70 Einleitung und Motivation Im Rahmen der österreichweiten Harmonisierung von bautechnischen Anforderungen an Bauwerke wurden vom Österreichischen Institut für Bautechnik (OIB) Richtlinien entwickelt. Ziel dieser Richtlinien ist es, die in den Landesgesetzen zuvor existierenden, unter- schiedlichen bautechnischen Bestimmungen zu verein- heitlichen. Die brandschutztechnisch relevanten OIB Richtlinien wurden bis dato in Tirol, Vorarlberg, Wien, im Burgenland und in der Steiermark in den landes- rechtlichen Bauvorschriften als verbindlich erklärt (Stand 01/2012). Die Anforderungen, die in diesen Richtlinien aus brand- schutztechnischer Sicht an Bauwerke gestellt werden, sind im Wesentlichen materieller Art. Wird auf Basis dieser beschreibenden brandschutztechnischen Bestim- mungen bei komplexen Bauvorhaben kein Auslangen ge- funden, besteht die Möglichkeit der Abweichung von den materiellen Vorgaben der OIB-Richtlinien „…wenn der Bauwerber nachweist, dass das gleiche Schutzzielniveau wie bei Anwendung der Richtlinien erreicht wird.“ (§ 2, Wiener Bautechnikverordnung WBTV, 03/06/2008 LGBl. Nr. 31/2008). Im Bereich der Nachweismethoden liegen mit Ausnahme von einigen wenigen Aussagen im OIB-Leitfaden „Ab- weichungen im Brandschutz und Brandschutzkonzepte“ (OIB, 2011) keine Angaben über Verifikationsmethoden zur Nachweisführung bei Abweichungen oder alterna- tiven Lösungen vor. Im Abschnitt 4.3.2, „Brandschutz- konzept mit Methoden des Brandschutzingenieur- wesens“ des OIB-Leitfadens (OIB, 2011) wird festgelegt: „Ein Bauvorhaben unter Verwendung von Methoden des Brandschutzingenieurwesens wird derart abgehandelt, dass Schutzziele durch die Festlegung von quantitativen Schutz- zielkriterien konkretisiert werden. Für den betrachteten Bereich müssen entsprechend der vorgesehenen Nutzung die Brand- szenarien festgelegt werden. Als Methoden des Brandschutz- ingenieurwesens kommen u.a. in Betracht: • Brandsimulationen (z. B. nach Handformeln, Wärmebilanz- berechnungen mit Zonenmodellen, CFD-Modellrechnun- gen) sowie physikalische Modelle (Brand- und Rauchver- suche im verkleinerten Gebäudemodell), • Brand- und Rauchversuche (Realversuche), • Beurteilung des Brandverhaltens von Bauteilen und Trag- werken, • Personenstromanalysen“ Demnach wird die Nachweisführung bei Abweichungen mittels Ingenieurmethoden zwar grundsätzlich ermög- licht, die Nachweisverfahren und die zur Bewertung der Ergebnisse erforderlichen Leistungskriterien, die für einen in sich konsistenten Nachweis entscheidend sind, werden jedoch nicht näher ausgeführt oder geregelt. Im vorliegenden Beitrag wird anhand eines Beispiels mittels eines anerkannten Verifikationsmodells, nämlich der ASET/RSET-Betrachtung nach dem British Standard 9999 (BSI 9999, 2008) in Zusammenhang mit den XXX (PD 7974, 2004), eine vollständige Nachweisführung zur Per- sonensicherheit im Brandfall dargestellt. Bei der ASET/ RSET-Methode handelt es sich um eine Analysemethode des Brandschutzingenieurwesens bei der die „available safe egress time (ASET)“ mit der „required safe egress time (RSET)“ verglichen wird und es gilt ASET > RSET; d. h. die verfügbare Zeit zur Flucht muss größer sein als die zur Flucht benötigte Zeit. Grundsätzliches Ziel ist der Nachweis der Sicherheit und Gesundheit der Menschen und Einsatzkräfte in einem brennenden Gebäude nach Abschluss der Flucht und Rettung. Die „available safe egress time (ASET)“ beschreibt die Zeitdauer in der eine sichere Flucht aus einem Brand- bereich möglich ist. Die ASET-Bestimmung kann Christian Lebeda 1,2) , Monika Oswald 1,3) , Nina Schjerve 1) 1) Technische Universität Wien 2) FST GmbH, St. Pölten 3) Donau Universität Krems ASET/RSET – Betrachtungen zum Nachweis der Personensicherheit im Brandfall
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ASET/RSET - Brandschutzjahrbuch1 Sauerstoff-Konzentration > 15 Vol.-% 2 CO 2-Konzentration < 0,5 Vol.-% 3 Höhe der raucharmen Schicht > 3,00 m 4 minimale Sichtweite >
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Einleitung und Motivation
Im Rahmen der österreichweiten Harmonisierung von bautechnischen Anforderungen an Bauwerke wurden vom Österreichischen Institut für Bautechnik (OIB) Richtlinien entwickelt. Ziel dieser Richtlinien ist es, die in den Landesgesetzen zuvor existierenden, unter-schiedlichen bautechnischen Bestimmungen zu verein-heitlichen. Die brandschutztechnisch relevanten OIB Richtlinien wurden bis dato in Tirol, Vorarlberg, Wien, im Burgenland und in der Steiermark in den landes-rechtlichen Bauvorschriften als verbindlich erklärt (Stand 01/2012).
Die Anforderungen, die in diesen Richtlinien aus brand-schutztechnischer Sicht an Bauwerke gestellt werden, sind im Wesentlichen materieller Art. Wird auf Basis dieser beschreibenden brandschutztechnischen Bestim-mungen bei komplexen Bauvorhaben kein Auslangen ge-funden, besteht die Möglichkeit der Abweichung von den materiellen Vorgaben der OIB-Richtlinien „…wenn der Bauwerber nachweist, dass das gleiche Schutzziel niveau wie bei Anwendung der Richtlinien erreicht wird.“ (§ 2, Wiener Bautechnikverordnung WBTV, 03/06/2008 LGBl. Nr. 31/2008).
Im Bereich der Nachweismethoden liegen mit Ausnahme von einigen wenigen Aussagen im OIB-Leitfaden „Ab-weichungen im Brandschutz und Brandschutzkonzepte“ (OIB, 2011) keine Angaben über Verifikationsmethoden zur Nachweisführung bei Abweichungen oder alterna-tiven Lösungen vor. Im Abschnitt 4.3.2, „Brandschutz-konzept mit Methoden des Brandschutzingenieur-wesens“ des OIB-Leitfadens (OIB, 2011) wird festgelegt:
„Ein Bauvorhaben unter Verwendung von Methoden des Brandschutzingenieurwesens wird derart abgehandelt, dass Schutzziele durch die Festlegung von quantitativen Schutz-zielkriterien konkretisiert werden. Für den betrachteten Bereich
müssen entsprechend der vorgesehenen Nutzung die Brand-szenarien festgelegt werden. Als Methoden des Brandschutz-ingenieurwesens kommen u.a. in Betracht:
• Brandsimulationen (z. B. nach Handformeln, Wärmebilanz-berechnungen mit Zonenmodellen, CFD-Modellrechnun-gen) sowie physikalische Modelle (Brand- und Rauchver-suche im verkleinerten Gebäudemodell),
• Brand- und Rauchversuche (Realversuche),• Beurteilung des Brandverhaltens von Bauteilen und Trag-
werken,• Personenstromanalysen“
Demnach wird die Nachweisführung bei Abweichungen mittels Ingenieurmethoden zwar grundsätzlich ermög-licht, die Nachweisverfahren und die zur Bewertung der Ergebnisse erforderlichen Leistungskriterien, die für einen in sich konsistenten Nachweis entscheidend sind, werden jedoch nicht näher ausgeführt oder geregelt.
Im vorliegenden Beitrag wird anhand eines Beispiels mittels eines anerkannten Verifikationsmodells, nämlich der ASET/RSET-Betrachtung nach dem British Standard 9999 (BSI 9999, 2008) in Zusammenhang mit den XXX (PD 7974, 2004), eine vollständige Nachweisführung zur Per-sonensicherheit im Brandfall dargestellt. Bei der ASET/RSET-Methode handelt es sich um eine Analysemethode des Brandschutzingenieurwesens bei der die „available safe egress time (ASET)“ mit der „required safe egress time (RSET)“ verglichen wird und es gilt ASET > RSET; d. h. die verfügbare Zeit zur Flucht muss größer sein als die zur Flucht benötigte Zeit. Grundsätzliches Ziel ist der Nachweis der Sicherheit und Gesundheit der Menschen und Einsatzkräfte in einem brennenden Gebäude nach Abschluss der Flucht und Rettung.
