= J-..] *i / - 7 7 ANTI KE\/\/EIT Zeitschriftfiir Archäologie und Kulturgeschichte Ph ilippvon Zabern 2/2012 € 12,80 (D) / €, 14,- (A) /sFr 25,- www.zabern.de - DEUTSCI-I !-At{D Hightech und Archäologie GRIECH EN LAN S Neue Erkenntnisse aus Kleonai no -o -_ -v -o -0 -^ + llrnt-tEN I I Entdecku ngsreise I in das antike Verona
9
Embed
An den Wassern von Ninive. Sanheribs Wasserbauten für die assyrische Metropole, Antike Welt 2012/2, 2012, 29–36.
This document is posted to help you gain knowledge. Please leave a comment to let me know what you think about it! Share it to your friends and learn new things together.
Transcript
=J-..]
*i/-
77
ANTI KE\/\/EITZeitschrift fiir Archäologie und Kulturgeschichte
Ph i l ipp von Zabern 2/2012 € 12,80 (D) / €, 14,- (A) /sFr 25,- www.zabern.de
-
DEUTSCI-I !-At{ DHightech undArchäologie
GRIECH EN LAN SNeue Erkenntnisseaus Kleonai
n o- o
- _- v- o
- 0- ^
+
l lrnt-tENI
I Entdecku ngsreiseI in das antike Verona
An den Wassern von NiniveSanheribs Wasserbauten für die assyrische Metropole
von Ar ie lM. Bagg
er unerwartete Tod Sargons II. (722-
705 v. Chr.), der auf dem Schlachtfeld
gefallen war und nicht bestattet werden konnte,
machte Sanherib (705-681 v. Chr.) zum König
von Assyrien. Das tragische Schicksal seines
Vaters muss Sanherib tief getroffen haben und
eine nicht unwesentliche Rolle bei der Verle-
gung des Regierungssitzes von Dur-Schamrken
(Horsabad, Irak) nach Ninive am östlichen
Tigrisufer gespielt haben. Durch Sanheribs
Bauprogrammwurde Ninive (Mosul, Irak), das
bereits eine lange Siedlungsgeschichte hinter
sich hatte, zu der größten, am prächtigsten
ausgestatteten und am besten zu verteidigen-
den Stadt Assyriens. Er ließ eine gewaltige
Stadtmauer mit Gräben und weiteren Ver-
teidigungsanlagen sowie einen Palast und
ein Arsenal bauen und erweiterte damit die
Fläche der Stadt von ca. 130 ha auf über 750ha.
Um seine neue Hauptstadt und ihre Umge-
bung mit Wasser zu versorgen, unternahm San-
herib außerdem das anspruchsvollste Wasser-
bauprojekt der assyrischen Geschichte: vier
Kanalsysteme, insgesamt über 150 km lang,
mit Kanälen und kanalisierten Wasserläufen,
Tunneln, Aquädukten und Wehren, dessen
Abb .1Das <große Reliefl> vonChinis (9,30 x 9,20 m), dassich an der Ableitungsstellevon <Sanheribs Kanal> be-fand, zählt zu den größtenassyrischen Bildwerken. Eszeigt in der Mitte ein Götter-paar, das mit Assur undseiner Gemahlin Mull issuin Verbindung gebrachtwird. Hinter jeder Götter-figur erscheint der König inSeitenansicht, jewei ls vonlinks bzw. rechts gesehen.Das Relief wurde in früh-christlicher Zeit durch dieAnlage von Mönchsklausenstark beschädigt.
2/I2ANTIKEWELI
Abb .2Um seine neue Hauptstadt
und ihre Umgebung mitWasser zu versorgen,
unternahm Sanherib einanspruchsvolles Wasser-
bauprojekt. Vier Kanal-systeme, insgesamt über150 km lang, mit Kanälenund kanalisierten Wasser-
läufen, Tunneln, Aquäduk-ten und Wehren, wurdenzwischen 702-688 v. Chr.
gebaut: l. Kisir-Kanal, ll.Gebirge-Musri-Kanal, l l l .Nördliches Kanalsystem,
lV. Chinis-Chosr-Kanal.Während der Verlauf von
einigen Kanalstrecken nurvermutet werden kann
C--), sind andere Streckenarchäologisch bezeugt
(-).
