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Markus Schußmann
Archäologische Forschungen bei Landersdorf, Markt Thalmässing
Seit dem Jahr 2004 werden im südlichen Landkreis Roth und dem benachbarten Landkreis Eichstätt archäologische Forschungen angestellt, die Teil eines großräumig angelegten Schwerpunktprogramms der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit dem Titel "Frühe Zentral isierungs- und Urbanisierungsprozesse. Zur Genese und Entwicklung früh keltischer Fürstensitze und ihres territorialen Umlandes" sind.' Dabei werden in der Hauptsache die späthallstatt- bzw. frühlaiEmezeitlichen Zentralsiedlungen wie etwa die Heuneburg an der oberen Donau, der Hohenasperg bei Ludwigsburg, der Glauberg bei Büdingen oder auch die Ehrenbürg bei Forchheim untersucht und zu ihrem Umfeld in Beziehung gesetzt.
Obwohl die Südliche Frankenalb außerhalb dieser sich v. a. über BadenWürttemberg, Ostfrankreich und die Schweiz erstreckenden Fürstensitzzone liegt, konnte hier doch ein Teilprojekt verankert werden, welches die gleichzeitigen Besiedlungsverhältnisse und -entwicklungen untersuchF Dies liegt zum einen darin begründet, dass auf diese Weise auch Aufschlüsse aus dem Bereich "normaler" Siedlungsstrukturen als Vergleichsgrundlage gewonnen werden, die erst die Besonderheiten der Fürstensitze hervortreten lassen; zum anderen ist der archäologische Forschungsstand durch Großbau
projekte wie Rhein-Main-Donau-Kanal und ICE-Neubaustrecke mit ihren zahlreichen Ausgrabungen als relativ günstig zu bezeichnen. Ein Teil dieser Grabungen wird auch durch unser Teilprojekt ausgewertet, sozusagen als repräsentativer Querschnitt durch die unterschiedlichen Siedlungsformen. Es würde jedoch den Rahmen sprengen, an dieser Stelle näher darauf einzugehen.
Ein Siedlungstyp wurde durch die Rettungsgrabungen jedoch nicht erfasst, nämlich die befestigten Höhensiedlungen, welche als aufwändige Gemeinschaftsleistungen, situiert an topographisch herausragenden Plätzen, gewissermaßen an der Spitze der regionalen Siedlungshierarchie stehen. Ohne die Kenntnis der Strukturen in ihrem Innern und ihrer Befestigungswerke wäre das Siedlungsbild jedoch äußerst unvollständig, sodass dort gezielte Forschungsgrabungen durchgeführt werden mussten. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse sollen im Folgenden kurz skizziert werden.
Der Hintere Berg
Der Hintere Berg ragt als Sporn westlich von Landersdorf aus dem nördlichen Trauf der Frankenalb hervor und war seit dem späten Neolithikum zu verschiedenen Zeiten durch Abschnittsbefestigungen gesichert. Ein Teil dieser Anlagen ist noch heu
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te im Gelände sichtbar. Zwischen 1989 und 1991 wurde diese Abfolge von Befestigungen durch eine Ausgrabung der Naturhistorischen Gesellschaft (NHG) Nürnberg untersucht, allerdings ohne nennenswert den Innenraum der urnenfelderzeitlichen Anlage aufdecken zu können. 3
Jedoch führte die NHG vor wenigen Jahren eine geophysikalische Prospektion durch, die auch diesen Innenraum erfasste und dort Hinweise auf weitere, obertägig gänzlich verschwundene Befestigungswerke
lieferte.4 Da jene auf den verschleiften Verlauf des urnenfelderzeitlichen Walles Rücksicht zu nehmen scheinen, waren sie von besonderem Interesse und gaben Anlass, in diesem Bereich Grabungsflächen anzulegen und auch die bereits bekannte urnenfelderzeitliche Befestigung noch einmal detailliert zu untersuchen.
