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Ausgabe 9/2013 September
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Fortsetzung Seite 2
Auf Augenhöhe(an) Mit ihrer Jahrestagung «Mittendrin» hat die
Deutsche Landesgesellschaft in Berlin bewiesen, dass sie sich nicht
nur program-matisch, sondern ganz real und lebensnah auf Augenhöhe
mit dem Zeitgeschehen bewegen kann. Die eingeladenen Redner und
ihre jewei-ligen anthroposophisch geprägten Gegenüber zeigten in
bisher einmaliger Weise im Rah-men einer großen Öffentlichkeit, wie
aktuell die Anthroposophie tatsächlich ist. Auch die in diesem
Herbst weiterhin angekündigten Tagungen, über die in dieser Ausgabe
berichtet wird, zeugen von dieser Aktualität, von der man sich
wünschen möchte, dass sie in die weitere Entwicklung unserer
Landesgesell-schaft fruchtbringend einfließen möge.
Brasilien im FokusNoch vor der Sommerpause war Hartwig Schil-ler
aufgrund des Deutsch-Brasilianischen Jahres 2013 eingeladen, an
verschiedenen anthropo-sophischen Veranstaltungen teilzunehmen. Er
schildert seine Reiseeindrücke, die auch Einblick in ein Stück
deutsch-brasilianischer Beziehungen geben aufSeite 5 und 6
Tagung zum 1. WeltkriegDie einhundertjährige Wiederkehr des
Aus-bruchs des Ersten Weltkrieges wird aufgrund einer umfangreichen
Forschungsarbeit von Dr. Markus Osterrieder in einer groß
angelegten Tagung der Landesgesellschaft vom 3. bis 6. Oktober in
Kassel gewürdigt werden.Seite 7
Kritische Steiner-AusgabeDie bisher vom Frommann-Holzboog Verlag
alleine geplante kritische Ausgabe der Werke Rudolf Steiners wird
nun überraschend in einer gemeinsamen Edition mit dem Rudolf
Steiner-Verlag herausgegeben.Seite 7
Hirnforschung aktuellEin Tagesseminar am 21. September in
Stutt-gart mit dem Anthroposophen und Hirnfor-scher Dr. Urs
Pohlmann wird auf aktuelle Fragen der Neurowissenschaften und das
Leib-Seele-Verständnis der heutigen Naturwissenschaften hinblicken
und nach Wegen einer Spiritualisie-rung der Hirnforschung
suchen.Seite 8
Mittendrin – in der AufmerksamkeitPhilipp Fürdens
Es gibt so manch großes Wort in der Anthro-posophie. Eines davon
ist – da in mehrerlei Hinsicht von geisteswissenschaftlich
heraus-ragender Bedeutung – die schöne Präposi-tion mittendrin. So
wollten und durften wir letztes Jahr mit der Mitgliederversammlung
der Landesgesellschaft – in trefflicher Ent-sprechung zum
Jahresthema – ganz mitten-drin sein: nämlich im Goetheanum als dem
Zentrum unserer Gesellschaft. Und so waren wir auch dieses Jahr im
gleichen Rahmen wiederum mittendrin und wiederum in einem Zentrum,
wohl aber mit anderem Gestus und in einer anderen Bewegung:
mittendrin in der Bundeshauptstadt, im Dialog mit der Welt und hin
zur Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit. Das eigene sich Hinwenden
nach Außen setzt aber zugleich auch immer wenn nicht das, so
zumindest ein Bewusstsein der eigenen Identität voraus. Daher war
der Duktus dieser MV vielleicht nicht nur für mich gerade als ein
impliziter Anschluss an das Jahresthema 2012 zu erleben. Eröffnet
wurde die Tagung am Donnerstag durch ein offenes Gespräch. Wie es
bei einer offenen Unbestimmtheit so ist, dass wenn nichts
Persönliches drängt, man erst einmal abwartet, ob nicht von
irgendwo anders her als aus einem selbst das Bestimmende kommen
mag, so auch hier. «Wie finden Sie denn die Mitteilungen?» war also
die von Jasmin Mertens gestellte Frage, die gerne aufgegriffen zu
einer spannenden und zum Teil spannungsreichen Runde führte. Als
Desiderata wurden u.a. das Eingehen auf das Zeitgeschehen und ein
Mit-gliederforum genannt. Bezüglich des letzteren
und der Frage, inwiefern der Auseinander-setzung zwischen den
Lagern um J. von Halle und S. Prokofieff Platz gegeben werden
sollte, wurde auch das freie Ein Nachrichtenblatt für Mitglieder
thematisiert. Es waren viele und einige sicherlich richtige
Aussagen zu hören (wie in etwa, dass Standortbestimmungen kein
Gespräch seien), die jedoch m. E. insgesamt keine Argumente
bezüglich der Berechtigung oder Notwendigkeit des ursprünglichen
Nach-richtenblattimpulses an sich darstellten, d.h. an die
eigentliche Frage nicht herangekommen sind. Die Frage, was «die
spezielle anthroposo-phische Identität» ist, stellte sich einem
auch – mindestens einmal explizit über die Worte von Hartwig
Schiller – im Podiumsgespräch von letzterem mit Gioia Falk und Joan
Sleigh über das Auftreten der Anthroposophie im Kulturleben der
Gegenwart. J. Sleigh sprach von ihren Erfahrungen aus Afrika und
von michaelischen Kräften, die sich überall dort zeigten, wo
Initiativkraft zutage trete und Ver-antwortung übernommen werde.
Ihr wesent-liches Anliegen war es, das Bild von einer zum Menschen
gewordenen Anthroposophie zu vermitteln, für die die Begegnung von
Mensch zu Mensch, im reinen Interesse am Gegenüber und ohne die
Vermittlung über die GA charak-teristisch ist. Sicher, «allein die
Bände der GA wären nicht fruchtbar» und die Verlockung, zu viel zu
Studieren sollte einem keinesfalls die Lebensbegegnungen
verunmöglichen. Folglich sind hinsichtlich der Authentizität, um
die es
(an) Die diesjährige Mitgliederversammlung und Tagung der
Deutschen Landesgesellschaft war wohl, so schien es jedenfalls im
Nachhinein, die bisher gelungenste dieser Art. Blicken wir zurück
auf die Tagungen 2009 in München, 2010 in Bochum, 2011 in Weimar
und 2012 in Dornach, so konnte man eine sowohl von den Inhalten wie
von der Form her gereifte Landesgesellschaft, einschließlich ihres
Arbeitskollegiums erleben, und das Ganze an einem dafür sehr
exponierten, dennoch sehr geeigneten Ort, der kleinen Philharmonie
auf dem Kulturforum in Berlin, wo sich bis zu 600 Besucher, in der
Mitgliederversammlung etwa 300, zusammen fanden. Die beiden
nachfolgenden Berichte – eines jungen und eines langjährigen
Mitgliedes – sollen Einblick in das Tagungsgeschehen geben, vor
allem für diejenigen, die nicht dabei sein konnten.
