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ARIADNE AUF NAXOS RICHARD STRAUSS
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Ariadne auf Naxos

Apr 08, 2016

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ARIADNE AUF NAXOS

RICHARD STRAUSS

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ARIADNE AUF NAXOS

RICHARD STRAUSS (1864-1949)

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ARIADNE AUF NAXOS

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VORSPIEL Aufregung herrscht im Hause des reichsten Mannes in Wien vor der Urauffüh­rung der Oper Ariadne auf Naxos. Der Musiklehrer des Komponisten hat er­fahren, dass nach diesem bedeutenden Auftragswerk noch eine lustige Tanz­maskerade gegeben werden soll, wofür man die Tänzerin Zerbinetta mit ihren Partnern engagiert hat. Als er deshalb den Haushofmeister zur Rede stellt, muss er sich sagen lassen, dass alles nach dem Willen des gnädigen Herren zu gesche­hen habe, der das Spektakel schliesslich bezahle.

Der Komponist fiebert der Aufführung seiner Oper entgegen. Seine Bemü­hungen, noch letzte Proben mit den Mitwirkenden zu arrangieren, schlagen fehl. Hilflos zwischen Lakai, Tenor und Perückenmacher hin­ und herlaufend, ver­gisst er plötzlich die Welt um sich herum und sinnt einer Melodie nach. Zerbi­netta, die mit dem Tanzmeister eintritt, erregt seine Aufmerksamkeit. Als der Musiklehrer ihm aber gestehen muss, dass dieses «entzückende Mäd chen» nach der Oper ein lustiges Nachspiel geben wird, ergreift den Komponisten rasen de Wut. Er ergeht sich in wüsten Beschimpfungen, und erst die Erinnerung an die eben gefundene Melodie besänftigt ihn wieder.

Alle sind bereit für ihren Auftritt, als der Haushofmeister im Namen seines unsichtbar bleibenden Herrn verkündet, dass das vorgesehene Programm geän­dert worden sei: Die Tanzmaskerade soll nicht als Nachspiel zur Oper, sondern mit dieser gleichzeitig aufgeführt werden. Alle sind wie gelähmt; für den Kom­ponisten bricht seine Welt zusammen. Nur der Tanzmeister sieht keine allzu grossen Schwierigkeiten; schliesslich seien seine Leute Meister im Improvisieren. Den Komponisten allerdings müsse man dazu bringen, einige Längen seiner Oper zu beseitigen. Alle reden auf den Komponisten ein, der sein Werk zu schützen versucht, während der Tanzmeister Zerbinetta die Handlung der Oper erklärt: Ariadne sei von ihrem Liebhaber verlassen worden, sie verzehre sich in Todes­sehn sucht, bis sie in den Armen des jugendlichen Gottes Bacchus Trost fände. Zerbinetta sieht darin nichts als den Wechsel von einem Liebhaber zum nächsten, während der Komponist vergeblich versucht, ihr die wahre Bedeutung seines Werkes zu erklären. Als sie seine Verzweiflung bemerkt, gibt Zerbinetta ihm zu

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verstehen, dass sie nicht die oberflächliche Person sei, für die man sie immer halte; sie sei missverstanden von der Welt wie er. Der Komponist vermeint, in ihr seine Ariadne gefun den zu haben, jene Frau, die nur einmal im Leben liebt, und singt ein Preislied auf die Musik. Doch seine Euphorie ist nicht von langer Dauer. Als alle sich zum Auftritt versammeln, bricht er zusammen: Lieber möch­te er zugrunde gehen, als die bevorstehende Katastrophe zu erleben.

OPERAriadne hat sich in ihren Schmerz vergraben. Ihre Umwelt hat sich damit abge­funden, sie stets weinend und in starrer Trauer zu erleben. Während das Leben um sie herum weitergeht, gibt sich Ariadne abwechselnd Todesfantasien und Er innerungen an ihre glückliche Vergangenheit hin. Jeglicher Versuch, sie mit gut gemeinten Worten zu trösten, führt nur dazu, sie in ihrem Todeswunsch zu bestärken.

Schliesslich versucht Zerbinetta, von Frau zu Frau mit ihr zu reden. Sie selber wisse auch um die schmerzliche Erfahrung, verlassen zu werden und der Verzweiflung ausgesetzt zu sein. Unversehens gibt sie Dinge von sich preis, die sie sich selber einzugestehen nicht erlaubt.

Während Ariadne sich stumm zurückzieht, wird Zerbinetta in ihre Welt zu rückgeholt. Von den sie begehrlich umschwärmenden Männern trägt Harlekin den Sieg davon.

Aufgeregte Stimmen berichten von der Ankunft eines jungen Mannes, der den Fängen einer Verführerin entkommen sei. Seine Stimme trifft Ariadne mit­ten ins Herz. Für einen Moment glaubt sie, ihren Geliebten vor sich zu haben, doch dann ist sie sicher, dem von ihr so sehr her beigesehnten Todesboten ge­genüber zu stehen. Verwirrt von Ariadnes Fragen, wie er die Verwandlung her­ beizuführen gedenke, glaubt sich der Mann einer neuerlichen Verführung aus­gesetzt, fühlt sich aber zugleich fasziniert und angezogen von dieser rätselhaf ten Frau, die – so begreift er – den Gott in ihm erkannt hat. Im gegenseitigen Ver­kennen steigern sich beide in ihr ersehntes Schicksal und sinken sich in die Arme.

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Michelle BreedtSpielzeit 2OO6/O7

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Elena Moşuc, EnsembleSpielzeit 2OO6/O7

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So war dies Griechenland, dies die Antike? Ein Gefühl der Enttäuschung fiel mich an. Ich setzte mich auf eines der Trümmer, die da an der Erde lagen und auf die ewige Nacht zu warten schienen; Stufe zu einem Heiligtum, unkenntliches Bruch stück von einem Altar, oder göttliche Gestalt, abgeschliffen zu einem rund­lichen Stück Stein, ich setzte mich auf eins dieser Trümmer und kehrte der Säule den Rücken.

Diese Griechen, fragte ich in mir, wo sind sie? Ich versuchte mich zu erin­nern, aber ich erin nerte mich nur an Erinnerungen, wie wenn Spiegel einander widerspiegeln, endlos. Namen schwebten herbei, Gestalten; sie gingen ineinan­der über ohne Schönheit; als löste ich sie auf in einem grünlichen Rauch, darin sie sich verzehrten. Was war das, was ich an ihnen trieb? Ich prüfte mich selber. Es war nichts anderes als der Fluch der Vergänglichkeit, mit dem ich sie be­hauchte; das kleine Wort «Gewesen» war stärker als diese ganze Welt. Ich warf die Zeit auf sie und ich sah, wie ihre Gesichter grünlich wurden, vergingen.

Dass sie längst dahin waren, darum hasste ich sie, und dass sie so rasch da­ hin gegangen waren. Ihre paar Jahrhunderte, die elende Spanne Zeit, jenseits des ungeheuren Abgrundes; ihre Geschichte, dieser Wust von Fabel, Unwahrheit, Gewäsch, Verräterei, Furcht, Neid, Worten; das ewige Prahlen darin, die ewige Angst darin, das rasche Vergehen. Schon war ja alles nicht, indem es zu sein glaubte! Und darüber schwebend die ewige Fata Morgana ihrer Poe sie; und ihre Götter selber, welche unsicheren, vorüberhastenden Phantome: da standen Chronos und die Titanen, grässlich und gross, schon waren sie dahin, von den eigenen Kindern gestürzt und vergessen; dann treten jene anderen heran, die Olympischen, wer glaubte sie? Schon waren auch sie vorüber, gelöst in einem farbigen Nebel, verklungen zum Echo ihrer selbst; Götter, ewige? Schon waren

AUGENBLICKE IN GRIECHENLAND

Hugo von Hofmannsthal

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sie dahin, milesische Märchen, eine Dekoration an die Wand ge malt im Hause einer Buhlerin.

Wo ist diese Welt, und was weiss ich von ihr! rief ich aus. Wo fasse ich sie? Wo glaube ich sie? Wo gebe ich mich ganz an sie? Hier! oder nirgends. Hier ist die Luft und hier ist der Ort. Dringt nichts in mich hinein? Da ich hier liege, wirds hier auf ewig mir versagt? Nichts mir zuteil als dieses Gräuliche, diese ängstliche Schattenahnung?

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Noch vor der Premiere des Rosenkavalier im Januar 1911 in Dresden beschlos­sen Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss, dem befreundeten Regisseur Max Reinhardt, der bei der Inszenierung des Rosenkavalier hilfreich eingesprun­gen war, ein Werk zu widmen. Es sollte vor allem der Vielseitigkeit Reinhardts huldigen, und so entstand der Plan, eine Komö die Molières – Der Bürger als Edelmann – mit einer halbstündigen Oper für kleines Kam mer orchester zu koppeln, die – so Hofmannsthal an Strauss – «in meinem Kopf so gut wie fertig ist, benannt Ariadne auf Naxos, und gemischt aus heroisch­mythologischen Figuren… und aus Figuren der Commedia dell’arte, Harlekins, Scaramouches, welche ein mit dem he ro ischen Element fortwährend verwebtes Buffo­Element tragen… ich glaube, das kann etwas sehr Reizendes werden, ein neues Genre, das scheinbar auf ein älteres wieder zurückgreift, wie ja alle Entwicklung sich in der Spirale vollzieht.» Im Verlaufe der Arbeit wuchs sich jedoch die kleine Kammeroper fast auf das Dreifache der geplanten Dimensionen an: zu fruchtbar war das Zusammenspiel vermeintlich unvereinbarer Formen.

In der von Hofmannsthal bearbeiteten Komödie Molières versucht Jordain, ein neureicher Pariser Bürger in die adeligen Kreise aufzusteigen. Zu diesem Zweck gibt er u.a. ein Diner in seinem Hause, als dessen Höhepunkt die Oper Ariadne auf Naxos zur Aufführung gelangen soll. Doch der Abend verläuft nicht wie geplant. Um sich dennoch mit einer genialen Idee in Szene zu setzen, be­schliesst Jordain die Oper und das danach geplante Stegreifspiel einer italienischen Komödiantentruppe gleichzeitig auf die Bühne zu bringen. Dieser Entschluss wird in einer von Hofmannsthal eingefügten Überleitungsszene den Akteuren überbracht.

EINES DER «ALLER-HEIKELSTEN

GEBILDE»Ronny Dietrich

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Für die Uraufführung an der Stuttgarter Hofoper standen erste Kräfte aus Ber­lin, Dresden und Wien zur Verfügung, Reinhardt hatte die szenische Gesamt­leitung und Richard Strauss liess sich (zum ersten und letzten Mal) dazu über­reden, eine eigene Uraufführung zu dirigieren. Unter diesen Bedingungen schien ein durchschlagender Erfolg vorprogrammiert, doch das Publikum sah sich am Abend des 25. Oktober 1912 auf eine harte Probe gestellt. «Zwei Dinge» – so Richard Strauss in seinen Erinnerungen – «waren nicht bedacht worden. 1., dass das Publikum auf die Straussoper so gespannt war, dass es dem prächtigen Molière nicht das nötige Interesse entgegenbrachte. 2., dass der liebenswürdige König Karl von Würt temberg nach Molière in bester Absicht einen 3/4­stündigen Cercle abhielt, der die 1 1/2 ­stündige Ariadne etwa 2 1/2 Stunden nach Theater­anfang beginnen liess, vor einem bereits etwas verstimmten und ermüde ten Publikum.… Die hübsche Idee – von der nüch tern sten Prosakomödie bis zum reinsten Musikerlebnis – hatte sich praktisch in keinster Weise bewährt; ganz banal gesprochen: weil ein Publikum, das ins Schauspielhaus geht, kei ne Oper hören will, und umgekehrt. Man hatte für den hübschen ‹Zwitter› kein kulturel­les Verständ nis.»

Zwar wurde das Werk in der Folge von anderen Bühnen, auch Zürich, nachgespielt, doch machte man es sich zur schlechten Gewohnheit, das Schau­spiel immer mehr zu verstümmeln, so dass Hofmannsthal schliess lich vorschlug, die Oper definitiv von der Komödie Molières zu trennen. Stattdessen wollte er seine Überleitungsszene erweitern. Die Handlung wurde von Paris nach Wien verlegt und die Figur des Molièreschen Bürgers durch den Haushofmeister des reichsten Mannes in Wien ersetzt.

Strauss, zunächst von der Umarbeitung nicht sehr angetan, liess sich schliesslich von Hofmannsthals Begeisterung anstecken und unterbrach sogar seine Arbeit an der mittlerweile begonnenen Frau ohne Schatten, um das neue Vorspiel zu vertonen. Auch die Ariadne­Oper selbst wurde bei dieser Gelegen­heit nochmals überarbeitet – die Virtuosität und Schwierigkeit der Zerbinetta­Arie etwas gemildert, einige Passagen gestrichen und ein den neuen Gegeben­heiten entsprechender Schluss gefunden.