An den Wassern von Ninive - Sanheribs Wasserbauten für die assyrische Metropole
Durchfrihrung zwischen ca. 702-688 v. Chr.
man nachvollziehen kann und das eine riesige
Herausforderung für die damaligen Fachleute
darstellte (Abb. 1).
Die Quellenlage frir die Wasserbauten San-
heribs ist aus mehreren Gründen als günstig
einzuschätzen. ln den umfangreichen Bau-
berichten der Tonfäßchen-, Prismen- und
Kolossinschriften sowie in den Felsinschriften
wurden u. a. auch die Wasserbauten geschil-
dert, manchmal sogar mit konkreten Angaben
zu technischen Detailfragen. Hinzu kommen
der archäologische Befund und die Palast-
reließ. Auf den Steinplatten, die die Wände
von Sanheribs <Südwestpalasb> und Assur-
banipals <Nordpalast>> in Ninive verzierlen,
wurden Kandle, Wasserhebevorrichtungen und
Parkanlagen abgebildet, die die Angaben der
schriftlichen Quellen ergänzen. Sanheribs In-
schriften und Reliefs zeugen von seinem Inte-
resse flir technologische Innovationert, TLtm
Beispiel hinsichtlich des Transports von Stier-
kolossen, der Anschaffrrng neuer Materialien,
der Hortikultur, der Metallurgie sowie der
Wasserhebevorrichtungen und des Wasser-
baus. Die technischen Lösungen, gegebenen-
falls Neuerungen, stammen sicher nicht vom
König selbst, aber ohne seine Teilnahme an
der Entwicklung und Durchfiihrung der In-
genieurbauten wären sie vermutlich nie ent-
standen.
Um den Wasserbedarf der neuen Haupt-
stadt abzudecken, wurden die Wasserressour-
cen des Gebiets zwischen Ninive und den
Bergen erschlossen. Das Wasser wurde durch
vier Kanalsysteme geleitet, die aus verschie-
denen Richtungen auf die Stadt zuflossen, so
dass ein speichenörmiges Muster entstand.
Sie wurden in vier Stufen gebaut (Abb. 2).
Ein Kanal, Obstgärten und ein Park
Der Kisiri-Kanal, 702v. Chr. erstmals erwähnt,
bildete die erste Stufe des Kanalsystems, das
Ninive mit Wasser versorgen sollte. Es han-
delte sich um einen etwa 16 km langen Kanal,
der parallel zum Chosr - einem Nebenfluss
des Tigris - verlief und von diesem Fluss ge-
speist wurde. Der Chosr musste zu diesem
uK":gt)-^f*.*/-ffi"^*)ö
ffif,risirtu
' . ' (\) VAs
ANTIKEWEI:T 2/12
An den Wassern von Ninive - Sanheribs Wasserbauten für die assyrische Metropole
Zweck am Kanalkopf abgedämmt werden,
vermutlich bei asch-Schallalat, wo Reste eines
(heute restaurierten) Staudarnmes vorhanden
sind. In Verbindung mit diesem Projekt ste-
hen die Verteilung von Grundstücken ober-
halb der Stadt, die nr Obstgärten bestimmt
wurden, und die Einrichtung einer Park-
anlage um den neuen Palast herum. In die-
sem Park gediehen Weinstöcke, Frucht- und
Ölbäume, Gewürzpflanzen und Zypressen.
In den Königsinschriften wird das Projekt
folgendermaßen geschildert: <.Einen Park, ein
Ebenbild des Amanus-Gebirges, in dem alle
Gewürzpfl anzen und Früchte der Obstgärten
sowie Bäume, die Erzeugnisse der Gebirge
und des Landes Kaldu (gemeint ist Babylo-
nien) zusarnmengebracht sind, legte ich an
der Seite des Palastes an. Damit Obstgärten
gepflarut werden konnten, teilte ich vom
Ackerland oberhalb der Stadt Grundstücke
von jeweils2hafür die Bewohnervon Ninive
als Los ab und übergab sie ihnen. Um die Fel-
der zum Gedeihen zu bringen, riss ich vom
Gebiet von der Stadt Kisiri bis zur Umgebung
von Ninive Berg und Tiefland mit Picken aus
Eisen auf und legte einen Kanal an. Über eine
Landstrecke von 16 km ließ ich dorthin aus
dem Chosr dauerndes Wasser fließen und es
durch Gräben in die besagten Obstgärten rau-
schen> (Bellino-Zylinder, 57 -60) (Abb. 3).
