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Das Diktat im DaF - Unterricht in Griechenland Einige Gedanken zum Thema im Rahmen des Fremdsprachenunterrichts an der griechischen Sekundarstufe I von Dimitris Zeppos, PhD., M.Ed, Athen, Griechenland Abstrakt Diese Arbeit befasst sich in kurzen Zügen mit der Problematik des Diktats als didaktisches Mittel zur Lehre der Rechtschreibung und als Bewertungskriterium im Rahmen des Fremdsprachenunterrichts an griechischen öffentlichen Schulen der Sekundarstufe I. Es wird kurz dargestellt, wie die zeitgenössische Literatur über das Problem spricht, sowie, welche die Ansichten der Sprachlehrer in Bezug auf dieses Thema sind. Im Weiteren werden drei unterschiedliche Bewertungsmodelle zur Diskussion gestellt, deren Sinn die Bewertung bzw. Benotung eines diktierten reproduzierten Textes ist. Einleitung Die Problematik des Diktats generell und des Diktats im Unterricht DaF soll in diesem Beitrag kurz angesprochen werden. Sinn ist nicht, die Praxis des Diktierens allgemein zu kritisieren. Vielmehr soll hier versucht werden, in kurzen Ansätzen das Diktat als Werkzeug der Beurteilung der Lernfortschritte eines Schülers im Fremdsprachunterricht zu beschreiben. Es soll außerdem festgestellt werden, ob das Diktat in der relevanten Literatur nicht mehr als genügendes Prüfungsmittel angesehen wird. Im Weiteren werden Bewertungsmodelle vorgestellt, die den Zweck haben, die Bewertung eines Diktats einheitlich festzulegen, und somit eine Objektivität in den Vorgang der Benotung einzuführen. Was ist Diktat? Im Allgemeinen gilt das Diktat als eine Nachschrift vom Lehrer diktierter Sätze als Rechtschreibeübung in der Schule i . Dabei geht es um die Niederschrift eines Textes, der vom Lehrer diktiert, d.h. in einem festgelegten Vorgang dem Schüler mündlich präsentiert, wird. Die Präsentation besteht aus drei Phasen: a) dem Vorlesen des ganzen Textes in normalem Sprechtempo, das dazu dienen soll, den Schüler mit dem Text vertraut zu machen und ihm eine allgemeine Übersicht von Inhalt, Wortlaut und Wortfolge zu bieten,
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Benotung des Diktats im DaF-Unterricht in Griechenland - Ein Vorschlag

Mar 31, 2023

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Page 1: Benotung des Diktats im DaF-Unterricht in Griechenland - Ein Vorschlag

Das Diktat im DaF - Unterricht in Griechenland

Einige Gedanken zum Thema im Rahmen des Fremdsprachenunterrichts an der

griechischen Sekundarstufe I

von Dimitris Zeppos, PhD., M.Ed, Athen, Griechenland

Abstrakt

Diese Arbeit befasst sich in kurzen Zügen mit der Problematik des Diktats als didaktisches

Mittel zur Lehre der Rechtschreibung und als Bewertungskriterium im Rahmen

des Fremdsprachenunterrichts an griechischen öffentlichen Schulen der Sekundarstufe I. Es

wird kurz dargestellt, wie die zeitgenössische Literatur über das Problem spricht, sowie,

welche die Ansichten der Sprachlehrer in Bezug auf dieses Thema sind. Im Weiteren

werden drei unterschiedliche Bewertungsmodelle zur Diskussion gestellt, deren Sinn die

Bewertung bzw. Benotung eines diktierten reproduzierten Textes ist.

Einleitung

Die Problematik des Diktats generell und des Diktats im Unterricht DaF soll in diesem

Beitrag kurz angesprochen werden. Sinn ist nicht, die Praxis des Diktierens allgemein zu

kritisieren. Vielmehr soll hier versucht werden, in kurzen Ansätzen das Diktat als Werkzeug

der Beurteilung der Lernfortschritte eines Schülers im Fremdsprachunterricht zu beschreiben.

