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5. Vergleich der Messorte Um durch seismische Messungen
verschiedene Standorte bezüglich der dort vorherschenden
Bodenvibrationen sauber vergleichen zu können, müssten solche
Messungen jeweils über längere Zeiträume, mindestens eine Woche,
durchgeführt werden. Zur Charakterisierung des Messortes können
dann Größen wie der Mittelwert der rms-Werte der Bewegung oberhalb
von 1Hz über den gesamten Messzeitraum, das Maximum der über den
gesamten Messzeitraum, über besonders ruhige und unruhige Zeiten
gebildeten Häufigkeitsverteilung der rms-Werte und auch der
höchste, zu erwartende rms-Wert (mit z.B. noch 1% Anteil in der
Verteilung) benutzt werden. Wenn die Messzeit jedoch begrenzt ist,
sind sowohl der Mittelwert wie auch der häufigste Wert des
Messzeitraums nicht mehr für Vergleiche geeignet. Ebenso kann der
höchste zu erwartende Wert nicht sauber ermittelt werden. Wurden
mit der Messreihe allerdings sowohl eine ruhige wie eine unruhige
Tageszeit abgedeckt, kann aus dem Maximum der Häufigkeitverteilung
für eine ruhige und eine unruhige Stunde ein Gesamtmittelwert grob
abgeschätzt werden, indem z.B. der niedrige Wert mit 2/3 und der
hohe Wert mit 1/3, oder jeder der beiden Werte zu gleichen Teilen
eingeht. In der folgenden Tabelle sind solche Abschätzungen für die
Messorte DESY, TUHH und Ellerhoop, zusammen mit dem jeweils über
die gesamte Messzeit gebildeten „echten“ Mittelwert,
zusammengestellt:
Werte in nm rms nachts
rms tagsüber
abgeschätzter Mittelwert 2:1
abgeschätzter Mittelwert 1:1
echter Mittelwert
DESY HERA 40 140 73 90 73 TUHH 90 300 160 195 185 Ellerhoop 10
60 26.7 35 31.5 Asse 0.8 1.2 0.93 1.00 0.92 Moxa 0.6 0.9 0.70 0.75
0.79 Tabelle 1 Da alle durchgefürten Messreihen nicht genau über
eine vollständige Woche verliefen, ist der „echte“ Mittelwert kein
perfektes Maß zur Beurteilung der Übereinstimmung. Er liegt aber in
allen Fällen innerhalb der beiden Abschätzungen, die nicht weiter
als 20% auseinander liegen. Eine entsprechend grobe Abschätzung
sollte auf diese Weise also immer möglich sein. Tabelle 1 zeigt
deutliche Unterschiede der verschiedenen Messorte. Die Verhältnisse
in Ellerhoop zu ruhigen Zeiten sind etwa zehn mal schlechter als
die an ruhigen Orten wie Moxa und Asse. Dies ist im Wesentlichen
auf den Unterschied in den Bodenverhältnissen bezüglich der
Übertragung von „cultural noise“ zurückzuführen. Dieses
Bodenverhalten wird auch in den unruhigen Tageszeiten deutlich, in
denen eine lokal und in der Umgebung erhöhte Anregungsaktivität im
einen Fall zu einem Vielfachen der nächtlichen Amplituden, im
anderen Fall nur zu einer leichten Erhöhung führt. Bei
vergleichbaren Bodenverhältnissen sind die Amlituden der messbaren
Bodenbewegungen von den Anregungsverhälnissen in der Nähe des
Messortes abhängig, wie der Vergleich von Ellerhoop (auf dem Land)
über DESY (große Stadt) bis zur TU Harburg (Industriegebiet)
deutlich macht.
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Referenzen:
1. TESLA Conceptual Design Report, DESY 1997-048, ECFA 1997-182
(1997) 2. TESLA Design Report, DESY 2001-011, ECFA 2001-209 (2001)
3. N. Walker and A. Wolski, TESLA 2000-22 (2000) 4. A.Seryi,
SLAC-PUB-8893 (2001) 5. J. Rossbach, DESY-89-23 (1989) 6. W.
