DAVID AND SYLVIA STEINER YIZKOR BOOK COLLECTION STEVEN SPIELBERG DIGITAL YIDDISH LIBRARY NO. I4180 Bielsko-Biala Memorial Book Miron/ Elijahu 1? THE NEW YORK PUBLIC LIBRARY - NATIONAL YIDDISH BOOK CENTER YIZKOR BOOK PROJECT NEW YORK, NEW YORK AND AMHERST, MASSACHUSETTS
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DAVID AND SYLVIA STEINER YIZKOR BOOK COLLECTION
STEVEN SPIELBERG DIGITAL YIDDISH LIBRARYNO. I4180
Bielsko-Biala Memorial Book
Miron/ Elijahu
1?THE NEW YORK PUBLIC LIBRARY - NATIONAL YIDDISH BOOK CENTER
YIZKOR BOOK PROJECT
NEW YORK, NEW YORK AND AMHERST, MASSACHUSETTS
THE STEVEN SPIELBERG DIGITAL YIDDISH LIBRARY PROVIDES
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WALTER LOWENBERG, Kaufmann in Bielitz,seine Frau MARTHA geb. HERZBERGderen Kinder SUSI und WILLYKURT LOWENBERG, Kaufmann in Bielitz,seine crau STE^T geb. SCHWARZ
der Schwager OTTO SCHWARZder Schwager KARL HERZBERGdie Kousine CILLI SPIELER geb. STEINBERG,ihr Mann ERNST SPIELER, Dentist in Skotschausowie deren Kinder RUTH und HANS.
"In trauendem GedenkenStella Kolban geb. Lowenbergund Dr. Artur Kolban.
"
- 138 -
ZUM GEDACHTNIS DER OPFER.'
ALEXANDER FRANKEL, orstandsmitglied der Kultusgemeinde Bielitz
,
der Sohn WOLFI
die Eltern MICHAEL FRANKEL, Bielitz, und AGATHE geb. DUNKELBLUM
der Bruder WOLF FRANKEL, Bielitz, seine Frau und seine Tochter
HELENE ROSSBACH geb. Fleischer, Witwe nach NACHUM ROSSBACH,Bielitz
,
der Sohn LOBEL ROSSBACH, Bielitz , seine Frau SARAH geg. ROSSBACH(Teschen) und die Kinder BLANKA und SALOMON
die Tochter FRIEDA, ihr Mann BERL SIEGMANN (Bielitz) und dieTochter SALA und RITA
der Schwager HERSCH-MEIER SIEGMANN, Bielitz, seine Frau LEAHgeb. ROSSBACH und die Tochter SALA
der Schwager JOACHIM ROSSBACH, Biala, seine Frau HELENE geb.
ROSENFELD, und die Kinder EVA, JECHESKEL,ISRAEL, JANKEL-MEIER und DAVID
der Schwager HEINRICH GOLDSTOFF, Bielitz, seine Frau SARAHgeb. ROSSBACH, und die Tochter FRIEDA
der Neffe MEIER LASAR LANDAU, Bielitz, seine Frau RIFKA geb.LIEBLICH, und die Kinder CHAIM-SALOMON undLILLY.
In trauemdem GedenkenAnny Frankel-Roth
- 139 -
ZUM GEDACHTNIS DER OPFER!
IGNAZ PERL, langj ahriger Prases der Chewrah Kadis cha in Biala,seine Frau HENRIETTE geb. MIDELBURGdie Tochter JULIE verehel. ROTH und ihre Kinder HANS und EVAder Schwager KARL MIDELBURG , Tuchfabrikant
.
CACILIE ROTH, geb. WEXBERG , Witwe nach dem Postmeister undKaufmann MORITZ ROTH in Weichsel
,
der Sohn RICHARD ROTH und seine Frau IRMA geb . RINGdie Tochter: Rudolfine, Witwe nach HEINRICH KOHANE , und JENNY,
Witwe nach Dr. HEINRICH EISNER,der Enkel Mgr. Jur. ERICH KOHANE, Bielitz,der Bruder RUDOLF WEXBERG , Komrowitz, und seine Frau ERNA geb.
KLAUSNER sowie zwei Sohnedie Nichte STELLA BARBER geb. WEXBERG, und ihre Sohne LUCIAN
und MARCELL , Skotschau,die Nichte STELLA WEXBERG geb . TRAMER, Drahomischl , und zwei
KinderLEO KOHANE, Skotschau, seine Frau EMMA geb . URBACH, und die
Tochter OLGA sowie ihr Mann Dr. Med. Apperman undihr Kind IRENE
ANTON BERMANN, Direktor der Tuchfabrik Schanzer in Bielitz
,
sein Sohn Ing. PAUL BERMANN und dessen FrauELSE geb. SCHMELZ.
In trauemdem GedenkenDr. Ernst Roth
140
ZUM SEELIGEN ANGEDENKEN!
Meine sel. Mama, Frida Goldreich, geb. 31.5.1886 wohnhaft in
BielitzMein sel. Papa, Prof. Fritz Goldreich, geb. 5.3.1863 wohnhaft
in Bielitzumgekommen auf dem Todestransport aus Niederschlesienim Februar 1945
In trauerndem GedenkenElse Smulowicz
- 141
IN MEMORIAN
- 142 -
DR. JOSEF TRAUBNER
Die Heimat Dr. Traubners war Schlesien und seine VaterstadtBielitz
.
Die politische und geistige Situation jeder Zeit iibten
auf die gesellschaftliche und politische Entwicklung Dr.
Traubners einen tiefen Einfluss aus. Er war Mitglied der Z.M.V.
Hasmoneah und des Wanderbundes f?Blau-Weiss l?. Nach Absolvierung
des Gymnasiums, immatrikulierte er sich an der Rechts-Fakultatder Universitat Wien, und beendete sie gerade vor Ausbruch des
ersten Weltkrieges. Im Kriege war er Frontof fizier
.
In die Heimat zuriickgekehrt,begann er seine Laufbahn als
Jurist. Mit der Beendigung des Krieges anderte sich das poli-tische Bild - Schlesien wurde an Polen zugeteilt. Der wirt-schaftliche Tiefstand und die Not der verelendeten Massenfuhrte ihn zur Arbeiter-Bewegung . Er marschierte an der Spitzeder von Not und Arbeit slosigkeit bedrangten Demonstranten. Dazugehorte nicht nur Mut
,sondern auch vollige Selbstlosigkeit
,
denn der junge Jurist der begonnen hatte sich eine Existenzaufzubauen und dessen Klientel die Fabrikanten waren - unter-stutezt gerade die Feinde seiner Brotgeber - die Arbeiterschaf t
!
Die politische Gesinnung Dr. Traubners wurzelte tief im
sozialistischen Ideengut . Sie basierte auf dem Wissen urn diehistorische Entwicklung der Wirtschaft und die entscheidendeStellung der Arbeiterschaf t , die sie durch den Klassenkampf er-
ringen soil. Dr. Traubner kam im engen Kontakt mit den jiidi-
schen Arbeitermassen in Galizien und Polen. Die bedrangte Lagedieser Menschen fuhrte ihn zuriick zur zionistischen Tatigkeitim Rahmen von Poalei-Zion. Mit vollem personlichen Einsatz undHingabe wirkte er mit am Aufbauwerke des jiidischen Staates.
Noch vor Einzug der Nazis in Bielitz, iibersiedelte er nachZurich. Er starb pleotzlich im Jahre 1962
.
- 143 -
er dem Kilns tier einen besonderen ehrenvollen Platz - "in dernicht sehr zahlreichen j ungen Kilnstlergeneration dieses Jahr-hunderts" - widmet und der Hoffnung Ausdruck gibt , ihm an derSpitzenreihe der polnischen Kiinstler zu sehen.
In Bielitz fand Jakob Glasner nicht nur seinen Wohnort
,
seine Arbeitsstatte . Der grosse Kreis intellektueller Kunst-freunde, die Sympatie und Anerkennung die er in der jiidischen
Gesells chaf t fand, boten ihm einen wertvollen Rahmen zu seinerkilnstlerischen Schaffung. Otto Schneid , Kulturhistoriker undMitarbeiter des "Jiidischen Volksblattes" widmete dem Schaf fenvon Jakob Glasner viele glanzende Beitrage ,
in dieser Bielitzerzionistischen Wochenschrift ,
die das jiidische Publikum seinerTatigkeit naher brachte und sie mit grossem Wohlwollen begleite-te. Otto Schneid bezeichnete Jakob Glasner als "Sanger derBeskiden, der Tatra und der Steirischen Berge".
Im Jahre 1939 einige Tage vor dem Einmarsch der Nazitrup-pen nach Bielitz , flilchtete Jakob Glasner nach Lemberg . Es ge-lang ihm bis Anfang 1943 sich den Augen der "Gestapo" zu ent-ziehen. Ret ten konnte er sich nicht . Er fiel in ihren blutigenHanden und fand den Tod zusammen mit alien Juden in Polen.
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JACOB GLASNER
"Sanger der Beskiden, der Tatra und der Steirischen Berge"
Jakob Glasner, Malcr und Grafiker war Kilnstier von Welt-
ruf. Er ist in Rdzawki, einem kleinen Dorfchen bei Nowy-Targ
am 6.4.1879 geboren. Sein kunstliches Studium absolvierte er
an den f!Akademien der schonen Kilnste" in Krakau, setzte seine
Ausbildung in Wien und Paris fort. Nach Beendigung des Stu-
diums im Jahre 1905 iibersiedelte er nach Bielitz, seine schop-
ferische Arbeitsstatte bis zu seinem tragischen Ende im Jahre
1943.
Im Laufe der Jahre unterbricht er oft seine Tatigkeiturn die neuen Stromungen in der Malkunst kennen zu lernen
,neue
Quellen fiir seine Schopfung zu erschliessen . Er ist oftersGast in Deutschland, Italien und Frankreich, halt sich langereZeit in Wien auf
,das seine zweite Heimat wurde. Aber Bielitz
hat fur ihn eine besondere Anziehungskraf t ,ist er doch ein
Kind der Beskiden, der Schonheit der Natur verfalien undBielitz liegt ja am Fusse der Beskiden. Die Verbundenheit zurNatur, den Bergen, hat auf sein kilnstier is ches Schaffen einenmagischen Einfluss . Seine Liebe zur Natur drilckt er in seinenBildern, Gemalden und Skizzen und seinen graphischen Holzschnit-ten aus
.
Schon im Jahre 1908 beteiligt er sich zusammen mit derKrakauer Kilnstlergruppe "Sztuka" an einer represantativen Aus-stellung in Wien, die allgemeine Anerkennung findet, und nach-her auch in Lemberg und Lodz
,in Berlin und selbstverstandlich
in Bielitz. In spateren Jahren nahert sich Glasner auch demKreis jiidischer Kilnstier in Polen, nahert sich auch jildischenMotiven. Im Jahre 1930 nimmt er Anteil an einer grossen jiidi-
schen Kilnstlerausstellung im Krakauer "Jildischen Kunsthaus 11
,
zusammen mit den prominenten jildischen Maler Polens - ArturMarkowitz, Abraham Neumann, Mosche Appelbaum und Henrik Hoch-mahn.
Die hohe Kunst Jakob Glasner findet besondere Anerken-nung in dem monumentalen Werke des polnischen KunsthistorikersFeliz Kopera, lfDie polnischen Maler im 19. Jahrhunder
t
?f in dem
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hatte weder die Zeitung lange Bestand, noch dauerte seine Tatigkeit in dem genannten Verein lang und so sehen wir ihn 1903wider in Wien.
Nun widmet er sich unter der aneifernden Leitung seinesUniversitatslehrers David Heinrich Muller semitischen Studienund promovierte 1906 zum Doktor der Philosophie. Im Jahre 1910erschien in den Mitteilungen der Wiener Akademie der Wissen-schaften seine Abhandlung :
f,Der Strophenbau in den Psalmen"
.
In dem grossangelegten Werke Monument a Judaica bearbeitete er
die Abteilung Monumenta Targumica. Von den iiberaus zahlreichenBeitragen, die er deutschen v jidischen und hebraischen Zeitun-gen lieferte
, seien nur die Artikel in der "Welt" hervorgehobenund ganz besonders die Aufsatze, in denen er das Archiv des so-zialistischen Schriftstellers Liebermann und im Anschluss daransozialistische Studien in der New Yorker "Zukunf t
ff in den let-zten Jahren verof fentlichte. Um den Zionismus hat er sich ein
• •
bleibendes Verdienst durch die Ubersetzung des Herzl f schen,!Judenstaates ,f
(mit Anmerkungen) und dessen ZionistischenSchriften ins Hebraische erworben.
Da ihm die wissenschaftliche Tatigkeit keinen ausreichen-den Lebensunterhalt bot
,
wandte er sich dem Lehrfach zu. 1909-
1911 finden wir ihn an dem Gymnasium in Briinn und Iglau und1911 kommt er als Religionsprofessor an das Staatsgymnasium in
Beilitz
.
Und jetzt konnten wir eigentlich aufhoren. Denn seineTatigkeit als Lehrer
,seine Verdienste um weite Kreise des
hiesigen Judenturns wie auch der Umgebung unserer beiden Stadtesind wohlbekannt . Er hat der Schuljugend, der judischen Ge-meinde
,dem Kulturverein f,Tarbuth lf
,dem zionistischen Verein
f,Haschacharn und der von diesem herausgegebenen Zeitung,unse-
rem !fJudischen Volksblatt",den judischen Jugendorganisationen
Dienste geleistet , die nicht hoch genug veranschlagt werden
konnen.
- 146 -
Zeitschriften seine stets willkommenen Beitrage zu senden,die sich mit den verschiedensten, wissenschaftlichen
,11-
terarischen, politischen oder sozialen Themen befassen.