Am klarsten und aussagefähigsten waren die Ergebnisse in dem 32 m langen und 5 m breiten Schnitt 1, der unmittelbar nördlich an den Gra
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Hinterer Berg: Übersicht über den Grabungsschnitt 1.
bungsschnitt der Naturhistorischen Gesellschaft anschloss und die Anbindung in den urnenfelderzeitlichen Innenraum lieferte.
Ganz im Westen liegt der im oberen Bereich 3 m und unten noch 2 m breite Graben, der rund einen Meter tief aus dem anstehenden Plattenkalk gebrochen ist. Seine Verfüllung ist gut erkennbar von Osten her, also aus dem Bereich der zerstörten Mauer, eingebracht und besteht vorwiegend aus Kalksteinen, die teilweise locker und mit wenig Erde in den Zwischenräumen geschichtet sind. Nach einer 4 m breiten Berme (Verebnung zwischen Graben und Mauer) begleitete den Graben im Osten eine komplex aus mehreren Komponenten aufgebaute Mauer. Ihr Grundgerüst bestand aus vertikalen Holzpfosten in einer Doppelreihe mit Abständen
Fotos: Markus Schußmann
von etwa 2,5 m. Die Gruben für die Pfosten waren ebenfalls in den Fels gehauen, die Pfosten teilweise mit Steinen darin verkeilt. In Längs- und Querrichtung waren sie durch weitere Hölzer untereinander verbunden und besaßen zusätzlich zahlreiche weitere Querriegel, die eine rostartige Konstruktion des Bauwerkes ergaben. Nachzuweisen waren sie nur mehr indirekt über streifenartige Spuren verbrannten Kalkes. Auf der Frontseite war die Mauer mit großen Kalkplatten verblendet und unmittelbar dahinter folgte eine weitere Reihe, während der Rest mit kleinerem Steinmaterial ausgefüllt war. Obwohl der Wall dieser Mauerruine aus unterschiedlichen Gründen heute sehr verflacht und im Gelände nur mehr schwer zu erkennen ist, dürfte für die einstige Befestigungsanlage doch eine Höhe von mindestens
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2,5 m zu rekonstruieren sein, wobei die sicherlich vorhandene Brustwehr noch nicht berücksichtigt ist. Die Mauer war aufgrund ihres hohen Durchsatzes mit Holz natürlich sehr feuergefährdet und wurde in der Tat auch durch einen Brand zerstört. Allerdings ist es nicht möglich, dieses Ereignis mit einer kriegerischen Auseinandersetzung in Zusammenhang zu bringen, da Waffenfunde dieser Zeit vom Hinteren Berg - zumindest bislang - gänzlich fehlen.
Durch die neuen Beobachtungen muss auch die durch die NHG gelieferte Rekonstruktion revidiert wer-
Hinterer Berg: Grabungssituation im Bereich der Pfostenstellungen der verbrannten umenfelderzeitlichen Mauer.
den, die nicht von einer doppelten, sondern einer dreifachen Pfostenreihe als Grundgerüst ausging.5 Die dritte, innerste Pfostenreihe, die im Grabungsschnitt der NHG noch regelhaft zu den Pfosten der Befestigung angeordnet schien, verließ in der Grabung von 2007 diese Ordnung, war auch anders ausgeführt und dürfte daher wohl eher zu einer an die Befestigung angelehnten Innenbebauung gehört haben. Bestätigt wird dies u. a. dadurch, dass sich just in diesem Bereich, gewissermaßen im "Schatten" des Wallrestes, eine ca. 20 cm mächtige Kulturschicht mit zahlreichen Funden
der Urnenfelderzeit erhalten hatte.
Zur genauen Datierung dieser Befestigungsphase können noch keine abschließenden Angaben gemacht werden, da die Mauer selbst kaum Fund
~ material freigab und sich das Spektrum des Platzes durch die neuen Grabungen nun von der späten Bronzezeit bis zur späten Urnenfelderzeit (ca. 1300 - 900/800 v. Chr.) erweitert hat. Voraussichtlich wird also erst die C-14-Datierung der aus den Pfostengruben geborgenen Holzkohlen in diesem Punkt Gewissheit bringen.