Hofmannsthal nutzte die Chance des neuen Vorspiels dazu, die ihm an Herzen liegende Thematik der Oper ausführlich zu beleuchten, hatte es ihn doch

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schon grösste Mühe und unzählige Briefe an Strauss gekostet, diese ihm nahe zu brin gen. Die Oper dreht sich um das «simple und ungeheure Lebensproblem: das der Treue. An dem Verlorenen festhalten, ewig beharren, bis an den Tod – oder aber leben, weiterleben, hinwegkommen, sich verwandeln, die Einheit der Seele preisgeben, und dennoch in der Verwandlung sich bewahren, ein Mensch bleiben, nicht zum gedächtnislosen Tier herabsinken. So steht hier die Gruppe der Heroen, Halbgötter, Götter – Ariadne – Bacchus – (Theseus) – gegen die menschliche, nichts als mensch liche Gruppe der leichtfertigen Zerbinetta und ihrer Begleiter, dieser gemeinen Lebensmas ken. Zerbinetta ist in ihrem Element, wenn sie von einem zum anderen taumelt, Ariadne konnte nur eines Mannes Gattin oder Geliebte, sie kann nur eines Mannes Hinterbliebene, Verlassene sein. Eines freilich bleibt übrig, auch für sie: das Wunder, der Gott. Sie gibt sich ihm, denn sie nimmt ihn für den Tod: er ist Tod und Leben zugleich, die ungeheue ren Tiefen der eigenen Natur enthüllt er ihr, macht sie selber zur Zauberin, zur Magierin, die die arme kleine Ariadne verwandelt hat, zaubert ihr in dieser Welt das Jenseits hervor, bewahrt sie und verwandelt sie zugleich. Was aber ein wirk li ches Wunder ist für göttliche Seelen, für die irdische Seele der Zerbinetta ist es das Alltägliche. Sie sieht in dem Erlebnis der Ariadne das, was sie eben da rin zu sehen vermag: den Tausch eines neuen Liebhabers für einen alten. So sind die beiden Seelenwelten in dem Schluss ironisch verbunden, wie sie eben verbunden sein können: durch das Nichtverstehen.»

In dieser neuen und heute üblicherweise gespielten Gestalt gelangte Ariad­ne auf Naxos am 4. Oktober 1916 in Wien zur umjubelten Uraufführung, und dem ursprünglich als «Neben sache» geplanten Werk merkt man nichts von den vielen Kämpfen und Diskussionen an, die seine Entstehung begleitet haben. Für Richard Strauss bedeutete das nachkomponierte Vorspiel zudem den Durch­ bruch zu einer neuen Art des Komponierens: «Ihr Notschrei gegen das Wagner­sche ‹Musizieren› ist mir tief zu Herzen gegangen und hat die Tür zu einer ganz neuen Landschaft aufgestossen, in der ich, von Ariadne und besonders dem neuen Vorspiel geleitet, mich ganz ins Gebiet der unwagnerischen Spiel­, Ge­müts­ und Menschenoper zu begeben hoffe… Ich danke, dass Sie mir den Star gestochen», schreibt er an Hofmannsthal.

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Richard Strauss ist in der Wagnerschule gross geworden und – so der Diri gent der Premiere Christoph von Dohnányi – es muss ein ungeheuerer Kraftakt von ihm gewesen sein, sich daraus zu lösen. Kurz nach der Elektra­Premie re hatte er verlauten lassen, dass er als nächstes ei ne Mozart­Oper zu schreiben gedenke, was ihm zwar mit dem Rosenkavalier nicht gelang, aber in dieser Oper im Hin­tergrund wirksam ist. Und man muss Mozart gut kennen, um den Rosen kavalier zu verstehen.

Auch in der Ariadne auf Naxos wurde Mozart von den Autoren in Gestalt des Komponisten mitgedacht, und wollte man eine Gattungsbezeichnung aus dem 18. Jahrhundert wählen, so wäre Ariadne am ehesten als Dramma gioco­so zu bezeichnen. Auf raffinierte Weise umgeht Strauss dabei das Rezitativische im traditionellen Sinn, indem er die Celesta in der Ariadne­Welt und das Klavier in der Zerbinetta­Welt gleichsam als Continuo­Instrumente einführt, wodurch eine atmosphärische Verstärkung und zugleich Verfremdung stattfindet.

Die Oper weist in ihrer Nummernabfolge eine genau gebaute Symmetrie auf: dem Nymphen terzett mit der durch zwei Einschübe unterbrochenen drei­teiligen Arie der Ariadne entspricht die gleichfalls vom Nymphenterzett einge­leitete und zweimal unterbrochene Bacchus­Arie. Zwischen diesen beiden Tei­len eingeschoben sind die beiden Quintette der opera buffa­Truppe mit der Arie der Zerbinetta im Zentrum. Dem «Wunder der Verwandlung», das in vielen Opern von Strauss thematisiert wird, ist dann das grosse Schluss duett vorbehal­ten. In diesem gelingt es Strauss dann, trotz des kleinen Orchesterapparates von 36 Musikern riesi ge Klangwelten aufzubauen, was insbesondere für den Tenor eine grosse Ökonomie der stimmlichen Mittel verlangt. Im Grunde ist der Bac­chus eine Partie für zwei Tenöre, dem – wie immer wieder in der Partitur ange­merkt und auch von Hofmannsthal eingefordert – der Arie, die «ganz jung, zartest im Ton» gehalten sein soll, und dem dramatischen des Duetts. Ein Sachverhalt, wie er etwa auch bei Beethovens Florestan im Fidelio oder bei Bizets Don José in Carmen anzutreffen ist.

Hier braucht es viel von Straussens eigenem dirigentischen Talent, um das Orchester mit den Singstimmen auszubalancieren. Denn Textverständlichkeit steht für Christoph von Dohnányi an oberster Stelle, zumal bei einer Oper wie dieser, in deren Vorspiel Strauss die Sprache auf das Virtuoseste handhabt und

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der Sprachmelodie bis in die kleinsten Verästelungen folgt. Dass dabei die rhyth­mi sche Notation nicht in jedem Detail folgen kann, liegt auf der Hand. Und un abdingbar ist dabei die Beherrschung des echten Parlandos, denn, wie Cle­mens Krauss in einem Brief an Strauss vermerkte, wer es nicht beherrscht, wird zugedeckt.

Regisseur Claus Guth begreift seine Auseinandersetzung mit dem verwir­rend vielschichtigen Werk als Chance, dem Gespann Hofmannsthal­Strauss weiter auf die Spur zu kommen, hat der Dichter selbst doch etliche Hinweise darauf gegeben, unter wie vielen Oberflächenreizen der Kern seiner Dichtung sich verbirgt. So lesen wir in einem Brief an Richard Strauss vom 23. Juli 1911: «Lassen Sie mich noch über den Punkt, der Sie beschäftigt: das Verstehen und Nichtverstehen… ein paar Worte sagen. Das eigentlich Poetische eines Dich­terwerkes, der wirkliche Gehalt, wird zunächst niemals verstanden. Verstanden wird nur das, woran nichts zu verstehen ist, die glatte Anekdote: Tosca, Madame Butterfly etc. Das Höhere, das Wesentliche bleibt unerkannt ausnahmslos. Das poetisch Wesenhafte wird allmählich, sehr allmählich begriffen; von ganz weni­gen, die dem Dichter nahe stehen, geht dieses Verständnis aus und braucht Dezennien, um sich zu verbreiten. Aber freilich muss dem dichterischen Gebil­de auch noch irgendeine Kraft innewohnen, die sich als wirksam auch auf die nichtverstehende Masse betätigen muss. Hier in der Ariadne ist dem Publikum in dem stilisti schen Reiz dieser Rahmen­Oper, in der bizarren Mischung des Heroischen mit dem Buffo, in den zierlich gereimten Versen, den geschlossenen Nummern, dem ganzen schein bar puppenhaft Spielerischen, zunächst etwas gegeben, womit es nach Kinderart ins Maul fahren kann. Dann habe ich die Haupthandlung wohlweislich so behandelt, dass sie dem Durchschnittshörer etwas äusserst Vertrautes ist; Ariadne, von Theseus verlassen, von Bacchus ge­tröstet, kurz Ariadne auf Naxos, das ist wie Amor und Psyche etwas, das jeder vor sich sieht, und wäre es auch als gipserne Ofenfigur.»

Auf Straussens lapidare Unterstellung, die «Handlung [der Oper] an sich in teressiert nicht», antwortet Hofmannsthal postwendend, das «seelische Ge­we be ist das Eigentliche und das andere (was Sie mit dem treffenden Wort Ar ­chi tek tur garten bezeichnen) ist nur drum herum, so wie im Rosenkavalier das Zeitkolorit, das Zeremoniell, der Dialekt usf. um das Eigentliche herum ist.»

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Im Bemühen, vom «drum herum» zum «Eigentlichen» vorzudringen, gelang­ten Claus Guth und sein Bühnen­ und Kostümbildner Christian Schmidt zu der Frage, was es denn mit den auf allen Ebenen postulierten, scheinbar klar gesetz­ten Gegensatzpaaren auf sich hat. Die Realität des Vorspiels auf dem Theater gegen das Artifizielle der Oper, die Gattung der opera seria gegen die opera buffa samt deren ernsthaften bzw. leichtfertigen Vertretern, aber auch das Leben gegen die Kunst, Sein gegen Schein, Treue gegen Treulosigkeit, tödliche Er­starrung gegen lebendige Verwandlung.

Doch schon im Vorspiel werden die Grenzen aufgehoben. Ausgerechnet Zerbinetta, die stiller Übereinkunft nach mit ihrer Rolle identifiziert wird, gibt zu erkennen, dass sie auf dem Theater nur eine Rolle spiele und sich nach dem einen sehnt, dem sie treu sein könnte bis ans Ende. Und während Hugo von Hofmannsthal ihr dabei Koketterie unterstellen will, lässt Strauss ihrem kleinen Duett mit dem Komponisten eine Ernsthaftigkeit zuwachsen, an der man nicht zweifeln mag.

Was von den Autoren als spitzfindige und ironische Abrechnung mit den Unwägbarkeiten des Theateralltags beginnt, die in Claus Guths Inszenierung durch die Besetzung des Haushofmeisters mit dem langjährigen Intendanten Alexander Pereira eine zusätzliche Doppelbödigkeit erfährt, wächst sich zuneh­mend zu einem kafkaesken Albtraum insbesondere für den Komponisten aus, der mit immer heftiger werdenden Gefühlsausbrüchen zwischen himmelhohem Jauchzen und tiefster Verzweiflung darauf reagiert.

Kurz vor dem finalen Zusammenbruch gelingt es Zerbinetta für einen Moment ihn gewisser massen zu erden, auf eine zwischen menschliche Ebene zu heben, die ihm letztlich aber doch wieder zu einer Folie seiner Kunst, der «hei­ligen Musik» wird.

Vorhänge als Chiffre für Theater bilden den Raum für dieses Vorspiel, an dessen Ende die angekündigte gleichzeitige Aufführung der opera seria Ariadne auf Naxos und des Singspiels Die ungetreue Zerbinetta und ihre vier Liebhaber jeglicher realistischen Grundlage entbehrt. Die Identitäten der Protagonisten befinden sich zudem in einem Schwebezustand zwischen Ablegen der eigenen Persönlichkeit und dem Annehmen der ihnen zugedachten Rolle. Und inwieweit nicht schon das Betreten eines Theaters ein Rollenspiel bedingt, sei dahin gestellt.

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Wird das Vorspiel in der Zürcher Inszenierung von Claus Guth und Christian Schmidt auf seinen Realitätsgehalt hin in Frage gestellt, so wird auch die Oper auf ihren Kunst charak ter hin untersucht, sind doch gerade in diesem ein malig artifiziellen Gebilde tiefste menschliche Wahrheiten verborgen. Auch hier scheint die Setzung von zwei sich ausschliessenden Lebensprinzipien zunächst absolut, doch in noch höherem Masse als im Vorspiel durchdringen sich die Gegen sätze und spiegeln einander. Zahllos sind die motivischen Querverbindun gen, Bezü­ge und Spiegelungen, die Strauss in seiner Ariadne auf Naxos­Partitur schuf, und selten entstand wohl ein so enges Beziehungsgeflecht innerhalb einer selbst­auferlegten Materialbeschränkung bei einem Libretto, das die Kunst gegen das Leben ausspielt.

Den von Hofmannsthal intendierten Parallelen der Konstellation Kompo­nist/Zerbinetta – Bacchus/Circe entspricht Strauss, indem er das Bacchus­Motiv in das des Komponisten integ rierte. Circes Annäherung an Bacchus, das die Nymphen als «frech und überheblich» bezeichnen, findet seine Entspre­chung in Zerbinettas Ausruf «Männer! Lieber Gott!». Auffällig ist aber dann eine Verwandtschaft dieses Motivs, das leicht abgewandelt Zerbinettas Ent schei­dung für einen Mann, nämlich Harlekin, begleitet, mit dem Motiv der Ariadne. Ariadne wiederum «unterstellt» Strauss in dem Moment, in dem sie sich dem Tod hinzugeben meint, dass sich auch schon in ihr Herz «einer nie gekosteten Freiheit schweifendes freches Gefühl» (Zerbinetta­Arie) einmische.

Verblüffend ist weiterhin die Analogie des Verwandlungsthemas von Bac­chus und Ariad ne mit der Wendung des Buffo­Quintetts «Wie will ich mich geschmeidig um die hübsche Puppe drehn.» Der über solche musikalische Sub­texte erfolgenden Annäherung der beiden scheinbar so gegensätzlichen Frauen­gestalten entspricht auch die Dichtung. Die «wüste Insel», auf der sich Ariadne befindet, gerät in der Formulierung Zerbinettas zur Metapher: «Ach, dieser wüsten Inseln sind unzählige, auch mitten unter Menschen. Ich selber, ich habe ihrer mehrere bewohnt», und zunehmend evident wird, dass beide Frauen zwar unterschiedliche Lebensauffassungen haben, im Grunde aber dasselbe Problem: die Suche nach der eigenen Identität.

Beide definieren sich über den Mann/die Männer und haben sich dabei selber verloren. Zerbinetta liess sich von jedem «neuen Gott» umwandeln, doch

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waren es «niemals Launen, immer ein Müssen». Ariadne hat sich Theseus so sehr verbunden, dass von ihr selber nichts mehr geblieben ist. Ihr Wille zu sterben gipfelt in dem Wunsch sich (erneut) «ganz zu verlieren» und nachdem sie sich dem vermeintlichen Todesboten (Bacchus) hingegeben hat, stellt sie die Frage: «Was bleibt, was bleibt von Ariadne?»

