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Review: DER KOMMENTAR ZUM LIBER DE CAUSIS ALS NEUPLATONISCHES
ELEMENT IN DERPHILOSOPHIE DES THOMAS VON AQUIN Author(s): Werner
Beierwaltes Review by: Werner Beierwaltes Source: Philosophische
Rundschau, Vol. 11, No. 3/4 (1963), pp. 192-215Published by: Mohr
Siebeck GmbH & Co. KGStable URL:
http://www.jstor.org/stable/42570609Accessed: 27-02-2015 13:36
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' 92 Werner Beierwaltes
logische Deskriptionen der jngsten Vergangenheit (wie sie etwa
in den ersten Bnden des Husserlschen Jahrbuchs vorliegen) daraufhin
anzu- sehen, was in ihnen durch die vorwissenschaftlichen
Strukturen der Sprache bestimmt ist. - Wie dem auch sei, das
bedeutende Werk W.s ist auf jeden Fall auf das lebhafteste zu
begren.
Oskar Becker (Bonn)
DER KOMMENTAR ZUM , LIBER DE CAUSIS' ALS NEUPLATONISCHES ELEMENT
IN DER PHILOSOPHIE DES THOMAS VON AQUIN
Sancti Thomae de Aquino super librum de causis exposition ed.
H.-D Saffrey O. P. (Textus Philosophici Friburgenses 4/5, ed. J. M.
Bocheski O. P.) Fribourg-Lou- vain 1954. Socit Philosophique,
ditions E. Nauwelaerts. LXXIII, 148 S.
Eine der wesentlichen Fragen mittelalterlicher Metaphysik ist
die Frage nach dem personalen Sein des Ursprungs und Grundes von
Seiendem. Diese Frage befat die andere in sich: Wie ist der
Ursprung in Seiendem? Oder: Wie ist Seiendes in Beziehung zu seinem
Ursprung strukturiert? In der Antwort auf diese Frage scheidet sich
ein streng aristotelisches Denken von einem durch den
Neuplatonismus bestimmten Philosophieren. Der Gedanke der
Hierarchie, wie er durch Ps. Dionysios Areopagita1 im Den- ken des
Johannes Scotus Eriugena, Hugo v. St. Victor, Thomas von Aquin und
Meister Eckhart wirksam geworden ist, bringt die in ihre Dimension
eingegrenzte Substanz auf ihren Ursprung hin in Bewegung. Als
Hierar- chie ist das Gesamt des Seienden eine in sich gestufte
Einheit, in der jedes Element seine Teilhabe am reinen Sein des
Ursprungs als Rckkehr in ihn ttigt.
Neben der Theologie des Ps. Dionysios Areopagita war fr den Neu-
platonismus des Mittelalters die Philosophie des Plotin und des
Proklos bedeutsam. Diese wurde dem mittelalterlichen Denken zum
Teil in einer durch aristotelische, arabische und christliche
Philosopheme und Theolo- gumena verwandelten Gestalt vermittelt. So
enthlt die sogenannte Theo- logia Aristotelis umfngliche Teile aus
den Enneaden IV, V und VI des
1 Zur Unterscheidung des christlichen Neuplatonismus des
Dionysios vom ge- nuinen Neuplatonismus vgl. E . v. Ivnka , Zur
berwindung des neuplatonischen In- tellektualismus in der Deutung
der Mystik , in: Scholastik 50 (1955) 185-194; Zum Problem des
christlichen Neuplatonismus , ibid. 31 (1956) 31-40; 384-403. Uber
den Begriff Hierarchie" siehe R. Roques , V univers dionysien ,
Paris 1954, bes. p. 68 sqq.
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Der Kommentar zum , Liber de Causis 4 als neuplatonisches
Element (Sa ff rey) 193
Plotin, die von einem christlichen Syrer ins Arabische und dann
von Wil- helm von Moerbeke ins Lateinische bersetzt wurden2.
Proklos war dem Mittelalter insbesondere durch die bersetzungen des
Wilhelm von Moer- beke zugnglich geworden3. In zunchst verborgener,
seit Thomas von Aquin aber in offener Weise wirkte die proklische
Systematisierung des neuplatonischen Denkens in der Auslegung des
liber de causis. Dieses Buch wurde wahrscheinlich von Gerhard von
Cremona (f 1 187) 4 aus dem Ara- bischen ins Lateinische bersetzt.
Whrend es in der arabischen Philoso- phie nur in geringem Mae
wirkte, hatte es entscheidenden Einflu auf die mittelalterliche
Metaphysik des Abendlandes 5.
I
Der liber de causis oder das Buch ber die reine Gutheit" ist die
spe- kulative Entfaltung eines Systems von Ursachen. Deshalb ist in
ihm die Einheit und Mannigfaltigkeit von Seiendem unter der
Rcksicht von Ur- sache und Verursachtem gedacht. Das Sein jedweder
Ursache und jed- wedes Verursachten aber ist im Sein und Wirken der
ersten Ursache ge- grndet, die durch ihre Gegenwart in Ursache und
Verursachtem die Gesamtheit von Seiendem als ontologische Relation
stiftet. Diese Rela- tion vollzieht sich als Hervorgang aus dem und
Rckkehr in den Ursprung : Hervorgang als Innesein der ersten
Ursache in allen Ursachen, Rck- kehr als Innesein des Verursachten
in seiner und damit in der umfas- senden ersten Ursache.
Obwohl Sein als Ereignis gefat wird, weil das Wirken der Ursache
Etwas -Seiendes aus dem Nicht-Sein in Sein berfhrt, vermag in
dieser metaphysischen Grundlegung einer Ursachenlehre der Begriff
der freien Mglichkeit nicht zureichend gedacht zu werden. Dies
setzte voraus, da die wirkliche Unterscheidung von Wesen und Dasein
als ontologische Unterschiedenheit fr den Akt des Verursachens
konstitutiv wrde 6. Dar-
2 Vgl. dazu B. Marien , De zogenaamde Theologie van Aristoteles
en de Araahse Plotinos-traditie, in: Tijdschrift voor Philosophie
10 (1948) 125-146. P. Henry und II. R. Schwyzer in der praef atio
zu Plotini opera tom. II, p. XXVI sqq., Paris-Brssel 1959. In
diesem Band findet sich eine englische bersetzung der Theol. Arist.
von G. Lewis, die den Vergleich mit Plotin ermglicht. 8 Prodi
elementatio theologica , ed. C. Vansteenkiste , Tijdschrift voor
Philos. 13 (1951) 265-302; 491-531. 14 (1952) 503-546. Teile des
Tim.-Kommentars bei G. Ver - beke , Rev. Philos, de Louvain 31
(1953) 349-373. Tria opuscula , ed. H. Boese , Berlin 1960. In
Plat. Parm. Com. Ms. Cues 186.
4 Vgl. G. Thry , Tolde , ville de la renaissance mdivale , point
de jonction entre la philosophie musulmane et la pense chrtienne ?
Oran 1944. 5 Vgl. Abschnitt II. 6 Vgl. dazu H. Barth , Philosophie
der Erscheinung , Basel 1947, 1 282 und 338-342.
13 Philosophische Rundschau 11, Heft 3/4
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194 Werner Beierwaltes
in aber bleibt der liber de causis seiner griechischen Quelle in
hohem Mae verhaftet, in der die Frage nach der Existenz eines
Seienden aus Nichts, d. h. aus der Flle der freien Mglichkeit des
Ursprungs nicht thematisch wird. Die Relation von Nicht -Sein und
Sein ist daher keine strenge Alter- native, die durch die frei
setzende Urschlichkeit des Seins selbst aufge- hoben wrde, so da
aus Nichts Etwas -Seiendes existent wrde. Seiendes ist vielmehr die
notwendige Folge des notwendig sich vollziehenden Ver- ursachens
der ersten Ursache.
Allerdings ist im liber de causis durch die Einfhrung des Schpf
ungs- begriffes7 die Wendung des Denkens in die Frage nach dem
Wesen von Mglichkeit und Existenz wenigstens vorbereitet. Das
ausflieende Ein- wirken (emanatio, influxio) der ersten Ursache
wird als Akt des deus crea- tor gefat, obwohl dieser nicht aus dem
Grunde personaler Freiheit zu schaffen vermag. Daher stellt sich
auch nicht die Frage nach dem Warum des Schaffens der ersten
Ursache, wie sie im Horizont einer personalen Metaphysik fr die
Schpfungsproblematik bestimmend ist8. Das Warum fhrt in einer
personalen Metaphysik auf die Substanz des Willens, der, von dem
Denken der Idee gefhrt, diese in zeitlich Seiendem als Abbild des
Ursprungs wirksam werden lt. In der Metaphysik des liber de causis
aber ist der nicht befragte, aber ausgesprochene Grund des
Verursachens der ersten Ursache die nicht vom Willen bestimmte
Gutheit, die das Sein selbst und das Wesen der ersten Ursache ist"
9.
So ist es durchaus zutreffend zu sagen, im liber de causis werde
der proklische Begriff der processio durch den der creatio ersetzt
10, wenn mit- bedacht ist, da der Grund und Ursprung dieser creatio
freilich nicht die seiende Personalitt und Freiheit Gottes ist,
insgleichen nicht Zeitlichkeit, Geschichtlichkeit und Nichts fr das
faktisch -verursacht Seiende konstitu- tiv sein knnen. Auch darin
zeigt sich der Unterschied des liber de causis zur elementatio
theologica, da durch dessen monotheistischen Grundzug die
vielfltigen Henaden in das Eine Sein der ersten Ursache aufgehoben
sind. Auch die Flle der Triaden wird auf den Grundri einer
einzigen
M. D. Roland-Gosselin O. P., Le De ente et essentia " de S.
Thomas Aquiny Paris 1948, 146-149. 7 L. Sweeney y Doctrine of
creation in Liber de Causis , in: An Etienne Gilson Tribute ,
Milwaukee 1959, 274-289. 8 Siehe hierzu die Entfaltung der
Metaphysik des Gewordenen in . Berlinger , Augustins dialogische
Metaphysik , Frankfurt 1962, 42-145, bes. 66 sq. und 86-88. Thom.
sup. libr. de causis expos, p. 110, 21 sq (Saffrey): Bonitas autem
causae primae est ipsum suum esse et sua essentia, quia causa prima
est ipsa essentia boni- tatis.
10 Saffrey, Introduction XXXI.
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Der Kommentar zum , Liber de Causis 4 als neuplatonisches
Element (Saffrey) 195
Trias zurckgefhrt: deus (causa prima), intelligentia, anima, die
selbst Grund ist fr zeitlich Seiendes (corpus) 10&.
