Altnordisch-Kurzskript Felix Knuth July 13, 2016 Contents 1 Formalia 3 2 Überblick Altnordisch 3 3 Phonologie 4 ⒊1 Vokale ........................................ 4 ⒊2 Konsonanten ..................................... 4 4 Flexionsmorphologie 6 ⒋1 Allgemeines zur Verbflexion (Synkretismus u.ä.! Vereinfacht das Lernen!) ...... 6 ⒋2 Ind. Präsens und Prät. der ō-Verben und Personalpron. im Nom. Sg. ....... 6 ⒋3 Ablautreihen der starken Verben ........................... 7 ⒋⒊1 Präsenskonjugation von vera ......................... 9 ⒋4 Allgemeines zur Nominalflexion (Synkretismus u.ä.) ................. 10 ⒋5 Konjunktiv ...................................... 10 ⒋6 j - und ja-Verben ................................... 11 ⒋7 ē - und ija-Verben .................................. 12 ⒋8 Partizip Präteritum .................................. 12 ⒋9 Präteritopräsentia .................................. 13 ⒋10 Maskuline und neutrale a-Stämme ......................... 14 ⒋11 Feminine ō- und i-Stämme ............................. 14 ⒋12 Personalpronomina der ⒊ Person Singular ...................... 15 ⒋13 Personalpronomina der ⒈ und ⒉ Person sowie Reflexivpronomen der ⒊ Person .. 16 ⒋14 Demonstrativpronomen sá, sú, þat und Personalpronomen ⒊ Person Plural ..... 16 ⒋15 Deklination von maðr ................................ 16 ⒋16 Schwache Deklination der Substantive (n-Stämme) ................. 16 ⒋17 Flexion der Adjektive ................................ 17 5 Lautgesetze 19 ⒌1 u-Umlaut ...................................... 19 ⒌2 i-Umlaut (j -Umlaut) ................................. 19 ⒌3 a-Umlaut ...................................... 20 6 Kurzüberblick proportionale Analogiegleichungen 21 1
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Altnordisch-Kurzskript - notendur.hi.isfek1/Altnordisch/kurzskript.pdf · ⒉ Synkope des i in der Endung -in- eintritt, wenn das Kasus-/Numerus-/Genus- Kon-...
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1 Formalia• BN: 6 Hausaufgaben. Die Häl e der Punkte muss r den Erhalt des BN erreicht werden.
• AP: Klausur, vermutlich in der ersten Woche der vorlesungs eien Zeit. Für KlausurzulassungBN-Leistung.
• Wer eine Klausur wünscht, melde sich bitte bis Ende Mai bei mir!
2 Überblick Altnordisch• Das Altnordische ist eine Sprache, die in Norwegen, Schweden und Dänemark von etwa 850bis 1350 und auf Island seit seiner Besiedelung (ca. 871) bis ca. 1550 gesprochen wurde.
• Darüber hinaus gab es einige kleinere Sprachgebiete wie Grönland, die Färöer sowie Orkneyund Shetland (heute zu Schottland gehörig).
• Das Altnordische teilt sich in zwei Hauptdialekte, nämlich das Altostnordische (Schwedischund Dänisch) und das Altwestnordische (Norwegisch und von Norwegen ausgehend in derFolge auch Isländisch).
• Der isländische Dialekt des ⒔/⒕ Jhdt. liegt dem Standardaltnordischen zugrunde, welchesin diesem Kurs behandelt wird.
• Somit basiert das Standardaltnordische auf der Varietät des Altnordischen, in welcher die Is-ländersagas verfasst sind.
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3 Phonologie3.1 Vokale
• Im klassischen Altnordischen gibt es in betonter Position 16 Monophthongphoneme.
• Mit der Ausnahme von /æ/, welches im klassischen Altnordischen nur als Langvokal vorkommtund deswegen o ohne Akzentzeichen verbleibt, werden Langvokale orthographisch durchAkut markiert.
• Kurzvokale: a, e, i, o, u, y, ø, ǫ
• Langvokale: á, é, í, ó, ú, ý, ǿ, æ
• Der Lautwert der Vokale entspricht mit Ausnahme von ǫ [ɔ] und á [ɔː] jeweils dem desentsprechenden IPA-Symbols.