Die „available safe egress time (ASET)“ beschreibt die Zeitdauer in der eine sichere Flucht aus einem Brand-bereich möglich ist. Die ASET-Bestimmung kann
Christian Lebeda 1,2), Monika Oswald 1,3), Nina Schjerve 1)
1) Technische Universität Wien
2) FST GmbH, St. Pölten
3) Donau Universität Krems
ASET/RSET – Betrachtungen zum Nachweis der Personensicherheit im Brandfall
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Nachweisverfahren ASET/RSET
Der folgende Abschnitt beschreibt das ASET/RSET-Ver-fahren und die Methoden, welche der Untersuchung der Personensicherheit im Brandfall zugrunde gelegt werden können.
Grundzüge des VerfahrensDie Abbildung 2.1 zeigt den grundsätzlichen Ablauf eines Nachweises mittels der ASET/RSET-Methode. Ausge-hend von einer bekannten Bauwerks- und Nutzungs-situation können durch Einsatz von Brandsimulation und Evakuierungssimulation bzw. -berechnung unter Berücksichtigung von zu vereinbarenden Grenzbedin-gungen die Werte für ASET und RSET ermittelt werden. Sofern ASET größer als RSET ist, können die Kennzahlen des Sicherheitsabstandes (SA) und des Sicherheitsfaktors (SF) ermittelt werden. Im Falle, dass ASET kleiner als RSET wird, sind Modifikationen an der Bauwerks- und/oder Nutzungssituation erforderlich. Die Kennzahlen SA und SF können auch mit vorher festgelegten Werten (SA*, SF*), welche beispielsweise von der Behörde festgelegt werden, verglichen werden. Bei einem positiven Vergleich hat man den Nachweis erfolgreich erbracht, im nega-tiven Fall sind Modifikationen an der Bauwerks- und/oder Nutzungssituation erforderlich und ein neuerlicher Durchlauf des Nachweisprozesses ist erforderlich.
beispiels weise durch Brandsimulationen erfolgen. Die „required safe egress time (RSET)“ beschreibt den Zeitraum, der für die Evakuierung der Personen aus dem Bauwerk auf Basis der im Bauwerk vorhandenen Personenanzahl und der Fluchtweggeometrie benötigt wird. Der RSET-Wert wird in der Regel durch Evakuie-rungsanalysen ermittelt.
Stellt sich im Zuge eines solchen Nachweises heraus, dass die zur Flucht vorhandene Zeitspanne nicht ausreicht bis sich für die flüchtenden Personen kritische Umgebungs-bedingungen durch das Brandgeschehen einstellen (d. h. ASET < RSET), so bedeutet das, dass z. B. das Gebäude-design, die Personenbelegung, die brandschutztechni-schen Maßnahmen etc. überdacht werden müssen. In diesem Fall wird der Nachweis geführt, dass Optimierun-gen am Objekt erforderlich sind, um eine ausreichende Personensicherheit zu erreichen.
Im vorliegenden Bericht soll das ASET/RSET-Verfahren an Hand eines Beispielobjektes und unter Anwendung verschiedenster Methoden dargestellt und beschrieben werden. Die Ergebnisse dieser brandschutztechnischen Untersuchung sollen die Problematik der Nachweisfüh-rung und der Überprüfung dieser Nachweise nach dem derzeitig vorhandenen Regelwerk aufzeigen.
Modifikation der Bauwerks- und/oder Nutzungssituation
SA > SA* bzw.SF > SF*
Festlegung SA*, SF*
Nachweis erfolgreich erbracht
nein
nein
ja
ja
Abbildung 2.1: Ablauf eines Nachweises mittels der ASET/RSET-Methode
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Die ASET/RSET-Methode ist ein normiertes Verfahren in PD 7974-6 (PD 7974, 2004) zur Untersuchung der Personen sicherheit im Brandfall. Die Begriffe ASET und RSET sind wie folgt definiert:
„Available Safe Escape Time, ASET: calculated time available between ignition of a fire and the time at which tenability criteria are exceeded in a specified space in a building”.
Der ASET-Wert stellt den Zeitraum zwischen der Brand-entstehung und dem Zeitpunkt der Überschreitung ver-tretbarer Kriterien (für Personen) in einem festgelegten Bereich in einem Bauwerk dar.
“Required Safe Escape Time, RSET: calculated time available between ignition of a fire and the time at which occupants in a specified space in a building are able to reach a place of safety”.
Die berechnete Zeit zwischen der Brandentstehung und dem Zeitpunkt bei dem Personen in einem festgelegten Bereich in einem Bauwerk einen sicheren Bereich erreicht haben, wird als RSET-Wert bezeichnet.
Die Abbildung 2.2 zeigt schematisch die ASET/RSET-Methode. Eine erfolgreiche Entfluchtung eines Bereiches/ Bauwerkes ist somit nur dann möglich, wenn die verfüg - bare Zeit (ASET) größer ist als die zur Entfluchtung benö-tigte Zeit (RSET). Somit hat zu gelten:
Abbildung 2.2. Schematische Darstellung der ASET/RSET-Methode
Der Grad der Erfüllung der erfolgreichen Entfluchtung kann durch die Kennzahlen
• des Sicherheitsabstandes (SA) und• des Sicherheitfaktors (SF)
quantifiziert werden.
Der Sicherheitsabstand SA ist definiert durch die Diffe-renz zwischen ASET und RSET. Ein positiver Wert be-deutet, dass die Evakuierung abgeschlossen ist, bevor die Auswirkungen des Brandes die Evakuierung behindern.
Der Sicherheitsabstand SA wird wie folgt bestimmt:
Der Sicherheitsfaktor SF wird aus dem Quotienten von ASET und RSET bestimmt. Ein Wert größer 1 bedeutet, dass die Evakuierung abgeschlossen ist, bevor die Aus-wirkungen des Brandes die Evakuierung behindern.
Zur Untersuchung der Personensicherheit mittels der ASET/RSET-Methode sind Untersuchungsverfahren zur Bestimmung der ASET (verfügbaren Zeit für die Evaku-ierung) und der RSET (notwendige Zeit für die Evakuie-rung) erforderlich.
Bewertungskriterien, GrenzbedingungenDie Ermittlung des Zeitraumes (ASET), in welchem eine Entfluchtung gefahrlos durchgeführt werden kann, beruht auf der Bestimmung der zeitabhängigen Konzen-trationen/Intensitäten von toxischen Brandprodukten, Rauch und Wärmeeinwirkungen bei einem Brand. Dieser Zeitraum kann durch ein/e Kriterium/Grenzbedingung oder eine Kombination verschiedener Grenzbedingun-gen/Kriterien bestimmt werden.
Solche Grenzbedingungen können sein:
• Konzentration von CO2, CO oder O2,• Sichtweiten,• Rauchschichtdicken,• Temperaturen,• Strahlungsdichten, usw.
Es ist erforderlich, diese Kriterien/Bedingungen in ihrer Größe zu definieren (zu quantifizieren). Für die vorlie-gende Untersuchung werden die in der Tabelle 2.1 ange-gebenen Kriterien verwendet.
Tabelle 2.1: Grenzbedingungen für die Untersuchung des Beispiels-objekts
Nr. KriteriumGrenz-
bedingungen1 Sauerstoff-Konzentration > 15 Vol.-%2 CO
2-Konzentration < 0,5 Vol.-%
3 Höhe der raucharmen Schicht > 3,00 m4 minimale Sichtweite > 30 m5 Temperatur der heißen Rauchgas-
schicht < 250 °C
6 Temperatur der unten liegenden Gasschicht
< 30 °C
Anmerkung: Die in der Tabelle 2.1 angegebenen Grenzbedingungen sind aus didaktischen Gründen sehr einfach gehalten. Grundsätzlich sind für die Festlegung von solchen Grenzbedingungen weiter gehende Überle-gungen in Abstimmung mit dem Sachverhalt erforder-lich. In der Regel sind komplexere Grenzbedingungen wie beispielsweise nach der „Fractional Effective Dose“ (FED)-Methode oder Kombinationen aus einzelnen deterministischen Grenzwerten anzusetzen.