Die Fragen nach dem Verhltnis von Einheit und Mannigfaltigkeit,
Ganzheit und Teil-Sein, Unvernderlichkeit und Vernderlichkeit,
Ewigkeit und Zeitlichkeit, Sein und Werden, Sein - Leben - Denken,
Gott - Geist - Seele - Krper und nach dem Wesen von Substanz,
Teilhabe und Selbstreflexion des Geistes sind in der Einen Frage
nach dem Sein der ersten Ursache und der ontologischen Relation der
Ursch- lichkeit schlechthin zum verursacht Seienden
einbeschlossen11. So sagt Thomas in seinem prooemium: intentio
igitur huius libri qui De causis dici tur, est determinare de
primis causis rerum 12. Das Suchen der ersten Ursachen und der sie
umfassenden absoluten Urschlichkeit ist die gttliche Wissenschaft",
die zur hchsten Glck- seligkeit fhrt, deren der Mensch in diesem
Leben fhig ist 13. Nur der nie ablassen- den Anstrengung des
Denkens gelingt es, jenes geringe Ma, das von den ersten Ursachen
gewut werden kann" 14, zu erkennen, da sie zwar in sich zuhchst
erkenn- bar sind, indem sie zuhchst seiend, wahr und licht und als
solche fr anderes Ur- sache von Sein, Wahrheit" 15 und Erkenntnis
sind, der menschlichen Einsicht jedoch sich gerade durch die Flle
ihres Lichtes verwehren. So heit es im Anschlu an Aristoteles:
Unser Geist verhlt sich zu ihnen wie das Auge des Nachtvogels zum
Lichte der Sonne, das er wegen seiner bermigen Helligkeit nicht
vollkommen zu erfassen vermag." 16
II
Die spekulative Entfaltung des Systems der Ursachen im liber de
causis und die in ihr verborgenen Probleme haben tief und vielfltig
auf die Metaphysik des Mittelalters gewirkt. Die Philosophie des
liber de causis wurde teils auf Grund der Autoritt des Aristoteles,
der vielen als Verfas- ser des Buches galt und so arabischem und
neuplatonischem Denken Ein- flu verschaffte, teils aber in Kenntnis
der wahren Quelle ob der S trin -
10a Diese Trias lt das Neuplatonische zugunsten des Islamischen
zurcktreten: Deus als das reine Gute" steht an der Stelle des
proklischen Einen". Vgl. J. Koch , Augustinischer und dionysischer
Neuplatonismus und das Mittelalter , in: Kantstu- dien 48 (1957)
117-133, bes. 127. 11 Uber Form und Inhalt" des liber de causis
vgl. auch O. Bardenhewer , Die pseudo-aristot elische Schrift ber
das reine Gute bekannt unter dem Namen Liber de causis , Freiburg
1882, 11 sqq. P. Duhem , Le systme du monde, Paris 1954 (1. Aufl.
1913-17), IV 331-347, der die Ausgabe Bardenhewers offenbar nicht
kannte und deshalb noch die Meinung des Albertus Magnus vertrat,
der Jude David sei der Ver- fasser. Eine instruktive Analyse der
ersten fnf propositiones des liber de causis in Hinblick auf ihre
problemgeschichtliche Herkunft und auf Grund eines verbesserten
lateinischen Textes gibt A. Pattin , De hierarchie van het zijnde
in het Liber de causis", Tijdschrift voor Philosophie 23 (1961)
130-157. 12 3, 11 sq. 13 2, 6 sq: oportet igitur quod ultima
felicitas hominis quae in hac vita haberi potest, consistt in
consideratione primarum causarum. 14 2,7 sq: illud modicum quod de
eis sciri potest. 15 2, 1. 16 2, 3-5: Habet enim se ad ea
intellectus noster sicut oculus noctuae ad lucem solis quam propter
excedentem claritatem percipere non potest. Vgl. Arist. met. 993 b
9-11.
13*
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196 Werner Beierwaltes
genz des Gedankens bernommen. Die Geschichte dieses Einflusses
wurde von Bardenhewer als Geschichte der lateinischen bersetzung
des liber de causis 17 , von Saffrey als ein Element in der
Geschichte des Piatonismus 18 umrissen. Sie reicht von dem anonymen
Traktat De statibus hominis interioris 19 ber Alanus ab Insulis,
Alexander von Haies, Roger Bacon, Albertus Magnus zu Thomas von
Aquin, Aegidius von Rom, Meister Eckhart und Berthold von Moosburg,
um nur einige Namen zu nennen.
Bestimmte Philosopheme des liber de causis werden als positive
Ele- mente in das jeweilige System einbezogen.
So fhrt Alanus ab Insulis den Satz anima est in orizonte
aeternitatis i. e. in ter- mino perpetuitatis44 20 als ein
wesentliches Moment in seinen Beweis der Unsterblich- keit der
Seele ein. Allerdings wird der Begriff Horizont hier nicht als
scheidende , Grenze4 oder , Zwischen' verstanden, wie es dem
Sinnzusammenhang des liber de cau- sis entsprche, sondern als ,Hhe4
oder ,Ende4. In orizonte aeternitatis heit demnach: in termino
perpetuitatis, auf der Hhe der Unvergnglichkeit. ,
Unvergnglichkeit4 ist in der Seele so, da sie in ihr ihre Grenze
(ihr Ende) findet, das ist: sich nicht ber die Seele hinaus
erstreckt44 21, Zeit aber ist die Stunde, die Anfang und Ende hat.
Also wird die Seele, auch wenn sie einen Anfang hat, kein Ende
haben44 22. Die Seele ist da- her die uerste Grenze, bis zu welcher
das Sein von Ewigkeit reicht. Es umfat die Seele ganz, indem es
sich in ihr begrenzt. Der Zwischen-Charakter der Seele ist also
hier in die Substanz der Ewigkeit aufgehoben.
In seinem ursprnglichen Sinne wird der genannte Satz durch
Alexander von Haies ausgelegt, der im Gegenspiel zur reinen
Ewigkeit (simplicitas aevi) ein substan- tiales Zwischen von
Ewigkeit und Zeit denkt, das an Ewigkeit gem seiner Substanz, an
Zeit aber gem seinem Wirken teilhat: res media, cuius substantia
est in mo- mento aeternitatis, et operatio in momento
temporis28.
Zu einer die Struktur der Metaphysik bestimmenden Wirkung aber
ge- langt die Ursachenlehre des liber de causis erst in den
Kommentaren des Roger Bacon24, Albertus Magnus25 und Thomas von
Aquin. Fr unseren
17 O. Bardenhewer , 1. c. p. 204 sqq. 18 Saffrey , Introduction
XV- XXV, dessen Hinweise im folgenden aufgegriffen und
interpretiert werden. Vgl. ferner R. Klibansky , The Continuity of
the Platonic Tradition during the Middle Ages , London 1959, 16,
39, 47 ; M.-D. Chenu O. P., La thologie au douzime sicle , Paris
1957, 135-137. 19 Aufgefunden von Th. d'Alverny ? Les prgrinations
de Vme dans Vautre monde aprs un anonyme de la fin du Xlle sicle ,
in: Arch. hist. doct. litt. M. A. 13 (1940- 1942) 239-299. 2 PL
210, 332 C. 21 Ibid.: perpetuitas est in anima, id est: quod
finitur in anima, id est: non protenditur ultra animam. 22 Ibid.:
Tempus vocatur hic hora habens principium et finem, ergo anima etsi
habuerit principium, non habebit finem. 23 Summa theol. I inq I tr
2 q 4 (I 104 b ed. Klumper), zum 1. d. c. vgl. ferner I 61b; 183 a;
484 a; 492 a. 24 Der Text ist zu finden in: Opera hactenus inedita
Rogeri Baconi , XII, Oxford 1935 (ed. R. Steele - F. M. Delorme).
Saffrey, Introduction XX. 25 Alberti Magni liber de causis et
processu universit atis, Opera omnia (ed.
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Der Kommentar zum , Liber de Causis 4 als neuplatonisches
Element (Saffrey) 197
Zusammenhang wre ein Vergleich der Kommentare des Albertus und
Thomas sehr aufschlureich. Im folgenden sei auf einige
unterscheidende Momente lediglich verwiesen.
Die eigentliche Quelle des ber de causis kannte Albertus nicht.
(Ein Einflu der elementatio theologica des Proklos ist erst in
seiner Summa theologiae festzustellen 26.)
Verfasser sei der Jude David (David Judaeus), der das Buch aus
Aristoteles, Avi- cenna, Algazel und Alfarabi zusammengestellt und
nach euklidischer Methode kom- mentiert habe27. Der Name David
Judaeus hat einen sachlichen Grund in einigen Handschriften, in
denen der lateinische liber de causis unter dem Titel Metaphy- sica
Avendauth" (= Ibn Daoud) tradiert wird 28.
Fr Albertus ist in viel hherem Mae als fr Thomas die arabische
Philosophie Grundlage der Auslegung. Dies zeigt sich besonders
darin, da in dem den eigentlichen Kommentar vorbereitenden 1 . Buch
de causis die Entfaltung des Begriffes emanatio, fluxus und
communicabilitas im Zentrum der berlegung steht und da dieser
Begriff von der Metaphy- sik des Lichtes her interpretiert
wird.
Flieen ist ein Ergieen der Form aus der ersten Quelle, die aller
Formen Quelle und Ursprung ist." 29 Die Quelle selbst ist absolute
Urschlichkeit und Sein schlecht- hin. Sie entuert sich in freier
Entscheidung ihrer Gutheit (ipse sibi actionis causa ex electione
80), ohne sich selbst in ihrem Wesen zu vermindern (sine sui
diminu- tione31). Ihr Wirken ist das Wirken des Lichtes, das durch
den Ausflu aus seinem
Borgnet) X 361-619. Vgl. dazu die grndliche Abhandlung von M.
Feigl 9 Albert der Groe und die arabische Philosophie , in: Phil.
Jb. d. Grresges. 65 (1955) 131-150. 26 Vgl. il. Kaiser , Das
frhltnis Alberts des Groen zu den Lehren des Neupia- tonikers
Proklos , Diss. Bonn 1954 (widerlegt die These von E. Degen,
Welches sind die Beziehungen Alberts Liber de causis et de processu
universitatis,, zur OTOLX^^OL eoXoyLmr)?, Mnchen 1902, da die elem.
theol. des Proklos schon fr die Schrift Alberts de causis et
processu universitatis direkte Quelle sei).
Korr. zus.: R. Kaiser, Die Benutzung proklischer Schriften durch
Albert den Groen , in: Arch. f. Gesch. d. Phil. 45 (1963) 1-22. Das
Ergebnis dieser Unter- suchungen ist, da Albertus bei der Abfassung
seines Kommentars zum liber de causis Moerbekes Ubersetzung der
proklischen elementatio theologica noch nicht kannte, da er sie
aber in seiner Summa theologiae benutzte, ohne jedoch von ihr
wesentliche und weitreichende Impulse erhalten zu haben". 27 Op.
Omn. (Borgnet) X 433 b. Als weitere Quelle des David Judaeus fhrt
Alber- tus an: Aristotelis epistola, quam de principio universi
esse composuit (435 b). Hier- ber und ber mgliche arabische Quellen
des liber de causis vgl. die instruktive Ab- handlung von M. Alonso
, Las fuentes literarias del Liber de causis" in: Al-Andalus 10
(1945) 345-382. 28 Oxford, Bodleian Library, Seiden 24; Paris,
Bibi. Nat. lat. 14719. Vgl. Saffrey, Introduction XXIII.
29 X 411 a: Fluxus est emanatio formae a primo fonte, qui omnium
formarum est fons et origo. Vgl. zu diesem Begriff M. Feigl , 1. c.
p. 141 sqq. 39 403 b. 31411b.