Es soll außerdem festgestellt werden, ob das Diktat in der relevanten Literatur nicht mehr als

genügendes Prüfungsmittel angesehen wird. Im Weiteren werden Bewertungsmodelle

vorgestellt, die den Zweck haben, die Bewertung eines Diktats einheitlich festzulegen, und

somit eine Objektivität in den Vorgang der Benotung einzuführen.

Was ist Diktat?

Im Allgemeinen gilt das Diktat als eine Nachschrift vom Lehrer diktierter Sätze als

Rechtschreibeübung in der Schulei. Dabei geht es um die Niederschrift eines Textes, der vom

Lehrer diktiert, d.h. in einem festgelegten Vorgang dem Schüler mündlich präsentiert, wird.

Die Präsentation besteht aus drei Phasen:

a) dem Vorlesen des ganzen Textes in normalem Sprechtempo, das dazu dienen soll,

den Schüler mit dem Text vertraut zu machen und ihm eine allgemeine Übersicht von

Inhalt, Wortlaut und Wortfolge zu bieten,

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b) dem Diktieren des Textes, der – in Sinneinheiten von jeweils drei bis vier Wörtern

aufgeteilt – in normaler Lautstärke und mit zweimaliger aufeinanderfolgender

Wiederholung langsam unter Anführung der Interpunktionszeichen vorgelesen wird,

und

c) dem Kontrolldiktat, während dessen der Schüler die Möglichkeit hat, den

geschriebenen Text auf Rechtschreibung, Wortfolge und Interpunktion zu

kontrollieren, wobei er auch etwaig ausgelassene Wörter einfüllen kann.

Als „Text“ wird im Unterricht Deutsch als Fremdsprache (DaF) an griechischen Schulen

der Sekundarstufe I unter einem „bekannten“, d.h. schon einmal in der Klasse und/

oder im Unterricht bearbeiteten, und einem „unbekannten“, also vom Schüler

noch nicht bearbeiteten deutschsprachigen Text unterschieden.

Sinn des Diktats im Fremdsprachenunterricht soll sein, die Fähigkeit zur Rechtschreibung zu

üben und zu kontrollieren, indem der reproduzierte Text in Bezug auf Rechtschreibung und

Interpunktion bewertet wird. Dabei gelten im Regelfall folgende Bewertungskriterien:

a) Interpunktionsfehler: z.B. falsche oder nicht dargebrachte Setzung von Punkt,

Komma-, Ausrufe-, Frage- und Bindezeichen.

b) Umlautfehler: falsche Setzung oder Auslassung von Umlauten

c) Sinnverwandte Rechtschreibfehler: z.B. Auslassung oder Einfügung von

Doppelkonsonanten, Auslassung oder Einfügung von Dehnungs-h, usw.

d) Grammatikrelevante Rechtschreibfehler: z.B. lautbedingte Verwechslung von

Artikel- und Adjektivendungen, Auslassung von Superlativendungen bei Adjektiven

mit Stammendung „–est“

e) Sinnverändernde Rechtschreibfehler: z.B. Groß- Kleinschreibung von

Personalpronomen der Höflichkeitsform (Sie vs. sie), Abstumpfung (den vs. denn),

Anlautänderung (ihr vs. hier)

Beim Diktat im DaFU handelt es sich also um eine semi-passive Reproduktion eines bereits

vom eigentlichen Schriftsteller oder Autor bearbeiteten und, demzufolge linguistisch und

sprachlich, richtigen Textes. Zweck der Aktivität ist die Rechtschreibeübung und Kontrolle

des Schülers. Weiterhin soll, indirekt, die Fähigkeit des Schülers geprüft werden, Satzzeichen

und Wortbildungen richtig zu erkennen und/oder aus dem Text „herauszuhören“

(kontextbedingtes Verstehen) und demzufolge richtig bzw. nachträglich einzusetzen.

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Wie schwerwiegend ist ein Fehler?

Die Frage, wie schwerwiegend ein Fehler ist, kann selten leichten Herzens beantwortet

werden. Es geht hier um die Frage, was man mit dem Terminus schwerwiegender Fehler

auszudrücken versucht.

