Freie Universit¨ at Berlin - Fachbereich Informatik - - Studiengang Bioinformatik - Aufbau und Analyse eines statistischen Formmodells des Gehirns der Honigbiene Apis Mellifera Abschlussarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Bachelor of Science (B.Sc.) vorgelegt von Matthias Lienhard Matrikelnummer 4059510 Gutachter: Prof. Dr. Randolf Menzel Dr. Stefan Zachow
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Apis Mellifera - ZIB · Zusammenfassung Forschungsergebnisse uber die r aumliche Struktur des Bienengehirns auszuwerten, darzu-stellen und zueinander in Beziehung zu setzten ...
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Verstandnis der Struktur des Bienengehirns, er stellt auch ein wichtiges Werkzeug fur die
konkrete Versuchsplanung dar. So eignet er sich z.B. als stereotaktisches Instrument fur
die Visualisierung der Einstichstelle bei intra-und extrazellularen Ableitungen definierter
Neuronenpopulationen.
Da die raumliche Struktur der verschiedenen Bienengehirne individuell ist, konnen
Neurone nicht direkt miteinander dargestellt werden, sondern mussen in ein gemeinsames
Modell, das Durchschnittgehirn (HSB) transformiert werden. Um Neurone in den Atlas
zu integrieren sind bislang folgende Schritte notwendig:
• In einem Praparat wird eine Nervenzelle (oder eine Population von Neuronen)
und das umgebende Neuropil mit zwei unterschiedlichen Fluoreszenzfarbstoffen
markiert.
• Im Konfokalmikroskop wird ein Doppel-Kanal Scan durchgefuhrt.
• Die digitalisierten 3D Bildstapel werden als Neuron- und Neuropilkanal getrennt
weiter prozessiert: Das in den Atlas zu transformierende Neuron sowie die Neuropile
werden getrennt segmentiert.
• Die Neuropile werden mittels einer affinen und einer elastischen Transformation des
Volumens derart an das HSB angepasst, sodass der Oberflachenabstand zu dem
Durchschnittsgehirn minimal wird. Diese Transformationsvorschriften werden dann
auch auf das Neuron angewandt.
Die manuelle Segmentierung stellt dabei einen erheblichen Teil der Arbeit dar, je nachdem
wie viele der Neuropile segmentiert werden mussen nimmt sie pro Gehirn 1-2 Arbeitstage
in Anspruch. Sie muss mit großer Sorgfalt durchgefuhrt werden und erfordert sowohl
Fachwissen uber die Form der Neuropilstrukturen und deren spezifische Muster in den
Bilddaten, als auch Erfahrung mit der Software Segmentierungsumgebung. Der enorme
zeitliche Aufwand und die Komplexitat der Strukturen fuhren bei aller Sorgfalt und
Erfahrung zwangslaufig zu mehr oder weniger gravierenden Segmentierfehlern. Außerdem
fuhren verschiedene Erfahrungen und Praferenzen der Segmentierer dazu, dass Rekon-
struktionen verschiedener Personen sich unterscheiden. Selbst von ein und demselben
Segmentierer sind die Ergebnisse nicht zu 100% reproduzierbar. Eine automatische Seg-
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1. Einleitung
mentierung der konfokalen Bildserien wurde diese Probleme umgehen. Daher ist die
zentrale Motivation der Erstellung des statistischen Formmodells die Anwendung zur
Autosegmentierung.
1.2 Vorarbeiten
Der erste Ansatz, deformierbare Modelle zur Analyse von Bilddaten einzusetzen, wurde
von 1987 von Kass et al., [KWT87] vorgestellt. Bei diesem Verfahren wird die Form von
Objekten automatisch durch sich den Bilddaten anpassende Kurven –sogenannte Snakes–
erkannt. Diese Snakes passen sich abhangig von dem Gradienten in den Bilddaten an die
Form des abgebildeten Objekts an.
Von Cootes et al., [CT92] wurde dieser Ansatz aufgegriffen und die Modelle um statistische
Informationen der Form erweitert, um ihre Deformierbarkeit einzuschranken und damit
die Spezifitat zu erhohen.
2002 stellte Lamecker et al. [LLS02] ein statistisches 3D Formmodell der Leber zur
Autosegmentierung vor. Ein Algorithmus, welcher das Modell iterativ an Computertomo-
graphiedaten (CT) anpasst wurde von der Arbeitsgruppe 2003 vorgestellt [LLS+03b].