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198 Werner Beierwaltes
Ursprung, indem es sich vervielfltigt und reflektiert, ein dem
Ursprung hnliches grndet, ohne selbst an Leuchtkraft abzunehmen82.
Das Licht des Ursprungs, des intellectus universaliter agens,
konstituiert also durch sein Leuchten das hierarchisch geordnete
System von Seiendem: ... et eodem lumine essentiali procedente ab
ipso res rerum est et idea, et eodem infuso rebus constituit et
distinguit omnem rem33. Das in allem Seienden gegenwrtige Wirken
des Ursprungs begrenzt sich in jeder Dimension des Systems je
verschieden. Der Ursprung selbst jedoch bedarf keines anderen, sich
mitzuteilen, sondern ist durch sich selbst seiner selbst
mitteilsam" 34. Die Mchtigkeit des ursprunghaften Lichtes reicht
vom ersten Sein bis zur Materie. Es fliet in die Mitte jedwedes
Seienden, in dem es als formgebende Kraft die Materie zur Gestalt
formt."35
Man kann also sagen: Die Verschiedenheit der jeweiligen
Dimension begrenzt die Flle des Ursprungs, der selbst nur in der
Verschiedenheit zu seinem ursprnglichen Sein als Seiendes wirksam
ist, indem er es konsti- tuiert. Die Verschiedenheit der
Dimensionen zueinander und zum Ur- sprung grndet im Ma der
Mglichkeit des jeweiligen Seienden: Das je Frhere ist in
Mglichkeit, anderes zu sein, da es solches zu grnden ver- mag.
Diese relationale Verschiedenheit ist - im Horizont einer Metaphy-
sik des Lichtes - der Schatten" des Frheren : Umbram autem vocamus
differentiam, per quam coarctatur et obumbratur amplitudo luminis a
priori procedentis secundum genus cuiuslibet causae36. Wenn der Akt
des Verursachens der ersten Ursache als ein Einflieen des Lichtes
des Ur- sprungs in jedwedes Seiende gedacht wird, kann der liber de
causis zurecht von Avicenna als Traktat de lumine luminum benannt
werden37: Das Einflieen des Lichtes ereignet sich als Konstitution
des Seins von Seien- dem, als Verwirklichung der Mglichkeit von
Seiendem und als Rck- fhrung des als verschieden vom Licht des
Ursprungs Konstituierten in den Ursprung, ut ad boni principium.
Weil das berma der Gte und des Seins Ursprung der allgemeinen
Erleuchtung" ist, heit die erste Ursache Licht der Lichter" 38,
Licht, das selbst Ursprung der Gelichtetheit seiner selbst und
zugleich Licht jedwedes Seienden ist.
Whrend Albertus die arabisch-neuplatonische Lehre des Ausflieens
und die Metaphysik des Lichtes zum hermeneutischen Prinzip seiner
berlegungen macht, treten diese beiden Momente bei Thomas in den
Hintergrund. Er sagt zwar an einer Stelle von der ersten Ursache,
da sie als reine Wirklichkeit reines Licht (lumen purum) sei, von
dem alles andere erleuchtet und erkennbar gemacht wird" 39, jedoch
wird dieser Ge- danke nicht grundlegend fr die Interpretation.
82 411 b. 33 409 b. 34 415 a. 85 421 a: (fluit) in centrum
cuiuslibet entis, in quo sicut virtus formativa materiam
format ad speciem. 3 418 b. 37 435 a. 38 Ibid.: communis
illuminationis principium, lumen luminum. 39 45, 15 sqq.
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Der Kommentar zum , Liber de Causis 4 als neuplatonisches
Element (Saffrey) 199
Thomas hat als erster die elementatio theologica des Proklos als
wesent- liche Quelle des ber de causis erkannt. Dies wurde ihm
durch die ber- setzung der elementatio mglich, die Wilhelm von
Moerbeke am 18. Mai 1268 vollendete40. Aus der Erkenntnis der
Quelle ergibt sich die Methode des Kommentars:
Thomas interpretiert die einzelnen propositiones des liber de
causis durch die entsprechenden propositiones aus der elementatio
des Proklos, die den weitaus gre- ren Raum des Kommentars
einnehmen. Auch das Verhltnis des arabischen Textes 41 zu dem
griechischen und lateinischen Text hat Thomas richtig gesehen. So
heit es im prooemium: Im Griechischen findet sich ein Buch des
Platonikers Proclus, das 211 Propositionen umfat und den Titel ,
Theologische Grundlehre' fhrt; im Arabi- schen aber findet sich das
Buch, das bei den Lateinern De causis heit, von dem
40 M. Grabmann , Die Proklosbersetzungen des Wilhelm von
Moerbeke und ihre Verwertung in der lateinischen Literatur des
Mittelalters , in: Mittelalterliches Gei- stesleben , Mnchen 1956,
413-423. Idem., Guglielmo di Moerbeke O. P. il traduttore delle
opere di Aristotele, Rom, Pontif. Univ. Greg. 1949, 149-160. 41
Eine neue Edition des arabischen Textes bereitet G. C. Anawati O.
P. vor. (Vgl.: Prolgomnes une nouvelle dition du De Causis Arabe ,
in: Mlanges L. Massignon, Damas 1956, I 73-110.) Der arabische Text
beruht lediglich auf einem sehr fehlerhaften Leidener Manuskript
(cod. Gol. 209) und einem Auszug (Kairo). Anawati wird durch eine
grndliche Vergleichung des arabischen Wortschatzes mit dem der
elementatio die Beziehung zu Proklos sowohl sprachlich als auch
sachlich zu erhellen versuchen (u. a. durch ein
arabisch-griechisches und griechisch-arabi- sches, sowie ein
arabisch-lateinisches und lateinisch-arabisches Lexikon), ferner
wird er auch die Bedeutung Plotins und der arabischen Tradition als
Quellen sichtbar machen. 5. Pins (Une version Arabe de trois
propositions de la G%oi%e(oi eoX oyt7af de Proclus , Oriens 8
(1955) 195-203) identifizierte die von A. Badawi unter dem Titel
Arist 'in da 'l-'arab (Kairo 1947, 258-308) herausgegebenen arabi-
schen Texte mit den propositiones 15, 16 und 17 der elementatio
theologica des Pro- klos. So stellt sich erneut - allerdings von
sichererem Grunde aus als bei A. Mller , Die griechischen
Philosophen in der arabischen berlieferung , Halle 1875, 23 und
Bardenhewer , 1. c. p. 39 sqq. - die Frage, ob dem Verfasser des
liber de causis eine vollstndige arabische Ubersetzung der
elementatio oder ein Kompendium vorlag, von dem indes wiederum
nicht gesagt werden knnte, ob es schon im Griechischen existierte.
Ferner wre zu fragen, ob etwa der liber de causis in seiner
heutigen Ge- stalt selbst nicht vollstndig ist, da manche Teile der
elementatio in ihm nicht be- nutzt sind, die durchaus der in ihm
verhandelten Sache entsprchen. Eine Entschei- dung dieser Fragen
aber ist bislang ohne umfnglichere handschriftliche Grundlage nicht
mglich.
Da Proklos vielfach ins Arabische bersetzt wurde, zeigt auch die
Entdeckung einer arabischen Ubersetzung der ersten neun Argumente
aus der Schrift De aeterni- tate mundi durch A. Badawi (Un Proclus
perdu est retrouv en Arabe , in: Mlanges L. Massignon, 1 149-151).
Der arabische Text ist verffentlicht in: Neoplatonici apud Arabes ,
Kairo 1955. 34-42. Die sehr wrtliche Ubersetzung stammt von Ishq
ibn Hunayn (f 910) und findet sich in einer Handschrift des 12.
Jahrhunderts. Sie beruht offenbar auf einer viel lteren
griechischen Handschrift als der Text des Johannes Philoponos.
Dieser Umstand ermglicht eine Verbesserung des griechischen Textes
im ersten und siebten Argument.
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200 Werner Beierwaltes
feststeht, da es aus dem Arabischen bersetzt ist und im
Griechischen gar nicht vor- handen ist: daher scheint es von einem
arabischen Philosophen aus dem vorgenannten Buch des Proclus
exzerpiert zu sein, zumal da alles, was in diesem Buch enthalten
ist, viel weiter und ausfhrlicher in jenem (Proclus) enthalten
ist." 42
Sowohl dem liber de causis cils auch der elementatio theologica
steht Thomas in der Lsung mancher Probleme kritisch gegenber43. Als
Kor- rektiv nimmt er Ps. Dionysios Areopagita und Augustinus hinzu.
Wenn auch nicht die einzige, so ist es doch eine wesentliche
Absicht des Thomas 44, durch seinen Kommentar das Gemeinsame und
Trennende der Problema- tik im liber de causis, in der elementatio
und im Corpus Dionysiacum her- auszufinden. Leitend bleibt ihm auch
hier die Frage nach der Wahrheit.
Den Text des Kommentars hat nun Henri -Dominique S ff rey O. P.
in einer vorzglichen kritischen Ausgabe vorgelegt. In ihr zeigt
Saffrey eine grndliche Kenntnis der Philosophie des Proklos und des
Mittelalters, sowie die hohe Fhigkeit philologischer Kritik. So ist
seine Ausgabe glei- chermaen bedeutsam fr die Geschichte des Thomas
-Textes wie fr die Erforschung des Verhltnisses der thomasischen
Philosophie zum Neu- platonismus 45 und der Rezeption des Proklos
im Mittelalter. Diesem Ziele gem gliedert sich die Einleitung
Saffreys in einen historisch -problem - geschichtlichen und in
einen textgeschichtlichen Teil.
42 3, 5-10: Et in graeco quidem invenitur sic traditus liber
Prodi Platonici, con- tinens CCXI propositiones, qui intitulatur
Elementatio theologica; in arabico vero invenitur hic liber qui
apud Latinos De causis dicitur, quem constat de arabico esse
translatum et in graeco penitus non haberi: unde videtur ab aliquo
philosophorum arabum ex praedicto libro Prodi excerptus, praesertim
quia omnia quae in hoc libro continentur, multo plenius et
diffusius continentur in ilio. 48 Vgl. z. B. 20,5 sqq; 23, 21 sqq;
68, 17 sqq; 79, 3 sqqia 95, 1 sqq. C. Vansteen- kiste ? Il Liber de
Causis negli scritti di San Tommaso , Angelicum 35 (1958) 325-374
hat die Stellen gesammelt, an denen Thomas (auer im Kommentar zum
1. d. c.) den liber de causis zitiert. Diese Sammlung mte einer
umfassenden Interpretation des Kommentars zugrunde gelegt werden.
44 Vgl. Saffrey XXXVII. 45 Vgl. hierzu die grundstzlichen
Ausfhrungen von J. Hirschberger , Piatonis- mus und Mittelalter ?
in: Phil. Jb. d. Grresges. 63 (1955) 120-130, bes. 124 sqq. R. J.