Handelt es sich beim Diktat einzig und allein darum, die Fähigkeit des Schülers abzuprüfen,

einen bekannten Text aus dem Gedächtnis heraus und mit Hilfe der Lehrkraft

wiederzuproduzieren, so kann man ohne besonderes Bedenken sagen, dass alle Fehler gleich

schwerwiegend sind, da der Text ja bekannt ist und demzufolge die richtige Schreibung

gelernt sein müsste. In diesem Zusammenhang aber wird die besondere Situation und

Fähigkeit eines jeden einzelnen Schülers vernachlässigt, alle Schüler werden in einen Sack

gesteckt. Individuelle Lernunterschiede, persönliche Lernprozesse und psychologisch

bedingte Interferenzen werden nicht berücksichtigt.

Will man aber mit dem Diktat die Fähigkeit des Schülers prüfen, tiefere Strukturen der

Sprache aufzuzeigen, so sollte eine genauere Überlegung in Bezug auf die Gewichtigkeit der

produzierten Fehler sowie deren Wiederholungshäufigkeit gemacht werden. In diesem Sinne

wäre es eine begründete Perspektive, das Diktat als Mittel zur Kontrolle von Textverstehen im

Ganzen und kontextbezogene Rechtschreibung im Detail anzusehen. Demzufolge wäre eine

Verlegung des Schwerpunkts auf morphologische und lexikalische Einzelheiten des Textes

geraten, da diese den Inhalt und die Kohärenz des Textes bestimmen. Aber auch in diesem

Punkt muss beachtet werden, dass ein idealer Diktattext nicht existieren kann, da ein Text

auf keinen Fall die Besonderheiten einer Fremdsprachenklasse und der

diese zusammensetzenden Individuen im Vornherein festlegen und berücksichtigen kann.

Fehler im Diktat – na und?

An diesem Punkt erscheint es geraten, kurz der Problematik Fehler nachzugehen. Was

erkennt man als Fehler an? Und vor allem, welche dieser Fehler haben in einem diktierten

Text eine schwerwiegende Stellung, wenn sie überhaupt eine haben? An vorhergehendem

Punkt ist schon kurz über die Typologie der Fehler, die in einem Diktat vorkommen

können, gesprochen worden. Im Folgenden soll in schnellen Zügen die Anwendbarkeit

und der eventuelle Nutzen einer Analyse dieser Fehler betrachtet und kommentiert werden.

Die Fehleranalyse ist in den letzten Jahrenii zu einem beliebten Thema der wissenschaftlichen

Diskussion im Rahmen des FU geworden. Nicht nur interessiert es, welche Fehler gemacht

werden, sondern auch, warum sie erscheinen und was sie gegebenenfalls bedeuten und

bewirken könnten.

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Im Bereich des FU und vor allem unter den Bedingungen eines diktierten Textes hat es den

Anschein, dass eine Fehleranalyse in Zusammenhang mit einer Übungsarbeit nützlich ist,

sofern das Diktat als Hilfsmittel zur Übermittlung von kontextuellem Verstehen,

Wortbildungsrichtlinien und syntaktischem Feingefühl benutzt wird. In diesem Falle bietet

eine Fehleranalyse ein gutes Mittel, diese Fähigkeiten mit konkreten Beispielen versehen an

den Schüler zu vermittelniii.

Wichtig ist dabei, dass die Arbeit nicht als Test dargestellt und vom Schüler als ein solcher

aufgefasst wird. Denn Test bedeutet für den Schüler vor allem Leistungsnachweis,

Kontrolle, und beschränkt demzufolge stark die Motivation, die Fehlerkorrektur als

Hilfsmaßnahme zu akzeptieren. Der positive Motivationsfaktor geht verloren.

Diesem Problem kann vorgebeugt werden, indem dem Schüler vor Antritt der Arbeit

klargemacht wird, dass er im Selbstkorrekturverfahren seine Fehler allein herausfinden,

(eventuell in Gruppenarbeit) kommentieren und im Folgenden korrigieren wird. Somit ist eine

erhöhte Motivation des Schülers zu erwarten, da er im Kompetitionsverlangen seinen

Mitschülern gegenüber eine solche Arbeitsform als frei und spaßig empfindet, was seine

Haltung zu dieser Form der Arbeit zumindest etwas abfiltert und positiviert.