Die CT Bilder haben bezuglich der Signalstarke und Qualitat grundsatzlich Ahnlichkeit
zu den konfokalen Schnittserien des Bienengehirns, was nahe legt, dass der Algorithmus
auch fur die automatische Segmentierung dieser Bilddaten eingesetzt werden kann.
2007 wurde dieser Ansatz von K. Neubert [Neu07] auf ein Neuropil des Bienengehirns,
den medialen Calyx des linken Pilzkorpers ubertragen.
Um die zeitaufwandige Prozedur der Neuropil Hintergrundsmarkierung und Registrierung
des individuellen segmentierten Gehirns in den HSB zu vereinfachen, wurde die Synapsin
Hintergrundsmarkierung [BRR+05] durch eine Lucifer Neuropil Markierung [Ste81] ersetzt.
Hierdurch verkurzt sich die histologische Prozedur von 7 Tagen auf einen Tag.
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1. Einleitung
1.3 Thematik der Arbeit
Um ein statistisches Formmodell des Bienengehirns in der Praxis nutzbar zu machen
muss es einen großeren Bereich des Gehirns darstellen. Dies ist wichtig fur die Anwen-
dung des Modells zur Autosegmentierung, da sich die zu transformierenden Neurone
meist uber Neuropilgrenzen hinweg erstrecken. Daher wird mit dieser Arbeit ein neues
statistisches Formmodell erstellt, welches den Großteil des Bienengehirns darstellt. Es soll
die beiden Pilzkorper inklusive Calyces und Pedunkuli sowie den Protocerebrallobus, das
Unterschlundganglion und den Zentralkomplex umfassen (siehe Abb. 1.1). Aus zeitlichen
Grunden wurde zunachst auf die Integration der Antennalloben sowie der optischen
Loben in das statistische Formmodell verzichtet.
Abbildung 1.1: Die Neuropile des statistischen Formmodells
Die Grundlage des Modells bilden 16 manuell segmentierte konfokale Bildstapel. Das
Modell ist jedoch flexibel konzipiert und erlaubt sowohl die Erweiterung um weitere
Gehirnregionen als auch um weitere Bienengehirne.
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1. Einleitung
Das statistische Formmodell kann fur verschiedene Anwendungen genutzt werden (siehe
Abschnitt 2.5.6). Da die Anforderungen an das Modell dafur unterschiedlich sein konnen,
ist es wichtig, dass das Modell eine hierarchische Struktur aufweist:
Es wird eine Methode vorgestellt und diskutiert, welche einen flexiblen Wechsel zwischen
den Detailstufen des Modells ermoglicht (siehe Abschnitt 3.4). Die Anwendung eines
grob aufgelosten Modells ist weniger speicher- und rechenintensiv, allerdings werden
dabei auch weniger Details dargestellt. Durch das Verfahren kann der Detailgrad an die
Anforderungen der Anwendung angepasst werden.
Fur einige Anwendungen ist es notig, dass nur bestimmte Teilstrukturen des Modells
dargestellt werden. Mit dieser Arbeit wird eine Methode vorgestellt, welche es erlaubt,
Teilstrukturen aus dem Modell herauszunehmen und diese separat zu nutzen (siehe
Abschnitt 3.5). Beispielsweise konnen mit diesen Teilmodellen hoch auflosenden Scans
von Ausschnitten des Bienengehirns genauer automatisch segmentiert werden.
Durch die zusatzliche Aufnahme der Spiegelbilder der Gehirne kann einerseits die Stichpro-
bengroße des statistischen Formmodells erhoht werden. Andererseits fuhrt das Verfahren
zu einem Modell, dass sich symmetrisch verhalt.
Fur das komplette Modell sowie fur einen exemplarischen Ausschnitt wird die Vollstandig-
keit und Kompaktheit des Modells diskutiert. Diese Qualitatsmerkmale des statistischen
Modells sind u.a. Indizien fur die Moglichkeit, dieses zur Autosegmentierung einsetzen zu
konnen.
J. Singer beschreibt in [Sin08] den Algorithmus, welcher dieses Modell an die zu segmen-
tierenden Grauwertbilder anpasst.