Einige Meter östlich der eben beschriebenen Befestigung konnte ein weiterer, ebenfalls ca. 1 m tiefer, allerdings diesmal 4 m breiter Graben aufgedeckt
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gereinigt vorliegt. Eine größere Menge urnenfelderzeitlicher Funde in den oberen Schichten des Wehrgrabens sowie zahlreiche durchglühte Kalksteine in allen drei Befunden, die eigentlich nur von der verbrannten Mauer stammen können, sind indes Hinweise, dass diese Anlage jünger ist.
Abschließend sei zum Hinteren Berg noch bemerkt, dass trotz eines umfangreichen Fundniederschlages Pfostengruben fast ausschließlich im Bereich von Mauer 1 aufgedeckt werden konnten und nur wenige weitere auf die daran angelehnte Bebauung hinweisen. Ansonsten muss von Gebäuden ausgegan
Hinterer Berg: Grabungssituation im Bereich der sich gen werden, die nicht überschneidenden Palisadengräben.
werden, der eine ganz ähnliche Einfüllung wie der erste aufwies. Zu ihm gehören, abermals nach einer Berme von einigen Metern Breite, zwei einander überschneidende Palisadengräbchen, von denen das ältere etwa einen halben, das jüngere etwa einen Meter in den Fels eingetieft ist. Einem deutlich mächtigeren Graben ist hier also eine deutlich einfachere Wehranlage in Form einer hölzernen Palisade zugehörig. Leider ist dieses Befestigungswerk bisher nicht abschließend zu datieren, da das entsprechende Fundmaterial noch nicht
mit Pfosten gegründet, sondern vielleicht als
Block- oder Schwellriegelbauten gearbeitet waren.
Die Göllersreuther Platte
Die Höhensiedlung auf der Göllersreuther Platte liegt nur 1 km östlich des Hinteren Berges auf einem weiteren Ausläufer des Juras. Anders als die zuvor vorgestellte Anlage besitzt sie mit ihrem erhöhten, ebenen 0,6 ha umfassenden Plateau aus Plattenkalk, das durch einen Geländesattel von der Hochfläche getrennt ist, beinahe zeugenbergartigen Charakter.
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Die Hochfläche selbst war - abgesehen von sporadischen Hinweisen auf menschliche Anwesenheit im Mesolithikum und der späten römischen Kaiserzeit - ausschließlich während der späten Hallstattzeit (Ha, ca. 600 bis 450 v. ehr.) besiedelt und auch befestigt.
Auf der schmalsten Stelle des zu ihr führenden Geländesattels ist ein zwischen 1982 und 1986 vollständig ergrabenes Gräberfeld mit insgesamt 138 Bestattungen der Stufen Ha D und Latene (Lt) A situiert6 , an dessen Nordrand sich eine offene Siedlung der frühen Latenezeit anschließt.
Heute ist die Göllersreuther Platte durch die den ganzen Albtrauf säumende Bewaldung kaum als besonders auffälliger Platz in ihrer Umgebung auszumachen. Eine genauere Betrachtung der Topographie zeigt indes, dass die einst unbewaldete
Anhöhe sehr wohl ihre Umgebung überragte und mit ihrem Mauerbering weithin zu sehen gewesen sein muss - beispielsweise bis zum etwa 2 km östlich gelegenen Schwarzachtal hin, das schon in vorgeschichtlicher Zeit einen sehr bedeutenden Verkehrsweg aufgenommen hat. Dieser Umstand und die vorhandenen Ausgrabungen im Gräberfeld machten die Göllersreuther Platte zum geeigneten Ausgangspunkt zur Untersuchung der Fragestellungen des Teilprojektes, wobei zwischen 2004 und 2007 geophysikalische Messungen und darauf basierende Grabungen durchgeführt wurden.?