• Statt ǿ wird häufig œ geschrieben (oe-Ligatur! Nicht zu verwechseln mit der in einigen Schrif-tarten sehr ähnlich aussehenden ae-Ligatur æ)
• Neben den Monophthongen gibt es drei Diphthonge: ei, au, ey ([œy] oder [ey] gesprochen)
• In unbetonten Silben gibt es drei unterschiedliche Vokalphoneme: a [a], i [ɪ], u [ʊ]
3.2 Konsonanten
Tabelle 1: Plosivphoneme des Altnordischen und ihre Allophonelabial dental velar
<p> /p/ [p] <t> /t/ [t] <k> /k/ [k]biskup ‘Bischof ’ hata ‘hassen’ taka ‘nehmen’<pp> /pː/ [pː] <tt> /tː/ [tː] <kk> /kː/ [kː] Geminaten nicht im Anlaut
<bb> /bː/ [bː] <dd> /dː/ [dː] <gg> /gː/ [gː] Geminaten nicht im Anlautstubbi ‘Stumpf ’ kvaddi ‘grüßte’ byggva ‘besiedeln’
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Tabelle 2: Frikativphoneme des Altnordischen und ihre Allophone<s> /s/ [s]sól ‘Sonne’<f> /f/ [f ] <þ> /þ/ [þ] im Anlaut, bei <f> ggf. auch im Auslaut (Auslautverhärtung)
maðr ‘Mensch, Mann’ nei ‘nein’<j> /j/ [j] <v> /w/ [w] [w] fällt im Laufe des klassischen Anord. in nicht-
já ‘ja’ vera ‘sein (Verb)’ init. Position mit [v], Allophon von /f/, zusammen
• <x> steht r Verbindung von /k/+/s/
• <z> steht r Verbindung von Dentalobstruent (/t/, /d/, /þ/) + /s/
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4 Flexionsmorphologie4.1 Allgemeines zur Verbflexion (Synkretismus u.ä.! Vereinfacht das Lernen!)
• Altnordische Verben teilen sich in zwei Hauptgruppen:
⒈ Starke Verben, deren Präteritumsformen sich durch einen Vokalwechsel auszeichnen undsich ( je nach Vokalalternation) in 6/7 sog. Ablautklassen unterteilen (z.B. bíta ‘beißen’mit Präteritum beit ‘biss’)
⒉ Schwache Verben, die ihr Präteritum mithilfe eines dentalen Suffixes bilden und in 3/4Unterklassen einzuteilen sind (z.B. kalla ‘rufen, nennen’ mit dem Präteritum kallaði ‘rief,nannte’)
• Infinitiv von Verben endet in den meisten Fällen auf -a
• Die ⒉ und ⒊ Sg. Präs. Ind. Akt. der allermeisten Verben ist wie die ⒈ Sg. +r, z.B. kasta‘werfe’, kastar ‘wirfst, wir ’.
• Die Endungen im Präs. Ind. Akt. Pl. sind bei den allermeisten Verben (schwachen undstarken) wie folgt:
⒈ -um⒉ -ið⒊ -a (=Infinitiv)
• Die Endungen im Prät. Ind. Akt. Pl. sind bei den allermeisten Verben (schwachen undstarken) wie folgt:
⒈ -um⒉ -uð⒊ -u
4.2 Ind. Präsens und Prät. der ō-Verben und Personalpron. im Nom. Sg.
Tabelle 4: Ind. Präs. ō-Verben (a-Verben, schwach) und Personalpron. im NSgSg. Du. Pl.
⒈ ek kall-a vit vér kǫll-um⒉ þú kall-a-r (þ)it (þ)ér kall-ið⒊ hann/hon/þat kall-a-r þeir/þær/þau kall-a
• Mit den Dualpronomina werden die Pluralformen des Verbs verwendet.
• Die Formen þit, þér der ⒉ Person sind jünger als die þ-losen Formen, treten aber häufiger auf.
• Bei Verbformen der ⒈ Pl. muss der u-Umlaut beachtet werden (s. Lautgesetze)!