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Kapitel 2
Grundlagen
2.1 Morphologie des Bienengehirns
Das Gehirn der Arbeiterinnenbiene misst ca. 1,8 mm in der Breite, 1 mm in der Hohe
und 0,6 mm in der Tiefe. Es hat ein Volumen von ca. 0,33 mm3 und besteht aus ca.
800.000 Neuronen. Die Einteilung des Bienengehirns in Regionen (Neuropile) wurde 1982
durch Mobbs [Mob82] wie folgt vorgeschlagen.
Die Pilzkorper (siehe Abb. 2.1) sind symmetrische Strukturen, welche sich in vielen
Insektengehirnen wieder finden. Bei der Biene bestehen sie aus je zwei kelchformigen
Calyces und einem Schaft (Pedunkel), welcher in der Mitte der Calyces beginnt und
sich in α- und β-Lobus fortsetzt. In den Pilzkorpern werden Informationen aus den
sensorischen Neuropilen verarbeitet. Außerdem spielen sie eine Rolle bei der Bildung des
Gedachtnisses [Men01]. Die Pilzkorper bestehen aus 170.000 intrinsischen Neuronen, den
Kenyon Zellen, deren Dendriten die Calyces, und deren Axone die Pedunkuli und die α-
und β-Loben bilden.
Der Zentralkomplex (siehe Abb. 2.2) ist eine Gehirnstruktur in der Mitte des Bienenge-
hirns. Er besteht aus dem Zentralkorper, welcher sich in”Fan Shape Body“ und
”Ellipsoid
Body“ unterteilen lasst, sowie den beiden Noduli. Zentralkorper und Noduli werden als
Zentralkomplex bezeichnet. Die Brucke (protocerebral bridge) wird bei [BRR+05] dem
Protocerebrallobus zugeordnet, eine Konvention welche wir ubernahmen.
2. Grundlagen
Abbildung 2.1: Der linke Pilzkorper mit lateralem (latC) und medilalem Calyx (medC)sowie dem Pedunkulus (Pe). Modifiziert nach [BRR+05]
Abbildung 2.2: Der Zentralkomplex mit Fan Shape Body (Fan), Ellipsoid Body (Eli),Noduli (Nod) und Brucke (Br, transparent). Modifiziert nach [BRR+05]
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2. Grundlagen
Der Protocerebrallobus und das Unterschlundganglion (siehe Abb. 2.3) wurden in
unserem Modell wie im Atlas [BRR+05] zu einem Neuropil zusammengefasst. Ersterer
umfasst verschiedene bilaterale symmetrische Subneuropile: die lateralen Horner, die
optischen Tuberkel und die Dorsalloben.
Abbildung 2.3: Der Protocerebrallobus (PL) mit den lateralen Hornern (LH), den opti-schen Tuberkeln (OT) sowie den Dorsalloben (DL) und das Unterschlund-ganglion (USG). Modifiziert nach [BRR+05]
Zunachst nicht in das Modell aufgenommen wurden die Antennalloben und die Optischen
Loben welche aus Lobula und Medulla bestehen (Abb. 2.4).
Abbildung 2.4: Antennalloben (AL) und Optische Loben (OL) bestehend aus Lobula(Lo) und Medulla (Me). Modifiziert nach [BRR+05]
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2. Grundlagen
2.2 Praparation
2.2.1 Tiere
Es wurden adulte Arbeiterinnen (Flugbienen) der westlichen Honigbiene Apis mellifera
carnica verwendet.
2.2.2 Histologie
Eine Farbemethode, welche auf Inkubation des Gehirns mit dem Fluoreszensfarbstoff Lu-
cifer Yellow [Ste81] beruht, wurde angewandt (siehe Abb. 2.5). Der wesentliche praktische
Vorteil ist, dass die Inkubationszeit im Vergleich zu der Synapsin Antikorpermethode
welche bei [BRR+05] eingesetzt wurde mit maximal 1 Tag versus 7 Tagen deutlich geringer
ist. Allerdings liefert diese Methode weniger starke Kontraste, was bezuglich der Arbeit
von K. Neubert [Neu07] eine Adaptierung der Strategie zur Anpassung des statistischen
Modells an die zu segmentierenden Grauwertbilder notig macht (siehe [Sin08]). Der Ein-
fluss dieser Farbemethode auf die Form der Gehirne und damit auch auf das statistische
Modell ist jedoch vernachlassigbar1.