Henle , Saint Thomas and Platonism , Den Haag 1956, 183 sqq; 323
sqq. Durch die neuere Forschung drfte auch die Behauptung
Bardenhewers (1. c. p. 257) widerlegt sein, da von irgendeiner
entscheidenden Beeinflussung seines (Thomas') Lehr- begriffes durch
dieses Buch (liber de causis) auch nicht im Entferntesten die Rede
sein" knne. Im folgenden fhrt B. diese Behauptung selbst ad
absurdum, indem er die Stellen aus Thomas anfhrt, in denen dieser
fr zentrale Elemente seiner Philo- sophie den liber de causis als
Autoritt des videtur quod non heranzieht. Wo Thomas nicht mit dem
liber de causis oder Proklos bereinstimmt, spricht er dies aus.
Zwei- felhafte Stellen versucht er in meliorem partem zu
interpretieren. Der Kommentar zum liber de causis unterscheidet
sich berdies von den Aristoteles-Kommentaren gerade durch die
uerung von Zustimmung oder Ablehnung.
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Der Kommentar zum Liber de Causis 1 als neuplatonisches Element
(Sa ff rey) 201
Im ersteren wird die Geschichte des liber de causis im
Mittelalter umrissen, seine Herkunft aus dem Neuplatonismus gezeigt
und die literarischen Probleme des Tho- mas-Kommentars entwickelt
(literarisches Genos, Entstehungszeit {1272) und Me- thode des
Kommentars). Im letzteren beschreibt Saffrey die Handschriften (50)
46 und Editionen. Fr die Geschichte des Neuplatonismus ist es
aufschlureich zu sehen, da manche dieser Handschriften aus dem
Besitz von Persnlichkeiten stammen, die selbst an dem Gang dieser
Geschichte entscheidend mitwirkten: z.B. Hs. X (Ms. Cues 195) von
Nicolaus von Cues, die den Thomas-Kommentar und unmittelbar dar-
auf folgend die elementatio theologica enthlt (sie zeigt auch
Spuren der Durcharbei- tung) und Hs. (Bibl. Naz. Marc., Fondo ant.
288) von Kardinal Bessarion, der in Randnotizen sowohl die
Proklos-Interpretation des Thomas als auch die Ubersetzung des
Moerbeke verbessert. Das Gesamt der Handschriften teilt sich in
zwei Strme der Uberlieferung: 1. die Uberlieferung der Pariser
Universitt, die - wie die sorgfltige Vergleichung der peciae
ergeben hat - auf zwei exemplaria zurckgeht; von ihr sind die
Humanisten-Handschriften des XV. Jhs. abhngig; 2. die unabhngige"
ber- lieferung, die auf eine Abschrift zurckgeht, die dem von
Thomas diktierten Manu- skript sehr nahesteht. Da diese Scheidung
legitim ist, beweist ein Vergleich der Lesarten (p. LX).
Die Edition des Textes beruht auf 15 durchweg kollationierten
und 10 zu Rate gezogenen Handschriften. Neben dem differenziert
entscheiden- den kritischen Apparat enthlt sie einen Apparat, der
die Fundstellen von Zitaten und Anspielungen aus der
philosophischen Tradition sowie Paral- lelstellen aus dem
Gesamtwerk des Thomas bereitstellt. Gelegentliche Ver- weise auf
die neuplatonische Tradition im Mittelalter bieten den Ansatz eines
Kommentars47. Fr den lateinischen Text des liber de causis wre
46 Durch Vermittlung und freundliche Erlaubnis von H.-D. Saffrey
knnen hier folgende Handschriften zu S. LII der Einleitung
nachgetragen werden, die den Kom- mentar des Thomas zum liber de
causis enthalten (Saffrey wurde auf manche dieser Handschriften
durch P. Bataillon aufmerksam gemacht) :
1. Basel, Univ. F. IV. 29, fol. lra-35rb.saec. XIV. 2.
Darmstadt, Landesbibl. 546, fol. 160r-161r. saec. XV (Fragmente).
5. Memmingen, Stadtbibl., Fol. 2, fol. 179ra-198rb. saec. XV. 4.
Pamplona, Cabildo 8, fol. 249va-259rb (Fragmente am Rande eines
Corpus Ari s to teli cum). 5. Tarragona, Bibl. Prov. 120, fol.
Ira-lOrb. saec. XIII- XIV (Handschrift der
Universitts-Tradition, die die peciae anzeigt). 6. Todi, Bibl.
Comm. 114, fol. 120r-157r. saec. XIV. 7. Tbingen, Univ. Bibl. Mc
192, fol. 4ra-26rb. saec. XV. 8. Vatikan, Vat. lat. 5988, fol.
48ra-60vb. saec. XIII-XIV. 9. Wroclaw, Univ. IV. Q. 13. saec. XIV.
Korr. zus.: Der Kommentar zum liber de causis findet sich auch in:
Ms. lat. th. e.
59 (saec. XIII) der Bodleian Library in Oxford. 47 Zur
Verbesserung des Textes p. 22, 5: existimaverunt secundum AUCTOREM
istius libri quod intelligentiae . . in: existimaverunt AUCTOREM
istius libri sen- sisse quod intelligentiae . . ." vgl. Saffrey ,
Saint Thomas Aquin et ses secrtaires , Rev. des sciences phil. et
thol. 41 (1957), 71, Anm. 46. Auf Grund dieser Korrektur ist auch
die Bemerkung zu p. 20, 14 und 22, 6, S. LXVII der Einleitung zu
ndern.
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202 Werner Beierwaltes
eine berprfung der Handschriften des lber de causis in der
berset- zung des Gerhard von Cremona von nicht geringem
Nutzen48.
III
Der Kommentar zum liber de causis macht neben den Kommentaren zu
De divinis nominibus des Ps. Dionysios Areopagita und De Hebdomadi-
bus des Boethius und der Schrift De substantiis separatis die
neuplatoni- schen Elemente im Denken des Thomas sichtbar. Diese
sind fr die meta- physische Implikation seiner Theologie
konstitutiv 48' Wenn auch mancher Gedanke, insbesondere der einer
ontologischen Entfaltung des Systems der Ursachen, die Problematik
der Aristoteles -Kommentare fortfhrt und vollendet, bewahren doch
die vielfltigen neuplatonischen Elemente eine achtsame und
sachgerechte Interpretation vor einem einseitigen Aristote- lismus,
der nicht das Ganze der thomasischen Metaphysik einsichtig wer- den
liee. Allerdings ist bisher in der wissenschaftlichen Beschftigung
mit der Philosophie des Thomas die Bedeutung des Kommentars zum
liber de causis nicht in der ihm gebhrenden Weise beachtet worden.
Dies mag seinen Grund in dem Fehlen eines kritischen Textes des
Kommentars wie der proklischen elementatio theologica (in der
bersetzung Moerbekes) gehabt haben49. Dem ist jetzt durch den Text
Saffreys und die Edition der elementatio durch Vansteenkiste
geholfen.
Die folgenden berlegungen zeigen in einer vorlufigen Interpreta-
tion50 einige im wesentlichen neuplatonische, insbesondere
proklische Philosopheme, die fr das Denken des Thomas im ganzen
bestimmend wurden.
1. Selbst re flexion des Denkens
Das Problem der Selbstreflexion des Denkens ist in dem Satz
genannt : Omnis sciens seit essentiam suam, ergo est rediens ad
essentiam suam reditione completa.
48 Die kritische Ausgabe dieser Ubersetzung ist im , Plato
Arbus* geplant. Vgl. R. Klibansky , The Continuity , p. 54.
Korr. zus.: 40a Uber die Bedeutung dieser Schriften bezglich der
Ursprnge der thomasischen Philosophie siehe D, A. Callus O. P., Les
sources de Saint Thomas , in: Aristote et Saint Thomas Aquin ,
Louvain-Paris 1957, 93-174, bes. 149 sqq. 49 C. Vansteenkiste ,
Notes sur le commentaire de saint Thomas du liber de causis , in:
tudes et Recherches 8 (1952) 171. 50 In anderem Zusammenhang
versuche ich, die Bedeutung des neuplatonischen Denkens fr die
Metaphysik des Thomas an Hand einer Interpretation des Kommen- tars
zum liber de causis und zu Ps. Dionysios Areopagita ausfhrlicher zu
zeigen.
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Der Kommentar zum , Liber de Causis 1 als neuplatonisches
Element (Sa ff rey) 205
Jeder Wissende wei sein Wesen, also geht er zurck auf sein Wesen
in vollkommenem Rckgang" (prop. 15).
Diese propositio ist mit der dreizehnten zusammen zu nehmen :
Omnis intelligentia intelligit se ipsam.
Jegliches Denken denkt sich selbst." Denken grndet in der
Mglichkeit, da der Geist sich von anderem,
dem sinnenfllig Gegebenen, abzusetzen und sich so auf sich
selbst zu- rckzufhren vermag. Die Rckfhrung des Denkens auf sich
selbst ist eine Weise des Abstrahierens 5a. Whrend das Sinnenfllige
als das dem Denken Gegenstndige gedacht wird, ist es selbst reine
Instndigkeit, in sich stndig, durch sich selbst gegrndet", quod est
stans, fixa per se (prop. 15). Reine Instndigkeit des denkenden
Geistes aber heit, da das Denken Substanz oder Subsistenz ist.
Daher grndet es derart in sich, da es keines anderen bedarf, um es
selbst zu sein. Es ist subiectum seiner selbst (p. 91, 3 sqq.).
Denken also heit: den Akt der substantialen In- stndigkeit als
abstrahierenden Rckgang in sich selbst zu vollziehen, um sich
seines eigenen Wesens bewut und gewi zu werden (redire secun- dum
substantiam ad essentiam suam). Das wissend in sich selbst stehende
Denken ist nicht auf anderes hin zerstreut"51, sondern ganz bei
sich, auf sein Wesen hin gesammelt. Rckgang auf sein Wesen im liber
de causis heit (also) nichts anderes als Subsistenz der Sache in
sich selbst." 52
Das abstraktive Freiwerden von Sinnenflligem in der reditio ist
wie- derum die Voraussetzung fr die freie Hinwendung des Denkens
zum Sinnenflligen (conversio ad phantasma)53, das gleichwohl durch
sich selbst substantial in sich selbst bleibt54. Die
Selbstreflexion 55 des Denkens also ist der Grund dafr, da Etwas
-Seiendes gedacht und erkannt zu wer- den vermag. Sie ist Prinzip
jeder sinnlichen Erkenntnis.
In der abstrahierenden Rckkunft des Denkens auf sich selbst
gelangt das Denken in sein eigenes Wesen56. Was aber ist sein
eigenes Wesen? Es selbst als denkendes Denken. Denken und
Gedachtes, Wissen und Ge-
Korr. zus.: 5a Zu diesem Problem siehe neuerdings L. Oeing-H
anhoff , Wesen und Formen der Abstraktion nach Thomas von Aquin ,
Phil. Jb. d. Grres-Ges. 71 (1963) 14-37.
