Analyse der Temperaturverhältnisse in der Eisriesenwelt-Höhle im Tennengebirge anhand einer 12 jährigen Messreihe Diplomarbeit eingereicht am Institut für Meteorologie und Geophysik LEOPOLD-FRANZENS UNIVERSITÄT Innsbruck Betreut von Ass. - Prof. Dr. Friedrich Obleitner zur Erlangung des akademischen Grades MAGISTER DER NATURWISSENSCHAFTEN von KURT THALER Innsbruck, Oktober 2008
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3 Auswertung der Temperaturaufzeichnungen ......................... 22
3.1 Datenerfassung und Lage der Messstationen ........................................ 22
3.2 Geografische Lage der Eisriesenwelt und den umliegenden SYNOP und Klimastationen der ZAMG ............................................................................ 23
3.7 Ergebnisse der Auswertung zur Temperatur und Strömung .................. 39
3.7.1 Die Verhältnisse in der ERW anhand eines typischen Witterungsverlaufes .................................................................................. 39
3.7.2 Mittleres Temperaturströmungsregime in der Eisriesenwelt-Höhle . 46
3.8 Meteorologisch-glaziologische Prozesse in Zusammenhang mit der Strömungsrichtung ....................................................................................... 47
4 Modellierung und Empfindlichkeitsstudie .............................. 49
4.1 Der hydrostatische Druck einer Luftsäule .............................................. 49
Abb. 1: Karte zur Eisriesenwelt (ViaMichelin) ............................................................................... 3
Abb. 2: Vorderer Teil des Höhlengrundrisses der Eisriesenwelt-Höhle (Plan vom Rother Bergverlag 2007) ........................................................................................................................... 4
Abb. 3: Seitenriss des permanenten Eisbereiches der Eisriesenwelt (Plan vom Rother Bergverlag 2007) ........................................................................................................................... 4
Abb. 4: Höhleneingang von Außen (www.eisriesenwelt.at) und Innen, gleich nach der Eingangstüre (eigene Aufnahme) ................................................................................................. 5
Abb. 7: Eispalast mit automatischer Wetterstation (eigene Aufnahme). An dieser Stelle wurde am 16. und 17. Oktober 2006 mit einem Georadar eine maximale Dicke von 7,5m gemessen(Behm und Haumann 2007). Im Hintergrund sieht man eine automatische Wetterstation des Meteorologischen Instituts der Universität Innsbruck. ..................................... 7
Abb. 8: Berechnete Klimadaten für die ERW mit Daten der Klimastation Feuerkogel aus der Klimaperiode 1971-2000 (nach http://www.zamg.ac.at/fix/klima/ oe71-00/klima2000/ klimadaten_oesterreich_1971_frame1.htm, 21.02.2008) ............................................................. 8
Abb. 9: Mittlere Anströmung der Klimastation Feuerkogel aus der Klimaperiode 1971-2000 (nach http://www.zamg.ac.at/fix/klima/oe71-00/klima2000/klimadaten_oesterreich_1971_ frame1.htm, 21.02.2008) ............................................................................................................... 9
Abb. 10: Monatsniederschläge beim Feuerkogel aus der Klimaperiode 1971-2000 (nach http://www.zamg.ac.at/fix/klima/oe71-00/klima2000/klimadaten_oesterreich_ 1971_frame1.htm, 21.02.2008) ................................................................................................................................... 9
Abb. 11: Nach Luetscher 2005: Schematische Darstellung des „Kamineffektes“ für eine dynamische Höhle (mehrere Eingänge) ..................................................................................... 12
Abb. 12: Klassifikation der Eishöhlen nach Lütscher (2005) für Eishöhlen mit großen Eisablagerungen in niederen Breiten wie sie in den Alpen vorkommen ..................................... 14
Abb. 13: Erste speläologische Untersuchungen zur Eisriesenwelt von Saar im Jahre 1913 (nach Oedl 1922) ........................................................................................................................ 15
Abb. 14: Messergebnisse zum Eispalast und Ausgang 2 bzw. Nebeneingang nach Obleitner 2008a. Die Lage der Messstationen ist im Höhlenplan links mit der jeweiligen Farbe angegeben (Spötl 2007) ................................................................................................................................. 18
Abb. 15: Überlegung zur Strömungsrichtung in einer stark vereinfachten Geometrie der Eisriesenwelt-Höhle im Winter bzw. an kalten Tagen .............................................................. 19
Abb. 16: Dieselbe Situation wie in Abbildung 15, allerdings im Sommer bzw. an warmen Tagen .......................................................................................................................................... 20
Abb. 18: Grundriss des Eisbereiches der Eisriesenwelt und die Lage der Stationen (Plan von Spötl 2007) .................................................................................................................................. 23
Abb. 19: Lage der Messstationen (Google Earth 2008) ............................................................. 24
Abb. 20: Tagesmittel-Datenbestand der Eishöhlendaten. Zu den längsten Temperaturreihen ist die Aufzeichnungsdauer in Jahren angegeben .......................................................................... 25
Abb. 21: Schema zur Homogenisierung und Qualitätskontrolle ................................................. 27
Abb. 22: Überblick der erhobenen Temperaturdaten aus der Eisriesenwelt .............................. 29
Abb. 23: Temperaturvergleich zwischen den Stationen Feuerkogel und dem Höhleneingang aus der Eisriesenwelt im Jahr 1999 ............................................................................................ 30
Abb. 24: Mittlerer Jahresgang der Tagesmittel der Lufttemperatur von 1995 bis 2007 (Stationsplan nach Spötl 2007) ................................................................................................... 32
Abb. 25: Mittleres Temperaturprofil der Tagesmittel von 1995 bis 2007 in Abhängigkeit von der Entfernung vom Höhleneingang (Stationsplan nach Spötl 2007) ............................................... 33
Abb. 26: Jahreslauf der Monatsmittel von den fünf Stationen Feuerkogel, Höhleneingang (Station hinter der Eingangstüre), Bereich Wassergang, Sturmsee und Ausgang3 aus der Zeit 1996 bis 2007 (Stationsplan nach Spötl 2007) ........................................................................... 34
Abb. 27: Temperatur der vier Jahreszeiten aus der Periode 1995 bis 2007 des Sturmsee, Höhleneinganges und der nächsten Klimastation auf dem Krippenstein (farbig hinterlegt sind die im folgenden kommentierten Abfälle und Anstiege im Winter) ............................................. 36
Abb. 28: Jahresmittelwerte der Eisriesenwelt-Stationen Höhleneingang (HE Mittelwert) und Sturmsee (SS Mittelwert) verglichen mit denen der Referenzstationen vom Feuerkogel (FK Mittelwert) und Hahnenkamm (HK Mittelwert) aus der Periode 1996-2007. Die strichlierten Linien stellen die dazugehörigen Regressionsgeraden und -gleichungen dar. .......................... 38
Abb. 29: Untersuchung zum Zusammenhang zwischen der Strömung in der Höhle, dargestellt durch eine Temperaturdifferenz der Eisriesenwelt Stationen Höhleneingang und Sturmsee, Druckgradienten um das Tennengebirge und der Anströmung der Äußeren Atmosphäre für verschiedene Tage im meteorologischen Winter 2004. (siehe detaillierte Beschreibung im Text) .................................................................................................................................................... 41
Abb. 30: Zusammenhang zwischen der Temperaturdifferenz zweier Stationen in der Eisriesenwelt, welche als Maß für die Strömungsrichtung in der Höhle fungieren soll, und dem Nordsüd Druckgradienten. Die vertikale Gerade bei 0,65°C soll das im Text beschriebene feuchtadiabatische Gleichgewicht darstellen und als Maß zur Unterscheidung zwischen dem Aus- und Einfließen dienen. ........................................................................................................ 42
Abb. 31: Zusammenhang zwischen der Temperaturdifferenz zweier Stationen in der Eisriesenwelt, welche als Maß für die Strömungsrichtung in der Höhle fungieren soll, und dem Ostwest Druckgradienten ........................................................................................................ 43
Abb. 32: Zusammenhang zwischen der Temperaturdifferenz zweier Stationen in der Eisriesenwelt, welche als Maß für die Strömungsrichtung in der Höhle fungieren soll, und der Außentemperatur am Feuerkogel ............................................................................................ 44
Abb. 34: Temperaturgang der Stationen Höhleneingang und Eispalast in Form von Tagesmittel über die Jahre 1998, 1999, 2006, 2007 mit einer Einteilung in verschiedenen Perioden nach dessen Temperaturdifferenz. Blau dargestellt sind Tage mit negativer Temperaturdifferenz und rot dargestellt sind Tage mit positiver Temperaturdifferenz........................................................ 46
V
Abb. 35: Einflüsse auf die Höhlenwindrichtung (vgl. Schuster 2005) ......................................... 47
Abb. 36: Vereinfachte hydrostatische Darstellung der äußeren Atmosphäre (a) und der Luft in der Höhle (b) in Form von fiktiven Luftsäulen ............................................................................. 51
Abb. 37: Virtuelltemperatur in Abhängigkeit von der Feuchte und Temperatur im Winter (a) und Sommer (b) ................................................................................................................................. 57
Abb. 38: Druckmodell-Beispiel für die dynamische Eisriesenwelt-Höhle im Winter ................... 58
Abb. 39: Einfluss der Parameter relative Feuchte Außen, Mischungsverhältnis in der Höhle, Höhenschritt und dem äußeren Temperaturgradienten auf die „Gleichgewichtstemperatur“ im Winter .......................................................................................................................................... 60
Abb. 40: Einfluss der Parameter relative Feuchte Außen, Mischungsverhältnis in der Höhle, Höhenschritt und dem Äußeren Temperaturgradienten auf die „Gleichgewichtstemperatur“ im Sommer ....................................................................................................................................... 61
Abb. 41: Messdaten zur Strömungswechsel-Fallstudie aus der Periode 19.12.2007 bis zum 24.12.2007. Das obere Teildigramm zeigt die Temperaturen längs der Höhle durch die Eisriesenwelt-Stationen Höhleneingang, Sturmsee und Eispalast (t_metp_1-4m) und der SYNOP-Station Feuerkogel. Im mittleren Teildiagramm ist die Windgeschwindigkeit (ws_metp1-4m) und im unteren Teildiagramm die Windrichtung (wd_metp1-4m) vom Eispalast aufgetragen. Die Ein- und Ausflussperioden wurden zusätzlich gekennzeichnet. Die Lage der Stationen ist im beiliegenden Höhlenplan ersichtlich (nach Spötl 2007) .................................... 65
Abb. 42: Versuch zur Darstellung des Leakage-Effektes. .......................................................... 69
Abb. 43: Einfache Beispiele zur Fourier Transformation ............................................................ 70
Abb. 44: Darstellung von komplexer und konjugiert komplexer Zahlen (Mietke 2008) .............. 73
Abb. 45: Periodogramme aus einem synthetischen Sinussignal mit einer Periode von 200h (A) ohne Unterbrüche und (B) mit realen Unterbrüchen ................................................................... 76
Abb. 46: Periodogramme (C) u. (D) aus 12 jährigen Temperaturreihen der Stationen Höhleneingang (A) und Feuerkogel (B) über das ganze Jahr ................................................... 78
Abb. 47: Periodogramme aus 12 jährigen Temperaturreihen der Stationen Höhleneingang und Feuerkogel im Winter ................................................................................................................. 79
Abb. 48: Periodogramme aus 12 jährigen Temperaturreihen der Stationen Höhleneingang und Feuerkogel im Sommer.............................................................................................................. 80
Abb. 49: Periodogramme aus zwei 4-jährigen Perioden ( 11.12.99 - 11.03.03 und 11.12.03 - 11.03.07 ) der Stationen Höhleneingang und Feuerkogel im Winter ......................................... 82
Abb. 50: Periodogramme verschiedener Stationen im Winter der Tiefe nach sortiert (11.12.03 - 11.03.07) ..................................................................................................................................... 83
VI
TABELLENVERZEICHNIS
Tabelle 1: Größenordnungen der wichtigsten Eishöhlen der Erde bei temperiertem Klima nach Thaler 2006, Silvestru 1998, Lütscher 2005 und Ohata et al. 1994 ............................................. 2
Tabelle 2: Beobachtung zur Strömungsrichtung bei der Eisriesenwelt aus dem Jahre 1921 (Hauser und Oedl 1923).............................................................................................................. 17
Tabelle 3: Stichprobe zur Datenreduktion................................................................................... 27
Tabelle 4: Perioden mit Temperaturanstiegen und -abfällen entnommen aus der Abbildung 27 im Winter bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt. Beim Sturmsee wurde zudem der Anteil vom Krippenstein berechnet. Dies sollte ein Maß für den Zusammenhang mit der Außenwelt darstellen ..................................................................................................................................... 37
Tabelle 5: Virtuelltemperatur in Abhängigkeit von der Feuchte und Temperatur ...................... 54
Tabelle 6: Verwendung verschiedener Stationsmittel für die Modellberechnungsannahme in der Tabelle 7 ............................................................................................................................... 55
Tabelle 7: Annahme verschiedener Werte zur Modellberechnung ............................................ 56
Tabelle 8: Einfluss bestimmter Parameter auf die Druckdifferenz (Außendruck minus Innendruck am Höhleneingang) im Winter.................................................................................. 62
Tabelle 9: Tagesmittel der Lufttemperatur zwischen den Strömungsrichtungswechsel. Orangefarbige Werte wurden als Eingabewerte für das Modell in Tabelle 10 verwendet .......... 66
Tabelle 10: Eingabewerte für das hydrostatische Modell der Strömungswechsel-Fallstudie mit Verweis auf die Datenquelle (Tagesmittelwerte von: Feuerkogel (FK), Sonnblick (SB), Sturmsee, Höhleneingang und dem Mittelwert davon) ............................................................... 66
Tabelle 11: Ergebnisse (fiktive Druckdifferenzen am Höhleneingang) des hydrostatischen Modells zur Strömungswechsel-Fallstudie im Vergleich mit den erhobenen Messdaten im Eispalast ...................................................................................................................................... 67
Tabelle 12: Datengrundlage für die Periodogrammauswertung ................................................ 75
Tabelle 13: Zusammenfassung der Periodogrammpeaks .......................................................... 81
1 Einleitung 1
1 Einleitung
Obwohl so manche Höhlen Europas trotz der Lage im warmgemäßigten Klima der
mittleren Breiten mehrjährige Eisinhalte aufweisen (siehe Kapitel 1.1), ist diese Art von
Höhlen noch wenig erforscht (Lütscher 2005). Diese Diplomarbeit beschäftigt sich mit
solch einer Eishöhle im Tennengebirge in Österreich, von welcher 12 Jahre lang im
Zusammenhang mit dem AUSTRO*ICE*CAVE*2100 Projekt Temperaturdaten von
verschiedenen Stationen aufgezeichnet wurden. Das Ziel dabei ist, diese Fülle von
Daten in ihrer Qualität zu prüfen, auf überschaubare Datensätze zu reduzieren und nach
meteorologischen Aspekten auszuwerten. Die Einteilung der Arbeit erfolgt durch acht
Hauptkapitel. In Kapitel 1 wird nach einer Einleitung zu den Eishöhlen der Erde die
geografische Lage und das Klima um die Eisriesenwelt (ERW) kurz erklärt. Kapitel 2
geht auf die wissenschaftliche Erforschung von Eishöhlen ein. Im Kapitel 3 werden die
Qualitätskontrolle der Daten, die Datenreduktion und grafische Auswertung aufgezeigt.