2.3 Konfokale Mikroskopie
Die Bienengehirne wurden mit einem konfokalen Laser-Raster-Mikroskop gescannt. Durch
den speziellen Aufbau wird die Optik hierbei auf eine spezifische Raumebene innerhalb
des Objekts fokussiert, sodass virtuelle optische Schnitte erzeugt werden konnen. Ein
Laserstrahl rastert bei dieser Technik Punkt fur Punkt die fokussierte Ebene des Objekts
ab. Das durch den Farbstoff emittierte Licht wird durch eine Lochblende maskiert,
wodurch nur das Licht aus der Fokusebene auf den Detektor fallt (siehe Abb. 2.6).
1J. Rybak, personliche Mitteilung
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2. Grundlagen
Abbildung 2.5: Konfokaler Schnitt des Bienengehirns welches mit der Lucifer YellowMethode gefarbt wurde
Abbildung 2.6: Prinzipieller Aufbau eines konfokalen Mikroskops (modifiziert nachhttp://www.sinnesphysiologie.de/methoden/fluo/conepil.htm)
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2. Grundlagen
Fur die dem Modell zu Grunde liegenden Scans wurde ein Konfokalmikroskop vom Typ
Leica SP2 verwendet und mit einem 10 x Wasserobjektiv bei einer optischen Auflosung
von ca. 1, 5µm in der XY-Ebene und 5, 6µm in der z-Ebene gescannt (siehe Abb. 2.7).
Durch optische Brechung des Lichts im Wasserobjektiv wird die z-Ebene um den Faktor
0,7 gestaucht.
Bei dem Bienengehirn fuhrt der Scan zu einer Bildserie aus ca. 100 Schnitten, welche eine
Auflosung von 1024*1024 Punkten haben. Da jedem Bildpunkte zusatzlich eine Hohe
und damit ein Volumen zugeordnet werden kann, spricht man von Volumenpixeln oder
Voxeln.
Abbildung 2.7: Bildstapel
2.4 3D Modellrekonstruktion
Die gescannten Bilddaten mussen nun digital ausgewertet und verarbeitet werden. In
diesem Kapitel wird eine allgemeine Ubersicht uber die durchzufuhrenden Schritte
gegeben. Informationen bezuglich der konkreten Vorgehensweise bei der Verarbeitung
unserer Bilddaten finden sich im Kapitel 3.2 ab Seite 23. Die fur diese Schritte notwendigen
Verfahren sowie die in Abschnitt 2.5 beschriebenen Grundlagen zur Erstellung statistischer
Formmodelle werden vollstandig von dem Softwaresystem Amira [Ami08] bereitgestellt.
Eine praktische Anleitung zur Erstellung und Erweiterung des statistischem Formmodells
mit dieser Software befindet sich im Anhang A.
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2. Grundlagen
2.4.1 Segmentierung
Zunachst mussen in den Grauwertbildern die Voxel den entsprechenden Teilstrukturen
des Objekts zugeordnet werden. Hierzu werden manuell die entsprechenden Regionen
in den Bildschichten markiert und zu Segmenten zusammengefasst. Diese Einteilung
impliziert eine Beschreibung der Form des Objektes, welches sich aus den Teilstrukturen
zusammensetzt.
2.4.2 Oberflachenrekonstruktion
Um die Form weiter verarbeiten zu konnen muss eine geometrische Beschreibung der
Oberflache gefunden werden. Ein Verfahren zur Parametrisierung von 3D Oberflachen ist
die Triangulation: Die Form S wird beschrieben durch eine Menge V von p Punkten (vi)
auf der Oberflache welche durch Kanten zu einer Menge T von q Dreiecken (tj) verbunden
sind.
S = (V, T )
V = {vi = (x1, x2, x3)T} mit i = 1..p
T = {tj = (v1, v2, v3)} mit j = 1..q
(2.1)
Damit die Triangulation eine organische Form angemessen beschreiben kann, muss sie
die Bedingung an die Glattheit erfullen. Glattheit wird hierbei definiert uber den Winkel
der verbundenen Dreiecke: Eine Oberflache ist nach [DM92] ε-glatt, wenn der Winkel
zwischen den Normalen verbundener Dreiecke kleiner ε ist (siehe Abb. 2.8).
