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Algebra 1 VORLESUNGSMITSCHRIFT Prof. Peter Bürgisser WS 2013/14 Was ist nahrhaft und kommutativ? Eine abelsche Suppe. 11. Februar 2015
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Algebra 1

VORLESUNGSMITSCHRIFT

Prof. Peter Bürgisser WS 2013/14

Was ist nahrhaft und kommutativ?Eine abelsche Suppe.

11. Februar 2015

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Inhaltsverzeichnis

1 Gruppen 11.1 Grundlegende Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2 Gruppenaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41.3 Normalteiler und Faktorgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81.4 Isomorphiesätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

2 Die Sätze von Sylow 122.1 Exponent und Klassengleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122.2 Sylowsche Sätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142.3 Anwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

3 Fortführung der Gruppentheorie 193.1 Direkte Produkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193.2 Semidirekte Produkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203.3 Auflösbare Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

4 Ringe 284.1 Grundlegende Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284.2 Ideale und Quotientenringe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294.3 Polynomringe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314.4 Chinesischer Restsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354.5 Hauptidealbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384.6 Berlekamps Algorithmus und formale Ableitungen . . . . . . . . . . . . . . 41

5 Polynome 475.1 Multivariate Polynome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475.2 Faktorisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505.3 Symmetrische Polynome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 545.4 Resultante und Diskriminante . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58

6 Algebraische Körpererweiterungen 636.1 Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 636.2 Einfache Körpererweiterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 656.3 Endliche Körpererweiterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 666.4 Zerfällungskörper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 676.5 Endliche Körper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 706.6 Algebraischer Abschluss von Körpern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74

Literatur 78

Index 79

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1 Gruppen

1.1 Grundlegende Begriffe

Wir beginnen mit den grundlegendsten Begriffen der Gruppentheorie.

Definition 1.1. Eine Gruppe ist eine Menge G zusammen mit einer zweistelligen Verknüp-fung G×G, (g, h) 7→ g · h = gh, welche wir Multiplikation nennen, einem ausgezeichnetenElement e ∈ G, welches wir das neutrale Element nennen werden, und einer einstelligenOperation G→ G, g 7→ g−1, welche wir Inversion nennen, so dass folgende Anforderungenerfüllt sind:

(i) Für alle g, h, k ∈ G gilt (gh)k = g(hk). (Assoziativität)

(ii) Für alle g ∈ G gilt g · e = e · g = g.

(iii) Für alle g ∈ G gilt gg−1 = g−1g = e.

Weiter heißt die Gruppe abelsch oder kommutativ, falls zusätzlich gh = hg für alle g, h ∈ Ggilt.

Beispiel 1.2. Die Zahlenmengen Z, Q, R und C bilden mit der Addition jeweils eine abel-sche Gruppe.Beispiel 1.3 (Symmetrische Gruppen). Für n ∈ N bezeichne Sn die Menge der Permuta-tionen einer Menge {1, . . . , n} von n Elementen, d. h. die Menge der Bijektionen auf ihr.Mit der Komposition als Verknüpfung, der Identität als neutrales Element und der Um-kehrung von Abbildungen als Inversion ist Sn eine Gruppe, welche auch als symmetrischeGruppe bezeichnet wird und für n ≥ 3 nicht abelsch ist.Beispiel 1.4. Es sei k ein Körper und V ein k-Vektorraum. Mit GL(V ) bezeichnen wirdie Menge der bijektiven linearen Abbildungen von V auf sich selbst und nennen dies dieallgemeine lineare Gruppe, denn mit der Komposition als Verknüpfung ist sie ähnlich wieSn tatsächlich eine Gruppe. Sobald die Dimension von V größer als Eins ist, ist GL(V )nicht abelsch.

Wir merken an, dass zwei Gruppen, die in der zugrundeliegenden Menge und der Mul-tiplikation übereinstimmen, identisch sind. Mit anderen Worten: Neutrales Element undinverse Elemente einer Gruppe sind eindeutig. Sind nämlich e und e′ neutrale Elementebezüglich einer festen Multiplikation auf einer festen Grundmenge, so ist

e = ee′ = e′ .

Existiert zu einem Element g einer Gruppe mit neutralem Element e ein h, so dass gh =hg = e, so muss h bereits das (damit eindeutig bestimmte) inverse Element g−1 sein, wasdurch Linksmultiplikation von gh = e mit g−1 ersichtlich ist.Bemerkung 1.5. Das inverse Element e−1 des neutralen Elements e einer Gruppe ist stetse selbst.Eine zweifache Inversion führt zurück zum betrachteten Element, d. h. (g−1)−1 = g füralle Elemente g einer Gruppe.Weiterhin besteht die Regel (gh)−1 = h−1g−1 für Inverse von Produkten.