Hofmannsthal bezeichnete die Gattung der mythologischen Oper als eine Form, die es wie keine zweite erlaube, die «rasenden inneren Spannungen» aus­zudrücken, die «die Signatur unseres Lebens» sind, denn «das Maximum unserer Menschennatur lässt sich nicht durch die Natürlichkeit einfangen». Daher soll­ten wir «all diese mythischen Elemente» als «Verkürzungen für Seelenvorgänge» auffassen und in ihnen «immer Ausdruck, niemals Mitteilung» sehen: «Soll ich Ihnen noch ein Wort über Bacchus beifügen? Mir ist, es könn te geschehen, dass Sie sich unter der Arbeit plötzlich fragten: Wer ist Bacchus? Wen verbirgt diese Maske, da hier alles nur Maske des niederen oder höheren Lebens ist? Denn das fühlen Sie, wie ich es mir nun, indem ich diese Zeilen schreibe, bewusst werde: ich bin hier überall so weit von aller Mythologie, dass der blosse mythisch­anek­dotische Zusam menhang mich nicht mehr trägt. Ich habe die Balken dieses alten Flosses schon am Ufer ge löst und muss, will ich nicht sinken, auf der nackten Welle ans Ziel kommen.»

Anlass, unter den mythologischen Schichten nach dem realen Kern zu for schen, gibt zudem eine für Hofmannsthal wichtige Begegnung: Während der Arbeit an Ariadne auf Naxos kam er mit Ottonie von Schwartz in Kontakt, einer jungen Frau, die nach kurzer glücklicher Ehe ihren Mann verlor und sich ganz in ihre Trauer und die Beschwörung der Vergangenheit eingrub. Innerlich gebrochen überkamen sie regelmässig Selbstmordan wand lungen, um die Ver­einigung mit dem Geliebten im Tod zu erzwingen. Liest man den 1986 veröf­fent lich ten Briefwechsel zwischen ihr und dem Dichter, so zeichnen sich in zahl reichen Formulierungen und Argumen tationen Hofmannsthals erstaunli­che Parallelen ab zu dem Liedchen des Harlekins und vor allem auch dann des Bac chus, Ottonie/ Ariadne zu neuem Leben zu ermutigen. Hofmannsthals mis­sio na rischer Einsatz für das «Öperchen» offenbart also biografische Wurzeln und so verwundert es nicht, dass er Strauss darauf hinwies, dass besonders die Figur der Ariadne «ganz wirklich, so wirklich wie die Mar schal lin» zu sein habe

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und Straus sens Musik solle «es ausser allen Zweifel setzen, dass hier nichts Ba­rockes, nichts Verschäfertes, sondern Seelenhaft­Wirkliches, Wahres zu geben vermeint war.»

Um den höchstmöglichen Realitätsgrad für ihre Lesart zu erzielen, verleg­ten Claus Guth und Christian Schmidt die «Oper in der Oper» an einen Ort, der für Zürich berühmt ist und zugleich auch einen eigenen Mythos besitzt.

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Emily MageeSpielzeit 2OO6/O7

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Klage der Ariadne

Wer wärmt mich, wer liebt mich noch?Gebt heisse Hände!gebt Herzens-Kohlenbecken!Hingestreckt, schaudernd,Halbtodtem gleich, dem man die Füsse wärmt,geschüttelt ach! von unbekannten Fiebern,zitternd vor spitzen eisigen Frostpfeilen,von dir gejagt, Gedanke!Unnennbarer! Verhüllter! Entsetzlicher!Du Jäger hinter Wolken!Darnieder geblitzt von dir,du höhnisch Auge, das mich aus Dunklem anblickt!So liege ich,biege mich, winde mich, gequältvon allen ewigen Martern,getroffen von dir, grausamster Jäger,du unbekannter – Gott ...

Triff tiefer!Triff Ein Mal noch!Zerstich, zerbrich dies Herz!Was soll dies Marternmit zähnestumpfen Pfeilen?Was blickst du wiederder Menschen-Qual nicht müde,mit schadenfrohen Götter-Blitz-Augen?Nicht tödten willst du,nur martern, martern?Wozu – mich martern,du schadenfroher unbekannter Gott?Haha!Du schleichst heranbei solcher Mitternacht? ...Was willst du?Sprich!Du drängst mich, drückst mich,Ha! schon viel zu nahe!

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Du hörst mich athmen,du behorchst mein Herz,du Eifersüchtiger!– worauf doch eifersüchtig?Weg! Weg!wozu die Leiter?willst du hinein,ins Herz, einsteigen,in meine heimlichstenGedanken einsteigen?Schamloser! Unbekannter! Dieb!Was willst du dir erstehlen?Was willst du dir erhorchen?was willst du dir erfoltern,du Folterer!du – Henker-Gott!Oder soll ich, dem Hunde gleich,vor dir mich wälzen?Hingebend, begeistert ausser mirdir Liebe – zuwedeln?Umsonst!Stich weiter!Grausamster Stachel!Kein Hund – dein Wild nur bin ich,grausamster Jäger!deine stolzeste Gefangne,du Räuber hinter Wolken ...Sprich endlich!Du Blitz-Verhüllter! Unbekannter! sprich!Was willst du, Wegelagerer, von – mir?...Wie?Lösegeld?Was willst du Lösegelds?Verlange Viel – das räth mein Stolz!und rede kurz – das räth mein andrer Stolz!Haha!Mich – willst du? mich?mich – ganz?...Haha!

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Und marterst mich, Narr, der du bist,zermarterst meinen Stolz?Gieb Liebe mir – wer wärmt mich noch?wer liebt mich noch?gieb heisse Hände,gieb Herzens-Kohlenbecken,gieb mir, der Einsamsten,nach Feinden selber,nach Feinden schmachten lehrt,gieb, ja ergiebgrausamster Feind,mir – dich! ...Davon!Da floh er selber,mein einziger Genoss,mein grosser Feind,mein Unbekannter,mein Henker-Gott! ...Nein!komm zurück!Mit allen deinen Martern!All meine Thränen laufenzu dir den Laufund meine letzte Herzensflammedir glüht sie auf.Oh komm zurück,mein unbekannter Gott! mein Schmerzmein letztes Glück! ...Ein Blitz. Dionysos wird in smaragdener Schönheit sichtbar.Dionysos:Sei klug, Ariadne! ...Du hast kleine Ohren, du hast meine Ohren:steck ein kluges Wort hinein! –Muss man sich nicht erst hassen, wenn man sich lieben soll?...Ich bin dein Labyrinth ...

Friedrich Nietzsche

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Satyrspiel am Schluss

Einmischen: kurze Gespräche zwischen Dionysos, Theseus und Ariadne– Theseus wird absurd, sagte Ariadne, Theseus wird tugendhaft – Eifersucht des Theseus auf Ariadnes Traum. Klage der Ariadne. Der Held sich selbst bewundernd, absurd werdend, Dionysos ohne Eifersucht: «Was ich in dir liebe, wie könnte das ein Theseus lieben»?– – – Letzter Akt. Hochzeit des Dionysos und der Ariadne.«man ist nicht eifersüchtig, wenn man Gott ist: sagte Dionysos, es sei denn, auf Götter.»«Ariadne, sagte Dionysos, du bist ein Labyrinth: Theseus hat sich in dich verirrt, er hat keinen Faden mehr; was nützt es ihm nun, dass er nicht vom Minotaurus gefressen wurde? Was ihn frisst, ist schlimmer als ein Minotaurus.»«Du schmeichelst mir» antwortete Ariadne: «ich bin meines Mitleids müde, an mir sollen alle Helden zu Grunde gehen: das ist meine letzte Liebe zu Theseus: ich richte ihn zu Grunde».

Friedrich Nietzsche

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Die Grossen dieser Welt haben in der Kronenhalle ihre Spuren hinterlassen: Einstein so gut wie Niels Bohr. Die Fotografie von James Joyce, der die letzten Jahre seines Lebens fast täglich abends in der Kronenhalle verbrachte, hängt nun über fünfzig Jahre an der Wand. Anlässlich einem seiner letzten Besuche schenkte der grosse Dichter kurz vor seinem Tod Hulda Zumsteg seine Werke mit einer persönlichen Widmung. Ihr Leben lang hat Hulda Zumsteg sich an die Lieblingsgerichte von Thomas Mann erinnert. Igor Strawinsky gehörte zu den treuen Gästen und bekam immer seinen ihm angestammten Platz. Richard Strauss schickte ihr bei einem seiner letzten Besuche Rosen und dankte, dass die Kronenhalle zu seinem Zuhause geworden war.

Die Kronenhalle hat viele Gesichter. Am beliebtesten ist zweifellos die Brasserie. Hier sitzen alle, die sich zu ihren Einheimischen zählen. Sie ist ihr eigentliches Herz. Mit ihren getäfelten Wänden und einem Fries der Zürcher Zunft­Wappen strahlt sie reine Gemütlichkeit aus. Hier sitzen die Insider, jene, die einfach zur Kronenhalle gehören. Hier trifft man mit Sicherheit ein bekann­tes Gesicht. Hier möchte man gesehen werden und selbst sehen. Ein Summen lebhafter Gespräche liegt über ihr. Nur einen Schritt daneben herrscht im Speise­saal des Parterres eine Atmosphäre ruhiger Eleganz. Chagalls blaues Bild «mit den Gladiolen» dominiert den Saal und leuchtet wie ein unverrückbares Symbol von Schönheit und Kunst erlebnis zwischen den Gästen, die hier aus aller Welt zusammenströmen.

Wer nicht hineingehört, wird wieder hinausgehen. Es ist, als wenn ein Geist durch diese Räume wehen würde, an dem wiederum die Geister sich scheiden. Wo interessante Menschen sind, da werden andere angezogen. Das ist ein Sog, eine unwiderstehliche Kraft. Menschen sind Magneten. Alles Gleichgesinnte zieht sich unwiderstehlich an!

MYTHOS KRONENHALLE

Erika Billeter

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Die Kronenhalle hat viele Gesichter! Am Nachmittag glaubt man sich hier an einem ganz anderen Ort, fern von den Stunden, da prominente Gäste hier ta­feln. Da wird die Brasserie zum stillen Ort der Besinnlichkeit. «L’heure bleue» der Kronenhalle läutet sich ein. Blassgrüne, ein wenig altmodische Tischdecken mit weissen Blumenmustern haben den weissen Damast in die Flucht getrieben. Man fühlt sich zurückversetzt in die Frühzeiten der Kronen halle: in die Zeiten, da Hulda Zumsteg als junge Frau hier servierte und die Kronenhalle noch lange nicht war, was sie heute ist: der Hort der Berühmtheiten und für viele ein Zuhause, ein Fleckchen auf dieser Erde, wo sie sich heimisch fühlen.

Das Band des Lebens ist nicht abgerissen. Erinnerungen verbinden Ver­gangenheit und Gegenwart, «Weisst du noch?» ist ein Satz, den man häufig hört. Zum hundertjährigen Bestehen der Kronenhalle 1962 hat Kurt Hirschfeld in seinen Erinnerungen aufgezeichnet: «Oben sassen wir mit Hermann Broch und Erich von Kahler. Und einmal mit Musik und oft mit Martin Gumpert, und die Reihe hört nicht auf und die Erinnerung macht einen bänglich. Der Zug der Toten wird grösser, und dort sassen wir mit Thomas Mann, Bertolt Brecht, Alfred Polgar…».

Generationen von Gästen werden ihre eigenen Erinnerungen haben. Eine kommende Generation wird neugierig auf die zugehen – voll der Erinnerungen der Väter. «Sie hat Generationen überlebt. Sie wird uns überleben. Dass sie es tut, ist tröstlich zu wissen.»

Die Kronenhalle ist für Zürich Geschichte und Gegenwart. Und wenn sie einmal wirklich nicht mehr sein sollte, dann wird ihre Geschichte wie ein alter Mythos weiterleben.

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Gabriel Bermúdez, Reinhard Mayr, Martin Zysset, Blagoj Nacoski

Spielzeit 2OO6/O7

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Emily MageeSpielzeit 2OO6/O7

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DIE ÄSTHETISCHE REKONSTRUKTION DER

OPER Anmerkungen von Stefan Kunze

Ihren Autoren galt das Vorhaben, in der Ariadne auf Naxos den Geist der alten «heroischen Oper» zu beschwören, ursprünglich als «Zwischenarbeit», doch aus der »30 Minuten Oper» ist ein Hauptwerk geworden. Ein solches wurde es allerdings erst in der zweiten, endgültigen Fassung, die den Molière­Rahmen aufgibt, aber nicht die vielfältige und für das Werk konstitutive Brechung der Optik. Erst hier konnte die schon von Anfang an gefasste Idee, die Relativierung der Ariadne­Oper, wie sie sich durch die Plazierung im «Bürger als Edelmann einstellen musste», wieder aufzuheben, mit aller Deutlichkeit hervortreten. Die ursprüngliche Idee des Werks gewann ihre adäquate dramatische Form erst mit der Herauslösung der Ariadne aus dem faktischen Komödien­Rahmen. Ein Hauptwerk ist Strauss­Hofmannsthals Ariadne auf Naxos aber nicht in erster Linie deshalb, weil es ungeachtet seiner stets am Rande des Scheiterns entlang­führenden Entstehungsgeschichte schliesslich doch gelang, vielmehr weil sich hier die Tendenzen des Dichters und des Komponisten auf eine geradezu ex­emplarische Weise entgegenkamen.