Aus diesen Ergebnissen wird im Kapitel 4 versucht, ein einfaches thermodynamisches
Modell aufzustellen, um Empfindlichkeiten auf bestimmte Parameter zu untersuchen.
Kapitel 5 zeigt eine Möglichkeit zur spektralen Auswertung und dessen Ergebnisse.
Anschließend folgt eine Zusammenfassung der gesamten Arbeit im Kapitel 6. Kapitel 7
vervollständigt die Arbeit mit dem Literaturverzeichnis. Im Anhang – Kapitel 8 – kann
in das verwendete Matlab Programm zur spektralen Analyse eingesehen werden.
1.1 Eishöhlen der Erde
Die Höhlen der Erde mit mehrjährigem Eisinhalt sind vorwiegend zwischen einem
Breitengrad von 30° bis 70° vorzufinden (Ohata et al. 1994). In polaren Regionen, in
denen die Permafrostgebiete vorherrschen, sind im Boden kaum Schmelzwasserflüsse
zu erwarten. Damit ist das Vorkommen von Eishöhlen in diesen Gebieten wenig
möglich. In den tropischen Breitengraden ist die Temperatur meistens das ganze Jahr
über dem Gefrierpunkt, wodurch sich kein Höhleneis bilden kann.
Tabelle 1 zeigt eine grobe Übersicht zu den Eishöhlen der Erde. Man sollte beachten,
dass es noch viele unerforschte Gebiete mit möglichem Eishöhlenvorkommen, wie dem
1 Einleitung 2
Himalaya, gibt. Da die angegebenen Flächen und Volumina in der Tabelle nur sehr
schwer messbar sind und sich laufend ändern, sollten die angegebenen Werte nur als
Größenordnung verstanden werden. Die Extremwerte sind fett dargestellt:
Eishöhle Ort Eingangs
höhe in m
Eisfläche
in m²
Eisvolumen
in m³
Werfen,
Eisriesenwelt
Österreich, Salzburg,
Tennengebirge
1.641 10.000 33.000
Dobšinská Slowakei, Tatra Massiv 970 9.772 110.100
weiter in verschiedene Parallelgänge und immer mehr Seitengänge. Der angrenzende
Eispalast (Abbildung 7) bildet den Abschluss der mehr oder weniger
zusammenhängenden, mehrjährigen Eisflächen.
Abb. 7: Eispalast mit automatischer Wetterstation (eigene Aufnahme). An dieser Stelle wurde am 16. und 17. Oktober 2006 mit einem Georadar eine maximale Dicke von 7,5m
gemessen(Behm und Haumann 2007). Im Hintergrund sieht man eine automatische Wetterstation des Meteorologischen Instituts der Universität Innsbruck.
Vom Eispalast weg nimmt die Eisdicke zum U-Tunnel stark ab und die Eisflächen sind
nicht mehr zusammenhängend. Von dort verzweigt sich die Höhle noch weiter und
führt durch eine Vielzahl von Gängen weit in das Berginnere. Auch weiter hinten gibt
es noch Eisgestalten und Eisstrecken, jedoch nimmt die Größe und jährliche
Lebensdauer rasch ab.
Wenig bekannt, aber wahrscheinlich doch sehr relevant für die Luftzirkulation und das
Höhlenklima in der Höhle ist die Verteilung der Schlote und Schächte. Schon Otto
Lehmann hat sich damit im Jahr 1922 unter anderem durch Tropfwasserbeobachtungen
genauer auseinandergesetzt. Aufgrund ihrer Enge und dem Vorhandensein von
eingekeilten Trümmern sind diese vertikalen Gänge leider nur schlecht erforscht. Etwas
später hat sich auch Hauser und Oedl damit auseinandergesetzt, genaueres dazu im
Kapitel 2.5.
Im Weiteren sollen für diese Arbeit die notwendigen Kenntnisse über das
oberflächliche Klima um das Tennengebirge kurz beschrieben werden.
1 Einleitung 8
1.2.2 Mittleres Klima des Tennengebirges
Das Tennengebirge ist ein Teil der nördlichen Kalkalpen und liegt je nach Anströmung
im Einflussbereich maritimer oder kontinentaler Luftmassen. Da diesem Gebirgsstock
in Richtung Norden nur noch kleinere Erhebungen folgen, sind starke
Stauniederschläge bei Nordanströmung möglich. Aufgrund der durchschnittlichen
Höhe des Haupthöhlenganges von etwa 1700m ergibt sich ein alpines Klima in der
sonst warmgemäßigten Klimazone der mittleren Breiten.
Zur Bestimmung des mittleren Klimas am Eingang der Eisriesenwelt wurden Daten von
der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) Klimastation auf dem
1618m hohen Feuerkogel herangezogen. Das ist außerdem die nächstgelegene Station
mit einer geografische Länge von 13° 44'O und geografische Breite von 47° 49'N. Die
Temperaturdaten wurden auf die mittlere Höhe des permanenten Eisgebietes (1720m)
der Eisriesenwelt, was der Höhe der Posselthalle entspricht, hingerechnet. Dabei wurde
ein saisonaler Temperaturgradient angenommen (nach Kuhn und Battlogg 1999).
Abbildung 8 zeigt die berechneten Monatsmittel der Lufttemperatur außerhalb der
Höhle:
Abb. 8: Berechnete Klimadaten für die ERW mit Daten der Klimastation Feuerkogel aus der Klimaperiode 1971-2000 (nach http://www.zamg.ac.at/fix/klima/ oe71-00/klima2000/
Abb. 9: Mittlere Anströmung der Klimastation Feuerkogel aus der Klimaperiode 1971-2000 (nach http://www.zamg.ac.at/fix/klima/oe71-00/klima2000/klimadaten_oesterreich_1971_
frame1.htm, 21.02.2008)
Abbildung 9 zeigt die mittlere Anströmung der Klimastation Feuerkogel für einen
typischen Sommermonat im Juli, für einen typischen Wintermonat im Jänner und über
das ganze Jahr. Im Jänner sind hauptsächlich Windgeschwindigkeiten aus der Richtung
W bis NW zu erwarten. Außerdem lässt sich eine deutliche Südkomponente erkennen,
welche vermutlich auf Föhnereignisse zurückzuführen sind. Im Juli ist diese
Komponente eindeutig geringer. Zu dieser Zeit ist die NW Anströmung besonders
ausgeprägt. Das Windrichtungsprofil über das Jahr stellt eine Kombination der Sommer
und Wintermonate dar und zeigt besonders hohe Windgeschwindigkeiten aus der
Richtung NW.
Abbildung 10 zeigt den klimatischen Verlauf der Monatsniederschläge:
Abb. 10: Monatsniederschläge beim Feuerkogel aus der Klimaperiode 1971-2000 (nach http://www.zamg.ac.at/fix/klima/oe71-00/klima2000/klimadaten_oesterreich_ 1971_frame1.htm,
Die mittlere Monatssumme des Niederschlags (in der Abbildung als rsum bezeichnet)
variiert über das Jahr von 101,3mm im Februar bis 237,9mm im Juli. Daraus ergibt sich
eine durchschnittliche Jahressumme von 1829mm. Die größte Niederschlagssumme in
24h (rmax) liegt vom Jänner bis April bei etwa 50mm, und steigt dann abrupt auf etwa
90mm an und setzt sich bis so bis zum Jahresende fort. Die Zahl der Tage mit der
Niederschlagsumme größer 1mm (n1) variiert über das Jahr zwischen 11,5 Tage im
Oktober und 17,5 Tage im Juni. Mit einer Niederschlagssumme über 10mm (n10) muss
im Februar nur mit 3,6 Tagen und im Juli mit 8,5 Tagen gerechnet werden. Die
Sommermonate Juni und Juli zeigen sich über das Jahr gesehen besonders
niederschlagsreich, und die Monate Jänner, Februar und April relativ niederschlagsarm.
Bevor die weitere Datenauswertung vorgestellt wird, soll zuerst auf das
meteorologische Hintergrundwissen im Kapitel 2 eingegangen werden.
2 Wissenschaftliche Erforschung von Eishöhlen 11
2 Wissenschaftliche Erforschung von Eishöhlen
Die folgenden Kapitel geben einen Einblick in das Hintergrundwissen von
Untersuchungen und Arbeiten über Eishöhlen, insbesondere meteorologische Aspekte
zur Eisriesenwelt-Höhle.
2.1 Allgemeine meteorologische Erkenntnisse in der Eishöhlenforschung
Die Höhlenforschung der Vergangenheit beschäftigte sich hauptsächlich mit
morphologischen Beobachtungen. Eine Ausnahme stellen dabei die ausführlichen
Arbeiten von Hauser und Oedl 1923, Saar 1956 und Lütscher 2005 dar, welche sich
besonders mit den meteorologischen Prozessen und dem höhleneigenen Mikroklima
beschäftigt haben.
2.2 Klima in Eishöhlen
Zur Bildung von Eisablagerungen im Untergrund kommen mehrere Arbeiten zum
selben Schluss: Es müssen Temperaturen unter dem Gefrierpunkt vorkommen,
außerdem muss Wasser in fester, flüssiger oder gasförmiger Form vorkommen.
Damit sich diese Eisablagerungen über mehrere Jahre halten können, müssen sich die
Wärmebilanzen über das ganze Jahr ausgleichen. Besonders das kontinentale Klima mit
langen und ausgeprägten Frosttagen bietet gute Bedingungen für das unterirdische
Eiswachstum. Bestimmte meteorologische Prozesse führen zu einem speziellen
Mikroklima in einer Eishöhle:
2.3 Meteorologische Prozesse in einer Eishöhle
Weist eine Höhle mehr als einen Eingang auf, kann sich bei Dichteunterschieden
zwischen der äußeren Atmosphäre und der Luft in der Höhle eine Luftzirkulation
einstellen (siehe Abbildung 11 auf der nächsten Seite):
2 Wissenschaftliche Erforschung von Eishöhlen 12
Abb. 11: Nach Luetscher 2005: Schematische Darstellung des „Kamineffektes“ für eine dynamische Höhle (mehrere Eingänge)
Der obere Teil der Abbildung zeigt die Situation für die Wintersaison bzw. für kalte
Tage. Die kalte Außenluft besitzt eine hohe Dichte und strömt am unteren Eingang ein.
Da die Höhlengesteinstemperatur abgesehen vom unteren Eisteil in etwa die mittlere
Jahrestemperatur aufweist, wird die Luft erwärmt – die Dichte nimmt dabei ab – und
steigt auf, bis diese am oberen Eingang wieder ausströmt. Dabei stellt sich so lange eine
Zirkulation ein, bis die Temperaturdifferenzen ausgeglichen sind. Die Auswirkung der
Luftfeuchte auf die Dichtedifferenz ist gering (siehe Kapitel 4). Das analog
Umgekehrte findet im Sommer bzw. bei warmen Tagen statt. Die warme Außenluft tritt
am oberen Eingang in die Höhle ein und wird durch das relativ kühle Höhlengestein
abgekühlt. Diese Luft sinkt dabei durch die höhere Dichte als die Außenluft ab und
strömt am unteren Eingang aus. Aus diesen zwei stark vereinfachten Schemas kann
man erkennen, dass im Sommer, als auch im Winter der untere Bereich der Höhle stets
die tiefsten Temperaturen aufweist. Im Sommer bekommt der untere Teil die schon
vorgekühlte Luft aus dem oberen Bereich der Höhle. Im Winter strömt die eiskalte Luft
direkt über den unteren Eingang in den unteren Teil der Höhle ein. Aus diesem Grund
2 Wissenschaftliche Erforschung von Eishöhlen 13
bilden sich die Eisablagerungen vorwiegend im unteren Teil der Höhle, wenn
Tropfwasser durch Ritzen und Löcher im Gestein bis zur unterkühlten Höhle
durchsickern und anschließend gefrieren.
Im untersten und obersten Bereich weicht die Gesteinstemperatur in der Höhle
besonders stark von der mittleren Jahrestemperatur ab. Der untere Teil der Höhle bildet
durch die stärkste Abkühlung im Winter, geringste Erwärmung im Sommer die beste
Bedingungen zur Eisbildung. Allerdings spielt direkt unmittelbar nach dem unteren
Eingang die Wärmeleitung von der Oberfläche noch eine wichtige Rolle.
Bis jetzt wurde zum einfacheren Verständnis nur auf den exogenen Einfluss der
Außentemperatur eingegangen. Es spielen jedoch endogene Einflüsse wie die
Kondensation, Verdunstung und Bodenwärmestrom für die meteorologischen Abläufe
in der Höhle eine Rolle.
2.4 Klassifikation der Eishöhlen
Lütscher (2005) zeigt eine Möglichkeit zur Einteilung von Eishöhlen nach
klimatologischen und glaziologischen Kriterien (Abbildung 12). Unter dem
klimatologischen Kriterium ist in diesem Fall die exogene oder endogene Herkunft des
Eises gemeint. Dass heißt, es wird zwischen Eis, das sich in der Höhle gebildet hat und
Eis das durch umgewandelte Schneeablagerungen aus der Atmosphäre entstanden ist,
unterschieden. Der endogene Fall ist in der oberen Zeile von Abbildung 12 dargestellt,
der exogene in der unteren Zeile. Die mittlere Zeile zeigt eine Kombination aus beiden
Fällen. Die Spalten unterscheiden zwischen Höhlen mit einem Eingang auf der linken
Seite, welche vereinfacht gesagt als „Kaltluftfalle“ fungiert. Auf der rechten Seite sind
die dynamischen Höhlen mit mehreren Eingängen in verschiedenen Höhen dargestellt,
bei denen vorwiegend der „Kamineffekt“ für den Luftaustausch sorgt. Die mittlere
Spalte zeigt den Grenzfall mit zwei Eingängen in gleicher Höhe.
2 Wissenschaftliche Erforschung von Eishöhlen 14
Abb. 12: Klassifikation der Eishöhlen nach Lütscher (2005) für Eishöhlen mit großen
Eisablagerungen in niederen Breiten wie sie in den Alpen vorkommen
Bei der Eisriesenwelt handelt es sich um eine dynamische Eishöhle, in welcher sich das
Eis in der Höhle durch Tropfwasser bildet. Das würde in der Abbildung 12 dem
Eishöhlentyp rechts oben entsprechen.
In den Jura Bergen wurden fast 50 Höhlen bzw. Schächte mit Eisablagerungen
entdeckt, von denen etwa die Hälfte mehrjähriges Eis enthält. Sind mehr als zwei
Eingänge vorhanden, liegen diese vorwiegend auf gleicher Höhe. Aus diesem Grund
fungieren die meisten Eishöhlen im Jura als „Kaltluftfallen“. Diese Höhlen fallen somit
unter die Kategorie von statischen Eishöhlen.
2.5 Meteorologische Prozesse in der Eisriesenwelt-Höhle
Anfang des 20. Jahrhunderts wurden besonders viele Entdeckungen um die
Eisriesenwelt gemacht. Begonnen hat dies mit geologischen Beobachungen von Saar
2 Wissenschaftliche Erforschung von Eishöhlen 15
im Jahre 1913, wie die Abbildung 13 zeigt. Neun Jahre später ist der Großteil der
Gänge durch Oedl erforscht worden.
