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Britta Zander,Dr.rer.oec.FGManagementimGesundheitswesen,TechnischeUniversitätBerlin
(WHOCollaboratingCentreforHealthSystemsResearchandManagement)&
EuropeanObservatoryonHealthSystemsandPolicies
BIG POINTS für attraktive Arbeitgeber
Der Spannungsbogen: hochwertige Versorgung oder betriebswirtschaftliche
Notwendigkeit
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Internationale Literatur
• die meisten Länder in der EU sind mit einer wachsenden Pflegekrise bei steigendem Patientenaufkommen konfrontiert und von Seiten der Wissenschaft, Politik und Gewerkschaften wird nach Lösungen gesucht
• Immer mehr Studien international, die einen Zusammenhang zwischen dem organisatorischen Kontext, in den Pflegekräfte arbeiten, speziell den pflegerischen Personalressourcen, und einer adäquaten Patientensicherheit und der Versorgungsqualität herstellen
Ø Studienergebnisse (vorrangig aus Nordamerika, aber auch aus Australien, Belgien, England oder Japan) suggerieren, dass eine höhere und besser ausgebildete Personalbesetzung in der Pflege einen verbesserten Nutzen für die Versorgungsqualität aufweist (Griffiths et al. 2016, 2014, Kane et al. 2007, Shekelle et al. 2013, Needleman et al. 2011, Aiken et al. 2011)Ø Z. B. niedrigere Mortalitätsraten, weniger nosokomiale Infektionen (z. B. Harntrakt,
Pneumonie), weniger Komplikationen (z.B. Stürze), weniger Pflegetätigkeiten, die vernachlässigt werden, kürzeren Verweildauern (Blegen et al. 2011, van den Heede et al. 2009, Rafferty et al. 2007, Kalisch et. Al 2009)
Ø Daneben erhält die Arbeitsumgebung einen immer höheren Stellenwert: Senkung der Arbeitsbelastung um einen Patient je Pflegekraft senkt Mortalität um: 9% in Krankenhäusern mitsehr guter Arbeitsumgebung, 4% bei mittlerer Arbeitsumgebung, nicht bei schlecht bewerteterArbeitsumgebung (Aiken et al. 2011)
Ø die fehlende Arbeitszufriedenheit als starker, konsistenter Einflussfaktor für erhöhte Wechselbereitschaft und Fluktuation (van der Heijden et al. 2010, Parry 2008, Mitchell et al. 2001, Wilson et al. 2008 ) sowie Ursachen und Folgen
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Belgien Catholic University Leuven
USA
England
University of Pennsyvania
King’s College London
Finnland Kuopio University
Deutschland Technische Universität Berlin
Griechenland University of Athens
Irland Dublin City University
Niederlande UMC St Radboud
Norwegen Norwegian Nurses Asso
Polen Jagiellonian University
Spanien Institute of Health
Schweden Karolinska Institute
Schweiz Basel University
Botswana University of Botswana
China Sun Yat-sen University
Südafrika Western Cape University
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RN4CAST– vondamalsbisheute
1998-1999:IHOS(InternationalHospitalOutcomesStudy)USA,Kanada,England,,Schottland,Deutschland
InD: 2681Pflegekräftein29Akutkrankenhäusern
2009-2011:RN4Cast(RegisteredNurseForecasting)13EuropäischeLänder33659Pflegekräfte aus 488Krankenhäusern
InD: 1511Pflegekräfte in51Akutkrankenhäusern
2015 G-NWI(RN4CastFollow-up(Deutschland)
InD: 4317Pflegekräftein71Akutkrankenhäusern
Quelle: angelehnt an Zander et al. 2017 in: Bechtel et al. (Hrsg.) Pflege im Wandel gestalten – Eine Führungsaufgabe, Springer.
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Was macht Krankenhäuser für Pflegende attraktiv bzw. unattraktiv?
Was können Arbeitgeber hier tun um die Attraktivität zu steigern?
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... berichteten 2010 60% bis 85% der Pflegekräfte (außer in der Schweiz)
84
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8577
6859
83
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0
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Zu wenige Pflegekräfte für gute Pflege…
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80%87% 84% 86%
0%
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30%
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50%
60%
70%
80%
90%
100%
2010 alle KH 2015 alle KH nur alle Uni-KH nur die BG-Kliniken
Wert stieg bis 2015 auf 87% an (G-NWI)
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Fakten oder Gefühle?
