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Archäologie Österreichs 25/1, 2014 39 FORSCHUNG IM AUSLAND Antike Wohnkultur in Syene (Assuan) am Beispiel der Areale 1 und 2 Thomas Koch und Wolfgang Müller Die antike Stadt Syene, das heutige Assuan, befindet sich unterhalb des ersten Kataraktes am Ostufer des Nils. 1 Das Gebiet um Syene zwi- schen dem 1. und 2. Katarakt war in der Antike das Verbindungsglied zwischen Ägypten und Nubien und bildete in politischer und kultureller Hinsicht ein Grenzgebiet. Schon der griechische Historiker Herodot nannte die Grenze zwischen Ägypten und Nubien im Bereich der Katarakte und der Insel Elephantine. 2 Durch die Lage Assuans im südlichen Teil von Ägypten war die Stadt in der Antike ein Stapel- platz und Knotenpunkt für den innerafrikani- schen Karawanenverkehr. In der griechisch-rö- mischen Zeit war Assuan auch von strategischem und militärischem Wert; aufgrund der vorhan- denen Steinbrüche spielte die Stadt eine wich- tige Rolle für den Steintransport. 3 Ab dem 4. Jahrhundert wurde die Stadt Bischofssitz. In den Zeitraum 493–613 n. Chr. datieren die papyro- logischen Texte aus dem sog. Patermouthisar- chiv; Dokumente, die über diverse Besitzverhält- nisse innerhalb der Stadt Syene berichten. 4 Der nördliche Teil der Stadt entwickelte sich erst während der Fatimidenzeit (969–1117 n. Chr.) und erfuhr zu dieser Zeit seine größte Ausdeh- nung. In der Mamlukkenzeit fällt die Stadt immer wieder Plünderungen zum Opfer. 5 Die antike Stadt Syene ist im südlichen Abschnitt der modernen Stadt Assuan zu finden. Die Gren- zen dieser antiken Stadt werden heute durch zwei sichtbare Granitformationen am Nilufer markiert. Von den antiken Bauwerken sind heu- te noch drei Monumente in Assuan sichtbar. Das besterhaltende Monument ist der Isistempel (errichtet im Regierungszeitraum von Ptolemaios III, Euergetes I. und Ptolemaios IV. Philopator) in Areal 1. 6 In Areal 2 befindet sich ein Teil der Stadtmauer, die sehr wahrscheinlich in der Per- serzeit errichtet und danach mehrmals repariert und erweitert wurde. Diese Stadtmauer konnte auch in Areal 1, im Südosten des Isistempels entdeckt und untersucht werden. 7 Beim dritten Bauwerk handelt es sich um einen unter Kaiser Domitian erbauten Tempel in Areal 3. 8 Geologisch teilt sich das Gebiet um Assuan in drei relevante Gebiete auf. Zum einen sind dies alluviale Ablagerungen des Nils im Niltalgebiet während des Quartärs. Dabei handelt es sich um sandigen und tonhaltigen Nilschlamm, der die fruchtbaren Böden des Landes bildet und das älteste und bis heute wichtigste profane Bauma- terial darstellt. 9 Das Gebiet von Luxor bis weit nach Nubien wird von kreidezeitlichem Sand- stein, auch als nubischer Sandstein bekannt, dominiert. 10 Ebenfalls südlich der Stadt erstre- cken sich die lokal begrenzten Vorkommen der präkambrischen Gesteine. Dazu zählen vor allem die Varianten des Granits und Granodiorits, von denen der sog. Rosengranit zu nennen ist, der seit dem Alten Reich bis zum heutigen Tag eine der wichtigsten Ressourcen des Kataraktgebie- tes darstellt. 11 Forschungsgeschichte 12 Die ersten Forschungsberichte über Syene stam- men von europäischen Forschungsreisenden, die in den Jahren 1737 und 1743 die sichtbaren Überreste der antiken Stadt, den Tempel des Domitian, die mittelalterliche Verteidigungs- mauer und die Säulen einer Basilika beschrie- ben. 13 Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden erste Untersuchungen am Domitianstempel von William Richard Hamilton und Robert Richardson unternommen. 14 Während der Straßenarbeiten für die Eisenbahntrasse zwischen Aswan und Shellal wurde 1871 der Isistempel entdeckt. 15 Bis 1902 erfolgten die Ausgrabungen durch den Service des Antiquités, der, um den tiefer liegenden Tempel zu schützen, eine massive Lehmziegelmauer im Osten errichtete. 16 Ein erster epigraphischer Survey am Isistempel startete mit einer italienischen Grabungskam- pagne in den Jahren 1971–1972. 17 1 Locher 1999, 230. 2 Hölbl 1990, 100. 3 Plinius, Naturalis historia XXXVI 63. 4 Porten 1996, 389–399. – Müller (in Druck), 62. Es finden sich in dem Archiv papyrologische Evidenzen über ein Phroution, eine den Bereich umgebenden Schutzmauer und eine Kirche der Heiligen Marie von Syene. 5 Halm 2003, 49. 6 Pilgrim et al. 2006, 215. 7 Pilgrim et al. 2008, 317. Die erste und bislang einzige ernstzu- nehmende Untersuchung der Stadtmauer wurde durch Horst Jaritz vorgenommen. 8 Hamilton 1809, 66. – Jaritz 1975. – Pilgrim et al. 2006, 251–253. 9 Klemm 2004, 411. 10 Sampsell 2004, 58. 11 Klemm 2004, 412. 12 Vgl. für eine ausführlichere Übersicht Pilgrim, Müller & Schwaiger (in Druck), 79-84. – Müller (in Druck), 68–69. 13 Pococke 1743, 116–118. 14 Hamilton 1809, 66. – Richardson 1822, 510. 15 Mariette 1889, 6. 16 Reeves & Taylor 1992, 57. – Carter 1905, 129. 17 Bresciani & Perigotti 1978. Im Zuge dieses Surveys wurden vorwiegend Spolien aus dem Schutt eingesammelt.
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Antike Wohnkultur in Syene am Beispiel der Areale 1 und 2