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Anthroposophie Weltweit • Mitteilungen Deutschland, September
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nicht nur im Blick auf die jüngere Generation gehen sollte, die
anthroposophischen Inhalte bzw. eigene Forschungsfragen anhand
dersel-ben vorauszusetzen, denn woher sonst sollte die «spezielle
anthroposophische Identität» kommen, wenn nicht aus diesen? Die
hier zugrundeliegende Frage ist essentiell, und es ist dieselbe,
die sich in H. Schillers Selbstverständnis seiner Aufgabe zeigte,
die er im folgenden ersten Teil der MV als «Bewah-rung der
Wesensinhalte bei gleichzeitiger Belebung und Erneuerung»
beschrieb. Ernst wurde es, als er bezüglich seiner Äußerung zur
«Rücktrittsbereitschaft 2014» gefragt wurde und daraufhin ruhig und
ehrlich aufklärte, dass diese Frage das gesamte Arbeitskollegium
betreffe, das sich nunmehr in einem von G. Falk und Peter Krüger
gesteuerten «Findungs-prozess für die Neugestaltung» befände. So
entstand am ersten Tag durch das Zurück-geworfensein auf einen
selbst eine doch nach-denkliche Stimmung, die meine Aufmerk-samkeit
auf uns als AGiD richtete und mir diejenige der Welt auf uns –
einige weni-ge Menschen mittendrin: in einem immen-sen, organisch-l
e b e n d i g e n , aber ansonsten leeren Raum – recht gering
erscheinen ließ. Um die Frage der Aufmerk-samkeit ging es mit dem
Thema «Meditation» dann auch am nächsten Tag. Arthur Zajonc hielt
dazu einen exzellenten und klaren Vor-trag, während welchem die
Stimmung sehr ruhig und konzentriert, und zugleich auch warm und
herzlich war. Indem er von einer «bestimmten Stimmung» sprach, die
für die Meditation bezeichnend ist, sowie von der Unbeweisbarkeit
des Geistes und dem damit zusammenhängenden Freiheitscharakter,
aber ebendiese Stimmung (oder eine ähnliche) im Raum zu bemerken
war, schien er beinahe den Geist doch bewiesen zu haben! Neben
seinen ansprechenden Ausführungen über die Art von und Erfahrung
mit der Meditation und nach dem gelungenen «Versuch», sich in einer
gemeinsamen meditativen Betrach-tung einer mit Wasser zu füllenden
Schüs-sel den Elementen zu nähern, unterstrich er die Wichtigkeit
der gegenseitigen Akzeptanz von Anthroposophie und Buddhismus für
das Bewusstseinseelenzeitalter und endete mit einem Blick auf –
auch zwischen unterschied-lichen Strömungen sich entwickelnde –
geistige
Mittendrin
Fortsetzung von Seite 1
Freundschaften. Es sei das Interesse an ande-ren Strömungen und
die Liebe zu denjenigen, die einen anderen Weg haben als wir
selbst, durch die wir zum anderen kämen. Denn «Michael ist kein
Eigentum der AG». Auch hier sind wir, wie deutlich wurde, wiederum
vor die essentielle (und existentielle) Frage gestellt, in welcher
Weise wir unser Verhältnis zum Werk von Rudolf Steiner – und somit
zu ihm selbst – reaktualisieren sollen und können. Das
Podiumsgespräch mit dem Buddhisten und Berater des Dalai Lama Tho
Ha Vinh, Michael Bangert von der christ-katholischen Kirche sowie
Konstanza Kaliks und Bodo von Plato vom Goetheanum war nicht nur in
jeder Hinsicht harmonisch und natürlich, sondern darüber hinaus
auch sehr aufschlussreich. Für mich überzeugte hier T. H. Vinh, der
verdeutlichte, dass er «nicht aus einem Glaubensinhalt, son-dern
aus einer Erfahrung heraus»: der mit dem Tod, meditiere. Auch im
Buddhismus bedeutet Meditation, «sich seiner eigenen
Aufmerksam-keitskraft bewusst zu werden.» Wenn es darum gehe, dem
aktuellen Menschenbild des «homo oeconomicus», das die seelische
Not der Zeit widerspiegelt, ein neues, spirituelles
gegenü-berzustellen, dann könne dieses nur aus dem
inneren Erleben heraus überzeu-gen, niemals aber aus
Programm-haftigkeit – wie nachvollziehbar! Inwiefern hier die
Aufmerk-samkeit wesent-lich ist, wurde im Forum mit T.H. Vinh am
Nach-mittag deutlich: Die Marktwirt-schaft heute sei eigentlich
eine A u f m e r k s a m -
keitswirtschaft, die damit arbeitet, unsere Auf-merksamkeit von
uns abzusaugen und damit, dass dann dasjenige, auf das sie gelenkt
wird, für uns wertvoll wird und letztlich unser Leben bestimmt.
Folglich ist es so essentiell wie exi-stentiell, seine
Aufmerksamkeit selbst beherr-schen zu können. Woran Buddhismus und
Anthroposophie also gemeinsam arbeiten, ist gleichsam ein
erneuertes Ändert euren Sinn! In Anbetracht der Tatsache, dass 20%
der Men-schen 80% der Ressourcen verbrauchen und wir de facto auf
1,6 Planeten leben, scheint es einsichtig zu sein, dass der globale
«Kipp-Punkt» im Umdenken mit vereinten Kräften erreicht werden
muss. Im zweiten Teil der MV ging es dann um die
Wissenschaftlichkeit und Weiterentwicklung der Anthroposophie. Die
einzelnen Ausfüh-rungen – v. a. die von Wolf-Ulrich Klünker und
Jost Schieren – direkt dazu waren einer-seits sehr interessant;
andererseits blieben alle aber auch ziemlich allgemein. Unklar
blieb für mich beispielsweise, ob es denn eine konkrete Vorstellung
davon gibt, wie genau wir uns
wissenschaftlich nachvollziehbar «auf unsere eigenen Erfahrungen
berufen» können, nach welchen Kriterien die
«bewusstseinsgeschicht-liche Kontextualisierung von Steiner» und
«die Reformierung seiner Werke» – was immer das bedeuten mag –
vollzogen und wie genau «Begriffe hergeleitet und begründet» werden
sollten. Eine Konkretisierung dieser Punkte ist zugegebenermaßen
vielleicht etwas zu viel verlangt für eine allgemeine
Jahresbegegnung. Aber es zeigt sich hier, was für ein wichtiges
Arbeitsfeld die Wissenschaftlichkeitsfrage ist. Aus welchem Grund
jedoch diese ausschließ-lich an die Periodika gebunden sein sollte,
wie es die einzelnen Präsentationen der drei Redakteure (Jost
Schieren, Stephan Stockmar und Andreas Neider) offensichtlich
nahelegen wollten, konnte sich mir nicht erschließen. Was das
Totengedenken anbelangt, so will ich in jeder Hinsicht Lob und Dank
für die gelun-gene Gestaltung aussprechen. Michael Schmock sprach
in ganz eigenem Ansatz und Bemühen, anregend und immer würdig. Es
herrschte eine sehr angemessene Stimmung, die von der Eurythmie
noch unterstrichen wurde. Der Samstag griff den Gestus nach außen,
wie am Tag zuvor im Dialog mit Christentum und Buddhismus
hinsichtlich des guten und inneren Lebens vollzogen, auf und setzte
den Fokus mit dem Thema «Zivilgesellschaft» auf das äußere,
gesellschaftliche Leben. Sehr gut fand ich die den Tag eröffnende
rezitatorische Darbietung der Begegnungen Rudolf Steiners mit
Literaten und Dichtern in Berlin und seines dortigen Ringens um das
Neue. Wie viel hat hier stattgefunden, in welchem Streben, was
wurde hier – «Achtung: Gleisdreieck!» – nicht alles zugrunde
gelegt? Alle Achtung für diese großartige Einstimmung! Und ja,
Berlin ist schon ein besonderer Ort, an dem immer mehr als anderswo
möglich zu sein scheint.Jakob von Uexküll griff in seinem (nicht
leicht zu folgenden) Vortrag das Anliegen der Gesin-nungsänderung
auf, indem er von einer kri-tischen Betrachtung der
Zivilgesellschaften ausging. Er verdeutlichte, dass die Menschen
die «kindische» Vorstellung eines «ewigen Wachstumsparadieses»
quasimythischer Gene-alogie à la «Die Erde ist flach – Geld kann
man essen – Die Natur ist ein Subsystem der Wirt-schaft» aufgeben
und die einzig zu stellende Frage stellen sollten, nämlich:
«Welches öko-nomische System können wir uns als Mensch-heit heute
eigentlich leisten?» Angesichts der Tatsache, dass wir über unsere
Verhältnisse gelebt haben, gebe es nur noch zwei Mög-lichkeiten in
der Entscheidung: «Wollen wir Teil der Lösung sein oder Teil des
Problems?» Die Antwort hängt, wie wir wissen, allein von unserer
Aufmerksamkeit ab. Das Podiumsgespräch mit zusätzlicher
Betei-ligung von Vera Lengsfeld, Gerald Häfner und Wolfgang
Gutberlet war das lebendigste und natürlichste von allen. Besonders
die beiden Politiker vermittelten durch Berichte aus ihrer
Biographie, dass «jede Aktivität eine Wir-kung» hat und dass
politische Änderungen und Einflussnahme sehr wohl möglich sind.
Podium am Freitag zum Thema Meditation: Hartwig Schiller,
Michael Bangert,
Arthur Zajonc, Constanza Kaliks, Tho Ha Vinh und Bodo von
Plato
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Anthroposophie Weltweit • Mitteilungen Deutschland, September
2013 3
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In erhöhtem Maße kann das vom Nachmit-tagforum mit G. Häfner
gesagt werden, der die Menschen feurig enthusiasmierte und mit
Geschick, Kompetenz und Ausdauer auf viele Fragen einging. Der
Wirtschaftsbericht der MV war insofern positiv, dass im Vergleich
zu früher auch einmal kritische Äußerungen zu hören waren. Peter
Krüger wies auf das Problem der satzungsge-mäß nicht vorgesehenen
Betriebsmittelrückla-gen hin und sprach endlich einmal offiziell
aus, was andersweitig schon lange Sorge bereiten dürfte, nämlich
dass man sich für die Zukunft überlegen müsse, wie das Verhältnis
von Mit-gliederzahl, Beitragszahlungen und Verwal-tungsaufwand neu
bestimmt werden kann. Ein wahres Geschenk war die Musik und die
Eurythmie am Samstagabend im gut gefüllten Saal, ein noch größeres
diejenigen am morgen darauf! Schade nur, dass solche Höhepunkte wie
das Credo und die Michaelimagination erst am Ende zu erleben waren.