Methoden zur ASET-BestimmungNach Festlegung der vorab dargestellten Randbedingun-gen und Parameter können verschiedenste Brandsimu-lationsmodelle angewandt werden um ASET zu bestim-men. In der gegenständlichen Untersuchung werden folgende verwendet:
• das Zonenmodell MRFC (Multi Room Fire Code), AGB, Deutschland und
• das Feldmodell (CFD) FDS (Fire Dynamics Simulator), NIST, USA.
Im folgenden Abschnitt werden diese für die Bestim-mung des ASET-Wertes verwendeten Rechenmodelle kurz beschrieben.
Zonenmodell MRFCBei einem Zonen - Modell bestehen die beiden betrachte-ten Schichten im Brandraum aus Luft und Rauchgasen, für die jeweils eine homogene Temperaturverteilung angenommen wird. Weitere Temperaturzonen bilden sich im Plumebereich (Plumetemperaturen) und in den Bauteilen (Bauteiltemperaturen) aus. Die Massen- und Energieströme werden für den Brandbereich (Fireplume) sowie getrennt für die beiden Schichten im Raum formu-liert und im Programm iterativ berechnet.
Zur Simulation von natürlichen Bränden wurde von der AGB (Bruchsal) und der Technischen Universität Wien
das Mehrraum-Mehrzonenmodell MRFC (Multi-Room-Fire-Code) entwickelt, sodass die das Brandgeschehen beschreibenden physikalischen Größen (Temperatur, Brandrauchmenge, Brandrauchschichtdicken, usw.) im Brandraum und in den angrenzenden Räumen berechnet werden können. Dem Programmpaket MRFC liegt ein Mehrraum-Mehrzonen-Modell zu Grunde, bei dem über eine Kopplung von beliebig zugeordneten Räumen mit jeweils mehreren Zonen die das Brandgeschehen bestim-menden Parameter wie Rauchgas- und Bauteiltemperatu-ren sowie Druckverteilungen und die daraus resultieren-den Massenströme berechnet werden können.
Eine detaillierte Beschreibung des Modells findet sich u. a. in AGB und TU Wien (2011) und AGB und TU Wien (2010).
CFD Code FDSBei dem hier verwendeten Simulationsprogramm FDS handelt es sich um ein frei verfügbares CFD-Modell (Computational Fluid Dynamics) für brandschutz-technische Untersuchungen, bei dem die Zustände im Brandraum und in den Folgeräumen durch Systeme von nichtlinearen, partiellen Differenzialgleichungen dar-gestellt werden. Die Software simuliert unter anderem dreidimensionale Strömungen auf Grundlage der Navier-Stokes-Gleichungen, sowie den zugrunde liegenden Brandprozess und die Ausbreitung von Feuer und Brand-rauch. Die Ergebnisse der FDS-Simulationen können mit Hilfe von Smokeview – einem Teil des gesamten FDS-Programmpakets – visualisiert werden. Die Auswertun-gen können sowohl zwei- als auch dreidimensional, als Standbild oder animiert dargestellt werden.
Das Programm FDS wurde vom National Institute of Standards and Technology, USA, entwickelt und wird laufend erweitert. Eine detaillierte Beschreibung des Modells und der Bedienung findet sich in Mc Grattan (2010), Mc Dermott et al. (2010) und Mc Grattan et al. (2010a) bis Mc Grattan et al. (2010c).
Methoden zur RSET-BestimmungDie notwendige Zeit für die Evakuierung (Entfluchtungs-dauer, RSET) kann mittels Ingenieurverfahren und Simu-lationsmodellen bestimmt werden. Mögliche Verfahren sind:
• ein ingenieurmäßiger Ansatz zur Abschätzung der Gehzeit und
• das Simulationsmodell FDS+EVAC .
In den nachfolgenden Abschnitten werden die Verfahren zur Bestimmung der Evakuierungzeit/Entfluchtung-dauern kurz beschrieben.
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Grundsätze der Bestimmung der Evakuierungszeit, Entfluchtungsdauer
Ingenieurmäßige vereinfachte Abschätzung der GehzeitDas nachfolgend beschriebene Rechenverfahren ist nur eine überschlägige Abschätzung für einfache Evaku-ierungsfragestellungen und stellt in der Regel keinen Ersatz für vollständige Evakuierungsberechnungen bzw. Simulationen dar. Die zur Abschätzung der Gehzeiten erforderlichen Annahmen und Randbedingungen setzen ein erhebliches Maß an Wissen und Erfahrung im Bereich der Evakuierung voraus. Mit der überschlägigen Ab-schätzung kann nur die Gehzeit abgeschätzt werden, Aussagen über lokale Phänomene wie beispielsweise Staubildungen und damit verbundene Stauzeiten oder Personenverdichtungen im Zuge der Evakuierungen mit anderen Ursachen als Wegeinengungen (z. B. Vereinigung oder Aufeinandertreffen von zwei Personenströmen) können damit nicht betrachtet werden.
Das Untersuchungsmodell ist ein stark vereinfachtes hydraulisches Modell (Durchflussmodell) welches auf der Tatsache basiert, dass bei einer Evakuierung von Personen die Geh- bzw. Laufzeit im Wesentlichen ab-hängig ist von
• der mittleren Gehgeschwindigkeit der Personen,• der zurückzulegenden Wegstrecke bis zum Ausgang
und • der schmalsten Stelle im Bereich des Fluchtweges
(Engstelle, bspw. die Breite des schmalsten Ausgangs, Durchgangs).
Überschlägig lässt sich die in der Gl. (2.5) dargestellte Beziehung aufstellen. Darin wird unterstellt das sich die Laufzeit (tLauf) aus den Termen für
• die Zeit für das Passieren des schmalsten Ausganges bzw. Durchganges (Engstelle) (tEngstelle) und
• dem Zeitraum für das Zurücklegen der weitesten Weg-strecke bis zum Ausgang im betrachteten Bereich (tWeg) zusammensetzt.
tLauf = tEngstelle+tWeg Gl. (2.5)
Die Zeit für das Passieren der Engstelle tEngstelle wird in Abhängigkeit der maximalen Personenanzahl, der Durch-
lassfähigkeit an der Engstelle und der kleinsten Breite der Engstelle nach der Gl. (2.6) bestimmt.
tEngstelle=
nPersonen
fEngstellex bEngstelle, min
mit:
tEngstelle Zeit für das Passieren einer Engstelle [s] nPersonen Maximale Personenanzahl [1]fEngstelle Durchlassfähigkeit an der Engstelle [Personen/(m·s)]bEngstelle, min kleinste Breite der Engstelle [m]
Aus der maximal zurückzulegenden Wegstrecke und der mittleren Gehgeschwindigkeit der Personen lässt sich der Zeitraum für das Zurücklegen der Wegstrecke nach der Gl. (2.7) berechnen.
tWeg= dmax
vmittel
Gl. (2.7)
mit:
tWeg Zeitraum für das Zurücklegen einer Wegstrecke [s] dmax maximale Fluchtwegdistanz [m]vmittel mittlere Gehgeschwindigkeit [m/s]
Die Laufzeit tLauf kann somit durch Zusammenfassung der Gl. (2.6) und Gl. (2.7) nach der Gl. (2.8) bestimmt werden.
tEngstelle=
nPersonen
fEngstellex bEngstelle, min
+ tWeg= dmax
vmittel
mit:
tLauf Lauf- bzw. Gehzeit [s] nPersonen Maximale Personenanzahl [1]fEngstelle Durchlassfähigkeit an der Engstelle [Personen/(m·s)]bEngstelle, min kleinste Breite der Engstelle [m]dmax maximale Fluchtwegdistanz [m]vmittel mittlere Gehgeschwindigkeit [m/s]
Dieser Ansatz ist grundsätzlich konservativ, da unterstellt wird, dass sich die letzte Person erst in Bewegung setzt nachdem die Tür frei ist, bzw. sich alle Personen zum Beginn der Evakuierung in der maximalen Fluchtweg-distanz zur Tür/zum Ausgang befinden. In der Realität tritt dieser Fall nur sehr selten auf. Im Allgemeinen wird die Laufzeit tLauf durch die Durchlassfähigkeit der Eng-stelle (z. B. einer Tür) bestimmt. Bei einer sehr kleinen Personenanzahl und/oder sehr breiten Ausgängen/Durchgängen kann auch der Fall eintreten, dass der Zeit-raum des Passierens einer Engstelle (tEngstelle) viel kleiner als der Zeitraum für das Zurücklegen der weitesten Weg-strecke (tWeg) im betrachteten Bereich wird. In diesem Fall
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Abbildung 2.3: Gehgeschwindigkeit in Abhängigkeit der Personen dichte nach Weidmann (1993) und Nelson und Mowrer (2002) für Gänge, Rampen und Tore
Ausgehend von den Geschwindigkeitsbeziehungen für den demographischen Einfluss (z. B. Alter) und der Personendichte lässt sich für eine Engstelle die Durchlass fähigkeit unmittelbar über die in der Gl. (2.10) dargestellte Beziehung entwickeln. Der Personenfluss ergibt sich aus dem Produkt der Gehgeschwindigkeit, der Dichte und der Breite des Durchganges.