Schließlich definieren wir Produkte g1g2 · · · gn von n Gruppenelementen g1 bis gn rekursivals (g1 · · · gn−1)gn. Aufgrund der Assoziativität ist auch hier die Klammersetzung bedeu-tungslos.

1 Algebra 1

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1 Gruppen

Definition 1.6. Es sei G eine Gruppe. Als eine Untergruppe von G bezeichnen wir eineTeilmenge H ⊂ G, so dass e ∈ H und für alle g, h ∈ H außerdem auch gh und g−1 in Hliegen. Wir schreiben dann H ≤ G.

Eine Untergruppe ist also eine Teilmenge, die bezüglich der bereits vorhandenen Multipli-kation eine Gruppe bildet.Beispiel 1.7. Ist V ein endlichdimensionaler k-Vektorraum, so ist die spezielle lineareGruppe SL(V ) aller Automorphismen aus GL(V ), deren Determinante Eins ist, eine Un-tergruppe der allgemeinen linearen Gruppe GL(V ).Ist V ein euklidischer Vektorraum, so ist die Menge O(V ) aller orthogonalen Automor-phismen von V (orthogonale Gruppe genannt) ebenfalls eine Untergruppe von GL(V ).

Wir erinnern nun an die Zykelschreibweise für Permutationen (der Menge {1, . . . , n}). Mit(i1i2 . . . il) bezeichnen wir diejenige zyklische Permutation, welche ik auf ik+1 für k < lund il auf i1 abbildet. Zykel der Form (i1i2), welche lediglich zwei Zahlen miteinandervertauschen, heißen Transpositionen. Unterscheiden sich dabei i1 und i2 nur um Eins, sosprechen wir von einer Nachbartransposition.Als Übungsaufgabe kann gezeigt werden, dass jede Permutation als Produkt von Transpo-sitionen (sogar von Nachbartranspositionen) darstellbar ist. Die Anzahl der dazu verwen-deten Transpositionen mag variieren, doch ihre Parität hängt nur von der betrachtetenPermutation ab, weshalb das Signum sgn einer Permutation als −1 in dieser Potenz wohl-definiert ist.Beispiel 1.8. Die Teilmenge An von Sn, die aus den geraden Permutationen – also solchenmit Signum Eins – besteht, bildet eine Untergruppe von Sn und wird alternierende Gruppegenannt.

Die Gruppe S3 enthält etwa die ungeraden Permutationen (23), (12) und (13). Die Unter-gruppe A3 besteht aus der Identität und den geraden Permutationen (123) und (132).Wir kommen nun zur Erzeugung von Untergruppen. Für eine Teilmenge S ⊂ G einerGruppe G setzen wir zunächst

S−1 := {s−1 ∈ G : s ∈ S} .

Definition 1.9. Es sei G eine Gruppe und S ⊂ G eine nichtleere Teilmenge. Dann ist

〈S〉 := {s1s2 · · · sn : si ∈ S ∪ S−1, n ∈ N0} .

Weiter setzen wir 〈∅〉 := {e}.

Wir nennen 〈S〉 die von S erzeugte Untergruppe und zeigen nun, dass dieser Name ge-rechtfertigt ist.

Lemma 1.10. Es sei wie oben S ⊂ G nichtleer.

(i) Die Menge 〈S〉 ist eine Untergruppe von G.

(ii) Jede Untergruppe von G, welche S enthält, enthält auch 〈S〉.

Beweis. (i). Die Abgeschlossenheit von 〈S〉 ergibt sich direkt aus der Definition. Ist weiters1 · · · sn ∈ 〈S〉, so ist auch (s1 · · · sn)−1 = s−1

n · · · s−11 ∈ 〈S〉, und falls s ∈ 〈S〉, so ist auch

e = ss−1 ∈ 〈S〉.(ii). Es sei s ∈ S ∪ S−1. Dann ist entweder s ∈ S ⊂ H oder s−1 ∈ S ⊂ H, womit aberebenfalls s ∈ H folgen würde. Da sich jedes Element von 〈S〉 als Produkt von Elementenaus S ∪ S−1 schreiben lässt, liegt jedes solche Produkt auch in H.

Algebra 1 2

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1.1 Grundlegende Begriffe

Definition 1.11. Wir sagen, dass eine Teilmenge S ⊂ G die Gruppe G erzeugt, falls〈S〉 = G. Besitzt eine Gruppe eine endliche Teilmenge, von welcher sie erzeugt wird, sonennen wir diese Gruppe endlich erzeugt.

Die Bemerkung vor der Einführung der alternierenden Gruppe in Beispiel 1.8 kann nunfolgendermaßen formuliert werden:

Satz 1.12. Die symmetrische Gruppe Sn wird von der Menge der Transpositionen undvon der Menge der Nachbartranspositionen erzeugt.