Bergquellen, ein Naturreservat
und ein Aquädukt
Die rlächste Stufe, das Gebirge Musri-Kanal-
system, wird erst 694v. Chr. genannt. In diesem
Fall wurde Quellwasser yom Gebirge Musri,
heute Djebel Baschiqa, in Reservoiren ge-
saÄmelt und durch Kanäle in den Chosr ge-
leitet. Obstgärten und Getreidefelder wurden
südlich der Stadt angeleg[ und bewässert. In
den sieben Jahren, die beide Projekte tren-
nen, änderte sich das Aussehen der Stadt
und ihrer unmittelbaren Umgebung stark.
Im Jahr 699 v. Chr. ließ Sanherib ein Sumpf-
gebiet entstehen, das als Sicherung gegen
die potentielle Gewalt des Wassers während
des Fnihlingshochwassers sowie als eine Art
Naturreservat dienen sollte. In diesem Sumpf
gedieh das Röhricht, das als Baumaterial
für die Palastanlagen verwendet wurde, und
es vermehrten sich dort Wildtiere. Auf diese
Weise wurde eine für Assvrien exotische
Abb .3Die Ruinen von Ninivebefinden sich heutemitten im östlichen Teilder modernen Stadt Mosulim Nordirak. Sanheribs12 km lange Stadtmauersowie die Hügel Kuyunjikund Nebi Yunus (<<Prophet
Jona>), auf denen jeweils
5an heribs 5üdwestpalastund Zeughaus standen,sind deutlich zu erkennen.Der mittlere Teil der Ruinewird durch die moderneStadt bedeckt.
2/l2ANTIKEWELT
An den Wassern von Ninive - Sanheribs Wasserbauten für die assyrische Metropole
Abb. 4 Parkanlagen und Gärten prägten das Erscheinungsbild der neuassyrischen Hauptstädte. lm 8. Jh. v. Chr. entwickelte sichin Assyrien ein neues Konzept für königl iche Gärten, die durch künstl iche Hügel, Pavi l lons, Türme, Teiche und eine üppige Bewaldunggekennzeichnet waren. Sargon l l . l ieß einen solchen Park in seiner Residenz Dur-Scharruken (<Sargons Burg>) anlegen und auf denReliefplatten, die seinen Palast schmückten, darstel len (Chorsabad, Palast, Raum 7, Platte 12).
Landschaft geschaffen, die charakteristisch
frir Babylonien war. Im gleichen Jahr wurde
in Ninive ein Aquädukt aus Backsteinen ge-
bautund 697 v. Chr. entstandennördlichund
östlich der Stadt weitere Parks.
Stadtgärten sind bereits in den Inschriften
Adad-nararis I. (1305-1274 v. Chr.) erwähnt
und die Einfuhr und Anpfl anzungvon fremden
Bäumen- und Pflanzenarten wurde schon von
Tiglatpileser I. (1114-1076 v. Chr.) und Assur-
nasirpal II. (883-859 v. Chr.) unternommen.
Ab Sargon II. entwickelte sich ein neues
Konzept für königliche Gärten, die meist in
Verbindung mit Palästen erwähnt werden
und eine üppige Bewaldung, einen Pavillon,
einen kleinen Turm auf einem künstlichen
Hügel sowie Teiche hatten, wodurch man
eine nordsyrische Landschaft nachahmen
wollte (Abb. 4). Auf einer reliefierten Wand-
platte aus Assurbanipals Palast in Ninive wird
ein Park mit einem mit Laub- und Nadel-
bäumen bepflanzten Hügel dargestellt, der
durch ein Grabennetz bewässert wird, das
von einem Aquädukt gespeist wird (Abb. 5).
