Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen SACHVERSTÄNDIGENRAT zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen Arzneimittelversorgung Prof. Dr. Petra Thürmann, HELIOS Kliniken Wuppertal Symposium „Bedarfsgerechte Versorgung“ 30. September 2014, Berlin
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Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen
SACHVERSTÄNDIGENRAT zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen
Arzneimittelversorgung
Prof. Dr. Petra Thürmann, HELIOS Kliniken Wuppertal Symposium „Bedarfsgerechte Versorgung“ 30. September 2014, Berlin
Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen
Gliederung • Der Arzneimittelmarkt im OECD-Vergleich
– Arzneimittelausgaben – Regulierung im deutschen Markt
• Der Arzneimittelmarkt: Generika und Innovationen
– Verbreitung von Generika – AMNOG: Ergebnisse der frühen Nutzenbewertung – Regionale Verordnungsunterschiede – Nutzenbewertung des Bestandsmarktes
• Evidenzbasierter Einsatz von Arzneimitteln
– Institut für Gesundheitswissen – Pharmakotherapieberatung durch Kassenärztliche Vereinigungen
• Arzneimittel-Lieferengpässe
– Ursachen – Empfehlungen
Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen
Die Entwicklung der Ausgaben für Arzneimittel pro Kopf (in US-$-Kaufkraftparitäten)
Der Arzneimittelmarkt im OECD-Vergleich
(Quelle: OECD 2014)
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1970 1980 1990 2000 2004 2008 2010 2011 2012
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DeutschlandOECD-Durchschnitt
Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen
Der Arzneimittelmarkt im OECD-Vergleich
Ausgaben für Arzneimittel 2012 in Prozent des BIP im internationalen Vergleich
(Quelle: OECD 2014)
Deutschland unter den wirtschaftlich vergleichbaren Ländern etwas überdurchschnittlich, insgesamt im Mittelfeld
0,41%0,62%0,63%
0,69%0,94%0,95%0,96%
1,01%1,04%1,06%
1,12%1,21%
1,26%1,27%
1,31%1,34%
1,41%1,41%
1,47%1,51%1,52%
1,56%1,59%
1,65%1,76%
1,80%1,81%1,83%
1,87%1,95%
2,07%2,09%
2,31%2,53%
0,00% 0,50% 1,00% 1,50% 2,00% 2,50% 3,00%
MexikoLuxemburg
NorwegenDänemark
Neuseeland*Chile
Israel**Großbritannien***
NiederlandeSchweiz
SchwedenFinnland
EstlandÖsterreich
IslandAustralien*
PolenOECD-Durchschnitt
ItalienKoreaIrland
DeutschlandTschechische Republik
Spanien*FrankreichSlovenien
BelgienPortugal*Kanada*
USASlowakei
Japan*Griechenland
Ungarn
Ausgaben in Prozent des BIP
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Der Arzneimittelmarkt im OECD-Vergleich
Eigenzahlungen privater Haushalte in Prozent der gesamten Arzneimittel-ausgaben pro Kopf (Jahr 2012)
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Der Arzneimittelmarkt: Regulierung
• Der Arzneimittelmarkt in Deutschland ist gekennzeichnet durch zahlreiche (über 20) Regulierungsinstrumente, nicht zuletzt auf Ebene der verordnenden niedergelassenen Ärzte
(Quelle: Eigene Darstellung nach Daten von GamSi 2013)
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Arzneimittelmarkt: Generika / Innovationen
Inzwischen hoher Verordnungsanteil an Generika, wenngleich mit
regionalen Unterschieden • Jedoch insbesondere neue patentgeschützte Präparate teilweise mit
erheblichen Kostensteigerungen verbunden; Unterscheidung von echten und Scheininnovationen von großer Bedeutung
Ärzte sollten im Hinblick auf eine rationale Verordnungsweise unterstützt
werden durch: • Detaillierte, valide Informationen über das Kosten-Nutzen-Verhältnis von
Arzneimittelinnovationen → 2011 Einführung der frühen Nutzenbewertung für Arzneimittel nach § 35a SGB V (AMNOG)
• Synthese und Zurverfügungstellung von evidenzbasierten Informationen • Beratung und Information durch Kassenärztliche Vereinigungen und andere
neutrale Institutionen (z.B. AkdÄ)