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Tabelle 5: Ind. Prät. ō-Verben (a-Verben, schwach)Sg. Du. Pl.
⒈ ek kall-a-ð-a vit vér kǫll-u-ð-um⒉ þú kall-a-ð-ir (þ)it (þ)ér kǫll-u-ð-uð⒊ hann/hon/þat kall-a-ð-i þeir/þær/þau kǫll-u-ð-u
• Eine Form wie kall-a-ð-a besteht aus vier Morphemen:
• Man beachte die doppelte Anwendung des u-Umlauts in den Pluralformen:Das u der Kongruenzendung lautet den Themavokal von a zu u um, welches wiederum (wennder Wurzelvokal a ist) u-Umlaut auslöst.
4.3 Ablautreihen der starken Verben• Die sogenannten starken Verben, die ihr Präteritum mithilfe von Vokaländerungen bilden,teilen sich in 6 sogenannte Ablautreihen (Ablautklassen) ein, die (beinahe) komplementärverteilt sind.
• Hinzu kommen die ehemals reduplizierenden Verben, die bisweilen einer ⒎ Gruppe von starkenVerben zugerechnet werden, im Altnordischen aber am besten als unregelmäßig zu betrachtensind.
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Tabelle 6: Beispiele r Ablautreihen und der Entwicklung des Vokalismus seit dem Uridg.Form Infinitiv urgerm. V uridg. V Übersetzung
Prät. Ind. ⒈ Sg. bar < *aR < *oRPrät. Ind. ⒈ Pl. bár-um < *ēR < *ēR
Part. Prät. bor-it < *uR <*Ṛ
Ablautklasse 5Infinitiv les-a < *eK < *eK lesen
Prät. Ind. ⒈ Sg. las < *aK < *oKPrät. Ind. ⒈ Pl. lás-um < *ēK < *ēK
Part. Prät. les-it < -eK < -eK
Ablautklasse 6Infinitiv far-a fahren
Prät. Ind. ⒈ Sg. fórPrät. Ind. ⒈ Pl. fór-um
Part. Prät. far-it
• R steht r {/r/, /l/, /m/, /n/}
• K steht r C \ {/r/, /l/, /m/, /n/}
• In Ablautklasse 3 gilt, dass ein i anstelle des e im Präsensstamm vor Nasalen (insbesondere /n/)vorkommt.
• Die Singularendungen der starken Verben sind im Präsens Indikativ:
⒈ -0⒉ -r
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⒊ -r
• Die Singularendungen der starken Verben sind im Präteritum Indikativ:
⒈ -0⒉ -t⒊ -0
• Die Pluralendungen sind zu denen der schwachen Verben identisch.
• Wenn kein e im Präsensstamm vorliegt, gilt es, wenn möglich, im Präsens Singular i-Umlautdurchzu hren (besonders bei Ablautreihen 2 und 6, aber auch bei einigen anderen unregelmäßi-gen starken Verben wie z.B. koma).
Tabelle 7: Präs. Ind. des starken Verbs fljúga ‘fliegen’Sg. Du. Pl.
⒈ ek flýg vit vér fljúg-um⒉ þú flýg-r (þ)it (þ)ér fljúg-ið⒊ hann/hon/þat flýg-r þeir/þær/þau fljúg-a
Tabelle 8: Prät. Ind. des starken Verbs fljúga ‘fliegen’Sg. Du. Pl.
⒈ ek flaug vit vér flug-um⒉ þú flaug-t (þ)it (þ)ér flug-uð⒊ hann/hon/þat flaug þeir/þær/þau flug-u
4.3.1 Präsenskonjugation von vera
• Das Verb vera ‘sein’, ansonsten zur ⒌ Ablautklasse gehörig, hat ein unregelmäßiges Präsens:
Tabelle 9: Präs. Ind. von vera ‘sein’Sg. Du. Pl.
⒈ ek em vit vér er-um⒉ þú er-t (älter est) (þ)it (þ)ér er-uð⒊ hann/hon/þat er (älter es) þeir/þær/þau er-u
• Mit der Ausnahme von em gleichen die klassisch-altnordischen Formen einem Stamm er- mitangehängten starken Präteritumsendungen.