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HabenwireigentlichzuwenigPflegepersonal?BezogenaufdieBevölkerung:NEIN(wirliegensogarca.50%oberhalbdesEU-Schnitts)
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Einschränkung:TätigkeitsspektrumumfasstinfastallenLändernmehr
ambulanteLeistungenalsinDeutschlandà ZahleninBezugaufstationäreFällefür
einigeLänderggf.überschätzt
Definitivja,wennprostationärenFallverglichenwird
– hierzunächstdasgesamteKrankenhaus-Personalpro1000
Fälle(VZÄ,2013bzw.letztesverfügbareJahr)
Quelle: Zander B, Köppen J, Busse R (2017): Personalsituation in deutschen Krankenhäusern in internationaler Perspektive. In: Klauber
J et al. (Hrsg.) Krankenhausreport 2017
Haben wir zu wenig Pflegepersonal?zuRN4Cast
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HiernurPflegefachkräfteundHebammen(VZÄ)inausgewähltenOECD-Ländernpro1000Fälle,2005und2013…
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4
10 10
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2
4
6
8
10
12
NochdeutlichersinddieUnterschiede,wennwirdiePatienten-Pflegefachkraft-RelationaufStationwährendeinerTagschichtbetrachten(hierDatenderRN4CastStudie2010)
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BewertungderArbeitsumgebungRunddieHälfteallerPflegekräftebewerteten2010ihreArbeitsumgebungnuralsschlecht/angemessen(stattgutoderausgezeichnet)
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52%57% 57% 56%
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
2010 alle KH 2015 alle KH nur alle Uni-KH nur die BG-Kliniken
…derAnteilist2015inDeutschlandgrößergeworden
BewertungderArbeitsumgebung
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Inden RN4Cast-Ländern waren 2010 >25% der Pflegekräfte mit ihrer Arbeitssituation unzufrieden ...
22 21
37 38
27
56
42
11
21
2622
39
26
BE CH DE ES FI GR IE NL NO PL SE UK Total
Zufriedenheit mit dem Job
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37%
46% 47%
41%
2010 alle KH 2015 alle KH nur alle Uni-KH nur die BG-Kliniken
1999: 17%
Sehr starke Zunahme
Mit der Berufswahl sind allerdings 71% zufrieden (eher zufrieden &sehr zufrieden)
Und wie sieht es heute aus?
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Knapp30%litten2010unteremotionalerErschöpfung(bei15%konntebereitsBurnoutfestgestelltwerden)...
EmotionaleErschöpfungundBurnout
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... 2015leidensogarknapp37%unteremotionalerErschöpfung(undbei21%konntebereitsBurnoutfestgestelltwerden)
EmotionaleErschöpfungundBurnout
15%
30%
37% 37%35%
0%
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30%
40%
1999 alle KH 2010 alle KH 2015 alle KH nur alle Uni-Kliniken
nur die BG-Kliniken
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Was macht Krankenhäuser für Pflegende attraktiv bzw. unattraktiv?
Was können Arbeitgeber hier tun um die Attraktivität zu steigern?
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0
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„Wenn Sie die Möglichkeit hätten, würden Sie innerhalb des nächsten Jahres Ihr jetziges Krankenhaus aufgrund von Unzufriedenheit am Arbeitsplatz verlassen?“
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36%40%
44%
37%
2010 alle KH
2015 alle KH
nur alle Uni-KH
nur die BG-
Kliniken
<= 28 Jahre: 45%29-40 Jahre:39%40-50 Jahre: 36%>50 Jahre: 38%
… und 2015?
anderes KH; 34%
Pflege nicht im KH; 14%
außerhalb der Krankenpflege;
52%
Wenn ja, nach welcher Art von Arbeit wird gesucht?
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Welche (Push-) Faktoren stehen hinter der hohen Wechselabsicht?