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AMNOG – Ergebnisse bisheriger Bewertungen Bewertung des Zusatznutzens von 63 Arzneimitteln mit 101 Subgruppen im Rahmen der frühen Nutzenbewertung Stand: 01. April 2014
(Quelle: eigene Darstellung, basierend auf den Einzelbewertungen auf www.g-ba.de)
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Verordnungsprävalenz von neuen Wirkstoffen ohne Zusatznutzen („rote Ampel“) in Promille nach Bundesländern (im Jahr 2011)
(Quelle: Eigene Darstellung nach Windt et al. 2013, berechnet mit Routinedaten der TK)
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Bewertung des Bestandsmarktes
• Ursprünglich vorgesehen, Präparate mit Zulassung vor 01.01.2011 auch systematisch auf ihren Nutzen hin zu bewerten (§ 35a Abs. 6 SGB V)
• Erste Verfahren: Gliptine • Allerdings Schwierigkeiten bei der Präzisierung der Kriterien zur Reihung der
aufzurufenden Präparate • Vielzahl juristischer Prozesse befürchtet; Höhe des Einsparungspotenzials
umstritten Beendigung der systematischen, institutionalisierten Bestandsmarktbewertung
durch den Gesetzgeber mit dem 14. SGB V-Änderungsgesetz (2014)
• Jedoch wäre eine Bewertung der Bestandsmarktpräparate – neben einem ökonomischen Einsparpotenzial – schon aus qualitativ-medizinischen Gründen erstrebenswert
Weiterhin Nutzenbewertung einzelner Arzneimittel des Bestandsmarktes nach § 139a SGB V Abs. 3 möglich und entsprechend zu empfehlen
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AMNOG-Ausblick: Probleme und Potenziale
• Schwierigkeit der Auswahl einer angemessenen Vergleichstherapie (z.T. unterschiedlich zwischen G-BA und IQWiG)
• Bisher kaum europäische Harmonisierung der Nutzenbewertungen → EUnetHTA-Netzwerk
• Neben Orphan Drugs werden auch Arzneimittel, die ausschließlich im stationären Bereich eingesetzt werden, nicht systematisch nutzenbewertet
• Bisher kein Eingang von Kosten-Nutzen-Analysen in die zentralen Preisverhandlungen
• Kosten-Nutzen-Analysen werden bisher ausschließlich vom IQWiG durchgeführt
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Institut für Gesundheitswissen
• Verfügbarkeit von evidenzbasiertem Wissen unabdingbar • „Informationsflut“: jährlich 20.000 neue randomisierte kontrollierte Studien • In zahlreichen Ländern wurden nationale Institute aufgebaut, z.B. „Patient-
centered Outcomes Research Institute“ (PCORI, USA), „Canadian Institutes of Health Research“ (CIHR), ähnliches Informationsangebot: „NHS Evidence“ (UK)
• Verwandte Strukturen bzw. Aktivitäten in Deutschland sind bisher unterfinanziert und wenig gebündelt
Empfehlung eines unabhängigen deutschen Instituts für Gesundheits-wissen mit stabiler Finanzierung, z.B. ausgehend vom Cochrane Center
• Aufgaben u.a.: Erstellung von Evidenzsynthesen und von systematischen Übersichtsarbeiten, Aufbau einer allgemein und niedrigschwellig zugänglichen nationalen Gesundheitswissensbibliothek
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Beratung von Ärzten durch KVen
• Pharmakotherapieberatung wird von allen Kassenärztlichen Vereinigungen angeboten
• Befragung des SVR: sehr unterschiedliche Ressourcen der einzelnen KVen sowie Nutzung durch die Ärzte
(Quelle: Eigene Erhebung im Januar 2014. Reihenfolge der KVen zufällig)
Gesamtanzahl der jährlich beantworteten Anfragen im Bereich Pharmakotherapieberatung / Verordnungsmanagement pro betreutem Arzt
im KV-Vergleich
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betre
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012)
Mitarbeiter für Pharmakotherapieberatung pro 1.000 betreute Ärzte im KV-Vergleich
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KV
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Ärz
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(201
3)
Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen
Zentrale Empfehlungen I
Weiterentwicklung der Nutzenbewertung: • Mögliche Synergien bei gemeinsamer Evidenzgenerierung durch