• Im Infinitiv und im Präteritum Singular gibt es ebenfalls die altertümlichen Formen vesa, vasund vast anstelle von vera, var und vart
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4.4 Allgemeines zur Nominalflexion (Synkretismus u.ä.)• Nominativ und Akkusativ sind jeweils in folgenden Fällen identisch (gilt bei allen dekliniertenWörtern):
• Bei Substantiven (und bei Adjektiven) ist in (so gut wie) allen Klassen die Endung des Dat. Pl.-um
• Bei Substantiven ist in (so gut wie) allen Klassen die Endung des Gen. Pl. -a
4.5 Konjunktiv• Der Konjunktiv (Präsens und Präteritum) wird im Altnordischen mit den Folgenden Person-alendungen gebildet: -a, -ir, -i, -im, -ið, -i
• Im Präsens werden diese an den unumgelauteten Präsensstamm gehängt.
• Im Präteritum werden diese bei schwachen Verben an den, wenn möglich (d.h. bei einsilbigen)i-umgelauteten, Präteritalstamm (d.h. mit dentalem Tempusmarker) gehängt.
• Bei starken Verben hängt man die Endungen an den i-umgelauteten Präteritum-Plural-Stamm.
Beispiele:
Tabelle 10: Präs. Konj. des schwachen Verbs kallaSg. Du. Pl.
⒈ ek kall-a vit vér kall-im⒉ þú kall-ir (þ)it (þ)ér kall-ið⒊ hann/hon/þat kall-i þeir/þær/þau kall-i
Tabelle 11: Prät. Konj. des schwachen Verbs kallaSg. Du. Pl.
⒈ ek kallað-a vit vér kallað-im⒉ þú kallað-ir (þ)it (þ)ér kallað-ið⒊ hann/hon/þat kallað-i þeir/þær/þau kallað-i
Tabelle 12: Präs. Konj. des starken Verbs bjóðaSg. Du. Pl.
⒈ ek bjóð-a vit vér bjóð-im⒉ þú bjóð-ir (þ)it (þ)ér bjóð-ið⒊ hann/hon/þat bjóð-i þeir/þær/þau bjóð-i
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Tabelle 13: Prät. Konj. des starken Verbs bjóðaSg. Du. Pl.
⒈ ek byð-a vit vér byð-im⒉ þú byð-ir (þ)it (þ)ér byð-ið⒊ hann/hon/þat byð-i þeir/þær/þau byð-i
4.6 j- und ja-Verben• j-Verben haben einen Präsensstamm, der ursprünglich mit -j- zwischen Wurzel und Personal-endung gebildet war.
• Synchron tritt j nur noch vor denjenigen Endungen im Präsens (und Infinitiv) auf, welche mita oder u beginnen.
• j-Verben können starke und schwache Verben sein (Beispiel r starkes Verb sitja ‘sitzen’, welcheszur Ablautkasse 5 gehört).
• Eine wichtige schwache Kategorie von j-Verben sind die ja-Verben.
• Die ja-Verben zeichnen sich dadurch aus, dass sie im Präsens stets j-umgelautet sind, im Prä-teritum aber o nicht (es gibt jedoch auch ja-Verben wie setja ‘setzen’, in deren Präteritumanalog zum Präsens der j-Umlaut durchge hrt ist.
• Im Präsens haben die ja-Verben dieselben Endungen wie starke Verben.
• Im Präteritum der ja-Verben tritt das Präteritalsuffix direkt an den Stamm.
• Die Personen-/Numeruskongruenzendungen sind die der schwachen Verben.
• Im Folgenden Beispiele r Präs. Ind. und Prät. Ind. von spyrja
Tabelle 14: Präs. Ind. von spyrja ‘ agen’Sg. Du. Pl.
⒈ ek spyr- vit vér spyr-j-um⒉ þú spyr-r (þ)it (þ)ér spyr-ið⒊ hann/hon/þat spyr-r þeir/þær/þau spyr-j-a
Tabelle 15: Prät. Ind. von spyrja ‘ agen’Sg. Du. Pl.