Push-Faktoren/ (ref=no/0) OR* Lower Upper p-Wert
Schlechtes Arbeitsklima 3,235 2,434 4,301 <,001
Emotionale Erschöpfung 2,445 1,86 3,215 <,001
Geringe Anerkennung 1,769 1299 2,407 <,001Schlechte Weiterbildungsmöglichkeiten
1,686 1,278 2,225 <,001
Schlechte Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Pflegepersonal
1,647 1,265 2,145 <,001
Ungenügende Personalbesetzung 1,553 1,048 2,302 0,028
Niedriges Gehalt 1,326 0,996 1,766 0,054
Begrenzte Entscheidungsbefugnisse 1,193 0,852 1,67 0,305
95%CI
Adjusted odds ratios (OR) with 95% confidence levels for push factors in Germany
*Adjusted for age, years of nursing and gender
Schlechte Arbeitsumgebung
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42,5
25,9
33,3
27,8
36,833,333,3
44,8
22,223,7
11,8
40,0
46,4
28,1
37,5
56,5
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18,4
26,724,1
51,7
9,1
43,8
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23,1
0,0
41,2
17,6
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22,6
40,0
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22,425,0
44,0
26,5
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33,330,0
18,2
29,7
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34,137,9
29,6
0,0
10,0
20,0
30,0
40,0
50,0
60,0
70,0Burnout
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Einschätzung Versorgungsqualität
62,5%
37,9%
16,7%
66,7%
21,1%
33,3%
44,4%
62,1%
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45,8%
64,7%
20,0%
35,7%
31,3%
45,8%43,5%
30,0%
10,5%
26,7%
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0,00%
31,3%32,7%
7,7%
33,3%
23,5%
52,9%
60,0%
22,6%
35,0%
42,9%
52,6%
9,5%
16,7%
39,3%
13,4%
50,0%
76,0%
30,6%27,6%
40,7%
55,0%
30,0%27,3%23,4%20,0%
10,7%
48,8%
43,1%
34,9%
0,0%
10,0%
20,0%
30,0%
40,0%
50,0%
60,0%
70,0%
80,0%
1 2 3 4 5 6 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51Gesamt
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• InDeutschlandgabesKrankenhäuser,dietrotzknappererPersonalressourcenhinsichtlichZufriedenheit,emotionalerBelastungundeingeschätzterQualitäthervorstachen
• KHscharfstellenperqualitativerInterviewsmitdemPflegemanagementder5„attraktivsten“und5„unattraktivsten“KrankenhäuserbezüglichderWertefürdieWechselabsicht
• Ziel:ErfolgsfaktorenausattraktivenKrankenhäusernmitniedrigerFluktuationundzufriedenenPflegekräftenzuidentifizierenundanalysierenmitBlickaufdiedemErfolgbzw.MisserfolgzugrundeliegendenPersonalstrategien– LeitfadengestützteExperteninterviews
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- DerInterviewleitfadenbestandaus3TeilenundorientiertesichzumgroßenTeilandenPush-FaktorenundderenzugrundeliegendenFrageelementen
- Coding-Frameworkteilweisededuktivundinduktiv- EskonnteallendeduktivenKategorienAussagenzugeordnetundsomitdiequantitativerhobenenPush-FaktorenzurArbeitsplatzwechselbereitschaftvertieftunddiskutiertwerden
- besondersbezüglichderbeidenPush-Faktoren„EmotionaleErschöpfung“und„LobundAnerkennung“ließensichErfolgsfaktorenableiten
- EinführungvonzweiinduktivenCodesaufgrundderBedeutungunterschiedlichenFührungsverhaltensà VertiefungundValidierungdieserCodes:„PräsenzvorOrt“und„PflegendeimFokus“
Methodik & Auswertung
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• zeigtesichKorrelationzurBettengrößeà bis350Betten1xtäglichbis1-2xwöchentlich;ab650BettenPflegedirektorensogutwienieaufStation
StrategienderattraktivenKrankenhäuserØ klarihrerVorbildfunktionbewusstundbetontenpräsent aufdenStationenzusein,sowie
erreichbarundansprechbarbeiz.T.vertraulichenProblemen(Präsenz)
Ø starkesVertrauensverhältnisundLoyalitätzwischenLeitungenundTeamsundPflegendenuntereinander(Leitungsiehtsichdafürverantwortlich)„Die[Leitungen]sindfastschonintimüberihreMitarbeiterinformiert- vondenMitarbeitern,sogutistdaderDraht“(Pflegendei.F.)