verschiedene europäische Institutionen sollten geprüft werden
• Möglichkeit der Bewertung von Bestandsmarktpräparaten nach 139a SGB V sollte genutzt werden
• Bewertung des Zusatznutzens auch von ausschließlich stationär
verwendeten neuen Arzneimitteln ist zu empfehlen
• Kosten-Nutzen-Analysen sollten als zusätzliches Kriterium für die Preisfindung zugelassen werden
• Kosten-Nutzen-Bewertungen sollten nicht ausschließlich vom IQWiG durchgeführt werden
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Zentrale Empfehlungen II
Weiterer Entwicklungsbedarf mit dem Ziel einer evidenzbasierten, rationalen und wirtschaftlichen Verordnungsweise von Arzneimitteln: • Pharmakotherapieberatung für Ärzte durch KVen • Strukturierte Pharmakotherapie-Qualitätszirkel • Transparente Veröffentlichung von Studiendaten • Synthese von Evidenz und Zurverfügungstellung von Informationen im Rahmen eines nationalen Gesundheitswissensinstitutes
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Arzneimittel-Lieferengpässe
• Lieferengpässe grundsätzlich bekannt, aber in jüngerer Zeit zunehmend
• USA: Umfrage (2012) unter 250 Hämato-Onkologen (Gogineni / Shuman 2013) → versorgungsrelevante Engpässe bei 94%, Konsequenzen: Wechsel des Chemotherapie-Protokolls (78% der befragten Ärzte), Wechsel einzelner Wirkstoffe (77%), Therapieverzögerung (43%), Behandlung nur eines Teils der Patienten (37%), Dosisreduktion (20%) oder -auslassung (29%), Weiterüberweisen von Patienten (17%)
• EU: Umfrage (2013) unter 85 Apotheken in 20 europäischen Ländern (Wiedemann et al. 2014) → 96% mit relevanten Engpässen bei Onkologika, z.B. Doxorubicin, 5-FU, Carboplatin, Methotrexat
• Deutschland: BfArM-Liste (Stand 23.09.2014: 19 Präparate),
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Arzneimittel-Lieferengpässe
Ursachen vielschichtig, u.a. in der Diskussion:
• Verlagerung der Produktion auf wenige Standorte • Engpässe bei Rohstoffen • Sortimentsreduktionen durch Hersteller → weniger Alternativpräparate • Re- und Parallelimporte auf Grund unterschiedlicher Preisniveaus • Rücknahme niedrigpreisiger Generika vom Markt zu Gunsten von
patentgeschützten Präparaten • Zunahme der internationalen Nachfrage v.a. durch Schwellenländer • Verschärfung von Sicherheitsvorschriften, so dass Mängel eher auffallen
und zu Produktionsverzögerung führen
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Arzneimittel-Lieferengpässe
Empfehlungen:
• Erweiterung der BfArM-Liste zu verpflichtendem Melderegister • Veröffentlichung bei vergangenen, bestehenden und drohenden Engpässen • Verpflichtende Meldung schon bei Qualitätsproblemen bei der Produktion
der Roh- und Wirkstoffe • Meldung von Engpässen durch BfArM an Kliniken, niedergelassene Ärzte
und Apotheken • Zusätzliche gesetzliche Vorschriften zur Ausweitung der Produktions- und
Lagerkapazitäten • Installierung eines zentralen Risikomanagements mit präventiver
Orientierung beim BfArM
Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen
§ 84 Abs. 5 SGB V), Auswertung für die Bundesrepublik Deutschland, Januar bis März 2013, Konsolidierter Bericht (Stand 01.11.2013).
Gogineni, K. und Shuman, K. L. (2013): Survey of Oncologists about Shortages of Cancer Drugs. New England Journal of Medicine 2013; 369:2463-2464.
OECD (2014): OECD Health Statistics, Paris. Schwabe, U. und Paffrath, D. (Hrsg.) (1987-2013): Arzneiverordnungs-Report, Heidelberg. Windt, R., Boeschen, D. und Glaeske, G. (2013): Innovationsreport 2013 (Langfassung) –
Wissenschaftliche Studie zur Versorgung mit innovativen Arzneimitteln. Eine Analyse von Evidenz und Effizienz, Universität Bremen, Zentrum für Sozialpolitik.
Wiedemann, G.J., Astier, A. Daouphars, M., Ludwig, W.-D., Meier, K. und Vulto, A.G. (2014):
Chemotherapy Drug Shortages in Europe. European Journal of Cancer (im Druck).
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