Abb. 13: Erste speläologische Untersuchungen zur Eisriesenwelt von Saar im Jahre 1913 (nach Oedl 1922)
Den speläologischen Entdeckungen folgten glaziologische und meteorologische
Beobachtungen. Besonders ausführlich haben sich damit Hauser und Oedl im Jahr 1923
beschäftigt: Windmessungen haben den dynamischen Charakter der EISRIESENWELT
weiter bestätigt. Dabei wurde die Windgeschwindigkeit an verschiedenen Engstellen
der Höhle gemessen. Durch die Bestimmung des Querschnittes konnte dann das
Luftvolumen pro Zeiteinheit bestimmt werden. Es stellte sich heraus, dass bei einem
Luftzug aus der Höhle das ausströmende Volumen bei der Eingangstüre immer am
größten war. Bei Sturmsee waren nur noch 3/4 vom Luftvolumen gemessen worden,
und vor dem großen Schlot im Midgard wurde nur noch 1/5. Die Messungen wurden
dabei möglichst schnell hintereinander gemacht. Somit konnte für diese Messzeit
annähernd einen konstanten Zustand der Windverhältnisse angenommen werden. Die
Messungen zeigten, dass das restliche Luftvolumen von anderen Gängen der Höhle
einströmen muss. Bei einem Luftzug in die Höhle, wie es besonders im Hochwinter der
Fall ist, wurden etwa die gleichen Verhältnisse festgestellt, nur im umgekehrten Sinn.
Aufgrund dieser Messungen kamen die Autoren zum Schluss, dass es sich bei der
EISRIESENWELT auf Grund mehrerer Öffnungen unterschiedlicher Höhe zur
Außenwelt um eine Durchgangshöhle handelt. Dabei wird oft, im Gegensatz zu
2 Wissenschaftliche Erforschung von Eishöhlen 16
statischen Eishöhlen mit nur einem Eingang, welcher sackförmig abwärts geneigt sein
muss, von dynamischen Eishöhlen besprochen. Die Niveaudifferenz zwischen den
Eingängen ist dabei eine von mehreren Voraussetzungen für die Bildung von
permanentem Eis.
Grundlage für das spezielle Mikroklima bildet die besondere Strömung in der
Eisriesenwelt. Schon Hauser und Oedl (1923) zeigten die Abhängigkeit der
Strömungsrichtung in der Höhle von der Außentemperatur durch zahlreiche
Beobachtungen. Allerdings wechselt die Windrichtung aufgrund einer
Trägheitswirkung der bewegten Luftschichten zu Folge nur verzögert mit der Änderung
der Tagtemperatur und weiteren Einflussfaktoren. Ferner soll genauer auf diese
Höhlenströmung in verschiedenen Perioden eingegangen werden. Die Bezeichnungen
Sommer und Winter sollten nicht von der kalendarischen, sondern von der
klimatologischen Seite betrachtet werden, welche mit kalten und warmen Perioden
gleichzusetzen sind:
1. Es lässt sich feststellen, dass in der Winterperiode am Eingang der Höhle die Luft
hineinzieht. Dabei beginnen sich die umgebenen Gesteinsschichten der Höhle
abzukühlen, und die Zugluft immer weiter zu erwärmen. Diese warme Luft hat auf
Grund der geringeren Dichte das Bestreben aufzusteigen und die Höhle über einen
oberen Eingang/Öffnung zu verlassen, solange die Außenluft kälter ist. Somit wird am
Eingang weitere Kaltluft angesaugt und der Kreislauf ist geschlossen. Je nach Größe
und Dauer der Temperaturdifferenz kühlt sich der untere Höhlenteil mehr oder weniger
weitreichend und intensiv in das Berginnere ab. Die Nullgradisotherme stößt dabei bis
weit in den Bereich des Midgard vor.
2. Im Sommer ist der Luftzug genau umgekehrt: Sobald aber die Temperatur der
Außenluft die Lufttemperatur der Höhle übersteigt, ändert sich die Luftstromrichtung.
Dabei fließt die spezifisch schwere Luft durch den unteren Eingang aus und saugt
potentiell wärmere Luft oben an. Diese Luft wird in der Höhle immer mehr abgekühlt,
bis diese ihr Temperaturminimum in der Nähe des unteren Einganges erreicht und dort
ausfließt. Durch die weite Ausdehnung der Höhle kann die warme, im oberen Bereich
angesaugte Luft den unteren Teil selten stark erwärmen. Man kann sich dabei
vorstellen, dass die oben angesaugte Luft durch die oberen Höhlenbereiche – fungieren
als Kältespeicher im Sommer – zuerst vorgekühlt wird und dann erst den unteren, mit
mehrjährigem Eis belegten Höhlenteil, durchläuft. Dies ist ein weiterer positiver Effekt
zur Bildung von mehrjährigem Eis im unteren Höhlenteil.
2 Wissenschaftliche Erforschung von Eishöhlen 17
3. In den Übergangszeiten kann sich die Zugrichtung in kurzer Zeit mehrmals ändern.
Da der Höhlenbereich mit permanenten Eis nicht nur aus einem Haupt- sondern auch
einem Nebenast besteht, sollen in weiteren Abbildungen die Strömungsverhältnisse
genauer dargestellt werden.
2.6 Einfache Überlegungen zur Strömung in der Eisriesenwelt
Beobachtungen haben gezeigt, dass die Strömungsrichtung in erster Linie von der
Temperatur der Außenluft abhängt (genauer gesagt von dem Temperaturgradienten der
Außenluft und der Temperatur in der Höhle). Hauser und Oedl haben im Jahre 1921
ausführliche Beobachtungen durchgeführt, von denen ein Auszug in Tabelle 2 zu
zusammengestellt ist:
Datum Temperatur vor
dem Höhleneingang
Einfließen Ausfließen
06.04. -5,0 X
20.03. -3,6 X
05.04. -0,4 X
19.03. 0,4 X
31.03. 0,5 X
18.03. 1,5 X
01.04. 1,6 X
19.03. 1,8 X
17.03. 3,8 X
08.04. 4,2 X
30.03. 8,0 X
18.03. 9,5 X
03.04. 9,5 X
02.04. 13,5 X
Tabelle 2: Beobachtung zur Strömungsrichtung bei der Eisriesenwelt aus dem Jahre 1921
(Hauser und Oedl 1923)
Zu sehen sind 14 Beobachtungstage im Frühjahr 1921, gereiht nach der dazugehörigen
Temperatur vor dem Höhleneingang. Zudem ist die Strömungsrichtung angegeben.
Man kann eine deutliche Abhängigkeit zur Außentemperatur erkennen. Zu diesen
Beobachtungen kann man einen Schwellwert für den Strömungswechsel zwischen Aus-
und Einfließen auf etwa 2,3°C abschätzten (Saar 1957).
Auf weitere Einflüsse zur Strömungsrichtung wird im Kapitel 4 eingegangen.
Abbildung 14 zeigt Messergebnisse von Obleitner (2008) beim Eispalast (Position mit
2 Wissenschaftliche Erforschung von Eishöhlen 18
rotem Punkt dargestellt) und dem Ausgang 2 (Position mit blauem Punkt dargestellt) im
Oktober 2007.
Abb. 14: Messergebnisse zum Eispalast und Ausgang 2 bzw. Nebeneingang nach Obleitner 2008a. Die Lage der Messstationen ist im Höhlenplan links mit der jeweiligen Farbe angegeben
(Spötl 2007)
Auf diese sehr ausführlichen Messungen soll nur soweit eingegangen werden, wie dies
für die Untersuchung zu den Strömungsverhältnissen von Nöten ist. Darum wird nur
ein Teil der Fülle von Information aus diesem Diagramm verwendet, im Besonderen
die Winddaten: Betrachtet man die Windrichtung, kann man kurze und eine lange
Richtungswechsel auf West (270°) bei beiden Stationen erkennen. Das Besondere ist,
dass diese Wechsel praktisch simultan erfolgen. Das heißt, beide Stationen wechseln in
dieser Phase von einer Ostanströmung (90°), welcher mit einem Ausfließen
gleichzusetzen ist, zu einer Westanströmung, welche einem Einfließen entspricht. Zum
einfacheren Verständnis soll im Weiteren nur mehr auf die die zweite, länger
andauernde „Einfließperiode“ eingegangen werden. Zur Interpretation der
Windgeschwindigkeit ergeben sich die in Folge beschriebenen Messstations-
Eigenschaften: Da die Station beim Eispalast mitten in einer Halle steht, weist diese
Station einen viel größeren Strömungsquerschnitt als die Station beim Ausgang 2,
welche in einem engen Durchgang mit nur wenigen Quadratmetern Querschnitt
aufgestellt ist, auf. Aus diesem Grund sind die Windgeschwindigkeiten beim Ausgang
2 Wissenschaftliche Erforschung von Eishöhlen 19
2 von Natur aus um vieles größer, auch wenn dies nicht unbedingt mit mehr
Luftdurchsatz zu tun haben muss. Dies zeigen auch die Messergebnisse zu den
Windgeschwindigkeiten im dritten Teildiagramm. Die Windgeschwindigkeit beim
Ausgang 2 erreicht etwa 2,5m/s, beim Eispalast wird gerade die
Wahrnehmungsschwelle erreicht. Die Temperatur beim Ausgang 2 sinkt in der zweiten
„Einfließperiode“ relativ stark ab, hingegen ändert sich die Temperatur im weit hinten
gelegenen Eispalast nur kaum.
Diese Messung (besonders die Windrichtungen) zeigen, dass sich die Strömung in den
beobachteten Fällen vom Ausgang 2 bis zum Eispalast durchzieht. Genauso kann aus
Beobachtungen nach Hauser und Oedl (1923) einen relativ einfachen Zusammenhang
der Strömungsrichtung zwischen dem Haupteingang und dem Eispalast entnommen
werden. Daraus können für diese Höhle Strömungsschemas (Abbildung 15 und 16)
durch eine stark vereinfachte Geometrie aufgestellt werden, welche sich weitgehend auf
den Eisbereich der Höhle beschränkt und nur den basalen Hauptast, die Nebenhöhle
zum Ausgang 2 und einen vertikalen Schacht beinhaltet. Dieser vertikale Schacht soll
die Summe der vielen kleinen vertikalen Ritzen, welche auf das Tennengebirgsplateau
führen, repräsentieren:
Abb. 15: Überlegung zur Strömungsrichtung in einer stark vereinfachten Geometrie der Eisriesenwelt-Höhle im Winter bzw. an kalten Tagen
2 Wissenschaftliche Erforschung von Eishöhlen 20
Die in der Abbildung 15 eingezeichneten Strömungspfeile sollen die primären
Strömungen für den Winter bzw. für kalte Tage darstellen. Die äußere Luftsäule übt
dabei durch die tiefen Temperaturen und das dadurch größere spezifische Gewicht
einen stärkeren Druck als die Luftsäule im wärmeren Höhleninneren auf die weiter
unten gelegenen Eingängen aus. Durch diesen Druckunterschied stellt sich eine
Strömung ein, welche das Bestreben hat, diese Differenzen auszugleichen. Dabei zieht
die Strömung durch den Haupteingang und den Ausgang 2 über den fiktiven, vertikalen
Schacht und über den Eispalast zu weiter hinten gelegenen vertikalen Ritzen bzw.
Schächte weiter in die Höhe, bis das Tennengebirgsplateau erreicht wird.
Abbildung 16 zeigt den Fall für den Sommer bzw. warme Tage. Das Strömungsmuster
zeigt sich analog umgekehrt:
Abb. 16: Dieselbe Situation wie in Abbildung 15, allerdings im Sommer bzw. an warmen Tagen
2.7 „Kritische Temperatur“
Wie schon erwähnt, hängt die Strömungsrichtung in erster Linie von dem
Temperaturgradienten der Außenluft und der Temperatur in der Höhle ab. Diese
Strömung wird primär durch das spezifische Gewicht der äußeren und inneren
Luftsäule verursacht. Bei einer bestimmten Temperatur kann sich zwischen diesen
beiden Lüftsäulen ein Gleichgewicht einstellen, welche im Weiteren als
„Gleichgewichtstemperatur“ bezeichnet wird. Bei dieser „Gleichgewichtstemperatur“
2 Wissenschaftliche Erforschung von Eishöhlen 21
ist das spezifische Gewicht beider Luftsäulen gleichgroß, der hydrostatische Druck ist
dadurch ausgeglichen. Unter dieser Bedingung kann lediglich der hydrodynamische
Druck (induziert durch das Um- und Überströmen des Gebirgsstocks) zu einer
Strömung führen, oder auch Trägheitseffekte die Strömung für eine bestimmte Zeit
erhalten.
Da die Höhle nicht nur aus dem vorderen Bereich mit mehrjähriger
Bodeneisbedeckung, sondern auch aus einem eisfreien, hinteren Hauptast mit einer
Vielzahl von Nebenästen, besteht, weist der Großteil der Höhle eine Temperatur von
mehreren Grad über dem Gefrierpunkt auf, welche hauptsächlich durch die mittlere
Jahrestemperatur und die Erdwärme beeinflusst wird.
Aus diesem Grund muss die „Gleichgewichtstemperatur“ über dem Gefrierpunkt
liegen. Dies wird im Kapitel 4 durch ein einfaches Modell mit zwei Luftsäulen noch
genauer aufgezeigt. Darum sind auch höhleneinwärtige Strömungen bei
Außentemperaturen über 0°C möglich. Dabei strömt warme Außenluft direkt in den
Eisbereich der Höhle und bewirkt eine kräftige Temperatursteigerung. Bei längerer
Dauer könnte sich dieser Effekt besonders in Form von Ablation auf den Eishaushalt
auswirken. Aus diesem Grund bezeichnet Saar (1957) diese einströmenden
Außentemperaturen über dem Gefrierpunkt als „kritische Temperaturen“. Das
Vorkommen der „kritischen Temperaturen“ wird durch eine
„Gleichgewichtstemperatur“ über dem Gefrierpunkt ermöglicht. Die verschiedenen
Einflüsse auf diese „Gleichgewichtstemperatur“ werden im Kapitel 4.4 untersucht.
3 Auswertung der Temperaturaufzeichnungen 22
3 Auswertung der Temperaturaufzeichnungen
3.1 Datenerfassung und Lage der Messstationen
Seit längerem wurden durch die Mitarbeiter der Eisriesenwelt GmbH kontinuierliche
Temperaturmessungen mit einem Intervall von abwechselnd 9 und 12 Minuten an
verschiedenen Orten in der Höhle durchgeführt. Eingesetzt wurde dafür der
automatische Datenlogger des Typs HOTDOG DT1 der Firma ELPRO. Abbildung 17
zeigt einen Auszug der vom Hersteller angegebenen technischen Daten:
technische Daten HOTDOG DT1: Speicher: 16 000 Messwerte Messbereich intern: -40°C...+70°C Messintervall: 2 s - 2 h Genauigkeit: ±0,2°C bei 25°C Gehäuse: SAN, verschweißt, IP65
Abb. 23: Temperaturvergleich zwischen den Stationen Feuerkogel und dem Höhleneingang aus der Eisriesenwelt im Jahr 1999
Im nächsten Punkt soll auf das spezielle Mikroklima in der Höhle genauer eingegangen
werden.