Apr 06, 2023

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Thomas Koch
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Page 1: Antike Wohnkultur in Syene am Beispiel der Areale 1 und 2

Archäologie Österreichs 25/1, 2014 39

Forschung Im AuslAnd

Antike Wohnkultur in Syene (Assuan) am

Beispiel der Areale 1 und 2Thomas Koch und Wolfgang Müller

Die antike Stadt Syene, das heutige Assuan, befindet sich unterhalb des ersten Kataraktes am Ostufer des Nils.1 Das Gebiet um Syene zwi-schen dem 1. und 2. Katarakt war in der Antike das Verbindungsglied zwischen Ägypten und Nubien und bildete in politischer und kultureller Hinsicht ein Grenzgebiet. Schon der griechische Historiker Herodot nannte die Grenze zwischen Ägypten und Nubien im Bereich der Katarakte und der Insel Elephantine.2

Durch die Lage Assuans im südlichen Teil von Ägypten war die Stadt in der Antike ein Stapel-platz und Knotenpunkt für den innerafrikani-schen Karawanenverkehr. In der griechisch-rö-mischen Zeit war Assuan auch von strategischem und militärischem Wert; aufgrund der vorhan-denen Steinbrüche spielte die Stadt eine wich-tige Rolle für den Steintransport.3 Ab dem 4. Jahrhundert wurde die Stadt Bischofssitz. In den Zeitraum 493–613 n. Chr. datieren die papyro-logischen Texte aus dem sog. Patermouthisar-chiv; Dokumente, die über diverse Besitzverhält-nisse innerhalb der Stadt Syene berichten.4

Der nördliche Teil der Stadt entwickelte sich erst während der Fatimidenzeit (969–1117 n. Chr.) und erfuhr zu dieser Zeit seine größte Ausdeh-nung. In der Mamlukkenzeit fällt die Stadt immer wieder Plünderungen zum Opfer.5

Die antike Stadt Syene ist im südlichen Abschnitt der modernen Stadt Assuan zu finden. Die Gren-zen dieser antiken Stadt werden heute durch zwei sichtbare Granitformationen am Nilufer markiert. Von den antiken Bauwerken sind heu-te noch drei Monumente in Assuan sichtbar. Das besterhaltende Monument ist der Isistempel (errichtet im Regierungszeitraum von Ptolemaios III, Euergetes I. und Ptolemaios IV. Philopator) in