⒈ ek spur-ð-a vit vér spur-ð-um⒉ þú spur-ð-ir (þ)it (þ)ér spur-ð-uð⒊ hann/hon/þat spur-ð-i þeir/þær/þau spur-ð-u
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4.7 ē- und ija-Verben• ē- und ija-Verben sind historisch gesehen zwei verschiedene Flexionsklassen schwacher Verben,die im Altnordischen aber so gut wie identisch flektieren.
• Sie zeichnen sich dadurch aus, dass die Endungen des Indikativs Präsens auf -i, -ir, -ir ausgehen.
• Wie bei den ja-Verben wird das Präteritalsuffix direkt an den Stamm des Verbs gehängt.
Tabelle 16: Präs. Ind. von fǿra ‘bewegen’
:
Sg. Du. Pl.⒈ ek fǿr-i vit vér fǿr-um⒉ þú før-i-r (þ)it (þ)ér fǿr-ið⒊ hann/hon/þat fǿr-i-r þeir/þær/þau fǿr-a
Tabelle 17: Prät. Ind. von fǿra ‘bewegen’Sg. Du. Pl.
⒈ ek fǿr-ð-a vit vér fǿr-ð-um⒉ þú fǿr-ð-ir (þ)it (þ)ér fǿr-ð-uð⒊ hann/hon/þat fǿr-ð-i þeir/þær/þau fǿr-ð-u
4.8 Partizip Präteritum• Das Partizip Präteritum ist (wie Partizipien generell) eigentlich eine adjektivische Form desVerbs.
• Es entspricht sowohl morphologisch (vom im Deutschen häufigen ge-Präfix abgesehen) alsauch weitgehend semantisch dem deutschen Partizip Präteritum (alternative Namen Partizip II/ Partizip Perfekt), z.B. gemacht, genommen.
• Die Form des Nom./Akk. Sg. Neut. wird zusammen mit dem Hilfsverb hafa zur Bildungzusammengesetzter Tempus-/Aspektformen (Perfekt, Plusquamperfekt) gebildet.
• Bei den starken Verben wird es durch ein Suffix -in- gebildet, dessen Formen beinahe vollständigwie die von hinn gebildet werden.
• Die einzigen beiden Unterschiede bestehen darin, dass
⒈ Im Nom./Akk. Sg. Neutrum die Form auf -it und nicht auf -itt mit geminiertem Kon-sonanten ausgeht, weil die Suffixsilbe eine Nebensilbe darstellt.
⒉ Synkope des i in der Endung -in- eintritt, wenn das Kasus-/Numerus-/Genus- Kon-gruenzsuffix mit Vokal beginnt, also dekliniert bspw. te nn ‘genommen’ im MSg. te nn,te nn, teknum, te ns.
• Zweierlei Dinge gilt es bei starken Verben zu beachten, nämlich 1) an welche Ablautstufe dasSuffix angehängt wird und 2) ob a-Umlaut au ritt oder nicht:
⒈ Ablautstufe:
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⒜ Bei den Ablautreihen 1 bis 3 werden die Formen wie beim Präteritum Plural an dieSchwundstufe ange gt (bitinn, skotinn, funninn).
⒝ Bei Ablautreihe 4 werden die Formen im Gegensatz zum Präteritum Plural an dieSchwundstufe ange gt (borinn).
⒞ Bei Ablautreihe 5 werden die Formen mit der e-Vollstufe gebildet (lesinn).⒟ Bei Ablautreihe 6 werden die Formen meist mit a gebildet (farinn).
⒉ a-Umlaut:⒜ In Ablautreihe 1 ist das Part. Prät. eines einzigen Verbes (bíða) betroffen, das somit
beðinn lautet.⒝ Ablautreihe 2 ist durchgehend vom a-Umlaut betroffen betroffen (z.B. skotinn)⒞ Die Ablautreihen 3 und 4 sind dann vom a-Umlaut betroffen, wenn der Konsonant,
der auf den Wurzelvokal folgt, kein Nasal ist (also borinn, aber numinn)
• Bei schwachen Verben wird das Partizip Präteritum o gebildet, indem die Adjektiv-Kongruenzendungendirekt an den Präteritalstamm angehängt werden, z.B. nefn-d-r von nefna und kalla-ð-r vonkalla.