F= v . D . b Gl. (2.10)
mit:
F Personenfluss [Personen/s]v Gehgeschwindigkeit [m/s]D Personendichte [Personen/m2]b Breite [m]
Bezieht man sich auf eine Breite von 1,0 m so erhält man einen spezifischen Personenfluss bzw. eine Durchlass-fähigkeit. In diesem Fall vereinfacht sich die Gl. (2.10) zu der Gl. (2.11) zur Bestimmung der Durchlassfähigkeit f.
f = v . D Gl. (2.11)
mit:
f Durchlassfähigkeit [Personen/(m·s)]v Gehgeschwindigkeit [m/s]D Personendichte [Personen/m2]
Basierend auf den in der Abbildung 2.3 dargestellten Beziehungen der Gehgeschwindigkeit in Abhängigkeit der Personendichte ergeben sich die in der Abbildung 2.4 dargestellten Durchlassfähigkeiten (Leistungen) an Engstellen.
wird die Laufzeit/Gehzeit nur mehr über die Wegstrecke und die mittlere Geschwindigkeit der Personen bestimmt und die Ermittlung der Laufzeit ergibt sich nach Gl.(2.9b).
Wenn nPersonen
fEngstellex bEngstelle, min
<< dmax
vmittel
Gl. (2.9a)
tLauf= dmax
vmittel
Gl. (2.9b)
Für die Ermittlung der Laufzeit sind in der Regel zwei Größen unbekannt. Diese sind die Durchlassfähigkeit an der relevanten Engstelle und die mittlere Gehgeschwin-digkeit. Die Personenanzahl, die Breite der Engstelle und die maximale Wegstrecke sind in der Regel bekannt. Die Größe der Gehgeschwindigkeit und der Durchlassfähig-keit sind nach den Erkenntnissen aus der Wissenschaft abzuschätzen. Nachfolgend werden diese Daten exempla-risch nach zwei Ansätzen aus der Literatur ermittelt.
Die Gehgeschwindigkeit von Personen ist von einer Reihe von Faktoren abhängig, diese sind
• demographische Faktoren wie Alter und Geschlecht,• die Dichte des Personenstroms und• Einflüsse aus der Umgebung (z. B. Verrauchung).
Die Tabelle 2.2 zeigt die Abhängigkeit der Gehgeschwin-digkeit vom Lebensalter. Es ist darauf zu achten, dass die hier angegebenen Gehgeschwindigkeiten sich auf eine freie Bewegung (d. h. z. B. bei geringen Personendichten) beziehen. Nach Weidmann (1993) kann als gewichtetes Mittel (normiert über die Bevölkerungspyramide) aller Jahrgänge eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 1,34 m/s angegeben werden.
Personen-gruppe
Gehgeschwindigkeit in der Ebene (m/s)
Minimum Maximum
Unter 30 Jahre
0,58 1,61
30 bis 50 Jahre
1,41 1,54
Über 50 Jahre
0,68 1,41
Tabelle 2.2: Zusammenstellung der Gehgeschwindigkeiten in der Ebene (vgl. RIMEA, 2009)
Für die Abhängigkeit der Gehgeschwindigkeit von der Personendichte gibt es in der Literatur verschiedene Ansätze. Nach den Ansätzen von Weidmann (1993) und nach Nelson und Mowrer (2002) ergeben sich die in der Abbildung 2.3 dargestellten Beziehungen.
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Abbildung 2.4: Durchlassfähigkeiten an Engstellen in Abhängigkeit der Personendichte nach Weidmann (1993) und Nelson und Mowrer (2002) für Gänge, Rampen und Tore
Die Gegenüberstellung der personendichteabhängigen Gehgeschwindigkeiten und Durchlassfähigkeiten in der Abbildung 2.3 und der Abbildung 2.4 entsprechend den verschiedenen Ansätzen zeigt, dass sich bis zu einer Dichte von etwa 3 Personen/m2 ähnliche Werte ergeben. Die beiden hier vorgestellten Ansätze divergieren bei Personendichten über 3 Personen/m2.
Aus den vorgenannten Abbildungen lassen sich nun die für die Bestimmung der Laufzeit nach der Gl. (2.8) not-wendigen Daten (Durchlassfähigkeit, Gehgeschwindig-keit) bei Annahme einer Personendichte ablesen. Unter- stellt man beispielsweise eine Personendichte von 2 Per-sonen/m2, ein für eine Evakuierung typischer mittlerer Wert, so erhält man für die Durchlassfähigkeit an der Engstelle einen Wert von etwa 1,2 Personen/(m·s) bei einer Gehgeschwindigkeit von ca. 0,6 m/s. Diese Werte können somit einer ingenieurmäßigen Betrachtung zu-grunde gelegt werden.
Simulationsmodell FDS + EVACEine weitere Möglichkeit RSET zu bestimmen ist mit Hilfe von Simulationsmodellen. Bei dem hier darge-stellten und verwendeten Modell EVAC handelt es sich um eine in Entwicklung befindliche Erweiterung des Simulationsprogramms FDS (s. a. Abschnitt 2.3.2). Dieses Evakuierungsmodul in FDS wird von der VTT, Technical Research Centre of Finland entwickelt.
FDS+Evac ist ein Evakuierungsmodell welches jedes einzelne Individuum (oder Agent) betrachtet. Jede Person hat seine eigenen Eigenschaften und Strategien zur Entfluchtung. Die Bewegung der Agenten erfolgt auf einer zweidimensionalen Ebene, welche den Boden des Bauwerks repräsentiert. Der Basisalgorithmus hinter der Fluchtbewegung löst eine Bewegungsgleichung für jeden Agenten in einem zweidimensional, in Zeit und Raum kontinuierlichen Betrachtungsbereich. Die Kräfte, die auf den Agenten wirken, setzen sich aus physikalischen Kräf-ten und psychologischen Kräften, die von der Umgebung und den anderen Agenten ausgehen, zusammen.
Eine detailliertere Beschreibung des Modells und eine Bedienungsanleitung finden sich z. B. bei Korhonen und Hostikka (2010).
Beispielsobjekt
Objekt- und NutzungsbeschreibungBei dem gegenständlich zu untersuchenden Objekt han-delt es sich um eine bestehende, freistehende Lagerhalle. Diese Halle wurde ursprünglich von einer Spedition als Kommissionierungslager zum Warenumschlag auf LKWs über eine, entlang der Längsseite verlaufende, Laderampe benutzt. Das Bauwerk weist eine Länge von etwa 50 m, eine Breite von etwa 25 m und eine Höhe über dem angrenzenden Gelände von etwa 6,5 m auf. Die Fußbodenoberkante liegt 1,0 m über dem angrenzenden Gelände. Die lichte Gebäudeinnenhöhe beträgt 5,0 m.