Decking, K. Flöttmann and J. Rossbach, DESY M-90-02 (1990) 7. V.
Shiltsev, B. Baklakow, P. Lebedev, C. Montag and J. Rossbach,
DESY
HERA-95-06 (1995)
Die hier präsentierten Messungen wären ohne die Unterstützung
von Carsten Kluth vom DESY, Karl-Heinz Jäckel vom GFZ Potsdam,
Volker Behrens and Hui Fricke von der GSF; Thomas Jahr, Matthias
Meininger and Wernfrid Kühnel von der Universität Jena, Thorsten
Bierer und Jürgen Grabe von der TUHH nicht möglich gewesen.
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Abbildung 1: Rohdaten und spektrale Leistungsdichte, gemessen
mit dem Moxa-Stationsseismometer am 23.1.2003 um 01:04Uhr
(GPS-Zeit)
Abbildung 2: Rohdaten und spektrale Leistungsdichte, gemessen
mit den beiden DESY-Seismometer am 23.1.2003 um 01:05Uhr (lokale
PC-Zeit)
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Abbildung 3: Spektrale Leistungsdichte, gemessen mit den
DESY-Seismometern, gemittelt über 20min im Vergleich zur Mittelung
über 20 1min-Messungen mit dem Moxa-Stationsseismometer
(rot=Sensor1, schwarz=Sensor2, rosa=Stationsgerät)
-30
-25
-20
-15
-10
-5
0
5
10
22.5 22.6 22.7 22.8 22.9 23 23.1 23.2 23.3 23.4 23.5
Zeit (Kalendertag)
Mitt
elw
ert (
mum
/s)
Abbildung 4: Mittelwerte der Messungen mit den beiden
DESY-eigenen Seismometern über der Zeit
-
11
Abbildung 5: Messung im Schacht Asse; Vergleich der jeweils über
eine Stunde gemittelten Daten: schwarz + rot = 1:00-2:00Uhr, grau +
rosa = 7:00-8:00Uhr
Abbildung 6: Messung im Schacht Asse; rms-Werte oberhalb einer
Start-Integrationsfrequenz in Abhängigkeit von dieser
Startfrequenz; Farben wie in Abb.5
-
12
0
50
100
150
200
250
300
114.5 115.5 116.5 117.5 118.5 119.5 120.5 121.5 122.5
Zeit (Kalendertag)
rms-
Wer
t (nm
)
Abbildung 7: Messung im HERA-Tunnel bei WL745(pink) und
NL605(blau); zeitlicher Verlauf der rms-Werte der Bewegung in nm
für den Frequenzbereich oberhalb von 1Hz
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
121 121.05 121.1 121.15 121.2
Zeit (Kalendertag)
rms-
Wer
tant
eil (
mum
/s)
rms2 0.01-0.1Hz (mum/s)
rms2 0.1-0.5Hz (mum/s)
rms2 0.5-7Hz (mum/s)
rms2 7-20Hz (mum/s)
Abbildung 8: Messung im HERA-Tunnel bei WL745(pink) und
NL605(blau); zeitlicher Verlauf der rms-Wert-Anteile der
Geschwindigkeit für verschiedene Frequenzbereiche
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Abbildung 9: Messung im HERA-Tunnel; Erdbebensignal um 2:45Uhr
am 1.5.2003 (rot) im Vergleich zu Mittelwert der Signale von
2:00Uhr bis 2:30Uhr (grau)
Abbildung 10: Messung im HERA-Tunnel; lokales Ereignis in der
Messung unter der Luruper Hauptstraße (rot)
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Abbildung 11: Messung in HERA; rms-Werte oberhalb einer
Start-Integrationsfrequenz in Abhängigkeit von dieser Startfrequenz
(Farben und Meßzeitraum wie in Abb. 10)
Abbildung 12: Vergleich einer Messung in HERA WL745 vom 1.5.2003
um 01:02Uhr (schwarz) mit einer Messung in Moxa vom 23.1.2003 um