3 Auswertung der Temperaturaufzeichnungen 31
3.6.2 Mittlerer Jahresgang
Abbildung 24 zeigt die Ergebnisse der Berechnung des mittleren Jahresganges der
Lufttemperatur in Form des Medians für die vier Stationen Sturmsee, Bereich
Wassergang, Donardom und Höhleneingang, wobei diese Stationen nach der
Entfernung vom Höhleneingang gereiht sind. Außerdem sind zur Abschätzung der
Streuung Boxplots zur Kennzeichnung des oberen und unteren Quartils und Whisker
zur Kennzeichnung der 5% und 95% Quantile dargestellt. Die Bereiche Mitte März und
Ende Oktober ohne Whisker sind lückenhaft, wie auch der Tagesmitteldatenbestand im
Kapitel 3.5 zeigt. Dies zeigt sich ferner durch Sprünge im Median, welche grau
gekennzeichnet und zu ignorieren sind. Die Skalierung aller vier Teildiagramme ist
einheitlich und beträgt zum besseren Vergleich 2°C. Die stärkste Varianz und der
tiefste Median sind am Höhleneingang an kalten Wintertagen zu erwarten, wenn die
kalte Außenluft durch den Höhleneingang in die Höhle einfließt. Im Sommer bzw. an
wärmeren Tagen strömt die Luft vom hinteren Bereich über den vorderen, vereisten
Bereich durch den unteren Haupteingang nach außen. Eine ausgleichende Wirkung des
Eisinhaltes wird durch den relativ konstanten Temperaturgang über den Sommer
festgestellt. Beim Donardom, an dem der Datenlogger weit oben an der Decke unter
einem Schlot positioniert wurde, ist die Temperatur über das ganze Jahr konstant und
weist nur geringste Schwankungen auf. Vergleicht man den Höhleneingang mit der
weiter hinten gelegenen Station Bereich Wassergang, kann man sehr gut eine
Abschwächung und leichte zeitliche Verschiebung der Jahrestemperaturwelle erkennen.
Zwischen dem Bereich Wassergang und der weiter hinten gelegenen Station Sturmsee
sind nur sehr geringe Unterschiede feststellbar. Zusammengefasst kann gesagt werden,
dass die Temperaturen bei allen Stationen im Sommer bzw. an warmen Tagen sehr
konstant um 0°C herum pendeln. Im Winter bzw. an kalten Tagen ist eine starke
Streuung bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt, welche mit der Entfernung vom
Höhleneingang abnimmt, zu erkennen. Ferner nehmen die mittleren Temperaturen von
außen nach innen zu.
3 Auswertung der Temperaturaufzeichnungen 32
Abb. 24: Mittlerer Jahresgang der Tagesmittel der Lufttemperatur von 1995 bis 2007 (Stationsplan nach Spötl 2007)
1
Höh
lene
ing
an
g
2
Stu
rmsee
3
Eis
pa
last A
zw
g. S
1
4
U-T
un
ne
l (G
alg
en
)
5
Mörk
do
m (
Pla
fon
d)
6
Näh
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ng
2
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sse
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ssu
ng
)
7
Au
sg
an
g 2
8
Au
sg
an
g 3
9
Do
na
rdo
m
10
Wa
sse
rga
ng
11
Asen
he
im
Win
dspa
lte
12
Ud
ga
rdsb
urg
3 Auswertung der Temperaturaufzeichnungen 33
Die nächste Abbildung 25 zeigt die Zunahme der mittleren Temperaturen von außen
nach innen noch deutlicher:
Abb. 25: Mittleres Temperaturprofil der Tagesmittel von 1995 bis 2007 in Abhängigkeit von der Entfernung vom Höhleneingang (Stationsplan nach Spötl 2007)
Aus den Tagesmitteln von 1995 bis 2007 wurde dabei für die 4 verschiedenen
Jahreszeiten das Temperaturmittel in Abhängigkeit von der Entfernung vom
Höhleneingang berechnet. Im Winter lässt sich dabei der stärkste Temperaturgradient
entlang der Höhle feststellen. Im Frühjahr sieht man eine deutliche Erwärmung
beschränkt auf die äußere Hälfte. Weiter innen ist die Erwärmung nur sehr schwach. Im
Sommer erreicht die warme Luft auch die hinteren Regionen der Eishöhle. Im Herbst
ist der geringste Temperaturgradient entlang der Höhle zu erkennen, kühlere und
wärmere Tage wechseln sich ab. Man beachte, dass die hintere Hälfte erst zu dieser
Jahreszeit die höchste Temperatur erreicht. Im vorderen Teil wird die höchste
3 Auswertung der Temperaturaufzeichnungen 34
Temperatur hingegen im Sommer erreicht. Daraus lässt sich eine starke Verzögerung
der Temperaturwelle mit der Tiefe ableiten.
3.6.3 Jahreslauf der Monatsmittel
Abbildung 26 zeigt den Jahreslauf in Form von Monatsmittel der vier Stationen
Feuerkogel, Höhleneingang (Station hinter der Eingangstüre), Bereich Wassergang und
Sturmsee von 1996 bis 2007:
Jahreslauf, gemittelt
über eine Periode
von 1996 bis 2007
-4
-2
0
2
4
6
8
10
12
Jan
Feb
Mär
Apr
Mai
Jun
Jul
Aug
Sep O
ktNov
Dez
Te
mp
era
tur
in °
C
Sturmsee
Höhleneingang
Bereich Wassergang
Feuerkogel 1618m
Ausgang3
Abb. 26: Jahreslauf der Monatsmittel von den fünf Stationen Feuerkogel, Höhleneingang (Station hinter der Eingangstüre), Bereich Wassergang, Sturmsee und Ausgang3 aus der Zeit
1996 bis 2007 (Stationsplan nach Spötl 2007)
8 Ausgang3 1 Höhlen-eingang
2 Sturmsee
12 Bereich Wasser-gang
3 Auswertung der Temperaturaufzeichnungen 35
In den drei Monaten Dezember, Jänner und Februar, welche zugleich den
meteorologischen Winter darstellen, stimmen die Werte zwischen dem Höhleneingang
und dem Feuerkogel sehr gut zusammen. Das heißt, die Höhlenatmosphäre ist in dieser
Zeit sehr stark mit der äußeren Atmosphäre gekoppelt. Beim Höhleneingang und
Feuerkogel wird dabei ein Minimum des Monatsmittels von -3,6°C im Februar erreicht.
Die weiter folgenden Monatsmittel laufen immer mehr auseinander. Der starke
sommerliche Temperaturanstieg der äußeren Atmosphäre, wie es in diesem Fall die
Station Feuerkogel zeigt, wird am Höhleneingang durch das spezielle Mikroklima der
Höhle stark gedämpft und erreicht das Monatsmaximum im August mit einem Wert
von 1,0°C. Der Feuerkogel erreicht sein Maximum mit einem Wert von 11,8° schon im
Juli, d.h., es ist eine Verzögerung der Jahrestemperaturwelle von etwa einem Monat
festzustellen. In den Herbstmonaten September, Oktober und November gleichen sich
die Temperaturen wieder an. Der Verlauf der Monatsmittel des weiter hinten in der
Eishöhle liegenden Sturmsees folgt dem Verlauf des Höhleneinganges unter
bestimmten Vorausstetzungen. Das ist zum einen eine deutliche
Amplitudenabschwächung mit einem jährlichen Temperaturgang von -2,7°C bis 0,2°C
und zum anderen ein zusätzlicher Zeitversatz im Vergleich zum Höhleneingang von
etwa einem halben Monat. Abgesehen von einer mittleren Abweichung von -0,16°C
folgt der Verlauf der Temperaturwerte des Wasserganges weitgehend dem des
Sturmsees. Das mittlere Monatsmittel der Station beim Ausgang3 weist die stärkste
Zeitverzögerung und die höchsten Temperaturen auf. Diese Station liegt am Ende eines
Seitenganges über der Haupthöhle, welcher mit dieser über den Donardom verbunden
ist. Eine Verbindung von diesem Gang zur Oberfläche konnte bis jetzt nicht
nachgewiesen werden. An dieser Stelle wird ein Minimum des Monatsmittels von
4,2°C im März und ein Maximum von 6,0°C erst im Oktober und November erreicht.
3.6.4 Vergleich: kalte und warme Winter
Nun soll auf die Änderung der Jahreszeitenmittel über mehrere Jahre eingegangen
werden. Abbildung 27 zeigt die Ergebnisse für zwei verschiedene Stationen aus der
Höhle und dem Krippenstein (bessere Datenverfügbarkeit als Feuerkogel), um die
Abhängigkeit von der Oberfläche zu untersuchen:
3 Auswertung der Temperaturaufzeichnungen 36
-5,0
-4,0
-3,0
-2,0
-1,0
0,0
1,0
2,0
1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007
Tem
pera
tur
in °
C
MärAprMai
JunJulAug
SepOktNov
DezJanFeb
Sturmsee
1769m
-5,0
-4,0
-3,0
-2,0
-1,0
0,0
1,0
2,0
1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007
Tem
pera
tur
in °
C
MärAprMai
JunJulAug
SepOktNov
DezJanFeb
Höhlen-
eingang
1660m
-15,0
-10,0
-5,0
0,0
5,0
10,0
15,0
1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007
Tem
pera
tur
in °
C
MärAprMai
JunJulAug
SepOktNov
DezJanFeb
Krippenstein
2050m
Abb. 27: Temperatur der vier Jahreszeiten aus der Periode 1995 bis 2007 des Sturmsee, Höhleneinganges und der nächsten Klimastation auf dem Krippenstein (farbig hinterlegt sind
die im folgenden kommentierten Abfälle und Anstiege im Winter)
Man sollte in dieser Abbildung beachten, dass im unteren Teildiagramm die Skala um
den Faktor 5 größer ist. Es lässt sich besonders ein Zusammenhang zwischen den
Stationen im Winter, wenn der Luftaustausch am stärksten ist, erkennen. Den Anstieg
des Wintermittels von 1996 bis 1997 zeigen alle drei Station gleich, allerdings mit
unterschiedlicher Empfindlichkeit. Eine Erwärmung von 2,6°C auf dem Krippenstein
entspricht einer Erwärmung von 0,8°C beim Höhleneingang und 1°C weiter im inneren
der Höhle beim Sturmsee. Der extrem starke Anstieg des Wintermittels von 2006 bis
2007 beträgt beim Krippenstein 4,8°C, beim Höhleneingang 3,6°C und weiter im
inneren der Höhle 2,4°C. Auf den Temperaturabfall von 2001 bis 2006 mit 3,5°C auf
dem Krippenstein reagiert der Höhleneingang mit 2,5°C. Der Temperaturabfall vom
Winter 2003 bis 2006 beträgt am Krippenstein 1°C, beim Höhleneingang 1,4°C und
beim Sturmsee 1,2°C. Man kann zusammenfassend sagen, dass Änderungen der
3 Auswertung der Temperaturaufzeichnungen 37
Außenluft die Höhlenlufttemperatur besonders im Winter direkt beeinflussen. Diese
Werte sind in der Tabelle 4 nochmals dargestellt:
Periode Station
von bis Krippenstein Höhleneingang Sturmsee Anteil
1996 1997 2,6 0,8 1 38%
2006 2007 4,8 3,6 2,4 50%
1998 1999 -2,6 -2,1 -1,7 65%
2003 2006 -1 -1,4 -1,2 120%
Tabelle 4: Perioden mit Temperaturanstiegen und -abfällen entnommen aus der Abbildung 27 im Winter bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt. Beim Sturmsee wurde zudem der Anteil vom Krippenstein berechnet. Dies sollte ein Maß für den Zusammenhang mit der Außenwelt
darstellen
Dabei ist außerdem der Anteil der Änderung vom Sturmsee in Abhängigkeit vom
Krippenstein in Prozent angegeben. Diese Ergebnisse lassen vermuten, dass sich die
kälteren Winterperioden stärker bzw. rascher in das Höhleninnere fortpflanzen als die
wärmeren Winterperioden.
Im Frühjahr, Sommer und Herbst ist die Eingangstüre der Höhle größtenteils
geschlossen. Der Sturmsee zeigt trotzdem Zusammenhänge mit der mittleren
Temperatur des Krippensteins im Sommer, wie man aus dem schwachen Anstieg der
Periode 1996 bis 1998 entnehmen kann. Die Erwärmung im Frühjahr von 2006 bis
2007 um 2,5°C beim Krippenstein wirkt sich mit 1,8°C beim Höhleneingang und 1,7°C
beim Sturmsee aus. Hingegen wirkt sich die Erwärmung im Herbst in der Periode von
2004 bis 2006 beim Krippenstein mit 3°C auf den Höhleneingang und den Sturmsee
nicht aus.
Sonach gilt, dass das Höhleninnere besonders auf die Temperatur-Änderungen im
Winter oder Frühling reagiert. Im Sommer oder Herbst sind die Temperaturen im
Inneren der Höhle sehr konstant, auch wenn sich die äußeren Mitteltemperaturen
ändern.
Im weiteren Unterkapitel sollen die Änderungen in der Temperatur über mehrere Jahre,
soweit es die Aufzeichnungen zulassen, gezeigt werden. Obwohl in der Meteorologie
vom Klima erst bei einer Aufzeichnungsdauer über 30 Jahre gesprochen wird, sollen
hier auf Grund der Datenlage nur Klimaanzeichen der letzten 10 Jahre untersucht
außer acht gelassen). Dabei wird das Tennengebirge um und überströmt. In Folge
dessen baut sich ein hydrostatischer Druck über dem gesamten Gebirgsstock auf,
welcher die Höhle über die verschiedenen Verbindungen zur Außenwelt beeinflussen
kann. Dasselbe gilt für den N-S Druckgradient, gebildet aus den Stationen Feuerkogel
und Obertauern. Diese rot dargestellte Differenz hängt mit der Skala auf der rechten
Ordinate zusammen. Das Tagesmittel der Windgeschwindigkeit und der Windrichtung
wurde durch das Vektormittel berechnet. Die unteren vier Teildiagramme zeigen die
Temperatur, Windgeschwindigkeit und Windrichtung der Station Feuerkogel. Zur
Kontrolle kommt noch die Windrichtung des Hahnenkamms hinzu, da die Winddaten
sehr stark von der lokalen Orographie abhängen und somit die Unsicherheit abgeschätzt
werden kann:
3 Auswertung der Temperaturaufzeichnungen 41
Abb. 29: Untersuchung zum Zusammenhang zwischen der Strömung in der Höhle, dargestellt durch eine Temperaturdifferenz der Eisriesenwelt Stationen Höhleneingang und Sturmsee, Druckgradienten um das Tennengebirge und der Anströmung der Äußeren Atmosphäre für
verschiedene Tage im meteorologischen Winter 2004. (siehe detaillierte Beschreibung im Text)
Es sind zudem von der ZAMG (www.zamg.ac.at) zusätzliche Informationen zur
Jedoch ist auf diese Art der Zusammenhang zwischen der Höhlenströmung und dem
Äußeren Wetter nur schwer ersichtlich. Deshalb wurden Korrelationsdiagramme
erstellt:
Zusammenhang zwischen NSDG und Maß für Höhlenwindrichtung
30.10.2003 - 19.10.2005 (met. Winter)
-5
-4
-3
-2
-1
0
1
2
-12 -10 -8 -6 -4 -2 0 2 4
<---(Einfließen)---T_Höhleneingang-T_Sturmsee in °C---(Ausfließen)--->
<--
(S-S
tröm
ung)-
- N
SD
G in h
Pa -
-(N
-Str
öm
ung)-
->
Abb. 30: Zusammenhang zwischen der Temperaturdifferenz zweier Stationen in der Eisriesenwelt, welche als Maß für die Strömungsrichtung in der Höhle fungieren soll, und dem Nordsüd Druckgradienten. Die vertikale Gerade bei 0,65°C soll das im Text beschriebene feuchtadiabatische Gleichgewicht darstellen und als Maß zur Unterscheidung zwischen dem
Aus- und Einfließen dienen.