Die Spitzbögen des Aquädukts weisen eine
große Atrntlchkeit mit denen von Sanheribs
Aquädukt bei Djerwan auf (s. u.). Es ist sehr
wahrscheinlich, dass diese Wandplatte in un-
mittelbarer Nähe einer anderen Reliefplatte
Abb. sAuf einer Reliefplatte aus Assurbanipals Nordpalast(Ninive, Raum H;8M124939) wird eine Parklandschaftmit Aquädukt dargestellt. Ein Pavillon und danebeneine Stele mit einer Königsdarstellung stehen aufdem Gipfeleines mit Laub- und Nadelbäumen be-pflanzten Hügels. Ein Kanal, der von rechts nach linkfließt, wird von einem Aquädukt gespeist, dessenSpitzbögen eine große Ahnlichkeit mit denen desa rchäolog isch bezeu gten Aquäd u kts bei Djerwa naufirrueisen. Die bewässerte Parkanlage stellt wahr-scheinlich einen von Sanheribs Parla dar.
fE ANTIKE*EI:t2/12
stand, auf der eine ummauerte Stadt, ver-
mutlich Ninive, abgebildet ist. Dies wäre ein
Hinweis darauf, dass sich die hügelige Park-
landschaft mit Aquädukt in Ninive oder sei-
ner Umgebung befand und würde die schrift-
lichen Angaben bestätigen (Abb. 6).
Kanalisierte Gebirgsbäche
und Felsreliefs
Die dritte Stufe, das sog. Nördliche Kanal-
system, wurde wahrscheinlich zwischen 694-
688 v. Chr. gebaut und ist archäologisch be-
zeugt. Durch dieses Kanalsystem, das eine
Kombination von künstlichen Kanälen und
natürlichen Wasserläufen war, wurden Fel-
der nördlich der Stadt bewässert. Das System
sammelte das Wasser mehrerer Wadis (d. h.
Flussläufe, die nur zeitweilig Wasser fiihren),
u. a. des Rubar Dahuk, des Wadi Bahanda-
waya und des Wadi al-Milah. Seine letzle
Strecke verlief parallel zum Tigris und er-
reichte Ninive von Nordwesten. Im Zusam-
menhang mit den Kanalbauten finden sich in
Maltai, Faida und Schiru Malikta Felsreliefs,
ein typisches Merkmal von Sanheribs Wasser-
bauten (Abb. 7). Drei bzw. vier Kanalstrecken
wurden in den steinigen Boden gegraben: ins-
gesamt ca. 40-55 km. Als Ingenieurbau war
daher das nördliche Kanalsystem viel wichti-
ger als die beiden früheren Projekte.
An den Wassern von Ninive - Sanheribs Wasserbauten für die assyrische Metropole
Das älteste Aquädukt aus Steinquadern
Um 688 v. Chr. wurde die letzte und an-
spruchsvollste Stufe der Wasserbauten San-
heribs erreicht: das Chinis-Kanalsystem.
Über dieses Projekt berichten Texte, die sich
vor Ort befinden: zwei Berichte. die auf den
Kalksteinblöcken des Aquädukts bei Djerwan
mehrmals angebracht waren und die drei-
mal auf den Felsen von Chinis gemeißelte
Inschrift, die als Bavian-Inschrift (nach ei-
nem Dorf genannt, das 3 km stromaufwärts
von Chinis lag) in der Forschung bekannt
ist. Der Fluss Atrusch - so heißt der obere
Lauf des Gomal stromaufwärts von Chinis -,
dessen Quellen sich in den kurdischen Ber-
gen beflnden, wurde in der Nähe des Dorfes
Chinis (ca. 50 km nordöstlich von Ninive)
abgedämmt, damit er einen dort abgeleite-
ten Kanal speisen konnte. Die Einlaufstelle
von <,Sanheribs Kanal>> fslutr4 sich in einer
Schlucht des Flusses Atrusch /GomaI nörd-
lich von Chinis, wo zwei große Reließ und elf
kleinere Nischenreliefs in den Felsen einge-
meißelt waren. Der Kanalkopf umfasste einen
Damm, ein Einlaufbauwerk, eine ca. 300 m
lange Kanalstrecke mit Steinmauer und ei-
nen Tunnel. Ab diesem Tunnel wurde das
Wasser durch einen in den Felsen gehauenen
Einschnitt in den Kanal geleitet. Der Chinis-
Chosr-Kanal, der <<Sanheribs Kanal,> genannt
Abb .6Sanherib l ieß Ninive miteiner doppelten Stadt-mauer umgeben, diemindestens 24 m hoch warund aus einer äußeren Vor-mauer aus Kalksteinen undeiner inneren Mauer ausLehmziegeln bestand. EineReliefplatte aus Assurba-nipals Nordpalast (Ninive,
Raum H; BM 124938),aufder eine assyrische Stadt(al lem Anschein nachNinive) abgebildet ist, zeigteine doppelte Stadtmauer.Die dritte Mauer könntedie Umfassungsmauer derAkropolis (Kuyunjik) dar-stel len, auf der SanheribsPalast zu sehen wäre.