Areal 1.6 In Areal 2 befindet sich ein Teil der Stadtmauer, die sehr wahrscheinlich in der Per-serzeit errichtet und danach mehrmals repariert und erweitert wurde. Diese Stadtmauer konnte auch in Areal 1, im Südosten des Isistempels entdeckt und untersucht werden.7 Beim dritten Bauwerk handelt es sich um einen unter Kaiser Domitian erbauten Tempel in Areal 3.8

Geologisch teilt sich das Gebiet um Assuan in drei relevante Gebiete auf. Zum einen sind dies alluviale Ablagerungen des Nils im Niltalgebiet während des Quartärs. Dabei handelt es sich um sandigen und tonhaltigen Nilschlamm, der die fruchtbaren Böden des Landes bildet und das älteste und bis heute wichtigste profane Bauma-terial darstellt.9 Das Gebiet von Luxor bis weit nach Nubien wird von kreidezeitlichem Sand-stein, auch als nubischer Sandstein bekannt, dominiert.10 Ebenfalls südlich der Stadt erstre-cken sich die lokal begrenzten Vorkommen der präkambrischen Gesteine. Dazu zählen vor allem die Varianten des Granits und Granodiorits, von denen der sog. Rosengranit zu nennen ist, der seit dem Alten Reich bis zum heutigen Tag eine der wichtigsten Ressourcen des Kataraktgebie-tes darstellt.11

Forschungsgeschichte12

Die ersten Forschungsberichte über Syene stam-men von europäischen Forschungsreisenden, die in den Jahren 1737 und 1743 die sichtbaren Überreste der antiken Stadt, den Tempel des Domitian, die mittelalterliche Verteidigungs-mauer und die Säulen einer Basilika beschrie-ben.13 Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden erste Untersuchungen am Domitianstempel von William Richard Hamilton und Robert Richardson unternommen.14 Während der Straßenarbeiten für die Eisenbahntrasse zwischen Aswan und Shellal wurde 1871 der Isistempel entdeckt.15 Bis 1902 erfolgten die Ausgrabungen durch den Service des Antiquités, der, um den tiefer liegenden Tempel zu schützen, eine massive Lehmziegelmauer im Osten errichtete.16 Ein erster epigraphischer Survey am Isistempel startete mit einer italienischen Grabungskam-pagne in den Jahren 1971–1972.17

1 Locher 1999, 230.2 Hölbl 1990, 100.3 Plinius, Naturalis historia XXXVI 63.4 Porten 1996, 389–399. – Müller (in Druck), 62. Es finden sich in dem Archiv papyrologische Evidenzen über ein Phroution, eine den Bereich umgebenden Schutzmauer und eine Kirche der Heiligen Marie von Syene.5 Halm 2003, 49.6 Pilgrim et al. 2006, 215.7 Pilgrim et al. 2008, 317. Die erste und bislang einzige ernstzu-nehmende Untersuchung der Stadtmauer wurde durch Horst Jaritz vorgenommen.

8 Hamilton 1809, 66. – Jaritz 1975. – Pilgrim et al. 2006, 251–253.9 Klemm 2004, 411.10 Sampsell 2004, 58.11 Klemm 2004, 412.12 Vgl. für eine ausführlichere Übersicht Pilgrim, Müller & Schwaiger (in Druck), 79-84. – Müller (in Druck), 68–69.13 Pococke 1743, 116–118.14 Hamilton 1809, 66. – Richardson 1822, 510.15 Mariette 1889, 6.16 Reeves & Taylor 1992, 57. – Carter 1905, 129.17 Bresciani & Perigotti 1978. Im Zuge dieses Surveys wurden vorwiegend Spolien aus dem Schutt eingesammelt.