Korollar 1.13. Die symmetrische Gruppe Sn wird von

S = {(12), (12 . . . n)}

erzeugt.

Beweis. Wir zeigen, dass 〈S〉 alle Nachbartranspositionen enthält. Ist a < n, so könnenwir die Nachbartransposition (a, a + 1) als (a, a + 1) = g(12)g−1 ∈ 〈S〉 schreiben, wobeig := (12 · · ·n)a−1 ∈ 〈S〉.

Der einfachste Fall eines Erzeugnisses ist derjenige, in dem eine Gruppe G von einereinelementigen Menge {g} erzeugt wird. Wir sagen dann, dass G von g erzeugt wird undschreiben G = 〈g〉 statt G = 〈{g}〉. In dieser Situation ist

〈g〉 = {gn : n ∈ Z} ,

wenn wir g0 = e und g−n = (gn)−1 = (g−1)n für n ∈ N schreiben. Ähnlich wie bei denPotenzgesetzen gilt gmgn = gm+n für alle m,n ∈ Z.

Definition 1.14. Eine Gruppe G, welche ein Element g ∈ G mit 〈g〉 = G besitzt, heißtzyklisch.

Beispiel 1.15. Die additive Gruppe Z der ganzen Zahlen ist zyklisch, wird nämlich von 1und ebenso von −1 erzeugt, d. h. Z = 〈1〉 = 〈−1〉.

Satz 1.16. Auch jede Untergruppe von Z ist zyklisch.

Der Beweis ist Übungsaufgabe.

Definition 1.17. Es seien G und G′ Gruppen.

(i) Eine Abbildung ϕ : G→ G′ heißt Gruppenhomomorphismus, falls ϕ(gh) = ϕ(g)ϕ(h)für alle g, h ∈ G gilt.

(ii) Ein bijektiver (Gruppen-)Homomorphismus heißt Isomorphismus.

(iii) Ein Isomorphismus, bei dem Bild- und Urbildgruppe G und G′ gleich sind, heißtAutomorphismus.

Beispiel 1.18. Ist k ein Körper und V ein endlichdimensionaler k-Vektorraum, so istdie Determinante ein Gruppenhomomorphismus von GL(V ) in die multiplikative Gruppek \ {0}.Beispiel 1.19. Auch das Signum sgn : Sn → {−1, 1} von der symmetrischen Gruppe Sn indie multiplikative Gruppe {−1, 1} ist ein Homomorphismus.

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1 Gruppen

Bemerkung 1.20. Es sei ϕ : G → G′ ein Gruppenhomomorphismus. Dann bildet ϕ dasneutrale Element e in G auf das neutrale Element e′ in G′ ab, was aus

ϕ(e) = ϕ(ee) = ϕ(e)ϕ(e)

durch Multiplikation mit ϕ(e)−1 hervorgeht. Auch gilt ϕ(g−1) = ϕ(g)−1 für alle g ∈ G,was zu zeigen eine Übungsaufgabe ist.Weiter sind der Kern

kerϕ := {g ∈ G : ϕ(g) = e′}

und das Bildimϕ = {ϕ(g) : g ∈ G}

von ϕ Untergruppen von G bzw. G′. Die Injektivität von ϕ kann darüber charakterisiertwerden, dass der Kern trivial ist: ϕ ist genau dann injektiv, wenn kerϕ = {e}.Beispiel 1.21. Für jede Gruppe G und g ∈ G ist Z→ G, n 7→ gn ein Homomorphismus.

Letztlich führen wir noch direkte Produkte von Gruppen ein. Sind G1, . . . , Gr Gruppen,so statten wir das kartesische Produkt G := G1× · · · ×Gr =×r

i=1Gi mit der komponen-tenweisen Multiplikation aus und erhalten so eine Gruppenstruktur auf dem kartesischenProdukt G, welches damit als (externes) direktes Produkt bezeichnet wird.Bemerkung 1.22. Die Projektionen G → Gi, (g1, . . . , gr) 7→ gi, i ≤ r, sind surjektiveHomomorphismen.

1.2 Gruppenaktionen

Definition 1.23. Eine Operation oder Aktion einer Gruppe G auf einer Menge X ist eineAbbildung

G×X → X , (g, x) 7→ g.x = gx

mit der Eigenschaft, dass (gh).x = g.(h.x) und 1.x = x für alle g, h ∈ G und x ∈ X.

Wir definieren weiter SX als die Menge aller Bijektionen auf X. So ist Sn = S{1,...,n} fürn ∈ N und wieder ist SX eine Gruppe.

Lemma 1.24. Eine Operation von G auf X definiert einen GruppenhomomorphismusD : G→ SX , wobei D(g) : X → X die Abbildung x 7→ g.x ist.