Andererseits war, wie die ganze Tagung überhaupt schön und
inhaltlich sinnvoll aufgebaut war, auch die Kunst in ihrem Bezug
auf die Tage wohlüber-legt ausgewählt. Hierfür ist insbesondere
Gioa Falk zu danken.Auf die ausgezeichnete Güte des Vortrages von
Matthias Gierke am abschließenden Sonntag-vormittag, der unter dem
Thema «Medizin» stand, kann ich nur noch verweisen. Anhand der
Thematik der Organtransplantation wurde unsere Aufmerksamkeit auf
unser Verhältnis zu unserem Leib gelenkt, das heute mehr denn je in
Frage steht. Ein schönes Bild war, dass die Medizin heute
Transzendenz brau-che, um wieder herausgeführt zu werden aus ihrer
transzendentalen Obdachlosigkeit. Etwas obdachlos sah dann
allerdings auch der Schul-mediziner Ralf Schindler aus, der auf dem
Podium der entflammten anthroposophischen Verve eines Georg Soldner
und Harald Matthes nicht viel entgegenhalten konnte. Hier war der
Dialog mit der Welt am wenigsten geglückt! Insgesamt waren es vier
voll gefüllte Tage mit vielen kulturellen und künstlerischen
Ange-boten für vorher, nebenher, danach. Inhaltlich machten wir den
Schritt von Innen, vom Bli-cken auf unsere Aufmerksamkeitskraft per
se, nach Außen, zu unserem aktiven Stehen in der sozialen Welt, bis
hin zu dem Instrument, mit dem wir dies tun, unserem physischen
Leib. Im Dialog mit der Welt hat sich dabei gezeigt, dass die (auch
über den Tagungsort) angestrebte Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit
die eigene Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erweckt und
insofern voraussetzt. Sind wir in diesem Sinne mittendrin in der
Aufmerksamkeit, dann wird der Geist wirksam. Ich erkennet sich? Wir
dürfen gespannt sein und mit Zuversicht auf Stuttgart 2014 blicken.
Phillipp Fürdens ist Mitglied im Ludwig Uhland-Zweig in
Tübingen,
studiert an der dortigen Universität und arbeitet seit
Jahresbeginn
im sogenannten «Brückenkreis» des Arbeitszentrums Stuttgart
mit.
Es war schön, sich in dem auf die Mitte zugeschnittenen, hoch
ansteigenden Kam-mermusiksaal der Philharmonie zu treffen. Am
Potsdamer Platz, wirklich mitten in Berlin und bei sommerlichem
Wetter, wodurch es trotz Wolken und gelegentlichen Schauern stets
warm blieb. Die Themen der drei Tage waren sehr gut gewählt:
Meditation, Zivilge-sellschaft, Medizin und Organtransplantation.
Alles, was zu ihrem Umkreis gehört, taucht in den aktuellen
Zeitdebatten auf, beschäftigt aber auch derzeit die Gruppen der
Anthropo-sophischen Gesellschaft in Deutschland – das mittlere
Thema könnte es noch mehr tun. Die
eingeladenen Referenten deckten eine große Spannbreite des
jeweiligen Themas ab und waren gesprächsbereit, so dass die bereits
im dritten Jahr versuchten Podiumsgespräche noch besser gelangen.
Bis auf die zwei Zeiten der Gesprächsforen fand alles in einem Raum
statt, erfreulicherweise ohne Parallelveranstal-tungen. Das ließ
mit der Zeit wirklich ein Gefühl von «zusammen» entstehen – und das
bei 450 – 600 Teilnehmern.In den drei Einheiten der
Mitgliederversamm-lung gab es viel Neues zu hören und zu sehen. Das
eine betraf die langfristige Planung der Mitgliederversammlung
2014, die ja von jun-gen Mitgliedern gestaltet werden soll. Die
Jugend lud die älteren Mitglieder ausdrücklich zu einem Austausch
in einer Tagungspause ein und stellte sich damit mitten in die
gewordene Anthroposophische Gesellschaft. Ganz neu war für mich,
dass von den Publikationsor-ganen der Anthroposophischen
Gesellschaft in Deutschland, die ja im Budget eine Rolle spielen,
Redakteure anwesend waren und ihre Intentionen beim Profil der
jeweiligen Zeit-schrift schilderten. Ebenfalls neu war, dass bei
Teil II «Forschung und Wissenschaft» jeder Teil-nehmer ein Blatt
erhielt, auf dem die im Jahr 2012 geförderten Projekte aufgelistet
waren.Beim «Aktionstag Anthroposophie» am Sams-tag auf einem Platz
neben der Philharmo-nie konnten die Berliner zeigen, was in der
Großstadt an anthroposophischen Initiativen vorhanden ist. So
reichte das Spektrum von Seifen, Büchern, Kleinmöbeln, Artistik bis
zur Würstchenbude. Es wurde so viel geboten, dass man gar nicht an
allen Kleinveranstal-tungen in Arena und Zelt teilnehmen konnte.
Die Stimmung war für ein ehemals preußische Stadt richtig
gemütlich, ungezwungen und redselig; dabei war dem bunten Markt
nicht sonderlich schönes Wetter beschieden. Wer Erfahrung im
Organisieren hat, weiß, dass solche Unternehmungen sehr viel
Aufwand benötigen im Verhältnis zu dem, was dann in Erscheinung
treten kann.
Besondere Erwähnung verdient diesmal die Kunst. Zum ersten Mal
hatte sie eine eigene Stimme im Ganzen und war nicht nur schöne
Erbauung. Bereits die erste Darbietung – vier Kontrabass-Soli mit
Eurythmie von Gioia Falk – machte in der glücklichen Korrespondenz
von Instrument und bewegtem Körper die Musik erfahrbar, als wäre
man «mittendrin». Überzeugend war auch das senkrecht in hell und
dunkel aufgeteilte Gewand. Um zunächst bei der Eurythmie zu
bleiben: es war für jeden Geschmack etwas dabei. Es gab
kon-ventionellere, bis in die Fingerspitzen filigrane Eurythmie,
karge Eurythmie zu schwierigen Texten und Eurythmie voll
expressiver Gestik und Kostümierung, darunter die hervorragend
gegriffenen Ausklänge von Birgit Hering und Beate Krützkamp
(Sprache). Die Meisterleistung vollbrachten aber Lisa Tillmann, die
bereits 2012 alle EurythmistInnen Berlins zusammenzuru-fen
vermochte, und Gioia Falk, die das fort-setzte. So blickte ich
dankbar auf das stumme «Halleluja» am Samstagabend, dessen
Bewe-gungen zwar nicht immer synchron waren, aber bei dem es in der
Vereinigung fast aller auftretenden Gruppen ein soziales Kunstwerk
zu bewundern gab. Richtig begeistert war ich von den tanzenden
farbigen Schatten, die die Beleuchtung zur Eurythmie in diesem
Saal
Fortsetzung Seite 4
«Mittendrin»: Der Markt auf dem Kulturforum am «Aktionstag
Anthroposophie»
Zusammen mittendrin
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Anthroposophie Weltweit • Mitteilungen Deutschland, September
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Teil I Anthroposophie und Anthroposophische Gesell-schaft,
Arbeitsberichte und Mitgliedergespräch.Donnerstag, 27. Juni 17.30
bis 18.30 Uhr, Moderation: Hartwig Schiller
1. Die Mitgliederversammlung wird durch Hart-wig Schiller
eröffnet. Er begrüßt die Anwe-senden und stellt die
Beschlussfähigkeit auf-grund ordnungsgemäßer und fristgemäßer
erfolgter Einladung fest. Die Protokollführung übernimmt Jürgen
Sust.
2. Es folgen die Arbeitsberichte von Jasmin Mer-tens über das
Arbeitskollegium, von Gioia Falk über den Bereich Kunst, von
Michael Schmock über den Bereich Jugend, der Bericht des
Generalsekretärs Hartwig Schiller, schließlich ein Bericht aus der
Konferenz von Sebastian Bögner.
3. Gespräch und Aussprache über Anliegen aus der
Mitgliedschaft.
In Hinblick auf die anstehende Vorstandwahl 2014, hat ein
offener Prozess zu Bildung eines zukunftsfähigen Arbeitskollegiums
begonnen. Als Prozessbegleiter wurden Gioia Falk, Dr. Peter Krüger,
Sebastian Bögner, Barbara Mess-mer und Florian Roder berufen.
Teil II Forschung und Wissenschaftlichkeit. Die Ent-wicklung der
Anthroposophie. Arbeitsbericht und Mitgliedergespräch.Freitag, 28
Juni 17.30 bis 19.30 Uhr.Moderation: Wolf Ulrich Klünker
1. Wolf Ulrich Klünker, Begrüßung, Einleitung. Bericht über den
Arbeitsbereich Forschung und Forschungsförderung. Dieser wurde im
Jahr 2012 mit einer Gesamtsumme von 91000 € gefördert.
2. Arbeitsbericht von Jost Schieren, Leiter des Fachbereiches
Erziehungswissenschaft in der Alanushochschule in Alfter und
Redakteur der Vierteljahreszeitschrift «Anthroposophie.»
3. Arbeitsbericht von Stefan Stokmar, verantwort-licher
Redakteur von «Die Drei».
4. Arbeitsbericht von Andreas Neider, verantwort-licher
Redakteur für die «Mitteilungen aus der anthroposophischen Arbeit
in Deutschland».
5. Gespräch und Aussprache über Anliegen aus der
Mitgliedschaft.
