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Marc Steinmann „Jakob Theodor Franz Rambach“ SONDERDRUCK AUS: Festschrift - 400 Jahre Landgraf-Ludwigs-Gymnasium 1605-2005 Gießen 2005 © 2005 by Landgraf-Ludwigs-Gymnasium Gesamtherstellung: Mittelhessische Druck- und Verlagsgesellschaft mbH, Gießen-Druck, Gießen
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ARTIKEL: Marc Steinmann: Ein Menschenfreund und geschulter Lehrer der Jugend - Jakob Theodor Franz Rambach und die Gießener gelehrte Welt im 18. Jahrhundert.

Feb 01, 2023

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Page 1: ARTIKEL: Marc Steinmann: Ein Menschenfreund und geschulter Lehrer der Jugend - Jakob Theodor Franz Rambach und die Gießener gelehrte Welt im 18. Jahrhundert.

Marc Steinmann

„Jakob Theodor Franz Rambach“

SONDERDRUCK AUS:

Festschrift - 400 Jahre Landgraf-Ludwigs-Gymnasium

1605-2005

Gießen 2005

© 2005 by Landgraf-Ludwigs-Gymnasium Gesamtherstellung: Mittelhessische Druck- und

Verlagsgesellschaft mbH, Gießen-Druck, Gießen

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Murc Steinmunn

»Ein Menschenfveund und geschulter Lehrer der Jugend« - Jakob Theodov Fvanz Rumback und

die Gieflenev gelehrte Welt im 18. Jahrhundert

War Jakob Theodor Franz Rambach der Allgemeinen Deutschen Biographie im Jahre 1888 immerhin noch eine kleine Appendix im Artikel über seinen be- rühmten Vater Johann Jakob Rambach wert,' so ist sein Name im jüngst er- schienen Band der Neuen Deutschen Biographie überhaupt nicht mehr zu fin- den.2 Wer also war Franz Rambach? Was macht ihn für unsere Schule, für Gießen und evtl. auch darüber hinaus bedeutend? Dass sein Name, Werk und Wirken nicht gänzlich der Vergessenheit anheim falle, dazu möchte fol- gende Abhandlung einen kleinen Beitrag l e i~ t en .~

Fvanz Rambachs Vater Geboren am 6. 3. 1733 in GieBen als einziger Sohn des pietistischen Theolo- gen Johann Jakob Rambach aus dessen zweiter Ehe mit Anna Elisabeth Bütt- ner, hatte Franz Rambach noch eine Schwester sowie zwei Stiefschwestern4 aus des Vaters erster Ehe.' Sein Vater16 der zunächst kurzzeitig Medizin, dann Theologie in seiner Ge- burtsstadt Halle und in Jena studiert hatte, war 1727 August Hermann Fran- cke als ordentlicher Professor der Theologie in Halle nachgefolgt und hatte sich in Wissenschaft und Lehre einen weithin guten Ruf erworben. Zwistig- keiten innerhalb der Hallenser Fakultät verleideten ihm jedoch ab etwa 1729/30 sein Amt. So traf es sich, dass 1731 fast gleichzeitig Berufungen aus Kopenhagen und aus Gießen an ihn ergingen. Wohl nicht zuletzt aus famili- ären Gründen - seine zweite Frau, die er im Oktober 1730 geheiratet hatte, war Tochter eines Frankfurter Predigers - nahm er den Ruf nach Gießen an und siedelte im Juli 1731 dorthin über. Hier war er Professor Primarius und Superintendent, ab 1732 zusätzlich noch Direktor des Pädagogiums, des Vor- gängers unseres Landgraf-Ludwigs-Gymnasiums. Seine vielen Amter und verschiedensten Aufgaben lähmten jedoch seine Kraft zusehends. Vor allem gegen die offenbar wenig strengen Sitten in Gießen musste er ankämpfen, denn »das Ti-eiben der Studenten war ein zuchtloseres und das ganze Leben ein für lebendiges Christenthum weniger empfängliches, als er es in Halle gewohnt war«.' Nach kurzer fiebriger Krankheit verstarb Johann Jakob Ram- bach am 19. 4. 1735, bald nach dem zweiten Geburtstage seines Sohnes, des- sen Gesang er auf dem Totenbette noch zu hören t er meinte.^

Fvanz Rambachs Kindheit, Jugend und Studienzeit Jakob Theodor Franz Rambachs Erziehung lag also ganz in den Händen sei- ner ))treuen und klugen Mutter«.g Dem Stande eines Professorensohnes ge- mäß lieB sie ihn zunächst von Privatlehrern unterrichten und schickte ihn