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Das Schweizerische Institut für Ägyptische Bau-forschung und Altertumskunde in Kairo unter-nahm in den Jahren 1987–1993 unter der Leitung von Horst Jaritz mehrere Survey-Kampagnen im und um den Isistempel.18 Im Oktober 2000 be-gannen das Schweizerische Institut für Ägyp-tische Bauforschung und Altertumskunde in Kairo unter der Leitung von Cornelius von Pilgrim und das Supreme Council of Antiquities Aswan ein umfangreiches und langfristiges Forschungs-projekt in Assuan/Syene. Gegenstand dieses Projektes ist die Erforschung der Stadtgeschichte von Assuan von ihren Anfängen bis hin in die frühe Neuzeit. Bis zum jetzigen Zeitpunkt konn-ten durch das Schweizerische Institut mehr als 82 Areale im Zuge von Not- und Forschungs-grabungen auf archäologische Befunde unter-sucht werden (Abb. 1).19

Im Rahmen dieses Projektes begann im Jahr 2000 eine neuerliche Untersuchung des Isistem-pels und des ihn umgebenden Areales 1.20 Dabei wurden der Tempel und die südlich davon erhal-tenen spätrömischen und frühmittelalterlichen Gebäudestrukturen untersucht. Nach intensiven Säuberungsarbeiten nördlich des Isistempels

wurde sichtbar, dass die von H. Jaritz ausgegra-benen Häuser21 bis zu den Grundmauern freige-legt und dann wieder verfüllt worden waren. Unglücklicherweise ist der Bereich zwischen den Wohnhäusern und der Stadtmauer nicht mehr einsehbar, weil dort im Zuge der Sicherung von Areal 1 eine Stützmauer errichtet wurde.Auf Einladung des Schweizerischen Instituts widmet sich das ÖAI seit 2011 im Rahmen des FWF-Projektes „Antike Wohnkultur in Syene/Elephantine, Oberägypten“22 der Erforschung hellenistisch-römischer Wohnbebauung, mit dem Ziel haustypologischer Vergleiche zwischen den spätptolemäischen bis kaiserzeitlichen Wohnbauten, um auf diese Weise präzise Infor-mationen über die Wohn- und Lebenskultur der Bevölkerung der 1. Kataraktregion in spät-ptolemäisch-römischer und spätantiker Zeit zu gewinnen. Zusätzlich soll versucht werden, eine auf den archäologischen Befunden aufbauende Typochronologie und Scherbenklassifizierung der Keramik herauszuarbeiten. Bis 2013 wurden feldarchäologische Forschungen in den Arealen 1 und 2 sowie die Fundaufnahme von Areal 13 vor Ort durchgeführt.

Abb. 1: Assuan/syene: Plan der stadt Assuan mit der perserzeitlichen stadtmauer und den grabungsarealen (Quelle: W. müller, swissinst).

18 Jaritz & Rodziewicz 1996, 235–236.19 Für den aktuellen Arbeitsfortschritt vgl. die Vorberichte 9–13 des Schweizerischen Instituts für Ägyptische Bauforschung und Alter-tumskunde in Kairo: http://www.swissinst.ch/html/forschung_neu.html (09.05.2014).

20 Pilgrim, Bruhn & Kelany 2004, 127–134. – Pilgrim et al. 2006, 220–251.21 Jaritz & Rodziewicz 1996, 235.22 Projekt-Nr. P 23866.

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7, 8 und 12, Phase II durch die Häuser 1, 2, 9, 10 und 11 und Phase III durch die Häuser 3, 4 und 5. Insgesamt überspannen alle drei Phasen einen Zeitraum zwischen dem 1. und dem 11. Jahrhun-dert n. Chr., sprich 1000 Jahre.23 Haus 5 war bereits Objekt der Forschung zu den Überein-stimmungen mit Gebäudestrukturen, die aus anderen Gegenden entlang des Niltals bekannt waren, und wurde nach dem bis zu diesem Zeit-punkt erfassten Grundriss und der Lage in das 1. Jahrhundert n. Chr. datiert.24 Das Haus wurde damals nicht vollständig ergraben, sondern nur an den südlichen und östlichen Grenzen ange-schnitten.25