Teil III Wirtschaftsbericht und Entwicklungsperspekti-ven der
Anthroposophischen Gesellschaft, Arbeitsbe-richt und
Mitgliedergespräch.Samstag den 29. Juni 17.30 bis 19.30
Uhr.Moderation: Michael Schmock.
1. Für den erkrankten Alexander Thiersch gibt Dr. Peter Krüger
den Wirtschaftsbericht. Das erklärte Anliegen von Peter Krüger war,
in der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit den
Protokoll der ordentlichen Mitgliederversammlung 2013 der
Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland e.V.
vom 27. bis 30. Juni 2013
Jahresabschluss 2012, so wie er in den Mittei-lungen vom Juni
2013 als Bilanz und Ergebnis-rechnung veröffentlicht ist, den
Anwesenden in einigen Punkten zu erläutern. Er bedankt sich
namentlich bei Alexander Thiersch, Hei-drun Götz und den
Schatzmeistern der Arbeits-zentren, die jeder ihren Teil dazu
beigetragen haben, dass diese Gesamtabrechnung unserer
Wirtschaftstätigkeiten vorgelegt werden konn-te. Insbesondere gilt
sein Dank auch Edwin Fischer der die sogenannte Konsolidierte
Bilanz und konsolidierte Ergebnisrechnung erstellt hat.
2. Bericht des Rechnungsprüfers Dr. Karl Heinz AutenriethEr
bestätigt die Ordnungsmäßigkeit der Rechnungslegung. Er spricht
aus, dass er den Eindruck gewonnen habe, dass alle für die
Konsolidierung relevanten Unterlagen, von den betreffenden Personen
die das vorbereitet haben, nach besten Wissen und Gewissen gemacht
wurden und insofern der Abschluss ordnungsgemäß sind.
3. Dem Antrag auf Entlastung des Haushaltes 2012 wird mit 12
Enthaltungen ohne Gegen-stimmen von den Anwesenden
stattgegeben.
4. Dem Antrag auf Entlastung des Arbeitskollegi-ums wird ohne
Gegenstimmen mit 9 Enthal-tungen von den Anwesenden
stattgegeben.
5. Auf Vorschlag wird Dr. Karl Heinz Auten-rieth als
Rechnungsprüfer ohne Gegenstim-men mit 2 Enthaltungen für das
kommende Jahr bestätigt. Dr. Autenrieth bedankt sich für das
ausgesprochene Vertrauen und nimmt die Beauftragung an.
6. Wolf Ullrich Klünker verabschiedet Anna Marti-ni aus dem
Arbeitskollegium und bedankt sich für die Zusammenarbeit in der
Vergangenheit.
7. Wolf Ulrich Klünker stellt Gioia Falk als neu zu wählendes
Mitglied des Arbeitskollegiums vor. Sie war bis zu diesem zeitpunkt
eingeladen, verstärkt an den Sitzungen des Arbeitskol-legiums
teilzunehmen, mit dem Ziel, sie als zukünftiges Mitglied in das
Arbeitskollegium aufzunehmen. Wolf Ulrich Klünker bittet die
Anwesenden um Bestätigung dieser Entschei-dung.
8. Der Vorschlag, Gioia Falk als Mitglied in das
Arbeitskollegiums aufzunehmen, wird ohne Gegenstimmen mit 4
Enthaltungen von den Anwesenden bestätigt. Gioia Falk nimmt die
Wahl an und bedankt sich für das ausgespro-chene Vertrauen.
9. Michael Schmock schlägt den Anwesenden vor, die nächste
Mitgliederversammlung vom 19. – 22. Juni 2014 in Stuttgart
abzuhalten. Der Antrag wird ohne Gegenstimme mit 8 Enthaltungen
angenommen.
Für das Protokoll Jürgen Sust,Versammlungsleiter Hartwig
Schiller.
hervorbrachte, wenn man weiter oben saß. Teils konnte ich den
Blick gar nicht wenden und sah ganz neue Bewegungsbilder.Auch die
Sprechkunst bot Großartiges dar. Die Szenen aus der
Werkstatt-Arbeit von Goethes Faust (Regie: Jobst Langhans) zeigten
ein dichtes Geschehen mit hervorragenden Leistungen. Dieser
Inszenierungsversuch schien mir am aktuellsten und
beeindruckendsten in den Momenten zwischen Faust und Mephisto, die
magisch-spirituell gegriffen wurden. Es wurde sinnlich ausgedrückt,
dass Mephisto in Hun-degestalt, selber triebhaft und ganz
durchtrie-bener Verführer, aus der Distanz Faust dahin lenkt, wo er
ihn haben will. Oder wie er sogar Fausts Gedanken beeinflusst, als
dieser um das ringt, was «am Anfang war». Die Hundeszene wurde von
einer Frau grandios gespielt; spä-ter gab es einen männlichen
Mephisto oder Mephisto aufgeteilt in Mann und Frau.Die Frauen des
Ensembles – Meike Frevel und Sarah Kühl – zogen als Mephisto und
Gretchen unglaubliche Register; sie konnten singen, musizieren,
tanzen und als Pudel hecheln. Gretchens Unschuld zu Beginn kam wie
aus dem vorletzten Jahrhundert daher, aber die verstörte Unschuld
am Ende führte tief in heu-tige Psychosen. Viele Teilnehmer ließen
diese Aufführung aus oder gingen nach der Pause, erschöpft vom Tag.
Aber sie haben etwas ver-passt. Bei der Kerkerszene steigerte sich
«Gret-chen» und der Gang des Schauspiels so, dass Furcht und
Mitleid, die beabsichtigten klas-sischen Wirkungen des Dramas,
viele ergriffen und bis zu Tränen rührten.Am Samstagabend konnte
der Kammermu-siksaal bei dem Konzert der dreizehn Celli («Celloro»)
sein ganzes Vermögen vorführen. Die physische Räumlichkeit war wie
aufge-hoben, Musik war der Raum. Dies auch bei dem Trompetentrio,
dessen Bläser in der ober-sten Reihe standen. Dass der Initiator
des Trios, Christian Ahrens, zur anthroposophischen Jugendszene
gehört und Matjas de Oliveira Pinto, der Leiter von «Celloro», die
Waldorfschule in Sao Paolo besuchte, stellte eine schöne
Extra-Komponente dar.Zuletzt sei auch die vorzügliche und
professio-nell durchgeführte Verpflegung erwähnt, durch die viele
Begegnungen in den Pausen möglich wurden. Kleine eurythmische
Aufführungen nach dem Mittagessen in den Foyers, wie z.B. die
gekonnten humoristischen Einlagen von «Neuesbodenpersonal»,
brachten noch einmal Lokoalkolorit zum Vorschein. Mit der
Vorab-Aufführung des Films «What moves you» von Christian Labhart,
am Samstag um 22 Uhr war auch etwas für Nachteulen dabei. Beim Dank
an alle Vorbereiter und Mitwirkenden möchte ich vor allem auf
Florian Roder blicken. In der Programmgestaltung konnte ich öfters
seine Handschrift erkennen, aber er trat während der vier Tage
nicht aktiv auf. So kann man auch Tagungen konzipieren: als Form
für andere.
Barbara Messmer/Vertreterin des Arbeitszentrum Frankfurt
Fortsetzung von Seite 3
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Anthroposophie Weltweit • Mitteilungen Deutschland, September
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A n t h r o p o s o p h i s c h e G e s e l l s c h a f t
Fortsetzung Seite 6
Als drei Tage nach meiner Rückkehr Constanza Kaliks fragt, wie
es mir in Brasilien gefallen habe und was die stärksten Eindrücke
gewe-sen seien, bin ich hilflos. Ihr Interesse ist nur zu
verständlich, schließlich kommt sie aus Brasilien, und Sao Paulo
ist ihre Heimatstadt. Ich aber bin noch nicht in der Lage, meine
Eindrücke zusammenzufassen. Es waren sechs ereignisreiche Tage dort
mit 14 unterschied-lichen Veranstaltungen, und ich brauchte Zeit,
um die Ereignisse zu überblicken.2013 wird in Brasilien ein
«deutsches Jahr» begangen, die deutsch-brasilianische
Zusam-menarbeit gefeiert. Joachim Gauck sah bei seiner Eröffnung am
13. Mai in Sao Paulo: «Zeichen einer Partnerschaft, die eng und
immer vertrauter ist und vor allem aus vielen großartigen Chancen
besteht.» Um anschlie-ßend diese Chancen auf ein begrenztes Feld
gesellschaftlichen Lebens zu beschränken. «Ich wende mich zur
Eröffnung der Deutsch-Brasilianischen Wirtschaftstage an Sie, die
füh-renden Vertreter aus Industrie und Wirtschaft der größten
Wirtschaftsnation Lateinamerikas und der größten Wirtschaftsnation
Europas.»Schaut man das Programm der wirtschaftlichen
Zusammenarbeit an, dann steht an erster Stel-le der industrielle
Anbau von Zuckerrohr und die Gewinnung von Ethanol – Kraftstoff für
Kraftfahrzeuge. 90% der in Brasilien herge-stellten Fahrzeuge
können bis zu 100% Etha-nol nutzen.Damit einher geht die
Entwicklung der Auto-industrie. 2012 wurden in Brasilien 3,8 Mio.