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sodann auf das Gießener Pädagogium, das zu jener Zeit nur die Klassenstu- fen Xrtia, Secunda und Prima umfasste. Die Quarta kam 1801 hinzu, weite- re Jahrgangsdifferenzierungen erfolgten noch später.'' Die Schülerzahl be- trug in den 30er Jahren des 18. Jahrhunderts etwa 40 bis 70, und es gab neben dem Pädagogiarchen fünf ordentliche Lehrer." Spätestens hier muss Rambach Bekanntschaft mit Johann Hermann Benner gemacht haben, der seit 1722 Lehrer am Pädagog und seit 1734 dessen Pädagogiarch war und ihm mit der Zeit ein väterlicher Freund wurde. Am 1. 9. 1751, also mit etwas mehr als 18 Jahren, verliefi Franz Rambach das akademische Gymnasium und schrieb sich zum Herbst an der Gießener Universität, der Academia Lu- doviciana, ein.IL Seine akademischen Lehrer waren hier unter anderem Andreas Böhm in der Philosophie, Ludwig Gottfried Mogen in der Historie, Philipp Nikolaus Wolf in der Philologie, Johann Hermann Benner, Reinhard Henrich Roll und Christoph Matthäus Pfaff in der Theologie sowie sein Schwager Heinrich Christoph Nebel in der Beredsamkeit.I3 Deutlich erhellt, wie eng verzweigt die Verwandtschafts- und Freundschaftsverhältnisse in akademischen Krei- sen waren, zumal in einer kleinen Stadt wie Gießen, das damals etwa 4000 Einwohner14 und Ca. 200 Studenten zählte.I5 Dass dies wohl manche Vorteile brachte, aber auch Kompromisse erforderte und zu Problemen führen konn- te, mag man leicht einsehen. Ende Mai 1758 verteidigte Franz Rambach unter dem Präses Benner eine be- reits im Winter fertiggestellte Streitschrift de gvatia ovdinana i n somniantibus opevosa. Dem literarischen Genus entsprechend war dieser exevcitatio theolo- gzca eine Zuschrift beigegeben, hier verfasst vom Präses der Disputation. Ne- ben Glückwünschen und allgemeinen Belobigungen1' teilt Benner Rambach dort mit, dass ninterea SERENISSIMVS PRINCEPS noster, commendationi meae clementissime gratificatus, in liberalissimum eorum collegium, qui il- lustri paedagogeo huius vrbis praefecti sunt, TE socium adoptare dignatus est (unser durchlauchtigster Fürst, meiner Empfehlung huldvollst willfah- rend, dich in den erlauchten Kreis derer, die dem angesehenen Pädagogium dieser Stadt vorstehen, als Kollegen aufzunehmen inzwischen geruht hat)«." Somit kehrte Franz Rambach als Lehrer an seine ehemalige Schule zurück. Im Jahre 1765 erlangte er mit seiner dissevtatio inauguvalis philosophica de somno vigzlantium unter dem Präses Böhm den Doktorgrad, womit ihm ))die höchste Würde in der Weltweisheit ertheilet« wurde,I8 ))und widmete nun auch täglich einige Stunden zu philologischen und philosophischen Vorle- sungen, die fleißig besucht wurden«.l9

Disputationen und Pi-omotionen vom 16. bis 18. Jahrhundert Bevor im folgenden Franz Rambachs weiterer Lebensweg verfolgt werden soll, möge hier ein kurzer Exkurs über Wesen und Zweck der Disputationen und Promotionen zu Rambachs Zeiten stehen. Zunächst einmal ist festzuhalten, dass die Aufgabe der Universitäten nicht primär die Forschung war, sondern die Vermittlung wissenschaftlicher Er- kenntnisse, die die Studenten zur Ausübung eines Berufes befähigen sollten.

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?In 23 . 21\19. mtitDe botii @rrn Qbilipp tnelcbior Sitber~jlluRrir Paedagogii G~IkntisCoile~ae, Der f a o n oor Iangfiene pro graduhfagihi mit %rr)iall,biipiitirt bat, unb,Dem ge3aaten wrn Xambact3f 3irQd49 fit m~roe in Dur 4Ujoltweidi)ett erti)ellet.

Das schließt nicht aus, dass unter den Professoren der alten Universitäten hervor- ragende Forscher zu finden sind; die normale Tätigkeit des Hochschullehrers im 16., 17. und 18. Jahrhun- dert war jedoch die Weiter- gabe überlieferter Wahrhei- ten und Denkmethoden: »Die Universitäten suchen nicht die Wahrheit, sondern lehren sie und üben sie ein; sie sind nicht Forschungs- sondern Unterrichtsanstal- ten. Nicht so sehr war das Erkennen einer Sache, als die schulmäßige Behand- lung eines Thema proban- dum [...I Zweck und Ziel des Wissenschaftsbetrie-

be~.«~O Mit der Promotion, oder eher: Disputation, denn der Schwerpunkt lag auf der mündlichen Auseinandersetzung mit den Professoren und Kommili- tonen und ein schriftlicher Teil war nicht immer notwendig, sollte der Prüf- ling seine dialektische Fertigkeit und Handhabung der Autoren unter Beweis stellen. Anlass zu einer Disputation musste nicht unbedingt das Erwerben eines akademischen Grades sein. Entweder war eine bestimmte Anzahl von Disputationen durch die Universitätsstatuten vorgeschrieben" oder der Stu- dent war gehalten, gegenüber seinen Eltern oder dem, der sonst sein Stu- dium finanzierte, nach einem gewissen Zeitabschnitt über seine Fortschritte Rechenschaft abzulegen. Seither freilich haben sich die Verhältnisse geändert: Die Entwicklung der Universitäten von Lehranstalten zu Forschungsstätten hat die Disputation nahezu völlig aus dem akademischen Alltag verdrängt - der Schwerpunkt einer Promotion liegt heutzutage hauptsäschlich auf dem schriftlichen Teil. Auch war, im Gegensatz zu heute, in früheren Zeiten der Magister kein nie- derer Universitätsgrad, vor allem gegenüber dem Doctor, sondern »beide Ti- tel sind promiscue angewendet worden«.22 So erklärt es sich auch, dass auf dem Titelblatt von Franz Rambachs Dissertation zwar »pro gradu doctoris philosophiae~ vermerkt ist, er sich selbst in seinen Publikationen aber ge- wöhnlich als Magister bezeichnet.