1893 kommt er nach Wien und hier uben die jiidischnatio-nalen Kreise auf ihn die starkste Anziehungskraf t aus. Erhalt in der
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f?Kadimah lf
, dem altesten j iidischnationalen Studen-tenvereins Osterreichs
, hebraische Kurse und beteiligt sicheifrig an den Diskussionsabenden, grlindet mit Siegmund Wernerund Ernst die ffGamaja !f
, einen judischnat ionalen Verein gali-zischer Studenten, der den Schlagzwang ablehnte
, wie er damalsselbst in den judischen akademischen Vereinen bestand. Dariiberberichtet er selbst in den ffErinnerungen an Herzl 11
, die er1922 in 4 Nummern der "Wiener Morgenzeitung" veroffentlichte.Dort lernen wir auch sein Verhaltnis zu Herzl kennen . Er iiber-
rascht den in anderen Kreisen und Anschauungen Aufgewachsenenmit Der Tatsache, dass die hebraische Sprache gesprochen undgeschrieben wird und ein grosses Lesepublikum hat, und zitiertHerzls Worte: "Ein Volk, das seine eigene Sprache hat, istnicht gestorben. Unser Volk lebtl"
Fortan unterrichtet er Herzl liber alle bedeutenden Xus-serungen der jiddischen und hebraischen Presse und sendet auchan Sokolow, den Herausgeber der "Hazefirah" , im Namen Herzlseine Erklarung ab, in der er verschiedenes richtig stellt, wasSokolow in seinen Artikeln gegen den Zionismus vorgebrachthatte. Doch erst der erste Zionistenkongress in Basel bekehrteSokolow.
Auch Berkowicz wohnte dieser einzigartigen Versammlungbei. Er war als Sekretar des Verbandes "Zion" hingegangen undhatte mit anderen zusammen alle Hande voll zu tun, um den Kon-gress vorzubereiten . Von dieser Tatigkeit und von seinen Ge-fuhlen dabei berichtet er selbst schoner, als wir es konnten,in seinem Beitrag zur Festschrift, die aus Anlass des 25. Jahres-tages des 1. Kongresses im Judischen Verlag erschienen ist , Wir
finden diesen Beitrag in den "Mitteilungen des ZionistischenKreiskomites" vom 24.9.1922 abgedruckt
.
Doch sein Schicksal trieb ihn wieder herum und so kommt
er als Bibliothekar des Lesevereines f,Esra n, den Thon gegriindet
hatte, nach Krakow und machte sich auch dort durch Vortrage ver-dient. Mit Krakow hatte er schon 1898 durch den Verlag Achi-assaf Verbindung erhalten, indem er dort die Redaktion undAdministration einer jiddischen Zeitung ,fDer Jud ft
flihrte. Doch
- 147 -
u.a. in of fentlichen Institutionen wie in der Stadtgemeinde
,
Kultusgemeinde,jiidischer Volksbank u.s.w. vertreten war.
Es gab wohl Genossenschaften, sogenannte interkonfessio-
nelle berufsahnliche Handwerkergilden, deren Aufgabe es zum gros-
sen Teil war, seinen Mitgliedern behordliche Best immungen fur
einzelne Handwerksberufe zur Kenntnis zu bringen, die ausgebil-deten Lehrlinge einer Priifung zu unterziehen und ihnen von der
Behorde anerkannte Fachzeugnisse auszuhandigen. Die judischenHandwerker batten mit diesen Genossenschaften nur ganz geringen
Kontakt. Judische Handwerkslehrlinge gab es in den letzten
Jahren fast nicht.
PROF. DR. MICHAEL BERKOWICZ
Prof. Dr. Michael Berkowicz ist in Boryslaw am 3. Februar1865 geborn und hat dort eine fromme Erziehung genossen. Dochbald ging er nach Lemberg und oblag mit vielem Fleiss hebra-ischen Studien. Schon damals interessierte er sich fur hebra-ische Grammatik und das trug ihm unter den Chassidim den Spott-namen eines ,fBaal Dickduck” ein. Es war eine Zeit, wo man sichselbst in der Jeschiwah schon heimlich oder offen mit allge-meiner Bildung befasste, und brennender Wissensdrang beselteauch unseren Studenten. Aber die Not - nennt man sie mit Rechtdie Mutter der Wissenschaf t - trieb ihn aus der Schule in einGeschaf t . Er hielt es dort nicht lange aus und kehrte zumStudium zuriick. Endlich machte er am Brodyer Gymnasium Auf-nahmepriifung und legte dort die Reifeprufung ab.
Mit drei Freunden pflegte er schon in diesen JahreVerkehr und bleibt ihnen auch spater innig verbinden
,dem
alteren Rabin Braudes, dem geistreichen jiddischen und heb-raischen Schriftsteller
,mit Ehrenpreis
,der Oberrabbiner
in Stockholm war, und mit Thon, Abgeordneten und Fiihrer derZionisten in Westgalizien und Schlesien. Sie begeisternsich gemeinsam an der judischnationalen Idee und Berkowiczgibt mit Ehrenpreis zusammen eine jiddische Volksbibliothekheraus . Das ist aber nicht seine erste schriftstelleris cheTatigkeit. Schon 1886, noch ein Schuler, ist er Korres-pondent einer hebraischen Zeitschrift nHaibri ,? und hat ernicht aufgehort, deutschen und hebraischen Zeitungen und
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DIE JUDISCHEN HANDWERKER
Im Jahre 1922 oder 1923 wurde in Bielitz der Verbandselbstandiger jtidischer Handwerker von Moritz Popiol gegriindet
,
der bis zum Ausbruch des 2. Weltkrieges unter seiner Leitungstand. Die Ziele dieses Verbandes waren nicht nur materiellerArt, vielmehr hat sich dieser Verband zur Aufgabe gemacht, dasgeistige und kulturielle Niveau des jiidischen Handwerkers zuheben, sein Ansehen unter seinen jiidischen und nicht j iidischen
Mitbiirgem zu erhohen, und ihn zum Mitsprecher in der jiidischenGesellschaft zu machen. Es war nicht leicht
,gegen das weit
verbreitete Vorurteil zu kampfen, dass judische Handwerker(Baale-Mlacha) unverlasslich sind, und ihre Arbeit minderwertigsei. Da der Vorsitzende des Vereines selbst ein ausgezeichneterFachmann in seinem Berufe war, benutzte er jede Gelegenheit
,ob
in of fentlichen Diskussionen, oder in kleineren Zirkeln, seineKollegen immer wieder anzuspornen, zu beweisen, dass das schoneingefleischte Vorurteil vollkommen unberechtigt war. Im Jahre1935 wurde im Saal der jiidischen Kultusgemeinde eine ganze Wochelang eine Ausstellung jiidischer Handwerksarbeit gezeigt, derenErzeugnisse in ihrer Ausfiihrung und Exaktheit in nichts von dervielgepriesenen deutschen Arbeit zuriickstand . In fast alienHandwerksberufen waren Juden vertreten, judische Schmiede undMaurer gab 1
s allerdings nicht in Bielitz.
Wie bereits oben erwahnt,war dies nur eine der Aufgaben.
Allwochentlich am Mittwoch fanden im Handwerkerlokal Zusammen-kiinfte manchmal zwanglos, aber oft Vortrage in deutscher Spracheliber aktuelle politische Probleme, als auch kulturelle Themenstatt. Es war zu staunen, dass in diesem Kreise sich sovielVerstandnis fiir alle moglichen Probleme in der Diskussion zeigte.Urn nur einige von den Prelegenten zu erwahnen, mochte ich be-merken, dass Prof. Turk und Dr. Zipper sehr oft als Vortragendezur Verfiigung standen.
Wenn kein Gastredner zur Verfiigung stand, war es der Vor-sitzende selbst, der mit einem vorbereiteten Referat zur Stellewar. Wie wohl der Verband nach aussen hin apolitisch war, warenseine Mitglieder zu 75 Prozent Zionisten aller Schattierungen.Es ist daher kein Wunder, dass der Verband in verscniedenenKadenzen durch seine Mitglieder Berek, Fleissig, Gerad, Popiol
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Anspom und Verfplichtung der Zuruckgebliebenen den Turnbetriebaufrecht zu erhalten. Ich ubernahm als Vorturner zuerst dasDamenturnen und begann auch wieder das Herrenturnen zu koordi-nieren, wobei wir natiirlich die Jugend
, vor allem Studenten undGewerbeschiiler heranziehen mussten. Auch eine alte Herrenriegewurde aktiviert. Von dieser Zeit an, ubernahm ich den gesamtenTurnbetrieb, welchen ich bis zum Jahre 1928 inne hatte.
Mit dem Kriegsende, November 1918, kamen auch unsere Tur-ner und Vereinsfunktionare zuruck und man begann jetzt mit ver-einten Kraften den Turnbetrieb und das Vereinsleben von neuemzu intensivieren. Mit den alten Anschauungen wurde natiirlich
gebrochen und man begann die gesamte jiidische Jugend vom sechs-ten Lebensjahr aufwarts zum Makkabi und damit zum Vereinsturnenheranzuziehen. - Die Erfolge waren verbliif fend und es hat Turntag<
gegeben, wo an einem Turntag von 5 bis 10 Uhr abends im Durch-schnitt ca. 320 Turner und Turnerinnen teilnahmen. Geturnt wur-de in vier Gruppen wie folgt:
Madchenzoglinge bis 13 Jahren, Beteiligung ca. 65
Knabenzoglinge lf 14 ",
Mca. 100
Damen von 14 aufwarts ," ca. 70
Herren von 1511
,
Mca. 80,
und zwar zweimal wochentlich, zu je 75 Minuten pro Abend. Jetzt
aber tauchte ein besonderes Problem auf und das war die Vortur-nerfrage. Bei einer solchen Beteiligung musste vorerst auf demGebiete des Vorturnerwesens eine Losung gefunden werden. Aberauch das Turntechnische musste den fortschrittlichen Methoden,die auf alien Sportgebieten praktiziert wurden, angepasst wer-den. Ich wurde daher im Jahre 1922 auf Vereinskosten nachBerlin auf die Hochschule fur Leibesiibungen geschickt und ab-solvierte dort einen Turn- und Sportlehrer-Kurs . Mit neuenMethoden und Sportkenntnissen kehrte ich in den Makkabi Bielitzzuruck und begann als erstes entsprechende Vorturner fur jedeTurngruppe auszubilden, wobei ich junge talent ierte Turner ausden Reihen unserer Turner assent ierte. - Mit diesem Stab vonVorturnern war es mir erst moglich, den Turnbetrieb zu aktivie"-ren und erfolgreich zu leiten. Der Verein erreichte dann, so-weit es mir moglich war, festzustellen, die besten und erspries-slichsten Jahre seines Bestehens. Als ich mich im Jahre 1928selbstandig machte und nach Kattowitz ging
,konnte ich mit Stolz
und Genugtuung mein Amt einem besonders engagierten und besol-deten Turnlehrer aus Wien ubergeben.
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Turnlehrer Herr Klimecki und fur die Damenriege Herr Laskovckiengagiert. Diese Einteilung bestand dann bis knapp vor demersten Weltkrieg 1914-1918.
Wie eingangs erwahnt,bin ich als erster Zogling im Jahre
1912 zum Herrenturnen zugelassen worden, nachdem man meineturntechnischen Qualitatcn wie auch Sporttalent erkannt hatte.
Dies geschah jedoch ganz inof fiziell,denn laut den bestehenden
Schulvorschriften war es strengstens verboten,dass Schuler Mit-
glied eines Vereines sein durften. Die Professoren der Mittel-schule, Werner und Fink, die selbst aktive Turner waren, mus-sten daher beide Augen zudriicken (und sie taten es gerne)
,da-
mit ich ungehindert am Turnen teilnehmen konnte. - Der Turnbet-rieb wickelte sich damals in zwei Herrenriegen und einerDamenriege ab . Der Hohepunkt der Turnsaison war das Chanukka-Fest , wo gewohnlich als Makkabaer-Feier ein Schauturnen im
Saale sowohl von der Herrenriege als auch von der DamenriegeVeranstaltet wurde, an welchem sich dann der "Makkabi-Turnver-einsball” anschloss, besonders beliebt bei der ganzen j lidischenBevolkerung von nah und fern. Durch Ausf luge an Sonn- undFeiertagen in die herrliche Umgebung von Bielitz wurde auch daskameradschaftliche und gesellschaftliche Niveau erweitert undgepflegt . - Ein ganz besonderes Ereignis gab es im Juli 1914fur den j lidischen Turnsport und zwar der Kreisturntag in Brlinn
,
an welchem alle j lidischen Turn- und Sportvereine der osterrei-chisch-ungarischen Monarchie teilnahmen. Auch Makkabi Bielitzwar mit einer Herrenriege und einigen Damenturnerinnen beidiesem Fest vertreten. Fur mich aber als jlingster Teilnehmerund aktiver Turner, der ich das erste Mai an einem solchen im-posanten Turntechnischen Ereignis teilnahm, war dieses Turnfestein besonderer Markstein.
Kaum waren wir aus Brlinn nach Bielitz zurlickgekehrt ,brach
der erste Weltkrieg aus. Dieses weittragende und welterschlit-
ternde Ereignis hatte natlirlich auf unser gesamtes Vereinslebeneinen verheerenden Einfluss . Ein Grossteil der akt iven Turnerund fiihrenden Mitglieder des Vereines musste sofort nach Ver-lautbarung der Mobilisierung einrucken und in kurzen Abstandenfast die gesamte Herrenriege. Mit meinen 15 Jahren blieb ichfast allein mit zwei bis drei jlingeren Mitgliedern. Auch die
beiden Turnlehrer mussten zum Militar und es sah so aus, alsdass es notwendig sein wird, den Turnbetrieb einzustellen. Nurdie Damenriege bestand in voller Starke weiter und das war ein
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Rlickblick auf den judischen Turnverein
"MAKKABI BIELITZ - BIALA"
Mehr als 55 Jahre liegen zuriick, als ich im Jahre 1912als erster Zogling des Makkabi Turnvereins Bielitz-Biala auf-genommen wurde. Ich will hier versuchen, etwas liber die Tatig-keit des mir an }
s Herz gewachsenen Vereines zu berichten,wie-
wohl es ja nicht einfach ist nach einer so langen Zeitspanneund nur aus dem Gedachtinis meine Erinnerungen aufzuschreiben
.