Wie in einem theatralischen Experiment haben Strauss und Hofmannsthal die entscheidenden Impulse ihres künstlerischen Vermögens in der Ariadne auf die Probe gestellt. Diese Ansatzpunkte sind grob gesprochen: der mit allerhöchs­tem Raffinement praktizierte Rückgriff, der die Imagination in Gang setzte, und die Aufhebung des historischen Requisits, der sublimen Allusion auf eine vergan gene Welt durch die symbolische Wahrheit des Geschehens. Das war schon im Rosenkavalier auf einmalige Weise geglückt. Aus der ganz und gar fiktiven, bis in die sprachliche Diktion hinein artifiziellen Welt des Theresiani­schen Wien gingen Figuren wie die Marschallin und Ochs hervor, die ohne sich

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von ihrem Hintergrund zu lösen, doch von uneingeschränkter Wahrheit sind. In der Ariad ne wird der Weg, das Verfahren selbst zum Thema des Werks. Es liegt nicht nur die »Selbstreflexion des Dramas« oder, wie man analog zu der Ein sicht von Günther Erken sagen müsste, die »Selbstreflexion der Oper« vor, viel mehr die gleichsam analytische Demonstration eines dichterisch und musika­lisch dramatischen Denkens.

Es als willkürlich retrospektiv oder gar restaurativ zu bezeichnen, wie dies manchmal geschieht, ist abwegig. Denn es macht Ernst mit der Tatsache, dass die Oper als Gattung und als Institution schon vor dem Ersten Weltkrieg der Ver gangenheit angehörte. Und es ging Hofmannsthal und Strauss, seitdem im Brief wechsel (Ende des Jahres 1908) der Begriff der «Spieloper» – somit die Idee eines Rückgriffs auf ein historisches Genre – auftauchte, darum, «etwas sti listisch ganz Neues [zu] schaffen». Beiden, dem Dichter und dem Komponis­ten, schwebte eine Neukonstruktion der Nummern­Oper und ihres spielerisch be weg lichen Geistes vor, «aus den beiden theatralischen Elemen ten der Molière­schen Zeit förmlich herausdestilliert, aus der mythologischen Oper und aus den ‹maschere›, den tanzenden und singenden italienischen Komödiantenfiguren.»

Vielschichtiger geriet freilich die endgültige Fassung mit dem Vorspiel. In der Grundkonzeption allerdings änderte sich nichts Entscheidendes. Von Anfang an dachte Hofmannsthal an eine «geistreiche Paraphrase des alten heroischen Stils, durchflochten mit dem Buffo Stil». Und der banausische Wunsch des Jourdain und in der späteren Fassung des reichsten Mannes von Wien (der un­sichtbar bleibt), die ernste Oper Ariadne gleichzeitig mit dem lustigen Stück dar gestellt zu sehen, enthält gewiss den wehmütigen Hinweis auf eine Epoche, in der das Hohe und das Niedere in der Kunst sich noch zu einem Ganzen zu­sammenfand, ist aber zugleich das Werkzeug, den symbolischen und aktuellen Sinn der Handlung zu verdeutlichen. Es liegt eine äusserst subtile Ironie darin, dass gerade der Kunstbanause, ohne es zu wissen, diese ursprüngliche Einheit postuliert und gleichzeitig den poetischen Schlüssel zum Werk bietet. Banause ist er deshalb, weil seine Vorstellung hoffnungslos anachronistisch ist. Das heisst: Mit der insbesondere durch die Reaktion des «Componisten» suggerierten Be­urteilung der vom Haushofmeister verkündeten letzten Anordnung führt Hof­mannsthal die eigene Zeitebene ein.

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Man vergegenwärtige sich die ausserordentlich komplexe Konstellation dieses Werks, das Hofmannsthal nicht von ungefähr wegen des Raffinements, mit dem es durchgeführt wurde, als ein «einmaliges Experiment» betrachtete. Der grie­chische Mythos erscheint in einer zweifachen, ja eigentlich dreifachen Brechung: Zunächst in der Perspektive des (allerdings fiktiven) 18. Jahrhunderts und die­se Epoche wiederum in der Perspektive des modernen Autors und des moder­nen Publikums. Als weitere Brechung kommt hinzu, dass in der Ariadne­Oper die Entstehung der Oper um 1600 wiederum mythologisiert wird, desgleichen die Entstehung des Komödienspiels. Es ist nicht irgendeine Oper und nicht irgendeine komische Handlung, die Jourdain und seiner Hausgesellschaft bzw. später dem imaginären Publikum des Wiener Mäzens vorgeführt wird.

Diese endgültige, von Molière abgetrennte Fassung der Ariadne mit dem Vorspiel, das bekanntlich aus einer zur Oper überleitenden Dialogszene des Schau spiels entwickelt wurde, bleibt indessen eine die Originalkonzeption an Künstlichkeit noch übertreffende Paraphrase der Ausgangsidee (Molière­Bear­bei tung mit Einlage Oper). Denn es handelt sich bei der Kombination des Vor spiels mit der Oper nicht nur um eine originelle Variierung des alten Komö­dien themas vom Theater auf dem Theater, sondern um die Zitierung eines The ater typus, der insbesondere im 18. Jahrhundert auch in der Buffa­Oper gang und gäbe war.

Der Zitatcharakter durchwirkt das Ganze noch mehr als in der ursprüngli­chen Fassung. Und es wundert nicht, dass Hofmannsthal auch im einzelnen aus dem mehr oder minder verhüllten, umspielten Zitat ästhetischen Gewinn zieht. Der Zitatcharakter aber bezieht sich nicht nur auf Fabel und Diktion, sondern auch auf die Figuren. Der «Componist» namentlich, eine aus Essenzen Cherubi­nos und Octavians gemischte Gestalt, steht im Licht eines ungemein gewagten Anachronismus. Züge, die nur aus der Künstlerproblematik des 19. Jahrhunderts einsichtig sind – Wagner mag hier stellvertretend stehen – werden durch die Brille des 18. Jahrhunderts betrachtet und erfahren dadurch eine eigenartige Iro nisierung und Entwirklichung. Es bestehen ausserdem Beziehungen zur Rolle des Bacchus, den Hofmannsthal sich als eine zart gehaltene, fast knaben­hafte Figur und als lyrischen Tenor dachte.

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Für das Gelingen der Zusammenarbeit an der Ariadne auf Naxos war es ent­schei dend, dass auch die Musik den Zitatcharakter eigenständig ins Spiel brach­te. «Die Konzeption der Ariadne», so schrieb Hofmannsthal an Strauss, «legte Ihnen auf, auch ihre Musik teilweise zu kostümieren, als Zitat zu behandeln, und Sie haben dies mit wundervollem Takt gelöst.»

Es wäre indessen ein fundamentales Missverständnis, wollte man annehmen, Hofmannsthals Absicht habe sich in einer ausserordentlich künstlichen ästheti­schen Konstruktion erschöpft, gewissermassen im Spielerisch­Unverbindlichen eines mit Tiefsinn durchzogenen Theaters auf dem Theater, das von der moder­nen Bühne zitiert wird. Das ästhetisch kostbare Spiel ist – und dies gilt nicht we niger für die musikalische Aufgabe, vor die Strauss sich gestellt sah – die Hilfs­konstruktion für das Eigentliche. Das Eigentliche, das mit Bacchus und Ariadne vor sich geht, war für Hofmannsthal und Strauss nur noch auf den Umweg über die ästhetische Verfügung des Vergangenen erreichbar. Die Möglichkeit und Absicht, im ästhetischen Spiel mit dem Uneigentlichen (wie wir den Zitatcharak­ter nennen können) das Eigentliche hervorzubringen, ist das Thema der Ariad­ne auf Naxos.

Es sind somit zwei Positionen, die im Werk auf eine äusserst komplexe Weise im einanderspielen, sich bedingen: das Spiel im Spiel, die perspektivische, artifizielle Konstruktion, die in mehrfacher Brechung erscheint, die ästhetisch fruchtbar gemachte Distanz, und das Eigentliche, der Symbolcharakter des Ge­schehens, der das ästhetische Spiel aus ihm hervorgehend durchbricht. Diese beiden Positionen führen eine doppelte Verwandlung herbei. Denn der Zitat­charakter, würde er beibehalten, wäre keine tragfähige Basis für die Unmittelbar­keit der Aussage. Die eine Verwandlung ist ein innerer Vorgang, der mit Bacchus und Ariadne vor sich geht.

Mit dieser Verwandlung Hand in Hand geht eine andere: die nämlich vom kunstvoll zitierten Spiel, vom Theater im Theater zur wirklichen Oper, zur Oper als dem Eigentlichen. Die artistische Paraphrase, der geistreich ironische Um­gang mit Stilen und Stilebenen transzendiert zu einer Beschwörung des festli­chen ekstatischen Aufschwungs und der Entrückung aus der grossen Zeit der Oper. Auch darüber äusserte sich Hofmannsthal: «[...] hier muss die kleine Bühne ins Unbegrenzte wachsen, mit dem Eintritt des Bacchus müssen die

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puppenhaften Kulissen verschwunden sein, die Decke von Jourdains Saal schwebt auf, Nacht muss um Bacchus und Ariadne sein, in die von oben Sterne hineinfun­keln, nichts darf vom Spiel im Spiel mehr zu ahnen sein, Herr Jourdain, seine Gäste, seine Lakeien, sein Haus, alles muss fort und vergessen sein, und der Zu hörer darf sich dieser Dinge so wenig mehr erinnern, als wer in einem tiefen Traum liegt, etwas von seinem Bette weiss ...»

Hofmannsthals Konzeption der Ariadne auf Naxos, die – dies sei nochmals hervorgehoben – erst in der Fassung mit dem Vorspiel klar hervortritt, ist auf Musik zugeschnitten. Der Rosenkavalier wäre mit einigen Modifikationen durchaus als Sprechstück denkbar. Die Ariadne nicht mehr. Die Idee der dop­pelten Verwandlung versagt sich dem Zugriff durch die Sprache – und nicht nur deshalb, weil es in diesem Werk um die Aufrufung der Oper geht, um die Gewinnung des Eigentlichen durch eine ästhetische Konstruktion aus Elemen­ten, die ihre Authentizität verloren hatten, uneigentlich geworden waren. Für dieses Uneigentliche, aus dem, um es mit Hofmannsthals Worten zu sagen, der Glaube an das Heroische geschwunden ist, steht das Vorspiel und seine musi­kalische Sprache. Der lächerliche, eitle Tenor muss sich aus dem «selbstgefälligen Hanswurst mit einem Pantherfell» zu einem Gott verwandeln. Dies ist die Auf­gabe, vor die sich Strauss gestellt sah, und er hat sie gewiss nicht dadurch gelöst, dass er (wie K. D. Gräwe meinte) die Musik in das Idiom Wagners umschlagen liess. Es gibt kaum eine Stelle, die, selbst wenn man von dem auch in der Fülle transparenten Orchesterklang absieht, so in einer Wagner Partitur stehen könnte. Gerade die Aufschwünge und die Emphase des Schlusses tragen jene Brechungen in sich, die im Vorspiel bestimmend sind, und nur so wird das hier beabsichtig­te «Eigentliche» glaubwürdig. Es findet vielmehr unter den technischen Bedin­gungen des Wagnerschen Orchesters, hinter die nach Wagner kein Komponist von Rang zurückfallen konnte, die Zurücknahme des Wagnerschen Musikdramas statt, in dem alles bis hin zur Klangfarbe die Bedeutungsschwere des Eigentlichen hat. Von Wagner her gesehen ist die Musik von Strauss überbestimmt. In der Überbestimmung, die ornamentalen Charakter hat, aber bekundet sich Entwirk­lichung, Distanz, überdies eine spezifische Form der Ironie, die Strauss ein mal von der Salome als dem «Scherzo mit tödlichem Ausgang» sprechen liess.

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Es war Einsicht in das Innerste seiner musikalischen Sprache, die Strauss dazu veranlasste, schon im Rosenkavalier entschieden Abstand zu nehmen von der epigonalen Nachfolge des Musikdramas, nachdem mit Salome und Elektra Werke geglückt waren, in denen die nervöse Modernität, der permanente Schrei, der schon nicht mehr ganz ernst zu nehmen war, in Einklang gebracht wurde mit den Prinzipien des Musikdramas. Der Schritt zum Rosenkavalier war alles andere als regressiv. Er eröffnete der Strauss’schen Musik ein neues, ihr adäqua­tes Feld. Hier im Rahmen der rekonstruierten «Spieloper» konnte aus der ara­beskenhaften, ästhetisch distanzierten Unverbindlichkeit Verbindlichkeit herge­stellt werden, allerdings eine solche, die resignierend an das Tiefste nicht rührt, es höchstens andeutet. Aus der beispiellosen technischen Verfügungsgewalt über das Metier resultiert das eigenartig Gewichtslose der Strauss’schen Musiksprache. Den Gebilden ist die Bedeutung weitgehend genommen, mit der sie im Musik­drama behaftet waren. Das Prinzip der Metamorphose der Gebilde, die dadurch substantiell kaum mehr fassbar und auffassbar sind, widerstrebt dem Beharren­den, Verpflichtenden, hat etwas artistisch Abstraktes, ist ein hochvirtuoses Spiel mit kostbaren Essenzen, die in stets wechselndes Licht getaucht werden.