Beweis. Tatsächlich ist D wohldefiniert, denn für g ∈ G ist D(g) bijektiv mit Umkehrab-bildung D(g−1), was durch(

D(g) ◦D(g−1))(x) = D(g)(g−1.x) = g.(g−1.x) = (gg−1).x = 1.x = x

ersichtlich ist. Für g, h ∈ G ist weiterhin

D(gh)(x) = (gh).x = g.(h.x) = g.(D(h)(x)

)=(D(g) ◦D(h)

)(x) ,

was D(gh) = D(g) ◦D(h) zeigt.

Definition 1.25. Einen Gruppenhomomorphismus D : G→ SX nennen wir eine Permu-tationsdarstellung.

Algebra 1 4

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1.2 Gruppenaktionen

Wir haben soeben gesehen, dass Permutationsdarstellungen durch Gruppenaktionen in-duziert werden. Umgekehrt kann eine Permutationsdarstellung D über g.x := D(g)(x),g ∈ G, x ∈ X, auch eine Gruppenaktion definieren.Beispiel 1.26. Ist V ein k-Vektorraum und G = GL(V ), so operiert G auf V mit derAbbildung

G× V → V , (g, v) 7→ g(v) .

Beispiel 1.27. Jede Gruppe G operiert auf sich selbst bezüglich der Linksmultiplikation

G×G→ G , (g, h) 7→ gh .

Die Rechtsmultiplikation (g, h) 7→ hg jedoch definiert keine Gruppenaktion; dies tut aller-dings die Abbildung

G×G→ G , (g, h) 7→ hg−1 .

Die beiden Operationen kommutieren und ergeben in der Verknüpfung eine Gruppenwir-kung von G×G auf G selbst, welche durch

(G×G)×G→ G , (g1, g2, h) 7→ g1hg−12

gegeben ist.Beispiel 1.28. Für eine Gruppe G sei Aut(G) die Gruppe der Automorphismen von G,welche eine Untergruppe von SG bildet. Weiter betrachten wir die Wirkung von G auf sichselbst durch Konjugation

G×G→ G , (g, h) 7→ ghg−1 .

Wir behaupten, dass das Bild im(Ad) der zugehörigen Permutationsdarstellung Ad: G→SG eine Teilmenge von Aut(G) ist, d. h. dass jede Abbildung Ad(g) : h 7→ ghg−1 ein Auto-morphismus ist. Dazu ist nur noch zu zeigen, dass diese Abbildung ein Homomorphismusist. Für g, h1, h2 ∈ G ist jedoch

Ad(g)(h1h2) = gh1h2g−1 = gh1g

−1gh2g−1 = Ad(g)(h1) Ad(g)(h2) .

Den Kern dieser Permutationsdarstellung nennen wir das Zentrum von G und bezeichnenihn mit

Z(G) := ker Ad = {g ∈ G : ghg−1 = h für alle h ∈ G} = {g ∈ G : gh = hg für alle h ∈ G} .

Dies ist gerade die Untergruppe von G derjenigen Elemente, welche mit allen anderenkommutieren.

Definition 1.29. Die Gruppe G operiere auf der Menge X. Für x ∈ X nennen wir

G.x := {g.x : g ∈ G} ⊂ X

die Bahn oder den Orbit von x. Weiter nennen wir

Gx := {g ∈ G : g.x = x} ⊂ G

den Stabilisator von x.

Es lässt sich leicht überprüfen, dass ein Stabilisator stets eine Untergruppe von G ist.

5 Algebra 1

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1 Gruppen

Definition 1.30. Eine Teilmenge Y ⊂ X von X heißt G-invariant, falls die Bahnen allihrer Elemente in ihr enthalten sind, falls also G.y ⊂ Y für alle y ∈ Y .Weiter sagen wir, dass G transitiv auf X operiert, falls für alle x, y ∈ X ein g ∈ G existiert,so dass y = g.x.

Offenbar operiert G genau dann transitiv auf X, falls G.x = X für alle x ∈ X gilt.Bemerkung 1.31. Jede Bahn ist G-invariant.Lemma 1.32. Die Gruppe G operiere auf X. Dann bildet die Menge aller Bahnen in Xeine Partition von X.

Beweis. Zunächst ist klar, dass ⋃x∈X

G.x = X .

Wir zeigen noch, dass zwei Bahnen entweder gleich oder disjunkt sind. Es seien also x, y ∈X mit G.x ∩G.y 6= ∅. Für z ∈ G.x ∩G.y finden wir also g, h ∈ G mit z = g.x = h.y. Dieszeigt y = (h−1g).x, womit offenbar G.y = G.x folgt.