Abbildung 30 zeigt einen leichten Zusammenhang zwischen dem
Nordsüddruckgradienten und der Temperaturdifferenz der beiden Stationen
Höhleneingang und Sturmsee in der Eisriesenwelt, welche als Maß für die
Strömungsrichtung in der Höhle fungieren soll. Man kann erkennen, dass eine
Strömung mit einer stärkeren Nordkomponente zu einer negativen
Temperaturdifferenz, was unter bestimmten Umständen mit einem Einfließen der Luft
3 Auswertung der Temperaturaufzeichnungen 43
in der Höhle gleichzusetzen ist und eine Abkühlung bewirkt. Allerdings sind diese
Zusammenhänge nur indirekt gegeben. Das heißt, der hydrodynamische Druck der
äußeren Atmosphäre wirkt sich nur sehr schwach auf die Strömung in der Eishöhle aus.
Vielmehr spielen die durch die unterschiedliche Anströmung verursachten
thermodynamischen Effekte eine Rolle. Diesen Zusammenhang hat auch schon Saar im
Jahre 1957 umfassend untersucht.
Abbildung 31 zeigt den Zusammenhang zwischen dem Ostwestdruckgradienten und der
Temperaturdifferenz der beiden Stationen Höhleneingang und Sturmsee in der
Eisriesenwelt, welche als Maß für die Strömungsrichtung in der Höhle fungieren soll:
Zusammenhang zwischen OWDG und Maß für Höhlenwindrichtung
30.10.2003 - 19.10.2005 (met. Winter)
-4
-3
-2
-1
0
1
2
3
-12 -10 -8 -6 -4 -2 0 2 4
<---(Einfließen)---T_Höhleneingang-T_Sturmsee in °C---(Ausfließen)--->
<--
(O-S
tröm
ung)-
- O
WD
G in
hP
a -
-(W
-Str
öm
ung)-
->
Abb. 31: Zusammenhang zwischen der Temperaturdifferenz zweier Stationen in der Eisriesenwelt, welche als Maß für die Strömungsrichtung in der Höhle fungieren soll, und dem
Ostwest Druckgradienten
3 Auswertung der Temperaturaufzeichnungen 44
Es lässt sich zwischen diesen beiden Parametern kein Zusammenhang feststellen. Es
scheint, dass der Nordwestdruckgradient durch die zwei Eingänge und sonstigen Ritzen
und Spalten keine Auswirkungen auf die Strömung in der Höhle hat. Die nächste
Abbildung 32 zeigt den Zusammenhang zwischen der Außentemperatur am Feuerkogel
und wieder der Temperaturdifferenz der beiden Stationen Höhleneingang und Sturmsee
<---(Einfließen)---T_Höhleneingang-T_Sturmsee in °C---(Ausfließen)--->
T-F
euerk
ogel in
°C
Abb. 32: Zusammenhang zwischen der Temperaturdifferenz zweier Stationen in der Eisriesenwelt, welche als Maß für die Strömungsrichtung in der Höhle fungieren soll, und der
Außentemperatur am Feuerkogel
Es lässt sich dabei ein guter Zusammenhang erkennen, welche die thermodynamische
Steuerung der Höhlenwindrichtung unterstreicht. Man kann erkennen, dass bei
Differenzwerten über -1°C zwischen dem Höhleneingang und dem Sturmsee die
Korrelation schlechter wird. Dies hängt höchstwahrscheinlich mit der latenten Wärme
3 Auswertung der Temperaturaufzeichnungen 45
zusammen, welche benötigt wird, um das Eis in der Höhle zu schmelzen. Dass dies
schon teilweise ab -1°C der Fall ist, hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass die
Höhle im Winter sehr stabil geschichtet ist, und die Luft an der Decke um einiges
wärmer ist. Unter diesem Umstand ist an der Decke der Höhle schon ein Schmelzen
möglich, auch wenn am Boden noch Temperaturen unter dem Gefrierpunkt
vorherrschen. Dieser Effekt wird durch Eissäulen bestätigt, welche vom Boden weg in
3.7.2 Mittleres Temperaturströmungsregime in der Eisriesenwelt-Höhle
In der folgenden Auswertung und graphischen Darstellung wird versucht, einen
besseren Einblick in das Temperaturströmungsregime der Eisriesenwelt-Höhle zu
geben:
Abb. 34: Temperaturgang der Stationen Höhleneingang und Eispalast in Form von Tagesmittel über die Jahre 1998, 1999, 2006, 2007 mit einer Einteilung in verschiedenen Perioden nach
dessen Temperaturdifferenz. Blau dargestellt sind Tage mit negativer Temperaturdifferenz und rot dargestellt sind Tage mit positiver Temperaturdifferenz.
Abbildung 34 zeigt den Temperaturgang der Stationen Höhleneingang und Sturmsee,
welcher im mittleren Teil des permanenten Eisbereiches liegt. Ferner wurde der
Temperaturgradient längs der Haupthöhle zwischen der Station am Höhleneingang und
der am Ende des permanenten Eisbereichs liegenden Station beim Eispalast berechnet
und dargestellt. Da die beiden Stationen auf unterschiedlicher Höhe liegen, wurde die
Temperatur des Eispalastes auf die Höhe der Station am Höhleneingang
feuchtadiabatisch angepasst und anschließend die Differenz gebildet. Dabei wird eine
gut durchmischte und gesättigte Luft in der Höhle angenommen. Aus dem Verlauf der
Differenz können die Temperaturverhältnisse eindeutig in 3 Perioden eingeteilt werden:
Die „kalte Periode“ vom 19. Oktober bis zum 19. Mai. Die folgende
„Übergangsperiode“ von der kalten auf die warme Periode dauert vom 19. Mai bis zum
12. Juli. In dieser Zeit sind die thermischen Differenzen nur sehr gering. Anschließend
stellt sich bis zum 19. Oktober eine „warme Periode“ ein. Diese „warme Periode“ tritt
im Vergleich mit dem Klima außerhalb der Höhle um 1-2 Monate später ein (vgl. Kap.
1.2.2). Dabei steigt die Temperatur des Höhleneinganges kontinuierlich an (Maximum
3 Auswertung der Temperaturaufzeichnungen 47
von 1,4°C am 30. August). Auch die Temperatur des Eispalastes folgt diesem Trend,
bis am 25. August ein Maximum von 0,31°C erreicht wird.
Nach der warmen Periode vom Juli bis Ende Oktober stellt sich anschließend wieder
die „kalte Periode“ ein. Im Herbst ist eine „Übergangsperiode“ kaum vorhanden. Es
lässt sich durch die Betrachtung des gesamten Jahres erkennen, dass die Differenz in
der warmen Periode auf nur ein halbes Grad limitiert ist, hingegen ist in der kalten
Periode eine Differenz von bis zu 5 Grad möglich. Dies muss mit der Aufnahme von
latenter Wärme des Eisvorrates in der Höhle beim Schmelzen im Sommer
zusammenhängen.
Im nächsten Kapitel 4 soll durch ein Modell versucht werden, diesen
thermodynamischen Effekt auf die Strömungsrichtung genauer zu untersuchen. Davor
sollen kurz die beeinflussenden Faktoren zur Höhlenwindrichtung aufgezeigt werden.
3.8 Meteorologisch-glaziologische Prozesse in Zusammenhang mit der Strömungsrichtung
Die folgende Abbildung zeigt eine Zusammenstellung der wichtigsten
meteorologischen Prozesse in der Eishöhle. Den Ansatz für dieses Diagramm liefert
eine Arbeit von Schuster über die Salzgrabenhöhle aus dem Jahr 2005. Es wird dabei
zwischen äußeren und inneren Einflüssen unterschieden:
Abb. 35: Einflüsse auf die Höhlenwindrichtung (vgl. Schuster 2005)
48
1. Zu den inneren Einflüssen zählen das Vorkommen von Sickerwasser, welches je
nach Temperatur wiederum das Vorkommen von Höhleneis und Höhlenwasser
bestimmt. Bilden sich durch starke Sickerwasserzufuhr turbulente Wasserflüsse,
können diese einen Bewegungsimpuls an die Höhlenatmosphäre abgeben und somit die
Höhlenwindrichtung beeinflussen. Dieser Effekt wurde allerdings in der Eisriesenwelt
noch nicht beobachtet und wird hier nur auf Grund der Vollständigkeit erwähnt. Zudem
hängt die Sickerwasserzufuhr vom oberflächlichen Niederschlag ab. Die
Lufttemperatur und Luftfeuchte in der Höhle wird vorwiegend durch die
Lufttemperatur der äußeren Atmosphäre beeinflusst, was in den letzten Unterkapiteln
schon öfters aufgezeigt wurde.
2. Die äußeren Einflüsse sind von der synoptischen Lage und daraus resultierenden
Strömungslage abhängig. Davon abhängig sind die Temperatur- und Feuchteparameter
in der Höhle, welche sich auf die Dichte der äußeren Luftsäule und folglich auf die
Höhlenwindrichtung auswirken. Weiters wird durch die Art der Strömungslage ein
hydrodynamischer Druck ausgeübt, welcher sich aber wie vorhin gezeigt nur
geringfügig auf das Höhlenwetter auswirkt.
4 Modellierung und Empfindlichkeitsstudie 49
4 Modellierung und Empfindlichkeitsstudie
Um die Abläufe in der Höhle besser verstehen zu können, wird ein thermodynamisches
Modell aufgestellt, welches die vertikale Dimension in Form einer fiktiven äußeren und
inneren Luftsäule berücksichtigt und deren Druckdifferenz durch eine vertikale
Integration bestimmt. Die Wärmeleitungswiderstände von der Höhlenatmosphäre in die
umgebende Felsschale und weiter ins tiefere Gestein sind aus den verfügbaren Daten
nicht ableitbar und werden darum nicht berücksichtigt. Durch die Verwendung von
Mittelwerten über längere Perioden sollen sich die Temperaturdifferenzen zwischen
diesen Wärmekapazitäten ausgleichen und damit den Fehler der Modellberechnung
reduzieren. Um diesen Fehler möglichst klein zu halten, wurden für das hydrostatische
Modell Mittelwerte aus den 2 Jahreszeiten (Winter und Sommer) verwendet.
Die Dichte der beiden Luftsäulen wird unter Annahme eines konstanten statischen
Druckes einerseits von ihrer jeweiligen Temperatur T, andererseits von ihrer jeweiligen
Feuchte q bestimmt:
p
R f qRT
(4.1)
Im ersten Schritt wird die Höhle im Modell ohne eine Berücksichtigung der
horizontalen Geometrie durch einen vertikalen Schacht vom Höhleneingang bis auf ein
fiktives Niveau von 2100m, welches das Tennengebirgsplateau darstellen soll,
vereinfacht. Es werden zu diesem Zweck für jeden Höhenschritt ∆h die differenziellen
Drücke berechnet (vgl. Abbildung 36).
4.1 Der hydrostatische Druck einer Luftsäule
Ausgehend von der hydrostatischen Grundgleichung (Ehrendorfer 2004),
p g T z z (4.2)
und der idealen Gasgleichung für trockene Luft
4 Modellierung und Empfindlichkeitsstudie 50
L Lp R T (4.3)
erhält man eine Differentialgleichung, in der die unbestimmten Variablen aus z und
T(z) bestehen:
1
( )L
p gz
p R T z
(4.4)
Für die endlich große, vertikale Schrittweite ∆h und die Höhe h ergibt sich die
Differenzengleichung:
( )L
g pp h
R T h (4.5)
Der Druck der Höhenstufe i ergibt sich aus der vorherigen Höhenstufe i-1 und dem
Differenzdruck zwischen diesen beiden Höhenstufen:
11 1
( )
ii i i
L i
pgp p p p h
R T h
(4.6)
Somit kann durch das Aufintegrieren der Teildrücke der verschiedenen Höhenstufen
der Gesamtdruck außerhalb und innerhalb der Höhle berechnet werden. Abbildung 36
auf der nächsten Seite zeigt eine Skizze passend zur vorherigen Berechnung und
Beschreibung. Dabei werden zur einfacheren Darstellung nur 7 Höhenstufen
angenommen:
4 Modellierung und Empfindlichkeitsstudie 51
Abb. 36: Vereinfachte hydrostatische Darstellung der äußeren Atmosphäre (a) und der Luft in der Höhle (b) in Form von fiktiven Luftsäulen
Diese Summen der verschiedenen Teildrücke der Luftsäulen außerhalb und innerhalb
der Höhle – in der Abbildung als 7ap und 7bp bezeichnet – sollen durch einen
Vergleich Aufschlüsse zur vorherrschenden Höhlenwindrichtung geben. Bei einem
Druckunterschied bildet sich eine Ausgleichsströmung, die je nach Vorzeichen in die
Höhle oder aus der Höhle strömt (siehe Abbildung 36).
Ferner soll im Modell auch die Luftfeuchtigkeit mitberücksichtigt werden. Da sich
durch die Anwesenheit von Luftfeuchte die Gaskonstante der gesamten Luft ändert,
wird mit der Virtuelltemperatur weitergerechnet (Stull 2000). Im weiteren Schritt soll
dies kurz hergeleitet werden:
4.2 Virtuelltemperatur
Da feuchte Luft bei gleicher Temperatur eine geringere Masse bzw. Dichte als trockene
Luft aufweist, soll der Ausdruck 4.6 durch die Virtuelltemperatur erweitert werden.
Diese Scheingröße soll dabei den Dichteunterschied zwischen trockener und feuchter
4 Modellierung und Empfindlichkeitsstudie 52
Luft berücksichtigen. Das heißt, feuchte Luft wird durch eine trockene, dafür aber
etwas wärmere Luft dargestellt. Dabei sollen Druck und Dichte gleich bleiben:
L vpV MRT MR T (4.7)
Feuchte Luft setzt sich aus den Komponenten trockene Luft und Wasserdampf
zusammen. Ausgehend von der idealen Gasgleichung für
*
1 1
*: 287L L L L
L
Rtrockene Luft p V M R T R J kg K
m
(4.8)
*
1 1
*: 461W W W W
W
RWasserdampf p V M R T R J kg K
m
(4.9)
*
*
* *:
R Mfeuchte Luft pV MRT R m
m M (4.10)
ergibt sich mit Hilfe des Daltonschen Gesetzes eine Gleichung für die Masse des
gesamten Gasgemischs:
L W L W L W L L W W
TV V V M M M p p p M R M R
V (4.11)
Durch Einsetzen in die Gleichung (4.7) und Umformung nach vT erhält man (vgl.
Ehrendorfer 2004):
1 W W WV L L W W
L L L
M M RpV TT M R M R T
MR MR M MR
(4.12)
und weiter über die Definition der spezifischen Feuchte q:
1 1 1W W WV
L L
R R MT T q q T q q
R R M
(4.13)
Anschließend kann man die spezifische Feuchte durch den Dampfdruck e ausdrücken
(Kraus 2000):
4 Modellierung und Empfindlichkeitsstudie 53
1
W W W W L
L W W L
L W W
e
M R T R eq
p e eM R Rp e
R T R T R
(4.14)
Durch das Einsetzen der Gleichung (4.14) in die Gleichung (4.13) erhält man die
Abhängigkeit der virtuellen Temperatur vom Dampfdruck:
1 1 1 1
1 1
WL Lv
W L WL L
W W
RR Re eT T T
R R RR Rp e p e
R R
(4.15)
0,378
11
1
1
v
L
W
T Tp
Re
R
(4.16)
Durch die Berechnung des Sättigungsdampfdruckes
0
0
1 1exps s
W
Le T e T
R T T
(4.17)
Und durch die Definition der relativen Feuchte
s
ef
e T (4.18)
4 Modellierung und Empfindlichkeitsstudie 54
kann die Virtuelltemperatur folgendermaßen dargestellt werden:
0,378
1 11 1
1 10,378
1
v
sLs
W
T T Tp p
f e TRf e T
R
(4.19)
Dabei wird der größte Unterschied zwischen T und vT bei gesättigter Luft erreicht.