51 De ver. q 2 a 2 ad 2: formae enim in se non subsistentes sunt
super aliud effusae et nullatenus ad seipsas collectae. 52 Ibid. :
reditio ad essentiam suam in libro de Causis nihil aliud dicitur
nisi sub- sistentia rei in seipsa. 53 Zur spekulativen Grundlegung
dieser Problematik vgl. K . Rahner , Geist in Welt , Mnchen 1957*,
130 sq; 143-146; 232-242. 64 De ver. q 2 a 2 ad 2 : (formae
subsistentes) in seipsis per se manent. 55 Intellectus in seipsum
reflectitur (S. c. g. IV 11). 56 Zum Problem des Selbstbewutseins
und der Selbsterkenntnis des Denkens siehe G. Shngen , Sein und
Gegenstand , Mnchen 1930, 279 sqq.
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204 Werner Beierwaltes
wtes sind im Akt des Denkens identisch (sciens et scitum sunt
res una, p. 90, 20). Durch sich und in sich selbst also wird Denken
seiner selbst als subiectum seiner selbst bewut. Dies ist der Sinn
des Satzes omnis in- telligentia intelligit essentiam suam" (prop.
13), wenn er von dem prok- lischen Satze her verstanden wird, der
dieser propositio zugrunde liegt: Jt vov avTv vos (elem. theol. 167
; Thorn, p. 81, 14 sq.): Jeder Geist denkt sich selbst."
Da dieser Akt des Selbst -Denkens und der Selbst -Erkenntnis
Rck- kunft" (reditus) oder Hinkehr, Umkehr" (conversio) genannt
werden mu, erhellt daraus, da Wissendes und Gewutes eine Sache
sind, wenn die Seele ihr Wesen wei, und da so das Wissen, durch das
sie ihr Wesen, d. i. den intelligiblen Akt selbst, wei, aus ihr
ist, sofern sie wissend ist und auf sie hin ist, sofern sie gewut
ist: und so gibt es dort ein gewisses Kreisen, das in dem Wort
zurckgehen' oder ,sich hinkehren' einbeschlossen ist" 57 .
Rckkunft des Denkens in sich selbst ist ein Kreisen 58, das in
sich selbst den Grund der Mglichkeit hat, sich selbst in die
Sinnlichkeit hinein zu berschreiten und sich aus ihr wieder in sich
zurckzunehmen. Das Sein oder Wesen des Denkens aber ist immer
sowohl initiierendes Moment als auch Ziel des abstrahierenden
Vollzugs von Denken. Im Rckgang in sich selbst hat das Denken in
seinen Anfang zurckgefunden ; es denkt seinen eigenen Anfang und
sein eigenes Ende zumal, wenn es sich selbst als sein Wesen denkt.
Dieser Gedanke ist genuin neuplatonisch59.
Rckkunft in sich selbst oder Selbstreflexion, die nicht als eine
Bewe- gung vom einen zum anderen, wie sie dem diskursiven Denken
eignet, verstanden werden kann, ist als absolutes Kreisen (circulus
in seipso) das Wesen Gottes. Whrend der Kreis des in Zeit
verflochtenen Denkens nicht ein in sich geschlossener, sondern auf
das phantasma hin offener und von ihm ausgehender ist, schliet Gott
nicht in Absetzung (Abstraktion) von anderem oder durch Vermittlung
von anderem den Kreis seines Wesens, sondern ist, in sich selbst
grndend, immer schon auf sich selbst bezogen. Als trinitarische
Einheit ist er der ewige Vollzug des seienden und den- kenden
(reinen) Ursprungs, der als solcher sein eigener Hervorgang und
57 90, 18-24: Et quod hoc debeat vocari reditus vel conversio,
manif estt per hoc quod, cum anima seit essentiam suam, sciens et
scitum sunt res una, et ita scientia qua seit essentiam suam, id
est ipsa operatio intelligibilis, est ex ea in quantum est sciens
et est ad earn in quantum est scita: et sic est ibi quaedam
circulatio quae im- portatur in verbo redeundi vel convertendi. 58
Uber den Kreis" der Erkenntnis siehe A. Hayen , La communication de
Vtre aprs S. Thomas Aquin , Brssel-Paris 1959, II 213 sqq; 300 sqq.
59 Vgl. W . Beierwaltes , Eine Reflexion zum Geist-Begriff des
Proklos , in: Arch. f. Gesch. d. Philos. 43 (1961) 119-127.
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Der Kommentar zum , Liber de Causis1 als neuplatonisches Element
(Sa ff rey) 205
seine eigene Rckkehr in Einem ist: Sohn und Heiliger Geist aus
dem Vater und in dem Vater, den Ursprung ohne Ursprung.
In Gott schliet sich der Kreis in sich selbst. Denn indem Gott
sich erkennt, empfngt er sein Wort, das auch der Grund alles durch
ihn Erkannten ist, weil er alles erkennt, indem er sich selbst
erkennt: und aus diesem Wort geht er hervor in die Liebe zu allem
und zu sich selbst. Daher hat jemand gesagt, da die Einheit die
Einheit gezeugt hat und in sich ihre Glut zurckbeugt #0. Nachdem
aber der Kreis geschlossen ist, kann nichts mehr hinzugefgt
werden."61 Der Heilige Geist also schliet durch seinen Hervorgang
den Kreis des gttlichen Ursprungs" (circulus divinae originis 62)
und ist so der Vollzug der absoluten Selbstidentitt Gottes.
Den Sinn des Satzes Jeder Wissende wei sein Wesen, also geht er
zu- rck auf sein Wesen in vollkommenem Rckgang" erlutert Thomas
durch einige propositi ones der elementatio theologica: Alles auf
sich selbst Zu- rckgehende hat eine von allem Krperlichen trennbare
Substanz."63 Dies heit: Das Denken vermag sich selbst zu denken
kraft seiner abstrak- tiven Fhigkeit. Abstrahieren aber ist nur
einem In- sich -Subsi stierenden eigen. Alles in sich
Subsistierende aber ist immateriell. Also ist Rckgang in sich ein
von Materie freier Akt : sequitur quod conversio ad seipsum sit
operatio separata a corpore64. Hier wird die Einheit von abstractio
und conversio deutlich. Das sinnenfllig Seiende dagegen vermag
nicht im eigentlichen Sinne bei sich und in sich zu sein, es ist
vielmehr immer in und bei anderem 65. Deshalb vollzieht es auch
nicht den Akt der Ablsung von anderem und von ihm selbst, weil es
so sein Wesen zunichte machte. Das Denken aber wird sich in der
Selbstreflexion als sein eigenes Wesen gegenstndig und bewut. Es
fhrt sich selbst in seinen Grund zurck, der durch sich in sich
subsistiert66. Die Subsistenz des Denkens aber ist seine Insistenz.
Subsistieren und Insistieren machen die eine Substanz von Denken
aus. Wenn sich also das Denken auf seine Subsistenz und In- sistenz
als subiectum seiner selbst zurcknimmt, so wendet es sich auf das
hin, wodurch es substantiiert ist", convertitur ad id per quod
substantifica-
60 Vgl. Lib. XXIV philos, prop. 1 (ed. Baeumker, Beitr. G Ph MA
XXV 1/2, 208, 1 sq.). 61 De pot. q 9 a 9 corp.: ... in deo iste
circulus clauditur in seipso. Nam deus intelligendo se, concipi
verbum suum, quod est etiam ratio omnium intellectorum per ipsum,
propter hoc quod omnia intelligit intelligendo seipsum: et ex hoc
verbo pro- cedit in amorem omnium et sui ipsius. Unde dixit quidam,
quod monas monadem genuit, et in se suum reflectit ardorem.
Postquam vero circulus conclusus est, nihil ultra addi potest. 62
Ibid. ad 15. 63 Elem. theol. 16.
64 Thom. in 1. d. c. 89, 1 sq. Vgl. dazu S. c. g. IV 11. I Sent,
d 17 q 1 a 5 ad 3. 65 Super aliud delatum esse, dependens esse a
materia I Sent. 17qla5ad3. S. c. g. II 68. Kahnery Geist in Welt
234. S. th. I q 14 a 2 ad 1.
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206 Werner Beierwaltes
tur67. Dies ist die Begrndung des Satzes der elementatio: Alles
was sich auf sich selbst zurckwendet, ist ein durch sich
Subsistierendes" #8.
2. Esse - vivere - intelligere Die Trias Sein - Leben - Denken
(< oifoia - - vov) hat ihren
Ursprung in der Philosophie Piatons, des Aristoteles und der
Stoa, wie dies P. Hadot gezeigt hat69. Systematisch entfaltet aber
wurde sie durch Plotin, Marius Victorinus, in der
Trinittsspekulation personaler Metaphysik Augustins und in der
triadischen Metaphysik des Proklos, wo sie gleich- sam als
lebendiges Band den Bau des Ganzen zur Einheit von Sein, Leben und
Denken fgt.
Thomas legt der Interpretation der 12. propositio des liber de
causis (primorum omnium sunt quaedam in quibusdam per modum quo
licet ut sit unum eorum in alio) den Satz des Proklos zugrunde :
omnia in omnibus, proprie autem in unoquoque: Alles ist in Allem,
jedoch in jedem einzel- nen auf eigentmliche Weise." 70 So ist im
Sein Leben und Denken, im Leben Denken und Sein, im Denken aber
Sein und Leben. Wenn der Akt dieses triadischen Innenseins
ausgesagt werden soll, so heit dies : Denken ist das Leben des
Seins, Leben ist das Denken des Seins, Sein ist das Leben des
Denkens. Die triadische Durchdringung von Sein, Leben und Denken
ist von ihrem Ursprung her eine in sich seiende und in ihren
Momenten gleicherweise sich gegenwrtige Einheit, unter der Rcksicht
des dreifal- tigen Inneseins jedoch ist sie eine je andere: die
Trias ist dreieinige Ein- heit und unscheidbare Unterschiedenheit
zugleich. So sind die drei im Denken denkend, im Leben lebend, im
Sein seiend" 71, ohne da dadurch das je einzelne Moment sein Wesen
aufgbe. Leben und Denken sind im Sein vielmehr seiendes Leben und
Denken, Denken und Sein sind im Leben als lebendes Sein und Denken,
Leben und Sein aber sind im Denken denkendes Sein und Leben. Das je
andere, in dem die beiden anderen Momente als inneseiend gedacht
werden, ist das Prinzip der Einheit des Ganzen. Das Prinzip aber
ist Grund dafr, da die Momente der Trias als je verschiedene in der
Einheit den Akt seines Wesens vollziehen. So kann Thomas von
Proklos her zu Recht den Widersinn des Satzes aus dem
7 In lib. de caus. 89, 9. 68 Prop. 43: omne quod ad se
conversivum est, authypostaton est. Vgl. dazu in lib. de caus.
prop. 26 sqq (127 sqq). 9 P. Hadot , tre , vie, pense chez Plotin
et avant Plotin , in: Les Sources de Plotin , Entretiens sur
l'antiquit classique V, Vanduvres - Genve 1960, 105-141. 70 Proci,
elem. theol. 103; 92, 13 (Dodds). 71 79, 1 sq: omnia tria praedicta
sunt in intellectu intellectualiter, in vita vitaliter, in esse
essentialiter.