Die Halle wird als Veranstaltungsstätte genutzt. Die Abbildung 3.1 zeigt schematisch die Nutzungslayouts in der Veranstaltungsstätte. Neben Infrastrukturbereichen wie den Sanitärbereichen und dem Bürobereich wird die Halle in die folgenden Bereiche unterteilt:
• Tanzbereich (dancefloor)• Bühnenbereich (stage und back stage)• und einen Barbereich (bar/chill-out)
Abbildung 3.1: Schematische Darstellung der Nutzungsbereiche in der Veranstaltungsstätte
Die Halle verfügt an einer der Längsseiten über zwei Tore jeweils mit einer lichten Breite von 4,0 m und einer Höhe von etwa 2,5 m. Diese Tore sind im Bereich der Achse I/A-B (Tor 1) bzw. Achse I/G-H (Tor 2) situiert.
Die Erschließung des Bauwerkes erfolgt in der Regel über das Tor 1 (I/A-B). Das Tor 2 dient sowohl der Zulieferung in den Backstagebereich als auch als Fluchtweg. Zur Überwindung des Niveauunterschiedes zwischen dem umliegenden Gelände auf die alte Laderampe werden vor den Toren Treppen angeordnet (jeweils 6 Stiegen 17/29).
Das Bauwerk verfügt über eine Brandmeldeanlage und die erforderlichen Maßnahmen der ersten und erweiter-
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• Es ist die Personensicherheit im Falle des Ausfalles eines Fluchtweges und einer Überschreitung der zuläs-sigen Personenanzahl um 20 % zu untersuchen.
• Es wird von einer Personenbelegung von mindestens 960 Personen ausgegangen.
• Es wird unterstellt, dass sich vorwiegend jüngere Per-sonen in der Halle aufhalten.
• Es wird nicht angenommen, dass sich darunter eine relevante Anzahl an Personen mit besonderen Bedürf-nissen befindet.
Detektionsdauer, Alarmierungsdauer und ReaktionsdauerAuf eine dezidierte Festlegung einer Erkennungsdauer wird verzichtet, diese wird in der Reaktionsdauer mitbe-rücksichtigt.
Je nach verwendetem Berechnungs- bzw. Simulations-modell wird in der Regel nur die Laufdauer berechnet. Bei Simulationen wird die Laufdauer unter Berücksich-tigung einer vorgegebenen statistischen Verteilung der Reaktionsdauer bestimmt.
Für die Durchführung der Untersuchungen ist es somit erforderlich, Festlegungen für die Detektionsdauer, Alarmierungsdauer und Reaktionsdauer vorzunehmen.Die Detektionsdauer wird hier mit 2 min festgelegt. Dies begründet sich aus der vorhandenen Brandmeldeanlage einerseits, andererseits aus der Tatsache, dass sich viele Personen in diesem Bereich aufhalten und der Bereich sehr gut überschaubar ist.
Aufgrund der Nutzung und der vorhandenen Alarmie-rungseinrichtungen ist davon auszugehen, dass eine Alarmierung sehr zeitnah zu der Erkennung des Brandes stattfindet. Deshalb wird die Alarmierungsdauer nicht berücksichtigt und mit 0 min angesetzt.
Die Reaktionsdauer kann in Anlehnung an die Richtlinie für Mikroskopische Entfluchtungsanalysen (RIMEA, 2009), Anhang 3, Tabelle 9 festgelegt werden. Es ergeben sich die folgenden Minimum- und Maximumwerte für die Verteilung der individuellen Reaktionsdauern:
• Minimum der individuellen Reaktionsdauer: 1 min• Maximum der individuellen Reaktionsdauer: 3 min
Im Mittel ergibt sich somit eine Reaktionsdauer von 2 min.
Für die gegenständliche Untersuchung werden somit die in der Tabelle 3.1 angegebenen Zeiträume für die Detektions dauer, Alarmierungsdauer und Reaktions-dauer angesetzt.
ten Löschhilfen. Es ist keine dezidierte Entrauchungs-anlage oder eine Sprinkleranlage vorhanden.
UntersuchungsrandbedingungenFür das betrachtete Objekt wurde eine Risikoanalyse durchgeführt, entsprechend den Anforderungen nach OIB-Leitfaden, Abschnitt 4.2 (OIB, 2011). Als deren wesentlichstes Ergebnis können die folgenden Unter-suchungsrandbedingungen abgeleitet werden.
BemessungsbrandszenariumIm vorliegenden Fall wird ein Brandfall im Bereich der Bühne/Backstagebereich unterstellt. Dieser Brand blockiert einen der beiden Ausgänge/Fluchtwege. Als Brandszenarium wird eine transiente Brandentwicklung entsprechend dem nachfolgend beschriebenen Brand-szenarium unterstellt.
Als Brandszenarium wird ein quadratisch ansteigender Brand (αt2) bis zu einer maximalen Leistung von 2,7 MW auf einer Fläche von 9 m2 (quadratisch, 3 x 3 m2) im Be-reich vor dem zweiten Ausgang im Backstagebereich an- ge nommen. Die Brandleistung Q in kW errechnet sich unter Berücksichtigung der Zeit t in s zu:
Q = α . t2 Gl. (3.1)
Der α-Wert wird mit 0,012 kW/(s2) festgelegt. Der Zeit-raum, in der die maximale Brandleistung (2.700 kW) erreicht wird, kann aus vorstehender Formel leicht errechnet werden. Nach ca. 474 s wird die maximale Brandleistung erreicht. Die folgende Abbildung 3.2 zeigt den Brandleistungsverlauf, der zur Untersuchung heran-gezogen wird.
Abbildung 3.2: Brandleistungsverlauf zur Untersuchung
Dieses Brandszenarium repräsentiert beispielsweise einen sich langsam entwickelnden Brand von Sitzmöbeln oder Ähnlichem.
Personenanzahl, -charakterisierungIn Bezug auf die Personenanzahl und -charakterisierung wird festgelegt:
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Art Dauer
Detektionsdauer 2 min
Alarmierungsdauer 0 min
Mittlere Reaktionsdauer 1) 2 min1) Anmerkung: Bei der Verwendung von Simulationsmodellen wird die Reaktionszeit als Verteilung angesetzt.
Tabelle 3.1: Zusammenstellung der Detektionsdauer, Alarmierungsdauer und Reaktionsdauer für die Untersuchung
Untersuchungsergebnisse
Im Folgenden werden die ASET- und RSET-Ergebnisse dargestellt, welche mit den verschiedenen vorab beschrie-benen Methoden bestimmt wurden.
ASET-Ergebnisse
Ergebnisse aus dem Zonenmodell MRFC
Untersuchungsmodelle, modellspezifische Rand-bedingungen MRFCFür die Untersuchung wurde die MRFC Version 3.3.3 vom Mai 2011 verwendet. Um einen näheren Eindruck über die lokale Entwicklung der Brandgrößen in dem Untersuchungsszenarium zu erhalten, wurde das zu untersuchende Volumen in vier Simulationsräume unter-teilt. Die Dimensionen der einzelnen Simulationsräume sind in der Tabelle 4.1 angegeben. Eine schematische Darstellung des Simulationsmodelles ist in der Abbildung 4.1 dargestellt.
Raumbezeichung Länge [m]
Breite [m] Höhe [m]
A 1) 25 12,5 5
B 25 12,5 5
C 1),2) 25 12,5 5
D 25 12,5 51) Tor, Ausgang2) Brandraum
Tabelle 4.1: Dimensionen der Simulationsräume (MRFC)
Abbildung 4.1: Schematische Darstellung der Simulationsräume im Modell MRFC
Der Brandherd liegt im Raumbereich C (siehe auch Abbil-dung 4.1), der Ausgang befindet sich im Raumbereich A.
Resultierender ASET-Wert aus dem Zonenmodell MRFCEin Vergleich der MRFC-Ergebnisse mit den Grenzbedin-gungen zeigt, dass die Grenzbedingung der Schichthöhe als erste erreicht wird, d. h. das Grenzkriterium „Unter-schreiten der Schichthöhe in Raum B“. Andere Grenz-bedingungen, wie beispielsweise die Grenzbedingung der Temperatur der Rauchgasschicht werden nicht oder erst später erreicht. Die Abbildung 4.2 zeigt die Entwick-lung der Schichtgrenzen mit der eingetragenen Grenz-bedingung.