Tabelle 5 zeigt die Größenordnung für typische Höhlentemperaturen von -10°C bis
20°C:
T-virtuell in °C
Temperatur in °C
-10 0 10 20
rela
tive F
euch
te
0% -10,000 0,000 10,000 20,000
20% -9,944 0,124 10,260 20,517
40% -9,887 0,249 10,520 21,036
60% -9,831 0,373 10,781 21,557
80% -9,775 0,498 11,042 22,080
100% -9,718 0,622 11,303 22,605
Tabelle 5: Virtuelltemperatur in Abhängigkeit von der Feuchte und Temperatur
Die Tabelle zeigt, dass der Unterschied zwischen den beiden Temperaturen auf Grund
der Feuchte nur gering ausfällt. Im Ausgang 3, welcher keine bekannte Verbindung zur
Oberfläche aufweist, werden die höchsten Temperaturen der Eisriesenwelt
aufgezeichnet. Am 17.09.2001 wurde ein Maximum von 6,6°C gemessen. Dabei ergibt
sich bei 100% Luftfeuchte ein Virtuelltemperaturzuschlag von maximal 1°C.
4 Modellierung und Empfindlichkeitsstudie 55
Durch Einsetzen der Virtuelltemperatur in Gleichung 4.6 erhält man für die
Berechnung des Druckes einer Luftsäule ip für einen zusätzlichen Höhenschritt h
mit der virtuellen Temperatur vT :
11 1
( )
ii i i i
L v i
pgp p p p h
R T h
(4.20)
4.3 Temperatur- und Feuchteprofile für das Jahr 2004
Es werden für die Modellberechnung typische Temperatur- und Feuchteprofile,
gewonnen aus den Datenaufzeichnungen der Eisriesenwelt-Stationen und der
naheliegenden SYNOP Station Feuerkogel, einheitlich aus dem Jahr 2004 (soweit als
möglich) verwendet. Tabelle 6 zeigt eine Zusammenstellung dieser Ausgangsdaten:
Station Höhe met. Winter met.
Sommer Jahresmittel
Aufzeich- nungsjahr
Te
mpe
ratu
r in
°C
Krippenstein (KS) 2050m -6,1 8,6 1,4 2004
Mittel aus KS u. FK 1830m -4,8 9,6 2,5 2004
Feuerkogel (FK) 1618m -3,5 10,6 3,5 2004
Höhleneingang 1659m -3,7 0,8 -1,1 2004
Sturmsee 1769m -2,0 -0,2 -0,9 2004
Ausgang 3 1800m 4,0 5,0 4,8 2000
R.F
.
in %
Eispalast 1759m 98 100 - 2007-2008
Feuerkogel 1800m 67 78 - 2000
Tabelle 6: Verwendung verschiedener Stationsmittel für die Modellberechnungsannahme in der Tabelle 7
Diese Tabelle enthält die Mittelwerte der Stationen Krippenstein, Feuerkogel,
Höhleneingang, Sturmsee, Ausgang 3 und Eispalast für den meteorologischen Winter,
Sommer und das gesamte Jahr. Zudem wurden Werte zur mittleren Höhe von 1830m
der beiden Bergstationen Krippenstein und Feuerkogel für weitere Abschätzungen
bestimmt. Die Werte vom Ausgang 3 waren leider nicht verfügbar und wurden darum
aus den Jahren 2000 entnommen. Die relativen Feuchtewerte beim Eispalast wurden
4 Modellierung und Empfindlichkeitsstudie 56
aus dem AUSTRO*ICE*CAVES*2100-Projekt von Obleitner (2008) aus dem Jahr
2007 bis 2008 gewonnen.
Auf Grundlage der Messdaten aus der Tabelle 6 werden die verschiedenen Parameter
für das Modell (Tabelle 7) angepasst:
met. met.
Winter Sommer Einheit Datenquelle
2004 2004
Feuchte Außen: 67 78 % vom Feuerkogel aus Winter/Sommer 2000
Feuchte Innen: 3,3 4,5 g/kg angepasst, bis Feuchte im unteren Teil 83%/100%
Temp Außen: var. var. °C variabel
Gamma -0,34 -0,54 °C/100m Gradient aus Kuhn et al. 1999
Tem
pera
turs
tütz
-
punkte
T2080 1,4 8,6 °C Jahresmittel/Sommermittel vom Krippenstein 2004
T2050 4 6,8 °C vertikal interpoliert
T1830 4 5 °C Ausgang3 aus Winter/Sommer 2000
T1780 -2 -0,2 °C Sturmsee aus Winter/Sommer 2004
T1720 -2,9 0,3 °C vertikales Mittel
T1670 -3,7 0,8 °C Höhleneingang aus Winter/Sommer 2004
T1640 -4 1,5 °C vertikal interpoliert
Tabelle 7: Annahme verschiedener Werte zur Modellberechnung
Die Feuchte-Außen soll sich in vertikaler Richtung nicht ändern und ergibt sich aus der
mittleren Feuchte vom meteorologischen Winter bzw. meteorologischen Sommer der
SYNOP Station Feuerkogel (aus Tab.6). Temp-Außen ist die mittlere Temperatur vor
dem Höhleneingang, welche im Modell zur Untersuchung der Strömungsrichtung und -
-stärke (Zusammenhang mit der Druckdifferenz) variiert werden soll.
In der Höhle wird eine starke vertikale Durchmischung wegen des „Kamineffektes“
angenommen, wodurch die Verwendung eines durchschnittlichen
Mischungsverhältnisses naheliegend ist. Auf Grundlage der relativen
Feuchtemesswerte für den Eispalast aus der Tabelle 6 ergibt sich ein
Mischungsverhältnis von 4,5g/kg im Sommer. Im Winter wurde die Feuchte mit einem
Mischungsverhältnis von 3,3g/kg nicht auf 98% sondern auf 83% relative Feuchte
angepasst. Eine bessere Anpassung war leider nicht möglich, da im untersten Bereich
schon die Sättigung erreicht wird.
Der vertikale Temperaturgradient (im Weiteren als Gamma bezeichnet) für die
Berechnung des Außentemperaturprofiles im Sommer und Winter wurde aus einer
Arbeit von Kuhn et al. (1999) gewonnen.
Es wurden zudem 7 Temperaturstützpunkte in besonders relevanten Höhenlagen
angenommen.
4 Modellierung und Empfindlichkeitsstudie 57
Dabei soll die 4 stellige Zahl nach der Variablen „T“ die Höhe des
Temperaturstützpunktes bedeuten. T1670 soll die durchschnittliche Temperatur in der
Höhle bei einer Höhe von 1670m darstellen und wurde aus der mittleren Temperatur
der Station am Höhleneingang bestimmt (aus Tab. 6). T1780 repräsentiert den höchsten
Punkt des Eisbereiches auf einer Höhe von 1780m, wofür die mittlere Temperatur der
Station Sturmsee verwendet wurde (aus Tab. 6). T1830 richtet sich nach dem Sommer-
und Wintermittel der Station Ausgang 3 (aus Tab. 6). T2080 richtet sich im Winter
nach dem Jahresmittel (aus Tab. 6) und nicht nach dem Wintermittel des
Krippensteines, da in dieser Zeit überwiegend ein Ausströmen angenommen wird. Im
Sommer wird im oberen Bereich vorwiegend ein Einströmen angenommen, aus diesem
Grund wird für T2080 das Sommermittel des Krippensteins verwendet (aus Tab. 6).
Die restlichen Temperaturstützpunkte sind interpoliert worden. Abbildung 37 zeigt den
daraus resultierenden vertikalen Virtuelltemperatur- und Feuchteverlauf:
Abb. 37: Virtuelltemperatur in Abhängigkeit von der Feuchte und Temperatur im Winter (a) und Sommer (b)
Die linke Seite dieser Abbildungen stellt jeweils für den Winter (a) und Sommer (b)
zwei verschiedene Virtuelltemperaturen dar: Die äußere Virtuelltemperatur, als „VTA“
bezeichnet, kann aus der Außentemperatur und Außenfeuchte „FeuA“ berechnet
werden, welche auf der rechten Seite der Abbildung dargestellt ist. Das analog Selbe
gilt für die Virtuelltemperatur in der Höhle mit der Bezeichnung „VTI“ und der Feuchte
Innen „FeuI“.
Mit Hilfe dieser Profile soll nun von einer Höhe aus 2100m, welche das Plateau über
der Eishöhle darstellen soll, der Druckunterschied für eine innere und äußere Luftsäule
berechnet werden. Dabei wird mit Hilfe von Gleichung 4.20 von einem einheitlichen
(a) (b)
4 Modellierung und Empfindlichkeitsstudie 58
Druck auf 2100m mit 800hPa und mit einer vertikalen Schrittweite von 10m bis auf die
Höhe des Höhleneinganges auf 1640m die jeweilige Druckdifferenz berechnet und
aufintegriert (siehe Abbildung 36). Abbildung 38 zeigt die berechneten Werte für einen
typischen Winter. Die Berechnungen für die Sommerperiode wurden abgesehen von
anderen Eingabewerten genau gleich durchgeführt:
Abb. 38: Druckmodell-Beispiel für die dynamische Eisriesenwelt-Höhle im Winter
Als Ergebnis dieser Berechnung erhält man eine Druckdifferenz der äußeren und
inneren Luftsäule für typische Winter- und Sommerperioden, welche ein Maß für die
4 Modellierung und Empfindlichkeitsstudie 59
Strömungsrichtung und Strömungsstärke in der Höhle darstellen soll. Diese
Druckdifferenz hängt besonders stark von der Außentemperatur ab (vgl. Gleichung
4.20).
4.4 „Gleichgewichtstemperatur“ GGT
Unter den Bedingungen für den meteorologischen Winter und Sommer 2004, wie sie
schon in Tabelle 7 und Abbildung 37 aufgeführt wurden, stellt sich dem Modell nach
ein Gleichgewicht zwischen dem hydrostatischen Außen- und Innendruck im Winter
bei einer Außen-Temperatur im Niveau des Höhleneinganges von 1,9°C ein. Für den
Sommer ergibt sich für dasselbe Ereignis eine Temperatur von 5,1°C. Vergleicht man
dies mit den Beobachtungen aus Kapitel 2.6 und dem daraus abgeschätzten
Temperaturwert von 2,3°C aus der Frühjahrsperiode 1921, erhält man für den Winter
eine Abweichung von -0,4°C und für den Sommer eine Abweichung von +2,8°C.
Daraus lässt sich ableiten, dass das Modell durchaus im realistischen Rahmen arbeitet.
Die Temperatur, bei der die Druckdifferenz nahe 0hPa ist und ein Wechsel der
Strömungsrichtung stattfindet, wird im Weiteren als „Gleichgewichtstemperatur“
bezeichnet.
Ferner soll die Empfindlichkeit bzw. Änderung dieser Temperatur in Abhängigkeit
verschiedener Parameter mit Hilfe des Modells untersucht werden. Es wurden
Auswertungen für typische Sommer und Winterwerte durchgeführt. Abbildung 38 zeigt
die Ergebnisse für den Winter. Da die Daten aus einem sehr einfachen Modell ermittelt
wurden und die Höhle allein schon von der Geometrie unerdenklich viele
unberücksichtigte Eigenschaften aufweist, sollten diese Resultate nur als Richtwerte
betrachtet werden.
Durch eine Erhöhung der Luftfeuchte der äußeren Atmosphäre sind immer kältere
Temperaturen zum Einfließen nötig. Das heißt, der Temperatur-Umschlagpunkt der
Strömung sinkt mit zunehmender Luftfeuchte. In der Abbildung 38 links oben sieht
man die Empfindlichkeit der GGT auf die relative Feuchte außen, welche mit
zunehmender Feuchte um bis zu einem Grad Celsius abfällt. Grund dafür ist die
geringere spezifische Masse feuchter Luft. Das gleiche gilt auch für die Atmosphäre in
der Höhle, wie es in der Abbildung 39 rechts oben durch das Mischungsverhältnis in
der Höhle dargestellt ist. Dabei steigt die GGT mit zunehmender Feuchte der
Höhlenatmosphäre.
4 Modellierung und Empfindlichkeitsstudie 60
Abb. 39: Einfluss der Parameter relative Feuchte Außen, Mischungsverhältnis in der Höhle, Höhenschritt und dem äußeren Temperaturgradienten auf die „Gleichgewichtstemperatur“ im
Winter
Wie schon am Anfang dieses Kaptitels erwähnt, wurde für dieses Modell eine stark
vereinfachte Geometrie in Form eines vertikalen Schachtes vom Höhleneingang bis auf
ein fiktives Niveau von 2100m (soll das Tennengebirgsplateau darstellen), für die
Höhle angenommen. Durch die Änderung der vertikalen Schrittweite ∆h (bzw. dem
Höhenschritt) kann die vertikale Dimension des Höhlenschachtes bei gleichbleibender
Anzahl von Höhenschritten modelliert werden. Damit kann die Abhängigkeit von
dieser fiktiven Obergrenze bei angenommenen 2100m, welche mit einer gewissen
Unsicherheit behaftet ist, angegeben werden. In der Abbildung 39 links unten kann man
erkennen, dass mit zunehmender vertikaler Schrittweite (und damit verbundenen
zunehmender vertikaler Dimension des Höhlenschachtes) auch bei höheren
Temperaturen ein Einfließen möglich ist.
Kühlt sich die Luft der äußeren Atmosphäre mit der Höhe sehr schnell ab, ist die GGT
hoch. Dies kann man in der Abbildung 39 unten rechts, dargestellt durch den Parameter
Gamma, erkennen. Es lässt sich außerdem feststellen, dass die GGT auf diesen
Parameter besonders empfindlich reagiert. Bei zunehmend stabiler Schichtung sind
4 Modellierung und Empfindlichkeitsstudie 61
immer kältere Temperaturen nötig, um ein Einfließen zu ermöglichen. Ist die
Atmosphäre absolut instabil geschichtet (z.B. Föhn oder der Durchzug einer Kaltfront),
ist schon unter einer Gleichgewichtstemperatur von 3,2°C ein Einfließen möglich. In
solchen Fällen strömt warme Außenluft direkt in den Eisbereich der Höhle und bewirkt
eine kräftige Temperatursteigerung. (siehe Kapitel 2.7 „kritische Temperatur“).
Eine Variation des Druckes, von dem in der Höhe von 2100m weggerechnet wird, hat
in diesem Model keinen Einfluss auf die GGT.
Abb. 40: Einfluss der Parameter relative Feuchte Außen, Mischungsverhältnis in der Höhle, Höhenschritt und dem Äußeren Temperaturgradienten auf die „Gleichgewichtstemperatur“ im
Sommer
Es kann zusammengefasst gesagt werden, dass die GGT je nach oben genanntem
Zustand um den Wert von 2°C pendelt. Für den Sommer ergeben sich kaum andere
Ergebnisse (siehe Abbildung 40), der einzige Unterschied besteht darin, dass die
„Gleichgewichtstemperatur“ um 3°C höher, also bei etwa einem Wert von 5°C liegt.