Rambachs Jahre um Gie$ener Padagogiurn academicum Als Magister im ursprünglichen Wortsinne, nämlich als Lehrer, wirkte Franz Rambach unter dem Pädagogiarchen Benner - der Pägagogiarch war bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts immer ein Professor der Theologie - fortan

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siebzehn Jahre am Gießener Pädagogium, wobei es ihm gelang, »die ganze Verfassung des Pädagogs zu einem merklich höheren Grad der Vollkom- menheit zu bringen«.23 Einzelheiten zu Rambachs ersten Wirkungsjahren sind leider nicht datierbar, doch wird allseits sein freundlicher, teilnehmen- der Umgang mit den Schülern, die Ordnung, Deutlichkeit und Gründlichkeit seiner Vorträge sowie sein Einsatz für Verbesserung der äußeren und inne- ren Einrichtungen gelobt.24 Um den immer wieder gerügten Mangel an guten moves der Anstaltszög- linge, der sich aber »mehr außer, als in dem Pädagoge zeigt«, zu beheben, bewirkte Franz Rambach unter anderem, »dass wöchentlich zweymal im Pä- dagoge Anweisung zum Tanzen gegeben wurde«. Als er jedoch betrübt fest- stellen musste, dass viele »auaer der Thnzstunde plump und ungeschliffen bleiben«, verfiel er auf den Gedanken, Sitte und Anstand der Schüler zu bes- sern »durch die Anlegung einer Pädag.-Bibliothek, aus den besten deutschen Schriften, sonderlich derer, die zur Bildung des Herzens und Geschmackes geschrieben worden«.25 Zwar war bereits im Jahre 1735, noch unter seinem Vater, die Einrichtung einer Schulbibliothek beschlossen worden, doch war das Unternehmen aus verschiedensten Gründen bisher nicht über die Pla- nungsphase hinausgekommen. Anlage und Aufbau dieser Bibliothek wid- mete Rambach jedoch von nun an (de facto wurde die Bibliothek 1772 ge- gründet) nicht nur einen groaen Teil seiner Zeit, sondern unterstützte sein Vorhaben auch mit privaten Mitteln, indem er einerseits Bücher aus seinem Besitz spendete, andererseits zum Teil nicht unerhebliche Geldbeträge zu- schoss. Seinen Enthusiasmus möge folgendes Zitat verdeutlichen: ))Ich legte z. B. in Lotterien an und bestimmte der Bibliothek den ganzen Gewinn, den ich erhalten würde; aber das Glück war zu blind, eine so patriotische Absicht zu begünstigen.«26 Tl-otzdem war nach knapp drei Jahren der Buchbestand bereits recht umfangreich, wie Rambachs handschriftliche Aufstellung zeigt; von den zehn Folio-Bänden hatten er selbst sowie seine Schwester je einen, von den 13 Quart-Bänden hatte er drei, von den 180 Oktav-Bänden 22 sowie einen der sechs Duodez-Bände beigesteuert. In die Zeit der frühen 1770er Jahre fällt auch Franz Rambachs produktivste schriftstellerische Phase, die besonders von lokalhistorischem Interesse ge- prägt scheint. So schrieb er eine dreiteilige Chronik der Universität und des Pädagogiums seit ihrer Gründung und übersetzte Conrad Dieterichs, des er- sten Pädagogiarchen, commendatio Giessae, die dieser als Exempel einer Lob- schrift auf Städte" seinen erstmals 161 3 publizierten institutiones oratonae beigegeben hatte.28 Diese mit umfangreichen Anmerkungen und Exkursen versehene deutsche Fassung ließ Rambach im Giefier Wochenblatt des Jahres 1771 in mehreren Fortsetzungen ~eröffentlichen.'~

Deina-Stveit und andere Diskordanzen In diesem Zeitraum beruflicher Geschäftigkeit und Erfolges - Rambach war inzwischen bis zur ersten Lehrerstelle aufgestiegen - wurde in der landgräf- lichen Kanzlei zu Darmstadt ein aus Wetzlar vom 25. 1. 1769 datiertes Schreiben an den Serenissimus übergeben, das mit »der0 unterthänigster

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Knecht Deka« unterzeichnet war. Diese anonyme Anklageschrift - griech. S~Lvar ist nichts anderes als lat. nescio quis oder quidclm (»irgendwer«) - gei- ßelte in übertriebener Schilderung die vermeintlichen Missstände am Päda- gogium, das »beynahe in einen gäntzl. Verfall und abnahme gerathen«," ziel- te aber letztlich wohl auf die Person des Hermann Benner, der seit 1722 Lehrer und seit 1734 Pädagogiarch an der Anstalt war und mit zunehmen- dem Alter ein starrköpfiges patriarchalisches Regiment führte.3' Benner und Rambach nahmen Stellung zu den Vorwürfen und die Sache wurde ohne for- mellen Schluss, wohl lediglich mit mündlichen Weisungen, geendet. Ahn- lich geartete Angriffe auf das Pädagogium hatte es auch früher schon, etwa 1655 und 1723, gegeben,3z doch vier Jahre später erfolgte bereits eine neue Offensive durch den Gießener Universitätsprofessor Köster, der in einem Rundumschlag unter anderem Methode und Zucht anprangerte: das barba- rische Peitschen sei zu häufig und die geringsten Kleinigkeiten würden »auf den Bettag solenniter gestraft«. Kurz zuvor hatten auch die Professoren Schulz und Bahrdt in die gleiche Kerbe geschlagen, andere Professoren hin- gegen hatten für das Pädagogium Stellung bezogen und grundsätzlich vor ))dem studium novarum rerum in Schulfragen« gewarnt, zugleich jedoch be- hutsame Neuerungen empfohlen - hier bahnte sich bereits in nuce der Hu- manismus-Realismus-Streit an, der dann 100 Jahre später voll entflammte.33 Dass der entschiedene Aufilärungstheologe Kar1 Friedrich Bahrdt" gegen Benner und das Pädagog wetterte ist eigentlich nicht verwunderlich, Johann Christoph Friedrich Schulz" hingegen war seit September 1771 mit Benners jüngster Tbchter Johanette verheiratet, und man erwartete nicht unbedingt einen Angriff gegen den Schwiegervater. Der 1747 geborene Schulz war 1769 in Göttingen zum Doctor der Weltweis- heit, d. h. der Philosophie, promoviert worden und hatte Anfang 1771 den seit 1769 vakanten Lehrstuhl für morgenländische Sprachen in Gießen be- setzt, obwohl er auf der Berufungsliste hinter Franz Rambach gestanden hat- te. 1773 war er zudem außerordentlicher Professor der Theologie geworden. Binnen kurzer Zeit hatte er sich in egoistischer Manier weitere Posten und Pöstchen ergattert, liefi es jedoch an Anstand und Moral im öffentlichen und privaten Leben wohl allzu sehr mangeln, so dass ihm 1777 die theologische Professur wieder entzogen wurde. Rambach wurde im Februar 1773 immerhin noch die Stelle eines geistigen Definitors übertragen, nachdem er eine außerordentliche theologische Pro- fessur unter Beibehaltung seiner Stelle am Pädagogium abgelehnt hatte. Al- le diese Querelen aber sowie sein sicherlich angespanntes Verhältnis zu Schulz und dessen Schwiegervater Benner, der ja sein direkter Vorgesetzter und ehemals väterlicher Freund gewesen war, trugen sicherlich dazu bei, dass Franz Rambach im März 1775 den Ruf auf den Posten des Conrectors des Gymnasiums zu Frankfurt gerne annahm. Am sechsten März schreibt Rambach: »Ja ich kann mit Wahrheit versichern, dass ich bloß deswegen le- dig geblieben, um mich nicht außer Stand zu setzen, dem Pädagoge beyzu- stehen und ihm mit Lust zu dienen: Nun aber, da ich durch die neuesten un- ausstehlichen Krankungen und Verläumdungen des Pädagogs endlich, nach