Abbildung 4.2: Vergleich der Grenzbedingung mit der Entwicklung der Schichtgrenzen in MRFC
Der resultierende ASET-Wert aus der Berechnung mit dem Zonenmodell MRFC beträgt:ASET = 5 min 30 s
Ergebnisse aus dem Feldmodell FDS
Untersuchungsmodell und RandbedingungenFür die Untersuchung wurde die FDS Version 5.5.3 vom 29.10.2010 verwendet. Die Rechendomäne wird etwas größer als der betrachtete Bereich (d. h. die Halle) ge-wählt. Dies ist erforderlich um die Strömungen aus den Öffnungen korrekt abbilden zu können.
Zusätzlich zu den für die grafische Darstellung erforder-lichen Felddaten werden auch an diskreten Stellen im betrachteten Objekt punktförmige Auswertungen der Temperatur und der Kohlendioxidkonzentrationen vor-genommen. Die Abbildung 4.3 zeigt schematisch die Lage der Auswertepositionen in der Halle.
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Abbildung 4.3: Schematische Darstellung der Lage der Auswertepositionen
Ergebnisse der BerechnungAls Ergebnisse der Berechnungen mit dem CFD Code FDS liegen sowohl grafische Repräsentationen als auch numerische Daten vor. Die grafische Darstellung erlaubt einen raschen Überblick über die ablaufenden Brand-phänomene, wie beispielsweise die Ausbreitung des Rauches in der betrachteten Halle. Die Auswertungen zur Bestimmung des ASET-Wertes erfolgen mit den numeri-schen Ergebnissen an den ausgewählten Messstellen.
Die Entwicklung der Verrauchung im Bereich des Aus-ganges zur Entfluchtung und des Gangbereiches zwi-schen der Toilette und dem Bürobereich (etwa entlang der Achse B) ist in der Abbildung 4.4 dargestellt. Nach etwa 180 s erreicht der Brandrauch diesen Bereich, es kommt zu einer leichten Verrauchung, die sich mit fortschreiten-dem Brandverlauf verstärkt. Nach etwa 5 min kommt es auch zu einem Ausströmen des Rauches aus dem Tor 1.
Abbildung 4.4: Darstellung der zeitlichen Entwicklung der Verrauchung in Blickrichtung des Tores 1 und des Ganges zwischen dem Toilettenbereich und dem Bürobereich (zur besseren Darstellung wurden Teile der Wand und der Toilettenbereich weggeschnitten)
Resultierender ASET-Wert aus dem CFD Code FDSAus den Ergebnissen der Simulationen ergibt sich als re-levante Grenzbedingung die Temperatur auf einer Höhe von 2,5 m über der FOK an der Auswerteposition A. Nach 6 min wird eine Temperatur von 30 °C überschritten. Die Abbildung 4.5 zeigt den Vergleich der Grenzbedingung mit der Entwicklung der Temperatur in verschiedenen Höhen an der Auswerteposition A. Die Grenzbedingung der Kohlendioxidkonzentration wird erst später (nach ca. 8 min) erreicht.
Abbildung 4.5:Vergleich der Grenzbedingung mit der Entwicklung der Temperatur in verschiedenen Höhen an der Auswerteposition A in FDS
Der resultierende ASET-Wert aus der Berechnung mit dem CFD Code FDS beträgt somit:ASET = 6 min
RSET-ErgebnisseIm Folgenden werden die RSET-Ergebnisse aus der ingenieurmäßigen Abschätzung und dem Simulations-programm FDS+EVAC dargestellt.
Ergebnisse aus der ingenieurmäßigen vereinfachten Abschätzung der Gehzeit
Ergebnisse der BerechnungNach dem im Abschnitt 2.4.2 beschriebenen Verfahren kann eine überschlägige Abschätzung der Laufzeit vorge-nommen werden. Die Laufzeit tLauf kann daher nach Gl. (2.8) wie folgt bestimmt werden.
tLauf=
nPersonen
fEngstellex bEngstelle, min
+ tWeg= dmax
vmittel
mit:
tLauf Lauf- bzw. Gehzeit [s] nPersonen Maximale Personenanzahl [1]fEngstelle Durchlassfähigkeit an der Engstelle [Personen/(m·s)]bEngstelle, min kleinste Breite der Engstelle [m]dmax maximale Fluchtwegdistanz [m]vmittel mittlere Gehgeschwindigkeit [m/s]
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Im gegenständlichen Fall beträgt die maximale Personen-anzahl nPersonen = 960 Personen, die maximale Fluchtweg-distanz dmax beträgt 57 m, die kleinste Breite des Ausgangs beträgt bEngstelle, min = 4,0 m. Unterstellt man eine mittlere Personendichte von 2,0 Personen/m2, so beträgt die Durch-lassfähigkeit am Ausgang (fEngstelle) ca. 1,2 Personen/(m·s) und die mittlere Gehgeschwindigkeit vmittel = 0,6 m/s.
Für die Laufzeit tLauf erhält man somit:
tLauf= 960
1,2 x 4,0+ 57,0
0,6= 295 s
Resultierender RSET-Wert aus der überschlägigen AbschätzungDer RSET-Wert, d. h. die gesamte Evakuierungsdauer, setzt sich neben der reinen Laufzeit aus der Detektions-dauer und der Reaktionsdauer zusammen. Die Entfluch-tungsdauer tFlucht, welche auch den RSET-Wert darstellt, wird somit wie folgt bestimmt (Gl. (3.1)).
Entsprechend den in der Tabelle 3.1 zusammengestellten Dauern für die Detektion und die Reaktion errechnet sich tFlucht wie folgt.
tFlucht = 120 + 0 + 120 + 295 = 535 s = RSET
Nach der überschlägige Abschätzung ergibt sich somit ein RSET-Wert von:RSET = 8 min 55 s
FDS + EVAC
Untersuchungsmodell und Randbedingungen
Für die Untersuchung wurde die FDS Version 5.5.3 vom 29.10.2010 verwendet. Die Abbildung 4.6 zeigt schema-tisch das Untersuchungsmodell für das Simulations-modell FDS+EVAC. Als bemessungsrelevanter Ausgang wird der Stiegenantritt auf Höhe der Umgebung festge-legt.
Abbildung 4.6: Schematische Darstellung des Simulationsmodells mit anfänglicher Personenverteilung
Bei dem Modell handelt es sich um ein zeit- und raum-kontinuierliches Modell, d. h. im Gegensatz zu Ansätzen nach den zellulären Automaten wird der Hallenbereich/die Bewegungsfläche für die Bewegung der Personen nicht diskretisiert. Da es sich um ein Kräftemodell handelt, sind dafür Vorgaben in Bezug auf die Personen-interaktion erforderlich. Diese werden unmodifiziert aus den Standardeinstellungen des Simulationsmodells übernommen.
Es wurde eine reine Evakuierungssimulation vorgenom-men, d. h. es wurde der Einfluss von Brandrauch und sonstigen Einflüssen aus dem Brandgeschehen bei der Evakuierung nicht berücksichtigt.
Für die Reaktionszeiten und die Verteilung der (freien) Gehgeschwindigkeiten werden die folgenden Annahmen getroffen (siehe Tabelle 4.2 und Tabelle 4.3).
Zeit [s]
Minimum 30
Maximum 120
Mittelwert 75
Standardabweichung 15
Art der Verteilung normal
Tabelle 4.2: Berücksichtigung der Reaktionszeit für das Modell FDS + EVAC
Geschwindigkeit [m/s]
Maximum 1,62
Minimum 0,97
Mittelwert 1,295
Art der Verteilung gleichverteilt
Tabelle 4.3: Berücksichtigung der (freien) Gehgeschwindigkeiten für das Modell FDS + EVAC
Die Personen werden auf der gesamten Hallengrund-fläche mit Ausnahme des Backstagebereiches, der Toiletten und des Bürobereichs zufällig verteilt.
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Aufgrund der zufälligen Verteilungen der Reaktions-zeiten und der Anfangsposition der Personen in der Simulation, werden 100 Simulationsläufe durchgeführt. Diese Simulationsläufe werden statistisch ausgewertet. Als bemessungsrelevanter Wert der ermittelten Zeit-dauern wird der Wert der 95 % Fraktile verwendet.
Ergebnisse der BerechnungDer Evakuierungsverlauf kann bei FDS+EVAC mit dem Programm Smokeview dargestellt werden. Die folgende Abbildung 4.7 zeigt die Situation bei der Evakuierung zu verschiedenen Zeitpunkten bei einem Simulations-lauf, welcher der 95 % Fraktile der Zeit entspricht. Die Farbkodierungen der Agenten zeigen die physischen und
psychischen Kräfte, die auf die Agenten wirken. Diese Kräfte können als Anhaltspunkt dienen, wann und wo für Individuen potenziell gefährliche Situationen (z. B. Panik) bspw. aufgrund von Personenverdichtungen auf-treten können.