Ø eswirddaraufgeachtet,dassihrFührungsverständnisvondennachgelagertenFührungsebenenebensogelebtwird:„VorbildersinddieLeitungenundich.UndmeinePräsenz,nurwerpräsentist,kanneinVorbildsein“. „Also,ichhabeimPflegedienstumdie650Köpfe.Ichbildemirein,(…)jedenNamenundfastjedesGesichtzukennen.Findeichelementarwichtig“Die [dieStationsleitungen]stehenauchhinterihrenLeuten,absolut!“;„aufderStationXYZkannste nichtarbeiten,weildieStationsleitungsodoofist- gehtnicht“
„Präsenz vor Ort“ und „Pflegende im Fokus“
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Zusammengefasst:• attraktiveHäusermitniedrigerWechselabsichtkennzeichnensich
durcheinzielgerichtetes,transparentesundzentralgesteuertesPflegemanagementüberalleFührungsebenenhinweg,dasEngagementzeigt,VertrauenschafftundVerantwortungübernimmt(aktiv)
• VorOrtsein,Mitarbeitergesprächeführen,„schonimmerdazusein,woesbrennt“à Gefahrgebannt,dasssichdurcheineVerantwortungsverlagerung(übermehrerenFührungsebenen)keinermehrverantwortlichfühlt
• (MitarbeiterunterdieserFührungzeigenbessereZusammenarbeit,niedrigereFluktuation,wenigerBelastungsanzeichen,autonomeresHandelnundleistenbessereQualität(messbarz.B.durcheingeringeresVorkommenvonnachteiligenEreignissen(z.B.Stürze,etc.)undvernachlässigtenTätigkeiten(z.B.regelmäßigesUmlagern,Patientengespräche))
„Präsenz vor Ort“ und „Pflegende im Fokus“
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Strategien der KH mit schlechteren Ergebnissen • mehrDistanzundPassivitätindenAussagen,sowieHilflosigkeit,wiedenBedürfnissen
derMitarbeitergerechtzuwerdensei:„Ichfragemichaberauchimmer,waswirdvonwem[mir]erwartet?“(PflegendeimFokus)
• Eswurdedeutlich,wievielZeitdaraufverwendetwirdüberdas„WIE“nachzudenken• EswurdevielüberdieGrößederKrankenhäuserunddadurchstrikterer
Aufgabenverteilungalsindenkleineren(undbesseren)Häuserngesprochen,wasnichtvorrangigdasFührenderAbteilungenvorsiehtà EinflussderdirektenVorgesetztenaufdiePflegekräftealsgrößereingeschätzt
Ø imKontrast zudenattraktivenHäusernkeineAussagedarüber,wieoftdieseüberdieStationengehenwürden,undobsieindendirektenAustauschmitdenPflegendentretenwürden
• EswurdenungünstigeFührungsstrukturen(fehlendeFührung,häufigeFührungswechsel)verantwortlichgemacht,sowiedieGröße,unterschiedlicheCharaktere,ungeliebteFachgebiete,unterschiedlicheFührungsstile,sowieeinselbstunerfahrenesoderüberlastetesManagement
• Problemerkannt,dassdieLeitungauch„nur“nachgeordneteMitarbeiterseien,diedas,wassieerleben,oftteilweiseungefiltertnachuntenweitergeben
„Präsenz vor Ort“ und „Pflegende im Fokus“
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SchlussfolgerungenI• WirhabeneigentlichnichtzuwenigePflegefachkräfte,aberdurch
sehrhoheFallzahlenundimmernochrechtlangeVerweildauernhabenwir„amBett“zuwenige.
• Dieseschlechte„Patienten-Pflegefachkraft-Relation“begünstigt,zumindestwennsiemiteinerschlechtenArbeitsumgebunggekoppeltist,dieVernachlässigungvonPflegetätigkeitenundverstärktnegativePflegekraftergebnisse(z.B.Burnout,Unzufriedenheit,hoheFluktuation)– undultimativschlechtePatienten-Outcomes.
• PersonalressourcenaufPatientenbedürfnisseabstimmen,undzwardifferenziertnachVersorgungsstufen,verschiedenenFachabteilungen,StationsausstattungenundArbeitsschichten
• DieDefinitionvonMindestgrenzenisteinrichtigerSchritt;notwendigsindzusätzlicheMaßnahmenzurVerbesserungderArbeitsumgebung undderQualifikation…
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• nachhaltigeundeffektiveAnsätzezurPersonalgewinnungund-bindungsetzen, diediePersonalaufstockunggezieltbegleiten(durchVerbesserungenderPush-Faktoren)Ø EntscheidungsträgerinKrankenhäusernsolltendaherEnergie
daraufverwendenrelationaleFührungsstilezufördernundbeiEinstellungennebenfachlichenQualifikationenstärkeraufSoftSkillszuachtensowiebestehendesPersonalausreichendzuschulen
Ø durchdieVerbesserungderArbeitsumgebung(insbesonderederPush-Faktoren)lässtsichgleichzeitiganderStellschraubePersonaldrehen,ohneunbedingtPersonalaufzustocken.
Ø DarüberhinauswirddieAttraktivitätdesPflegeberufsgesteigertundhoheFluktuationsratenvermieden
SchlussfolgerungenII
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Vielen Dank!
[email protected] @tu-berlin.de