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17jährigen mit solcher Treue geleisteten Diensten, bewogen worden, das paedagogzum zu verlassen und in Frankfurtische Dienste zu gehen [. . Seine (folgerichtige) Eheschließung mit der Tochter des Gießener Professors Masson dürfte zeitlich noch vor seinem Weggang aus Gießen liegen.

Verbindungen Rarnbachs zu Goethe In Rambachs Frankfurter Zeit fällt der Tod seines Schwagers Johann Christi- an Dietz am 22. 2. 1784. Da auch Dietz' Frau, Rambachs Schwester Johan- netta Charlotte Salome, bereits seit langem verstorben ist, soll Rambach zum Vormund von Dietz' ältester Tnichter Johannetta Jacobea bestellt werden. Je- ne ist zu diesem Zeitpunkt zwar bereits 30 Jahre alt, bedarf jedoch »wegen ihrer bekannten Gemüthsschwachheit einer Pflege«,"' wie Rambach in sei- ner Stellungnahme schreibt. Er will, da er ja in Frankfurt wohnt, die Stelle eines curatov honorarius annehmen, »wenn zu gleicher Zeit in der Stadt Gie- ßen ein tutov administvationis obrigkeitlich bestellt« werde. Im Einverständ- nis mit den Geschwistern und übrigen Verwandten bringt er »den Regie- rungs Advocatum et Procuratorem ordinarium Herrn N. N. Buff daselbst, als Anverwandten, in Vorschlag«. Hierbei handelt es sich höchstwahrscheinlich um Ernst Heinrich Paul Buff, den Neffen von Heinrich Adam Buff, der wiederum der Vater der Charlotte Sophie Henriette Buff (*11. 1. 1753, t 16. 1. 1828) ist, der berühmten Lotte aus Goethes Leiden des jungen Werther: Charlotte Buffs ältere Schwester Karoline hatte 1777 den Wetzlarer Hofrat Christian Johann Jacob Dietz, Goethes Vetter, geheiratet." Eine Verwandt- schaft mit Rambachs Schwager konnte mit dem zugänglichen Quellenmate- rial bisher nicht sicher eruiert werden, ist aber nicht unwahrscheinlich, da die Familie Dietz im Großraum Frankfurt-Gießen-Göttingen ansässig war. Es führen also, wenn auch über Umwege, offenbar mehrere Linien von Ram- bach zu Goethe. Dieser erwähnt im Ubrigen auch einige Personen aus Ram- bachs Umfeld in Dichtung und Wahrheit, z. B. Benner und Franz Rambachs Schwager Griesbach sowie dessen Frau, Franz' Halbschwester Johanna Do- rothea, die er eingehender charakterisiert." Über diese (entfernten) ver- wandtschaftlichen Verhältnisse hinausgehende Beziehungen zwischen Goe- the und Rambach scheint es jedoch nicht gegeben zu haben.

Rambachs Jahre in Fvankfirt Nach seinem Fortgang aus Gießen brachte Franz Rambach seine Stelle als Conrector am Gymnasium zu Frankfurt neben einem höheren Einkommen vor allem ein »ruhigeres Wirken«," über das es aber nahezu keine weiteren Informationen gibt. Neben einigen Buchpublikationen tat er sich in Frank- furt vor allem durch seine Erklärungen des Horaz, Ovid und Vergil hervor »sowie durch die unter seiner Aufsicht angestellten Ubungen im Latein- schreiben, worin er [.. .] viel Stärke und Gewandtheit besaß«." Darüber hin- aus »bildete er sich aus wissbegierigen Zöglingen einen engeren Kreis«, de- ren Mitglieder er sowohl während als auch nach ihrer Schulzeit mit Rat und 'ICit - und mit seinem »zahlreichen und schätzbaren Büchervorrathe« - unter~tützte .~~ Mithin scheint sich Rambach bereits nach kurzer Zeit in

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Frankfurt sehr wohl gefühlt zu haben, was auch seine Ablehnung einer ihm im Jahre 1778 angebotenen Stelle des Stadtpredigers zu Worms zeigt. Nach 28 Dienstjahren unter dem Direktor J. G. Purmann wird Jacob Theo- dor Franz Rambach unter Beibehaltung seines Gehaltes im September 1803 in den Ruhestand versetzt. Er entschläft, fünfeinhalb Jahre nach dem Tode seiner Frau, nach sehr kurzem Leiden äußerst sanft am elften Juni 1808 im Alter von fünfundsiebzig Jahren.44