Strauss selbst meinte, er müsse sich bei der Komposition der Ariadne auf einen «Architekturgarten» beschränken. Er spielte damit an auf das unerhört kunstvolle Spiel mit Formen der früheren Nummern­Opern: mit Arie, Ariette, Ensemble, Lied, Rezitativ, Ouvertüre. Es handelt sich um eine eigentümlich schwebende Architektur von arabeskenhaft beweglicher Qualität. Denn Strauss ist weit entfernt von jeglicher Kopie historischer Formen. Er schöpft vielmehr den Abstand, der ihn von einer Zeit trennt, in der sich der musikalische Sinn im tektonisch Festen, in der körperhaften Objektivität der Tongebilde und der Formen manifestierte, ästhetisch aus. Im ernsten Genre kann dies deutlich wer­den an der «Ouverture» zur Oper; einem zweiteiligen Stück, hinter dem die Ouvertüren­Anlage «Langsam – Schnell», genauer, der Typus der französischen Ouvertüre durchschimmert, insbesondere aber im Allegro­Teil die gravitätisch­festlichen punktierten Rhythmen zu peinigend zerrissenen Gesten verformt er­scheinen. In der unverkennbar zitierten Besetzung eines Streichsextetts kommt das Intime, der private Rahmen der Ariadne­Oper zur Geltung, in der überschau­bar periodisch gegliederten Abfolge die Rückbezogenheit dieser Musik. Im Bau

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und Duktus wird Vergangenheit aufgerufen – Strauss beschränkt sich in der be grenzenden Konstruktion auf die Hauptstufen der Tonart g­Moll – aber diese Aufrufung hat etwas eigenartig Unfestes, Fliessendes, Ungreifbares. Der Bau hat Zitatcharakter, ohne Zitat zu sein. Das Unfeste dokumentiert sich vor allem in der Stimmführung, ferner darin, dass diese Musik aus dem sublimierten Klang lebt, in erster Linie jedoch in der sonderbaren Verkleidung der sehr ein­fachen Linien mit fremdartigen, verfremdenden Intervallen, Vorhalten und ausweichenden Harmonien, die aber keinerlei Konsequenz für die musikalische Konstruktion besitzen.

Die chromatischen und dissonanten Führungen, die natürlich auf die Trau­rigkeit Ariadnes Bezug nehmen, unterscheiden sich von den Spannungsklängen etwa des Tristan wie die indirekte von der direkten Rede, sind gekennzeichnet durch Uneigentlichkeit. Das den ersten Teil einleitende «Leidens­Motiv», das die chromatische Seufzerfigur auch in eine durch und durch chromatisierte Harmonik spannt, verläuft ohne Ausdrucks­Akzente im fliessenden piano. Nicht das Leiden selbst wird Musik, sondern seine Spiegelung.

Die Chromatik führt in keine entlegenen Tonartbereiche. Die Öffnung zur parallelen Tonart B­Dur am Schluss des ersten Teils ist auf der Ebene des Form­spiels angesiedelt, resultiert nicht aus der Tendenz des Motivischen. Form und Ausdruck bleiben arabeskenhaft. Die Wehmut des Rückblicks, die dem Ganzen aufgeprägt ist, verschlingt sich mit der Leidensgegenwart Ariadnes. Dieser Cha­rakter des Rückblicks wird im Es­Dur­Mittelteil des Andante­Satzes der Ouver­türe gewissermassen musikdramaturgisch begründet. Strauss zitiert hier nämlich aus dem zweiten Teil der Ariadne­Arie («Ein Schönes war: hiess Theseus – Ariad­ne»), der die glückliche Vergangenheit beschwört. Zu diesem Mittelteil, in dem das Formenspiel durchbrochen wird – durch die Reihung und Kombination verschiedener Motive, durch Auflösung der Streicher­Kontinuität –, stehen die rahmenden, vergleichsweise festgefügten Teile in einem sonderbaren Verhältnis. Diese nämlich spiegeln in der Allusion auf musikalische Fügungen einer frühe­ren Zeit die gegenwärtige Trauer Ariadnes, der Mittelteil ruft in der dem Strauss’schen Idiom zeitlich sehr viel näher stehenden Technik der assoziativen Motivverknüpfung Ariadnes Vergangenheit auf. Aber Gegenwart und Vergan­genheit Ariadnes werden musikalisch glaubwürdig auf dem Umweg über den

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ästhetisch vermittelten, kostbaren und berückenden Klang. Die Ouvertüre ist eben keine Ouvertüre, sondern ihr unendlich sublimiertes Spiegelbild.

Vordergründiger noch als der Schritt über das ästhetisch Unverbindliche zum Eigentlichen ist die Umprägung, die durchaus mit der in der Ariadne auf Naxos thematischen Verwandlung zu tun hat, im «Vorspiel» des Vorspiels. Hier wird das Klitterungs­Prinzip der Potpourri­Ouvertüre reflektiert. Gänzlich un­verbunden, bzw. mit Übergängen, die (weit entfernt von Wagners «Kunst des Übergangs«») eulenspiegelhaft jeglicher Vermittlung Hohn sprechen, werden Hauptthemen von Vorspiel und Oper aneinandergereiht, das Thema des Kom­po nisten – beziehungsvoll, aber musikalisch ohne jede musikalische Konsequenz verknüpft mit der Linie des Bacchus­Themas –, das wiegende Liebesthema von Ariadne und Bacchus, komödiantische Tanz­Themen, schliesslich die Verwand­lungs­Melodie. Die Wagnersche Vermittlungstechnik, wie sie sich etwa im Leitmotiv­Verfahren manifestiert, führt Strauss mit virtuoser Geste auf blanke Klitterung zurück – aber in so artistischer Weise, dass Potpourri­ und Leitmotiv­Verfahren eine ironische Brechung erfahren. Sogar die musikalische Substanz kontrastiert ironisch mit der Potpourri­Form, die ja das Gegenteil von Durch­formung ist. Denn das Potpourri setzt zumindest formal das geschlossene Gebil­de voraus. Aber gerade Geschlossenheit weisen die Motive von Strauss nicht auf.

Besonders auffallend ist die Unstimmigkeit zu Beginn. Das aufgeregt auf­springende Motiv des »Componisten« (eine typisch Strauss’sche Bildung) mit seinen chromatischen Verspannungen, die unaufgelöst bleiben, fordert auch harmonische Spannungen heraus. Strauss dagegen hält starr an einem auch klang­ farblich flachen C­Dur fest, einem C­Dur, das (wie die Pauken­Schläge deut lich machen) stellvertretend steht für den lärmenden Spielbeginn, für die Eröffnungs­fanfare. Dieses C­Dur bleibt im wesentlichen fixiert bis zum Eintreten des Liebes­themas in Es­Dur. Die motivische Weiterspinnung des «Com ponisten»­Motivs entbehrt jeglicher Entsprechung im harmonischen Vorgang. Das Motiv hängt gleichsam von Anfang an in der Luft. Es wirft ein bezeichnendes Licht auf den Scheincharakter der Substanz, dass sie sich am Schluss des Vorspiels auflöst in szenische Musik, in das auskomponierte Aufrauschen des Vorhangs.

Man weiss, mit welcher Brillanz Strauss geschlossene Formen der früheren Oper, Arie, überhaupt Liedhaftes wiedererstehen liess oder (wie es Hofmanns­

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thal einmal ausdrückte) »effleurierte«, gewissermassen als späte Kunstfiguren. Ein besonders pointierter Fall ist die «Ariette» des Tanzmeisters im Vorspiel. Der Tanzmeister stellt Zerbinetta eine Situation vor: wie die Herrschaften nach Tisch das ernste Stück verschlafen, dann vom Applaus aufwachen, munter das heitere Nachspiel erwarten, und danach nur noch wissen, dass sie die «unver­gleich liche Zerbinetta» haben tanzen sehen. Strauss zitiert das Hauptmotiv und die tänzerische Bewegungsform der Tafelmusik aus dem Bürger als Edelmann, in der eine musikalische Anverwandlung der Atmosphäre des 17. Jahrhunderts stattfindet.

Hier im Vorspiel wird jene Tafelmusik im Tonfall der Ariette paraphrasie­rend ausgeführt. Vom Liedhaft­Schlichten der erwarteten Melodie bleibt ein skizzenhaft leichtes Parlando übrig. Dieses aber ist eingebettet in einen Orches­tersatz, der mit den Elementen von Geschlossenheit mit unerhörter Kunst der Anspielung umgeht. Wir finden durchgehend Viertaktigkeit, die insofern konsti­tu tiv ist, als auch die Faktur geradezu mechanisch von vier zu vier Takten wech­selt, ferner formal bzw. reminiszenzhaft harmonisch­kadenzielle Bezüge, die Zäsuren setzen, schliesslich das schemenhafte Gerüst einer Dreiteiligkeit, deren dritter Teil wie eine, freilich übertreibende Reprise wirkt, obwohl der Schluss gewissermassen verdreht und frappant nach Es­Dur kadenzierend ausweicht.

In den komödiantischen Partien des Werks konnte Strauss die Kluft, die ihn von jener Welt der Commedia dell’arte, vom Theater Molières und von der Opera buffa trennt, akrobatisch überspielen und zugleich bewusst machen. Aus der brillanten Verfremdungstechnik wurde eine zwar abgeleitete, aber doch eigen ständige Komödiensprache, die übrigens ebenfalls (und dies legitimiert sie vielleicht letztlich) von der Wehmut des Rückblicks zehrt. Zu erinnern wäre etwa an das Lied des Harlekin «Lieben, Hassen, Hoffen, Zagen» und an den Gesang von Najade, Echo und Dryade («Töne, töne süsse Stimme»).

Prekärer ist die Situation in den ernsten Teilen der Oper. Denn es geht ja darum, aus einem Zustand, in dem alles für Ariadne wesenlos geworden ist, wieder den Weg zur grossen emotionalen Emphase der verklärenden, ekstati­schen Vereinigung zu eröffnen – jene exemplarische Befindlichkeit wieder zu be schwören, wie sie im Liebesduett der früheren Oper ihren gültigen Ausdruck gefunden hatte. Die Schwierigkeit des Vorgangs bestand darin, dass hier das

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Mo ment der Distanzierung durch artistische Verfremdung nicht anwendbar war. Die Ariadne­ und Bacchus­Musik durfte unter keinen Umständen als Kostümie­rung erscheinen. Sie musste für die Sache selbst stehen, sich identifizieren, und zwar nicht durch Illustration der äusseren Situation oder einer Stimmung, son­dern durch Verkörperung des inneren Geschehens. Kein musikalischer Kommen­tar zur Szene war gefordert, sondern die glaubwürdige Darstellung des Über­gangs von einer durch Ariadnes Trauer wesenlos gewordenen und nur noch als vergangenes Glück erreichbaren Substanz zur gegenwärtigen Erfüllung. Die Verwandlung des Uneigentlichen zum Eigentlichen ist das Thema bereits des ersten Monologs der Ariadne in der ersten Szene der Oper.

Hofmannsthal hat diesen Vorgang nicht nur dichterisch ausgeführt, viel­mehr zugleich mit verblüffender Sensibilität die kompositorische Situation von Strauss getroffen: Über den Verlust von Aussagefülle und Verbindlichkeit blieb Trauer, ein «zerstückelt Herz», zurück. Alles ist wesenlos, schattenhaft geworden («Mein Kopf behält nichts mehr»). Nur im trauernden Rückblick vermag noch­mals der Glanz des Daseins aufzusteigen: «Ein Schönes war: hiess Theseus – Ariadne und ging im Licht und freute sich des Lebens.» Aus dem Reich der wesen losen Schatten, dem Totenreich, das bereits Besitz ergriffen hat von allem Lebenden, führt nur die wissende Hinnahme der Verwandlung vom Leben in den Tod. Er, der Todesbote, verheisst ein neues Leben, verheisst die Befreiung vom «lastenden Leben», das nur noch aus den Schlacken eines erstorbenen Daseins besteht.

Der Übergang, die Verwandlung vollzieht sich nicht erst nach dem Auftre­ten des Bacchus, sondern schon im dritten Abschnitt des Ariadne­Monologs, der mit den Worten «Es gibt ein Reich» beginnt. Ariadnes Gesang ist zur Psal­mo die erstarrt. Gekennzeichnet ist dieser Beginn durch die Monotonie und durch einen rätselhaft substanzlosen Klang (Harmonium!), der tatsächlich nichts mehr hält. Das schwebende Motiv in den Bässen ist ohne jede Tendenz, sein Charakter ist, keinen zu haben. So auch seine tonale Verfassung. Im Wechsel frei schwebender, unverbundener Klänge (B­Ges­B­Ges­B­D­Fis­D­Fis), in die das Motiv eingebettet ist, bekundet sich Inkonstanz, Wesenlosigkeit und Wandlungs­fähigkeit. In Klängen und Motiven manifestiert sich die Unwirklichkeit. «Hier ist nichts rein! Hier kam alles zu allem» heisst es im Text. Auf raffinierte Weise

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wurde dies von Strauss komponiert: Auf einen H­Dur Akkord folgt in den Bläsern der Dominantseptakkord (Fis7), der aber gleichsam widernatürlich in enharmonischer Verwechslung (Ges 7) notiert ist. Und schemenhaft taucht in diesen gleitenden Klängen auch das Theseus­Motiv (Klarinetten) auf.

Die Konstruktion dieser Stelle aber beruht auf einer abrutschenden chro­ma tischen Linie von b über a, as, g, fis nach F, die Halt gewinnt erst in dem Do minantseptakkord von B­Dur. Labilität schlechthin bekundet sich vor allem darin, dass diese chromatische Linie keinerlei Konsistenz aufweist: Sie findet sich zuerst in der Singstimme, die sie dann mit dem Schlüsselwort «Totenreich» an den Bass weitergibt. Mit dem Eintreten des B­Dur nach dem Dominantsept­akkord (F7) gewinnt das Motiv festen Boden, tonale Kontur, die erste Stufe der Verwandlung ist vollzogen, das Motiv selbst tut den ersten Schritt über die Schwelle, der übrigens auch gestisch akzentuiert ist. Die Regiebemerkung an die ser Stelle lautet: «Sie zieht ihr Gewand eng um sich.» Ein neues Klangfluidum, die Tremoloklangfläche der Streicher, die wie eine Aura Singstimme und das Oboenmotiv umgibt, bezeichnet das Visionäre der neu erreichten Ebene.