Deutlich sind die Personenverdichtungen im Bereich des Überganges vom „dancefloor“ in den Gang zwischen der WC-Gruppe und dem Bürobereich vor dem Ausgang zu erkennen. Diese Verdichtung baut sich innerhalb einer Minute nach dem Bewegungsbeginn (nach ca. 60–120 s, siehe Abbildung 4.7) auf und dauert so lange bis die Agenten diesen Bereich in Richtung des Ausganges ver-lassen haben (siehe Abbildung 4.7, 300 s).
Abbildung 4.7: Ablauf der Evakuierung bei der 95 % Fraktile mit Darstellung der Kräftewirkung auf die Personen.
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Aus der statistischen Auswertung von 100 durchgeführ-ten Simulationsläufen ergeben sich die in der Tabelle 4.4 angegebenen Ergebnisse für die Laufzeiten inkl. der Reaktionszeiten.
Zeit [s]
Mittelwert 312,39
Standardabweichung 2,92
Minimum 304,93
Maximum 320,86
95 % Fraktile 317,19
Tabelle 4.4: Ergebnisse aus 100 Simulationsläufen mit FDS+EVAC
Die Abbildung 4.8 zeigt die Entwicklung des Staus im Übergangsbereich zwischen der freien Hallenfläche (dancefloor) und dem Gang zwischen dem WC und dem Bürobereich. In der Abbildung 4.8 sind die Gehspuren der Agenten für die letzten 4 s dargestellt. Zum Zeitpunkt 90 s erkennt man, dass sich die Personen frei und zügig bewegen können, zum Zeitpunkt 180 s bewegen sich die Personen nur mehr in einem sehr geringen Umfang. Die Farbcodierung der Gehspuren repräsentieren die Kräfte (soziale und physische) welche auf den betreffenden Agenten wirken.
Abbildung 4.8: Staubildung im Übergangsbereich vom dancefloor in den Gang
Resultierender RSET-Wert aus der Berechnung mit FDS+EVAC Der RSET-Wert, d. h. die gesamte Evakuierungsdauer, setzt sich neben der reinen Laufzeit aus der Detektions-dauer und der Reaktionsdauer zusammen. Die Entfluch-tungsdauer tFlucht, welche auch den RSET-Wert darstellt wird somit wie folgt bestimmt.
Bei der Anwendung des Simulationsmodell FDS+EVAC wird bereits die Reaktionsdauer bei der Simulation mitbe-rücksichtigt, somit ist zu der mit dem Modell FDS+EVAC ermittelten Zeitdauer (Verwendung der 95 % Fraktile) nur die in der Tabelle 3.1 angegebene Dauer für die Detektion zu addieren um tFlucht zu berechnen.
tFlucht = 120 + 0 + 0 + 317 = 437 s = RSET
Durch Anwendung des Simulationsmodell FDS+EVAC ergibt sich somit ein RSET-Wert von:RSET = 7 min 14 s
Zusammenfassung der Einzelergebnisse und Bestimmung der Kennzahlen SA und SFAus den dokumentierten ASET- und RSET-Ergebnissen können nun die Indikatoren des Sicherheitsabstandes (SA) und des Sicherheitsfaktors (SF) ermittelt werden. Die Tabelle 16 zeigt die resultierenden ASET- und RESET-Werte und die resultierenden Sicherheitsabstände aus den Berechnungen mit den verschiedenen Modellen. Zur Bestimmung des ASET-Wertes wurden zwei verschiedene Simulationsmodelle verwendet. Für die Bestimmung des RSET-Wertes wurden zwei Verfahren bzw. Simulations-modelle eingesetzt. Die Sicherheitsabstände können nun als Kombination zwischen den ermittelten ASET- und RSET-Werten berechnet werden. (siehe Tabelle 4.5).
Die errechneten Sicherheitsabstände liegen zwischen –77 s und –205 s, d. h. alle Sicherheitsabstände sind negativ. Im Sinne der Definitionen in den Abschnitten 2.1 ist somit unter den gegebenen Rand- und Grenzbedin-gungen nicht davon auszugehen, dass die Evakuierung abgeschlossen ist, bevor die Auswirkungen des Brandes die Evakuierung behindern.
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Evakuierungsmodell RSET [s]
ASET [s]
Brandmodell
MRFC FDS
Abschätzung 535 -205 -175
FDS + EVAC 437 -107 -77
Tabelle 4.5. Sicherheitsabstände (SA) in Sekunden
Analog der Bestimmung der Sicherheitsabstände lassen sich auch die Sicherheitsfaktoren aus der Kombination der verschiedenen Modelle errechnen. Die resultierenden Sicherheitsfaktoren sind in der Tabelle 4.6 dargestellt. Die Sicherheitsfaktoren bewegen sich zwischen 0,62 und 0,82. Dieser Wertebereich liegt deutlich unter 1, somit ist davon auszugehen, dass unter den gegebenen Rand- und Grenzbedingungen die Evakuierung noch nicht abge-schlossen ist, bevor die Auswirkungen des Brandes die Evakuierung behindern.
Evakuierungsmodell RSET [s]
ASET [s]
Brandmodell
MRFC FDS
Abschätzung 535 0,62 0,67
FDS + EVAC 437 0,76 0,82
Tabelle 4.6. Sicherheitsfaktoren (SF)
Die Tabelle 4.7 zeigt die Ergebnisse aus der ASET/RSET-Betrachtung. Es ist zu beachten, dass die größte Differenz (maximaler Wert) beim Sicherheitsabstand bzw. der minimalste Wert für den Sicherheitsfaktor sich aus dem minimalsten Wert für die ASET und dem maximalsten Wert für das RSET ergibt.
ASET [s]
RSET [s]
Sicherheits-abstand [s]
Sicher-heits-
faktor [1]
Minimaler Wert
330 437 -77 0,62
Maximaler Wert
360 535 -205 0,82
Mittelwert 345 486 -141 0,72
Tabelle 4.7. Zusammenfassung der Ergebnisse aus der ASET/RSET-Betrachtung
Bewertung der Ergebnisse Zusammenfassend ergeben sich für den beschriebenen Sachverhalt, unter Anwendung der angeführten Metho-dik und Randbedingungen, den beschriebenen Unter-suchungsverfahren und der Anwendung der vereinbar-ten Grenzbedingungen, ASET-Werte zwischen 330 s und 360 s und RSET-Werte zwischen 437 s und 535 s. Daraus resultieren Sicherheitsabstände zwischen –77 s und –205 s bzw. Sicherheitsfaktoren zwischen 0,62 und 0,82.
Somit ist für die im Abschnitt 3 angeführten Randbe-dingungen unter Anwendung der im Abschnitt 2.2 angeführten Grenzbedingungen die Personensicherheit für das gegenständliche Objekt NICHT erfüllt. D. h. die Evakuierung ist noch nicht abgeschlossen, bevor die Auswirkungen des Brandes die Evakuierung behindern. Es sind somit Modifikationen an der Bauwerks- und/oder Nutzungssituation und ein neuerlicher Durchlauf des Nachweisprozesses erforderlich.
Die Berechnungen zeigen auch die Bandbreite an mög-lichen Ergebnissen bei weitgehend gleichen Randbedin-gungen auf. So ergibt sich der kleinste Sicherheitsfaktor von 0,62 aus der Kombination des ASET-Wertes aus MRFC und der Evakuierungszeit (RSET) bestimmt nach der ingenieurmäßigen Abschätzung. Der größte Sicher-heitsfaktor von 0,82 ergibt sich aus der Verwendung des ASET-Wertes aus FDS und des RSET-Wertes aus dem Simulationsprogrammes FDS+EVAC. In der Untersu-chung von Lebeda und Kirchberger (Lebeda, Kirchberger, 2012) wurden noch weitere Methoden zur Ermittlung der ASET- und RSET-Werte herangezogen und eine noch größere Bandbreite der Ergebnisse berechnet.