Epz'log In seinem Nekrolog auf Rambach sagt Friedrich Christian Matthiae, der seit 1806 Rektor des Frankfurter Gymnasiums war: »Sein ganzes Wesen, die im- mer gleiche Ruhe und Würde, womit er in der Mitte seiner Zöglinge er- schien, seine Theilnahme an Allem, was diese betraf, und die Freundlich- keit und Herzlichkeit, womit er sie behandelte, musste in ihnen das Gefühl der Achtung erzeugen [...I. Als Mensch geliebt und geachtet, war er auch ein vorzüglicher Lehrer.« Und eine Notiz eines Zeitgenossen charakterisiert ihn als »der Menschenfreund, der treue, rastlose und geschulte Lehrer der Ju- g e n d ~ ~ ~ Dieser sein Ruhm ist inzwischen verblasst, doch sind an unserer Schule noch etliche wertvolle Stücke aus der von Franz Rambach ehedem angelegten Bibliothek vorhanden.46 Bis in die sechziger Jahre des 19. Jahrhunderts hat in einem Klassenraum des Frankfurter Gymnasiums auch noch ein 01bild Franz Rambachs gehan- gen. Ob es heute noch existiert und wo es sich befindet, ist unklar.47 Da es kein anderes Bildnis zu geben scheint, möge als »Ersatz« deshalb Jakob The- odor Franz Rambachs eigenhändige Unterschrift diese Abhandlung be- schließen:

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Stammbaum dveiev mmbach-Genevationen aufgenommen sind Franz Rambachs Eltern und sämtliche Geschwister, an- dere Personen in Auswahl

la. Johanna Elisabeth Lange (*24. 2. 1706 t30. 5. 1730)

[Tochter eines der akadem. Lehrer Rambachs in Halle]

(9. 5. 1724) mit: -

2. Johanna Dorothea Rambach (*?. 3. 1726 t7. 4. 1775)

(1743) mit: I

2a. Conrad Caspar Griesbach (*18. 5. 1705 t25. 9. 1777)

[Rambach, der ihm ngleichsam sein 2. Vater war., nahm Gr. als Lehrer sei- ner Kinder von Halle mit nach Gie- ßen, Gr. studierte unter Benner, 1736 Freiprediger an der Stadtkirche in Gießen, spater mehrere Predigerstel- len, U. a. in Butzbach]

1. Johann Jakob Rambach 3. Charlotte Elisabeth Rambach

(*24. 2. 1693 t19. 4. 1733) ("15. 6. 1727 t8 . 9. 1761) [Dichterin, Erbauungsschriftstellerin]

(24. 5. 1746) mit: I: I

rn (24. 10. 1730) in 2. Ehe mit: -

1

lb. Anna Elisabeth Buttner (*31.8.1697 t25.1.1759)

[lbchter eines Frankfurter Predigers]

6a. Marie Christine Hert (*? t?)

['ibchter aus der 2. Ehe von

6. Johann Nikolaus Hert (*6. 10. 1651 t19. 9. 1710)

Juraprof. an der Universitat Gießen, mit Anna Lukretia Gieswein]

I

3a. Heinrich Christoph Nebel (*19. 3. 1715 t6. 5. 1786)

[Lehrer am Padagogium seit 1739, Prof. der Dichtung und Beredsamkeit in Gießen, Prediger in Worms]

4. Johannetta Charlotte Salome Rambach (*6. 10. 1731 t26. 9. 1761)

(12. 10. 1751) mit: 2

(*4. 9. 1753 t?) [nach Dietz' Tod ist Franz ßambach ihr curator honorarius (ohne Verwal- tungsaufgaben), Regierungsadvokat Buff, ein Anverwandter Franz R.s, ist ihr tutor admintstrationis]

I 4a. Johann Christian Dietz

(*I. 11. 1719 t22. 2. 1784) [seit 1745 Lehrer am Padagogium, 1761 Prediger an der Stadtkirche, seit 1771 a. o. Professor der Theologie]

I (28. 3. 1762) in 2. Ehe mit:

I 4b. Johannette Elisabeth Hert

mit: -1 (1775) mit: -1 keine Kindev I 7. Sebastian Masson 5a. Johanne Marie Charlotte

("13. 7. 1689 t5. 12. 1739) 1 '1 Masson [Prof. an der Universität Gießen] (*I733 t23. 12. 1802)

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Jakob Theodov Franz Rambachs Schriften Das folgende chronologische Schriftverzeichnis ist eine erste Bestandsauf- nahme und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Exevcitatio theologica de gratia ordinaria in somniantibus operosa, praeside [...I

Benner [. . .] vespondente [. . .] Rambachio [. . .]. Giessae: Schroeder, 1758. Dissertatio inauguralis philosophica de somno viglantium, quam [. . .] pmeside [. . .] Andrea Boehmio [. . .] submittet auctor Iacobus Theodovus Fvanciscus Ram- bachius [...I. Giessae: Braun, 1765.

Vollständige und sehr erleichtevte lateinische Gvammatik, nach der Einrichtung dev beliebten Langischen, zum vorzüglichen Gebrauch dev Hess.-Damstädti- schen Schulen. Gießen 1770. Zweite, verb. und verm. Aufl. Frankfurt 1777. Dritte, verb. und verm. Aufl. GieDen 1785.

Beschreibung der Stadt Gieflen, aus C. Dieterici Inst. Ovat. übersetzt und mit An- merkungen evläutert. Gießer Wochenblatt 1771 [Neudruck in MOHG 49/50 (1965: S. 6-38)].

Chr Specii pmxis declinationum et conjugationum, verbessert und nach seiner [d. h. Rambachs] Grammatik eingerichtet. Gießen 1772. Zweite Aufl. 1775. Dritte Aufl. 1780.

Oratio de aurea mediocritatis regula i n emendandis scholis pvaecipue obsevuan- da. Francofordiae 1775.

