Ambient Assisted Living (AAL) Assistenzsysteme im Dienste ... · Hafezi, Walid et al. (2010): Studie zur Akzeptanz mobiler Endgeräte im AAL-Kontext bei „jungen Alten“. Abschlussbericht
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1. Was bedeutet Ambient Assisted Living (AAL)? Übersetzung: umgebungsunterstütztes Leben. „Ambient Assisted Living“ (AAL) steht für Entwicklungen und Assistenzsysteme, die eine intelligente Lebensumgebung gestalten. Durch die verwendeten Techniken sollen Menschen vor allem in Situationen von Ermüdung, Überforderung und Komplexität entlastet werden. Die Assistenzsysteme sollen den Nutzer im alltäglichen Leben bestmöglich und nahezu unmerklich unterstützen sowie hier Kontroll- und Steuerleistungen abnehmen. Durch die technische Assistenz sollen z.B. altersbedingte Einschränkungen weitgehend kompensiert werden. (Vgl. BMBF/VDE 2012)
4. AAL-Marktpotenziale • Es gibt in Deutschland ca. 38,2 Mio. Wohnungen mit ca. 170 Mio.
Räumen (Stat. Bundesamt). Die Zahl der Single-Haushalte nimmt zu (in einigen Großstädten über 50 %).
• Das Institut für Arbeit und Technik in Gelsenkirchen sieht ein Potenzial von bis zu einer Million Arbeitsplätzen, wenn die Bedürfnisse und Kaufkraftpotenziale der Älteren verstärkt beachtet werden.
• Bei ca. einem Drittel der Älteren besteht Interesse an wohnbegleitenden Dienstleistungen (vorrangig Notruf, Pflege, Putz- und Haushaltshilfen, Mahlzeiten und Einkauf).
• Von über 65-Jährigen haben 10 % kognitive Probleme, meist infolge eines Herzinfarktes. Bei über 85-Jährigen benötigt rund die Hälfte Unterstützung im täglichen Leben.
• In Deutschland gibt es über 250.000 Parkinson-Kranke (die meisten davon sind über 50 Jahre). Diese Krankheit führt bei 40 % der Erkrankten zur Demenz. Zudem gibt es mehr als eine Million Alzheimer-Erkrankte (Alzheimer Forschung Initiative e.V.).
• In Deutschland verursachen Herz-Kreislauf-Erkrankungen Kosten von jährlich 35,4 Mrd. € und Diabetes Kosten von 31,4 Mrd. € (2002).
• In Deutschland gibt es ca. 2 Mio. Pflegebedürftige; die Kosten für die
Pflege haben sich innerhalb von 7 Jahren mit 17,6 Mrd. € nahezu verdoppelt (BMBF 2004).
• Bei Einführung der Pflegeversicherung im Jahr 2005 betrugen die
Kosten für ein Heimplatz ca. 1.800 DM, heute durchschnittlich 4.000 €; gleichzeitig sank der Lohn im Durchschnitt um 30 % auf 850 € netto.
5. Grundsätze von AAL-Entwicklungen in Praxis und Forschung
Praxis:
• Technische Assistenzsysteme passen sich der Lebenswelt der Nutzer/-innen an und nicht umgekehrt.
• Das Recht auf Privatleben und Intimsphäre wird nicht gefährdet. • Schutz und Geborgenheit der eigenen Häuslichkeit werden durch
AAL-Technik unterstützt. • Selbstbestimmung (älterer) Menschen sowie deren freiwillige und
informierte Zustimmung für die Implementierung technischer Assistenz bleiben Voraussetzung, unabhängig vom Gesundheitszustand und der Zustimmung des sozialen Umfeldes.
• Bei der Entwicklung von Geschäftsmodellen werden Fragen der sozialen Gerechtigkeit berücksichtigt. Stichworte: Zweiklassenmedizin, gleicher Zugang, Einsparung von Pflegepersonal etc.
• Medizinische und pflegerische Anwendungen unterliegen strengsten Kontrollen unter fachlichen, rechtlichen und ethischen Gesichtspunkten.
Forschung:
• Die fundamentalen Eigenschaften und Bedürfnisse von Menschen werden in Forschungsprojekten nicht durch Technik „kompensiert“ (Emotionen, Liebe etc.). Kant: „Menschen nicht als Mittel behandeln!“
• Tendenzen, die durch ein Vertauschen von Mitteln und Zielen zu einer Selbstentfremdung von Menschen führen können, werden offengelegt und es wird ihnen entgegengetreten (technokratische Verkürzung, Entmenschlichung).
• Die außerwissenschaftlichen Interessen, die Forschung mitbestimmen, werden kritisch mit Blick auf Technik und Alter reflektiert (ökonomische, politische und soziale Interessen).
• Forschung ist mit Weichenstellungen für die Gesellschaft versehen und hat auch immer gesellschaftspolitische Aspekte im Fokus (Gerechtigkeit, Partizipation etc.).
6. Abschlusspositionen • Assistenzsysteme sind ein Gewinn für die Gesellschaft, wenn sie die
ethische Dimension belastbar einbeziehen – denn nicht alles, was technisch möglich ist, ist auch ethisch vertretbar!
• Die Potenziale und Grenzen von AAL-Entwicklungen liegen perspektivisch weniger an technischen Möglichkeiten als vielmehr an ethischen und juristischen Rahmenbedingungen, die bis dato nicht ausreichend gesellschaftspolitisch diskutiert sind.
• Und: Nicht die demografische Entwicklung und das Altwerden ist das Problem der Gesellschaft, vielmehr sind es die Rahmenbedingungen, die wir verändern müssen (Perspektivwechsel: Einzelfall, Verhältnisse).