4 Modellierung und Empfindlichkeitsstudie 62
4.5 Empfindlichkeit auf Druckdifferenzen
Außer der GGT wurde eine Auswertung der Empfindlichkeit bzw. Sensivität der
Druckdifferenzen (Außendruck minus Innendruck am Höhleneingang) auf die oben
genannten Parameter durchgeführt. Tabelle 8 zeigt die Ergebnisse:
Tabelle 8: Einfluss bestimmter Parameter auf die Druckdifferenz (Außendruck minus Innendruck am Höhleneingang) im Winter
Um die mittlere Änderung zu berechnen, wurden immer zwei Variablen in einem
bestimmten Bereich verändert, um nicht nur einen Wert für einem bestimmen Punkt,
sondern für eine größere Bandbreite zu erhalten. Diese Bandbreiten sind jeweils zu
jeder Empfindlichkeit angegeben. Der obere linke Bereich der Tabelle zeigt die
Empfindlichkeit in Abhängigkeit von der Luftfeuchte. Man kann daraus entnehmen,
dass eine Erhöhung um 10% Luftfeuchte eine Absenkung der Druckdifferenz Außen
minus Innen um 2Pa verursacht. Diese Angabe gilt in einem Außentemperaturbereich
von 1°C bis 4°C und einem relativen Feuchtebereich von 0% bis 100%. Bei einer
Variation der Feuchte um 100% ergibt sich dabei eine maximale Druckänderung um
20Pa. Rechts oben in der Tabelle kann man die Empfindlichkeit auf die innere Feuchte,
dargestellt durch das Mischungsverhältnis, entnehmen. Bei einer Erhöhung des
Mischungsverhältnisses um 1g/kg erhöht sich die Druckdifferenz um 3hPa. Im
4 Modellierung und Empfindlichkeitsstudie 63
mittleren Bereich der Tabelle wird die Empfindlichkeit von der vertikalen Ausdehnung
∆h mit einem Wert von 0,7 Pa/m bei einer Außentemperatur von 2,5°C angegeben.
Diese Änderung ist sehr stark von der Außentemperatur abhängig. Im linken, unteren
Bereich der Tabelle wird die Änderung in Abhängigkeit vom vertikalen
Temperaturgradienten Gamma mit einem Wert von 16,6Pa/(°C/100m) angeführt. Das
heißt, eine Erhöhung des äußeren, vertikalen Temperaturgradienten um 0,1°C/100m
ergibt eine Erhöhung der Druckdifferenz am Eingang um 1,7Pa. Eine Änderung des
Startdruckwertes, von dem aus die Druckdifferenzwerte der zwei fiktiven Luftsäulen
berechnet werden, hat keine Auswirkung auf die Druckdifferenz.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass eine Druckdifferenzabnahme zwischen der
fiktiven äußeren und inneren Luftsäule durch eine Erhöhung der äußeren, relativen
Luftfeuchte und analog umgekehrt verursacht werden kann. Eine
Druckdifferenzzunahme kann durch eine Erhöhung der Luftfeuchte m in der Höhle,
durch eine Erhöhung der vertikalen Dimension ∆h und durch eine Erhöhung des
vertikalen Temperaturgradienten Gamma bewirkt werden. Das gleiche gilt analog
umgekehrt.
4.6 Fallstudie auf den Wechsel der Strömungsrichtung
Zum Abschluss dieses Kapitels soll die „Tauglichkeit“ dieses hydrostatischen Modells
konkret auf Wechsel der Strömungsrichtung untersucht werden. Dazu wurden
zusätzliche Messdaten vom 19.12.2007 bis zum 24.12.2007 von der Eisriesenwelt, vom
ICE*CAVE*2100 Projekt des Instituts für Meteorologie und Geophysik Innsbruck
(Obleitner 2008b) und von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik
(ZAMG) durch Mag. Susanne Drechsel (Institut für Meteorologie, Universität
Innsbruck) verwendet:
Daten mit stündlichem Messintervall vom 19.12.2007 bis 24.12.2007:
Abbildung 41 zeigt für diese 5 Tages-Periode (19.-24.12.2007) im oberen Teil die
Temperaturen längs der Höhle durch die Eisriesenwelt-Stationen Höhleneingang,
Sturmsee, Eispalast (t_metp_1-4m) und SYNOP-Station Feuerkogel. Im mittleren
Teildiagramm ist die Windgeschwindigkeit (ws_metp1-4m) und im unteren
Teildiagramm die Windrichtung (wd_metp1-4m) vom Eispalast aufgetragen.
In dieser 5 Tages-Periode findet ein Wechsel vom Einströmen zum Ausströmen am
20.12.2007 und ein Wechsel vom Ausströmen zum Einströmen am 22.12.2007 in der
Höhle statt.
4 Modellierung und Empfindlichkeitsstudie 65
Abb. 41: Messdaten zur Strömungswechsel-Fallstudie aus der Periode 19.12.2007 bis zum 24.12.2007. Das obere Teildigramm zeigt die Temperaturen längs der Höhle durch die
Eisriesenwelt-Stationen Höhleneingang, Sturmsee und Eispalast (t_metp_1-4m) und der SYNOP-Station Feuerkogel. Im mittleren Teildiagramm ist die Windgeschwindigkeit
(ws_metp1-4m) und im unteren Teildiagramm die Windrichtung (wd_metp1-4m) vom Eispalast aufgetragen. Die Ein- und Ausflussperioden wurden zusätzlich gekennzeichnet. Die Lage der
Stationen ist im beiliegenden Höhlenplan ersichtlich (nach Spötl 2007)
Einströmen Ausströmen Einströmen
4 Modellierung und Empfindlichkeitsstudie 66
Im Weiteren soll nun überprüft werden, ob dieser gemessene Wechsel auch vom
Modell wiedergegeben wird.
Dazu können aus dieser Messreihe die Tagesmittel der Lufttemperatur zwischen den
Strömungsrichtungswechsel und der vertikale Temperaturgradient (Gamma) bestimmt
werden (Tabelle 9)
Tag Richtung t_metp1-4m Höhleneingang Sturmsee Feuerkogel Sonnblick Gamma
Tabelle 9: Tagesmittel der Lufttemperatur zwischen den Strömungsrichtungswechsel. Orangefarbige Werte wurden als Eingabewerte für das Modell in Tabelle 10 verwendet
und im hydrostatischen Modell als Eingabevariablen (in Tabelle 10, orange Farbe)
benutzt werden. Die restlichen Eingabewerte sind unverändert (in Tabelle 10, schwarze
Farbe) und entsprechen den mittleren Winterwerten aus Tabelle 7. Tabelle 10 zeigt die
Eingabewerte für die drei Tage um den Strömungsrichtungswechsel:
19.12. 21.12. 23.12. Einheit Daten-
2007 2007 2007 quelle
Feuchte Außen: 67 67 67 % wie Tab. 7
Feuchte Innen: 3,3 3,3 3,3 g/kg wie Tab. 7
Temp Außen: -0,1 5,9 0 °C FK
Gamma -0,7 -0,9 -0,5 °C/100m SB u. FK
Tem
pera
turs
tütz
-
punkte
T2080 1,4 1,4 1,4 °C wie Tab. 7
T2050 4 4 4 °C wie Tab. 7
T1830 4 4 4 °C wie Tab. 7
T1780 -1,8 -0,7 -0,9 °C T Sturmsee
T1720 -2,1 -1,2 -1,0 °C Mittelwert
T1670 -2,3 -1,6 -1,1 °C T HE
T1640 -2,3 -1,6 -1,1 °C T HE
Tabelle 10: Eingabewerte für das hydrostatische Modell der Strömungswechsel-Fallstudie mit Verweis auf die Datenquelle (Tagesmittelwerte von: Feuerkogel (FK), Sonnblick (SB),
Sturmsee, Höhleneingang und dem Mittelwert davon)
4 Modellierung und Empfindlichkeitsstudie 67
Aus den Eingabewerten liefert das hydrostatische Modell in Tabelle 11 folgende
Ergebnisse:
Tag 19.12.2007 21.12.2007 23.12.2007
Messung Eispalast
Richtung: Einströmen Ausströmen Einströmen
Windgeschw.: 0,14 0,07 0,18 m/s
Modell Richtung: Einströmen Ausströmen Einströmen
Druckdifferenz: 58,5 -36,7 55,5 Pa
Tabelle 11: Ergebnisse (fiktive Druckdifferenzen am Höhleneingang) des hydrostatischen Modells zur Strömungswechsel-Fallstudie im Vergleich mit den erhobenen Messdaten im
Eispalast
Vergleicht man die Messwerte mit den Ergebnissen des Modells, kann man eine sehr
gute Übereinstimmung erkennen. Selbst der Druckunterschied korreliert gut mit der
gemessenen Windgeschwindigkeit.
5 Spektralanalyse 68
5 Spektralanalyse
5.1 Fouriertransformation:
Durch die Analyse im Frequenzraum können nicht deutlich erkennbare periodische
Anteile in der Zeitreihe sichtbar gemacht werden. Dabei wird das kontinuierliche
Zeitsignal diskret abgetastet (ergibt die diskrete Zeitreihe nx ) und in den
Frequenzbereich transformiert (Schönwiese 2006)
1
0
1 2expN
k n
n
i nkY xNN
(5.1)
mit 1i , Zeitreihen-Laufindex n 0,1, , N 1 , k = Wellenzahl, kY
Fourierkomponente der Wellenzahl, nx diskrete Zeitreihe und N = Anzahl der
Zeitreihendaten. Oder etwas umgeformt mit dem Abtast-Zeitschritt (bzw. der
Zeitabstand zwischen den Datenpunkten) t und der Kreisfrequenz ( )n :
1
( )
0
1 2( )
Ni n tk
k n
n
nY x e wobei n
N N t
(5.2)
In Folge ergibt sich die maximal darstellbare Frequenz durch die Hälfte der
Abtastfrequenz. In diesem Fall wird auch von der Nyquist Frequenz 1/ (2 )t
gesprochen, welche entsprechend groß gewählt werden muss, um Aliasing (vgl.
Schönwiese 2006) weitgehend zu vermeiden. Außerdem darf nicht außer Acht gelassen
werden, dass es sich bei dieser Analyse praktisch immer um ein Zeitsignal endlicher
Dauer handelt. Man kann sich dabei vorstellen, dass das Zeitsignal mit einem
Rechteckfenster multipliziert wurde. Im Frequenzbereich kommt dies durch eine
Faltung des Nutzsignals mit dem diskreten Spektrum des Rechteckfensters gleich, dabei
treten sogenannte Seitenbänder auf. Man spricht dabei vom Leakage-Effekt, welcher in
der Abbildung 42 aufgezeigt wird.
5 Spektralanalyse 69
Abb. 42: Versuch zur Darstellung des Leakage-Effektes.
Dabei wurde in beiden Fällen von einer Zeitreihe mit selber Amplitude und Frequenz
ausgehend eine Fourier-Transformation durchgeführt. Man kann erkennen, dass die
erste Zeitreihe harmonisch fortgesetzt werden kann, und die zweite Reihe nicht, da
diese weniger Datenwerte enthält bzw. etwas „früher“ abgeschnitten ist. Das hat zur
Folge, dass dabei Nebenprodukte entstehen und das Hauptsignal etwas schwächer wird.
Da die Reihe im zweiten Fall etwas weniger Werte aufweist, verschiebt sich dabei der
Frequenzraster etwas. Das Maximum kann man sich dabei trotzdem noch bei 0,005/h
vorstellen, allerdings ist der Frequenzraster davon weggerückt. Man kann dies auch
daran erkennen, dass der erste linke Seitenträger eine größere Amplitude als der rechte
Seitenträger aufweist. Es ist also kein Frequenzabtastpunkt beim Maximum vorhanden,
somit wird die Amplitude des Hauptträgers in zwei Frequenzraster aufgeteilt. Hinzu
kommt der Leakage-Effekt, der sich sogar im 2. Seitenprodukt bemerkbar macht (siehe
schwarzer Pfeil).
Die Auflösung dieses Frequenzrasters wird durch den Kehrwert der Intervalldauer des
Zeitsignals T N t begrenzt und kann nicht weiter erhöht werden. Abbildung 43 zeigt
ein einfaches Beispiel dazu:
Fouriertransformation
5 Spektralanalyse 70
Abb. 43: Einfache Beispiele zur Fourier Transformation
Es wird dabei zu drei verschiedenen Fällen die dazugehörige Fouriertransformation
gezeichnet, welche alle das gleiche Zeitsignal mit derselben Amplitude und derselben
Frequenz aufweisen. Einziger Unterschied ist die Art der Abtastung. Im Fall (A) ist das
Abtastintervall 1ZE (eine Zeiteinheit) lang. Aufgrund der Nyquistfrequenz
1/ (2 )t ergibt sich in der Fouriertransformation eine maximal darstellbare
Frequenz von 0,5/ZE. Die Auflösung im Frequenzbereich beträgt 0,25/ZE. Im Fall (B)
ist das Abtastinervall nur halb so groß, darum ist die maximal darstellbare Frequenz
doppelt so groß mit 1/ZE. Fall (C) unterscheidet sich von Fall (B) lediglich durch die
doppelte Abtastdauer. Dies hat zu Folge, dass sich die Auflösung im Frequenzbereich
verdoppelt hat und die kleinste darstellbare Frequenz 0,125/ZE beträgt.
5.2 Berechnung der Periodogrammwerte aus der Fouriertransformation
Durch das Periodogramm sollen die verschiedenen Skalen, welche auf das
Temperatursignal einwirken, genauer untersucht werden. Es soll darüber Auskunft
geben, welche Skalen besonders relevant sind. Dabei wird untersucht, ob sich
bestimmte Temperaturgänge periodisch wiederholen, und zwar durch die Berechnung
der Intensität und der zugehörigen Frequenz- bzw. Periodenskala.