Die geophysikalischen Messungen, die in allen zugänglichen Bereichen der teilweise mit Bäumen und Sträuchern bestandenen Hochfläche durchgeführt worden waren, lieferten erste Hinweise auf die Struktur der Innenbesiedlung sowie der
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,-Göllersreuther Platte: Topographischer Plan mit Eintragung der Ergebnisse der Geophysik sowie der Grabungsschnitte von 2004 bis 2007 (gelb, orange, grün) und Hervorhebung der Grabenstrukturen (rot).
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heute weitgehend durch Steinbrucharbeiten zerstörten Ringmauer. So konnten beispielsweise drei annähernd parallele Gräben unterschiedlicher Breite festgestellt werden, die den Westteil des Plateaus abtrennen, oder auch eine leicht einbiegende Torwange, die belegt, dass man noch heute den Berg über den antiken Zugang betritt. Darauf fußend wurden zielgerichtet mehrere Grabungsschnitte angelegt, um die Befundsituation zu erhellen.
Fast alle Bebauungsspuren in Form von Pfostengruben fanden sich ausschließlich im Areal westlich des Grabenwerkes (siehe Plan S. 60), während in allen Grabungsschnitten östlich davon insgesamt ledig
lich eine Pfostengrube nachzuweisen war. Der größte Teil der Anlage blieb also frei von Bebauung und konnte vermutlich der umliegenden Bevölkerung als Zufluchtsort in Notzeiten dienen. Die Innenfläche des Grabenwerkes ist allerdings gerade groß genug, eine kleine Gruppe von Gebäuden - wahrscheinlich nur ein einzelnes Mehrhausgehöft -aufzunehmen. Dies fügt sich gut zur statistischen Auswertung des Gräberfeldes, wonach hier gleichzeitig nicht mehr als zwischen 17 und 19 Personen lebten, also vermutlich nur ein größerer Familienverband mit mehreren Generationen und abhängigen Personen. Schon allein diese Tatsache ist Hinweis auf den elitären Sozialstatus dieser Gruppe.
Göllersreuther Platte: Grabungssituatian im Bereich der Zugangssituatian des Sah/grabens mit erkennbaren Pfastenstellungen des Tarbaus.
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Größere Bereiche des Gehöftes, darunter auch der mutmaßliche Standort des Hauptgebäudes, sind wiederum bereits durch den Steinabbau zerstört. In den ergrabenen Teilen des Restareals ließen sich aber noch zwei Gebäudegrundrisse aus verschiedenen Bauphasen nachweisen. Als signifikanter Unterschied zum Hinteren Berg handelt es sich hier aber um Pfostenbauten, deren Gruben in den Fels gehauen sind. Die Verfügbarkeit von effektiven Eisenwerkzeugen wird dabei den entscheidenden Ausschlag gegeben haben.
Die Umwehrung dieses Siedlungsareals bestand zunächst aus einer hölzernen Palisade, die in einem aus dem anstehenden Malm gebrochenen schmalen Graben gegründet war. In unterschiedlichen Abständen wies dieser Verbreiterungen auf, in denen größere Pfosten mit Querriegeln zur
Aussteifung eingelassen waren. Die Zwischenräume waren entweder mit Spaltbohlen oder schwächerem Stammholz gefüllt und wahrscheinlich durch Flechtwerk verbunden. Den Graben begleitete innen im Abstand von wenigen Metern eine Pfostenreihe, die sehr wahrscheinlich die Stützkonstruktion für einen Wehrgang zu tragen hatte. Der Torbereich war so konstruiert, dass die Palisade eine schmale Lücke ließ und an beiden Enden rechtwinklig nach außen bog. Sie wird im weiteren Verlauf durch zwei Pfostenreihen abgelöst, die an einen Überbau in Art einer Torhalle oder vielleicht auch eine Stellung mehrerer Bildsäulen denken lässt. Genau in diesem Bereich ist auch der vorgelagerte Sohlgraben unterbrochen, der mit einiger Sicherheit erst später hinzugefügt worden war. Ein abermals weiter östlich gelegener Graben ist im Verlauf
Göllersreuther Platte: Rekonstruktionsversuch des Grabenwerkes im Innern der Höhensiedlung.