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Der Kommentar zum , Liber de Causis 1 als neuplatonisches
Element ( S ff rey) 207
liber de causis zeigen: verumtamen esse et vita in intelligentia
sunt duae intelligentiae . Leben und Sein werden nicht von dem
Denken als dem Prinzip der Trias in zweifaches Denken" berfhrt,
sondern sind den- kendes Leben und Sein als eine Einheit; sie
vollziehen als denkende den Wesensakt des Prinzips. Ebenso verhlt
es sich mit dem zweifachen Sein" und dem zweifachen Leben". Wollte
man verbal" interpretieren, so trfe man nicht den Sinn. Leben des
Lebenden nmlich ist sein Sein . . . und das Denken des ersten
Denkenden ist sein Leben und sein Sein" 72.
Wie bei Proklos die Trias Sein - Leben - Denken nicht so sehr fr
den in Zeit verflochtenen Geist, als vielmehr fr die in vielfacher
Hinsicht triadisch gegliederte Dimension des absoluten Geistes
konstitutiv ist, so wird sie in der christlichen Theologie fr die
Trinittsspekulation bestim- mend. Gott ist die absolute Identitt
von Sein, Leben und Denken, indem seine Einfalt (simplicitas) das
Sein selbst, das er ist73, das Leben selbst, das er ist, und das
Denken selbst, das er ist, in eine relationale, personale Einheit
fgt.
Diese Einheit ist dreieiniges In-sich-Sein von Sein, Leben und
Denken. So ist Gott als der reine Ursprung seiner selbst
dreieiniges Sein, dreieiniges Leben, drei- einiges Denken. Als die
reine Reflexion seiner selbst ist er Selbstaffirmation und
Selbstaussage schlechthin: Indem er sich selbst denkt, spricht er
den mit seinem Denken identischen Gedanken, sein Sein als sein Wort
aus. Aus diesem Wort geht er hervor in die Liebe zu allem und zu
sich selbst." 74 Sein, Leben, Denken ist Gott also nicht auf die
Weise der Teilhabe, sondern in sich. Er ist per se esse, per se
vita, per se sapientia75. Er selbst ist sein Lebend-Sein und sein
Leben und geht ber jegliches Sein und jegliches Leben hinaus, an
dem Geschpfe teilhaben, und existiert als Prinzip des Lebens und
Seins von allem." 7 Das Sein Gottes aber ist sein Denken: suum esse
est suum intelligere 77. Hieraus wird deutlich, wie gerade von der
Proble- matik der Trias esse - vivere - intelligere her Meister
Eckhart die Frage stellen konnte: utrum in deo idem sit esse et
intelligere? 78
72 79, 10 sqq: vivere enim viventis est ipsum esse eius ... et
ipsum intelligere primi intelligentis est vita eius et esse ipsius.
73 83, 11 sq: ipsa (sc. causa prima) est ipsum esse, ita est ipsa
vita et ipse intellec- ts primus. Vgl. auch 105, 19 sqq. 74 De pot.
q 9 a 9 corp. 75 In de div. nom. 926 sqq. 76 In de div. nom. 934:
Ipse est suum vivere et sua vita et excedens omne esse et omnem
vitam quae participatur a creaturis et existens principium vivendi
et essendi omnibus.
77 In lib. de caus. 76, 9. 78 Vgl. M. Eckhart y Quaestiones
Parisienses , ed. B. Geyer, L. W. V, 27 sqq, Stutt- gart 1936. Zur
Trias esse - vivere - intelligere bei Thomas vgl. ferner in lib. de
caus. 101, 8 sqq; 102; 103; 106, 9 sqq; 115, 1 sqq. Die Frage, wie
Thomas das Problem der Subordination der drei Momente in der
neuplatonischen Tradition verstanden hat, errtert R. J. Henle ,
Saint Thomas and Platonism7 413-417.
Korr. zus.: Warum und wie das Leben die Einheit von esse -
vivere - intelligere zu stiften und gerade dadurch Wesensvollzug
der Seele zu sein vermag, hat L.-B. Geiger in einer subtilen
Abhandlung vom Denken des Albertus Magnus her gezeigt: La vie ,
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208 Werner Beierwaltes
3 . Das Problem der Urschlichkeit Im Metaphysikkommentar fhrt
Thomas die vier Weisen des Verur-
sachens in das Prinzip von Ursache als deren Einheit -stiftenden
Grund und Ursprung zurck. Der Kommentar zum liber de causis
entfaltet im wesentlichen die mannigfache Stufung der Ursachen, das
Wesen des Inne- seins des Verursachten in der Ursache als Rckgang
des Verursachten in seine Ursache, schlielich die Seinsstruktur der
ersten Ursache selbst, ihre Entuerung in der Konstituierung des
zeitlich Seienden und die Mg- lichkeit einer apophatischen
Erkenntnis des Ursprungs.
Jedes verursacht Seiende bestimmt seinen Wesensort im Ganzen des
Seienden durch seine grere oder geringere Nhe zur ersten Ursache.
Die Urschlichkeit des Seienden ist also ein Wesenszug des Seienden,
durch dessen Explikation sich der Sinn des Seins dieses Seienden
erschliet. So wird der Sinn des Seins in der Mannigfaltigkeit des
Seienden gem der Nhe oder Ferne zum Ursprung auf je verschiedene
Weise vermittelt. Daher kann man zu Recht von einem ordo der
Ursachen und einem ordo des Seienden sprechen; beide konstituieren
sich gegenseitig. Das ver- ursacht Seiende ist trotz seiner
gesetzten Andersheit gegenber der Ur- sache immer in dieser (inest,
inhaeret79) als dem erwirkenden und bewah- renden Grund seiner
Wirklichkeit. Das Erwirkte wird so zum Vorgriff der erwirkenden
Urschlichkeit, durch deren Anwesenheit im Erwirkten dieses ist und
bleibt, was es ist. Die Gegenwart der Ursache aber im Ver-
ursachten, der Wirkung im Erwirkten, oder das Innesein des
Verursach- ten in der Ursache vollzieht sich als Rckgang des
Verursachten in den Grund seines Seins. In diesem Gedanken ist die
neuplatonische, insbeson- dere proklische Trias von Verharren,
Hervorgang und Rckkehr wirk- sam, in der der Akt des Verursachens
als triadischer Kreis erscheint80. In der Rckkehr des Verursachten
in die Ursache vollendet sich das Stre- ben des Seienden, die
Unterschiedenheit zwischen Ursprung und Ent- sprungenem aufzuheben,
soweit dies in Zeit mglich ist. Rckkehr in die Ursache ist also
Rckkehr in den Ursprung, der Grund und Ziel von Seiendem zugleich
ist.
Das mannigfaltige Wirken von Ursachen macht offenkundig, da die
erste Ursache als Urschlichkeit schlechthin der umfassende Grund
des Seins von Ursache berhaupt ist. acte essentiel de Vme , l'esse
acte de Vessence d'aprs Albert-le-Grand , in: tudes d'histoire
litt, et doctr. XVII, Montral-Paris 1962, 49-116. 7 7, 19. 80 Vgl.
Proci, elem. theol. 35; 38, 9 sq (Dodds).
Die Bewegung exitus - reditus wird auch zum Grundri der Summa
theologica des Thomas. Vgl. dazu M.-D . Chenu , Le plan de la Somme
thologique de saint Thomas , Rev. Thom. 47 (1939) 93-107.
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Der Kommentar zum , Liber de Causis 1 als neuplatonisches
Element (Saffrey) 209
Causa secunda non agit in causatum suum nisi virtute causae
primae; ergo et causatum non procedit a causa secunda nisi per
virtutem causae primae81. Die in allem Verursachten anwesende
Wirkmchtigkeit (potentia, virtus operandi82) des Prinzips von
Ursache grndet die in sich nach Nhe zum oder Ferne vom Ursprung
gestufte Systematik von Seiendem. Durch Vermittlung der mittleren
Ursachen reicht sie bis zur letzten Wirkung (usque ad ultimum
effectum per omnes medias causas 83), ohne sich selbst in ihrer
Substanz zu mindern oder sich selbst aufzuheben. Im Ver- ursachten
wirkt der Sinngrund des Verursachens jedoch lediglich auf die Weise
der hnlichkeit 84.
Das Wirken dieses transzendenten und immanenten Sinngrundes wird
in diese Axiome gefat:
Causa prima plus influit in effectum quam secunda; impressio
causae primae tardius recedit ab effectu85; impressio causae primae
primo advenit et ultimo recedit 86. Hieraus folgt, da die erste
Ursache als das absolute prius jeder Ursache in hherem Mae Ursache
der Wirkung ist als die zweite Ursache"87. Whrend die zweiten
Ursachen in ihrem Ursachsein selbst gesetzt sind, ist die erste
Ursache der allgemeine, unhintergreifbare Grund des Seienden und
Ursprung seiner selbst: Gott. Er ist die univer- salitas
causalisatis 88, der umfassende Sinngrund des Verursachens. Dem
endlichen Denken vermittelt er sich durch die Erkenntnis des
verursacht Seienden als der absolute Grund des Seins von Seiendem
und der Mglich- keit von Erkennen. Der absolute Grund aber ist
nicht ein Seiendes unter anderen, so da er sich beim Rckgang des
Denkens als das Letzte inner- halb der einen Dimension des
Verursachten erwiese, er ist vielmehr das Sein selbst. Als solches
jedoch ist er auerhalb der Dimension des Verur- sachten, weil er
deren Prinzip ist. Dieses aber ist nur im excessus mentis zu
berhren 89. Daher wird zu Recht gesagt, Gott sei ber allem, deus
est ultra omnia90.
In der Auslegung des Satzes Das Erste ist reich durch sich
selbst" (prop. 21) er- weist sich Gott auf Grund seiner reinen
Einheit (unitas pura91) und Einfachheit
81 Thom. in 1. d. c. 7, 24 - 8, 5. 82 Ibid. 7, 8. 83 Ibid. 9, 50
sq. Gegen eine nicht sachgerechte Interpretation dieses Gedankens
im Sinne einer ,creatio per media4 (Gott schafft nicht unmittelbar,
immediate, folg- lich nicht als absoluter Schpfer) vgl. Thomas 1.
d. c. 22, 4 sqq de pot. q 3 a 4 corp.
II Sent, d 1 q 1 a 5 ad 4. Dag. Avicenna, met. IX 4. A. Forest ,
La structure mta- physique du concret selon Saint Thomas d'Aquin,
Paris 19562, 60 sq . E. Gilson, Le Thomisme , Paris 19445, 214
sqq.
E. Gilson , Le Thomisme , Paris 19445 214 sqq. 84 120, 17 sq:
causa prima in rebus causatis est secundum quod eis similitudinem
suam imprimit. 8* 5, 14 sq. 8 8, 10 sq. 87 7, 15 sq: Ergo prima
causa est magis causa effectus quam causa secunda. 88 106, 17. 89
S. th. I q 84 a 7 ad 3. 9 115, 8. 91 113, 33.
14 Philosophische Rundschau 11, Heft 3/4
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210 Werner Beierwaltes
(simplicitas 92) als die absolute Selbstgengsamkeit 9S. Er ist
berflu (abundan- tia 94) und Erhabenheit (superexcellentia 95)
schlechthin, weil er das Nichts von allem ist, dessen Grund und
Ursprung er ist. Durch dieses Nichts ist er aus dem notwendi- gen
Bezug von Ursache und Verursachtem herausgehoben, um in Freiheit
die Uber- flle seiner Gte"95* in vollkommenem Einflu" (influxio
completa96) d.i. in der universalen Konstitution von Seiendem
verstrmen zu lassen: propter abundantiam suae bonitatis influit in
res alias et nihil est quod influt super ipsum. Gerade die Er-
habenheit und Einfachheit der ersten Ursache ist der Grund, da sie
in ihrer mannig- faltigen Wirkung anwesend zu sein und doch sich
selbst in ihrem Wesen zu bewah- ren vermag 97.