Commentatio de pevsona daemonio infevnali vindicanda. Francofordiae 1776. Pvogramma quo justa Imperatoris Josephi II ovatione fiinebri celebranda indicit

[J. Th . F Rambach]. Francofordiae 1790. Pvogramma quo orationem panegyvicam memoriae Impevatoris Leopoldi II indi-

cit [J. Th . F: Rambach]. Francofordiae 1792. Deutliche und praktische Vemunfilehre fiir Schulen. Gießen 1795. Evleichterte Anleitung zur lateinischen und deutschen Orthographie fur lateini-

sche Schulen und Gymnasien. Frankfurt 1798. Allgemein fassliche und vollständige Anleitung zur mathematischen Erdbeschrei-

bung fiir Schulen und fiir solche, die sich selbst unterrichten wollen. Frankfurt 1799. Zweite, verb. Aufl. 1805. Dritte, neubearb. Aufl. von Jacob Brand 1814. Vierte Aufl. 1823.

Die grammatischen Pvzncipien der deutschen Orthographie zum grundlichen Unterricht i n derselben besonders aufgestellt und erklärt. Frankfurt 1799.

Ferner sind folgende Autographen, teils nur dem Inhalte nach, bekannt: Geschichte des Giej3enev Padagogiums in drei Eilen. [Der dritte Teil (1650-1 762) ist diplomatisch abgedruckt bei Schädel (1 905: S. 2-1 4)]. Stellungnahme(n) i m so genannten Deina-Streit. Schriften Mber die Giej3ener Padagogumsbibliothek. Büchevverzeichnis der Gieflenev Pädagogiumsbibliothek. Abschriflen altev Schul- und Universitcitsakten und -Statuten. Autobiogvaphie i m lateinischen Ostev-Pvogramm des Gymnastums zu Fvcrnkfiirf.

1776. Stellungnahme zur Vomundschaft über Johannetta Jacobea Dietz vom 29. 3. 1784. Archiv Darmstadt, HStAD G Zba, Nr, 395/12.

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Weiteres zu Rambachs Leben teilt Fr. Chr. Matthiae im Osterprogramm des Gymnasiums zu Frankfurt, 1809, mit.

Bennel; 1758. »Viv0 clarissimo Iac. Theod. Francisco Rambachio xoip~v ~ a i Tohann Hermann: ~iprivqv.« In: Exercitatio theologzca de gmtia ordinaria in somniantibus

operosa, praeside [. . .] Benner [. . .] respondente [. . .] Rambachio [. . .]. Giessae: Schroedel; Seite [44].

Bertheau: 1888. »Rambach, Johann Jakob.« In: Allgemeine Deutsche Biographie 27: S. 196-200.

Hansen, Theodor: 1875. Die Familie Rambach. Aus handschriftlichen und gedruckten Quel- len. Gotha: Perthes.

Horn, Ewald: 1893. Die Disputationen und Promotionen a n den Deutschen Universitäten vornehmlich seit dem 16. Jahrhundert. Leipzig: Hawassowitz [Nachdruck Nendeln: Kraus, 19681.

Klein, Johann Valentin:

Otterbein, Heinrich:

fiaetorius, Otfned und Knopp, Friedrich (ebd.):

Schädel, Ludwig:

Schädel, Ludwig:

Schifiel; Werner:

Striedel; Friedrich Wilhelm

Wolfes, Matthias:

1829. Einige, das Gieji'er akademische Pädagog, besonders dessen Bibliothek und deren Gründer Jak. Theod. Franz Rambach betreffende Nachrichten und Bemerkungen. Giej3en: Hasse.

1966. »Die Rambach'sche Bibliothek i m Landgraf-Ludwigs-Gymnasium zu Giefien.~ In: MOHG 51: S. 120-133.

1957. Die Matrikel der Universität Giegen. Zweiter Teil. 1708-1807. Neustadt/Aisch: Degener:

1902. »Die Deina-Kämpfe. Ein Streit u m das Giefiener Gymnasium in der beginnenden Aufklarungszeit.« In: Mitteilungen der Gesellschaft f ir deut- sche Erziehungs- und Schulgeschichte 12: S. 57-74.

1905. Beiträge zur Geschichte des Groj3h. Gymnasiums zu Gieji'en [. . .]. Gie- pen: Münchow.

2002. »Johann Jakob Rambach und Jakob Tvzeodor Franz Rambach.« In: Epistula gymnasii Ludoviciani Gissensis 71: S. 36-41

1797. »Rambach, Jakob Theodor Franz.« In: Grundlage zu einer hessischen Gelehrten- und Schriftstellergeschichte. Seit der Reformation bis auf gegen- wärtige Zeiten. Kassel et alibi: Griesbach et alii. Band 11, Seite 218-221. Nachtrage ibid. 13 (1802: S. 366), 14 (1804: S. 350), 15 (1805: S. 361), 16 (1 812: S. 550).

2003. ))Rambach, Johann Jakob.# In: Neue Deutsche Biographie 21: S. 127f

Anmerkungen In ADB 27 (Bertheau [1888: S. 2001) beschliegen dreieinhalb Zeilen, in denen Name und Beruf sowie Geburts- und Sterbedaten von Johann Jakob Rambachs »einzige[m] Sohn« Jakob Theodor Franz Rambach genannt werden, den Avtikel.

Auper einem Eintrag über Franzens Vater Johann Jakob Rambach finden sich in NDB 21 (Wolfes [2003]) keine weiteren Biographien zu Vertretern des Namens.

Die Quellenlage kann als prekär bezeichnet werden: Die Sekundarliteratur ist, sofern überhaupt vor- handen, wenig ergiebig, und die primären Dokumente sind bisher nicht aufgearbeitet, zum Teil nicht einmal katalogisiert, und schwer zugänglich.

* Das vor allem dichterische Werk der nachmaligen Erbauungsschriftstellerin Charlotte Elisabeth gab ihr Ehemann Heinrich Christoph Nebel nach deren 'Tbde in Worms heraus. Näheres über sie unter ht tp:/ /~~~.al lgemeine-zei tung.de/ feui l leton/serie/auto~en/objekt .php3?art ikel~id = 954906.