Andererseits ist bei einem Testdiktat die Motivation für eine Analyse selten gegeben, da der

Text meist bearbeitet, also bekannt, und der Ansporn, etwas Neues zu lernen, nicht mehr

gegeben ist. Der Schüler wird einfach abgetestet, was sehr selten einen Lernerfolg bewirkt.

Ziel des Tests ist nach Meinung der Schüler die bestmögliche Note, die man erhält,

indem man den Text auswendig lernt oder rein mechanisch nachschreibt, ohne

mitzudenken, was das Geschriebene bedeutet.

Es stellt sich im obig beschriebenen Zusammenhang außerdem die Frage, ob eine

Fehleranalyse bei diktierten Texten, die dann an den Schüler weitergeleitet wird, geraten ist.

Man sollte hierzu in Betracht ziehen, ob der Text als Rechtschreibübung oder

Rechtschreibtest angesehen wird. Im ersten Fall wäre eine Analyse der aufkommenden – und

sich eventuell wiederholenden – Fehler geraten, da dies zum einen deren Wiederholung

einschränken könnte, und weil zum anderen dem Schüler dadurch die Möglichkeit geboten

würde, durch genaue und demzufolge auch für andere ähnliche Fälle der freien

Textproduktion geltende, kontextuelle Festlegungen und Begründungen die

richtige Schreibung zu erkennen und anzuwenden.

Für den Fall aber des Tests, steht die Frage der Nützlichkeit einer Analyse zur Debatte, da der

Sinn eines solchen Fertigkeitsnachweises im Bereich FU ohnehin umstritten istiv. Man

bedenke nämlich, wie oft jemand in realen fremdsprachlichen Umgebungen dazu gezwungen

ist, einen Text in der Form eines Diktates aufzunehmen und niederzuschreiben. Wenn man

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von einigen sehr begrenzten hypothetisch lebensnahen Situationen absieht, die zur

Rechtfertigung des Diktats angeführt werdenv, z.B. im Falle einer journalistischen Arbeit oder

einer stenographischen Erfassung eines gesprochenen Textes, so neigt man doch zur Ansicht,

dass ein diktierter Text äußerst selten zu den tagtäglichen Kommunikationsansprüchen des

alltäglichen umgangssprachlichen Bereichs zählen könntevi.

Beispiele zur Bewertung / Benotung eines Diktats

Bis zu diesem Punkt wurde eine allgemeinere Übersicht zum Thema Diktat im FU

dargestellt, in der festgelegt werden sollte, dass ein Diktat im FU generell als nicht

kompetentes Bewertungswerkzeug gilt.

In der Wirklichkeit der griechischen Fremdsprachenklasse, aber, hat das Ganze einen

anderen Anschein. Hier gilt das Diktat für den Lehrer als willkommene Methode der

Prüfung der Lernleistung eines Schülers, meist nach einer Hausaufgabe, die mit der

Einführung von neuem Vokabular verbunden istvii.

Es stellt sich aber oft die Frage, wie eine solche reproduktiv geleistete Arbeit bewertet werden

soll. Der Lehrer wird instinktiv versuchen, alle Leistungen seiner Schüler auf eine

gemeinsame Basis zu bringen, und sie komparativ zueinander zu bewerten, wobei in einigen

Fällen auch Vorschriften (wie im Falle der griechischen Regelungen der Sekundarstufe I)

seine Entscheidungsfreiheit stark eingrenzen.

Um diese Problematik zu besprechen, werden im Folgenden für verschiedene Ebenen der

Sprach-, Schul- und Weiterbildung drei Modelle vorgeschlagen, die die Beurteilung solcher

Arbeiten zu standardisieren versuchen, um zumindest die Möglichkeit zu bieten, die

Bewertung im Schein der Objektivität darzustellen. Daraufhin sollen diese drei Modelle kurz

kommentiert werden.