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Je:
Göllersreuther Platte: Grabungssituation im Bereich der nördlichen Randbefestigung. In der Bildmitte ist der erhaltene Abschnitt der inneren Mauerschale zu erkennen.
deutlich unregelmäßiger und zeigt auch keine Unterbrechung, sodass es fraglich ist, ob es sich nicht überhaupt um eine geologische Erscheinung handelt.
Trotz denkbar ungünstiger Erhaltungsbedingungen, die auf spätmittelalterlichen Steinraub und neuzeitlichen Steinbruchbetrieb zurückzuführen sind, können auch verlässliche Aussagen zur Bauweise der Randbefestigung getroffen werden. Lediglich auf ca. 2 m Breite waren die untersten Lagen der Innenschale erhalten, ansonsten nur die kleinsteinige Mauerfüllung - und in manchen Bereichen nicht einmal diese. Die erhaltenen Mauerteile sowie die Gräben der Steinräuber erlauben es, eine
Trockenmauer aus Kalksteinplatten ohne Holzeinbauten von ca. 1,2 m Basisbreite und einer geschätzten Höhe von 2,5 bis 3 m zu rekonstruieren. Entlang der Innenschale fanden sich in gewissem Abstand Pfostengruben, die einer stützenden Holzkonstruktion zuzurechnen sind. Da Entsprechendes auf der Außenseite fehlt, sollte sich die Mauer hier nach oben hin verjüngt haben, sodass oben ein nur relativ schmaler Raum übrig bleibt, welcher für einen Wehrgang nicht ausreichend gewesen sein dürfte, zumal keine einleuchtende Möglichkeit zur Anbringung einer Brustwehr vorhanden ist. Da eine solche Mauer nur sehr geringen fortifikatorischen Wert besitzt, dürfte sie mehr oder weniger ausschließlich
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repräsentative Zwecke erfüllt haben. Etwas problematisch gestaltet sich wegen des Fehlens charakteristischen Fundmaterials ihre Datierung, zumal von diesem einphasigen Bauwerk nicht anzunehmen ist, dass es über den gesamten Nutzungszeitraum der Höhensiedlung - also Ha D1 bis D3 - bestand. Da eine dünne Kulturschicht unter ihr hinwegzog, ist anzunehmen, dass sie nicht mit Gründung der Siedlung errichtet wurde, sondern vielleicht erst im Zuge der Umbauarbeiten am Grabenwerk.
Das Fundmaterial der Göllersreuther Platte zeigt kaum Außergewöhnliches und erweckt nicht zuletzt wegen seiner Kleinstückigkeit den Eindruck, gewöhnlicher Siedlungsabfall zu sein, dem alles Brauchbare und Wertvolle entnommen ist. Zumeist handelt es sich um die regional- und zeittypische Keramik der späten Hallstattzeit, um wenige Bronzefunde, die stets beschädigt oder un
vollständig sind, sowie um wenige Eisengegenstände, von denen lediglich ein kleines beilförmiges Skalpell hervorzuheben ist, weil es zu den ältesten medizinischen Instrumenten im keltischen Bereich überhaupt gehört und damit ein zwar unscheinbarer, aber wichtiger weiterer Hinweis auf die Sonderstellung der Bewohner der Höhensiedlung ist. Entsprechend der Zahl von Spinnwirtelfunden wird auch die Textilerzeugung eine größere Rolle gespielt haben. Das ungewöhnliche Ubergewicht von Schafen im Tierknochenspektrum unterstreicht dies und zeigt, dass hauptsächlich Wolle verarbeitet wurde. Zusammen mit mehreren Nachweisen von Hasen lässt sich eine Landschaft in der Umgebung der Göllersreuther Platte rekonstruieren, die bereits weitgehend geöffnet ist und den heute noch vorhandenen Trockenrasen des Juras sehr ähnlich gewesen und auch in vergleichbarer Weise bewirtschaftet worden sein dürfte. Die Gewinnung und Erzeugung von Eisen aber hatte keine größere Bedeutung. Die geborgenen Schlacken, deren Untersuchung nach Verhüttungs- oder Schmiedeschlacken noch aussteht, reichen bei weitem nicht aus, mehr als eine Produktion für den lokalen Bedarf abzuleiten - wie übrigens in der gesamten Region.