Die Zeit,uber die ich vor allem berichten will
,ist die
Spanne von den Jahren 1912 bis 1928 . Was vor und nach dieserZeit sich ereignet hat , sind Berichte
,die mir von alteren oder
jiingeren Mitgliedern des Vereines zu Ohren gekommen sind
.
Die Griindung des Makkabi im Jahre 1906/7 hat sich ausder dringenden Notwendigkeit ergeben, der judischen Jugend inBielitz
,deren judischen Einwohnerzahl sich von Jahr zu ver-
mehrte, eine Betatigung in physischer Hinsicht zu geben. In
der bestehenden Turnverein F.F.F.F. Bielitz war die Aufnahmevon Juden ausgeschlossen. Wie alle Anfange von Griindungen jti-
discher Turn- und Sportvereine haben sich eine Gruppe von j un-gen judischen Handwerkern und Beamten, - an den Fingern einerHand abzuzahlen -
, inspiriert durch die Zionistischen Kon-gresse und vor allem durch den Visionar Theodor Herzl und MaxNordau zusammengeschlossen
,urn im Turnzimmer
,- Saal konnte
man den Raum nicht nennen -, der judischen Volksschule in
der Giselastrasse,den Turnsport zu pflegen. Dieser Zustand
anderte sich infolge seiner Unzulanglichkeit nach wenigenJahren und es gelang der Leitung des Vereines schliesslich denTurnsaal der Mittelschule auf zwei Abende in der Woche zu mie-ten. Nach den Erfolgen der Herrenriege und der tatkraftigenUnterstiitzung der judischen Bevolkerung
,wurde auch eine Da-
menriege ins Leben gerufen. Nun begann der Verein sowohl in
turntechnischer,wie auch gesellschaftlicher Hinsicht sich zu
entwickeln und eine Rolle im judischen Leben der Stadt zuspielen. Man schrieb damals die Zeitspanne 1908/9 . - Urn in
der Entwicklung des akt iven Turnsportes weiter zu kommen , wares notwendig, geeignete Turnlehrer zu haben und nachdem es ju-dische Turnlehrer nicht gab „ wurden fur die Herrenriege als
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machen, wurde in die judische Gasse hinausgetragen, so kam
es, dass viele Mitglieder der "Chewrussa” ihr Konnen aufdem Turnboden des Makkabi oder auf dem Fussballplatz derf,Hakoah !f zeigten.
Der Ausbruch des ersten Weltkrieges hat die Verhalt-nisse vollkommen geandert , denn ein Grossteil wurde zumMilitardienst eingezogen. Der Kontakt zwischen den Bun-desbrudern wurde zerrissen und erst wieder aufgenommen
,
als die Freunde vom Kriegsschauplatz und aus russischerGefangenschaf t heimkehrten. Nach durchgefuhrter Reakti-vierung wurde die Grundung eines Verbandes der ,fAltenHerren” der Chewrussa und im Anschluss daran das ’’Kartell
Zionist is ch-technischer Verbindungen” der GewerbeschulenBielitz/Briinn/Bielitz beschlossen. Die Neuordnung derpolitischen Mappe nach dem ersten Weltkrieg hat manches auchin der ’’Chewrussa” geandert, es kam zu einem Zuzug jlidischerStudenten aus dem Osten, aus Lodz, Warschau und anderen Stad-ten. Sie suchten Anschluss und fanden ihn in der “Chewrussa”.Bereits im Jahre 1923 meldeten sich die ersten Chewrussanerzur Alij ah
.
Unvergessen fur die “Chewrussa" sind die NamenEduard Feuerstein, Professor an der Gewerbeschule in
Bielirz
,
Dr. Michael Berkowitz, Professor am Gymnasium in Bielitz
,
Karl Borger, Lehrer an seiner Handelsschule in Bielitz.
Ihrer Hilfe war die "Chewrussa" gewiss und die 14-18Jahrigen waren stolz auf ihre Protektoren.
Im Jahre 1926 beschlossen die A. H. Verbande der zionisti-schtechnischen Verbindungen Chewrussa/Bielitz
,Jordania/Wien
und Hasmonaa/Brunn sich in einem einzigen Verband zusammenzu-schliessen, dem sie den Namen "Haboneh” gaben, mit der Zentralein Bielitz. Aber beim Ausbruch des zweiten Weltkrieges war der""Haboneh” dasselbe Schicksal beschieden, wie dem ubrigen euro-paischen Judentum. Die die am Leben blieben, leben nun in derganzen Welt verstreut, nur 90 der weit liber 200 Mitglieder lebenin Israel. Trotz der riesigen Entfernungen
,es wohnen Bruder in
Australien, New Zealand, Argent inien und Brasilien, gibt es
einen herzlichen Kontakt.
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Gewerbeschule litten von ihren nltscniilern aus den deutsch-na-tionalen Studentenverbindungen. Der Gedanke der nationalenFreiheitsbewegung einerseits und die Welle der ixnmer starkerwerdenden antisemitischen Stromung unter den deutschen studentenandererseits , war ausschlaggebend fur die Grundung der "Chewrus-sa !l
. Die Studentenorganisationen waren j edoch unerlaubt undjeder Student
,der Mitglied der ,?Chewrussa ,f war
, lief Gefahr vonder Schule ausgeschlossen zu werden. Dies hielt j edoch nieman-den ab und nach kurzer Zeit gab es eine stattliche Anzahl vonGewerbeschulstudenten in der "Chewrussa" . Anfangs war es einereine Freundschaftsgemeinschaft , man kam in der Pause zusammen,man besprach personliche Dinge
, aber auch politische Tageser-eingnisse . Nur am Sams tag Nachmittag trafen sich die Chewrus-saner zu of fiziellen Sitzungen. Sie fanden eine zeitlang inder Miihle Werber und dann in Karl Borgers Privat-Handelsschulestatt . Langs am bekamen die Sitzungen Inhalt , man sprach uberjiidische Angelegenheiten der ganzen Welt . Man las die vonHerzl herausgegebne Zeitung "Die Welt !T
,es wurden Kurse uber
jiidische Geschichte vorgetragen und es warte nicht lange,als
aus der j iidischen Verbindung eine zionistische wurde . Machdem Muster der deutschen Verbindungen wurde j eder neu eintre-tende zuerst Hospitant
, dann Fuchs und nach erfolgter Ablegungeiner Prufung in jiidischer Geschichte und Palastinageograf ieBursch und nach der Matura "Alter Herr" der Verbindung
.
Fast gleichzeitig mit der Grundung der "Chewrussa"entstand eine zweite jiidische Verbindung
,die "Hasmonaa"
,
deren Mitglieder sich aus Schiilern des deutschen Gymnasiumsund der deutschen Realschule zusammensetzten. In Einzelfalienwurden auch Gymnasiasten in die "Chewrussa" aufgenommen. DieZiele der "Chewrussa" waren aufrichtige und gegenseitigeFreundschaf t zu pflegen und die Menschen zu aufrechten undstolzen Juden zu erziehen. Von einer zionistischen Aktivitatkann bis zum ersten Weltkrieg wohl kaum die Rede gewesensein. Langsam kam es zu einer Kontaktnahme mit der damalsstark assimilierten j iidischen Bevolkerung
, die der "Chewrus-sa" sehr skeptisch gegeniiberstand. Schrittweise gelang esden j ungen Menschen Sympatie, Freundschaf t und Anerkennungin den jiidischen Hausern zu f inden. Verschiedene Veranstal-tungen wie Tanzstunden, Semesterfeiern und Stiftungsfestetrugen sehr viel zur Kontaktnahme bei . Die von Nordau ge-pragte Parole - korperliche Ertiichtigung der jiidischenJugend, aus gebeugten Judenj ungen aufrechte junge Juden zu
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staltete die "Emunah” Agitationsversammlungen in den umliegendenOrtschaften. So wurde im Laufe der Jahre in Kenty, Andrichau,Wadowice ,
gen mit zionistischen Themen veranstaltet . tJberall wurde die
Verbindung freundlichst aufgenommen ; in vielen Orten erhielt sie
durch das Entgegenkommen der massgebenden Personlichkeiten fur diePropagandareden den Tempel . In Ung . -Hradisch . Loschitz, M. -
Ostrau und M.- Weisskirchen wurde die Griindung von Vereinen und
Ferialverbindungen durch Delegierte unterstiitzt
.
Auch an der Griindung des zionistischen Vereines ,fHascha-
char lf in Bielitz und des judischen Turnverreines beteiligte sichdie Verb indung in ganz besonderer Weise
.
Wahrend in Biala uns Kultusgemeinde und die gesamteJudenschaft sympatisch und verstandnisvoll entgegenkamen , fand
die Bielitzer Bevolkerung ihren Weg auch ohneihre berufenen Vertreter zu uns. Als Beweis fur dieses Entgegen-kommen ,
welches wir aus alien Schichten der Bevolkerung fanden,
diene die Liste unserer Forderer. Es ware aber irrig zu glauben,
dass nur die Forderer unsre Anhanger sind. Denn wahrend uns der
eine durch seinen Forderbeitrag zu erkennen gab, dass er mit uns
flihle, arbeitete der andere dadurch mit uns mit, dass er neue
Anhanger warb und so fur die Verbreitung und Vertiefung des
Zionsideals sorgte.
Z.G.V. "CHEWRUSSA"
Die f!Chewrussa ft wurde im Jahre 1896 gegriindet , zu jenerZeit als Theodor Herzl den "Judenstaat” schrieb. Zwei jungeStudenten der Gewerbeschule Otto Feldmann und Salo Storosumschufen die erste jiidische Studentenverbindung in Bielitz. Sie
kannten damals noch nicht Pinskers "Autoemanzipation" und siewussten auch nichts von der in ihrer Nachbarstadt im Jahre 1884
stattgefundenen ”Kattowitzer Konferenz”.
Obzwar Bielitz zu jener Zeit eine liberale deutsche Stadt
gewesen sein mag, gab es an der "Hoheren Staatsgewerbeschule"eine antisemitische Strdmung, hereingebracht durch deutscheStudenten aus dem Sudetengebiet
,die ihren Nahrstoff aus dem
Dreifusprozess bezogen. Beinahe ganz Europa litt unter dem umsich greifendem Antisemitismus . Die judischen Studenten der
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so dass sie bald von der Wiener judischen Studentenschaf t miteinem besonderen Namen bezeichnet warden: "Die Sektion Bielitz"
.
Am 23. Oktober war diese "Sektion Bielitz" im Cafe Jagerhof
,
Wien IX, versammelt . Die Diskussion liber die beste Methode denzionistischen Gedanken in Bielitz Eingang zu verschaf fen -und dieBielitzer judische Studentenschaf t im jiidisch-nationalen studen-tischen Sinne zu organisieren fiihrt zu dem gliicklichen Entschlusseeine Ferialverbindung zu griinden. Dieser Entschluss ruf t eineungeheure Begeisterung hervor . Im nur der Jugend eigenen Enthu-siasmus umarmen sich die Studenten und schworen einander ihrenBeschluss in Tat umzusetzen.
So ward an j enem Abend,glorreichen Andenkens , unsre liebe
Ferialverb indung gegrundet , der wir alle so viel verdanken.
Schon in den nachsten Tagen traten die Mitglieder zur Wahleines Ausschusses zusammen. Dieses erste Presidium bestand in
den Herren: Pras . stud . med. Max Honiger , Vizepras . : stud. tech.Philipp Singer , Schriftf(ihrer : stud . tech. Josef Klipper
.
Der Ausschuss begann seine Tatigkeit mit der Einfuhrungvon regelmassigen Konventen, in welchen die Grundprinzipien derVerbindung, die Statuten und die in Bielitz zu entwickelndeTatigkeit durchberaten wurde
.
Zweck der Verb indung sollte Weckung und Hebung des Selbst-bewusstseins und Zusammenschluss der j iidischen-nationalen Studen-tenschaft von Bielitz-Biala und Umgebung sein. Zur Erreichungdieses Zwecks wurden verschidene Mittel in Aussicht genommen
.
Die Tatigkeit der Verbindung ausserte sich in zahlreichen,periodischen offentlichen Vereinsversammlungen durch welche die
Zionsidee in der Bielitzer Bevolkerung verbreitet wurde . Durchdiese Versammlungen wurden zum ersten Male in unseren Schwesters-tadten offentlich spezifisch judische Themen diskutiert . Der aus-
gezeichnete Besuch dieser Veranstaltungen gab einen Beweis furdas Bedilrfnis nach einer derartigen Aussprache . Dass unsere Kul-tusvorstande
,deren representative Tatigkeit sich bisher lediglich
auf rituelles Gebiet beschrankte uber dieses impulsive Auftretender nationalen Idee aus dem Hauschen gerieten ,
darf nicht Wundernehmen
.
Allein diese Arbeit der Verbindung erstreckte sich nicht nur
auf die Schwesterstadte . Von der Erwagung ausgehend , dass die zio-
nistische Idee die weiteste Verbreitung finden musste , veran-
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Wiener jiidische Studentenschaft,fruchtbar angeregt durch den
bestandigen Kontakt mit den geistigen Ftihrern der zionistischenBewegung , schritt friihzeitig an das schwierige Werk, der er-wachten jiidischen Nation den Weg zu bahnen.
Schon bevor Herzls "Judenstaat 11 mit seiner revolution-ierenden Wirkung die judische Nation aufriittelte , bestanden in
Wien eine Anzahl jiidisch-nationaler Studentenverbindungen. Seitungefahr anderthalb Jahrzehnten die "Kadiniah 11
, fe rner die "Uni-
tas” und die l! Ivria fl. Zweck dieser Verbindungen war mannhaf te
Verfechtung des j iidischen Namens und Verbreitung zionistischerIdeen. Wenn aber dieser Zweck auch in der Metropole erreichtwurde
,so machte sich doch bald das Bediirfnis geltend
,natiorales
Ehrgefuhl und zionistische Gedanken in die Provinz zu verpflan-zen. Dies zu tun schienen in erster Linie Ferialverbindungenjudischer Studenten berufen.