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A. Bewertungsraster (gemäß den griechischen Vorschriften zur Benotung von Diktaten für die

Sekundarstufe I)viii

Allgemeine Bewertung Bewertungsskala

Korrektheit der Rechtschreibung

Punkte

4 I

3,5

3 Sehr gut

II 2,5

2 III

1,5

1 Befriedigend

IV 0,5

Ungenügend V 0

Dieses Raster zielt darauf hin, die Arbeit in drei allgemeine Bewertungsgruppen einzuteilen.

Bewertungsgruppe 1:

„Sehr gut“ bedeutet, dass die Arbeit den Ansprüchen entspricht und keine (Skala I

mit 4 Punkten) oder nur sehr wenige unwichtige Fehler (Skala I mit 3,5 Punkten)

aufweist. Die gleiche allgemeine Bewertung beinhaltet auch die Skala II, wobei dem

Lehrer die Möglichkeit gegeben wird, die produzierten Fehler als einige unwichtige

(Skala II mit 3 Punkten) oder sehr wenige wichtigere Fehler (Skala II mit 2,5

Punkten) einzustufen.

Bewertungsgruppe 2:

Befriedigend zeugt von einer Arbeit, die im Großen und Ganzen den Ansprüchen

entspricht, jedoch einige Fehler aufweist, wobei unter einigen wichtigeren Fehlern

(Skala III mit 2 Punkten) oder sehr wenigen schwerwiegenden Fehlern (Skala III

mit 1,5 Punkten) unterschieden werden kann.

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Zeigt der geschriebene Text allerdings so viele schwerwiegende Fehler auf, dass das

Verständnis beeinträchtigt wird, so bewertet der Lehrer in der Skala IV mit 1 Punkt,

wenn der Text noch im Ansatz verständlich ist, während Skala IV mit 0,5

Punkten eine Arbeit beschreibt, die generell fast kein Verständnis des

reproduzierten Textes erlaubt.

Bewertungsgruppe 3:

Die dritte allgemeine Bewertung „Ungenügend“ wird in dem Falle erteilt, wenn der

Text als Einheit keinen Zusammenhang aufweist, oder wenn er so verstellt ist, dass

das Verständnis auch in Ansätzen nicht mehr möglich ist. In diesem Fall wird die

Skala V mit 0 Punkten vergeben, was anzeigt, dass das Ziel der Arbeit auch

ansatzmäßig nicht erreicht wurde.

Dieses Raster gibt dem Lehrer die Möglichkeit, durch die Allgemeinen Bewertungen eine

dreiteilige Prozedur zur Korrektur und Benotung durchzuführen. Ihm ist dabei nicht erlaubt,

von der einen Allgemeinen Bewertungsgruppe zur anderen zu wechseln. Somit wird er vom

Raster auf die Bewertungsskala, die die Arbeit am besten beschreibt, eingeschränkt.

Wiederum darf der Lehrer nicht von der erstgewählten Bewertungsskala abweichen, was

ihm schließlich die Bewertung aufgrund der zu vergebenden Note ermöglicht.

Der Vorteil dieses Rasters liegt darin, dass eine Arbeit, die beim ersten Blick einen

bestimmten Eindruck hinterlassen hat, diesen Eindruck auch bei der Benotung widergibt.

Der Lehrer hat somit die Flexibilität, die Arbeit des Schülers entweder verbal (unter

Inbezugnahme der Allgemeinen Bewertung), qualitativ (unter Inbezugnahme der

Bewertungsskala) oder auch quantitativ - numerisch (unter Inbezugnahme der zu

vergebenden Note) zu beurteilen. Somit kann er den Lernerfolg, den Frustrationsfaktor und

auch den Notenschock innerhalb seiner Klasse gemäß seiner Klassendynamik lenken.

Nachteil dieses Schemas ist, dass bei der ersten Beurteilungsphase des Lehrers eine objektive

Haltung nicht garantiert werden kann, da der erste Eindruck sehr einfach von anderen

Faktoren (Schmierstellen, schlechte oder unklare Schrift, usw.) beeinflusst werden kann. Es

muss also bedacht werden, ob der Lehrer nur die Rechtschreibung allein oder auch andere

sprachliche, außersprachliche und kommunikative Faktoren überprüfen möchte, was auch eng

mit dem Ziel der Diktatarbeit zusammenhängen kann.