Fahrzeuge abgesetzt. Die Prognose für 2020 lautet auf 6 Mio. Das
Land ist der viertgrößte Absatzmarkt der Welt. Bis 2017 sind
Investiti-onen in Höhe von 25 Mrd. Euro geplant. Alle namhaften und
neuerdings auch einige chine-sische Hersteller produzieren in
Brasilien.Die Freunde der Anthroposophischen Gesell-schaft in
Brasilien hatten bei ihren Initiativen ein weiter gespanntes
Spektrum im Sinn. Sie wollten gemeinsame Impulse der kulturellen
Entwicklung thematisieren. Ihre Gedanken gingen dabei sowohl zurück
zu den Reisen Humboldts und den kulturellen Wurzeln der
indianischen Urbevölkerung als auch zu den künstlerischen
Strömungen um die Wende zum 20. Jahrhundert mit deren gegenseitiger
Anregung in Brasilien und Deutschland. So kam es zu der
unerwarteten Einladung an mich.Die größte Überraschung waren die
Men-schen. Zu Recht erwartet der Besucher einen Schmelztiegel
verschiedenster Ethnien und Herkünfte. In der Realität zeigt sich
diese Vielfalt jedoch viel einheitlicher als erwartet. In Sao Paulo
ist durch alles hindurch der Ernst des Zeitenschicksals stets
spürbar. Die riesige Metropole, das industrielle Zentrum prägt den
Ort. Er ist den Menschen ins Gesicht geschrie-ben.Auf dem Weg vom
Flughafen zur im Süden der Stadt gelegenen Anthroposophischen
Gesell-schaft geht die Fahrt an der Pinakothek vorbei.
Dort konzentrieren sich die ersten Eindrücke in einem Werk von
Lasar Segall. Es heißt «Emi-granten» und zeigt repräsentative
Physiog-nomien. Eine zur «Grupo dos Cinco» (Gruppe der Fünf)
gehörende Malerin ist Tarsila do Amaral. Gemeinsam mit ihrem
Lebensgefähr-ten Oswald de Andrade, mit Mário de Andrade, Anita
Malfatti und Menotti del Picchia gehörte sie zum Kreis der
Künstler, die 1922 in Sao Paulo die Semana de Arte Moderna (Woche
der Modernen Kunst) veranstalteten.Diese Gruppe griff auf der einen
Seite Impulse des europäischen Expressionismus auf und setzte ihnen
auf der anderen Seite eine selbst-bewusste, teilweise
nationalistisch gefärbte Selbständigkeit entgegen. Ihr «Arbeiter»
benanntes Bild gibt eine charakteristische Sicht aus den dreißiger
Jahren des 20. Jh. wieder.
2012 stellt der junge brasilianische Plastiker Herbert Sobral
die vielschichtige Population in einer Installation von Playmobil
Figuren nach. Alltag in der Kunst wird Kunst im Alltag.Brasilien
hat heute geschätzte 186 Mio. Ein-wohner. Die Alterspyramide hat
nahezu die klassische Tannenbaumform, d.h. eine breite Basis von
jüngeren Menschen und eine sich ausdünnende Altersspitze. Ob es
daran liegt, dass Menschen über 60 Jahren in den öffent-lichen
Verkehrsmitteln umsonst fahren dürfen und ein Recht auf Sitzplatz
haben? Überra-schend stehen in den U-Bahnen auch jene jüngeren
Fahrgäste auf, die auf den nicht für die älteren reservierten
Plätzen sitzen.An öffentlichen Funktionsstellen, an denen sich
Warteschlangen bilden, ist eine Abkür-zung für die Senioren
eingerichtet, um ihnen den Zugang zu erleichtern – ein
liebenswür-diger Zug gegenüber Schwächeren.Die Zweige in Sao Paulo
haben sich Vorträge zu den Themen «Die Identität der
Anthro-posophischen Gesellschaft», «Ich erkennet sich» und «Die
Grundsteinlegung des ersten Goetheanum und das Kosmische
Vaterunser» gewünscht.In den Zwischenzeiten gibt es
Arbeitsgespräche mit dem Kollegium des Lehrerseminars über
Anerkennungsfragen und Akademisierung
Brasilianische Träume sowie mit den leitenden Persönlichkeiten
der brasilianischen Federation der Waldorfschulen über Fragen von
Schulautonomie und Zusam-menarbeit. Vor der Elternschaft der Rudolf
Steiner Schule gibt es einen Vortrag über Selbstverwaltung und die
Zusammenarbeit von Eltern und Lehrern. Das Lehrerkollegium möchte
etwas hören über die Esoterik der Waldorfschule.Bewegend sind auch
die Besuche im Wir-kensbereich von Ute Craemer. Ihre Kultur und
Humanität stiftende Arbeit hat über die Favela Monte Azul hinaus
eine Reihe weiterer Plätze erreicht, in denen eine dankbare und
initi-ative Elternschaft aus sozial benachteiligten Schichten ihre
Lebenswelt zum Besseren hin verwandelt. Es ist bewegend, diese
Oasen eines gesunden Heranwachsens und herzlicher Gesinnung zu
erleben. Die ersten Ehemaligen von Monte Azul bauen hier in zweiter
Genera-
tion etwas auf, wohin Kinder voller Vertrauen und der
Gewissheit, an etwas Bedeutendem teilzuhaben, in Obhut gegeben
werden.Auch gaben Ute Craemer und ihre Mitarbei-terin Susanne
Rotermund die Initialzündung zu einem brasilianisch-deutschen
Projekt, das mit der Übersetzung des Schöpfungsgesanges der
Guarani-Indios Eingang in die Tagung der brasilianischen
Landesgesellschaft zum Thema «Festival Multicultural» bildete. An
ihm nahmen u.a. der Forscher am indianischen Kulturerbe Kaká Werá
Jecupé und die Kunsthi-storikerin Ana Maria Marcondes teil.Worte
des von Kaká Werá in mündlicher Über-lieferung bewahrten Mythos
eröffneten das Festival:
«Unser Vater, das Große Mysterium, der Urvater,Lange bevor er
sich selbst erschuf,Im Laufe der Zeitenfolge,Schwebte die
zukünftige Lebensstätte im Leeren.Lange bevor die Sonne erschaffen
wurdeExistierte Er bereits als Reflex seines eigenen Herzens.Zur
Sonne wurde er in seiner eigenen Gottheit ...»
Der Mythos zeigt in feierlichen Schritten die Entwicklung des
Menschen durch die planeta-
Pagu, Elsie, Tarsila do Amaral, Anita Malfatti und Eugènia
Moreyra, 1922, im Hintergrund: Mario de Andrade
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Anthroposophie Weltweit • Mitteilungen Deutschland, September
20136
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Fortsetzung von Seite 5 bereitet für eine neue kulturelle
Identität ohne Grenzen nach Blut und Boden.Das erste Land, von dem
die Bundesrepublik Deutschland nach dem 2. Weltkrieg zu einem
Kulturaustausch eingeladen wird, ist Brasilien. Die Biennale von
Sao Paulo 1951 gründet die Beteiligung noch auf persönlich
informelle Beziehungen und zeigt doch den Weg zu einem neuen
Kosmopolitismus, der sich multikultu-rell realisieren möchte. Aus
Brasilien grüßt eine Welt die sich in den Werken Tarsila do Amarals
farbenfroh und ungebrochen darstellt.Mario de Andrades Hauptwerk
«Macunaí-ma» von 1926 schildert die Entfremdung des Helden von
seiner natürlichen Umwelt und enthält doch immer wieder entzückende
Lichtpunkte ungebrochener Schönheit und Widersetzlichkeit gegen das
Geordnete: »Das schwarze Tigerweibchen wurde blitzwütend. «Jetzt
verschlinge ich dich, Gevatterin!» Und lief hinter dem braunen
Jaguar drein. Das war eine Funkenflucht durch die Buschwälder, dass
die Vögel klitzeklein wurden vor Angst und die Nacht so erschrak,
dass sie gelähmt wurde. Daher ist es auch im Urwald immer
stockfin-ster, selbst wenn es über den Bäumen Tag wird. Die Ärmste
kann nicht mehr gehen ...«In der zeitgenössischen Literatur
Brasiliens ist auffallend häufig von träumenden und schlafenden
Helden die Rede. Dabei wird auf Bewusstseinszustände gewiesen, die
tiefer lie-gen als die zivilisatorische Außenseite unserer
Gegenwart. Die Zukunft muss aus der Über-einstimmung oder
Überbrückung von Vergan-genheit und Zukunft gewonnen werden.Im
Schöpfungsmythos der Guarani führen die Menschenströme Kriege
miteinander, da sie ihren gemeinsamen Ursprung vergessen haben. Als
das geschieht, begegnen sich Sonne und Mond am Himmel und Tupã, der
Schöp-fergott, dröhnt mit seiner Donnerstimme: «Ihr alle seid Samen
eines gleichen Waldes, der seine Wurzeln im gleichen Boden hat und
von dem gleichen Hauch und demselben Him-melslicht ernährt wird.