Im gegenständlichen Fall spielt die Bandbreite der Ergeb-nisse aus den Berechnungsverfahren keine entscheidende Rolle, da in jedem Fall der Sicherheitsabstand < 0 und der Sicherheitsfaktor < 1 wird. Für andere Fälle kann die Bandbreite der Ergebnisse, welche sich aus der Anwen-dung von verschiedenen Berechnungsverfahren ergeben, zu unterschiedlichen Aussagen führen, im Speziellen dann, wenn der Sicherheitsabstand um den Nullwert schwankt bzw. der Sicherheitsfaktor um den Wert 1.
Zusammenfassung
Im vorliegenden Beitrag wird anhand eines Beispiels mit-tels eines anerkannten Verifikationsmodell, nämlich der ASET/RSET-Betrachtung nach BSI 9999 (BSI 9999, 2008) im Zusammenhang mit den PDs 7974 (PD 7974, 2004), eine vollständige Nachweisführung zur Personensicher-heit im Brandfall dargestellt.
Bei der ASET/RSET-Methode handelt es sich um eine Analysemethode des Brandschutzingenieurwesens bei der die „available safe egress time (ASET)“ mit der „required safe egress time (RSET)“ verglichen wird und es gilt ASET > RSET; d. h. die verfügbare Zeit zur Flucht muss größer sein als die zur Flucht benötigte Zeit. Als Kennzahlen dienen der Sicherheitsabstand (SA, Differenz aus ASET und RSET) und der Sicherheitsfaktor (SF, Quo - tient aus ASET und RSET).
Zur Bestimmung des ASET-Wertes, in welchem eine Ent-fluchtung gefahrlos durchgeführt werden kann, erfordert
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die Festlegung von Grenzbedingungen z. B. auf Basis von Konzentrationen/Intensitäten von toxischen Brand-produkten, Rauch und Wärmeeinwirkungen bei einem Brand.Im Rahmen der Untersuchung kamen verschiedene Berechnungsmethoden zur Bestimmung der ASET bzw. der RSET zum Einsatz.
Im Falle der Bestimmung des ASET-Wertes wurden die folgenden Brandsimulationsmodelle verwendet:
• das Zonenmodell MRFC (Multi Room Fire Code), AGB, Deutschland und
• das Feldmodell (CFD) FDS (Fire Dynamics Simulator), NIST, USA.
Zur Bestimmung der Evakuierungzeit (RSET) wurden die folgenden Ingenieurverfahren und Simulationsmodelle verwendet.
• ein ingenieurmäßiger Ansatz zur Abschätzung der Gehzeit und
• das Simulationsmodell FDS+EVAC.
Bei dem gegenständlich untersuchten Objekt handelt es sich um eine Veranstaltungsstätte, welche in eine beste-hende Lagerhalle eingebaut wurde. Das Bauwerk verfügt über eine Brandmeldeanlage, aber keine dezidierte Ent-rauchungsanlage oder Sprinkleranlage. Aus einer Risiko-analyse wurden die notwendigen Randbedingungen zur Untersuchung abgeleitet. Es wird ein Brandfall im Bereich der Bühne/Backstagebereich unterstellt, welche einen der beiden Ausgänge/Fluchtwege blockiert. Des Weiteren wird von einer Personenbelegung von mindestens 960 Personen ausgegangen.
Durch Anwendung der angeführten Methodik und Rand-bedingungen, den beschriebenen Untersuchungsver-fahren und der Anwendung der vereinbarten Grenzbe-dingungen ergeben sich ASET-Werte zwischen 330 s und 360 s und RSET-Werte zwischen 437 s und 535 s. Daraus resultieren Sicherheitsabstände zwischen –77 s und –205 s bzw. Sicherheitsfaktoren zwischen 0,62 und 0,82.
Somit ist die Personensicherheit für das gegenständliche Objekt NICHT erfüllt. D. h. die Evakuierung ist noch nicht abgeschlossen, bevor die Auswirkungen des Bran-des die Evakuierung behindern. Es sind somit Modifikati-onen an der Bauwerks- und/oder Nutzungssituation für das gegenständliche Beispiel erforderlich.
Die vorliegende Untersuchung zeigt, dass der Einsatz von verschiedenen Modellen bei gleichen Randbedingun-gen zu unterschiedlichen Ergebnissen führen kann und dementsprechend Ergebnisse aus Modellen und Simulati-onen immer auch kritisch zu hinterfragen sind.
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Mathematical Model. NIST Special Publication 1018-5, October 29, 2010.
• McGrattan, Kevin; Hostikka, Simo; Floyd, Jason; McDermott, Randall (2010b): Fire Dynamics Simula-tor (Version 5). Technical Reference Guide. Volume 3: Validation. NIST Special Publication 1018-5, October 29, 2010.
• McGrattan, Kevin; McDermott, Randall; Hostikka, Simo; Floyd, Jason (2010c): Fire Dynamics Simulator (Version 5). User’s Guide. NIST Special Publication 1019-5, October 29, 2010.
• Nelson, Harold E.; Mowrer, Frederick W.: (2002) Emer-gency Movement. In: DiNenno, Philip J. (ed.): SFPE Handbook of Fire Protection Engineering. Chapter 14, Society of Fire Protection Engineers.
• OIB-Leitfaden Richtlinie 2: (2011) Abweichungen im Brandschutz und Brandschutzkonzepte. Österreichi-sches Institut für Bautechnik.
• PD 7974-6: (2004) The application of fire safety engi-neering principles to fire safety design of buildings – Part 6: Human factors: Life safety strategies – Occupant evacuation, behaviour and condition (Sub-system 6). British Standards.
• RIMEA: (2009) Richtlinie für Mikroskopische Entfluch-tungsanalysen. Version: 2.2.1, 08. Juni 2009.
• Weidmann, Ulrich: (1993) Transporttechnik der Fuß-gänger. Transporttechnische Eigenschaften des Fuß-gängerverkehrs (Literaturauswertung). Schriftenreihe des IVT Nr. 90, Zweite, ergänzte Auflage, Zürich.
Ausblick
Dieses sehr triviale Beispiel zeigt die Möglichkeiten einer Nachweisführung mit einer an sich auch trivialen Methode für den Nachweis der Personensicherheit. Für den Nachweis selbst ist die Festlegung einer Reihe von Grundannahmen erforderlich, inklusive der Festlegung des Nachweisverfahrens. Die derzeitig vorhandenen Regelwerke des OIB und anderer österreichischer Organisationen geben dafür keine Hilfestellungen, bzw. legen solche Verfahren und Randbedingungen fest. Das bedeutet, dass in jedem Einzelfall Festlegungen auf Basis der wissenschaftlichen Literatur und unter Zuhilfenahme von anderen (z. B. außerösterreichischen) Normen getrof-fen werden müssen. Das erschwert die Nachweis führung und die Überprüfung solcher Nachweise. Wenn die österreichischen Normen Abweichungen von materiellen Anforderungen zulassen, wäre es sinnvoll auch Regel-werke in Bezug auf Nachweisverfahren und Randbedin-gungen zu erstellen.
Literatur
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• AGB Ingenieurbüro Max und TU Wien (Hrsg.): (2010) Technisches Referenzhandbuch Multi Room Fire Code (MRFC). Version: 3.3.2. Stand: 06.08.2010, Wien/ Bruchsal.
• BSI 9999: (2008) Code of practice for fire safety in the design, management and use of buildings. British Standards.
• Korhonen, Timo; Hostikka Simo: (2010) Fire Dynamics Simulator with Evacuation: FDS+Evac Technical Reference and User’s Guide (FDS 5.5.0, Evac 2.2.1). VTT, May 5. .
• Lebeda, Christian; Kirchberger, Hubert: (2012) Per-sonensicherheit im Brandfall Club Factory McFett Clubbing and Event Organizer. Referenzbericht (noch unveröffentlicht), FST Fire Safety Team GmbH, St. Pölten.
• McDermott, Randall; McGrattan, Kevin; Hostikka, Simo; Floyd, Jason: (2010) Fire Dynamics Simulator (Version 5). Technical Reference Guide. Volume 2: Verification. NIST Special Publication 1018-5, October 29.
• McGrattan, Kevin: (2010) Fire Dynamics Simulator (Version 5). Technical Reference Guide. Volume 4: Soft-ware Configuration Management Plan. NIST Special Publication 1018-5, April 6, 2010.