2.5 Statistische Formmodelle (SFM)
Die ersten statistischen Formmodelle wurden 1992 unter dem Namen”Active Shape
Models“(ASM) von Cootes et al. [CT92] eingefuhrt. Sie beinhalten Informationen uber die
Form eines Objekts sowie deren Variabilitat. Ein SFM beinhaltet eine Durchschnittsform
und gibt vor, in welchem Rahmen sich diese Form verandern darf. Der zentrale Ansatz
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2. Grundlagen
Abbildung 2.8: Der Winkel zwischen den Normalen zweier verbundener Dreiecke
ist hierbei, dass die Dimensionalitat der Form mittels einer Hauptkomponentenanalyse
reduziert wird. Im Folgenden beschreibe ich die Grundlagen eines statistischen 3D
Formmodells.
2.5.1 Alignierung der Trainingsdaten
Die die triangulierten Oberflachen mussen in ein gemeinsames Koordinatensystem ge-
bracht und gleich ausgerichtet werden. Durch eine Translation werden die Schwerpunkte
der Oberflachen ubereinander gebracht. Die Orientierung im Raum wird durch eine
Rotation angepasst. Außerdem konnen die Objekte auf die selbe Große skaliert werden.
Dieser Schritt ist abhangig von den Anforderungen an das statistische Formmodell: Soll
die Variabilitat der Große oder der Zusammenhang von Form und Große des Objekts
durch das Modell dargestellt werden konnen, so durfen die Objekte nicht skaliert werden.
Ein SFM zur Autosegmentierung muss jedoch diese Informationen nicht enthalten, durch
die Skalierung werden sie zugunsten einer großeren Deformierbarkeit aufgegeben.
2.5.2 Korrespondenzproblem
Um das Modell erstellen zu konnen, mussen die Trainingsdaten, also die Menge der
Oberflachen, aus denen das Modell erstellt wird, als Merkmalsvektor vorliegen. Dabei
mussen die einzelnen Eintrage des Vektors in sinnvoller Korrespondenz zueinander stehen.
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2. Grundlagen
Die ursprunglich von Cootes et al. [CT92] veroffentlichten ASM sind 2D Modelle, bei
denen die Parametrisierung der Trainingsdaten, in diesem Fall das Setzen der korres-
pondierenden Landmarken, manuell erfolgte. Da fur 3D Modelle zur Beschreibung der
Form wesentlich mehr Parameter benotigt werden, ist dieser Ansatz - gerade bei solch
komplexen Geometrien wie der des Bienengehirns - nicht moglich. Die großte Schwie-
rigkeit bei der Erstellung statistischer 3D Formmodelle bereitet daher die Losung des
Korrespondenzproblems. Jedem der p Punkte einer Oberflache muss eine Identifikation
zugeordnet werden, welche die anatomische Lage auf der Oberflache bestimmt. Homologe
Punkte auf verschiedenen Oberflachen bekommen die selbe Identifikation.
2.5.3 Finden einer gemeinsamen Parametrisierung
Lamecker et al. [LLS03a] stellte 2003 ein Verfahren vor, welches die korrespondierende
Dreiecksvernetzung von 3D Oberflachen findet, indem die Triangulation einer Referenzo-
berflache mittels eine Abbildung auf eine 2D Hilfsflache auf alle Trainingsoberflachen
ubertragen wird (siehe Abb. 2.9). Hierfur mussen alle Oberflachen S1..N gleichsinnig in
M korrespondierende Teilflachen P Si1..M zerlegt werden, welche homoomorph zu Kreis-
scheiben sind. Diese Teilflachen konnen uber ein Teilstuck ihres Randes zu sich selbst
bzw. einem oder mehreren anderen Teilflachen benachbart sein. Die Triangulation ei-
nes jeden Oberflachenteilstucks wird nach einem Verfahren von Floater [Flo97] mittels
einer stetigen bijektiven Abbildung φ so auf eine Kreisscheibe B abgebildet, dass die
entsprechenden Teilstucke auf den Randern korrespondierender Oberflachenteilstucke
aufeinander fallen. Durch eine Abbildung γ wird die Triangulation einer Kreisscheibe
auf eine andere ubertragen. Diese kann nun mittels der Umkehrfunktion von φ auf
die andere Teilflache ubertragen werden. Daraus resultiert eine Abbildung f zwischen
beiden Teilflachen, welche, da sowohl φ als auch γ stetig und bijektiv sind, ebenfalls
stetig und bijektiv ist. Die Korrespondenzfunktion, welche die Triangulation von P S1j
auf P S2j ubertragt ist also gegeben durch (φS2
j )−1 ◦ γ ◦ φS1j . Da f sowohl stetig als auch
bijektiv ist, stellt sie einen Homoomorphismus zwischen den Teilflachen dar. Durch die
Ubertragung der Dreiecksvernetzung aller Oberflachenteilstucke einer Referenzoberflache
auf die korrespondierenden Teilstucke aller Trainingsoberflachen wird eine gemeinsame
Parametrisierung der Trainingsmenge gefunden.