Wenn ihr einmal die Weisheit der roten Samen, der gelben Samen, der
schwarzen Samen und der weißen Samen ausgetauscht habt, wird ein
neues Volk gebo-ren werden: das goldene Volk. »Es gab manchen in
diesen brasilianischen Juni-tagen, der in diesen Traum gern
einstimmte. Die Kinder und Jugendlichen meinten sogar, in ein Stück
dieser Wirklichkeit erwacht zu sein.Statistiken zeigen die
Verteilung der ethnischen Gruppen Brasiliens in wechselndem
Verhältnis. 1940 betrug der Anteil weißer Menschen 63%. Im Laufe
der nächsten 70 Jahre sank dieser Anteil auf 50%. Im selben
Zeitraum vermin-derte sich der Anteil des schwarzen
Bevöl-kerungsanteils von 15% auf 7%. Der Anteil der Pardo, das sind
die Nachfahren aus der Verbindung von Schwarzen und Weißen, sowie
Schwarzen und Indianern, stieg gleichzeitig von 21% auf 42%. Solche
Statistiken zeigen nicht viel, immerhin aber eine Unbefangenheit
gegenüber äußeren Vererbungsmerkmalen. Sie sind ein Dokument
antirassistischer Lebenswirklichkeit. Eben
darin liegt ein zukunftsweisendes Potential. Aus der
brasilianischen Geschichte erwächst auf gleichsam natürliche Weise
etwas, das in Deutschland durch Katastrophen auf schmerz-volle
Weise errungen werden musste.Beiden Räumen liegt jedoch als Aufgabe
das noch vor, was Rudolf Steiner am 3. August 1924 in Dornach
ausgesprochen hat (GA 237):«Die Michael-Impulse wirken heute weit
hinein in die Kräfte, die sonst bloß durch Rassen- und
Volkszusammenhänge bestimmt sind.Heute wirkt das GEISTIGE
rassenbildend. Die geistigen Interessen werden tonange-bend. Man
wird nicht mehr sagen können: der Mensch sieht aus wie ein Türke,
Araber, Engländer, Russe oder Deutscher. Er beginnt Michaelit zu
werden.»Insofern war das Festival Multicultural im
bra-silianisch-deutschen Freundschaftsjahr 2013 ein wahres
Michaelsfest, auch wenn es an Johanni gefeiert wurde.
Ich möchte allen Brasilianischen Freunden, die mir diese
Erfahrungen geschenkt haben, aufs Herzlichste danken, vor allem
aber Sonia und Valdemar Setzer, bei denen ich mich in liebevollster
Fürsorge befand und die meinem Mund und Ohr Zugang zur
portugiesischen Sprachwelt erlaubt haben.
Hartwig Schiller
Hochschultagungin Pforzheim
Die Hochschulgruppe des Johannes-Zweiges Öschelbronn lädt zur 4.
Öschelbronner Hoch-schultagung vom 12.-13 Oktober 2013 ein. In den
vorangegangenen Tagungen (2010 – 2012) wurde jeweils einer der drei
großen Entwicklungsschritte, die in den ersten 16 Klassenstunden
der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft erlebt werden können,
zusammenfassend betrachtet. Jetzt stellen wir uns die Aufgabe, auf
die Entwicklung von der 16. bis zur letzten, 19. Stunde zu schauen:
dem Menschen wird der Weg von der Seelenwelt in die rein geistige
Welt gezeigt. Die Tagung wird geprägt durch die frei gehal-tenen
Klassenstunden, eine Gesprächsarbeit und eurythmisches Üben, das
zum bewussten Erleben leiten soll.Die Tagung wird am Freitag 11.
Oktober um 19.30 eingeleitet durch einen öffentlichen Vortrag von
Paul Mackay: «Welche Bedeutung können Karma und Reinkarnation für
den modernen Menschen haben». Eingeladen sind alle Mitglieder der
freien Hochschule für Gei-steswissenschaft.
H.B. von Laue/ Pforzheim
Ein detailliertes Programm kann angefordert werden über Dr. H.B.
von Laue email: [email protected] oder Fax 07233 974064
rischen Evolutionsstufen, durch Trennung und Schmerz, die
Begegnung mit dem Bösen durch Leid und Not und die Verheißung auf
eine heilsame Zukunft.Silvia und Winfried Vögele hatten daraus ein
eurythmisch-sinfonisches Bühnenprojekt mit insgesamt 180
Mitwirkenden gestaltet, sie als Eurythmistin der Rudolf Steiner
Schule Neu-wied, er als Komponist und Lehrer am
Landes-musikgymnasium Montabaur.50 Schüler waren vom
Erstaufführungsensem-ble in Deutschland nach Brasilien geflogen, um
dort in neuer Besetzung mit Schülern der beiden 11. Klassen der
Escola Waldorf Rudolf Steiner und Kindern aus der Favela Monte Azul
aufzuführen. Brasilianischer konnte ein Projekt kaum sein.
Multikulturalität trat in seiner schönsten Form auf. Manch
gutmü-tig charakteristischer Spott flog zwischen den Jugendlichen
aus so unterschiedlichen Bewe-gungskulturen hin und her, das
gemeinsam Erreichte begründete tiefe Freundschaftser-lebnisse. Die
Premiere im Centro Cultural war umjubelt von Eltern, Freunden,
Nachbarn und Ortsansässigen.In der anschließenden Tagung zeigten
sich die kulturellen Entwicklungen in Brasilien und Deutschland zu
Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts geradezu gegenläufig. Waren die
Schöpfer des «Münchener Expressionismus» in Vertretern wie Franz
Marc oder Wassili Kandinsky geistoffene Sucher, die sich bei Rudolf
Steiner orientierten und deren Biographien durch den Weltkrieg
verwirrt oder abgebrochen wurden, so zeigte der deutsche
Expressionismus nach dem Krieg ein ungleich düstereres Antlitz als
vor dem Krieg. Die Werke verdunkelten sich, der Materialismus griff
Bahn. Der eigentliche Aufbruch in Brasilien setzte hingegen
über-haupt erst nach dem Krieg ein. In Deutschland markierte der
erste Weltkrieg einen äußeren Niedergang, in Brasilien gab er das
Signal zu nationalem Selbstbewusstsein mit dem Impuls eine eigene
kulturelle Identität jenseits des europäischen Vorbildes zu suchen,
das als abgewirtschaftet galt.Rudolf Steiner weist auf eine 1859
vorgetragene Prophetie Fercher von Steinwands hin. (GA 337a, S.
240) Fercher beklagt im Anschluss an Berichte des Habsburger
Maximilian, Kaiser von Mexiko, über deutsche Auswanderer deren
Schwäche, vor Bewunderung für andere Kulturen, die Ausbildung einer
eigenen gesunden Identität zu versäumen: «Was wir reden, hat nicht
Mark; was wir tun, hat nicht Kern; was wir künstle-risch schaffen,
hat nicht den Klang, nicht den Adel der großen Natur. Es sieht aus,
als hätten wir uns die Aufgabe gestellt, die Kunst durch dürre
Eigenheiten, durch nüchterne Volkstüm-lichkeit, durch erzwungene
Naturalismen zu necken. Was wir im Übrigen noch denken oder zur
Geschichte beitragen, hat Raum genug im Hohlkegel einer
Schlafmütze.»In Deutschland steigert sich dieser Hohlraum in die
zweite Katastrophe hinein. Erst danach wird durch Machtverlust und
Scham der Boden
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Anthroposophie Weltweit • Mitteilungen Deutschland, September
2013 7
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Zu Recht gilt der Erste Weltkrieg als Urkata-strophe des 20.
Jahrhunderts. In den Folgen der von ihm eingeleiteten Umbrüche lebt
die Menschheit noch heute. Rudolf Steiner verglich diese
weltgeschichtliche Zäsur 1920 mit dem Untergang des Römischen
Reiches; er wies darauf hin, dass durch den Krieg eine
vollstän-dige Zertrümmerung der menschheitlichen Vorstellungen und
aller Kultur erfolgt sei, wie sie sich »seit dem ersten
christlichen Jahrhun-derte« aufgebaut hatten, dass aber während des
Weltkrieges auch »etwas ganz Neues« sei-nen Anfang genommen habe.