Einige Indizien deuten auf ein Auflassen der Höhensiedlung am Ende
der Hallstattzeit hin. So etwa das Fundmaterial, das
ausschließlich der späten Hallstattzeit angehört, oder auch derGöllersreuther Platte:
Rekonstruktionsversuch der Befestigungsmauer. Sohlgraben, in
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dem sich große horizontal gelagerte Kalksteine fanden, die für eine schnelle und intentionelle Verfüllung sprechen. Das Ende der Göllersreuther Platte kann als symptomatisch für das südliche Mittelfranken gelten, denn bis zum Rand des Nördlinger Rieses blieb keine der befestigten Höhensiedlungen bis in die Frühlatemezeit bestehen. Unmittelbar in der östlich angrenzenden Oberpfalz und im Nördlinger Ries selbst gibt es solche Plätze aber sehr wohl. Worin liegen die Gründe dafür? Um dies herauszufinden, muss man etwas weiter ausgreifen.
Während der Stufen Ha C und 01 ist an der Schnittstelle von Schwäbischer und Fränkischer Alb eine Keramik verbreitet, die in der Forschung als Keramik im Ostalb-Stil bezeichnet wird. Zwar streut die Verbreitung mit einzelnen Gefäßen auch darüber hinaus, doch die Verbreitung geschlossener Geschirrsätze dieses Typs in Gräbern beschränkt sich just auf diesen Bereich, der im Osten etwa auf der Höhe von Weißenburg endet. Diese Verbreitung scheint geeignet, eine Kulturgruppe innerhalb der Hallstattzeit abzugrenzen, in deren Zentrum sich der seit der Stufe Ha 01 aufstrebende Fürstensitz auf dem Ipf bei Bopfingen, am Westrand des Rieses, befindet. Am Übergang zur Frühlatemezeit findet sich dann östlich des ursprünglichen Kerngebietes eine frühe auf der Drehscheibe hergestellte Keramik, die ansonsten für die Fürstensitze typisch ist. Die Gefäße aus unserem Arbeitsgebiet sind dabei nach Ware und Machart augenscheinlich mit Stücken identisch, die am Fuße des Ipf gefunden wurden. Dies spricht für eine Aus
weitung des Einflussbereiches des Fürstensitzes auf dem Ipf nach Osten, wobei das schon erwähnte Ende aller Höhensiedlungen in diesem Bereich auf ein militärisches Vorgehen schließen lässt. Über die bloße Ausweitung des Machtbereiches hinaus könnte die Kontrolle über den - ja noch heute - wichtigen Nord-SüdVerkehrsweg durch das Schwarzachtal eine gewichtige Rolle gespielt haben, denn genau hier endet dann auch diese Expansion. Besondere Bedeutung kommt dem Verkehrsweg auch durch den Umstand zu, dass er als eine mit Steinaufschüttungen befestigte Wegetrasse straßenartig ausgebaut war und mehrfach Abzweigungen in Seitentäler oder auf die Albhochfläche besaß.
Doch zurück zur Göllersreuther Platte. Nachdem diese also aufgegeben worden war, siedelte sich die dortige Bevölkerung in einer offenen Siedlung im Hangbereich am nördlichen Rand des Gräberfeldes an, wo noch die jüngsten Bestattungen der Hallstattzeit zu liegen gekommen waren. Die frühlatenezeitlichen Gräber wurden dann jedoch in einem südlicheren Teil des Areals angelegt. Die Platzwahl scheint einem Bedürfnis nach Schutz zu entsprechen, denn immerhin war die offene Siedlung hinter der Kuppe des Berges verborgen und damit vom Tal aus nicht einsehbar. Ein Ausschnitt der Siedlung war bereits im Zuge der Ausgrabung des Gräberfeldes aufgedeckt worden, wurde jedoch damals nicht als solcher erkannt. Das dabei geborgene Fundgut gehört weitgehend schon der frühen Latenezeit (ca. 450-400 v. Chr.) an. Bemerkenswert ist auch hier wieder ein beilförmiges
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Eisengerät, das als Trepanationssäge, also als chirurgisches Instrument zur Schädelöffnung, angesprochen werden kann. Es ist damit ein augenfälliger Beleg für die Kontinuität der Bevölkerung, ebenso wie etwa die weiterhin zahlreichen Spinnwirtel, Webgewichte und Knochen von Schafen.