2/I2ANTIKEWELI
Egl l
IfITIIT
I
An den Wassern von Ninive - Sanheribs Wasserbauten für die assyrische Metropole
Abb .7Monumentale Felsreliefs
im Zuge von Kanalbautenwaren Sanheribs persön-
liches Zeichen und wurdenin Faida, Maltai, Schiru
Malikta und Chinis err ich-tet. Das größte Relief vonMaltai zeigt eine Gruppe
von sieben Gottheiten, vondenen eine thront und dierestlichen auf einem oder
mehreren Tieren stehen(2,35 x 6,50 m).
wurde, erstreckte sich über 35 km und mün-
dete über einen Nebenfluss in den Chosr.
Der Kanalkopfbeim Dorf Chinis war nicht
nur aus technischen Gründen ein Meister-
werk. Neben den Wasserbauingenieuren ha-
ben auch die Bildhauer eine gewaltige Arbeit
geleistet: Die steilen Felswände am rechten
Ufer des Atrusch wurden mit zwei riesengroßen
und elf kleineren Reließ verziert. An der
Ableitungsstelle stand ein riesiger Felsblock,
das sog. Tonelief, heute in zwei Teile gespal-
ten und halb in den Fluss gesunken (Abb. 8).
Wenn man die Berichte über die akroba-
tischen und lebensgefährdenden Unterneh-
mungen liest, die die Forscher A. H. Layard
im 19. Jh. und L. W. King und Th. Jacobsen
im 20. Jh. gewagt haben, um die Inschriften
aufzunehmen, kann man die Leistung der
Bildhauer, die diese schwer zugänglichen Re-
ließ und Inschriften angefertigt haben, nur
bewundern und hochachten.
Etwa auf halbem Weg, beim Dorf Djerwan,
musste der Kanal ein Tal überqueren, wozu
ein Aquädukt aus 2 Mio. Kalksteinblöcken
gebaut wurde: 280 m lang, 22 m breit, die
sorgf,dltig gepflasterte Kanalsohle lag 7 m
über den Fundamenten. Fünf Spitzbögen
überspannten das Tal. Es handelt sich um
das älteste Aquädukt aus Quadern und ist
ein Glanzwerk des Brückenbaus (Abb. 9).
Auf den Steinblöcken ließ Sanherib mehrere
Inschriften einmeißeln, die seinen Namen
verewigen sollten: <<Sanherib, der König der
Gesamtheit, der König von Assyrien. Auf ei-
ner langen Strecke ließ ich vom Fluss Chazur
einen Kanal in die Umgebung von Ninive hin
graben. Über tief eingeschnittene Schluchten
baute ich einAquädukt aus Kalksteinblöcken.
Das genannte Wasser leitete ich über ihn
durch> (Djerwan Inschrift C).