Entscheidend aber ist: aus dem Totenreich­Motiv ist das signalartige Mo­tiv des Todesboten Hermes geworden. («Bald aber naht ein Bote, Hermes heissen sie ihn.») Unüberhörbar ist die Anverwandlug von Lohengrin­Klängen, ausserdem einiger Stellen aus dem Rheingold. Das signalartige Hermes­Motiv hat Ankündigungs­Charakter. Die motivische Verdichtung, die jetzt eintritt und die doch nichts anderes ist als die musikalische Verkörperung der «sanften, eksta­tischen Bewegung» als Brücke zu einem neuen Leben, bietet den Schlüssel zur eigentlichen Verwandlung. Sie bahnt sich an in dem schwärmerischen Motiv «Sieh! Ariadne wartet», das die Erfüllung verkörpert: Das Motiv ist nunmehr in der B­Dur­Tonart fest verankert, die Violinen setzen espressivo, wenngleich piano ein, Ariadnes Ich löst sich erstmals aus seiner Erstarrung, die sie alles nur wie ein Unwirkliches wahrnehmen lässt. Aber diese Verwandlung zum empfin­den den Ich wird überhaupt nur dadurch glaubwürdig, dass das Erwartungs­ und Erfüllungsmotiv selbst jenes Moment der Wandlungsfähigkeit, eines Nicht­Fixiertseins in sich trägt, also auch nicht in vollständiger Form eingeführt wird, sondern gleichsam unabsichtlich, skizzenhaft. Zu verweisen wäre auf die seltsa­me harmonische Wendung, die die sequenzierend absteigenden Terzen nehmen,

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dann auf die überhöhende Des­Dur­Ausweichung, schliesslich auf die Zurück­nahme auf das Hermes­Motiv, die das schwärmerische Motiv nie zu sich selbst kommen lässt.

Danach beginnt eine Art von Rekapitulation der Totenreich­Musik, des Hermes­Motivs und dann die volle Wiedererweckung und Befreiung: «Du wirst mich befreien, mir selber mich geben». Aber dieser Anstieg («In wachsender Be­ geisterung», dann «mit grosser Steige rung») reisst nicht zuletzt deshalb hin, weil er im Ganzen Beschwörung eines Vergangenen ist, also ein Moment von Un­eigentlichkeit enthält, und weil er im Zeichen eines Abschieds vom Leben steht: «dies lastende Leben, du nimm’ es von mir». In den seltsam transzendie ren den Klängen der verfremdeten Kadenz ist dieser Übergang musikalisch vollzogen.

Wollte man eine Begründung für die Behauptung versuchen, weshalb die Ariadne auf Naxos von Hofmannsthal und Strauss als Schlüsselwerk zu betrach­ten ist, dann wäre vielleicht folgende Antwort am Platze. Kein Werk vorher und nachher brachte so klar zum Bewusstsein, dass nur noch durch die Uneigentli­chkeit der musikalischen Sprache Verbindlichkeit zu gewinnen war. Die wahre Verwandlung liegt in der Strauss’schen Musik darin, dass aus der Mittelbarkeit noch einmal eine freilich überaus fragile, verletzliche Unmit tel barkeit entstand, die allerdings ihre ästhetisch distanzierte Haltung nicht verleugnet.

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Elena Moşuc Spielzeit 2OO6/O7

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DAS HARLEKIN-PRINZIP Rudolf Münz

Die an Bacchus gerichtete Frage der Ariadne: «Wie schaffst du die Verwandlung? Mit den Händen? Mit deinem Stab? Wie, oder ist’s ein Trank, den du zu trinken gibst?» hätten Harlekin und seine Freunde mühelos beantworten können, waren sie doch die Inkarnation der Verwandlung. In Italien war Harlekin (nach einem Verzeichnis des Giovan Maria Rapparini von 1817) Arlecchino, Truffaldino, sia Pasquino, Tabarrino, Tortellino, Naccherino, Gradellino, Mezzettino, Polpetino, Nespolino, Bertolino, Fagiolino, Trappolino, Zaccagnino, Trivellino, Taccagni no, Passerino, Bagattino, Bagolino, Temellino, Fagotino, Pedrolino, Fritellino, Ta­bacchino, Burattino, Francatrippa. Und nicht nur das: im französi schen Théâtre de la foire verwandelte sich Arlequin in manchem Stück mehr als vierzig mal, und auch ein Stück um den österreichischen Bernardon konnte bis zu 25 seiner Verwandlungen aufweisen. Brighella war noch Scapino, Beltra mè, Buffetto, Flau tino, Pinocchio, und auch das Urbild der Zerbinet ta, die zu den «servette» (Dienerinnen) gehört, war bald Franceschina, Oliva, Nespola, Spinet ta, Riccio­lina, Colombina, Diamantina oder Corallina, deren Verwandlungen wiederum nahezu legendär sind.

Als Hofmannsthal sich der «maschere» bediente, sah er in ihnen nur eine «menschliche, nichts als menschliche Gruppe der leichtfertigen Zerbinetta und ihrer Begleiter, dieser gemeinen Lebensmasken». Dies erklärt sich vornehmlich dadurch, dass Hofmannsthal nur an die Endphase der Alt­Wiener Volkskomödie angeknüpft hatte. Hier aber geschah gerade die entscheidende Veränderung ge genüber jenen «Verwandlungen» durch die Hinwendung zum «Charakter». Nichtsdestoweniger hat Hofmannsthal durch seine Schöpfung – «mit ihrer raf­fi nierten Stilmischung, ihrem unterm Spiel versteckten tiefen Sinn... eines der allerheikelsten Gebilde» – nicht unwesentlich zu den Versuchen einer Erneuerung des Harlekin, die zu dieser Zeit verstärkt unternommen wurden, beigetra gen ja, durch seine Konfrontation des «Dionysischen» mit dem «Karnevalistischen»

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nimmt er innerhalb dieser Versuche eine ganz besondere Stelle ein. Sol che Ver­suche gab es in der bildenden Kunst – bei Cézanne, Picasso, Klee, Léger, Derain, Beckmann, Hofer, Kandinsky, Polleck u. a., die dieses Thema aufnahmen –, im Theater: von Craig, Meyerhold, Max Reinhardt, Copeau, Dullin über Jouvet, Barrault bis zu Dario Fo, Ariane Mnouchkine, Benno Besson und Eugenio Barba, und auch im aussertheatralischen Bereich: Die alljährlich noch heute im neapolitanischen Karneval gefeierte «Canzone die Zeza» zeugt von der unge­brochenen Lebendigkeit des Harlekin­Prinzips – in Gestalt des Pulcinella.

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Hugo von Hofmannsthal, 5. 8. 1910Sie haben es einmal gesagt und ein früheres Mal auch, dass Ihnen das Leben nur für zwei verbundene Menschen eine Seligkeit scheint – das sind Klagen, die man nicht in sich verschliessen soll, man soll sich nicht scheuen, sie aus sich her­vorzulassen, und ich kann ja gut verstehen, welches Glück Sie meinen und wie sehr es die Tränen wert ist.

Aber Sie sind jung und sind gut, und in Sie sind Kräfte gelegt und Glück und Schmerzen haben diese Kräfte veredelt und Sie haben sich am Leben zu halten, ich sage es nicht um des Kindes Willen, ich sage es um Ihres Wesens Willen, das mehr ist als eines Kindes Leben. Das Heiligste und Erhabenste, das Stillste und Gewaltigste ist noch da für Sie, es ist da für den Einzelnen, für den Einsamen und doch mit allen Menschen verbundenen – für den der liebt und lebt – und lieben kann man viele und vieles und verbinden kann man sich vielem und vielen und so muss es bei Ihnen sein. Ich habe recht den Wunsch, Sie ein­mal ein paar Tage bei uns zu haben, vielleicht lässt es sich im September machen!

Hugo von Hofmannsthal, 30. 10. 1910Ein Wort wie «vergnügungssüchtig» ist zu leer um der Rede wert zu sein; eine Tote sind Sie nicht, eine Nonne auch nicht, sondern am Leben und in der Welt und haben sans phrase et sans cérémonie das Ihnen Gemässe im Dasein zu suchen und sich anzueignen, um die in Ihnen liegenden Kräfte, das unschätz­bare Geschenk der Natur, zu entwickeln und zu brauchen. Wer sein Leben für abgeschlossen hält, soll sich eine Kugel durch den Kopf schiessen, nicht als Ge­spenst herumlaufen – das übrige ist Halbheit oder Hypokrisie, mehr oder minder unschuldige.

Ängstlich ist mir, dass Sie aus dem stillen Haus heraus sind und nun einer gewissen rastlosen Halbtätigkeit und Einteilungslosigkeit so preisgegeben. Ich

AUS DEM BRIEFWECHSELOttonie von Schwartz – Hugo von Hofmannsthal

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wäre glücklich wenn Sie eine Form fänden, das einzuschränken, eine tägliche Zeit fürs Lesen zu gewinnen, aber nicht die Zeit vor dem Einschlafen, ich bitte Sie um alles, nicht die.

Ottonie von Schwartz, 18. 1. 1911Wissen Sie was ich seit einigen Tagen sehr sehr geniesse? Das Gefühl, Sie haben alle die hässlichen Punkte an dieser gewissen Ottonie genau so gesehen, wie sie dies selber tut (und sie sieht sie sehr stark und noch viele mehr) und doch haben Sie sie lieb, weil Sie die kleine Seele die in ihr wohnt, lieb haben und das macht diese kindliche Ottonie namenlos glücklich. Soll ich Ihnen nun auch noch sagen, ob ich die Briefe von einem gewissen Mann nach lieber habe als ihn selbst! das ist ganz schwer zu erklären. Nein, ich habe ihn schon sehr gern und ich spreche schon lieber mit ihm und besonders gern reise ich mit ihm, – aber etwas was ich eben gar nicht liebe, ist irgendwo ohne ihn sein, wenn kein Brief mich dort erreichte. Soll ich Ihnen nun noch mehr sagen, warum ich ihn so gern habe; weil er auch den Staub auf den Blüten liebt, weil er die Knospenbüschel nicht ins Warmhaus setzen würde um sie vorzeitig aufbrechen zu lassen, und das ist etwas was ihn vor allen andern Männern auszeichnet, was wie Balsam für ein wundes Herz ist. Aber wenn ich nun grausam ehrlich bin, dann muss ich doch wohl sagen, ihn habe ich namenlos gern, aber ich liebe ihn nicht und seine Briefe habe ich nicht nur gern, sondern die liebe ich direkt. Aber dabei wird mir grade klar – wenn ich seine Briefe liebe, muss ich dann nicht seine Seele, sein Inneres Ich auch lieben, denn seine Briefe sind doch seine Seele?! ich weiss es nicht, ich muss mir erst darüber klar werden. Leben Sie wohl.

Ottonie von Schwartz, 19. 1. 1911Aber einst im Anfang als Sie immer von Zeit zu Zeit mal an mich schrieben, da war ja gar nichts von Liebe, sondern wohl nur ein grosses Mitleid mit der armen zerbrochenen Frau und da war es doch sehr uneigennützig wie Sie gegen mich waren. Aber eigentlich hat dies ja alles gar keinen Zweck drüber zu schreiben, aus welchen Motiven Ihr Sein zu mir wie es ist, kommt, denn das erzielte Re­sultat ist ja da, dass Sie mir sehr sehr viel helfen, wieder zu leben, um zu leben, wie es andere Menschen tun. Immer ist ja freilich der Wunsch nicht so brennend

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da, denn die Sehnsucht nach dem der war, ist oft zu grausam stark und dann will gar keine Lebensfreude aufkommen, bis ich mich dann entschliesse mir von Ihnen helfen zu lassen, sei es direkt durch Briefe oder ein Buch, das Sie mit Liebe für mich gewählt haben und das sind wohl die Momente die Sie nie wis­sen, in denen ich Ihnen am dankbarsten bin.

Dankbar weil Sie mir dann geholfen haben das Graue, Schwere, Trostlose, Einsame mal wieder zu überwinden. Und sehen Sie das kann ich nie allein, denn wenn ich Sie heute verlieren würde, würde ich namenlos tief in einen neuen und meinen alten Schmerz versinken. Drum bleiben Sie mir bitte was Sie mir sind. Ich glaube dies war auch die Angst damals, eh Sie nach Neubeuern wieder kamen, die mir gar nicht so klar wurde, wie erst heute Nacht. Sehen Sie so habe ich Sie auch aus recht egoistischen Gründen gern und mochte es immer weiter so haben. –

Hugo von Hofmannsthal, 23. 2. 1911Es war immerfort zwischen durch mein ängstlicher Gedanke, schon seit Wo­chen, ob sich der Faden wieder anknüpfen würde, wenn Sie nun zurückkämen: ob Sie Ihre Stunden mit dem Alleinsein, mit dem Lesen einhalten würden, ob sich da Steinchen auf Steinchen fügen würde – und nun ist es kein ängstlicher Gedanke mehr, sondern sorgenvolle Angst, dass Ihre Tage Ihnen von fremden Händen abgesponnen werden wie der Flachs vom Recken – und doch ist Samm­lung alles, ist Besinnung, Zusammenfassung, Abgeschlossenheit alles. Es gibt kei ne Woche, keinen Tag der ungestraft und freudlos vergeudet werden darf, furcht bar ist im Leben und auch zugleich bezaubernd dieses immerwährende Krisenhafte, diese fortwährenden Entscheidungsstunden. Wie namenlos glück­lich wäre ich, wenn ich denken dürfte, dass die Zeit wieder an den November sich anfügte – wo ein leises Aufwärtsgehen, ein zartes Stärkerwerden so entzü­ckend fühlbar war. –

Ottonie von Schwartz, 6. 3. 1911Ja, Sie können ganz innerlich froh sein, jedenfalls froh in Beziehung auf uns zwei, denn ich bin es ja auch, sogar so recht von Herzen froh und gerade dieses innere Hin und Herweben von Gedanken, guten, lieben Gedanken liess mich

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schweigen. Ich war egoistisch, denn ich war so glücklich wieder im Besitz mei­ner selbst zu sein, so glücklich Sie dabei zu haben, dass ich dahin lebte, für das Kind sorgte und ganz das Schreiben vergass. Das heisst ich fühlte Sie in einer herrlichen Welt umgeben von schwebenden Gestalten aller Art, dazwischen kamen dann Ihre Gedanken zu mir, so leicht so reizend und ich ging mit zu Ihnen und wir haben soviel zusammen geredet, dass ich vergass es aufzunotieren.