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B. Quantifizierende Berechnungstabelle zur Bewertung des Diktats (gemäß den griechischen

Vorschriften zur Benotung von Diktaten für die Sekundarstufe I)ix

Fehlerbeschreibung Abkürzung im

Textrahmen

(Randbemerkung)

Anzahl

im

Diktat

Benotungsfaktor Gesamt

(Anzahl X

Benotungsfaktor)

Interpunktionsfehler I X 0,25 =

Umlautfehler U X 0,25 =

sinnverwandte

Rechtschreibfehler SV X 0,5 =

grammatikrelevante

Rechtschreibfehler G X 0,5 =

sinnverändernde

Rechtschreibfehler SA X 1 =

Gesamtnote 20 - ......... =

_____

Das obige Schema erlaubt die Erfassung der Fehler einheitlich für alle Kursteilnehmer, ohne

während der Benotung vom vorgelegten Muster eine Abweichung zu ermöglichen, da es auf

der Analyse der im Text aufkommenden Fehler basiert, welche für alle Teilnehmer gleich ist.

Dennoch stellen sich einige Fragen in Bezug auf die strikte Anwendbarkeit des Rasters. Denn,

es gibt ja nicht selten solche Fälle, in denen der Schüler einen Text reproduziert, der im

Ganzen unverständlich ist, was eine detaillierte Erfassung und Beschreibung der Fehler und

somit eine Benotung nach diesem Raster nicht erlauben würde. In diesem Fall vergibt der

Lehrer die Note 0 (Null). Ob aber diese Art der Massenbenotung einen pädagogischen Wert

aufzeigen kann, wird dem pädagogischen Forscher zur Studie gestellt.

Eine andere Frage ergibt sich aus der Wahrscheinlichkeit, dass die Summe der addierten

Rechtschreibfehler die zur Benotung bereitgestellte Mindestnote überschreitet, obwohl

der Text im Ganzen leserlich und verständlich ist. Das heisst, dass, zum Beispiel bei

einer Notenspanne von 0 bis 20, die addierte Summe der Fehler größer als 20 ist, was im

Endeffekt nach der Subtraktion von der Höchstnote eine negative Note ergeben würde. Es

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stellt sich hier die Frage, ob der Lehrer negative Noten vergeben darf (oder sollte) und was er

damit erzielen kann (oder will. Es ist nämlich fraglich, ob der betroffene Schüler die

Randbemerkungen des Lehrers überhaupt beachten und bei zukünftigen Diktaten oder

freieren schriftlichen Arbeiten befolgen wird.

Das oben erstellte Raster bietet dem Lehrer eine gewisse Stabilität während der Benotung des

Diktats. Es wird hier bewusst der Terminus „Benotung“ statt „Bewertung“ benutzt, denn es

handelt sich um ein Benotungsraster, das für die Ergebnisse einfache mathematische

Funktionen benutzt, was eine genauere pädagogisch – didaktische Auswertung des

reproduzierten Textes und somit der schülerischen Leistung erschwert. Es sei denn, der

Lehrer benutzt das Schema und die produzierte Leistung als Anlass zur Diskussion der Fehler

im Rahmen einer folgenden Unterrichtsstunde, was eine Auswertung der Randbemerkungen

darstellen würde. Eine solche Vorgangsweise war auch der Anlass zur Erstellung des

Schemas und hat empirisch gezeigt, dass eine systematische Verfolgung der Arbeitsschritte

„Diktatx – Korrektur – Fehleranalyse – plenarische Fehlerbesprechung“ eine allmählich

ansteigende Verbesserung der schriftlichen Leistungen der Schüler erbringen kann.

Generell scheint ein Raster wie das obig vorgeschlagene bei einer nicht zu

benotenden Klassenarbeit gute Dienste leisten zu können, da es einen einheitlichen

Überblick über die dargebrachten Fehler bietet und außerdem einen vergleichenden

Charakter hat, was eventuell sogar den Drang der Schüler zu komparativen Leistungen

anspornen könnte.