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Rainbachs erste Frau, Johanna Elisabeth, geb. Lange, war die Tochter eines seiner akademischen Lehrer und späteren Kollegen in Halle, Joachim Lange. Zu Lange vgi. htp://www.bautz.de/bbkl/l/ Lange j.shtm1.

T ü r Einzelheiten zu Johann Jakob Rambachs Leben und Werk vgl. Bertheau (1888), Schifffner (2002: S. 36-39), Wolfes (2003) sowie die dort jeweils verzeichnete Speziallitemtul; ferner http://www. bautz.de/bbkl/~/rarnbach~~,shtml. ' Bevtheau (1888: S. 198). Weiteres bei Schiffier (2002: S. 38) anschaulich geschildert.

W a c h dieser bei Hansen (1875: S. 4 7 f ) berichteten Anekdote habe Rambach die Einwände seiner Fvau, dass der Knabe ja kaum sprechen könne, nicht geachtet und geglaubt, der kleine Franz singe: »Er kann und will dich lassen nicht; er weij3 ja wohl, was dir gebricht.«

V Strieder (1 797: S. 21 8)

'O Vgl. Klein (1 829: S. 8) " Die Fünfzahl ist mit Namen fir die 60er/70er Jahre belegt (vgl. Klein 11829: S. 131 und Schädel [1902:

S. 64f]) und zudem durch die Statuten festgesetzt. ~ b e r längere Zeiträume gab es jedoch auch nur vier praeceptores, von 1676-81 gar sechs (Rambach nach Schädel [1905: S. 17f]; zur Schülerzahl ibid. S. 21 J).

" I n der Universitatsmatrikel ist hinter seinem Namen Oe. i? G.« notiert, was soviel heij3t wze »exemp- tus [ex illustri] pädagogo Gissensi~ (Praetorius/KnÖpp 11957: S. 1451); warum sein Name, durchge- strichen, auch unter dem Datum 2. 7. 1746 auftaucht, harrt noch einer endgültigen Klarung - wahr- scheinlich ist es sein Eintrittsdatum ins Pädagogum mit 13 Jahen.

l 3 Andreas Böhm (*I 7. 11. 1720, t6. 7. 1790) war zunächst in Marburg tätig, seit 1744 Professor der Logik und Metaphysik, ab 1746 zusätzlich Prof der Mathematik in Giegen; zu Heinrich Christoph Nebel vgl. den beigegebenen Stammbaum Rambachs; Ludwig Gottfried Mogen (*4. 2. 1724, t15. 3. 1773) wurde 1747 in Jura promoviert, hielt jedoch bereits ab 1750 historische Vorlesungen und wurde 1757 Prof der Geschichte; Philipp Nikolaus Wolf (*20. 3. 1707, t14. 11. 1762) war ab 1737 Lehrer a m Pädagogium, seit 1740 an der Universität, später Professor f ir Philologie und mor- genländische Sprachen; Johann Hermann Benner (*15. 12. 1699, f8. 7. 1782) stieg vom Bäckerssohn zum Lehrer a m Pädagogium (1 722) auf; wurde 1735 Bofessor theol. extraord., 1740 Pvof theol. or- din. und leitete nahezu 50 Jahre das Pädagogium (1 734-1 782), siehe auch unten, Fuj3note 31; Rein- hard Henrich Roll (*25. 11. 1683, t2. 10. 1768) war seit 1730 an der Universität Giej3en; zu Chris- toph Matthäus Pfaff p25. 12. 1686, t19. 11. 1760) ugl. http://www. bautz.de/bbkl/p/pfaff_c_m.shtml.

" 1669 zählte man Ca. 3530, 1820 ca. 5000 Einwohner (nach Glöcknel; Kar1 [ed.] 1948. Giej3en 1248-1 948. Giepen: Brühl, Seiten 155 und 21).

l5 Die Universität hatte zwischen 1650 und 1800 jährlich zwischen 40 und 110 Immatrikulationen (an allen Fakultäten zusammen!). Ein Rückgang der Zahlen fällt fir das orthodox-lutherische Giej3en bezeichnenderweise mit der Hochzeit des Pzetismus und der Aufk~ärung zusammen, mit einem ab- soluten Tiefiunkt etwa 1735 bis 1770 (vgl. Praetorius/Knöpp [1957: S. 7-12]). Legt man eine indivi- duelle Studierzeit von etwa vier Jahren zu Grunde, erhält man fir die Mitte des 18. Jh. in Giej3en eine durchschnittliche Studentenzahl u m 200.

I6 Einleitend etwa: »In ipso hoc Lyceo 1.. ] spem illam de TE concitaveras, quae votis meis plane res- pondit, atque plenius, in posterum, haud dubie respondebit.« A m Schluss: »Vale, meque talem TIBI deinceps esse futurum, qualem cognitum adhuc iudicasti, plane confide.~ Dotz sicherlich topolog- scher Formulievungen kommt hier das oben angesprochene vateriich-fveundschaftliche Verhältnis zwischen Benner und Rambach gut zum Ausdruck.

I' Benner (1 758) Gewidmet hat Rambach (1 765: S. 3) diese Dissertation seinen drei Schwagern Griesbach, Nebel und Dietz. Von der Arbeit, die bereits im Gieper Wochenblatt vom 27. 7. 1765 kurz angezeigt worden war (dort das Zitat; vgl. die Abb.), heij3t es im Gieper Wochenblatt vom 10. 9. 1765, Seite 299, wo auch eine anderthalbseitige deutsche Zusammenfassung gegeben wird, dass die Dissertation eine »wohl ausgearbeitete[] Schrijlc sei, die »wegen ihrer Gründlichkeit und damit verkniipjlen deutlichen Schreibart ihrem Hewn Verfasser eben so viele Ehre macht, als el; durch deren gründliche Verthei- digung, die mit einer wohlanständigen Freymüthigkeit geschahe, sich Beyfall erworben hat«.