Beispiel 1.33. Es seien m,n ∈ N und k ein Körper. Die Gruppe G := GL(m,k)×GL(n,k)wirkt auf X = k

m×n durch

G×X → X , (g, h,A) 7→ gAh−1 .

Die Bahnen sind die Äquivalenzklassen von Matrizen gleichen Ranges. Auch wirkt G :=GL(n,C) auf X = Cn,n durch

G×X → X , (g,A) 7→ gAg−1

und hier sind die Bahnen Äquivalenklassen von Matrizen mit gleicher Jordan-Normalform.Definition 1.34. Die Gruppe G operiere auf sich selbst durch Konjugation, also durch

G×G→ G , (g, h) 7→ ghg−1 .

Die Bahn{ghg−1 : g ∈ G}

eines Elements h ∈ G heißt dann Konjugationsklasse von h. Weiter heißt

Zh := {g ∈ G : gh = hg}

der Zentralisator von h.Satz 1.35 (Bahnformel). Die endliche Gruppe G operiere auf der Menge X. Dann giltfür alle x ∈ X

|G| = |Gx||G.x| .

Beweis. Die „Bahnabbildung“

ϕx : G→ G.x , g 7→ g.x

ist surjektiv. Außerdem ist ϕ−1x (x) = {g ∈ G : g.x = x} = Gx. Für h ∈ G beobachten wir

h−1ϕ−1x (h.x) = {h−1g̃ ∈ G : g̃.x = h.x} = {g ∈ G : (h−1hg).x} = ϕ−1

x (x) .

Insbesondere stellen wir fest, dass |ϕ−1x (h.x)| = |ϕ−1

x (x)|. Damit ist also

|G| =∑y∈G.x

|ϕ−1x (y)| =

∑y∈G.x

|ϕ−1x (x)| = |G.x||Gx| .

Algebra 1 6

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1.2 Gruppenaktionen

Bemerkung 1.36. Ähnlich wie oben und mit derselben Notation erhalten wir auch

Gh.x = {g ∈ G : (h−1gh).x = x} = {g ∈ G : h−1gh ∈ Gx} = hGxh−1 .

Beispiel 1.37. Wir betrachten den endlichen Körper Fp mit p Elementen (wobei p einePrimzahl ist), den wir als {0, . . . , p − 1} mit Rechenoperationen modulo p interpretierenkönnen. Wir fragen uns, was die Zahl γm := |GL(m,Fp)| ist. Dazu verwenden wir dieOperation der Gruppe G := GL(m,Fp) auf Fmp durch Matrix-Vektor-Multiplikation. DieBahnen dieser Wirkung sind {0} und Fmp \ {0} und insbesondere ist

G.e1 = Fmp \ {0}

und Ge1 ist die Menge aller Matrizen der Form1 a2 · · · am0... B

0

,

wobei B ∈ GL(m − 1,Fp) und a2, . . . , am ∈ Fp. Daher ist |Ge1 | = γm−1pm−1. Die Bahn-

formel besagt nun

γm = |G| = |Ge1 ||G.e1| = pm−1γm−1(pm − 1) .

Außerdem ist γ1 = p− 1 leicht einzusehen, womit wir

γm = pm−1(pm − 1)pm−2(pm−1 − 1) · · · p(p2 − 1)(p− 1) = pm(m−1)

2 (pm − 1) · · · (p− 1)

= pm(m−1)

2 pm(m+1)

2

(1− 1

pm

)· · ·(

1− 1p

)= pm

2m∏i=1

(1− 1

pi

)erhalten. Insbesondere ist

limp→∞

γm

pm2 = 1 .

Es sei nun H eine Untergruppe einer Gruppe G. Dann operiert H auf G durch Linksmul-tiplikation

H ×G→ G , (h, g) 7→ hg .

Die BahnH.g = Hg = {hg : h ∈ H}

von g ∈ G nennen wir eine Rechtsnebenklasse. Auch operiert H auf G durch

H ×G→ G , (h, g) 7→ gh−1

und die BahnenH.g = gH = {gh−1 : h ∈ H} = {gh : h ∈ H}

unter dieser Operation werden als Linksnebenklassen bezeichnet. Auch definieren wir

G/H := {gH : g ∈ G}

als die Menge aller Linksnebenklassen von H. Ist G/H endlich, so nennen wir

(G : H) := |G/H|

den Index von H in G.Aus der Bahnformel ergibt sich nun direkt das folgende Resultat.

7 Algebra 1

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1 Gruppen

Satz 1.38 (Lagrange). Es sei G eine endliche Gruppe und H ≤ G eine Untergruppe.Dann gilt

|G| = (G : H)|H| .

Insbesondere ist die Ordnung einer Untergruppe stets ein Teiler der Gruppenordnung.