Um die Ausdehnung dieser Siedlung erfassen zu können, wurden auch in diesem Bereich geophysikalische Messungen durchgeführt, wobei sich an mehreren Stellen ein dünner Niederschlag von Siedlungsbefunden zeigte. Um zu überprüfen, ob es sich tatsächlich um ein ausschließlich frühlatenezeitliches Areal handelt und nicht etwa um eine schon in der Späthallstattzeit beginnende Außensiedlung, wurde ein kleines Areal von 100 m2 ausgewählt, um dort eine weitere Stichprobe zu erlangen. Tatsächlich konnten in dieser Fläche neben den Resten eines kleinen Vier-
Göllersreuther Platte - Siedlung am Gräbetfeld. Frühlatenezeitlicher Armring aus Bronze.
pfostenbaus drei Vorratsgruben aufgedeckt werden, die ausschließlich Fundmaterial der frühen Latenezeit erbracht haben, darunter beispielsweise ein Bronzearmring in einer Form, die mehrfach auch im Gräberfeld belegt ist.
Auch die jüngste Bestattung aus dem Gräberfeld gehört in die Zeit um 400 v. ehr. und markiert damit die Auflassung der Siedlung zu diesem Zeitpunkt. Sie wird in Beziehung mit den nun allgemein einsetzenden, historisch zu fassenden Keltenwanderungen zu setzen sein, im Zuge derer weite Teile Nordostbayerns nahezu entvölkert wurden.
1 Weitere Informationen zum Schwerpunktprogramm unter www.fuerstensitze.de.
2 Antragsteller des Teilprojektes "Siedlungshierarchien und Zentralisierungsprozesse in der südlichen Frankenalb zwischen dem 9. und 4. Jhd. v. ehr." ist Prof. W. Schier vom Institut für Prähistorische Archäologie der Freien Universität Berlin. Die Durchführung erfolgt von Würzburg aus, unter der Mitwirkung dortiger Studenten der Vor- und Frühgeschichtlichen Archäologie. 3 Zu den Ergebnissen dieser Ausgrabungen vgl. K.-D. Dollhopf, Der Hintere Berg bei Landersdorf. Beiträge zur Vorgeschichte Nordostbayerns 4 (Nürnberg 2006).
4 Vgl. dazu auch P. Honig, Die Ergebnisse der geomagnetischen Prospektion auf dem Hinteren Berg bei Landersdorf, Gde. Thalmässing, Lkr. Roth, Natur und Mensch 2005, 55 ff. 5 Vgl. dazu J. P. Zeitler, Frühe Bauern auf dem Fränkischen Jura (Hilpoltstein 1992) Abb. 21. - So auch Dollhopf (Anm. 3) 83 ff. m. Abb. 38. 6 Vgl. dazu Museumsführer Vor- und frühgeschichtliches Museum Thalmässing (Hilpoltstein 1989) 56 ff. 7 Dazu als kurze Vorberichte: S. Kas, Ausgrabungen in einer befestigten späthallstattzeitlichen Höhensiedlung auf der Göllersreuther Platte. Das archäologische Jahr in Bayern 2007,66 ff. - N. Buthmann/M. Schußmann, Ausgrabungen und Prospektionen auf der Göllersreuther Platte und in ihrem Umfeld. Das Archäologische Jahr in Bayern 2006, 65 ff.
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