01:05Uhr (grau)
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15
Abbildung 13: Vergleich von Messungen an der TUHH (schwarz) mit
Messungen in Moxa (grau); Mittelung jeweils über eine Stunde von
0:00Uhr bis 1:00Uhr
Abbildung 14: Messungen an der TUHH (17.1.2003, 23:43Uhr),
Signal eines vorbeifahrenden Zuges
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Abbildung 15: Vergleich von Messungen in Ellerhoop (schwarz) mit
Messungen in Moxa (grau); Mittelung jeweils über eine Stunde von
0:00Uhr bis 1:00Uhr
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02.5
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04h
0 - 10 50 - 60 100 - 110 150 - 160 200 - 210 250 - 260 300 - 310
350 - 360 >400
HERA WL745, Häufigkeitsverteilung
45-5040-4535-4030-3525-3020-2515-2010-155-100-5
Abbildung 16: Messreihe in HERA WL745: Häufigkeitsverteilungen
pro Stunde der auf Minutenbasis berechneten rms-Werte der Bewegung
oberhalb von 1Hz in Abhängigkeit von der Zeit (die Farbe gemäß
Legende ist ein Maß für die Häufigkeit eines rms-Wertes innerhalb
einer Stunde, rms-Werte in nm)
-
17
24.4
. , 1
5h -
16h
24.4
. , 2
1h -
22h
25.4
. , 0
3h -
04h
25.4
. , 0
9h -
10h
25.4
. , 1
5h -
16h
25.4
. , 2
1h -
22h
26.4
. , 0
3h -
04h
26.4
. , 0
9h -
10h
26.4
. , 1
5h -
16h
26.4
. , 2
1h -
22h
27.4
. , 0
3h -
04h
27.4
. , 0
9h -
10h
27.4
. , 1
5h -
16h
27.4
. , 2
1h -
22h
28.4
. , 0
3h -
04h
28.4
. , 0
9h -
10h
28.4
. , 1
5h -
16h
28.4
. , 2
1h -
22h
29.4
. , 0
3h -
04h
29.4
. , 0
9h -
10h
29.4
. , 1
5h -
16h
29.4
. , 2
1h -
22h
30.4
. , 0
3h -
04h
30.4
. , 0
9h -
10h
30.4
. , 1
5h -
16h
30.4
. , 2
1h -
22h
01.5
. , 0
3h -
04h
01.5
. , 0
9h -
10h
01.5
. , 1
5h -
16h
01.5
. , 2
1h -
22h
02.5
. , 0
3h -
04h
0 - 10 50 - 60 100 - 110 150 - 160 200 - 210 250 - 260
300 - 310 350 - 360 >400
HERA NL605, Häufigkeitsverteilung
35-4030-3525-3020-2515-2010-155-100-5
Abbildung 17: Messreihe in HERA NL605: Häufigkeitsverteilungen
pro Stunde der auf Minutenbasis berechneten rms-Werte der Bewegung
oberhalb von 1Hz in Abhängigkeit von der Zeit
0
2
4
6
8
10
12
14
16
18
20
0 - 1
0
20 -
30
40 -
50
60 -
70
80 -
90
100 -
110
120 -
130
140 -
150
160 -
170
180 -
190
200 -
210
220 -
230
240 -
250
260 -
270
280 -
290
300 -
310
320 -
330
340 -
350
360 -
370
380 -
390
>400
rms-Wert (nm)
rela
tive
Häu
figke
it (%
)
NL605
WL745
Abbildung 18: Messreihe in HERA: relative Häufigkeitsverteilung
der auf Minutenbasis berechneten rms-Werte der Bewegung oberhalb
von 1Hz in Abhängigkeit von der Zeit für die gesamte Messzeit
-
18
Abbildung 19: Messung in HERA; rms-Werte oberhalb einer
Start-Integrationsfrequenz in Abhängigkeit von dieser Startfrequenz
(Farben und Meßzeitraum wie in Abb. 11) für eine sehr ruhige
Minute
Abbildung 20: Messung in HERA; rms-Werte oberhalb einer
Start-Integrationsfrequenz in Abhängigkeit von dieser Startfrequenz
(Farben und Meßzeitraum wie in Abb. 11) für eine typische Minute
tagsüber