Und zu Adelheid Petersen meinte Rudolf Steiner schon Ende 1914:
»Wenn das vorüber sein wird, was man Krieg nennt – ja, dann wird es
so sein, dass alles Konventionelle versagt; dass alle Tün-che von
den Lebensverhältnissen abfällt! Die Menschheit ist in ein Stadium
ihrer Entwick-lung eingetreten, wo das Böse und die Lüge sichtbar
werden müssen! Es ist alles schon da: das Böse, Grauenhafte, das
Verlogene, der Verfall – es ist alles schon da, aber es ist noch
übertüncht! Und es muss offenbar werden! Das wird sich in den
Lebensverhältnissen des Einzelnen zeigen – in den Ehen, den
Familien, den Freundschaften und vor allem den Feind-schaften – wie
im Gesamtleben der Völker, der Staaten!«2014 wird auf zahlreichen
Veranstaltungen der hundertjährigen Wiederkehr des Kriegsaus-bruchs
gedacht. Von dem Vereinigten König-reich bis Russland mehren sich
die Publika-tionen, Webseiten und Veranstaltungen, auf denen der
Weltkrieg und seine Auswirkungen neu diskutiert werden. In der
internationalen historischen Debatte sind in den letzten Jahren
umfangreiche Neuinterpretationen erfolgt. So wie in den 1960er
Jahren Fritz Fischer das Para-digma der damaligen bundesdeutschen
Histo-rikergeneration formulierte, das im Deutschen Reich den
Haupt-, wenn nicht den Alleinver-antwortlichen am Kriegsausbruch
festzustellen glaubte, so haben in den vergangenen zwanzig Jahren
Historiker ihrer Generation – wie Keith Wilson, Christopher Clark,
Stefan Schmid, Peter Hoeres, Georges-Henri Soutou (um nur einige
Namen zu nennen) – neue Aspekte der Hin-tergründe der Vorkriegs-
und Kriegszeit bear-beitet, die erkennen lassen, dass die
Verant-wortlichkeit für den Krieg nicht einfach nur auf ein Land
oder gar einen Menschen abgewälzt werden kann.Als Zeitgenosse der
Kriegsjahre war Rudolf Steiner in dieser Hinsicht bereits sehr
»modern«, um es mit einem Schlagwort mehr schlecht als recht
auszudrücken. Wohl setzte er sich vehement dafür ein, die seit Ende
1914 propagandistisch kursierende »Allein-schuld der Deutschen«
zurechtzurücken, auf Hintergründe und Zusammenhänge hinzu-weisen,
die zu einem vertieften Verständnis des Geschehens beitragen
sollten. Bis 1916 hoffte er auch auf eine Besinnung einer deutschen
Öffentlichkeit mit Blick auf ihre eigentliche geistige
Daseinsberechtigung, die im Wilhel-minischen Reich verlorenzugehen
drohte. Seit 1917 drang er schließlich darauf, auf die Grün-de des
geistigen Versagens Mitteleuropas zu verweisen; ohne dafür Einsicht
zu finden, so mahnte er, lasse sich keine auf dauerhaften Frieden
gegründete Zukunft entwickeln. Die dabei angeschnittenen Krisen und
Probleme
Rudolf Steiner – Der erste Weltkrieg und das Schicksal
Mitteleuropas Tagung der Deutschen Landesgesellschaft vom 3. – 6.
Okt. 2013 im Anthroposophischen Zentrum in Kassel
haben bis auf die heutige Zeit nichts an Brisanz und Aktualität
verloren.Zugleich konstatierte Steiner aber auch ein viel
umfassenderes Ursachengeflecht, das in einen Weltenbrand führen
musste: von spirituellem und politischem Imperialismus über die
Krisen im wissenschaftlichen Weltbild, die vorherr-schende
Wirtschaftsideologie, die ungelösten sozialen und nationalen
Fragen, bis hin zu Symptomen wie der grassierenden Neurasthe-nie
(Joachim Radkau sprach 1998 vom »Zeital-ter der Nervosität«), der
Bewusstseinstrübung führender Persönlichkeiten (von Christopher
Clark kürzlich als sleepwalking beschrieben), aber auch geistige
Schicksalsfragen.Auf der Tagung sollen einige dieser
Gesichts-punkte zur Darstellung kommen und erörtert werden. Dabei
wird betont, dass der Erste Weltkrieg mehr als ein historischer
Knoten-punkt verstanden werden kann, in dem viele verschiedene
Menschheitsfäden zusammenlie-fen, ohne Umwandlung sich verknoten
muss-ten und dadurch katastrophale Umwälzungen herbeiführten, deren
geistige Bearbeitung bis heute noch nicht in heilsamer Weise
erfolgt ist. Weswegen der Erste Weltkrieg bis in unsere Zeitläufte
hinein seinen mahnenden Schatten wirft.
Dr. Markus Osterrieder
Anmeldungen zur Tagung und ausführliches Programm bitte über das
Landessekretariat in Stuttgart: Tel. 0711 16 43 121 oder email
[email protected]
Markus Osterrieders Forschungsprojekt «Rudolf Steiner und der
erste Weltkrieg» wurde von der Stiftung Forschungsförderung
innerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland
gefördert. Das Buch zum Thema erscheint im Februar 2014 im Verlag
Freies Geistesleben.
KoproduktionRudolf Steiner Verlag –
Frommann-Holzboog Verlag (an) Wie bereits in den «Mitteilungen»
berich-tet, gibt es das Projekt des deutsch-ame-rikanischen
Germanisten, Philosophen und Musikwissenschaftlers Christian
Clement einer kritischen Ausgabe der Schriften Rudolf Stei-ners,
die beim Stuttgarter Wissenschaftsver-lag frommann-holzboog bereits
angekündigt wurde. Diese Ausgabe konnte nun vor Erscheinen vom
Leiter des Rudolf Steiner Archivs, David Marc Hoffmann, eingehend
geprüft und dem Rudolf Steiner Verlag als Projekt empfohlen werden.
Der Rudolf Steiner Verlag und der frommann-holzboog Verlag haben
sich darauf-hin zu einer Koproduktion dieser Ausgabe ent-schieden.
Band 5 mit den Schriften zur Mystik, Mysterienwesen und
Religionsgeschichte
wird als erster der insgesamt acht geplanten Bände ab September
dieses Jahres im Buch-handel erhältlich sein. ›Die Mystik‹ und ›Das
Christentum‹ dokumentieren den Übergang des Philosophen Steiner zum
Esoteriker und stehen somit im Brennpunkt aktueller
For-schungskontroversen, etwa um die Kontinuität von Steiners
intellektueller Entwicklung, um die »Christlichkeit« der
Anthroposophie oder um die Abhängigkeit Steiners von der
Theo-sophie. Dieser Band erschließt diese für das Verständnis und
die Bewertung der Anthropo-sophie unentbehrlichen Schriften zum
ersten Mal in kritischer Edition.
Historisch-kritischeWürdigung der Theosophie
(an) Erstmals ist nun auch in französischer Sprache der
Zusammenhang der Anthropo-sophie Rudolf Steiners mit der Theosophie
H. P. Blavatskys in einer umfangreichen wissen-
schaftlichen Publikation gewürdigt worden. Unter dem Titel «Le
grand récit de la Théoso-phie de Helena Petrovna Blavatsky à Rudolf
Steiner 1875-1914» stellt der französische Phi-losophieprofessor
Guy Pierre Leccia auf über 500 Seiten die Theosophie nach einem
Muster des Philosophen der Postmoderne, Jean-Francois Lyotard, in
die Reihe der großen Welterklä-rungsversuche vom Zeitalter der
Aufklärung bis zur Moderne (Éditions de La Hutte). Die Theosophie
erscheint hierin als einer der letz-ten Versuche im Sinne der
Aufklärung, den Zusammenhang des Menschen mit dem Kos-mos im Sinne
eines einheitlichen Welt- und Menschenverständnisses zu erfassen.
Beacht-lich ist dabei insbesondere das große Interesse des Autors
an Steiners Vortrag auf dem Phi-losophenkongress in Bologna, dem er
alleine 20 Seiten seiner Untersuchung widmet, und dem er einen
ebenfalls in Bologna gehaltenen Vortrag Henri Bergsons
gegenüberstellt. Eine genaueres Studium dieses beachtenswerten
Werkes wird zeigen, ob eine Übersetzung ins Deutsche sinnvoll und
machbar ist.
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Anthroposophie Weltweit • Mitteilungen Deutschland, September
20138
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ImpressumDie «Mitteilungen aus der anthroposophischen Arbeit in
Deutschland» sind Bestandteil der Zeitschrift «Anthroposophie
weltweit». Herausgeber ist die Anthroposophische Gesellschaft in
Deutschland e. V., Zur Uhlandshöhe 10, 70188 Stuttgart. Redaktion:
(an) Andreas Neider (verantwortlich), Sylvain Coi-plet. Zur
Uhlandshöhe 10, 70188 Stuttgart., Tel.: 0711/248 50 97, Fax: 248 50
99, e-Mail Redaktion: [email protected]. Adressänderungen und
Administration: [email protected]. Gestaltung: Sabine
Gasser, Hamburg. Der Bezug ist sowohl durch ein Abonnement der
Wochenschrift «Das Goetheanum» als auch durch gesonderte
Bestellungen beim Verlag möglich (Kostenbeitrag für das Jahr 2011:
40,- Euro). Verlag: mercu-rial-Publikationsgesellschaft mbH,
Alt-Niederursel 45, 60439 Frankfurt/M., Tel: 069/58 23 54, Konto
Nr. 101 670 901 bei der GLS Gemeinschaftsbank eG, BLZ 430 609
67.Beilagen: Goetheanum: Weihnachtstagungsflyer,
Sterbekulturta-gungsflyer, Parzival-Tagung-Flyer; Waldorfshop,
waschbär, Die Drei
Masernimpfung erneut Thema(an) Noch vor den Sommerferien war das
Thema Masernimpfung im Zusammenhang mit dem Ausbrechen der
Krankheit an einer Waldorf-schule in Erftstadt bei Köln in den
deutschen Medien omnipräsent. Die FAS befragte immer-hin den
Generalsekretär der AGiD, Hartwig Schiller, ebenso kam Georg
Soldner von der GAÄD zu Wort. Demgegenüber versuchen füh-rende
Politiker der Koalition wie etwa Gesund-heitsminister Daniel Bahr
(FDP) verstärkt Druck auf Eltern auszuüben, die ihre Kinder nicht
gegen Masern impfen lassen. Einer Impfpflicht soll laut Bahr durch
verstärkte Impfkampagnen im Vorschulalter vorgebeugt werden.