So konstituierte sich im Herbste des Jahres 1896 der nationalgesinnte Teil der jiidischen Studentenschaf t von Bielitz zur
ersten jiidisch-akademischen Ferialverb indung Osterreichs . DieseFerialverbindung ist die ?fEmunah !t
.
In den Ferien des Jahres 1896 beschlossen eine Anzahl ju-discher Studenten, die Herren Philipp Singer
,Karl Wagner , Josef
Klipper , Moritz Trainer,Hugo Serog
,die in Wien die Ideen der
jiidischen Moderne in sich aufgenommen hatten, diese Ideen auchin Bielitz zu verbreiten. Zur Erreichung dieses Zweckes setztensie sich mit der judisch-akademischen Verbindung Ivria ins Ein-verstandnis
,die mit grosster Bereitwilligkeit und Liebenswiir-
digdigkeit ihr Unternehmen unterstiitzte. Mit Hilf e der Ivrianergriindete sich anfangs September 1896 ein Garantiekomitee fureinen Agitationskommers
,dem neben dem obererwahnten roch die
Herren Schembeck und Max Honiger angehorten. Dieser Kommers
,
der ganz im gleichen Style arrangiert war , wie die zionistischenKommerse die seither alljahrlich stattfinden, versammelte dieSpitzen der jiidischen Korporat ionen unserer Schwesterstadte , dieHerren Rabbiner Dr. Glaser und Dr. Steiner ,
die jiidischen Advo-katurskonzipienten und die Vertreter der Presse. . Eine grosseAnzahl von Ivrianern waren zu diesem Kommers delegiert , darunterals Wortfiihrer die Herren Karl Kohn, Fried , Pobersky
.
Nach Wien zuriickgekehrt traten die schon frliher erwahntenjiidischen Studenten in engere Verbindung . Sie diskutiertenernsthaf t iiber Zionismus und waren stets bei zionistischen Ver-sammlungen und festlichen Veranstaltungen beisammen zu f inden,
1 924 "D’^lKb"lnn-’^na .
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Polonisierung der Stadte aufzuhalten. Massgebend fur dieseHerren war damals die Wiener Kultusgemeinde , die von ihremPrasidenten Dr. A. Stern im Sinne des deutschen Liberalismusgeleitet wurde und sie zitierten mit besonderer BefriedigungDr. Gudemanns ?fNationalj udentum®* - eine Replik auf HerzlslfJudenstaat".
Der ,,HaschacharH begann den Kehillagewaltigen tatsachlichbald unbequem zu werden. Es geschah, wie ich glaube , zum erstenMai in der Bielitzer Kehille, dass. anlasslich der im Jahre 1898ausgeschriebenen Wahlen in die Kultusgemeinde vom ^Haschachar 1 ®
eine grosse Wahlerversammlung einberufen wurde, in der ich be-auftragt wurde, iiber das Zionistische Kultusgemeindeprogramm zureferieren. All die Kramer, Handwerker und die kleinen Kauf-leute waren massenweise erschienen; sie lauschten gespannt denAusfiihrungen , ihre Herzenssaiten vibrierten und weckten in ihnenTone, die der graue Alltag so sehr gedampft hatte.
Der damalige Vorstand war nur durch den Vize-PrasidentenHerrn Salomon Tugendhat jr. s.A. vertreten, der in seiner Er-widerung auf das zionistische Programm iiberhaupt nicht einging,sich nur dagegen verwahrte, dass Lossungen aus dem Osten intfunsere fl Gemeinde hineingetragen werden... Die alte Litanei desnon movere, die alte Parole: ,fStille, stille, nur kein Gerauschgemacht I ...
11
DIE GESCHICHTE DER "EMUNAH" 1896/1906
Das nationale Erwachen des jiidischen Volkes im 19. Jahr-hundert wird fur den Betrachter der jiidischen Geschichte stetsein hochst interessantes, anziehendes Kapitel bleiben. Wasdiese Periode von alien (ibrigen Epochen judischer Historieseit Auf16sung des jiidischen Staates unterscheidet , ist diesichtbare Manifestien eines bewussten Willens zur Tat, zumselbstandigen Eingreifen in das Geschick, gegeniiber dem frii-
heren blossen Dulden. Kurz das zum Passivum degradierte Juden-tum wurde aktiv.
Das machtigste Echo fand den Erlosungsruf des jiidischenVolkes in der jiidischen Studentenschaf t . Ganz besonders die
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Rolle spielten und die nach Bielitz beinahe als die ersten ge-kommen waren, gelangten nur aus dem Titel ihrer Prioritat zur
Leitung in der dann entstandenen Jiidischen Gemeinde. Den in
diesen als Magyaren sich ausgebenden Juden seit jeher bestan-denen Antagonismus gegen die "Polnischen" libertrugen sie sehr
bald auf die etwas spater zugezogenen Juden aus Galizien. DiesVorgehen trug ausser den oben angefiihrten Grunden noch mehrdazu bei, dass sich die letzteren der neupropagierten zionis-tischen Idee, die keine geographischen Grenzen unter Judenzuliess, zuganglicher erwiesen.
Nachdem ein Teil der Mittelschuljugend bereits gewonnenwar, diese die zionistische Aufklarungsarbeit im Elternhausemit jugendlichem Eifer betrieben hatten, wurde der Boden fur
die Grundung eines f?Biirgervereines l? reif und ich wurde vom Ver-band "Zion" in Wien, der damals die zionistische Zentrale filr
Osterreich bildete, veranlasst, an die Grundung eines solchenVereines zu schreiten. Zusaramen mit den Herren F . Rabinowitzs.A., Adolf Huppert
,David Alexandrowicz s.A. u.a. , und unter
Assistenz der akad. Ferialverb indung "Emunah" , wurden die Sta-
tuten fur den Verein "Haschachar 11 ausgearbeitet,zur staatli-
chen Genehmigung vorgelegt und nach Herablangung derselbeneine Propaganda-Versammlung einberufen, in der Dr. LeopoldKahn aus Wien ein glanzendes zundendes und hinreissendes Re-ferat erstattete. Diese Versammlung bildete den Grundsteindes !fHaschachar ,f und gewann noch an lokaler Bedeutung durchdie Erklarung Ehrw. Herrn Rabb. Dr. Glaser aus Biala, dasser dem neuzugriindenden Verein als Mitglied beitrete. In derdarauf folgenden ersten Generalversammlung , wurden auch dieHerren Dr. Kahn und Rabb. Dr. Glaser als-erste Ehrenmitgliederdes "Haschachar" gewahlt
.
Wie damals beim grossten Teil der jiidischen Gemeindere-prasentanzen war auch die Stellung der jiidischen Gemeindever-treter in Bielitz zum Zionismus eine ablehnende. Wohl dis-kutierten sie gelegentlich bei Propagandaversammlungen mit den"j ungen Zionisten"
, ohne sich aber in ihrefn festen Glauben andem "Liberalismus" erschiittern zu lassen und betonten mit aliendamaligen "Protestrabbinern" die "jiidische Religionsgemein-schaft". Sie hielten sich als deutsche Juden und merkten nichtoder wollten nicht merken, dass die liberale Partei im Reichs-rate ihr urspriinglich klares Programm bereits mit antisemiti-schen Bazillen getrilbt hatte, und dass sie besonders in BielitzBiala von den Deutschen lediglich dazu benutzt wurden, urn die
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AUS DER JUGENDZEIT DES "HASCHACHAR"
Der Wercjegang des "Haschachar 11 war kein leichter. Er musstenicht nur eine Generation (iberdauern, die im ehrlichen Glaubenan den Fortschritt der Menschheit
,das eigene Los und das ihrer
Briider, der denials noch vorherrschenden , allerdings sehon seich-ten Stromung des Liberalismus anvertrauten , vielmehr musstejeder einzelne Jude, dessen Gedankenwelt der Zionismus aufge-wiihlt hatte, mit sich selbst zunachst fertig werden. Er musstediese geradezu revoltierende Idee zunachst richtig erfassen, urn
mit dem neuen Riistzeug versehen, die richtige Antwort auf dasihn beschaftigende "jiidische Problem" sich selbst geben zu kon-nen, Fernsicht zu erlangen, urn alien gleisnerischen Ideen, dievielversprechend und daher verlockend waren, Stand zu halten.Wir j ungen Juden von damals ahnten intuit iv, dass alle geistigeWegzehrung, die uns vom Elternhause, von der .judischen Lehr-statte her fur das weitere Leben mitgegeben wurde, unterwegsverloren ging. Wir fiihlten, dass unser "Jude sein" auf Kostender noch sehr verschwommenen ffNur-Mensch-sein"-Idee leiden mus-ste, dass uns der Eintausch von sicheren tausend Jahre altenVolkswerten gegen etwas Ungeklartes , Unbest immtes , Problemati-sches empfohlen wurde.
Es ist klar, dass solche Gedanken nur bei denjenigenJuden auftauchen konnten, die aus dem nsten kamen
,wo ihnen
noch die Moglichkeit geboten war, ihr Wissen aus dem Urquelljildischer Lehre zu bereichern, die von des Gedankens Blasse desjudischen Westens noch nicht angekrankelt waren. So ist es
denn kein Wunder, dass gerade in Bielitz, wo sich der "Osten"und "Westen" begegneten, es zunachst die "Ostler" waren, auf
die der Zionismus mit seinen logischen Konsequenzen einwirkenmusste - und dass sie die ersten Apostel dieser Idee wurden.Und so waren es junge Juden, aus dem Osten, die die Griindung
der Studentenverbindungen: "Hasmonaa" ,"Chewrussa", und "Emunah"
beeinflussten.
Wie Ehrwiirden Herr Rabb. Dr. Steiner in seinem im "Judi-schen Volksblatt" verof fentlichten Aufsatzen "Zur Geschichteder Juden in Bielitz" nachwies, gab es in dieser Stadt eigent-lich keine autochthonen Juden. Die Juden aus der Slowakei, die(ib rigens in der judischen Geistesgeschichte nie eine Besondere
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Fur die Unterbringung der Gemeindekanzlei,Matriken und
der Rabbinatskanzlei war durch viele Jahre gar nicht vorgesorgt.Der jeweilige Kultusprasident , Rabbiner oder Matrikenfiihrer ver-wahrte die betreffenden Dokumente und Belege in seiner Privat-wohnung und der Gemeindesekretar besorgte gleichfalls die ein-schlagigen Agenden in seiner Wohnung . Diese fur die Dauer un-haltbaren Verhaltnisse waren die Veranlassung dass im Jahre 1898die Errichtung einer eigenen Gemeinde- und Rabbinatskanzlei in
den Schulgebaude zu diesem Zwecke hergerichteten Raumlichkeltenbeschlossen und im Jahre 1899 durchgefuhrt worden ist. Alleindieser Umstand war nicht von langer Dauer, denn schon nach Ver-anderung der Schule musste die Gemeindekanzlei aus dem Schulge-baude entfernt werden und in eine Mietswohnung ubersiedeln.
Die Gemeindevertretung befasste sich schon im Jahre 1895mit der Frage der Erwerbung eines entsprechenden Grundstiickeszur Erbauung eines Gemeindehauses und war zu jener Zeit das ge-gentiber der westlichen Front des Tempels gelegene Grundstuckals Kaufobjekt in Aussicht genommen. Dieses Projekt gelangte
j edoch nicht zur Aus fuhrung . Erst im Jahre 1903 wurde durcheinhellige Beschliisse des Vorstandes vom 7. Juni und des Aus-schusses vom 10. Juni 1903 der Ankauf des an Ecke der Schul-und Elisabethstrasse gegeniiber der nordlichen Front des Tempelsgelegenen Grundstiickes genehmigt und unter Vorsitz des Kultus-prases ein aus mehreren Mitgliedern des Ausschusses bestehendesKomitee mit der Durchfuhrung der Kauf- und Bauangelegenheitenbetraut, welches die ihm (ibertragene Aufgabe gelost hat. Bei
Aus fuhrung dieses Baues wurde darauf Bedacht genommen, dassderselbe einen entsprchenden Fest- und Betsaal, ebenso dienotigen Ubikationen fur die Gemeinde- und Rabbinatskanzlei ent-halte; die Souterrainlokalitaten wurden so angelegt , dass die-selben an den israelitischen Freitischverein vermietet werdenkonnen ; die Wohnungen in den einzelnen Stockwerken wurden als
Naturalwohnungen fur den jeweiligen Rabbiner und Oberkantorbestimmt; ebenso wurde eine Wohnung nach den Wiinschen desHumanitatsvereines Bnai-Brith adaptiert, welcher schon beiBeginn des Baues sich als Mietpartner gemeldet hatte.
Der Bau wurde im Mai 1904 begonnen. Zur Erwerbung desGrundes wurden die vorhandenen Mittel der Kultusgemeinde ver-
wendet, das Baukostenerforderinis erscheint durch ein von derBielitzer Sparkasse bewilligtes amort isierbares Darlehen ge-deckt
.
- 161
gestellt gewesenen Lehrpersonen wurden als Landeslehrer angestel-It und samtliche einschlagigen Rechtsverhaltnisse aus den denLehrem von der Kultusgemeinde zugesichert gewesenen Beziigen undAnspriichen wurden im einverstandlichen Einvernehmen geregelt undgelost. Der Unterricht in Religion wird fortan an dieser Schuleals obligater Lehrgegenstand auf Landesschlkosten, der Unterrichtim Hebraeischen als nichtobligater Schulgegenstand auf Kosten undunter Aufsicht der Kultusgemeinde erteilt.
In den Chroniken der Gemeinde ist als erster BielitzerRabbiner Dr. Lasar Frankfurter verzeichnet, welcher auch an derisraelitischen Schule Unterricht erteilte. Vorher hatte derTeschner Rabbiner die Seelsorgefunktionen fur Bielitz versehen.Nach dem am 7. Dezember 1873 erfolgten Ableben des Dr. Frankfurter,welcher der Gemeinde ein Legat von 300 fl. in Wertpapieren ver-machte, wurde in Folge ausgeschriebenen Konkurses Herr Dr. WolfLesser am 16. Februar 1875 zum Rabbiner dieser Gemeinde gewahlt,welcher diese Seelsorges telle bis zu seinem am 11. Februar 1882erfolgten Ableben versah. Dem sodann am 31. August 1882 zumRabbiner gewahlten Herrn Dr. Adolf Kurrein wurde am 19. Janner1888 die von ihm gewiinschte Entlassung bewilligt. Sein am 21.