Zunächst wurde der als Raum A von Haus 5 angesprochene Bereich großflächig freigelegt.26 Dieser Raum war in einem bemerkenswert guten Zustand erhalten geblieben und offenbarte ei-nen fast ungestörten architektonischen Aufbau (Abb. 2). Hier konnten nicht nur mehrere Geh-horizonte, sondern auch noch zum Teil farbige Verputzreste an den Wänden sowie eine mög-liche Feuerstelle nachgewiesen werden. Weiters wurden Durchgänge zu mindestens drei weite-ren Raumeinheiten festgestellt.Im Herbst des Jahres 2013 wurde basierend auf den vorangegangenen Grabungen und anhand der sichtbaren Mauerkronen versucht, den Grundriss und architektonischen Aufbau von Haus 5 sowie mögliche weitere Raumeinheiten festzustellen, um so einen typologischen Ver-gleich zu den kaiserzeitlichen Wohnhäusern in Areal 2 herstellen zu können. Der Grundriss des Hauses setzte sich aus zwei rechteckigen Hallen im Süden (Raum A und B) und einem großen offenen Hof im Norden zusammen (Abb. 3–4). Ein Treppenhaus verband nicht nur das obere mit dem unteren Geschoß, sondern ermöglichte zudem noch den Zugang zu den westlichen Räumen über einen kurzen Korridor. Gräben im Osten und im Süden zeigten, dass das Haus von Gassen bzw. Straßen umgeben war (2,2 m im Süden, 2,00 m im Osten). Eine große Straße wurde im Süden des Hauses vermutet. Die Be-grenzungen im Süden waren aufgrund jüngerer Überbauungen durch die Mauern von Haus 2 nicht vollständig zu erfassen. Die mögliche Westbegrenzung von Haus 5 war aufgrund der späteren Überbauung nur teilweise festzustel-len.27

Abb. 2: Assuan/sy-ene: der sog. raum A von haus 5 mit eingestürztem ge-w ö l b e ( Q u e l l e : T. Koch, ÖAI).

Abb. 3: Assuan/syene: Wohnbebauung in Areal 1, das sog. haus 5 bei gra-bungsabschluss 2013 (Quelle: T. Koch, ÖAI).

23 Pilgrim, Bruhn & Kelany 2004, 128, Fig. 1; 2. Nach den Untersu-chungen von H. Jaritz bezieht sich alleine Phase III auf das 1.–5. Jahrhundert n. Chr.24 Jaritz & Rodziewicz 1996, 237–240.25 Pilgrim, Bruhn & Kelany 2004, 129, Fig. 4a.26 Die Grabungssystematik bezog sich sowohl auf eine horizontale Befundaufdeckung als auch auf einen stratigrafischen Ablauf durch eine tachymetrische Aufnahme.27 Pilgrim, Bruhn & Kelany 2004, 129, Fig. 3, 4c.

Vorläufige Ergebnisse und aktuelle Forschungen des ÖAI in Syene

Areal 1

Während der Frühjahrs- und Herbstkampagne 2013 lag der Schwerpunkt auf dem als Haus 5 angesprochenen Wohnhaus in Areal 1. Im Süden des Areals waren noch 8 m hohe Sequenzen von ziviler Architektur fassbar, die die Hauptperioden der urbanen Bauentwicklung in Syene repräsen-tierten. Die bisherigen Forschungen konzentrier-ten sich auf die drei spätesten Siedlungsphasen, die sich anhand der Reste der Wohnquartiere im Süden des Tempels unterscheiden ließen. Die späteste Phase I ist vertreten durch die Häuser 6,