Da das Prinzip von Ursache auerhalb seiner selbst, in seiner
zeitlichen Wirkung, nur auf die Weise der hnlichkeit mit sich
selbst angetroffen wird, vermag es auch nicht in der durch Zeit und
Nichts betroffenen Sprache ausgesagt zu werden.
Die erste Ursache ist hher als jeglicher Name, der ihr von uns
beigelegt wird, weil jeglicher von uns beigelegte Name entweder auf
die Weise eines teilhabenden Vollkommenen, wie die konkreten Namen,
oder auf die Weise des Verminderten und formalen Teiles bezeichnet,
wie die abstrakten Namen. Daher ist kein von uns bei- gelegter Name
der gttlichen Erhabenheit wrdig." 98
Die ber aller Aussage" (superior narratione ") seiende
Urschlichkeit des Seins und Sinnes von Seiendem, die weder durch
die Ursache noch durch sich selbst noch durch die Wirkung
hinreichend erkannt zu werden vermag"100, wird nur analog
(deficienter et imperfecte 101) in der Weise der Negation
ausgesagt. Die Negation entspringt zwar dem Eingestnd- nis des
endlichen Denkens, da das Wesen Gottes nur in der Ausgrenzung von
Endlichem (remotio), nicht aber in sich selbst bestimmt werden
kann. Ihr Ziel ist jedoch, Gott als die unendliche Positivitt des
Seins zu erwei- sen 102.
92 112, 13 sqq. 93 112 sqq. 94 112, 3. 95 112, 4. Korr . zus.:
95a Aus dem transzendentalen Grund liebender Selbstmitteilung
Gottes
erweist sich das geschaffene Sein als Gabe : Bild der gttlichen
Gutheit. Hierber vgl. F. Ulrich , Zur Ontologie des Menschen , in:
Salzburger Jb. f. Phil. VII (1963) 25-128. 9 116, 8. 97 Vgl. 122, 3
sqq. 110, 28: impermixtio causae primae ad res alias. 98 116,
24-28: Causa prima est altior omni nomine quod a nobis imponitur,
quia omne nomen a nobis impositum vel significat per modum completi
participants sicut nomina concreta vel significat per modum
diminuti et partis formalis sicut nomina abstracta. Unde nullum
nomen a nobis impositum est condignum divinae excellentiae. 90 48,
3. 100 Ibid. 101 De pot. q 7 a 5 corp. 102 Ibid.: intellectus
negationis semper fundatur in aliqua affirmatione. Gleich- wohl
bleibt das Ende des Weges der remotio im Dunkel der Unwissenheit":
ad ultimum autem etiam hoc ipsum esse, secundum quod est in
creaturis, ab ipso re- movemus; et tunc, remanet in quadam tenebra
ignorantiae (I Sent, d 8 q 1 a 1 ad 4). Das Dunkel der
Unwissenheit" ist die Aporie, in die menschliches Denken
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Der Kommentar zum , Lber de Causis 1 als neuplatonisches Element
(Saffrey) 211
4. Schpfung und Teilhabe
Whrend in die Problematik der Kausalitt die Frage nach dem
Wirken aller Ursachen einbeschlossen ist, nennt der Titel creatio
lediglich die ab- solute Weise des Verursachens, die schpferische
Ttigkeit Gottes. Gott grndet Seiendes dadurch, da er ist. Sein Sein
aber ist sein Erkenneti. Indem er also Seiendes erkennt, setzt er
es in Freiheit. Auch der prok- lische Demiurg schafft dadurch, da
er ist; dies heit: durch sein Den- ken und Wollen 103.
Whrend jedoch die Ttigkeit des Demiurgen die ewige
Selbstdarstellung des vov als Welt ist, schafft der creator als
personaler Ursprung zeitlich und geschicht- lich Seiendes: Neues in
Zeit". Gott bringt hervor durch sein Sein, weil sein Sein sein
Erkennen ist; und wie sein Sein Eines ist, er jedoch Vieles erkennt
und deshalb Vieles hervorzubringen vermag, wenn auch sein Erkennen
Eines und einfach bleibt, so vermag er, wenngleich sein Sein ewig
und unverndert ist, trotzdem ein zeitliches und vernderliches Sein
zu erkennen, und deshalb durch eben dieses Erkennen eine neue
Wirkung in Zeit hervorzubringen, wenn auch sein Erkennen ewig ist."
104
Dieses in Zeit geschaffene Seiende bewahrt sich in der Zeit
durch die geschaffene Teilhabe am personalen Ursprung. Unter der
Rcksicht des Seins der Teilhabe kann daher gesagt werden: Schpfung
ist der freie personale Akt des zeitlosen Ursprungs, durch den
zeitlich Seiendes als teilhabend am Ursprung gesetzt wird. Teilhabe
aber ist die Bewegung des faktisch Seienden zum Grund seiner
Faktizitt, un rapport dynamique et non pas simplement
formel105.
Von den mannigfachen Problemen, die sich vom neuplatonischen
Den- ken her in der spekulativen Konstitution eines christlichen
Schpfungsbe- griffes stellen, seien die in den folgenden Axiomen
beschlossenen Pro- bleme kurz skizziert:
Prima rerum creatarum est esse (1. d. c. prop. 4). Anima est in
horizonte aeternitatis inferius et supra tempus (1. d. c.
prop. 2).
gert, wenn es in Zeit den Sinn des Namens ,esse absolutum et
indeterminatum' (ibid.) zu erfassen versucht, das sich als Ich bin,
der ich bin" selbst ausgesprochen hat.
Vgl. z. B. in Tim. I 268, 7 sqq; 421, 29 - 422, 1 (Diehl). 104
Thom. in 1. d. c. 76, 8-15: Nec obstat quod dici tur quod producit
per suum esse, quia suum esse est suum intelligere; et, sicut suum
esse est unum, intelligit ta- rnen multa, et propter hoc potest
multa producere, quamvis eius intelligere unum et simplex remaneat,
ita, quamvis sit suum esse aeternum et immobile, potest tamen
intelligere aliquod esse temporale et mobile, et ideo, etsi suum
intelligere sit sempi- ternum, per ipsum tamen producere potest
effectum novum in tempore. 106 L.-B. Geiger O. P., La participation
dans la philosophie de S. Thomas Aquin , Paris 19532, 105. Zu
diesem Problem vgl. ferner: C. Fabro , La nozione metafisica di
partecipazione secondo S . Tommaso d'Aquino, Torino 19502,
besonders 107-113.
14*
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212 Werner Beierwaltes
a) Prima rerum creatarum est esse 10#. In dem Gedanken, da das
Sein das erste Geschaffene ist, ist der Satz
des Proklos in die Schpfungsproblematik umgeformt worden: Von
allem, was an der gttlichen Eigenheit teilhat und vergttlicht ist,
ist das Erste und Hchste das Sein." 107
Whrend das Gute oder Eine als das erste und hchste Prinzip im
System der Platoniker" das Allgemeinste (communissimum) oder das
absolute Allgemeine ist, wird nach dem Einen und Guten nichts
gefunden, was so allgemein wre wie das Sein" 108. Da das Sein
geschaffen ist ber allem Geschaffenen", ist es in unmittelbarer Nhe
zum Ursprung, zur ersten Ursache, die das reine subsistierende Sein
und das wahrhaft Eine ist, das nicht aus Teilhabe entspringt, in
dem keine Vielfalt von sich in seinem Wesen Unterscheidendem zu
finden ist" 109. Durch die Nhe zum reinen Sein ist das Sein als
erstes Geschaffenes in hherem Mae geeint als das an ihm Teil-
habende (vehementius unitum 110). Die ber allem bestimmt Seienden
seiende Einung des Seins selbst ist seine Einfachheit. Obwohl
nichts Einfacheres im Geschaffenen ist als das Sein" m, ist es doch
auf Grund der es fgenden Konstituentien Grenze und Grenzelosigkeit"
fhig, sich in bestimmt Seiendem zu vereinzeln oder, von ihm als der
einen Flle der Mglichkeiten her gesehen, zu vervielfltigen"
(multiplican, diversifican 112).
Aus der Dialektik von Einfachheit (Allgemeinheit) und
Mannigfaltig- keit im Sein selbst wird deutlich, da das Sein als
erstes Geschaffenes nicht ein einzelnes, bestimmt seiendes Etwas
meint, das geschaffen ist (subiec- tum creatum), sondern das
eigentliche Wesen eines Gegenstandes der Schpfung" (propria ratio
obiecti creationis). Wesen des Geschaffenen aber ist nicht das
Dies-oder-das-Sein (hoc ens), sondern das Sein selbst. Denn
Schpfung ist das Ausstrmen des gesamten Seins vom umfassen- den
Sein" 113. Andererseits aber ist das Sein als das Formalste und
Ein- fachste" 114 auch nicht der leerste Begriff, indifferente
Bestimmungslosig-
oe ygi auch de pot. q 3 a 4 corp. Geiger , La participation 200
sq. 107 Elem. theol. 138; 122,7 sq: nvxv xv 1A,ei;e%v%(v % f} ea
iLrrjTO Tta xeoviiviv jiqxiotv nn Kai KQxaxov r v. Zu dem genannten
Problemkreis ist zu vergleichen: elem. theol. 87 ; 80, 15 sqq. 101
; 90, 17 sqq. 197 ; 172, 1 sqq. 108 28, 6 sq: sed post unum et
bonum nihil invenitur ita commune si cut ens. i9 29, 19-21: (causa
prima) quae est esse primum subsistens et est vere unum non
participatum in quo non potest aliqua multitudo inveniri
differentium secun- dum essentiam.
o 29, 6. 111 30, 7. 112 30, 3 sq. 118 S. th. q 45 a 4 ad 1: Cum
dicitur, prima rerum creatarum est esse, ly esse non importt
subiectum creatum ; sed importt propriam rationem obiecti
creationis. Nam ex eo dicitur aliquid creatum, quod est ens, non ex
eo quod est hoc ens: cum creatio sit emanatio totius esse ab ente
universali.
114 S. c. g. I 23 : nihil enim est f ormalius aut simplicius
quam esse, de pot. q 7 a 2 ad 9.
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Der Kommentar zum , Liber de Causis 1 als neuplatonisches
Element (Saffrey) 213
keit oder hypostasiertes, reines Existieren. Die
Allgemeinheit115, Einfach- heit und schlechthinnige Formalitt" des
Seins ist vielmehr der Grund jeglicher Besonderung, Vielfalt und
Wesensbestimmung von Seiendem. Denn Sein als der allgemeine Grund
befat die Besonderung als seiende Mglichkeit immer schon in sich.