Marz 1888 zum Religionslehrer und nach Erlangung der osterreich-ischen Staatsbiirgerschaf t zum Rabbiner ernannten NachfolgerHerr Dr. Saul Horowitz hat mit Ende des Jahres 1895 einen Berufung
als Professor an dem jiid. theologischen Seminar in Breslau erhal-ten und die hiesige Gemeinde verlassen. Zu seinem Nachfolgerwurde am 12. Marz 1896 Sr. Ehrwurden Dr. Markus Steiner gewahlt.
Die Kultusgemeinde hat der religiosen Erziehung und Aus-bildung der Schuljugend stets ein besonderes Augenmerk zuge-wendet. In der Volksschule wurde nebst dem obligaten Unter-richte in der jiidischen Religion, die hebraische Sprache alsgewohnlicher Unterrichtsgegenstand gelehrt , zu welchem Unter-richt e samtliche Schuler verpflichtet waren. Die jeweiligenRabbiner oder Lehrer an der israelitischen Volksschule versahenden Unterricht in Religion an den Mittelschulen und schon im
• •
Jahre 1880 wurde als eine obligate religiose Ubung im Sinne derschulgesetz lichen Bestimmungen fur Mittelschulen ein Schulgot-tesdienst und eine geregelte Andacht an jedem Samstagsnachmit-tage eingefiihrt
,welche fortdauernd erhalten wird.
An Stelle des im Jahre 1900 abgebrannten Friedhofgebaudeswurde auf Kosten der Gemeinde einen neue Halle aufgebaut; gleich-zeitig wurde aus Spenden der Gemeindemitglieder die Friedhofs-
mauer aufgefuhrt
.
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ten Tempelgebaudes beschafft.
Nach erlangten Benutzungskonsense und notwendig gewordenenGrund- und Strassenregulierungen hat am 21. September 1881 die
feierliche Einweihung des neuen Tempels stattgefunden. Das ge-
samte bewilligte Baukostenerfordernis betrug bis 93.800 fl.
Noch vor Erbauung der eigenen israel. Volksschule in
Bielitz im Jahre 1872 hat unter Aufsicht der Kultusgemeindeeine von ihr gegriindete und erhaltene israelitische Schule be-
standen. Diese Schule hatte jedoch kein festes Heim, war bei
Fremden eingemietet, musste wiederholt tibersiedeln und konnte
den Bestimmungen des schon erflossenen Reichs-Volksschulgesetzesund den hygienischen Anforderungen nicht entsprechen. Die Kul-
tusgemeinde war geradezu zu dem Entschlusse gedrangt, fur ihre
Schule eine feste Statte zu grunden, aus der sie nicht mehr ver-
trieben werden konnte und die auch den gestellten Anforderungenentsprechen sollte. Im Jahre 1871 wurde von der damaligen Ge-meindevertretung der Bau eines eigenen Schulgebaudes beschlossenund sofort in Angriff genommen. Das hiezu erforderliche Kapital
wurde teils durch Ausgabe von Schulbau-Partialobligationen a
25 fl.,welche die Gemeindemitglieder zeichneten resp. spendeten,
teils durch Aufnahme von Hypothekardarlehen beschafft. Das neue
Schulgebaude wurde bereits im September 1872 bezogen und ist das-selbe durch den Baumeister Karl Kunz in Bielitz erbaut. Die als
private Volksschule fur die judischen Kinder ins Leben gerufene
und im Laufe der Zeit in eine funfklassige Volksschule fur Knabenund Madchen ausgestaltete Lehranstalt hat im Jahre 1877 das Of-
fentlichkeitsrecht erhalten.
Im Jahre 1901 wurde von der Kultusgemeinde die Auflassungdieser von ihr gegrundeten und bisher erhaltenen Volksschulebeschlossen, da infolge des neuen schles. Landesschulgesetzes
die Erhaltung dieser Schule dem Lande bezw. der Stadt Bielitz
libertragen werden musste. Deshalb trat an die betreffendenSchulbehorden die Notwendigkeit heran, fur die Unterbringung der
Schuler oder Schaffung einer erforderlichen Schule und LehrerVorsorge zu treffen. Das Ergebnis der diesbezuglich gepflogenen
aus fuhrlichen Verhandlungen ging dahin, dass das im Eigentume
der Kultusgemeinde verbliebene Schulgebaude zu allgemeinen Schul-zwecken weiterhin gewidmet blieb una dass an Stelle der aufge-lassenen israelitischen Schule eine of fentliche Volksschule mitabgesonderten je fiinf Klassen fur Knaben und fur Madchen untergemeinschaftlicher Schulleitung errichtet worden ist. Die ander ehemaligen israelitischen Volksschule als Kultusbeamte an-
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Jahre 1891 111 stiiranberechtigte Wahler.
Die letzte Regelung der Rechtsverhaltnisse der Kultusge-meinde erfolgte auf Grund des Gesetzes vom 21. Marz 1890, Nr. 57
R.-G.B1.
Nach diesem Statute obliegt die Besorgung der Angelegen-heiten der Kultusgexneinde einem aus 30 steuerzahlenden Mitgliederngewahlten Ausschuss, aus dessen Mitte der Prases, dessen Stellver-
treter und 8 Kultusrate gewahlt werden. Die Wahl des ersten Aus-schusses nach diesem Statute erfolgte am 21. Mai 1895. Abgegebenwurden 224 Stimmen; zum Prases wurde sodann vom gesamten Ausschusse
Herr Adolf Briill am 5 . Juni 1895 gewahlt ,welcher dieses Ehrenamt
bis zu seinem am 5. Marz 1898 erfolgten Ableben versah. Derdazumalige Stellvertreter Hr. Salomon Poliak wurde nach demTode des Herrn Bruell zum Prasidenten der Kultusgemeinde ge-wahlt .
Der im Jahre 1839 erbaute Tempel erwies sich im Laufeder Zeit zu klein, well der Stand der Gemeindemitglieder in
stetem Zunehmen begriffen war. Abgesehen von der sogenanntenpolnischen Betstube, welche schon im Jahre 1870 bestand, wurdenachweislich schon vom Jahre 1871 an, zu den hohen Feiertageneine Bethausfiliale in verschiedenen Saelen und dann im Prii-
fungssaale der ehem. israelitischen Volksschule errichtet. DieFrage der Erbauung eines neuen Temples wurde bereits im Jahre1878 in Erwagung gezogen und sowohl in der gemeinsamen Sitzungdes Vorstandes und des Ausschusses vom 4. Marz 1879, als auch in
einer zu diesem Zwecke einoerufenen Generalversammlung , wurde!fdie dringende Notwendi^keit der Erbauung eines neuen Tempelsanerkannt und der Wunsch ausgesprochen, den Bau desselben ohne
Verzug und mit moglichster Vermeidung einer hoheren Belastungder Gemeindemitglieder auszufiihren 1
*. Das hierzu gewahlte, aus
7 Mitgliedern bestehende Komitee unter Voorsitz des Dr.Engels-mann hat auch die ihm aufgetragene Aufgabe ehestens gelost
.
Auf dem von den Eheleuten Karl Traugott und Charlotte Bathelterkauften Grundstucke an der Pechringstrasse wurde nach denPlanen des Architekten Herrn Karl Korn in Bielitz der monumen-tale Tempelbau durch die Baumeisterfirma Em. Rost in Biala aus-gefuhrt. Die hiezu erforderlichen Mittel wurden durch Ausgabevon unverzinslichen Partialobligationen per 25.00 fl.
,
welcheim Wege der Zeichnungen und Spenden bei den Gemeindemitgliederngesammelt wurden, durch Verwendung der verhandenen Gemeinde-mittel, Aufnahme von Hypethekardarlehen, sowie Verkauf des al-
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Oktober 1865, welche im Grunde des Erlasses des hohen k.k.Staatsministeriums von der k.k. schles. Landesregierung inTroppau sub 27. Dezember 1865 genehmigt worden sind.
Die Gestaltung der Kultusgemeinde nach den Statuten vomJahre 1865 war nicht von langer Dauer, denn schon am 1. Novem-ber 1870 liegen neue Statuten vor, welche die Vertretung derKultusgemeinde einem Vorstande, bestehend aus dem Prases undneun Kultusraten, ubertragen; dieselben wurden direkt von denwahlberechtigten Mitgliedern der Kultusgemeinde gewahlt . ZurWahlberecht igung war die Entrichtung eines Kultusbeitrages vonmindestens 6 fl. erforderlich. Zur Beratung und Beschlussfas-sung liber wichtigere Gegenstande hatte sich der Vorstand durcheinen Ausschuss von 15 wahlberechtigten Mitgliedern zu ver-starken, welche der Vorstand selbst zu wahlen hatte. Dieserderart verstarkte Vorstand hatte die Stelle der bisherigen Ge-neralversammlung zu vertreten und haben im Bedarfsfalle gemein-schaftliche Situzungen des Verstandes und Ausschusses stattge-funden.
Erst seit dem Jahre 1870 wird ein formelles Sitzungs-protokoll in der hiesigen Kultusgemeinde gefiihrt , welchem auch
die hier erwahnten Vorfalle entnommen erscheinen.
Auf Grund der neuen Statuten vom Jahre 1870 erfolgte die
Konst ituierung des Kultusverstandes am 8. Dezember 1870. Abge-geben wurden hierbei 68 Stimmen. Zum Prases wurde Herr BenjaminHollander, zu Kultusraten die Herren Ferdinand Briick, AdolfBriill (Prases-Stellv. ) , Albert Neumann, Salomon Poliak, MaxPollatschek, Wilheim Schaffer, Salomon Tugendhat
,Sigmund
Weissenberg und J . Zeisler gewahlt
.
Mit Ablauf von je 3 Jahren fanden Neuwahlen statt, auswelchen als Prasidenten bis zu seinem Lebensende Herr B. Hollander(gestorben 2. Janner 1879) und seit 23 . Janner 1879 Herr AdolfBriill hervorgingen.
Als weitere Kultusrate sind auf Grund der Ergebnisse derspateren Wahlen verzeichnet die Herren Dr. Engelsmann (1873),Moritz Pollitzer (1873), David Honiger (1873), Dr. IgnatzRossler (1875), Abraham Gross (1880), Josef Perl (1882), S.J.
Halberstamm (1882), Moritz Braunberg (1885), Heinrich Heilpem(1885), Dr. Wilhelm Miinz (1885), Viktor Schafer (1885) und SamuelTugendhat (1890).
Bei den Wahlen im Jahre 1885 beteiligten sich 118 und im
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Ausiibung des Gottesdiens tes auch fur den israelitischen Kultusausdrucklich einraumte . Das kais. Patent vom 4. Maerz 1849sicherte der Israelitischen Religionsgesellschaft das Rechtder gemeinsamen offentlichen Religionsubung , der selbstandigenOrdnung und Verwaltung ihrer Angelegenheiten , sowie den Resitzund Genuss ihrer Anstalten und Fonde zu. Diese Bestimmungensind auch spater in das noch jetzt geltende Verfassungsgesetzzom 21. Dezember 1867 iibergangen , laut welchen die israeliti-sche Religionsgenossenschaft ?sals eine zur selbstandigen Ord-nung ihrer inneren Angelegenheiten berufene, staatlich aner-kannte Religionsgesellschaft* bezeichnet wird.
Die Beilitzer Israeliten haben weiters nebst der oben-erwahnten Errichtung eines eigenen Bethauses im J. 1849 dieErrichtung eines eigenen Friedhofes in Bielitz bewilligt er-halten. Der Kaufschilling zum Ankaufe des Friedhofsgrundeswurde durch freiwillige Spenden aufgebracht ; auf demselbenwurde in den spateren Jahren die (im J. 1900 abgebrannte)Friedhofhalle , die Leichenkammer und das Wachterhaus erbaut
.
Im J. 1852 wurde den Bielitzer Israeliten die Fuhrungder eigenen Geburts- und Trauungsmatrikel , sowie einer beson-deren Sterbematrikel bewilligt.
Trotzdem aber haben die Bielitzer Israeliten bis zumJahre 1852 an die Teschner Kultusgemeinde Beitrage zu Kultus-zwecken geleistet und unterstanden dem dortigen Rabbinate undKultusvo rstande . Als selbstverstandliche Folgeerscheinung die-ser zustande war, dass die Bielitzer Israeliten sich von diesemsie belastigenden und beengenden Verbande und hauptsachlich vonden Beitragsleistungen nach Teschen zu befreien suchten, wodurchin den spateren Jahren zwischen der Teschner israelitischenKultusgemeinde und den Bielitzer Israeliten mehrfache Zwistig-keiten und ein Konflikt entstand, welcher sogar zur Anrufung derBehorden fiihrte und eine Entscheidung der k.k. Landesbehordein Troppau im J. 1862 herbeifiihrte , welche den mittelbaren An-lass zur Ronstituierung der eigenen Bielitzer Kultusgemeindegeboten hat.
Nach mehrjahrigen Verhandlungen erfolgte endlich im Jahre1865 die selbstandige Grundung der “israelitischen Kultusge-meinde in Bielitz und zwar auf Grund der von den Herren B.
Hollander, Salomon Tugendhat und Dr. Ig. Rossler als Vertreterder Bielitzer Israeliten vorgelegten Statuten dto. 25.
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Grund dieser gesetzlichen Bestimmungen und tatsachlichen Verhalt-nisse bildete die gesamte schlesische Judenschaft des ehemaligenTeschner Kreises seit jeher eine behordliche anerkannte und untei
behordlicher Aufsicht stehende Kultusgemeinde , deren Vereinigungs
punkt sich in Teschen befand und zu welcher Kultusgemeinde aucti
die in der Stadt Bielitz und im Bielitzer Amtsbezirke ansassigenschlesischen Juden gehorten.