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2. Grundlagen
Abbildung 2.9: Korrespondenzfunktion zwischen zwei Oberflachenteilstucken (nach[LLS+03b])
Tabelle 4.2: Korrelation der Modellparameter der drei Detailstufen des Modells desgesamten Bienengehirns1 Korrelation der 21. Mode des 2. Modells mit der 20. Mode des 3. Modells2 Korrelation der 22. Mode des 2. Modells mit der 21. Mode des 3. Modells3 Korrelation der 20. Mode des 2. Modells mit der 22. Mode des 3. Modells
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4. Analyse des statistischen Formmodells
4.1.3 Kompaktheit des Modells
Die Kompaktheit ist ein Maß dafur, wie viele Formmoden benotigt werden, um die
Variabilitat der Form zu beschreiben.
Wie in Abschnitt 3.3 beschrieben wurde der Stichprobenumfang verdoppelt, indem alle
Trainingsdaten zusatzlich gespiegelt in das Modell mit aufgenommen wurden. Dadurch
erwarten wir eine Erhohung der Vollstandigkeit. Vor diesem Hintergrund wird das SFM,
welches nur aus den nicht gespiegelten Trainingsdaten besteht (MN=16) mit dem Modell,
das auch die gespiegelten Oberflachen enthalt (MN=32) verglichen.
Um die Kompaktheit des SFM zu veranschaulichen wird die kumulierte Varianz in
Abhangigkeit der Anzahl der Moden betrachtet (siehe 4.5). Fur einen direkten Vergleich
der Modelle untereinander wird hier die relative 90%-Kompaktheit Crel90% (siehe Gleichung
2.15) herangezogen. Auf diese Weise wird ausgewertet, wie sich die Aufnahme der
Spiegelungen in das Modell auf die Kompaktheit auswirkt.
Abbildung 4.5 zeigt fur das Gesamt- sowie fur das Teilmodell ohne Spiegelungen, dass
auch die letzten Moden noch einen erheblichen Anteil der Varianz beschreiben. Dieser
Effekt ist bei den Modellen mit Spiegelungen nicht so groß, allerdings ist der Verlauf der
Kurveen auch hier nicht asymptotisch (Vergleiche Abbildung 2.10).
Tabelle 4.3 zeigt, dass die Crel90% Kompaktheit der Modelle durch die Aufnahme der
Spiegelungen gesteigert werden konnte.
MN=16 MN=32
Gesamtmodell 1.33 1.52Teilmodell 1.45 1.68
Tabelle 4.3: Relative 90%-Kompaktheit der Modelle
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4. Analyse des statistischen Formmodells
Abbildung 4.5: Relative kumulierte Varianz der Modelle1: Modell mit Spiegelungen (MN=32)2: Modell ohne Spiegelungen (MN=16)
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4. Analyse des statistischen Formmodells
4.1.4 Vollstandigkeit des Modells
Die Vollstandigkeit beschreibt die Generalisierungsfahigkeit des SFM, also seine Fahig-
keit sich an unbekannte Oberflachen anzupassen. Dies ist das fur die Anwendung zur
Autosegmentierung entscheidende Qualitatsmerkmal des statistischen Formmodells: Ein
unvollstandiges Modell schrankt den Algorithmus zu sehr ein und verhindert so, dass er
sich an die Bilddaten anpassen kann.
Bei dem verwendeten Test wird jede der Trainingsoberflachen durch das Modell MN=32,
um die Testoberflache sowie ihr Spiegelbild reduziert, sowie an das Modell MN=16,
um die Testoberflache reduziert, angepasst (”leave one out Test“). Dieser Test wurde
sowohl fur das Modell des gesamten Bienengehirns (Gesamtmodell), als auch fur das
in Abschnitt 3.5 beschriebene Ausschnittsmodell (Teilmodell), welches einen Pilzkorper
umfasst, durchgefuhrt.