Diese im Sein befate mgliche Wirk- lichkeit aber kommt in der
bestimmten Wesensform eines Seienden zur Ruhe : Esse est aliquid
fixum et quietum in ente 116. In der Vervielfltigung seiner
ursprunghaft gesetzten Einheit wird das Sein so zum ermglichen- den
und bewahrenden Grund von Seiendem. Sein aber ist jenes, was
jeglichem das Innerste ist und was tiefer in allem ist." 117
b) Anima est in horizonte aeternitatis inferius et supra tempus.
Die Seele ist das Sein der Grenze von Ewigkeit und Zeit. Ihr
Wesen
wird durch Zeit und Ewigkeit als das Zwischen ausgegrenzt.
Zwischen" aber meint hier nicht das Nichts oder den leeren Ort",
der Zeit und Ewig- keit trennt, sondern vielmehr die Einheit der
Wirkmchtigkeit von Ewig- keit und Zeit in der Seele. Die Seele ist
daher in ihrem Wesen das ver- mittelnde und vermittelte Zwischen
von Ewigkeit und Zeit. Sie ber- schreitet zwar gem ihrer Substanz
Zeit und Vernderung und berhrt Ewigkeit, gem ihrem Wirken aber
berhrt sie Vernderung" 118. Ver- nderung aber ist ein Wesensmoment
von Zeit. Dies heit: Zeitlichkeit des Seienden ist der Grund fr
dessen Vernderlichkeit. Die Seele aber hat in ihrem Wirken
vernderlich Seiendes zu bewegen und zu denken. Deshalb berhrt Zeit
das Wirken der Seele " 119.
Ewigkeit aber berhrt die Seele als den in ihrem Wesen
vorlaufenden und sie selbst als Substanz grndenden Grund und
Ursprung. Thomas folgt der Definition des Boethius, der Ewigkeit
denkt als den ganzen und vollkommenen Besitz unbegrenzten Lebens in
zeitlosem Zugleich 120. Die Wesensmomente von Ewigkeit sind daher:
Grenzelosigkeit (intermina -
115 Zur Problematik des esse commune vgl. L. O eing-H anhoff :
Ens et unum con - vertuntur, B G Ph MA XXXVII H. 3, Mnster 1953, 77
sqq. Zur Differenzierung des Seins bei Thomas: F. M . Sladecze) c,
Die verschiedenen Bedeutungen des Seins nach dem hl. Thomas v.
Aquin , in: Scholastik 5 (1930) 192-209 und 523-550. 116 S. c. g. I
20. 117 S. th. I q 8 a 1 corp. : Esse autem est illud quod est
magis intimum cuilibet et quod profundius omnibus inest. 118 15,
13-15. Korr. zus.: Vgl. hierzu Proci, elem. theol. 191; 166, 26 sq:
Ttaoa ipvxv fieftsxTV vv 1XBV ooav avtov exec, % rjv vgyeiav xax
ZQvov. In Tim. II 293, 20 sq. " Ibid. 1. 21 sq. 120 Cf. de cons.
phil. V, prosa 6, 4 (CCL 94; 101, 8 sq. ed. Bieler): Aeternitas est
interminabilis vitae tota simul et perfecta possessio.
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214 Werner Beierwates
bilitas121), Unaufhrlichkeit (indefcientia 122 - Ewigkeit verlt
sich selbst nicht, da sie die Negation der in ihren Modi
Vergangenheit, Gegen- wart und Zukunft" nie bei sich bleibenden
Zeit ist - ), Unvernderlichkeit (immobilitas 123) und deshalb ohne
Vorher und Nachher (successio): aeter- nitas absque priori et
posteriori. Als solche aber ist sie absolute Einheit und Ganzheit,
stehendes Jetzt, zeitloses Zugleich ihrer seienden Momente : tota
simul existens124.
Da die Seele nun die unterste Grenze" (ultimus terminus125) von
Ewigkeit und Ursache oder Anfang von Zeit (causa126, principium
tem- poris 127) als unscheidbare Einheit ist und so gem ihrer
Substanz von der Ewigkeit bestimmt ist, durch ihr Wirken aber in
Zeit verflochten bleibt, kann sie zurecht das substantielle
Zwischen von Ewigkeit und Zeit heien.
Whrend im liber de causis und in der dem Gedanken zugrunde
liegen- den propositio des Proklos unter Seele ein Weltprinzip,
nicht aber die menschliche Seele verstanden wird, ist diese Frage
in der Interpretation des Thomas zunchst 128 in der Schwebe
belassen, dann aber wird die hier genannte Seele als dem
Himmelskrper" zukommend gedacht. Aller- dings bleibt der im liber
de causis gedachte Gedanke an anderer Stelle auch fr die
menschliche Seele bestimmend: Von der erkennenden Seele wird
gesagt, da sie gleichsam ein Horizont und eine Grenze von
Krperlichem und Unkrperlichem sei, sofern sie unkrperliche
Substanz, aber doch Wesensform des Krpers ist." 129
Wenn in diesen berlegungen zum Wesen der Seele der Begriff
Horizont eingefhrt wird, so ist er nicht kritizistisch oder
phnomenologisch im Sinne von Ansatz, Reichweite oder Aspekt eines
Problems zu verstehen, sondern - wie sich aus der Interpretation
ergab - in einem ursprnglichen Wortverstand als Grenze oder
Zwischen (terminus, confinium). Da aber Grenze oder Zwischen den
Wesensort eines Seienden meint, hat der Be- griff Horizont nicht
historische, hermeneutische oder hypothetische, son- dern
ontologische Bedeutung130.
121 Thom. in 1. d. c. 11, 26. ibid.: aeternum quasi extra
terminos existens. 122 nj 25. 123 12, 6. 124 12, 9. 125 16, 14. *2
16, 8. 16, 15. 12* 15, 9 - 16, 9. 129 S. c. g. II 68 : Anima
intellectualis dicitur esse quasi quidam horizon et con- finium
corporeorum et incorporeorum, in quantum est substantia incorporea,
cor- poris tarnen forma.
Vgl. ferner III 61. S. th. I q 77 a 2 corp. de pot. q 5 a 9, 27.
Weitere Hinweise auf die Geschichte des Horizont-Begriffes in der
Literatur des Mittelalters finden sich bei Pattin, 1. c. p.
145.
Uber die Seele als vermittelnde Mitte bei Proklos siehe: J.
Trouillard , Le sens des mdiations proclusiennes , Rev. phil. de
Louv. 55 (1957) 331-542. 130 Zur Horizontproblematik in der neueren
Philosophie vgl. H.-G. Gadamer , Wahrheit und Methode , Tbingen
1960, 232 sqq; 286 sqq; 356 sqq.
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Der Kommentar zum , Liber de Causis 1 als neuplatonisches
Element (Saffrey) 215
IV
Die Problematik der Selbstreflexion des Denkens, des
gegenseitigen Inneseins von Sein, Leben, Denken, die Frage nach der
Urschlichkeit der Ursachen und der Relation von Schpfung und
Teilhabe in der Philosophie des Thomas von Aquin sind hier in dem
vom Neuplatonismus bestimm- ten Aspekt entfaltet worden. Dadurch
ist nicht im Sinne einer positivisti- schen Quellenforschung
lediglich eine historische Abhngigkeit festge- stellt, sondern
vielmehr ein Beispiel einer verwandelnden Aneignung des Fremden" im
Akt des Philosophierens gezeigt worden. Die genannten, durch den
liber de causis vermittelten neuplatonischen Elemente werden jedoch
nicht als Denkinhalte" dem praevalenten Aristotelismus des Tho- mas
hinzugefgt, sondern sie bestimmen als Prinzipien des Denkens den
inneren Bau seines Denkens selbst. Daher vermchte gerade eine
vollstn- dige Interpretation des Kommentars zum ber de causis und
zu Pseudo - Dionysios Areopagita wesentlich dazu beizutragen, das
Vorurteil zu ent- krften, da das Denken des Thomas lediglich
griechische Theologie mit christlichem Inhalt sei. Gerade in den
genannten Werken zeigt sich die verwandelnde Kraft thomasischen
Denkens, das die philosophische Tradi- tion in eine durch das Wort
der christlichen Offenbarung von Grund auf bestimmte Denkform
aufnehmen konnte, ohne deren Einheit zerfallen zu lassen. Weil
jedoch der Versuch, die Weise und den Sinn der Rezep- tion
griechischen Denkens bei Thomas durch angemessene Methode und aus
umfassender Kenntnis der Sache philosophisch zu interpretieren,
noch nicht ber einen, zwar entwicklungsfhigen Anfang hinausgegangen
ist, kann es nur einem aktualistischen Interesse zugute gehalten
werden, wenn man das Griechische" in Thomas auf Grund ungeprfter
und sachfrem- der Thesen zu eliminieren oder als unerheblich zu
erweisen sucht, um ihn dann ungehindert nach vorne", auf Neuzeit
hin bzw. von dieser her" auslegen zu knnen. Soll aber gerade das
Christliche" in Thomas gezeigt werden, so drfte dies wohl eher
einer Interpretation gelingen, die das Denken des Thomas von der
philosophischen und theologischen Tradition her zu erkennen
versucht, wie es in sich selbst ist , nicht aber einem Ver- such,
der fr Thomas dadurch einen neuen philosophischen Rang zurck-
gewinnen" mchte, da er ihn als Vermittler der Neuzeit" versteht,
der im ersten, vielleicht zuweilen noch leeren Entwurf" das
neuzeitliche Denken - insbesondere Kants transzendentalen
Subjektivismus und Hegels Umkehrung des Bewutseins - ursprnglich
vorweggenommen habe.
Werner Beierwaltes (Wiirzburg)
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Article Contentsp. 192p. 193p. 194p. 195p. 196p. 197p. 198p.
199p. 200p. 201p. 202p. 203p. 204p. 205p. 206p. 207p. 208p. 209p.
210p. 211p. 212p. 213p. 214p. 215
Issue Table of ContentsPhilosophische Rundschau, Vol. 11, No.
3/4 (1963) pp. 161-311PSYCHIATRIE UND PHNOMENOLOGIE [pp.
161-183]Review: untitled [pp. 183-192]DER KOMMENTAR ZUM LIBER DE
CAUSIS ALS NEUPLATONISCHES ELEMENT IN DER PHILOSOPHIE DES THOMAS
VON AQUIN [pp. 192-215]METAPHYSISCHE BETRACHTUNGEN BER DAS
KUNSTWERK [pp. 216-221]LITERATURGESCHICHTE ALS
GESCHICHTSPHILOSOPHIE [pp. 222-248]Review: untitled [pp.
249-261]SCHWIERIGKEITEN MIT DEM DENKEN [pp. 261-281]RILKE UND DIE
ZEIT: Metaphysische Ideologie und Dichtung [pp.
281-291]BUCHNOTIZENReview: untitled [pp. 292-292]Review: untitled
[pp. 293-294]Review: untitled [pp. 294-295]Review: untitled [pp.
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HINWEISEReview: untitled [pp. 305-305]Review: untitled [pp.
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