Mit allerhochsten Entschliessung vom 2. Februar 1828 ,Hof-
dekret vom 6. Februar 1828 , Zl. 2956, wurde den Bielitzer Israeliten die Errichtung eines Bethauses bewilligt
.
Auf Grund dieser Bewilligung haben sobin die BielitzerIsraeliten das in der Tempelstrasse in Bielitz gelegene Haus
C.-N.98 Niedervorstadt im Jahre 1831 erworben und wurde ihnenfflaut Adj udikationsurkunde vom 13. Mai 1831 vom Magistrate der
StadtBielitz im Herzogstume Schlesien k.k. Anteil das meist-bietend erstandene Ernst Gottlieb Kunzische Haus Nr. 98 Nieder-vorstadt samt Zugehor zum Behufe der Ausbauung des denselben vonhochsten Orten bewilligten Bethauses eigentiimlich eingeantwor-tet ,f
.
Auf Grund dieser Adj udikationsurkunde wurde die gekaufte
Realitat unter der Bezeichnung "israelitisches Bethaus" als
Eigenturn der "hiesigen israelitischen Gemeinde im J. 1831 einge-tragen.
Aus der daselbst eingetragenen Schu1dverschreibung dto
.
Bielitz, 8 . Marz 1839 ist zu entnehmen , dass die Herren A. J
.
Bruell, M. Riesenfeld und W.B. Herzberg zu j ener Zeit die Vor-steher der "Bielitzer tolerierten Israeliten" gewesen sind und
dass durch dieselben auf der laut Obigem gekauften Realitat und
auf Grund der obenerwahnten allerhochsten Bewilligung "ein Bet-haus ganz neu und massiv im gerichtlich erhobenen Schatzwertevon 6838 f1. Cmze. erbaut worden ist".
Laut einer vorgefundenen Originaleingabe vom 14. Juli
1843 haben die hiesigen (Bielitzer) Israeliten "ein Bittgesuch
an Se. M. Kaiser Ferdinand I. liberreicht und darin urn die aller-
gnadigste Erlaubnis eine Orgel in ihrem hochstenorts privile-gierten Bethause zu Bielitz aufstellen zu diirfen" gebeten.
Die sog. Emanzipation der Juden erfolgte erst im Jahre
1848, als das Verfassungspatent vom 25 . April 1848 die Gleich-heit der Staatsburger vor dem Gesetze aussprach und die freie
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Mittwoch mit Grund eine bessere Kbnkurrenz in den Preisen der
Lebensmittel geschaffen sein diirfte, da diese wirklich sehr oft
durch den Andrang v.on Kaufern zum Naehteil der armeren Einwohner
auf das Hochste gespannt werden, nicht minder der Urnstand , da
nur ein Wochenmarkt abgehalten wird, die so wiinschenswerte Kon-
kurrenz der Brotverkaufer und Freischlachter vom Lande, weil sie
in Gefahr stehen, dass ihre unverkauft gebliebenen Feilschaften
bis zu dem nachsten 8 Tage entfernten Markt verderben, grosten-
teils verhindert ,endlich auch zu beriicksichtigen ist ,
dass die
in ihrer Zahl gleichfalls bedeutend angewachsene Judenschaf
t
von
dem samstatigen Wochenmarkt nach ihren Religionsgesetzen keinen
Vorteil fur sich gewinnen kann -,so sieht sich also gefertigter
Magistrat veranlasst, diese Angelegenheit nach seiner Pflicht zu
unterstiitzen.
Bielitz , den 6. August 1817.
DIE ISRAELITISCHE KULTUSGEMEINDE IN BIELITZ 1865-1905
In Schlesien war den Juden nach den sog . Toleranzpatentenfiir Herzogtum Ober- und Niederschlesien vom 17 . April 1752 und
vom 15. Dezember 1781, sowie dem Hofdekrete vom. 1. Mai 1794 der
Aufentahlt unter der damals ublichen Beschrankung auf einen
bestimmten Status von Familien (Familienstellen) zwar gestattet;
die Errichtung einer Synagoge, Anstellung eines eigenen Rabbiners
und die Wahl von Vorstehern war an besondere Bedingungen gekmipft
.
Es war ihnen bloss das Ausiiben ihrer Religion als Privatexerzi-
tium in Familienkreisen bewilligt
.
Zur Besorgung gewisser gemeinsamer Angelegenheiten bildeten
jedoch die Israeliten in Schlesien drei Korperschaften oder Ge-
meinden, unter der gesetzlichen Bezeichnung ,fdie Judenschaf
t
M,
namlich "die Judenschaf t des Teschner Kreises, die Troppau-Jagern-
dorfer Judenschaf t und die Judenschaf t von Weidenau. 11Jede dieser
Korperschaften oder Gemeinden stand unter einem von ihr gewahlten
Steuer-Kollektor ,welcher mit seinen Beisitzern alle die Verfas-
sung der Juden betreffenden Geschafte, als die Einhebung der Judi'
schen Steuern, der Kultusbeitrage ,die Verwaltung des gemeinschaft
lichen Vermogens, Fiihrung der Matriken, Erstattung von Gutachtenbei Verleihung von Familienstellen etc. zu besorgen hatte. Auf
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Tage gewiss viele galizische und polnische Juden mit Getreide
,
Mehl und Viktualien den Markt besuchen und dadurch Konkurrenz
und Wohlfeilheit herbeigefuhrt werden wiirden. Und wie nunhierdurch
h) der grosse Nutzen eines zweiten Wochenmarktes in Bielitz nicht
nur fur die Judenschaft allda, sondern auch fur die christli-chen Einwohner , hauptsachlich aber fur die armere Menschen-klasse, welche nun die zahlreichste und sich selten den Bedarf
einer ganzen Woche anzuschaffen imstande ist, unverkennbar vor
Augen liegt, auch gar nicht in Abrede zu stellen ist, dass
diese wohltatige Einrichtung gewiss auf Konkurrenz und Wohl-feilheit, die zu befordern die hohe Regierung sich so angele-
gentlich bemtiht -, den wichtigsten Einfluss nehmen wiirde und
diese auch fast das einzige Mittel zum Zweck ist,
iiberdies
alles
i) auch die Stadt Teschen zugunsten der dortigen in der Zahlund Besteuerung weit minderen Judenschaft eines zweitenWochenmarktes am Mittwoch verliehen worden ist, so hofftdaher die Bielitzer Judenschaft mit aller Zuversicht , dasssowohl Ein loblicher Magistrat als auch Ein wohlloblich k.k.Kreisamt dieses billige Gesuch zu unterstutzen als auch Einehohe Landesstelle demselben zu willfahren gnadigst geruhenwerden.
Bielitz , den 24 . Juni 1817
.
B.
Die hiesige Judenschaft macht in dem beiliegenden Gesuchden Antrag, bei hoher Behorde dahin einzuschreiten , womit derStadt Bielitz die Befugnis eines zweiten am Mittwoch in jederWoche abzuhaltenden Wochenmarktes erteilt werde. Die angefiihr-
ten Behauptungsgrunde sind durchaus wahr und der Urns tand aller-dings richtig, dass der ganze Populationsstand beider Kommer-zialstadte Bielitz und Biala lediglich von dem einzigen Wochen-markt am Samstag mit seinen Bediirfnissen abhangt und die armerenVolksklassen
, besonders der hiesigen zahlreich vorhandenen Tuch-manufaktoristen, sich nicht immer fur eine ganze Woche den Be-darf der Viktualien anzuschaffen imstande sind.
Und da nun durch Einfuhrung eines 2. Wochenmarktes am
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Und was nun insbesondere die Judenschaft betrifft , so ist diese
e) von diesem fur Bielitz und Biala bestehenden Wochenmarkt ganz-lich ausgeschlossen ,
weil sie nach den Vorschriften ihrerReligion am Samstag als ihrem Sabbath nicht handeln , nichtkaufen und nicht verkaufen darf , und da auch ihre Seelenzahlbedeutend angewachsen ist und noch iiberdies 100 fremdejiidische Handelsleute - des Wollhandels oder urn Tucher ein-zukaufen - stets hier und in Biala sich befinden , schliesslichauch in Betreff der judischen Einwohner der Urns tandobwaltet , dass keiner von ihnen das Mideste selbst er-zeugen kann, was zwar auch in Ansehung der Burgerschaftgrosstenteils , doch aber nicht allgemein der Fall ist , so
schmeichelt sich demnach die Judenschaft allhier,
gestiitzt
auf die liberalen Grundsatze einer hierlandigen hohen Regie-rung, die durchaus keinen Staatsuntertan wegen Religions-unterschied und also auch keinen Juden von den Wohltateneiner derlei politisch-biirgerlichen Einrichtung auszuschlies-sen die Absicht hat
, dass eine hohe Behorde umsomehr diesesmissverstandnis der Stadt Bielitzer Judenschaft und dervielen zeitweilig dort sich aufhaltenden fremden Handels-leute zu beherzigen geruhen werde , als
f ) die Judenschaft in Bielitz hauptsachlich dermalen bei demBestehen der Erwerbssteuer und anderer ausserordentlichenLasten in der Besteuerung fast zwei Drittel teile der ganzenfur die Judenschaft im Kreise ausgeschriebenen Quote ver-t reten muss , was vielen Gliedern von ihnen sehr hart fallt,und nur mit hochster Anstrengung ihre Part ialbeitrage zu er-schwingen imstande sind, mithin sehr zu wiinschen ware, dasssie der Wohltaten einer durch die Wochenmarkte etwas erleich-terten Lebenssubstistenz teilhaft werden mochten, da sie bisanher mit ihrem diesfalligen Bedarf lediglich auf die soge-nannten !!Kiepler fl oder aber auf den Mittelweg durch anderebeschrankt sind, was aber auch mit interessierten Absichtenverbunden ist . Und schliesslich
g) ist fur beide Stadte Bielitz und Biala besonders der Urnstandwichtig und wohltatig
, dass an jedem Wochenmarkt viele gali-zische und polnische Mehlhandler Biala besuchen-
, und da inPolen, ja selbst Galizien, der Frucht-
, Mehl- und Viktualien-handel erlaubt ist -, so ist zu erwarten, dass , dafem einzweiter Wochenmarkt am Mittwoch eingefiihrt wiirde , an diesem
-170 -
sich aufhaltenden fremden Handelsleute zu beherzigen geruhenwerde
,als
Die Grunde dieses Gesuches sind evident und sprechen sichzum Teil von selbst aus ; Ein loblicher Magistrat geruhe derhohen Behorde zur Beherzigung vorzustellen
, dass
a) beide Stadte Bielitz und Biala eine Population von zirka 8000eingeborenen Seelen in sich fassen, dass ferner
b) in beiden diesen Stadten eine Tuchfabrikatur, viel Handel und
Verkehr blilht und die erstere so wichtig sei, dass ofters
,
wenn die Tuchfabrikatur stark betrieben wird, die bloss dortarbeitenden Tuchmacher- und Tuchscherergesellen
, vielleichtdie Zahl von 1000 Kopfen ersteigen, dazu endlich
c) die Militargarnison in beiden Stadten , die vielen Hilfsar-beiter , welche die Fabrikatur notwendig hat, Dienstboten unddie fremden bloss zeitweilig auf beiden Platzen sich aufhal-tenden Handelsleute etc. - so handelt es sich urn eine Men-schenmasse von zirka 12.000 Seelen, welche in beiden Stadtenlediglich auf den einen Wochernmarkt beschrankt ist und sichalso Samstags den Bedarf ihrer Viktualien fur die ganze Wochebesorgen muss: Es drangt sich demnach durch dieses Vorausge-sagte die Uberzeugung von selbst auf, dass
d) dieser Ubelstand der Sache auf den Preis der Dinge, auf dieersten und unentbehrlichsten Lebensbediirfnisse den nachteilig-sten Einfluss nehmen und das Publikum in beiden Staedten die-sen Nachteil tief empfinden muss.
Die Butter z.B. welche ein vorziiglicher Gegenstand des Wochen-marktes im Monat Mai und Juni ist, wo sich viele Haushaltungengewohnlich den Bedarf schon fur den bevorstehenden Winter an-zuschaffen pflegen, wiirde gewiss urn 30, 40, auch 50 Prozentwohlfeiler sein, wenn fur beide Stadte statt eines
,zwei
Wochenmarkte existieren mochten. - Die Erfahrung hat gelehrt
,
dass die Butter, welche anfanglich mit 18 Groschen gekauftwurde, an demselben Markttage noch mit 30 auch mit 40 Groschenbezahlt werden musste. - Warum? Weil das Verlangen zu starkwar und der Verkaufer aus der Zudringlichkeit des Kaufers ge-wohnlich seinen Vorteil zieht und dieser soweit als moglich zutreiben die Gelegenheit benutzt und ebenso verhalt es sich mitalien anderen Artikeln und besonders in jenen, welche fur denWinter als ein unentbehrliches Bedurfnis angeschafft werdenmussen.
- 171 -
magistrates
.
Loblicher Magistrat
!