Korollar 1.39. Jede endliche Gruppe primer Ordnung ist zyklisch und wird von jedemvon Eins verschiedenen Element erzeugt.

Beweis. Zu 1 6= g ∈ G betrachten wir H := 〈g〉 ≤ G. Nach dem Satz von Lagrange ist|H| ein Teiler von |G|, ist jedoch von Eins verschieden, weshalb |H| = |G| folgt. Damit istschließlich G = H = 〈g〉.

1.3 Normalteiler und Faktorgruppen

Wir wollen nun auf der Menge G/H der Linksnebenklassen einer Untergruppe H von Geine Gruppenstruktur definieren. Weiter soll G → G/H, g 7→ gH ein Gruppenhomomor-phismus sein, wozu wir

g1H · g2H = g1g2H

für g1, g2 ∈ G fordern wollen. Dies wäre unproblematisch, wenn H = g2Hg−12 für alle

g2 ∈ G gälte. Dann hätten wir nämlich

g1Hg2H = g1g2Hg−12 g2H = g1g2HH = g1g2H .

Definition 1.40. Eine Untergruppe H einer Gruppe G nennen wir einen Normalteilervon G, falls für alle g ∈ G

H = gHg−1 , also gH = Hg

gilt. Wir schreiben dann H E G.

Bemerkung 1.41. Eine Untergruppe H kann ein Normalteiler sein, ohne im Zentrum zuliegen. Es ist nämlich denkbar, dass hg = gh′ für g ∈ G und h 6= h′ ∈ H.Gilt bereits gHg−1 ⊂ H für alle g, so folgt mit g−1Hg ⊂ H bereits H ⊂ gHg−1, alsogHg−1 = H.

Lemma 1.42. Es sei ϕ : G→ G′ ein Gruppenhomomorphismus. Dann ist kerϕ ein Nor-malteiler in G.

Kerne von Homomorphismen sind also Normalteiler.

Beweis. Es sei H := kerϕ. Für g ∈ G und h ∈ H wollen wir ghg−1 ∈ H zeigen undbeobachten dazu

ϕ(ghg−1) = ϕ(g)ϕ(h)ϕ(g−1) = ϕ(g)ϕ(g−1) = 1 ,

also tatsächlich ghg−1 ∈ kerϕ = H. Dies zeigt gHg−1 ⊂ H, womit H ein Normalteilerist.

Satz 1.43. Es sei G eine Gruppe und H E G ein Normalteiler. Dann ist auf G/H eineGruppenstruktur definiert, bezüglich welcher

π : G→ G/H , g 7→ gH

ein Homomorphismus mit kerπ = H ist. Wir nennen G/H auch eine Faktorgruppe.

Algebra 1 8

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1.3 Normalteiler und Faktorgruppen

Beweis. Die Multiplikation auf G/H ist mit π(g)π(h) := π(gh), g, h ∈ G, wohldefiniert,denn

gHhH = ghHh−1hH = ghHH = ghH .

Das neutrale Element in G/H ist π(1) = 1H = H und für π(g) = 1 ist gH = H, was nurfür g ∈ H gelten kann.

Wir können sogar mehr aussagen.

Satz 1.44 (Universelle Eigenschaft des Gruppenquotienten). Es sei G eine Gruppe undH E G ein Normalteiler. Weiter sei ϕ : G → G′ ein Gruppenhomomorphismus mit H ⊂kerϕ. Dann existiert ein eindeutiger Gruppenhomomorphismus ϕ : G/H → G′ mit ϕ◦π =ϕ, d. h. ϕ(gH) = ϕ(g) für alle g ∈ G.

Gϕ //

π��

G′

G/H

∃!ϕ

<<

Außerdem ist ϕ genau dann injektiv, wenn H = kerϕ, und ϕ ist genau dann surjektiv,wenn ϕ surjektiv ist.

Beweis. Wir definieren ϕ(gH) := ϕ(g), was auch die einzige Möglichkeit zur Definitionvon ϕ ist. Um die Wohldefiniertheit von ϕ nachzuweisen, seien g1, g2 ∈ G mit g1H = g2H.Dann gibt es also ein h ∈ H mit g1h = g2, was uns

ϕ(g1H) = ϕ(g1) = ϕ(g1)ϕ(h)︸ ︷︷ ︸=1

= ϕ(g1h) = ϕ(g2) = ϕ(g2H)

liefert.Weiter zeigen wir, dass ϕ ein Gruppenhomomorphismus ist. Dazu beobachten wir fürg1, g2 ∈ G

ϕ(g1g2H) = ϕ(g1g2) = ϕ(g1)ϕ(g2) = ϕ(g1H)ϕ(g2H) .