'"trieder (1 797: S. 21 9)

Zo Horn (1 893: S. 1 f) . Es wurde also nicht »zum Wissen der Alten etwas Neues hinzugefigt [. . .], da ja vielmehr aus ihnen einzig und allein die Wahrheit geschöpj? wuvde« (ibid. 4).

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'' Die Giej3ener Statuten schrieben den Pvofessoren etwa vol; an vier Tagen der Woche zu dozieren, mittwochs, Samstags und Sonntags aber sich den »disputationibus et declamationibus tam publicis quam privatis aliisque exercitiis utilibusc zu widmen (Horn [1893: S. 91; weitere Einzelheiten zum gesamten Thema ibid.). Den Nutzen solcher Disputationen verteidigt z. B. der Giepener Professor Böhm, Andreas 1746. Usum exercitii disputatoni breviter exponit [. . .] Andreas Boehmius [. . .]. Gies- sae: Lammers.

'' Horn (1893: S. 114), Einzelheiten ibid. S. 112-115

'"trieder (1 797: S. 21 9)

24 Klein (1 829), Hansen (1 875), Schädel (1 902, 1905) jeweils passim.

"Alle Rambach-Zitate nach Klein (1829: S. 15). Ergänzungen zum hier Dargestellten sowie weitere Einzelheiten zur Rambach'schen Bibliothek bei Otterbein (1 966).

" Klein (1 829: S. 12)

27 Für einen kurzen Uberblick über das Literaturgenre der laudes urbium siehe Vevf in Wolfenbütte- Zer Renaissance-Mitteilungen 25 (2001): S. 72-75 sowie die dort verzeichnete Spezialliteratur:

Nicht den erstmals 1614 erschienen institutiones rhetoricae, wie Schiffner (2002: S. 39), wohl nach Otterbein (1966: S. 121), schreibt.

'9 Zum 1750 gegriindeten Gieper Wochenblatt, dem Vorläufer des Gieflener Anzeigers, vgl. Cho, Sun- Ju 2000. Das Gieper Wochenblatt. Ein aufklärendes Periodikum in der Pvovinz. Frankfurt et alibi. Lang.

" Diese und die folgenden Zitate nach Schädel (1 902: passim).

31 Das Ende seiner Amtszeit wird meist in das Jahr 1783 gesetzt, so U . a. auch in den Festschriflen un- seres Gymnasiums von 1955 und 1980. Dieses Datum kollidiert jedoch mit Stneders Gelehrtenlexi- kon, wonach Benner u m 8. 7. 1782 verstarb (sein 72x2 auch erwähnt in einem Briefe Goethes vom A u p s t 1782 [WA IV 6, S. 481). Woher Schiffners (2002: S. 39) Angabe stammt, Benner sei neun Jah- re lang Schüler des Pädagogzums gewesen, bleibt unklar: Nach Stneder ist er u m 15. 12. 1699 gebo- ren und hat die Schule, wie damals üblich, mit sechzehn Jahren verlassen, um 1715 an der Giepener Universität zu studieren. Keinesfalls dürfte el; wie heutzutage üblich, mit sechs Jahren »eingeschult« worden sein, zumal das Pädagogum zu jener Zeit nicht über die Klassenstufen Sexta bis Quarta ver- ftlgte. Eine knappe, treffende Charakterisiewng Benners U. a. bei Otterbein (1 966: S. 125).

32 Ausfi~h~lich dazu Schädel (1905: S. 23-27)

3 V g l . den Aufsatz von M . Botor in diesem Band.

" Vgl. htp://www.bautz.de/bbkl/b/bahrdt~k~f:shhnl sowie Haasel; Rolf 1997. Spätau~lävung und Gegenaufilämng. Darmstadt/Marburg: Histor: Kommission [auch unter http://www. uni-gessen.de/ ~g91058/pub~ikationen/dissevtation/inhat. htm].

35 Das Folgende nach Mack, Dieter 1984. Retismus und Riihauflclämng an der Universität Giej3en und in Hessen-Darmstadt. GieJZen: JLU, Seite 284-303, und Stnedel; Bd. 14, (1804: S. 30-40). Schul- Zens Geburts- und Sterbedaten sind die folgenden: *18. 5. 1747, f26. 1. 1806.

" Zitiert nach Klein (1829: S. 12).

j7 Alle Zitate, auch i m folgenden, nach dem i m Staatsarchiv Damstadt befindlichen Schriftstück, Ar- chivnr: HStAD G 26a, Nr: 395/12.

" E , H.l? Buff (*24. 10. 1753, f27. 2. 1820) ist nach Rösch (Rösch, Siegfned 1953. Die Familie Buff Neustadt/Aisch: Degenel; Seite 33) »um 1784 fürstl. Regiemngsadvokat in GieJen.. Seine Groj.Zmut- ter mütterlicherseits, Kathanna Lucretia Orth (1 683-1 755), stammt von den Goetheahnen Orth-von Petershain ab.

Die Abkürzung N N. in Rambachs Schreiben kann entweder nostri bzw. nostrorum oder nomen nescio heifien, was aber beides nicht in den Zusammenhangpasst. So dürfte darunter eher notetur nomen (»der Name möge [später] eingesetzt werden«) zu verstehen sein.

39 Dietz hat Goethe i m A u p s t 1793 u m »geneigten Beistand und Empfehlung« gebeten, als er der Nach- folger des Pvokurators a m Wetzlarer Reichskammergericht werden wollte. Vgl. die Regestausgabe der Briefe Goethes: http://ora-web. weimar-klassik.de: 7777/goe-reg-onZine/regest. vollanzeigel ?id = 721.

Benner wird i m zweiten Buche von Dichtung und Wahrheit erwähnt (MA XVI 81), Gnesbach im vierten (MA XVI 182) und sechsten JMA XVI 265), Rambachs Schwestev im achten (MA XVI 363f).

" Klein (1 829: S. 16).

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