Solange die Stadt Bielitz existiert und Stadtrechte ge-niesst ,
besitzt dieselbe das Recht eines Wochenmarktes allhier,der am Samstag in jeder Woche abgehalten wird; es ist unleug-bar, dass Jahrhunderte verflossen sind, seitdem diese Verfas-sung hiesigen Ortes besteht, und ebenso wahr ist auch, als derStadt Bielitz diese Verfassung gegeben worden ist, vielleichtdamals nicht soviele hundert Einwohner existiert haben, alsheute tausende daselbst existieren: Weit spater ist endlichauch die benachbarte Stadt Biala entstanden
,die sich jedoch
erst in dem damaligen Zeitalter gebildet und erst seit bei-laufig 50 Jahren ihre gegenwartige Ausdehnung erhalten hat unddie, wie bekannt, mit der Stadt Bielitz dergestalt zusammen-hangt , dass beide Stadte nur fur ein Publicum anzusetzen sind
:
Nun hangen diese beiden Stadte und ihre 8000 Einwohner, diesie laut Konskriptionsbiicher ungefahr zahlen durften bloss vondem einzigen Wochenmarkt - am Samstage ab
;und in dem Verhalt-
nis wie die christlischen Einwohner hat sich auch die Juden-schaf t bei der Stadt Bielitz vermehrt , die jedoch vermoge ihrerReligionsgesetze von jenen Vorteilen und Bequemlichkeiten ganzausgeschlossen sind, welche eigentlich diese Wochenmarkte demPublikum gewahren sollen und auch wirklich gewahren: Und ebendieser Umstand veranlasst demnach die Gefertigten namens derJudenschaf t allhier hiemit untertanig zu bitten, Ein loblicherMagistrat wolle hoheren Orts urn die Bewilligung eines zweitenin Bielitz am Mittwoch abzuhaltenden Wochenmarktes einzuschrei-ten geruhen.
auch in Betreff der jiidischen Einwohner der Umstand obwaltet
,
dass keiner von ihnen das Mindeste selbst erzeugen kann, waszwar auch in Ansehung der Biirgerschaf t grosstenteils
, dochaber nicht allgemein der Fall i$t
,so schmeichelt sich dem-
nach die Judenschaf t allhier, gestiitzt auf die liberalenGrundsatze einer hierlandigen hohen Regierung, die durchauskeinen Staatsuntertan wegen Religionsuntershcied und alsoauch kenen Juden von den Wohltaten einer derlei politisch-biirgerlichen Einrichtung auszuschliessen die Absicht hat
,
dass eine hohe Behorde umsomehr dieses missverstandnis derStadt Bielitzer Judenschaf t, und der vielen zeitweilig dort
- 172 -
tet hatten, nicht aber, aus welchem Rechtstitel dasselbe einge-hoben worden war. Am 23. Februar 1769 legte der Magistrat diesenAkt dem koniglichen Amte vor, welches am 21. Marz 1769 den
• •
Landes-Altesten beauftrage, die weitere Abforderung eines Schutz-geldes von den jiidischen Wollhandlern aus Polen der BielitzerRegierung ganzlich abzustellen, weil der Nachweis nicht geliefertware, dass die Bielitzer Schlossherrschaf t das Recht hStte, einsolches Schutzgeld einzuheben und weil die den Juden in den Weg
gelegten Hindemisse dem Handel mit Polen zum Nachteile gereich-ten. Durch diesen Erlass war den jiidischen Wollhandlern freie
Bahn gemacht und sie fanden sich in immer grosserer Zahl in
Bielitz ein. Dass sie trotzdem auch in der Folge nicht unbehel-ligt blieben und Akten der Unduldsamkeit und Gehassigkeit aus-gesetzt waren, dafur fuhrt der Verfasser folgendes Beispiel an:
"Ein Beispiel leidenschaftlicher Gehassigkeit bietet die am 3.
Februar 1786 gegen den hiesigen tolerirten Jud Hirschl Mendl"vor dem Burgermeister Christian Krischke, dem Syndicus Jacob
Anton Alscher und dem Rathmann Andress Hampel auf dem Rathausezu Bielitz abgeflihrte Untersuchung , bei welcher die Klagernichts weniger verlangten, als dass dem Mendl die "Vorkauf-lerei der Wolle, in Gross-Polen verboten werden mochte
,bis
Wohin sich selbstverstandlich die Macht des Bielitzer Stadt-
magistrates nicht erstreckte"
.
UBER DIE GESCHIGHTE DER JUDEN IN BIELITZ
Als weiterer Beweis dafur, dass die Juden in der Stadt
Bielitz am Ende des 18. Jahrhunderts bereits in stattlicher
Zahl wohnhaft waren, erscheint uns folgendes Dokument aus dem
Jahre 1817.
ZUR EINFtJjtRDNG DES MITTWOCHMARKTES IN BIELITZ
A. Die Bitte der Bielitzer Judenschaft um Einfuhrung eines
zweiten Wochenmarktes
.
B. Die Befurwortung dieser Bitte seitens des Bielitzer Stadt-
- 173 -
Kais. Konigl . Herrn Landes-Eltesten diese Angelegenheit auf dastriftigste vorstellig zu machen."
"Urn dieselbe Zeit kamen die Saluschiner Juden Jakob Davidund Feibisch Wolf nach Bielitz. Kaum angekommen, wurde ihnen der
obrigkeitliche Befehl,das Schutzgeld fiir funf Jahre im vorhinein
,
also zusairanen 10 Dukaten, zu erlegen. Schon waren ihnen, da sie
sich weigerten, dem Begehren des Burggrafen zu entsprechen, Pferd
und Wagen arrestirt, als die Burger Gottfried Sommer und Johann
Henssler sich fur sie verbiirgten ,und dadurch der Juden Gefahrt
frei machten. Hiervon erstattete der Magistrat am 29. August
1761 Anzeige an den Landes-Altesten und machte in seiner Eingabe
neben jenen von der Zunft vorgebrachten Motiven noch geltend,
dass f,denen Juden die Compactata mit dem Konigreich Polen bei
ihrem dahier habenden VerkehrM zustatten kamen, sowie ,dass man
,!vor einigen Jahren durch ein publicirtes Patent die Polen zum
Handel nach Osterreichisch-Schlesien zu animiren gesucht" hatte
.
Die Stadt zoge durch "mutuelles Commerce mit Wolle. Tuchern,
Getreide und anderen Waren den allergrossten Teil der Nahrungaus gedachtem Konigreiche”
,weshalb man "sothanen Verkehr ehen-
der auf moglichste Weise erleichtern, als erschweren sollte 1 *.
Diese von dem Burgermeis ter Ferdinand Czerna und den RathmannenAndreas Krischke
,Georg Kraus s und Gottfried Machatschky , sowie
dem Notar Heinrich Gottfried Frantz gezeichnete Zuschrift ver-fehlte ihres Zweckes nicht und die Einhebung des Schutzgeldeswurde der Schlossherrschaf t strengstens untersagt . Trotzdemwagte es dieselbe wenige Jahre danach, dieselbe Willkur aus-
zuiiben. Als im Februar 1769 die jiidischen Wollhandler in
Bielitz eingetroffen waren, liess sie der fiirstliche Schloss-hauptmann zu sich kornmen , forderte in gebieterischer Weise dieEntrichtung des Schutzgeldes und ergriff, als die Eingeschuch-terten es dennoch wagten, "bescheidene Vorstellungen 11 zu machen,einen Stock, womit er sie Hvon der obersten Treppe bis hinunterdergestalt tractiret" ,
dass sie viele Tage Schmerzen litten.Diesmal ging die Sache an das Konigl. Amt, welches den Magistratsofort beaftragte ,
der Bielitzer ^chlossobrigkeit den Nachweisdes Rechtes zur Einhebung jenes Schutzgeldes abzuverlangen.Alles, was die Scl losshersschaft in dieser Richtung aufbringenkonnte, reducirte sich auf einen "Extract aus der Hoch-Reichs-graflich Haugwitzischen Bielitzer Rentamtsrechnung”
, welcherallerdings dartat, dass vom Jahre 1750 angefangen, die jiidischen
Wollhandler - in den ersten funfziger Jahren ausschliesslichOderberger und Sohrauer - ein Schutzgeld an das Schloss entrich-
- 174 -
selbstes von denen polnischen Juden absolutement ein sogenanntesSchutzgeld und zwar einen Dukaten von der Person mit dem Ansin-nen begehrtet, dass sie im Weigerungsfalle hier nicht geduldet
,
noch ihnen ihr zu treibender Handel gestattet werden wiirde, undJuden dahero sich verlauten lassen, dass sie lieber weg-
bleiben, als dergleichen Zumuthem eingehen wiirden, so erhellethieraus deutlich, was fur ein ansehnlicher Verlust und Schadendaraus entstehen wiirde . Da uns nun aber viel daran gelegen, ist
dass wir diese, obzwar wenige, jedoch hochst niitzliche und be-nothigte polnische Commercium conserviren mochten, so sehen wiruns genotigt
,solche Mittel zu ergreifen, wodurch das Commer-
cium beibehalten werden konnte, Wir wollen uns zwar hier gar-nicht darauf einlassen, ob und inwiefem das herzogliche Domi-nium befugt ist, von fremden anhero handelnden und sich kurzeZeit aufhaltenden Leuten ein Schutzgeld fordern zu konnen, son-dem wollen nur allein dies anfiigen, dass wir garnicht begrei-fen konnen, worinnen denn eigentlich dieser Schutz bestehen sol-le, sintemalen die Juden bei ihrer Anherokunft, entweder in denoffentlichen Gasthausern oder, bei anderen Biirgern einkehren,die Gewolber zur Einlegung der Wolie von selbigen inleten undlediglich bei der Stadt leben und mit den Einwohnern ihr Ge-werbe treiben. Ob nun also das herzogliche Dominium dergleichenhindera und Leuten, die die benothigte Ware zufiihren und demStadtchen Nahrung verschaffen, eigenmacht igerweise Imposten auf-legen konne , scheinet wohl wider alle Landesverfassung und Lan-desgesetze zu sein.
"
,fJedoch wir wollen die Entscheidung davon Einer hohenLandes-Instanz anheimstellen und hier nur mit wenigem erinnern,dass das herzogliche Dominium qua sich nennenden Schutzherrender Stadt, in Betracht des von der Stadt liberhaupt, als auch vonund durch die Tuchmacherzunft insbesondere zu geniessen habendenVorteils, viel mehr darauf bedacht sein sollte, Handel und Wan-del zu befordem und also die Nahrung und Gewerbe in bessereAufnahme zu bringen, als solche hintertreiben zu suchen. Es mussuns demnach hochst schmerzlich fallen, dass von Seiten des her-zoglichen Dominii denen Juden von Oderberg und Sorau gegen frei-willig sich erbotene Zahlung des sogenannten Schutzgeldes die Ein-fiihrung der Wolle mit Ausschliessung Anderer, die das widerrecht-lich pratendirte Schutzgeld nicht geben wollen, verstattet wordenist. - - - Bei so bewandten Umstanden sehen wir uns genothigt,Einem lobl. Magistrate die beschaffenheit dieser Sache gehorig zureferiren, und zugleich geziemend anzuhalten, bei Ihro Gnaden, dem
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Doch nicht das Interesse der Einwohner allein war aus-schlaggebend. Auch alle, die auf dem Gebiete des Herrschafts-
ortes Herrschaftsrechte besassen, deren Beamte, und uberhauptalle, die Zwang und Macht auszuiiben in der Lage waren, wolltenauf ihre Rechnung koramen . Waren nun die Lasten dieser Rechnun-
gen so gross, dass sie von den Juden nicht getragen werden kon-nten, und somit auch die Interessen der iibrigen Bewohner tan-giert, dann fuhrten diese selbstverstandlich die Sache derJuden als ihre eigene Sache und nahmen sich der Juden an. So
gestaltet waren die Verhaltnisse zum Gliicke der Juden im In-dustriegebiete Bielitz. Nachdem die Zunft vorerst bei derSchlossherrschaf t zu Gunsten der Juden interveniert hatte, in-
dent sie diesen das Zeugnis ausstellte, sie seien fur das Ge-werbe unentbehrlich, rief sie auch noch die Behorde an, gegen
das ungesetzliche Vorgehen der Schlossherrschaf t einzuschreiten.
Den Bericht daruber lassen wir als Fortsetzung folgen:Am 21. August 1761 richtete die Zunft folgende, von denselbenEhrenmSnnern unterzeichnete Zuschrift an den Stadtmagistrat
:
,fEin loblicher Magistrat wird gutigst erlauben, dass wir Zech-meister der Tuchmacherzunft im Namen der ganzen Zunftgebuhrenvortragen durfen, welcher Gestalten nicht nur allein die Tuch-macherzunft , sondern auch zugleich die ganze Communitat durchdas Verfahren des hiesigen herzoglichen Dominii, welches hoch-selbes gegen die aus Polen anhero handelnden Juden aussert, ineinen augenscheinlichen Schaden und Nachtheil versetzt werde.Einem loblichen Magistrate ist mehr als zu wohl bekannt, dassbei gegenwartigen Zeiten die Wolle nicht nur allein entsetzlichteuer, sondern auch tiber dieses dergestalt schwer aufzutreibenist, dass viele arme Meister gar nichts zu arbeiten haben war-den, wann nicht die Juden teils aus Schlesien, teils aus Polendie beilBtigte Wolle anher transportieren . Man hat sich daheralle ersinnliche Muhe gegeben, die polnischen Juden anhero zuziehen, weil man von selbigen doppelten Nutzen ziehet, indemsie einestails Wolle anhero bringen, andernteils aber Tuchedafur annehmen, auch mehrere darzu aufkaufen, solche aus demLande fiihren und folglich dem gesammten Stadtehen einen offen-baren Vorteil stiften, zu geschweigen dessen, was dem kais.konigl . Arario an Zoll, dem herzoglichen und stadtischen Do-minio an Mauthe und anderen Privatis durch deren Aufenthalt undZehrung noch ins^esondere zuwachst . Allein durrh das Verfahrerdes herzoglichen Dominii gegen die polnischen Juden scheinet es
,
dass alle diese Vortheile verloren gehen werden. Denn nachdem
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Bielitz nicht wenig beigetragen haben, soil eine von einemZeitgenossen und Augenzeugen gegebenen Schilderung des damali-gen Umfanggebietes und Getriebes der Stadt vorangestellt werden.