Das Chinis-Projekt ist das einzige Wasser-
bauprojekt frir Ninive, das sowohl die nörd-
liche, als auch die südliche Region der Stadt
mit Wasser versorgt haben kann. Da die
Übertragung des Wassers aus dem Chinis-
Chosr-Kanal in den Chosr mehrere Kilo-
meter stromaufivärts von der Abzweigstelle
des Kisiri-Kanals erfolgte, konnte auch die-
ser Kanal mlt zusätzlichem Wasser gespeist
werden. Auf diese Weise konnten auch die
E ANTTKE wlr:r2/t2
Felder und Gärten. die nordöstlich von Ni-
nive lagen, mit mehr Wasser versorgt werden.
Wurde Ninive durch Wasser zerstört?
Zum Schluss einige Anmerkungen über die
vermeintliche Rolle von Sanheribs Was-
serbauten beim Untergang von Ninive: Im
Jahr 612 v. Chr. wurde Ninive von Medern
und Babyloniern belagert und erobert. Die
biblischen und klassischen Quellen haben
dazu beigetragen, dass viel über die Rolle des
Wassers bei der Zerstörung von Ninive spe-
kuliert wurde. Laut Diodor (1. Jh. v. Chr.),
der Ktesias (5.-4. Jh. v. Chr.) zltiert, wurde
die Stadt nach einer zweijährigen Belagerung
vom Euphrat überschwemmt, da es kräftig
und unaufhörlich geregnet hatte. Berücksich-
tigt man aber, dass Ninive am Tigris lag und
dass in den Sommermonaten (von Mai bis
August) starke Regengüsse heute an einWun-
der grenzen, so erweist sich Diodors Glaub-
würdigkeit als fraglich. Eine Verwechselung
mit Babylon, das tatsächlich von Sanherib
zerstört und überschwemmt wurde, ist nicht
auszuschließen. Nachdem Sanherib Baby-
lon eroberte, in Flammen aufgehen ließ und
seine Trümmer in den Euphrat wa{ ließ er
das Wasser des Euphrat durch Kanäle in die
Stadt fließen: <<Inmitten dieser Stadt grub
ich Kanäle und setzte sie unter Wasser. Ich
zerstörte ihre Fundamente und ließ ihre Ver-
nichtung die der Sintflut überholen. Damit
man in den zukrinftigen Tagen die Lage dieser
Stadt und ihrer Tempel nicht wiedererkennen
kann, löste ich sie in Wasser auf und vernich-
tete sie, so dass sie wie Überflutungsland aus-
sahen'> (Bavian Inschrift, 52-54).
Die andere Quelle frir die vermeintliche
Zerstörung Ninives durch unkontrollierte
Wassermengen ist die Bibel. Sie geht auf eine
Passage aus der Weissagung Nahums zurück,
die jedoch nach heutiger Kenntnis anders
gedeutet werden muss: Die <Schleusentore>>,
die Wasser in die Stadt fließen lassen haben
sollen, sind eigentlich <Stadttore am Fluss'>
(Nahum 2,7).Darüber hinaus, werden Ni-
nive und seine Einwohner mit einem Teich,
der sich entleert, verglichen, nirgendwo ist
aber von einem überschwemmten Gebiet die
Rede (Nahum 2, 9). So verschwinden die
Argumente fiir die Annahme, Ninive sei der
Vernichtungskraft unkontrollierbarer Wasser-
mengen, die durch Betätigung oder Zerstö-
rung von Regulierungsanlagen freigelassen
wurden, zum Opf-er gefallen. Der Fall von
Ninive wird in einer babylonischen Chronik
kurz erwähnt, aber über die Rolle des Wassers
wird nichts gesagt.
Abb .8An der Ableitungsstel le beiChinis stand ein r iesiger,reliefi erter Steinblock, dassog. Torrelief, das heute inzwei Teile gespalten undhalb in den Fluss gesunken
ist. Auf dem Block wurdenu. a. geflügelte Stieremit menschlichem KoplGottheiten und der Königdargestellt.
2/l2ANTIKEWELT
Abb .9Damit der Chinis-Chosr-Kanal ein Tal beim Dorf
Djerwan überquerenkonnte, baute Sanherib
das älteste bekannte Aquä-dukt aus Steinquadern,
dessen imposante Restenoch heute zu sehen sind.