Nun sei H = kerϕ und es gelte ϕ(gH) = 1. Dann ist also ϕ(g) = ϕ(gH) = 1, wasg ∈ kerϕ = H liefert und somit gH = H = 1H. Umgekehrt sei ϕ injektiv und es gelteϕ(g) = 1. Dann ist 1 = ϕ(g) = ϕ(gH), also gH = H und daher g ∈ H.Die Aussage über die Surjektivität ist klar.

Korollar 1.45. Ist ϕ : G→ G′ ein Gruppenhomomorphismus, so ist die induzierte Abbil-dung ϕ : G/ kerϕ→ imϕ ein Isomorphismus.

Bemerkung 1.46. Offenbar ist in abelschen Gruppen jede Untergruppe ein Normalteiler.Beispiel 1.47. Für G = Z hat bekanntlich jede Untergruppe die Form nZ, n ∈ Z. Fürm ∈ Z ist dann m+ nZ−m = nZ und

Z/nZ = {k + nZ : k = 0, . . . , n− 1}

ist eine Gruppe.

9 Algebra 1

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1 Gruppen

Beispiel 1.48. Die alternierende Gruppe An ist ein Normalteiler in Sn, da diese als KernAn = ker sgn der Signum-Abbildung gegeben ist.

Snsgn //

��

{−1, 1}

Sn/An

99

Entsprechend ist Sn/An isomorph zu {−1, 1}.Beispiel 1.49. Es sei G eine zyklische Gruppe mit Erzeuger g. Dann ist

ϕ : Z→ G , n 7→ gn

ein surjektiver Homomorphismus. Der Kern kerϕ wird erzeugt durch ein m ∈ Z, weshalbG isomorph zu Z/〈m〉 ist.Jede zyklische Gruppe ist also isomorph zu Z oder zu Z/mZ für ein m > 0.

Definition 1.50. Es sei G eine Gruppe. Wir definieren die Ordnung eines Gruppenele-ments g ∈ G als

ord(g) :={∞ falls 〈g〉 ∼= Z ,m falls 〈g〉 ∼= Z/mZ

= |〈g〉| .

Die Ordnung eines Elements g ist (falls sie endlich ist) also die kleinste positive ganze Zahln, für welche gn = 1 gilt. Ist sogar G endlich, so ist ord(g) nach dem Satz von Lagrangeein Teiler von |G|. Insbesondere ist g|G| = 1.Beispiel 1.51. Wir betrachtenG = S5 und g = (123)(45). Dann erhalten wir |G| = 5! = 120und ord(g) = 6.

1.4 Isomorphiesätze

Satz 1.52 (Erster Isomorphiesatz). Es sei G eine Gruppe mit Normalteilern H,K E G,so dass K ⊂ H. Dann ist K ein Normalteiler von H und

(G/K)/(H/K) ∼= G/H .

Beweis. Dass K E G, bedeutet gK = Kg für alle g ∈ G. Somit gilt dies natürlich auchfür alle g ∈ H ⊂ G, was K E H zeigt. Auch existiert nach der universellen Eigenschaft1.44 ein Homomorphismus ϕ : G/K → G/H, welcher das Diagramm

G // //

��

G/H

G/K

ϕ

;;

kommutieren lässt. Dieser ist insbesondere surjektiv und für ϕ(gK) = H muss gH = Hund damit g ∈ H gelten, was

kerϕ = {gK : g ∈ H} = H/K

zeigt. Damit wiederum ist nach Korollar 1.45 (G/K)/(H/K) ∼= G/H.

Algebra 1 10

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1.4 Isomorphiesätze

Satz 1.53. Es sei ϕ : G→ G′ ein surjektiver Gruppenhomomorphismus und H ′ E G′ einNormalteiler. Dann ist H := ϕ−1(H ′) E G und G/H ∼= G′/H ′.

Beweis. Für g ∈ G und h ∈ H ist ϕ(ghg−1) = ϕ(g)ϕ(h)ϕ(g−1) ∈ H ′, also gHg−1 ⊂ H,was H E G zeigt. Nun gibt es genau einen Homomorphismus ϕ : G/H → G′/H ′, welcherdas Diagramm

Gϕ // //

���� $$

G′

����G/H

ϕ// G′/H ′

kommutieren lässt. Offenbar ist ϕ surjektiv und der Kern der Abbildung von G nach G′/H ′ist H, woraus

G/H ∼= G′/H ′

folgt.

Satz 1.54 (Zweiter Isomorphiesatz). Es sei G eine Gruppe mit einem Normalteiler H E Gund einer Untergruppe K ≤ G. Dann ist H ∩K E K,

KH = HK = {hk : h ∈ H, k ∈ K}

ist eine Untergruppe von G und H E HK. Weiterhin gilt

K/(H ∩K) ∼= HK/H .