Fur das angepassten Modelle wurde der mittlere (MSD, siehe Gleichung 2.12) und der
maximale Oberflachenabstand (dmax, siehe Gleichung 2.13) sowie die Wurzel des durch-
schnittlichen quadratischen Fehlers (RMSD, siehe Gleichung 2.14) zu der Testoberflache
berechnet. Außerdem wurde ausgewertet, welcher Anteil der Oberflachen mehr als 4
µm auseinander liegen (d>4µm). Abbildung 4.6 veranschaulicht die Ergebnisse in einem
Box-Whisker-Plot.
Die durchschnittlichen Unterschiede der Abstande der Modelle MN=16 und MN=32 wurden
jeweils mittels eines T-Tests fur verbundene Stichproben auf Signifikanz uberpruft.
Wie Tabelle 4.4 zeigt, ist sowohl beim Teilmodell als auch beim Gesamtmodell die
Uberschreitungswahrscheinlichkeit p des T-Tests fur den MSD, den d>4µm und fur den
RMSD <0.05. Damit ist die Verbesserung dieser Oberflachendistanzen signifikant. Fur
die Verbesserung des maximalen Oberflachenabstandes dmax lasst sich zumindest eine
klare Tendenz erkennen.
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4. Analyse des statistischen Formmodells
Abbildung 4.6: Abstande der angepassten Modelle ohne (MN=16) und mit (MN=32) ge-spiegelten Oberflachen zu den Testoberflachen im leave one out Test
MN=16 MN=32 AD t pGesamtmodell MSD [µm] 8.1 ±0.77 7.3 ±0.62 0.8∗∗∗ 4.14 8.66 E-4
Tabelle 4.4: Vergleich der Vollstandigkeit der Modelle mit und ohne gespiegelte Instanzenmit
”leave one out“ Test
AD: durchschnittliche Abweichung der Abstandet: Teststatistik eines t-Test fur gepaarte Stichprobenp: Die Uberschreitungswahrscheinlichkeit des t-Tests∗∗∗: Signifikant auf dem 0.1 % Niveau∗∗: Signifikant auf dem 1 % Niveau∗: Signifikant auf dem 5 % Niveau
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4. Analyse des statistischen Formmodells
4.1.5 Auswertung des zeitlichen Aufwands
Die Erstellung eines statistischen Formmodells einer so komplexen Geometrie wie der
des Bienengehirns ist trotz der gegebenen Methoden mit großem Aufwand verbunden:
Die manuelle Segmentierung der Grauwertbilder hat daran erheblichen Anteil (ca. 6-10
Arbeitsstunden1 pro Gehirn), aber auch die Nachbearbeitungsschritte der Oberflachen
(ca. 4-8 Arbeitsstunden pro Gehirn) sowie die Definition und Zuordnung der Oberflachen-
regionen (ca. 2-4 Arbeitsstunden pro Gehirn) sind aufwandig.
4.2 Diskussion und Ausblick
Es konnte gezeigt werden, das durch die Aufnahme der gespiegelten Oberflachen sowohl
die Kompaktheit als auch die Vollstandigkeit des Modells erhoht. Außerdem fuhrt das
Verfahren zu einem symmetrischen Verhalten des Modells. Diese Tatsache konnte helfen,
strukturelle Forschungsergebnisse aus den beiden Gehirnhalften zu integrieren, indem sie
von einer Seite auf die andere ubertragen werden.
Schwierig zu beurteilen ist die Frage, welcher Teil der Formvariabilitat naturliche Ursachen
(Individualitat der Bienengehirne) oder technische Ursachen (verschiedenen Umstande
bei der Praparation) hat und welcher aufgrund von Artefakten und fehlerhafter Modell-
rekonstruktion aus den Bilddaten entsteht. Wie eingangs beschrieben, ist die manuelle
Segmentierung sehr abhangig von subjektiven Faktoren. Außerdem haben die verschiede-
nen Nachbearbeitungsschritte Einfluss auf die Form der Bienengehirne.
In einem Modell mit großerer Stichprobe ware es eventuell moglich, die Moden, welche
die naturliche und technische Formvariabilitat beschreiben, zu selektieren um nur diese
bei der Autosegmentierung anzupassen.
Allerdings unterliegt die Form des Modells auch einem systematischen Fehler: Aufgrund
der Methodik zum Aufbau statistischen Formmodells muss, z.T. entgegen der visuellen
Analyse der Bilddaten, die Segmentierung dem definierten Schema angepasst werden.