• Auch hier wird das potenzielle Cluster von zwei Dentalen im Nom./Akk. Sg. Neut. zu tvereinfacht, also nefnt, kallat.
4.9 Präteritopräsentia• Präteritopräsentia sind eine kleine, aber wichtige Klasse von Verben, deren Name darauf zurück-geht, dass ihre Flexion im Präsens an das Präteritum starker Verben erinnert:
– Singular- und Pluralvokal sind o unterschiedlich.– Die Personalendungen sind dieselben wie beim Präteritum starker Verben.
• Die meisten Präteritopräsentia lassen sich entsprechenden Ablautreihen zuordnen.
• Als Beispiel r das Präsens eines Präteritopräsens diene skulu ‘sollen’:
Tabelle 18: Prät. Ind. von skulu ‘sollen, werden’Sg. Du. Pl.
⒈ ek skal vit vér skul-um⒉ þú skal-t (þ)it (þ)ér skul-uð⒊ hann/hon/þat skal þeir/þær/þau skul-u
• Der Infinitiv der meisten Präteritopräsentia geht auf a aus, manchmal jedoch auf u.
• Das Präteritum wird schwach gebildet, wobei bei manchen Wörtern das dentale Präteritalsuffixaufgrund von Lautentwicklungen scheinbar fehlen kann.
• Die Stammformen der sieben r diesen Kurs relevanten Präteritopräsentia lauten wie folgt:
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Tabelle 19: Stammformen von PräteritopräsentiaInfinitiv 1. Sg. Präs. 1. Pl. Präs. 1. Sg. Prät. Part. Prät. Übersetzungeiga á eigum átta átt besitzen, sollenkunna kann kunnum kunna kunnat könnenmega má mega mátta mátt dürfenmunu mun munum munda - (sein) werdenskulu skal skulum skylda - sollen, werdenvita veit vitum vissa vitat wissenþurfa þarf þurfum þur a þur bedürfen, müssen
N Pl. hest-ar bǫrn (+u-Uml.)A hest-a bǫrn (+u-Uml.)D hest-um bǫrn-umG hest-a barn-a
• Die definiten Formen der Substantive werden durch Anhängen eines Suffixes gebildet.
• Dieses Suffix geht zurück auf das Demonstrativpronomen hinn, welches ursprünglich dem Sub-stantiv nachgestellt wurde.
• Das Suffix wird agglutinativ an die entsprechende Form des Substantivs gehängt; nur im DativPlural wird das m der eigentlichen Substantivendung der Aussprache wegen elidiert.
N Pl. hestar-nir bǫrn-in (+u-Uml.)A hesta-nna bǫrn-in (+u-Uml.)D hestu-num bǫrnu-numG hesta-nna barna-nna
4.11 Feminine ō- und i-Stämme• Ursprünglich gehören den femininen i-Stämmen nur etwa 40 Wörter an.
• Mit der Zeit treten viele Wörter der ō-Stämme zu den i-Stämmen über.
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• Sowohl einige ō- als auch einige i-Stämme haben im Dativ Singular ursprünglich eine Endung-u, welche aber im Laufe der Zeit immer häufiger entfällt.
• Ausnahmen hiervon sind ō-Stämme, die mit den Derivationssuffixen -ing und -ung gebildetworden sind und fast immer ein -u im Dat. Sg. aufweisen.
• Die in der Tabelle in grauer Schri notierten Formen sind entweder durch die Synkretismus-regeln gegeben oder identisch in allen vier angegebenen Paradigmen.
• Nominativ, Akkusativ undDativ Sg. sind stets durch u-Umlaut gekennzeichnet, wennmöglich.
• Man beachte, dass der Artikel in ADG Singular zweisilbig ist.
• Das erste i des Artikels entfällt im Dat. Sg., wenn die Dativform ohne Artikel auf -u endet,also DSg dróttningunni von dróttning.