Hugo von Hofmannsthal, 9. 3. 1911Sie sollen nicht dem Kind nachgehen sondern das Kind soll später Ihnen nach­ge hen, und wird es auch, wird Ihnen nachgezogen werden von der grössten reins ten Gewalt, und diese Gewalt brauchen Sie nicht eigens auszubilden – es wird keine andere sein als die Gewalt des Lebens – denn indem Sie gewählt ha­ben zwi schen Tod und Leben, haben Sie sich dies auferlegt, auch rein und treu die innere Möglichkeit des Lebens in sich wieder aufzubauen – keine zwischen zwei Welten halblebende Larve zu sein sondern eine lebende unendliche Natur, und wie sollte das Kind, wenn es allmählich ein Mensch wird, diesem Zau ber wider ste hen einer anderen Magie bedarf es nicht, um die Seele an die Seele zu binden. – Ich schrieb Ihnen einmal (und schrieb es einmal für viele Male): das ist es, was ich mir verlange: Sie mehr und mehr kennen – lieber und lieber haben folgt von selbst daraus. Sie verwunderten sich und widersprachen, denn es liegt in Ihnen, sich als ein begrenztes abgeschlossenes Wesen zu empfinden – nun aber waren Sie aufs Neue verwundert und mussten mitten im Schreiben inne halten und an die Decke schauen, denn Sie fühlten und sahen Frisches ganz Unbekanntes und mussten zugestehen, dass Vieles in Ihnen ist, das Sie selbst nicht kannten und das sich erst enthüllte, als Sie es, halb unbewusst, einem Brief anvertraut hatten. Unendlich lieb habe ich diesen Brief. Es ist kein Bezug dar­in auf mich, aber Sie sind darin, die rührende und entzückende Unendlichkeit einer lebenden Seele. Es ist in einem solchen Augenblick, als sähe man alles, auch die Gottheit selber sich herauswickeln aus der grenzenlosen Wesenheit des einzelnen lebenden Menschen. Auch in den Beziehungen der Menschen ist die gleiche Unend lich keit: wie muss man stumpf und unglückselig sein, sich dies Unendliche zu verdecken mit starren Wünschen, starren Erwartungen, Klein­heiten, Eifersucht – sich den beglückenden Begriff dieser Unendlichkeit aus der

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Seele hinwegzuängsten – wie sehr fühle ich es zwischen Ihnen und mir – : ich hatte viel, nichts schien mir zu fehlen, wirklich fehlte mir nichts, da traten Sie in mein Leben hi n ein, da kam etwas Unnennbares, Unmessbares hinzu, und wenn mir jetzt Nachricht von Ihnen, das lebendige immer erneuerte Gefühl Ihres Daseins für Tage nur fehlt, wie unbegreiflich viel fehlt mir da!

Wie mich das Arbeiten mit Ihnen verknüpft, lässt sich kaum sagen. In die sen Stunden innerer Fülle weiss man kaum, an was man sich verliert, ein Wesen, ein Gebilde vertritt immer das andere, es ist ein fortwährendes gewicht­loses Er leben und wie durch reflectierende Spiegel hin durch wird mir auf einmal irgend eine Seite Ihrer Natur ganz unerwartet zugeworfen – aus einer gefühlten Wahrheit, einem geschauten Bildnis heraus grüsst Ihr Wesen und ist schon wieder hin weg, mit hinauf genommen von reinen anderen Wesenheiten wie in einem Tanz.

Wenn Sie sich anklagen, dass Sie keine Kräfte hätten, wenn Sie mit den Kräf ten des Körpers rechten und streiten, das mag ich so gar nicht. Aber dass Sie auf sich achten, ist meine immerwährende Sorge, und ich bin über schlech­tere Tage minder besorgt, wenn ich weiss Sie lassen nicht alles unbekümmert hingehen. Das was die Seele und was der Körper zu geben und zu leisten haben, im besonderen Individuum, wird niemand mit Sicherheit abgrenzen, eines muss das andere gesünder machen, es ist auch hier wie bei Münchhausen der sich auf wunderbare Weise selbst bei seinem Zopf aus dem Sumpf gezogen hat. Ich kann’s fühlen, kann wünschen, Sorge haben, das oder jenes herbeiwünschen – aber alles was getan werden soll, muss von Ihnen kommen.

Hugo von Hofmannsthal, 18. 3. 1911Sie sagen, es ist Ihnen wohl, wenn Sie fühlen, dass der Faden zwischen uns ge­spannt ist, so ist mir auch. Habe ich das Gefühl Ihrer Gegenwart, so bin ich zu frieden und reich, es gibt allem was ich tue, einen bestimmten recht geheimnis­vollen Bezug, nicht immer ist mir klar in wiefern ein Denken, eine Ahnung eine Hoffnung sich auf Sie bezieht, was denn dieser Bezug für unser irdisches Leben bedeuten kann oder soll – aber das Gefühl dieses Bezuges ist unsäglich wohl­tuend, es ist eine ganz leise zarte Spannung, ein Hingewiesen­sein – das Gefühl Ihrer geistigen Gegenwart hat unendlich viele Abstufungen, wenn es mir völlig

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verloren zu gehen scheint, wie damals jene 10 Tage im Herbst, ich Ihr Gesicht nicht sehen, Ihre Stimme nicht hören und dazu das innere Gefühl des Zusammen hanges völlig entbehren muss, das ist sehr hart und öde, so schlimm ist es nie wieder gekommen, – aber die Abstufungen vom schwachen leise wohl­tuenden Gefühl des Begleitetseins bis zu einer höheren Vollkommenheit der Gegenwart sind unzählige, – manchmal könnte ich ganz von ferne die Möglich­keit einer völlig beglückenden Gegenwart bei leiblicher Getrenntheit ahnen – das ist, was ich meine, einen Menschen kennen, und in diesem Sinne sagte ich einmal oder mehrmals, kennen und liebhaben ist eins.

Alles was Sie mir gaben, das namenlose Viele und Gute, geschieht ohne Ihr wollendes Dazutun, – nur doch wieder nicht so ganz, wenn ich es recht be denke, denn dass Sie sich mir nicht verschliessen, dass Sie damals im Herbst anfangen konnten, so zu mir zu sprechen, das war das entscheidende ich meine dieses grenzenlos rührend absichtslose fast willenlose Erzählen von sich selbst, von Ihrem Glück und Ihren Leiden. Das war gewiss das Entscheidende, mich an Sie zu binden, dass Sie sich mir eben zu erkennen gaben, wie Sie sind. Es ist mir eigentlich nicht verwunderlich oder unbegreiflich, dass Sie das Gefühl da­von, wie viel Sie mir sind, nicht recht haben, dass es Ihnen nur hie und da aus einem Brief wie eine Neuigkeit und etwas Überraschendes entgegenblickt. Aber ich glaube wohl, wenn ich nicht ganz ohne Kraft und meine Zuneigung nicht etwas ganz wertloses ist, so muss sie doch schliesslich in Ihnen das Gefühl davon erwecken, was Sie für mich sind. Sie müssen auf diese Art das Gefühl von sich selbst wiedergewinnen, als ein ganz festes sicheres Gefühl, das Ihre grausamen Leiden Ihnen entwandt haben. Dass dies aber nur ganz allmählich geschehen kann und auch ohne irgend welches wollendes Dazutun von mir, ohne Sehn­sucht oder Ungeduld oder solche Dinge, das weiss und fühle ich sehr wohl.

Ottonie von Schwartz, 21. 3. 1911Dieses Gefühl des gänzlichen Missverständnisses enervierte mich derart, ich verlor meine Fassung, konnte meiner Tränen nicht Herr werden (was mich von Neuem verzweifelte, da sie dadurch von Neuem Recht bekam, wie schlecht meine Nerven seien, dass mich ein einfaches Gespräch schon so erregen könne) kurz und gut es dauerte lange. Aber vielleicht habe ich sie doch überzeugt,

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andere Notwendigkeiten für’s Leben oder besser gesagt für die Gewinnung des Lebens zu brauchen. Sie erklärt mir stets, unser Leben sei zu Ende, Ansprüche hätten wir keine zu machen. Ich erwiderte, dies sei eine Lüge, die wir uns selbst vorsagten. Dann kam auch noch der Moment, der mich stets rasend macht, wenn man in mir etwas sehen will, was bestimmt nicht in mir ist, irgendeine Eigen­schaft die gut ist, eine Tugend, oder derlei, die ich genau weiss nicht zu besitzen. Julie behauptete, ich mache mich nur von morgens bis abends selbst schlecht, alle die Selbstsicherheit, von der sie sonst alle gezehrt hätten, sei fort und so weiter und so weiter. – Sehen Sie, dann kommen Momente wo nur Sie allein mir den Mut geben, nicht einfach Ja und Amen zu Allem zu sagen, bloss um des lieben Friedens willen, wieder im alten Gleis mit einer Zentnerkugel am Herzen dahinzuschleifen. Aber dann denke ich an Sie und sage mir: wenn sich jemand soviel Mühe um dich gibt, dir herauszuhelfen aus all deiner Not und Quälerei, soviel Gedanken, Zeit und Liebe an dich verschwendet, so musst du doch etwas wert sein, als Mensch und Seele.

Ottonie von Schwartz, 28. 3. 1911Was kann in einem Menschen manchmal für Sehnsucht schlummern – nein nicht schlummern – aber schreien, so ist’s in mir jetzt grausam oft, nach dem der mir genommen ist. Oft überkommt mich ein verzweifelndes Gefühl, ich möchte in meinen Lebensjahren blättern, rasend schnell blättern wie man es oft in einem Buch tut, um an den Schluss zu kommen. Denn ich finde es doch hart so allein dahinleben zu müssen, allein heisst in dem Fall ohne einen Mann, den man wahnsinnig lieben muss, ich kann ja so schwer lieben und wenn einmal dann – ganz oder gar nicht. So war es mit Christoph, den ich so furchtbar liebte vom ersten Tag an, der etwas in sich hatte was mich zwang. Ich vermisse ihn schon namenlos und wenn ich auch immer, immer und stets von Neuem versuche mich herauszuzie hen, so finde ich mich doch stets wieder mit einem namenlos blutenden Herzen. Ich muss aufhören, ich bin zu traurig heute und möchte Sie nicht noch mit mir leiden machen. Ich würde fast gern diesen Brief verbrennen, aber ich weiss Sie traurig dann – so kommt er halt. Gute Nacht, viel Liebes.

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Hugo von Hofmannsthal, 2. 4. 1911Liebe Gräfin, vor ein paar Tagen war ein schöner Frühlingstag, der sanfte Wind fast verwirrend, ich ging, ich dachte an vieles, d.h. die Phantasie zwang mir vieles auf, ich dachte aber an Sie, dazu kehrte der Gedanke immer wieder zurück, sprach mit Ihnen von vielem vielem, schrieb in Gedanken einen recht langen Brief, ging dann ins Haus, um ihn wirklich niederzuschreiben, da kam der Ihre, der vor der Abreise nach Eybach geschriebene, so grenzenlos schmerzvoll, so jen seits des Trostes – da blieb der meine natürlich ungeschrieben, alles was ich hätte sagen können, erschien mir so erbärmlich schwach, so nichtig, schlimmer als nichtig – was könnte ein fremder Mensch Ihnen sagen, wenn eine solche Welle des immer frischen Schmerzes sie ganz dahinnimmt – wenn Ihre Natur die sich so qualvoll danach sehnt, in der Liebe zusammengenommen zu sein, es lieber im Schmerz sein will, als sich im Leben schmerzvoll versplittern. Was könnte eines da sagen!

Nun schreibe ich doch wieder. Allmählich habe ich die Gedanken, oder sie haben sich in mir zusammengefunden, die mir den Mut dazu gegeben haben. Wenn ich bedenke, wie dieses neue Zusammenbrechen sich allmählich vorbe­reitet hat: die Übermüdung mit dem Kind, die Sorge immerfort um den Vater, die kleine Quälerei des Missverstehens mit Julie, der Frühling – wenn ich das alles zusammenhalte, so kann ich ja glauben dass Ihnen das Leben und alles was darin ist, doch nicht bleibend zum Ekel sein muss.