C. Mathematische Bearbeitungxi der im Diktat auftretenden Fehlerzahl

∑∑=

WFx

Fq100

(Fq = Fehlerquotient (in Prozent), Σ = Summe, F = Fehler, W = Anzahl der Wörter des

Diktattextes)

Der dritte Vorschlag behandelt die Frage der Bewertung der Fehler in einem diktierten Text

als rein mathematische Angelegenheit. Wie die mathematische Formel andeutet, werden alle

Fehler, ungeachtet derer linguistischer oder pragmatischer Gewichtung, als absolute Zahl

angesehen und als solche berechnet. Somit wird eine schnelle Benotung des Diktats erzielt,

ohne aber irgendeine Auswertung der produzierten Fehler zu erlauben, da, die obig erwähnte

Fehleranalyse im Auge behaltend, keinerlei Unterscheidung der Fehler in Bezug auf ihre

Gewichtigkeit in Betracht gezogen wird.

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Somit wird dem Lehrer zwar ein Mittel in die Hand gegeben, schnell und relativ

unkompliziert eine schriftliche Arbeit zu benoten. Es ist aber fraglich, ob eine solche

Berechnung der Note didaktisch und vor allem pädagogisch einen „erzieherischen“ Sinn hat,

da die Benotung mit der Analyse und Gewichtung der Fehler im eigentlichen Sinn nicht

vereinbar ist.

Als Vorteil eines solchen Benotungsschemas kann auf der anderen Seite eingelegt werden,

dass es eine schnelle und einheitliche Berechnung der erbrachten Fehler erlaubt, die

besonders für größere Klassen geeignet ist, wenn man ein schnelles und mathematisch

gerechtfertigtes Ergebnis erbringen möchte. Es bleibt aber noch nachzuweisen, ob eine solche

„schnelle“ Lösung von der Mehrzahl der Lehrkräfte akzeptiert und angewandt werden kann.

Schlusswort

Diese Arbeit hat sich in kurzen Zügen mit der Problematik des Diktats als didaktisches Mittel

zur Lehre der Rechtschreibung und als Bewertungskriterium im Rahmen des

Fremdsprachenunterrichts befasst. Es wurde kurz dargestellt, wie die Literatur über

das Problem spricht, sowie, welche die Einwände der Sprachlehrer in Bezug auf dieses

Thema sein könnten. Im Weiteren wurden drei verschiedene Bewertungsschemata

vorgestellt, deren Sinn die Bewertung bzw. Benotung eines diktierten reproduzierten

Textes ist.

Es scheint im Verlauf dieser Darlegung der verschiedenen Gedankengänge klargestellt

worden zu sein, dass es weder das einzig richtige noch das allgemein annehmbare

Schema zur Bewertung eines Diktats geben kann. Denn ein Diktat, wenn auch sehr stark als

didaktisch brauchbares Mittel angezweifelt, kann unter Berücksichtigung einiger Leitpunkte

der pädagogischen und didaktisch – methodischen Aufbereitung als Hilfsmittel zur Lehre

von wichtigen Aspekten der richtigen Schrift dienen. Auf der anderen Seite ist die

Authentizität und – vor allem – die Originalität des Textes sehr beschränkt, da ein

Diktattext meistens ein schon besprochener, also bekannter Text ist.

Es bleibt immer noch offen, ob ein diktierter, demzufolge nicht origineller Text, im Sinne

des authentisch Neuen als pädagogisch akzeptables Material für den modernen

Fremdsprachenunterricht dienen kann. Die Fachwelt wird sich in Bezug auf diese Problematik

noch weiterhin mit dem Thema befassen müssen, indem sie nicht nur die didaktisch –

methodischen, sondern auch die mathematisch – statistischen Einzelheiten in Betracht ziehen

muss, damit ein Modell der didaktischen Aufbereitung und pädagogisch vertretbaren

Bewertung von reproduzierten diktierten Texten erstellt werden kann. Nur nach weit

angelegten und gut organisierten empirischen Studien und wissenschaftlichen Experimenten

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in authentischen Lehrsituationen könnte ein solches Modell erstellt und wissenschaftlich

abgesichert werden. Dies aber ist ein Anliegen, das an die Fremdsprachenforschung

weitergegeben werden muss, damit diese sich mit der Problematik befasst.