Adresse des Autors
Priv. Doz. Dr. phil., Ing. Ariel M. BaggAltorientalisches InstitutUniversität LeipzigGoethestr.2D-04109 Leipzig
Bildnachweis
Abb. 1,7-8: Peter Miglus (Heidelberg);2: ArielM. Bagg;3: @ 2011 Google;4:P.E. Botta / E. Flandin, Monument deNinive ll, Paris (1849)Taf .1'13-114;5-6:@ The Trustees of the British Museum;9: J. Kramer, Deutsches ArchäologischesI nstitut, Orient-Abteilu ng.
Literatur
A. M. BAGG, Assyrische Wasserbauten(2000).
DERS., Wasserhebevorrichtungen im AltenMesopotamien, in: Wasser & Boden 53(2001) 40-47.
A. M. BAGG / E. CANCIK-KIRSCHBAUM,Technische Experten in frühen Hochkultu-ren: Der Alte Orient, in: W. Kaiser / W. König(Hrsg.), Geschichte des Ingenieurs. EinBeruf in sechs Jahrtausenden (2006) 4-31.
W. BACHMANN, Felsreliefs in Assyrien (1927).
J. BAR, New observations on Khinis/Bavian(northern lraq), in:State Archives of AssyriaBulletin ls (2006) 43-92.
R. BICHLER / R. ROLLINGER, Die Hängen-den Gärten zu Ninive. Die Lösung einesRätsels?, in: R. Rollinger (Hrsg.), Von Sumerbis Homer. Festschrift für Manfred Schret-ten zum 60. Geburtstag am 25. Februar2004 (200s) 1s3-218.
Ein Herrscher und seine Stadt
Sanherib machte Ninive nicht nur zu seiner
Residenz, sondern verwandelte sie durch Mo-
numentalbauten in eine Metropole. Durch
technisch anspruchsvolle Wasserbauten wurden
die Einwohner der Stadt und die umliegenden
Felder mit Wasser aus den nördlichen und
nordwestlichen Bergen versorgt. Das Erschei-
nungsbild der Stadt sowie seiner unmittelbaren
Umgebung wurde durch das Anlegen von
Parkanlagen und Gärten unterschiedlicher
Art geprägt. Sanheribs hydraulische Projekte
waren aber keine Luxusbauten zur Bewässe-
rung von königlichen Parks, wie sie oft in-
terpretiert wurden, sondern waren an erster
Stelle der Bewässerung von Obstgärten und
Getreidefeldern zueedacht. In einem Gebiet.
in welchem Regenfeldbau nicht ohne Risiko
betriebenwerden konnte, diente die Bewässe-
rung nicht nur der Gewährleistung der Ernte,
sondern auch der Erhöhung der landwirt-
schaftlichen Produktivität.
Die zwei Unternehmungen, aufdie Sanhe-
rib so großen Wert legte, nämlich Ninive und
seine Wasserversorgung sowie die endgültige
Lösung des Konflikts mit Babylonien durch
die Zerstörung der Stadt Babylon, überlebten
ihn nicht lange. Kurz nach seiner Ermordung
begann sein Sohn Asarhaddon (680-669
v. Chr.) mit den Rekonstruktionsarbeiten
in Babylon und keine 70 Jahre später wurde
Ninive belagert und zerstört. Die kolossa-
len Bauten und die hydraulischen Projekte
machten jedoch Stadt und König unsterblich.
R. M. BOEHMER, Bemerkungen bzw. Er-gänzungen zu öerwan, Khinis und Fahidi,in: Baghdader Mitteilungen 28 (1997)225-249.
E. FRAHM, The Great City: Nineveh in theage of Sennacherib, in: Journal ofthe Ca-nadian Society of Mesopotamian Studies 3(2008) 13-20.
TH. JACOBSEN / S. LLOYD, Sennacherib'sAqueduct at Jerwan (1935).
A. PINKER, Nahum and the Greek traditionon Nineveh's fall, in: The Journal ofHebrew Scriptures 6 (2006) Artikel 8.(http://wwwjh son I i ne.org)
J. UR, Sennacherib's northern Assyriancanals: new insights from satellite imageryand aerialphotography, in: lraq 67 (2005)317-345.