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Am schwierigsten gestaltete sich die Untersu-chung der Hofanlage und der davon abhängigen Mauern im Osten von Haus 5 und ihres Bezuges zum Haus. Rezente Raubgrabungen hatten zum Einsturz der Außenmauern des Hofes geführt. Die noch anstehenden neuzeitlichen Schutt-schichten waren durchschnittlich 1 m, an einigen Stellen bis zu 3 m mächtig.Obwohl die Funktion des Hauses noch nicht vollständig geklärt werden konnte, war es mög-lich, durch die Auswertung der stratigraphischen Schichtabfolgen, die Keramikuntersuchungen und die Untersuchung der Funde die Errichtung von Haus 5 in die spätptolemäische Zeit zu da-tieren. Aufgrund der fassbaren architektonischen Merkmale, Änderungen in der Bausubstanz und der bautypologischen Unterschiede des verwen-deten Baumaterials im noch erhaltenen, aufge-henden Ziegelmauerwerk konnte eine rudimen-täre Abfolge von Bauphasen im und am Haus 5 nachgewiesen werden.In Areal 1 kam es in der spätptolemäischen Zeit zu einer starken Änderung der Bebauung im Bereich südlich des Isistempels. Während der Umbaumaßnahmen wurden einige ältere, noch bestehende Bauten aufgelassen, die Gebäude-strukturen auf ein gleichmäßiges Niveau abge-tragen und ein einheitlicher Planierungshorizont geschaffen. Einzig ein rechteckiges Gebäude, bestehend aus zwei Räumen, blieb erhalten. Die baulichen Strukturen dieses Gebäudes wurden als Grundelemente und Fundamente für die Errichtung eines weitaus größeren und aufwen-digeren Hauses genutzt. Die architektonische Neugestaltung sah im Unter- sowie um Ober-geschoß drei Räume vor, die von einem Korridor aus zu betreten waren. Ein Treppenhaus und eine offene Hofanlage wurden im Osten angeschlos-sen. Die Räume waren rechteckig, Nord-Süd orientiert und in fast identischen Ausmaßen erbaut worden. Jeder Raum war mit einer Türe zum Korridor, Wandnischen und einem Tonnen-gewölbe ausgestattet (Abb. 4).Die Aufgabe von Haus 5 erfolgte in zwei Phasen. Der Nordtrakt des Gebäudes, einschließlich des Korridors und des Treppenhauses, wurde plan-mäßig bis auf das Niveau des Fußbodens im Obergeschoß aufgeschüttet und die Raumkon-zeption aufgegeben. Vereinzelte Reste von Mauerzügen weisen hier auf eine weitere Nut-zung des Areals als Wohnkomplex mit einer neu entstandenen Hofanlage, allerdings war dieser Bereich durch rezente Zerstörungen besonders in Mitleidenschaft gezogen. Die Räumlichkeiten im Süden dagegen blieben fast unverändert in ihrem ursprünglichen Bauzustand bestehen, bis der Einsturz des Gewölbes zur vollständigen Aufgabe des Hauses führte. Über dem noch

teilweise bestehenden Mauerwerk von Haus 5 wurden in der Folge weitere Bauten errichtet, die allerdings keine Rücksicht auf den ursprüng-lichen Gebäudegrundriss nahmen, sondern sich fast ausschließlich an den später entstandenen Straßen- und Gassenverläufen des Wohnquar-tiers orientierten.

Areal 2

In Areal 2 wurden 2011 und 2012 groß angeleg-te Grabungen im Bereich der kaiserzeitlichen Wohnhäuser durchgeführt. Ziel dieser Unterneh-mung war es, die Bauabfolge dieser Baustruk-turen zu klären und die darunter zu erwartenden ptolemäischen Befunde zu untersuchen. Nach der ptolemäischen Epoche kam es am Übergang zur frühen Kaiserzeit zu einer vollständigen Änderung des Nutzungsbereiches.Es wurden nun Gebäude errichtet, die eindeutig als Wohnhäuser interpretiert werden können. Bereits existierende Hofanlagen wurden den neu entstandenen Häusern als Wirtschaftsberei-che (kleine Stallungen, Öfen und Werkstatthori-zonte) zugeordnet (Abb. 5 und 6). Während sich im Osten des untersuchten Bereiches längere

Abb. 4: Assuan/syene: Plan von Areal 1 mit haus 5 und dem Isistempel (Quelle: T. Koch, ÖAI).