Demgegenüber vertritt die GAÄD in einer Pres-semitteilung die
Aufassung: «Wenn es um die öffentliche Wahrnehmung von Gesundheit
und Krankheit geht, polarisiert das Thema Impfen wie kaum ein
zweites. Immer wieder werden verstärkte Maser-Ausbrüche und
-Epidemien zum Anlass genommen, sehr kontrovers disku-tierte
Maßnahmen vorzuschlagen. Auch die Ein-führung einer generellen
Impfpflicht ist immer wieder im Gespräch. In einer derart
aufge-heizten Atmosphäre war und ist es nicht leicht, einen
bewussten und aufgeklärten Umgang mit Schutzimpfungen zu fordern
und Raum für einen individuellen Impfentscheid zu lassen. Schnell
werden sowohl bei Impfgegnern als auch bei Impfbefürwortern die
bekannten Vor-urteile bemüht und traditionelle Abgrenzungen
gepflegt.Eine differenzierte Auseinandersetzung sieht allerdings
anders aus. Eine differenzierte Betrachtung bezieht alle
Erkenntnisse, die über Impfungen bei Kinderkrankheiten vorliegen,
mit ein und wägt dann Vor- und Nachteile sorgfältig gegeneinander
ab. Auch Fragen nach den langfristigen (immunologischen)
Auswir-kungen einer Impfung sollten in Ruhe gestellt werden können
– und zwar im jeweiligen Ein-zelfall. Dementsprechend stellt sich
die Position der Anthroposophischen Medizin zu Schutz-impfungen
folgendermaßen dar: Anthroposo-phische Ärztinnen und Ärzte sind
nicht gegen Impfungen. Sie sind aber für die Respektierung der
individuellen elterlichen Impfentscheidung. Dies ist nach geltendem
Recht auch die einzig rechtskonforme ärztliche Haltung.»Die jüngst
veröffentlichte Studie zum Impf-verhalten zeigt jedoch eines: die
Ablehnung von Masernimpfungen hat nichts mit Dumm-heit oder
mangelnder Information zu tun. Im Gegenteil: je höher der
Bildungsgrad der Mütter, um so geringer die Bereitschaft, die
Kinder imp-fen zu lassen.
Spiritualisierungder Hirnforschung?
(an) Die Hirnforschung gilt heute als Leitwissen-schaft, der bei
der Begründung des modernen Menschenbildes eine besondere Rolle
zugespro-chen wird. Durch ein außergewöhnliches Tages-seminar mit
dem Hirnforscher und Anthro-
posophen Dr. Urs Pohlmann (Universitätsklinik Zürich) am
Samstag, den 21. September 2013 sollen im Rudolf Steiner-Haus
Stuttgart die wis-senschaftlichen Grundlagen der Hirnforschung
unter Einbezug der Paradigmengeschichte beleuchtet und kritisch
hinterfragt werden. Ein Gedankenstrang möchte die in der
Hirn-forschung exemplarisch auftretenden Erkennt-nisgrenzen
beschreiben und zeigen, wie diese Erkenntnisgrenzen das Denken des
wissen-schaftlich Vorgehenden verändern. Eine fragende Haltung
jedoch verändert die Erkenntnisfähig-keiten, die dann das Potenzial
in sich trägt, zu einer Spiritualisierung der Neurowissenschaft zu
führen. Im Seminar wird Urs Pohlmann Begriffe wie Neuroplastizität
und andere neurowissen-schaftliche Vorstellungen zum Beispiel zum
Thema Lernen an einigen Beispielen anschaulich illustrieren. Die
behandelten Themen umfassen: 1. Neuro-wissenschaft als eine der
Leitwissenschaften für unser heutiges Menschenbild, 2.
Spiritualisie-rung der Wissenschaft als Spiritualisierung des
Wissenschaftlers, 3. Die Relevanz einer klaren philosophischen
Orientierung in der Naturwis-senschaft, 4. Beispiele für «andere
Erkenntnisse» in der Neurowissenschaft und Ausblick auf mög-liche
Entwicklungen.Das Seminar wird von der Anthroposophischen
Gesellschaft in Stuttgart veranstaltet, die in den letzten Jahren
immer wieder Kolloquien und Tagungen zur Auseinandersetzung der
Anthro-posophie mit den Neurowissenschaften durch-geführt hat.
Information und Anmeldung im Rudolf Steiner-Haus Stuttgart,
Tel.: 0711 / 248 50 97; Fax: 0711 /248 50 99E-Mail:
[email protected]
Befreiung des Bildungswesens(an) Vom Do., 3. bis So., 6. Oktober
2013 findet an der Universität Witten/Herdecke ein
Bil-dungskongress statt, auf dem durch verschie-denste Vorträge,
Arbeitsgruppen, Podiumsdis-kussionen und Gespräche die
Notwendigkeit der «Freiheit für das Bildungswesen» grundle-gend
bearbeitet werden soll. Veranstalter sind Freie Bildungsstiftung,
Institut für soziale Drei-gliederung, D. N. Dunlop Institut e.V.,
Europe-an Forum for Freedom in Education.
Nähere Information und Anmeldung: Thomas Brunner / Tel. 0355
4887480 [email protected]
Demeter-Pionier Gothart Willmann verstorben
(nna, an) – Im Alter von 85 Jahren verstarb am 27. Juli
überraschend während einer Sitzung des Arbeitszentrums Stuttgart
Gothart Will-mann, der Gründer der Gärtnerei Willmann in
Bietigheim-Bissingen und des gleichna-migen regionalen Großhändlers
in Vaihingen bei Stuttgart. Demeter-Vorstand Dr. Alexander Gerber
wür-digte die Lebensleistung des 85jährigen für die biodynamische
Gemeinschaft und Johannes Ell-Schnurr, Geschäftsführer der
baden-württ-embergischen Arbeitsgemeinschaft für Biolo-gisch
Dynamische Wirtschaftweise erinnerte vor allem an Gothart Willmanns
Beharrlichkeit im Ringen um ein gemeinsames Verständnis: Im
Mittelpunkt habe für ihn stets die Anthro-posophie Rudolf Steiners
und die daraus zu entwickelnden konkreten Aufgaben gestan-den.
Gothart Willmann war vielfältigts für Demeter engagiert. Er war
Mitbegründer der Vereinigung für Biologisch-Dynamische
Wirt-schaftsweise Baden-Württemberg und lange Zeit im Vorstand
tätig. Geprägt durch ein anthroposophisches Eltern-haus, die
Waldorfschule und frühen Kontakt zu Demeter-Erzeugern besuchte der
junge Gärtner bereits im Januar 1947 den vierwö-chigen
Einführungskurs in die Biodynamische Wirtschaftsweise. 1952
pachteten er mit sei-ner Frau Ingemarie eine kleine Gärtnerei in
Kleinglattbach, einem Ortsteil von Vaihingen/Enz. Hier entstand die
Keimzelle der Gärtnerei Willmann und auch die erste
Vermarktungs-struktur. Gothart Willmanns Mutter verkaufte das
selbst erzeugte Gemüse in Stuttgart an der Waldorf-schule
Uhlandshöhe im eigens dafür errich-teten Häuschen, dem
«Gemüseanum». Die Gärtnerei pachtete Flächen dazu, bildete
Lehr-linge aus, sorgte durch gemeinsame Arbeit an Steiner-Texten
und künstlerische Elemente wie die Aufführung der Oberufer
Weihnachts-spiele für Entwicklung, verband sich mit einem
Trägerverein und gründete schließlich Anfang der 1980ziger Jahre
das Handelskontor Will-mann (HAKO), das heute noch als regionaler
Großhändler vorrangig Demeter-Waren in die Naturkostläden liefert.
Charakteristisch für Gothart Willmann war es, sowohl die
Grundprinzipien des Biodyna-mischen im Blick zu haben wie die
Gestaltung der Anthroposophischen Gesellschaft, in der er
unermüdlich mitarbeitete und sich engagierte. So gab es praktisch
keine Veranstaltung im Rudolf Steiner-Haus Stuttgart, an der
Gothart Willmann nicht aktiv teilnahm, oft auch in Begleitung
seiner Frau, die sich zugleich inten-siv und hingebungsvoll um die
gesunde und nachhaltige Ernährung der Veranstaltungsteil-nehmer
kümmerte.Allen, die ihn gekannt haben, wird Gothart Willmann in
seiner liebevollen und zugleich temperamentvollen Art unvergesslich
und nahe zugleich bleiben.