4.12 Personalpronomina der 3. Person Singular
Mask. Fem. Neut.N Sg. han-n hon þatA han-n han-a þatD hon-um hen-ni þvíG han-s hen-nar þess
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• Man beachte, dass die Endungen der maskulinen und der femininen Formen identisch zu denendes bestimmten Artikels sind.
• Im DSg. Mask. und im NSg. Fem. sieht man einen abweichenden u-Umlaut, nämlich oanstelle von ǫ.
• Im DSg. Fem. und im GSg. Fem. sieht man i-Umlaut.
4.13 Personalpronomina der 1. und 2. Person sowie Reflexivpronomen der 3. Person
1 Sg. 1 Du. 1 Pl. ⒉ Sg. ⒉ Du. ⒉ Pl. Refl.N ek vit vér þú it/þit ér/þér -A mik okkr oss þik ykkr yðr sikD mér okkr oss þér ykkr yðr sérG mín okkar vár þín ykkar yð⒱ar sín
4.14 Demonstrativpronomen sá, sú, þat und Personalpronomen 3. Person Plural• Die Pluralformen des Personalpronomens sowie die Neutrum-Singular-Formen des Personal-pronomens stammen vom Demonstrativpronomen sá, sú, þat an, mit dessen Formen sie iden-tisch sind.
Mask Sg. Fem Sg. Neut. Sg. Mask. Pl. Fem. Pl. Neut. Pl.N sá sú þat þeir þær þauA þann þá þat þá ” ”D þeim þeirri því <- þeim ->G þess þeirrar þess <- þeirra ->
4.15 Deklination von maðrmað-r ‘Mensch, Mann’ mit dem Stamm mann- dekliniert meistens wie folgt:
N Pl. spak-ir spak-ar spǫkA spak-a spak-ar spǫkD <= spǫk-um =>G <= spak-ra =>
• Die Endungen der starken Formen sind abgesehen von Assimilationserscheinungen (nr > nn,nt > tt) und dem Akk. Sg. M. hinn anstelle von *hinan im Artikel identisch.
• Schwache Deklination es Positivs und des Superlativs (überwiegend in definiten Nominalphrasenverwendet):
• Die Singularendungen der schwachen Formen sind identisch zu den entsprechenden Endungender schwachen Substantive.
• Der Superlativ wird meist durch ein Suffix -ast- gebildet, woran dieselben Kasus-/Numerus-/Genus-Kongruenzendungen ange gt werden wie r den Positiv, allerdings muss ggf. derdoppelte u-Umlaut beachtet werden, also bspw. Nom. Sg. Fem. spǫkust.
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• Der Komparativ, der meist durch ein Suffix -ar- gebildet wird, besitzt nur die folgendenschwachen Endungen:
5 Lautgesetze• Der Begriff Umlaut bezeichnet regressive, partielle Fernassimilationen, die einen Vokal betref-fen und in der Regel von einem (Halb-)vokal ausgelöst werden.
5.1 u-Umlaut⒈ ⒜ (Unbetontes) u verursacht den Übergang eines in unmittelbar vorausgehender Silbe ste-
henden betonten a zu ǫ:/a/ [+betont] → [ǫ] / _ C0 uBsp. kasta ‘werfe’, kǫstum ‘(wir) werfen’
⒝ Das auslösende u kann in altnordischer Zeit geschwunden sein, bspw. bǫrn ‘Kinder’ (<urnord. *barnu), aber barn ‘Kind’ (< urnord. *barną)
⒉ ⒜ (Unbetontes) u verursacht den Übergang eines in unmittelbar vorausgehender Silbe ste-henden unbetonten a zu u:/a/ [-betont] → [u] / _ C0 uBsp. kastaða ‘(ich) warf ’, kǫstuðum ‘(wir) warfen’
⒝ Das unter a) entstandene u löst, wenn in der vorausgehenden Silbe ein /a/ steht, wiederumu-Umlaut aus.
⒊ ǫ ist hauptsächlich durch u-Umlaut von a entstanden.