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Nutzungsphasen der Häuser bestimmen ließen28, war im Süden und Westen eine intensive Bautä-tigkeit zu beobachten. Die älteren Strukturen wurden sowohl teilweise abgetragen und über-baut als auch als aufgehendes Mauerwerk für die Konstruktion neuer Wohngebäude weiterver-wendet. Zu Beginn der Nutzung des Bereiches zur Errichtung und Etablierung von Wohngebäu-den wurden die bereits bestehenden Grund-stücksgrenzen und Gebäudegrundrisse durch die neue Bebauung massiv verändert. Erst ab dem 2. Jahrhundert n. Chr. war eine klare Kontinuität hinsichtlich der Grundrissgestaltung festzustellen (Abb. 6).

Ein großes Problem scheint die Materialakkumu-lation in diesem Bereich dargestellt zu haben, die zu unterschiedlichen baulichen Maßnahmen beigetragen hat. Bei der Errichtung neuer Ge-bäude wurden die Hauseingänge bereits höher angelegt und gassenseitig Treppen vorgelagert. In den Gassen wurden zudem niedrige halbrun-de oder rechteckige Umfassungsmauern vor den Hauseingängen errichtet, um zu verhindern, dass Material in die Häuser und Höfe gelangte. Falls der Niveauunterschied zwischen dem Gehniveau der Gasse und dem Eingangsbereich eines Haus zu groß wurde, wurden die betreffenden Raum-einheiten und Höfe des Gebäudes aufgefüllt und auf dem ehemaligen aufgehenden Mauerwerk neue Mauern errichtet. Die Innenräume der Gebäude erfuhren keine Veränderung, da diese ursprünglich höher angelegt worden waren. Die Nutzung der spätesten Häuser des untersuchten Bereiches weist in die späte Kaiserzeit, einige Befunde lassen sich allerdings grob in die Spät-antike datieren. Zu dieser Zeit muss von einer weiteren massiven Umgestaltung dieses Berei-ches ausgegangen werden, da die einst zu mehreren Hauseingängen führende Gasse im Norden durch eine Tür in einen verschließbaren Korridor umgewandelt worden war.29

Zusammenfassung

Die bisherigen Ergebnisse des Forschungspro-jektes erlauben ein erstes Bild der Wohnquar-tiere und Wohnhäuser der antiken Stadt Syene. Bislang wurde der Beginn der Wohnbebauung in Areal 1 in das 1. Jahrhundert n. Chr. und damit in die frühe Kaiserzeit gesetzt, wobei die älteren ptolemäischen Befunde nicht in Zusammenhang mit den privaten Wohnaktivitäten zu stehen schienen.Die Auswertung der stratigrafischen Befunde sowie die Aufnahme und Untersuchung des keramischen Fundmaterials zeigten jedoch eine Bauabfolge, die von der spätptolemäischen Zeit bis zur Spätantike nachgewiesen werden kann. Diese Weiterverwendung des ptolemäischen Siedlungsbefundes durch die römische Besat-zungszeit hindurch erweitert unser Wissen über die Entwicklung der einzelnen Wohnhäuser und den Gebäudebestand der Wohnquartiere. Zu-dem stellt die Größe von Haus 5 ein Ergebnis dar, das nicht erwartet wurde. Auch wenn die Nutzung des Hauses über die Epochen hinweg unterschiedlich war, so war der Wohncharakter mit Hofanlage wohl immer ausschlaggebend.

Abb. 5: Assuan/syene: Wohnbebauung in Areal 2, grabungen herbst 2011 (Quelle: n. gail, ÖAI).

Abb. 6: Assuan/syene: Plan des Areals 2 (Quelle: h. schwaiger, ÖAI).

28 Die jüngeren Bauphasen und eventuelle Umbauten waren im Osten bereits weitgehend zerstört.29 Ladstätter 2012, 106.

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Im Anschluss an die Feldforschungen werden haustypologische Vergleiche mit spätptolemäi-schen bis kaiserzeitlichen Wohnbauten zwischen den Arealen, aber auch auf der Insel Elephantine folgen. Zudem wird die detaillierte Fundanalyse eine genaue zeitliche Einordnung der Bauphasen ermöglichen. Durch die Verwendung von zeitge-mäßen technischen und wissenschaftlichen Me-thoden bei der Aufarbeitung der Befunde wurde eine solide Grundlage geschaffen, die eine opti-male Auswertung weiterer Ergebnisse der Feld-archäologie gewährleisten und fördern kann.

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