Fouriertransformation
Zeit in s Frequenz in Hz
5 Spektralanalyse 71
Die diskreten Zeitwerte kX lassen sich mit Hilfe der Fouriertransformation durch eine
Summe von diskreten Spektralwerten kY darstellen. Es wird von folgender Gleichung
ausgegangen, um die Periodogrammwerte zu berechnen (Ehrendorfer 2007):
1
0
2exp 0... 1 1, 1
N
k j
j
iX Y jkI k N I
N
(5.3)
Es gilt dabei folgender Zusammenhang zwischen der Kreisfrequenz l und der Anzahl
der Zeitpunkte N, welche noch dazu geradzahlig und eine Potenz von 2 sein sollten:
1
2 2 1,2,3,....l l
ll N
N t
(5.4)
Die weitere Rechnung wurde zum besseren Verständnis nur für N=8 durchgeführt, soll
aber auch für beliebige N gelten. Grundlage dafür sind persönliche Mitteilungen von
Professor Ehrendorfer 2008. Die Ausdrücke wurden zur besseren Übersicht umsortiert:
0
1 7
2 6
3 5
4
2exp 0
8
2 2exp 1 exp 7
8 8
2 2exp 2 exp 6
8 8
2 2exp 3 exp 5
8 8
2exp 4
8
k
iX Y kI
i iY kI Y kI
i iY kI Y kI
i iY kI Y kI
iY kI
(5.5)
Mit exp cos( ) sin( )i i erhält man die trigonometrische Form der komplexen
Zahlen. Durch die Periodizität und Symmetrie der Sinus- und Kosinus-Funktionen
gelten:
sin(2 ) sin( ) sin( ) (5.6)
cos(2 ) cos( ) cos( ) (5.7)
Da kI ganzzahlig ist, gilt weiters:
5 Spektralanalyse 72
2 2 2cos 7 cos 7 cos 2 7
8 8 8
2 2cos 1 cos 1
8 8
kI kI kI kI
kI kI
(5.8)
2 2 2 2
sin 7 sin 7 sin 2 7 sin 18 8 8 8
kI kI kI kI kI
(5.9)
Daraus folgt für den 7. Term:
2 2 2exp 7 cos 7 sin 7
8 8 8
2 2 2cos 1 sin 1 exp 1
8 8 8
i kI kI i kI
kI i kI i kI
(5.10)
Das analog Gleiche gilt für die anderen Terme. Dadurch lässt sich der Ausdruck (5.5)
umschreiben:
0
1 7
2 6
3 5
4
2exp 0
8
2 2exp 1 exp 1
8 8
2 2exp 2 exp 2
8 8
2 2exp 3 exp 3
8 8
2exp 4
8
kX Y ikI
Y ikI Y ikI
Y ikI Y ikI
Y ikI Y ikI
Y ikI
(45.11)
Die folgende Abbildung 44 zeigt die komplexen Zahlen in verschiedenen
Darstellungsformen. Die konjugierte komplexe Zahl erhält man dabei durch eine
Spiegelung der komplexen Zahl an der reellen Achse. Z und Z* unterscheiden sich nur
durch das Vorzeichen im Imaginärteil, der Betrag bleibt dabei gleich:
5 Spektralanalyse 73
Abb. 44: Darstellung von komplexer und konjugiert komplexer Zahlen (Mietke 2008)
kX lautet konjugiert komplex:
*
0
1 7
2 6
3 5
4
2exp 0
8
2 2exp 1 exp 1
8 8
2 2exp 2 exp 2
8 8
2 2exp 3 exp 3
8 8
2exp 4
8
kX Y ikI
Y ikI Y ikI
Y ikI Y ikI
Y ikI Y ikI
Y ikI
(5.12)
Durch das Produkt von kX und *
kX erhält man das Quadrat des Betrages bestehend
aus 64 Summanden:
2 2 2 20 0 0 12 * 8 8 8 8
0 0 0 1
2 2 2 20 2 4 4
8 8 8 80 2 4 4....
i i i iIk Ik Ik Ik
k k k
i i i iIk Ik Ik Ik
X X X Y e Y e Y e Y e
Y e Y e Y e Y e
(5.13)
7 7
2
0 0
2 2exp exp
8 8k j l
j l
i iX Y Y jkI lkI
(5.14)
Bildet man die Summe über k von 0 bis 7, verbleiben nur noch 8 Summanden.
Aufgrund der fundamentalen, diskreten Ortogonalitätsbeziehung der komplexen
Exponentialfunktion fallen die ungleichen Summanden weg. Die Summe über k darf
dabei bis zum ersten Term mit k vorgezogen werden, welche nur bei m l ungleich 0
ist. Dies kann durch das Kronecker-Delta Symbol ,j l ausgedrückt werden:
5 Spektralanalyse 74
,
7 7 7 72
0 0 0 0
8
2 2exp exp
8 8
j l
k j l
k j l k
i iX Y Y jkI lkI
(5.15)
72
0 0
0
1 1 7 7
2 2 6 6
3 3 5 5
4 4
1
8k
k
X Y Y
Y Y Y Y
Y Y Y Y
Y Y Y Y
Y Y
(5.16)
Für k = 0, 1, ...,N-1 ergeben sich folgende Periodogrammwerte:
2
0 0( 0)p Y (5.17)
2 2
2 , 1,2, ..., 12
k k N k
k Np Y Y k
N t
(5.18)
2
2 2
1
2N c Np Y
t
(5.19)
Durch das Quadrat der Fourier-Transformierten erhält man die Periodogrammwerte,
welche eine Varianzverteilung über einen bestimmten Frequenzbereich (oder
Energieverteilung bzw. Intensitätsverteilung) darstellen. Dabei wird die Varianz im
Zeitbereich durch die Varianz mit der dazugehörigen Periode spektral dargestellt. Es ist
aus der oberen Ausdrucksweise weiters erkennbar, dass der untere Spektralbereich mit
dem dazugehörigen oberen zusammengelegt wird, welcher die zugehörige „negative“
Frequenz enthält und praktisch nur eine Wiederholung des unteren Frequenzbereiches
darstellt (Ehrendorfer 2008). Die Gesamtvarianz ist dabei im Zeitbereich und im
Frequenzbereich dieselbe (Ehrendorfer 2007):
2
2
0 0
1N
N
k i
k i
p XN
(5.20)
Im weiteren Kapitel werden nun diese theoretischen Kenntnisse zur Untersuchung der
Temperaturreihen angewandt.
5 Spektralanalyse 75
5.3 Datengrundlagen für die Auswertung im Periodogramm
Für die Auswertung wurden Datenreihen von verschiedenen Stationen mit möglichst
langer Aufzeichnungsdauer und wenig Ausfällen bzw. Lücken verwendet (siehe Tab.
12). Diese sind vor allem durch das Auslesen entstanden, wozu der Datensammler für
ein paar Tage aus der Höhle genommen wurde. Außerdem wurde die Zeitreihe für
mehrere Stationen in zwei Perioden aufgeteilt, um auch einen Hinweis auf die
Unsicherheit und die zeitliche Entwicklung zu erhalten. Ferner wurden die Stationen
Höhleneingang und Feuerkogel in 3 Sommermonate und 3 Wintermonate aufgeteilt, um
entsprechende Auswirkungen mitzuerfassen:
Es wird nur eine Dauer von 3 Wintermonaten verwendet, um eine
Beeinflussung durch den Schau-Betrieb möglichst zu umgehen:
5.4.3 Periodogramme in unterschiedlichen Zeiträumen
Die Datensätze wurden in zwei Perioden (11.12.99 - 11.03.03 und 11.12.03 - 11.03.07)
eingeteilt, um die zeitliche Änderung und zufällige Fehler bzw. Konsistenz
abzuschätzen. Es wird nur eine Dauer von 3 Wintermonaten verwendet, um eine
Beeinflussung durch den Betrieb möglichst zu umgehen. Abbildung 49 zeigt die
Ergebnisse:
5 Spektralanalyse 82
Abb. 49: Periodogramme aus zwei 4-jährigen Perioden ( 11.12.99 - 11.03.03 und 11.12.03 - 11.03.07 ) der Stationen Höhleneingang und Feuerkogel im Winter
Es ist dabei jeweils die gleiche Station, aber mit unterschiedlicher Periode dargestellt.
Bei einem Vergleich zwischen den beiden Perioden zeigen die Peaks und der mittlere
Varianzverlauf kaum Unterschiede. Dies lässt auf eine geringe zeitliche Änderung und
geringe, bzw. begrenzte Unsicherheit dieser Auswertemethode rückschließen.
|2h |24h |30d |1a |2h |24h |30d |1a
5 Spektralanalyse 83
5.4.4 Abhängigkeit von der Entfernung von der Oberfläche
In der folgenden Abbildung 50 sind die
Periodogramme von 5 Temperaturmessstationen und
dem Feuerkogel für die 3 Wintermonate nach der
Tiefe sortiert dargestellt. Die Aufzeichnungsperiode
reicht je nach Station vom 11.12.03 bis zum
11.03.07. Ab einer Tiefe der Stationen Donardom
und Bereich Wassergang sind die tageszeitlichen
Peaks nicht mehr vorhanden. Die hochfrequenten
Schwankungen nehmen mit der Tiefe immer mehr
ab, niederfrequente Schwankungen dagegen nur sehr
wenig. Dabei senkt sich das Varianzspektrum bei ca.
200h mit der Tiefe um einen Faktor von ca. 5 ab.
Abb. 50: Periodogramme verschiedener Stationen im Winter der Tiefe nach sortiert (11.12.03 - 11.03.07)
6 Zusammenfassung 84
6 Zusammenfassung
Diese Diplomarbeit beschäftigt sich mit der Eisriesenwelt-Höhle im Tennengebirge in
Österreich, in der 12 Jahre lang Temperaturdaten von verschiedenen Stationen
aufgezeichnet wurden. Es wurde dabei zum Ziel gesetzt, diese Fülle von Daten in ihrer
Qualität zu prüfen, sie auf überschaubare Datensätze zu reduzieren und nach
meteorologischen Aspekten auszuwerten.
Nach einer Einleitung zu Eishöhlen und deren Erforschung werden die verschiedenen
Typen und die wichtigsten Prozesse erläutert. Ferner werden für die Auswertung
relevante Hintergrundinformationen zur Eisriesenwelt-Höhle angegeben. Darunter
zählen die allgemeinen Erkenntnisse der Eishöhlenforschung und die Einteilung in
verschiedene Klassen. Außerdem wird ein einfaches Strömungsschema speziell für den
Eisbereich in der Eisriesenwelt erstellt und dessen spezielle meteorologische Effekte in
der Höhle, wie z.B. jener der „kritischen Temperatur“, beschrieben. Dabei strömt
warme Außenluft direkt in den Eisbereich der Höhle und bewirkt eine kräftige
Temperatursteigerung.
Anschließend wird auf die erhobenen Datensätze und die nötige Synchronisation
aufgrund verschiedener Abtastraten aus der Höhle mit den Referenzdatensätzen aus der
SYNOP- und Klimabeobachtung eingegangen. Dieser synchronisierte und einheitlich
formatierte Datensatz wird weiters einer Qualitätskontrolle unterzogen. Im Weiteren
wird der Datensatz mit möglichst wenig Informationsverlust auf Tagesmittel reduziert
und der somit erhaltene Datenbestand genau aufgezeigt. Dieser Tagesmitteldatensatz
bildet die Grundlage für die weiteren Untersuchungen.
Ferner wird der Zusammenhang zwischen dem inneren Temperaturgradienten entlang
des Haupthöhlenastes, welcher ein Maß für die Höhlenwindrichtung darstellen soll, und
der Außentemperatur untersucht. Es lässt sich bei Gradienten unter -1°C eine sehr gute
Korrelation mit der Station beim Feuerkogel erkennen, welche die thermodynamische
Steuerung der Höhlenwindrichtung unterstreicht. Nachfolgend werden die langjährigen
Temperaturmittelwerte für bestimmte Stationen in der Eishöhle und der jahreszeitlichen
Änderung über die gesamte Messperiode dargestellt. Weiters wird der Jahreslauf (auf
Monatsmittel-Basis) von besonders relevanten Stationen über bis zu 12 Jahre gemittelt
und visualisiert.
6 Zusammenfassung 85
Beim Höhleneingang wird dabei das Minimum des Monatmittels von -3.6°C im
Februar und das Maximum des Monatmittels im August mit einem Wert von 1.0°C
erreicht. Die Monatsmittel beim Sturmsee folgen mit deutlicher
Amplitudenabschwächung bei Temperaturwerten von -2,7°C bis 0,2°C und einen
Zeitversatz von etwa einem halben Monat. Das mittlere Monatsmittel der Station beim
Ausgang3 weist die stärkste Zeitverzögerung und die höchsten Temperaturen mit 4,2°C
im März und 6,0°C im Oktober und November auf.
Ferner wird die Jahrestemperaturwelle in verschiedenen Tiefen von der Oberfläche und
die zusammenhängende Phasenverschiebung und Amplitudenabschwächung in Form
von Jahreszeitenmittel dargestellt. Weiters wurden Untersuchungen zur Strömung in
der Eisriesenwelt-Höhle durchgeführt. Dabei wurde die Temperaturdifferenz längs der
Höhle (sollte als Maß für die Strömungsrichtung in der Höhle fungieren), über mehrere
Jahre gemittelt, bestimmt. Aus dem Verlauf der Differenz können die
Temperaturverhältnisse eindeutig in 3 Perioden eingeteilt werden: Die „kalte Periode“
vom 19. Oktober bis zum 19. Mai. Die folgende „Übergangsperiode“ von der kalten auf
die warme Periode dauert vom 19. Mai bis zum 12. Juni. In dieser Zeit sind die
thermischen Differenzen nur sehr gering. Anschließend stellt sich bis zum 19. Oktober
eine „warme Periode“ ein. Diese „warme Periode“ tritt im Vergleich mit dem Klima
außerhalb der Höhle um 1-2 Monate später ein. Im Herbst ist eine „Übergangsperiode“
kaum vorhanden.
Durch eine einfache Modellierung der dynamischen Eishöhle für typische Sommer-
und Winterverhältnisse wird eine Sensivitätsstudie der „Gleichgewichtstemperatur“
GGT (Die Außen-Temperatur vor dem Höhleneingang, bei der die Druckdifferenz
zwischen dem hydrostatischen Außen- und Innendruck nahe 0hPa ist und ein Wechsel
der Strömungsrichtung stattfindet) in Abhängigkeit verschiedener Variablen wie der
Außenlufttemperatur, Luftfeuchte innen oder außen, vertikale Ausdehnung und dem
äußeren vertikalen Temperaturgradienten durchgeführt. Es lässt sich dabei feststellen,
dass die GGT auf den äußeren, vertikalen Temperaturgradienten besonders empfindlich
reagiert. Bei einer Änderung des vertikalen Temperaturgradienten im Winter von -
1°C/100hm(z.B. Föhn) auf +1°C/100hm(z.B. Inversion) sinkt die
Gleichgewichtstemperatur kontinuierlich von 3,2°C auf -1,2°C ab. Unter „normalen“
Bedingungen wurde aus dem Modell eine GGT für den Winter von 1,9°C und im
Sommer von 5,1°C berechnet und mit früheren Beobachtungen validiert. Zudem wird
6 Zusammenfassung 86
aufgezeigt, dass dieses Modell nicht nur für Sommer- und Winterperioden sondern
auch auf Tagesbasis durchaus realistische Druckdifferenz-Werte liefert.
In einer spektralen Varianzanalyse werden die Temperatursignale mit Hilfe der
Fouriertransformation vom Zeitbereich in den Frequenzbereich transformiert. Dabei
wird die Darstellung als Periodogramm hergeleitet und kurz auf die typischen
Eigenschaften der Fouriertransformation eingegangen. Die berechneten Ergebnisse
geben Hinweise auf die spektrale Verteilung der Temperaturvarianz durch natürliche
und anthropogene Einflüsse.
Man kann bei der Station am Höhleneingang Peaks der spektralen Varianz bei einer
Periode von 8h, 12h und 24h mit einer spektralen Unschärfe von nur etwa 0,001h
erkennen. Außerdem weist der Höhleneingang eine langsame Schwankung bei einer
Periode von 7652h = 318,8d auf. Diese Station weist im Bereich zwischen 96h = 4d
und 960h = 40d die höchste Variabilität auf, was eventuell auf Schwankungen
synoptischer Natur zurückzuführen ist.
Den Abschluss bildet das Literaturverzeichnis und der Anhang, in dem das Matlab
Programm für die Spektralanalyse zu finden ist.
7 Literatur 87
7 Literatur
Behm, M., Hausmann, H., 2007: Eisdickenmessungen in alpinen Höhlen mit Georadar.
Die Höhle-Fachzeitschrift für Karst- und Höhlenkunde, Heft 1-4, 58.Jg., S.3-11
Hauser, E., Oedl, R., 1923: Die große Eishöhle im Tennengebirge (Salzburg).
(Eisriesenwelt). V. Eisbildungen und meteorologische Beobachtungen. Speläologische
Monogr., Wien, 6: S. 77-105.
Ehrendorfer, M., 2004: Einführung in die Meteorologie. VO, WS03/04, Institut für
Meteorologie und Geophysik Innsbruck, Universität Innsbruck
Ehrendorfer, M., 2007: Statistische Bearbeitungsmethoden in der Meteorologie. VO
und UE, WS06/07, Institut für Meteorologie und Geophysik Innsbruck, Universität