Ottonie von Schwartz, 4. 4. 1911Aber warum ich glücklich war, ich konnte es mir gar nicht klar machen – war es, weil ich endlich die Ruhe, innere Ruhe wieder gefunden hatte?! – Denken Sie, dann haben meine Gedanken an Christoph und an Sie sich verschmolzen und Sie beide haben mir so geholfen. Ich schämte mich recht tief meiner Verzweif­lung, es kam mir so erbärmlich klein vor, so masslos weibisch – weil ich körper­lich müd war, wollte ich Jemand haben, der mich besorgt hätte, aber nicht wie Julie – sondern wie Christoph, ohne dass ich es gemerkt hätte – da vermisste ich ihn masslos und bildete mir ein, ein Anderer könnte es auch sein. Ich bin wieder beisammen und sage mir und fühle, dass es dann ja alles anders wäre und ich es gar nicht ertrüge das permanente Zusammensein mit einem Mann und

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dass ich an Ihnen sehr sehr viel habe. Hauptsächlich sind Sie mir so viel, weil ich mir angewöhnt habe, mich Ihnen gegenüber so offen, grenzenlos offen zu zeigen, ich will Ihnen ja dies alles gar nicht schreiben, aber wenn ich dann an­fange, dann steht kurz darauf alles so da, wie ich es gar nicht weiss, dass es so in mir aussieht, dann kommt einen Moment ein Gefühl: nein, du kannst den Brief nicht fortschicken, darauf fällt mir stets ein Satz aus einem Ihrer Briefe ein: «mir ist als wenn etwas was schon mir gehörte, mir wieder genommen wird» – dann ist mein Entschluss gefasst und Sie bekommen alle diese Gefühle, die dem Auf und Nieder einer Menschenseele angehören. –

Ottonie von Schwartz, 15. 4. 1911Erinnern Sie noch den einen Spaziergang, den wir von Hinterhör abends mach­ten, als wir den Fahrweg heraufkamen, schien der Mond durch die Bäume und Sie sprachen mir so schön von dem Grossen das kommt und in einem eine ganze Welt entstehen lässt und wieder geht und ein namenloses Gefühl von Erhabenheit zurücklässt? So oft ich da heraufkomme höre ich Sie wieder. Dann gibt es doch Momente, in denen ich mich direkt freue zu leben und denke es ist doch worthwhile. –

Ottonie von Schwartz, 4. 5. 1911Dienstag fuhr ich zu Heiseler allein zum Tee, was war diese Fahrt schön, wie treu sassen Sie bei mir und erzählten mir so lieb und gut (viel schöner als Ihre nächtlichen Schlafwagengespräche an andere Menschen hin). Ich wünschte ich könnte Ihnen meinen momentan so herrlichen inneren Frieden schicken, aber bis diese Zeilen Sie erreichen, werden Sie ihn lang erreicht haben. Glauben Sie mir bitte, dass ich den festen Willen habe, mir mein Leben zu gestalten jetzt, wie ich es für mich notwendig gefunden habe.

Mir ist ja erst jetzt, da wir alles zusammen besprochen haben, klar gewor­den, ich habe überhaupt erst wirklich gesehen, was es ist, was mir das hiesige Leben oft so schwer gemacht hat. Ich weiss nun, dass man eine gewisse Rück­sichtslosigkeit notwendig braucht, um das Leben richtig zu balancieren. Wenn Julie erst begriffen haben wird, dass die Lebensbedingungen für uns beide ganz verschieden sein müssen, wird sehr viel gewonnen sein. –

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Hugo von Hofmannsthal, 26. 5. 1911Da sitze ich nun in meinem steilen halbverwilderten Garten, ganz oben, Vögel singen, der Jasmin ist dem Aufblühen nahe, meine paar Rhododendron haben auch ihre grossen leuchtenden Blüten, Vögel singen, und mir ist, als müssten Sie nun bald heraufkommen mit einem Buch in der Hand, das Sie sich unten in meinem Zimmer, wo Sie wohnen, wie einmal Kessler dort wohnte, heraus­gesucht haben. Und abends fahren wir zusammen in die Stadt, hören einen russischen Kirchenchor von vielen Knaben und Männerstimmen, fahren nachts wieder heraus und freuen uns an dem kühlen feuchten Duft der alle Zimmer durch zieht und morgen erzähle ich Ihnen die ganz kleine Oper Ariadne, die anzufangen mich Strauss recht sehr quält, und indem ichs erzähle, wirds viel lebendiger und ich hab viel mehr Lust darauf. Dann fahren wir über Land und ich zeige Ihnen meine Landschaft.

Aber wo sind Sie denn? Mir ist, als riefe ich und niemand antwortet. Haben die Menschen Sie mir ganz weg genommen? Ist das Hässliche, Traurige wieder da, dass es Ihnen nicht der Mühe wert ist, sich frei zu machen? Sind Sie so müde? War ich Ihnen in diesen trüben Wochen, die hinter mir liegen, so unbegreiflich? Ist es nicht der Mühe wert, den Faden gespannt zu halten? –

Hugo von Hofmannsthal, 4. 7. 1911Der schöne Tag, der schöne Abend! Alles klar, befriedigt, in sich schwingend. Heute den letzten Vers an der Ariadne geschrieben. Liebt Ariadne den Bacchus? Darauf antwortet sich nicht so leicht. Sie hält ihn für einen andern, für Hermes, den Todesboten, der sie hinabzuholen kommt. Es bleibt bei dem Irrtum: der Irrtum ist so schön. Wenn Sie wollen werde ich Ihnen an jedem Vormittag und an jedem Nachmittag eine Geschichte erzählen, ein Märchen, eine Begebenheit, ein Schicksal, ein Puppenspiel, ein Geheimnis in Figuren.

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Ariadne auf Naxos

Auf Naxos Felsen weint verlassen Minos Tochter.Der Schönheit heisses Flehn erreicht der Götter Ohr.Von seinem Thron herab senkt, Kronos Sohn, die Blitze,Sie zur Unsterblichkeit in Wettern aufzuziehn.

Poseidon, Lieb entbrannt, eröffnet schon die Arme,Umschlingen will er sie, mit seiner Fluthen Nacht.Soll zur Unsterblichkeit nun Minos Tochter steigen?Soll sie, den Schatten gleich, zum dunklen Orkus gehn?

Ariadne zögert nicht, sie stürzt sich in die Fluthen:Betrogner Liebe Schmerz soll nicht unsterblich seyn!Zum Götterloos hinauf mag sich der Gram nicht drängen,Des Herzens Wunde hüllt sich gern in Gräbernacht.

Karoline von Günderode

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Emily MageeSpielzeit 2OO6/O7

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ARIADNE AUF NAXOSRICHARD STRAUSS (1864-1949)

Oper in einem Aufzug nebst einem VorspielLibretto von Hugo von Hofmannsthal

Uraufführung: 4. Oktober 1916, Hofoper, Wien

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Personen des Vorspiels

der haushofmeister Sprechrolle

Ein Musiklehrer Bariton

der Komponist Sopran

tenor (Bacchus) tenor

Ein Offizier tenor

Ein tanzmeister tenor

Ein Perückenmacher hoher Bass

Ein Lakai Bass

Zerbinetta hoher Sopran

Primadonna (ariadne) Sopran

harlekin Bariton

Scaramuccio tenor

truffaldin Bass

Brighella hoher tenor

Personen der Oper

ariadne Sopran

Bacchus tenor

Najade hoher Sopran

dryade alt

Echo Sopran

Zerbinetta hoher Sopran

harlekin Bariton

Scaramuccio tenor

truffaldin Bass

Brighella hoher tenor

ARIADNE AUF NAXOSRICHARD STRAUSS (1864-1949)

Oper in einem Aufzug nebst einem VorspielLibretto von Hugo von Hofmannsthal

Uraufführung: 4. Oktober 1916, Hofoper, Wien

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VorsPieL Ein tiefer, kaum möblierter und dürftig erleuchteter Raum im hause eines grossen herrn. Links und rechts je zwei türen. in der Mitte ein runder tisch. im hintergrund sieht man Zurichtungen zu einem haustheater. tapezierer und arbeiter haben einen Prospekt aufgerichtet, dessen Rückseite sichtbar ist. Zwischen diesem teil der Bühne und dem vorderen Raum läuft ein offener Gang querüber. der haushofmeister tritt auf.

MusikLehrerMein Herr Haushofmeister! Mein Herr Haushofmeister!Sie suche ich im ganzen Hause.

hAushofMeisterWomit kann ich dienen? Muss allerdings bemerken, dass ich pressiert bin. Die Vorbereitungen zur heutigen grossen Assemblee im Hause des reichsten Mannes in Wien – wie ich meinen gnädigen Herrn wohl betiteln darf –

MusikLehrerEin Wort nur! Ich höre soeben, was ich allerdings nicht begreifen kann –

hAushofMeisterUnd das wäre?

MusikLehrer– und was mich in erklärliche Aufregung versetzt, –

hAushofMeisterIn Kürze, wenn ich bitten darf!

MusikLehrer– dass bei der heutigen festlichen Veranstaltung hier im Palais – nach der Opera seria meines Schülers – kaum traue ich meinen Ohren – noch eine weitere, und zwar gleichfalls sozusagen musikalische Darbietung in Aussicht genommen ist – eine Art von Singspiel oder niedrige Posse in der italienischen Buffo-Manier! Das kann nicht geschehn!

hAushofMeisterKann nicht? Wieso?

MusikLehrerDarf nicht!

hAushofMeisterWie beliebt?

MusikLehrerDas wird der Komponist nie und nimmer gestatten!

hAushofMeisterWer wird? Ich höre: gestatten. Ich wüsste nicht, wer ausser meinem gnädigen Herrn, in dessen Palais Sie sich befinden und Ihre Kunstfertigkeiten heute zu produzieren die Ehre haben, etwas zu gestatten – geschweige denn anzuordnen hätte!

MusikLehrerEs ist wider die Verabredung. Die Opera seria Ariadne wurde eigens für diese festliche Veran-staltung komponiert.

hAushofMeisterUnd das ausbedungene Honorar wird nebst einer munifizenten Gratifikation durch meine Hand in die Ihrige gelangen.

MusikLehrerIch zweifle nicht an der Zahlungsfähigkeit eines steinreichen Mannes.

hAushofMeister Für den Sie samt Ihrem Eleven Ihre Notenarbeit zu liefern die Auszeichnung hatten. – Was dann steht noch zu Diensten?

MusikLehrerDiese Notenarbeit ist ein ernstes bedeutendes Werk. Es kann uns nicht gleichgültig sein, in welchem Rahmen dieses dargestellt wird!

hAushofMeisterJedennoch bleibt es meinem gnädigen Herrn summo et unico loco überlassen, welche Arten von Spektakel er seinen hochansehnlichen Gästen nach Vorsetzung einer feierlichen Kollation zu bieten gesonnen ist.

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Das vollständige Libretto können Sie im

gedruckten Programmbuch nachlesen. www.opernhaus.ch/shop

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zip», im Programmheft «Ariadne auf Naxos» der Staatsoper Dres den, Spielzeit 1984/85 – Ottonie von Schwartz (Ottonie Grä fin Degenfeld), Hugo von Hofmannsthal, «Aus dem Brief-wechsel», hrsg. von Marie Therese Miller-Degenfeld, Frankfurt/Main 1986 – Karoline von Günderode, «Ariadne auf Naxos», in «Karoline von Günderode, Gesammelte Werke», hrsg. von Leo-pold Hirschberg, Berlin 1920ff., Bd. 1

Bildnachweise: Suzanne Schwiertz fotografierte das «Ariadne»-Ensemble wäh-rend der Klavierhauptprobe vom 12. Dezember 2006.

Urheber, die nicht erreicht werden konnten, werden zwecks nach-träglicher Rechtsabgeltung um Nach richt gebeten.

ProgrammheftARIADNE AUF NAXOS

Oper in einem Aufzug nebst einem Vorspielvon Richard Strauss (1864-1949)

Libretto von Hugo von HofmannsthalPremiere am 16. Dezember 2006, Spielzeit 2006/2007

Wiederaufnahme am 15. Februar 2015, Spielzeit 2014/15

Herausgeber Opernhaus Zürich Intendant Andreas Homoki Zusammenstellung, Redaktion Ronny Dietrich Layout, Grafische Gestaltung Carole Bolli Anzeigenverkauf Opernhaus Zürich, Marketing Telefon 044 268 64 14, [email protected] Schriftkonzept und Logo Studio Geissbühler Druck Fineprint AG

Textnachweise:Die Inhaltsangabe sowie der Beitrag «‹Ariadne auf Naxos› – ei-nes der aller-heikelsten Gebilde» sind Originalbeiträge für dieses Pro grammbuch – Hugo von Hofmannsthal «Augenblicke in Grie chen land», in «Prosa III», Frankfurt/Main 1952 – Friedrich Nietzsche, «Klage der Ariadne», in Friedrich Nietzsche: Werke in drei Bänden, hrsg. von Karl Schlechta, München: Hanser, 1954, Bd. 2 – Friedrich Nietzsche, «Satyrspiel am Schluss», zitiert nach Curt Paul Janz: «Friedrich Nietzsche. Biografie», Bd. 2 , München 1993 – Erika Billeter, «Mythos Kronenhalle», in «Paris – Zürich. Re-staurants. Belle Epoche», hrsg. von Werner Blaser, Zürich 1995 – Stefan Kunze, «Die ästhetische Rekonstruktion der Oper – An-mer kun gen zur ‹Ariadne auf Naxos›», in «Hofmannsthal For-schun gen», Bd.6: «Hofmannsthal und das Theater», hrsg. von Wolfram Mauser, Wien 1981 – Rudolf Münz, «Das Harlekin-Prin-

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Unsere Vorstellungen werden ermöglicht dank der Subvention des Kantons Zürich sowie den Beiträgen der Kantone Luzern, Uri, Schwyz, Zug und Aargau im Rahmen der interkantonalen

Kulturlastenvereinbarung und den Kantonen Nidwalden und Obwalden.

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