1die Zeitangaben beziehen sich auf die reine Arbeitszeit ohne Vorarbeit fur geubte Anwender
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4. Analyse des statistischen Formmodells
Dadurch wird die Formvariabilitat des Modells eingeschrankt. Außerdem kann aufgrund
dieser Methode nicht modelliert werden, dass sich korrespondierende Landmarken einer
Trainingsoberflache auf einer Kontaktflache befinden und einer anderen auf einer Außen-
flache. Dies ist nicht notig fur innere Strukturen, bei zwei sich beruhrenden Strukturen,
wie den Calyces, fuhrt das Verfahren jedoch zu Verzerrungen an den Kontaktflachen(siehe
Abbildung 4.7). Die Kontaktflachen waren jedoch bei allen Bienengehirnen relativ re-
gelmaßig vorhanden, sodass zu hoffen ist, dass sich dieser Fehler nicht sehr gravierend
auswirkt.
(a) Referenz: Oberflache 1 (b) Abbildung der Landmar-ken auf Oberflache 2
(c) Tatsachliche Lage derLandmarken in Oberflache 2
Abbildung 4.7: Verzerrung bei der Abbildung an BeruhrungsflachenSchwarze Punkte stellen Landmarken dar
Der mittlere Oberflachenabstand von 7.3 µm beim leave one out Test lasst darauf schließen,
dass der Fehler, den ein Anpassungsalgorithmus zur Autosegmentierung aufgrund der
Beschrankung des Modells macht, in der selben Großenordnung liegt. Ist dies praktisch
nicht zufriedenstellend, kann die Vollstandigkeit durch die Vergroßerung der Stichprobe
weiter erhoht werden. Hierdurch konnte unter Umstanden die Kompaktheit des Modells
ebenfalls erhoht werden.
Die Erweiterung des Modells um die fehlenden Neuropile eroffnet zwei verschiedene
Moglichkeiten: Einerseits kann das Modell dann auch zur Autosegmentierung dieser
Regionen genutzt werden. Andererseits konnte ein vollstandiges SFM des Bienengehirns
als deformierbarer 3D Formatlas dienen. Dieser wurde einen Rahmen zur kohasiven
Darstellung rekonstruierter Neurone bieten, welche mittels verallgemeinerter mean value
Koordinaten [JSW05] abhangig von der Form der Oberflache deformiert werden. Dies
wurde den aufwandigen und fehleranfalligen Schritt der volumenbasierten Transformation
der Neurone in den Atlas von Brandt et al. [BRR+05] umgehen.
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Kapitel 5
Danksagung
Ich danke allen, welche mich bei der Erstellung dieser Arbeit unterstutzt haben.
Insbesondere danke ich meinen Gutachtern, Prof. Randolf Menzel und Dr. Stefan Za-
chow.
Fur die Ausgabe des Themas, die individuelle Betreuung sowie fur die Bereitstellung der
Laborraume mochte ich Dr. Jurgen Rybak meinen Dank aussprechen.
Hans Lamecker danke ich fur die Unterstutzung und die zahlreichen Erklarungen.
Außerdem danke ich Astrid Klawitter fur die zur Verfugung gestellten Praparate.
Ein weiterer Dank geht an alle Lektoren, und Korrektoren meiner Arbeit.
Anhang A
Praktische Anleitung zur Erzeugung
von Oberflachen fur das statistische
Formmodell des Bienengehirns mit
Amira
Diese Anleitung bezieht sich auf die Benennungen in ZIBAmira 2008.01. In anderen
Versionen konnen Bezeichnungen abweichen oder Module nicht vorhanden sein. Die
Basisfunktionen von Amira werden als bekannt vorausgesetzt. Fur eine ausfuhrliche
Erklarung der Funktionen von Amira verweise ich auf die Dokumentation [Ami08].
A.1 Segmentierung
Fur die Segmentierung stellt Amira den”Segmentation Editor“ bereit. Er ist
uber ein Symbol (rechts) oberhalb des Pools zu erreichen. Zunachst muss zu dem
Grauwertdatensatz ein neues”Labelfield“ erzeugt werden, das die Segmentierung
speichert. Dazu bei”Label Data“ auf den Button
”New“ drucken.
A. Praktische Anleitung zur Erzeugung von Oberflachen fur das statistische Formmodell