Die Schilderungen , die auch von Haase wortgetreu ange-fiihrt wird (S.99), lautet: ?lDer Hauptnahrungszweig der hiesigenBewohner ist Tuchmacherei
,Tuchhandel, Wollhandel , welcher
meistens ein Gegenstand der judischen Handelsleute ist. DieTuchmacherei und folglich auch der Tuchhandel sind wichtig.Es bestehen bereits 520 Tuchmachermeister , durch welche mehrereTausend Hande des hiesigen Landvolkes beschaftigt werden. IhreFabrikate gehen nach Ost- und Westgalizien
, nach Ungarn und in
die Turkei. (Lauter Lander, in welchen der Handel zu j enerZeit beinahe ausschliesslich von Juden betrieben wurde) - Oberdie Zahl der Hauser und Einwohner von Bielitz bemerkt derselbeFolgendes : "Die Stadt selbst ist an sich von keinem grossenUmfang, denn sie besteht nur aus 90 Hausnummern; umso grosseraber sind die Vorstadte die sehr volkreich sind
,man zahlt da-
her in der gesamten Stadt mit den Vorstadten 550 Hausnummern,und 4200 Einwohner, ohne viele Fremdlinge, welche sich da auf-halten, aber noch nicht als Einheimische anzusehen sind." Es
ist zweifellos , dass unter den "Vielen Fremdlingen",die noch
nicht als Einheimische anzusehen sind, zunachst dauernd an-sassige Juden zu verstehen sind. Die Tuchmacherei und derenHilfsgewerbe gaben der Stadt ihren Charakter. Der Tuchmacher-zunft mit 520 und der Tuchschererzunf t mit 30 Mitgliedernstanden die Zunfte der Schuhmacher mit 17 , der Fleischhackermit 12, der Backer mit 9, und alle anderen Zunfte mit nochweniger Mitgliedern gegenuber, und so waren diej enigen j welchevom "Gewerbe" waren, schon durch dasselbe fur alles massgebend,was in der Stadt geschah. Sie waren "die Herren in der Stadt"und sie nannten sich auch so"
.
Aus diesem Rahmen wird um so wirkungsvoller das vom Ver-fasser gezeichnete Bild hervortreten, in welchem gezeigt wird,
dass die Juden von den Tuchmeistern der Zunft, von den damali-
gen "Herren der Stadt", jedenfalls dem fruchtbarsten und ein-flussreichsten Teil der BevoIkerung , nicht wie behordlich re-
glementiert, als "Tolerierte" oder Fremdlinge" empfunden, son-
dern als ntitzliche, ja unentbehrliche Mitarbeiter, deutlichergesagt
,als Mehrer ihres Besitzes und Wohlstandes gewertet
wurden , die sie festzuhalten alien Grund hatten.
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UBER DIE GESCHICHTE DER JUDEN IN BIELITZ
Wer sich fur die Geschichte der Juden in Bielitz interes-siert, hat sich nicht nur mit der Geschichte der Entstehung derKultusgemeinde zu befassen, auch nicht vornehmlich damit ,
dieSpuren des Aufenthaltes der Juden in dieser Stadt so weit als
moglich zuruckzuverfolgen, was beinahe miissig ist, sondernvielmehr mit der Frage: Von wann an und in welchem Masse sind
die Juden in dieser Stadt, gleichviel ob als "Sesshafte" oderzeitweilig sich aufhaltende "Fremde" fur die Entwicklung undGestaltung ihrer eigenen, speziell jiidischen oder fur die derallgemeinen burgerlichen Gemeins chaf t von Bedeutung waren.Betreffend den zweiten Teil der Frage, namlich (iber ihre Be-deutung fur die biirgerliche Gemeinschaf t in Bielitz, mogenhier einige aufschlussreiche Stellen aus einem Werke mitgeteiltwerden, das mit ausserordentlicher Griindlichkeit
, Obj ektivitatund nicht minder auch mit ehrlichem Gerechtigkeitssinn abge-fasst ist und das sicherlich eines der interessantesten undwichtigsten Kapitel fur die Geschichte der Stadt Bielitz dar-bietet. Und zwar Stellen aus dem Werke "Die Bielitz-BialaerSchafwollwaren-Industrie in ihrer historischen Entwicklung,dargestellt von Dr. Theodor Haase, Prases-Stellvertreter desBielitzer-Bialaer Gewerbevereines Teschen 1873.
Dr. Tehodor Haase war eine der markantesten und hervor-ragendsten Gestalten der Stadt Bielitz sowohl durch sein ver-dienstvolles Wirken fur die Allgemeinheit ,
wie auch als einerder ehrwurdigsten Seelenhirten der evangelischen Gemeinde.Dies letztere ist hier umso eher hervorzuheben , als es sich urn
Urteile und Tatsachen-Berichte liber Juden handelt. Die Berichtedieses Werkes sind ubrigens auch durch die in seinem Anhangeabgedruckten Originaldokumente belegt . Zum rechten Verstehender in diesem Werke betonten Bedeutung, welche die Juden bereitsim 18. Jahrhundert durch ihre kaufmannische (Woll- und Tuch-handel) und nachber auch gewerbliche (Fabriksmassige Tucher-zeugung, Schonfarberei etc.) Betatigung gewannen und in immerreicherem Masse behaupteten, wodurch sie zur Entwicklung desTuchgewerbes und somit auch zum Aufbliihen der Industriestadt
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wohnten gewohnlich eine oder zwei Familien. In Bielitz gab esvier zusammengehorige Familien: Joseph Moses, sein Sohn, Schwie-gersohn, und dessen Vater , der ein halber Rabbiner ist. JosephMoses ist Factor bei Herrn Grafen v. Haugwitz (dem Besitzer derHerrschaft Bielitz)
.
Es handelt sich hier um die Familie die spater den Fami-liennamen Paneth annahm. Es scheint , dass im Jahre 1751 JosephMoses neb st seinen Schwagern Moss Salomon und Mandel mit ihrenFamilienangehorigen u. den judischen Dienstpersonal die jiidischeGemeinde in Bielitz bildeten - die aber nicht of fiziel alssolche anerkannt war. Von den Kindern des Joseph Moses
, der alsGetreidehandler und Hoflieferant bezeichnet wurde und auch Ge-lehrter war
,erhielt der alteste Sohn nach dem damaligen Famili-
antengesetz das Niederlassungsrecht in Bielitz, wahrend sein
zweiter Sohn, der 1783 geborene Jecheskel , sich mit talmudischenWis sens chaften befasste und bekannter Rabbiner wurde . Er lernteauf dem Jeschiwot von Leipnitz und Prag
, wo er um 1802 ein Ge-lehrtendiplom erhielt . Im Jahre 1807 amtierte er als Rabbinerin Ustritz
, 1813 in Trzall (Slovakei) und seit 1823 in Karlsburg(Siebenbiirgen) . Dort starb er im Jahre 1845 . Unter seinen zahl-reichen Nachkommen gab es bekannte Talmudgelehrte und Rabbiner.in Ungarn und Siebenbiirgen.
Wahrend seiner Amtstatigkeit in Terzall erhielt der Rab-iner Jecheskel Paneth im Jahre 1816 eine Berufung in seinenGeburtsort Bielitz
,die er aber nicht annahm. Diese Berufung
ist von 18 Juden unterzeichnet - wahrscheinlich die (inoffi-zielle) judische Gemeinde von Bielitz
.
1 . Maitmann 10. Moses Samuel2. Jehuda Loeb Rosenfeld 11. Sender Schaefer3. Samuel Pless 12. Abraham Aberfeld4. Benj amin Sew Malzen 13. Naftali Zwi Pless5. Jecheskel Herberg 14. Abraham Lichtigstein6. Abraham Chajm 15. Selig Gudemann7. Moses Biesenfeld 16. Weissberger8. Simson Schafer 17. Paneth9. Aron Berg 18. unleserlich
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geschlossen war. Das anderte sich, als die osterreichischeRegierung zu Beginn des 18. Jahrhunderts , in Schlesien dasdortige Judenwesen wowohl durch die Beschrankung der Zahl, alsauch die Einengung ihrer wirtschaftlichen Tatigkeit regulier-te. Es sollten ihnen nur der Hausiererhandel erlaubt, Pacft-
tungen aber untersagt sein. Das Oberamt verbot 1716 die Ver-pachtung von Zollen und im Jahre 1724 die Verpachtung fast allerNutzungen mit Ausnahme der Brandtweinhauser an Juden. So bliebden Juden in Schlesien neben ihren Hausierhandel mit wenigenAusnahmen (Petschierstecher
, Goldschmiede ) nur die Pacht desBrandtweinausschankes als erlaubter Beruf iibrig. Fur dieseBerufsausiibung und zugleich fiir ihren Aufenthalt hat ten dieschlesischen Juden seit dem Toleranzedikt Kaiser Karls VI vom10.1.1713 Toleranzgelder an die Regierung zu zahlen. Die Re-gierung verpachtete die Einnahmen des Toleranzimposts an judischeund chris tliche Pachter . Im Jahre 1733 waren Jakob Wiebmer undJohan Michael Egner "constituihrte administhatores " fiir Schlesien,die die Aufgabe hatten, von den Juden die Gebuhren einzuziehen.(Unter den saumigen Toleranzsteuerzahlern war Isac Glatte derwohl aus Klattau in Bohmen stammte).
Im Jahre 1736 wurden wieder Zahlungen der schlesischenJuden vorgenommen. Die Standesherrschaften hatten ein Verzeich-nis aller judischen Heiraten einzureichen, zwischen 1726 - 1736.
(Sie berichteten, dass keine Heiraten in Bielitz von Juden vor-kamen) . Ein Toleranzsteuerverzeichnis der schlesischen Judenurn 1737 fiihrt in der Herrschaft Bielitz vier Juden auf:
Josef MosesAbraham Loebl (Kurzwald)Isaac GlattaMoses Hertzka.
Am 14* Juni 1738 erschien ein Erlass betreffs der Ausweisungder unpriviligierten Juden aus Schlesien. Die Vertreibung kon-nte aber nicht vollstandig durchgefiihrt werden, weil die Kommerz-kammer, auch ein Teil der Stande fiir bestimmte Kategorien unterden unpriviligierten Juden eintrat. Auch der 1747 beginnendeKrieg mit Preussen verhinderte die weitere Durchfiihrung des Aus-weisungsbefehles . Im Jahre 1751 wurde ein Verzeichnis der imosterreichischen gebliebenen Teiles Schlesien (Fiirstentum
Teschen, Bielitz ,Jagerndorf ) aufgestellt. Dieses Verzeichnis
fiihrt drei priviligierte Judenfamilien die iiber viele Orte ver-streut waren und Brandweins chanker waren. In den einzelnen Orten
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ZUR FRUHGE SCHICHTE DER JUDEN VON RIELITZ
1677 - 1816
Nach den Akten der Breslauer staatlichen und stadtischenArchive lasst sich die erste Ansiedlung der Juden in Bielitzin der zweiten Half te des 17. Jahrhunderts nachweisen, als es
noch eine Standesherrschaf t Bielitz gab, die zum HerzogtumTeschen gehorte.
Nach diesen Aufzeichnungen werden Juden zum ersten Maleim Jahre 1677 in Bielitz erwahnt . Am 8. XII. 1677 beschwertesich die Breslauer Kaufmannschaf t beim schlesischen Obermatliber den Zoll zu Teschen und erwahnte dabei, dass sich nun auchin Bielitz wo man dem Zoll zu entgehen hoffte, ?fein neuer Zoll-jude n niedergelassen habe, der dort den Zoll erhebe. Es han-delt sich wohl urn ein Mitglied oder urn einen Angestellten der
j udischen Zollpachterfamilie Singer, die seit 1640 in Teschenwohnte. Jakob Singer und seine Familie bezw. Nachkommen warendie Pachter des Zolls, der im Herzogtum Teschen wahrend des 30
j ahrigen Krieges am Jablunkapass eingerichtet worden war.Durch Teschen fiihrte eine wichtige Handelsstrasse zwischenBreslau und Ungarn, die von den Breslauer Kaufleuten sehr be-niitzt wurde. Da dieser Zoll angeblich sechsmal holier war alsder Zoll, der auf der Strasse fiber Bielitz-Saybusch gefordertwurde, versuchten die Breslauer Kaufleute den Zoll uber Bielitzzu umgehen. Die Teschner Zollpachter wussten dem einen Riegelvorzuschieben. Sie errichteten in Bielitz auch eine Zollstatte
,
die wohl von einem Mitglied der Familie verwaltet wurde. Die-ser Zolljude diirfte der Begriinder der Bielitzer judischen Ge-meinde gewesen sein . Er blieb dort, denn ein Bericht vom Jahre1700 weiss von ihm zu berichten.
HHier sei nur ein einzigerJude, habe die Mauth (den Zoll) und den Brandtwein in arrenda(Pacht) schon durch 30 Jahr, gebe weiter kein Schutzgeld”
.
Wie aus diesem Bericht ersichtlich, hatte dieser Judedessen Name uns bisher nicht bekannt geworden ist, sowohl denZoll, als auch den Brandtweinausschank, in der Herrs chaftBielitz gepachtet. Er zahlte damamls kein Schutzgeld an dieBehorde, wahrsheinlich da er in Teschener Schutzbrief mit ein-
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V 0 R W 0 R T
Bewusst unserer Verantwortung , widmen wir uns der schwerenAufgabe die Erinnerung an die jlidischen Gemeinden Bielitz - Bialazu verewigen.
Wir uberreichen dieses Buch den fruheren Mitgliederndieser Gemeinden, welche durch ihr Wirken und Schaffen ein Zeit-bild jlidischen Gemeinschaft slebens gepragt haben.
Die tatkrafte Hilfe einer kleinen Gruppe ermoglichte eseinen 1angst gehegten Gedanken zu verwirklichen und das Buchherauszugeben
.
Dem Herausgeber stand nur ein beschranktes schriftlichesQuellenmaterial zu Verfiigung und so war er vorwiegend auf Erin-nerungen von Zeit- und Schicksalsgenossen angewiesen. Leiderkonnte auch dieses Informationsmaterial nicht voll ausgeschopf
t
werden, da im Laufe der Jahre eine Reihe von Personlichkeiten
,
die im Mittelpunkte der Geschehenisse standen, verstorben sind.Wir danken alien Institutionen und Personen, die durch Rat undTat , moralisch und finanziell , die Herausgabe des Buches ge-fordert haben.
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INHALTSVERZEICHNISS
1. Zur Fruhgeschichte der Juden von Bielitz
2. Uber die Geschichte der Juden in Bielitz
3. Die Israelitische Kultusgemeinde in Bielitz 1865-1905