5.2 i-Umlaut (j-Umlaut)⒈ Urnordisches j, i und ı̄ in unbetonter Silbe können die partielle Assimilation vieler in unmit-
⒊ Da o häufig aus urnordischem *u hervorgegangen ist (via a-Umlaut, sieht es häufig so aus, alssei das Ergebnis i-Umlauts von o nicht ø, sondern y, z.B. sonr ‘Sohn’ ggü. synir ‘Söhne’.
⒋ Ähnlich verhält es sich mit jó, das mit ý wechselt, wenn es aus jú (< *iu) hervorgegangen ist.
⒌ i-Umlaut tritt
⒜ immer ein, wenn j das potenziell auslösende Element ist: velja ‘wählen’ vs. valda ‘wählte’.⒝ fast immer ein, wenn i im Anord. erhalten ist: vǽri ‘wäre’ ggü. várum ‘waren’.⒞ meist ein, wenn die Stammsilbe eines Wortes lang (entweder langen Vokal tragend oder
auf mindestens zwei Konsonanten endend) ist: gestr < gasti
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⒟ selten ein, wenn die Stammsilbe eines Wortes kurz ist: staðr < *staði
⒍ Insbesondere zu ⒞ und ⒟ gibt es etliche Ausnahmen.
⒎ Der i-Umlaut ist in anord. Zeit nicht mehr produktiv, weswegen sekundäre i, die aus Kürzungeines anderen urnordischen langen Vokals entstanden sind, keinen i-Umlaut auslösen: barni <*barnē ‘Kinde’, mit a als Wurzelvokal
5.3 a-Umlaut• Unbetontes /a/ verursacht in urnordischer Zeit den Übergang eines in unmittelbar vorausge-hender Silbe stehenden i zu e sowie den Übergang eines in unmittelbar vorausgehender Silbestehenden u zu o.
• Dieser Wandel erscheint, o durch analogische Erscheinungen zum Teil wieder ausgeglichenoder vollständig in einem Paradigma durchge hrt, im Altnordischen unregelmäßig.
• Er ist besonders r das Verständnis der Wahl des Vokals der Partizipien Präteritum bei starkenVerben wichtig.
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6 Kurzüberblick proportionale Analogiegleichungen• Neben der Akzeptanz von Lautwandel als ausnahmslosen Lautgesetzen spielt in der junggram-matischen Tradition die morphologische Analogie eine wichtige Rolle.
• Ein großer Teil, aber nicht der gesamte morphologische Wandel, kann mithilfe von propor-tionalen Analogiegleichungen beschrieben werden.
• Eine Analogiegleichung zeigt auf, wie eine neue Flexionsform auf der Basis eines anderenParadigmas neu gebildet wird.
• Beispiel: Zum deutschen Verb flechten wird eine ⒊ Sg. Präs. Ind. flechtet neu gebildet (anstelledes traditionellen flicht). Dies kann durch Analogie zu rechnen erklärt werden:Inf. rechnen : ⒊ Sg. Ind. Präs. rechnetInf. flechten : ⒊ Sg. Ind. Präs. X ; X = flechtet
• Das Wort, das zur Analogie auslösenden Klasse gehört, steht oben.
• Wenn man genau die Änderungen, die man in der oberen Zeile von der linken zur rechten Formdurch hrt (in diesem Fall Ersetzen des n durch t), bei den entsprechenden Flexionsformenauch in der unteren Zeile durch hrt, ist die Gleichung wohlgeformt.
• Um deutlich zu machen, welche Form die neuzubildende Form darstellt, wird sie zuerst durchein X dargestellt.
• In der Folge wird das Ergebnis in der Form “X = neueform” daneben geschrieben.
• Analogiegleichungen brauchen nicht von der Grund-/Wörterbuchform auszugehen.
• Weiteres Beispiel: Im Englischen wird bisweilen shook als Partizip Präteritum verwendet (anstelledes standardsprachlichen shaken). Dies kann durch folgende Analogiegleichung beschriebenwerden:Präteritum made : Partizip Präteritum madePräteritum shook : Partizip Präteritum X; X = shook
• Dies ist eine Möglichkeit, darzulegen, dass der Synkretismus von Präteritum und Partizip Prä-teritum, der im Englischen bei schwachen Verben üblich ist, auf das starke Verb shake übertragenwird.