Literaturhinweise

Fix, M. (--). (Vermeintliche) didaktische Funktionen des Diktats und Diktatkritik,

http://lbs.bw.schule.de/realschule/rsonline/deutsch/intensiv/kritikdikt.htm. Stand:

15.6.2004.

Graeber-Figoluschka, C. (2000). ‘Diktate als Klassenarbeit’ – Arbeitsgrundlage,

Informationen zur schulpraktischen Ausbildung im Fach Deutsch – Grundschule. 5.

schulpraktisches Seminar (L) im Bezirk Reinickendorf von Berlin.

Hecker, U. (1997). Bausteine eines produktiven Deutschunterrichts, Deutsche Lehrerzeitung

Hymes, D. (1979). Soziolinguistik, Frankfurt a.M: Suhrkamp Verlag.

Kleppin, K. (1998). Fehler und Fehleranalyse, Fernstudienangebot Germanistik DaF.

München: Goethe-Institut.

Plangger, A., Fatsi, M. (2001 - 2002). Fehleranalyse – Wie sinnvoll sind Diktate?, Freie

Universität Berlin, Fachbereich Philosophie und Geisteswissenschaft, Institut für

deutsche Philologie, Studiengebiet Deutsch als Zweitsprache (DaZ), PS 16 835,

Wintersemester 2001-2002.

Tokatlidou, V. (1999). Einführung in die Didaktik der lebendigen Sprachen, 5. Ausgabe.

Athen: Odysseas Verlag (in griechischer Sprache).

Tsopanoglou, A. (2000). Methodik der wissenschaftlichen Forschung und deren

Anwendungen in der Bewertung der sprachlichen Bildung. Thessaloniki: Ziti

Verlag (in griechischer Sprache).

Zeppos, D. (2001). Didaktisierung eines authentischen Textes nach dem Sprachmodell

‘S.P.E.A.K.I.N.G.’ von Dell Hymes. Athen: A.M.K.E. APOLLON.

i Plangger & Fatsi (2001 – 2002)

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Page 12: Benotung des Diktats im DaF-Unterricht in Griechenland - Ein Vorschlag

ii siehe dazu u.a. Kleppin K. (1998) und Graeber – Figoluschka (2000)

iii Plangger A. & Fatsi M. (2001-2002)

iv Tokatlidou V., 1999: 64-65

v Fix, M.: Angenommene didaktische Funktion des Diktats: „Diktate haben lebenspraktische Relevanz

und sind wenigstens deshalb zu schreiben“

vi Wie könnte man zum Beispiel ein Diktat in Verbindung mit dem Sprachmodell S.P.E.A.K.I.N.G. von

Hymes begründen? Siehe zum Modell S.P.E.A.K.I.N.G.: Hymes (1979) und Zeppos (2001)

vii Bemerkenswert ist an diesem Punkt, dass an der griechischen Sekundarstufe I das Diktat für die

zweite und dritte Gymnasialklasse (welche den deutschen Jahrgangsstufen 8 und 9 entsprechen) als

Prüfungsgegenstand der offiziellen Abschlussprüfungen vorgesehen wird, obwohl in den vom

griechischen Pädagogischen Institut für die Sekundarstufe vorgeschlagenen Lehrbüchern nur sehr

selten entsprechendes passendes Material angeboten wird. Dabei liegt der Gesamtanteil des Diktates an

der Gesamtnote des produzierten Abschlusstests bei 25%.

viii Es handelt sich bei diesem Raster um einen Vorschlag des Autors. Das Raster richtet sich nach

Tsopanoglou A., 2000: 116

ix Hierbei handelt es sich um einen vom Autor bearbeiteten und versuchsweise in der Sekundarstufe

angewandten Vorschlag.

x unter Befolgung des obig dargestellten Präsentationsschemas

xi Quelle: Kleppin, K. (1998 : 70)

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