Beweis. (1). Für h ∈ H ∩K und k ∈ K ist zunächst khk−1 ∈ K, aber auch khk−1 ∈ H,da H ein Normalteiler ist. Damit ist k(H ∩K)k−1 ⊂ H ∩K, was H ∩K E K zeigt.(2). Zunächst ist kH = Hk für alle k ∈ K ⊂ G, also KH = HK. Damit ist

HK ·HK = H(KH)K = H(HK)K = HHKK = HK ,

was HK ≤ G zeigt.(3). Dass H E HK gilt, ist klar. Wir betrachten nun die Abbildung ϕ : K → HK/H,welche k auf kH abbildet. Diese ist surjektiv, dennHK/H ist die Menge aller NebenklassenhkH, mit h ∈ H und k ∈ K, wobei hkH = Hhk = Hk = kH = ϕ(k). Weiter ist offenbarkerϕ = H ∩K, womit K/(H ∩K) nach Korollar 1.45 isomorph zu HK/H ist.

11 Algebra 1

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2 Die Sätze von Sylow

2 Die Sätze von Sylow

Ist G eine endliche Gruppe, so gilt nach dem Satz von Lagrange, dass für jede UntergruppeH die Ordnung |H| ein Teiler von |G| ist. Die Umkehrung ist jedoch falsch: Nicht jederTeiler der Gruppenordnung ist Ordnung einer Untergruppe.Beispiel 2.1. Betrachte G = A4 mit der Ordnung |A4| = 12. Als Übungsaufgabe wirdgezeigt, dass A4 keine Untergruppe der Ordnung Sechs besitzt.

Der erste Sylowsche Satz jedoch wird zeigen, dass die Umkehrung zumindest für diejenigenTeiler der Gruppenordnung gültig ist, welche eine Primpotenz sind. Zunächst jedoch istetwas Vorbereitung nötig.

2.1 Exponent und Klassengleichung

Definition 2.2. Es sei G eine endliche Gruppe. Der Exponent exp(G) von G ist diekleinste positive ganze Zahl n, welche gn = 1 für alle g ∈ G liefert.

Beispiel 2.3. Wir betrachten die alternierende Gruppe G = A4, welche aus Dreierzykeln,Produkten disjunkter Zykel und der Identität besteht. Der Exponent von A4 ist damitexp(A4) = 6.

Lemma 2.4. Es sei G eine endliche Gruppe.

(i) Der Exponent exp(G) ist das kleinste gemeinsame Vielfache der Ordnungen ord(g)aller Gruppenelemente g ∈ G.

(ii) Der Exponent exp(G) ist ein Teiler der Gruppenordnung |G|.

(iii) Ist G zyklisch, so gilt exp(G) = |G|.

(iv) Für alle Untergruppen H ≤ G gilt exp(H)| exp(G).

(v) Ist H ein Normalteiler, so gilt sogar exp(G/H)| exp(G).

Beweis. (i). Für g ∈ G gilt gexp(G) = 1, womit bereits ord(g)| exp(G) folgt. Ist umgekehrtn ∈ N so gegeben, dass ord(g)|n für alle g ∈ G gilt, so ist gn = 1 für alle g ∈ G. Damit istexp(G) ≤ n.(ii). Zunächst ist ord(g) für alle g ∈ G ein Teiler von |G| und so auch exp(G) als kleinstesgemeinsames Vielfache.(iii). Klar.(iv). Auch klar.(v). Es sei π : G→ G/H der kanonische Homomorphismus. Da gexp(G) = 1 für alle g ∈ Ggilt, folgt auch ϕ(g)exp(G) = 1, also exp(G/H)| exp(G).

Lemma 2.5. Ist G eine endliche, abelsche Gruppe, so gibt es ein k ∈ N, für welches |G|ein Teiler von exp(G)k ist.

Dies besagt, dass jeder Primfaktor von |G| auch Primfaktor von exp(G) ist.

Beweis. Wir führen den Beweis mittels Induktion nach |G|. Für |G| = 1 ist die Aussagetrivial.

Algebra 1 12

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2.1 Exponent und Klassengleichung

Ist |G| > 1, nehmen wir o. B. d.A. an, dass G nicht zyklisch ist. Es sei nun g ∈ G von Einsverschieden und H := 〈g〉 ist ein Normalteiler, da G abelsch ist. Dann ist H 6= G und esgilt |G/H| < |G|. Nach Induktionsvoraussetzung gebe es k1, k2 ∈ N, so dass |H| ein Teilervon exp(H)k1 und |G/H| ein Teiler von exp(G/H)k2 ist. Das vorige Lemma liefert, dass|H| ein Teiler von exp(G)k1 und |G/H| ein Teiler von exp(G)k2 ist. Mit |G| = |H||G/H|erhalten wir, dass |G| ein Teiler von exp(G)k1+k2 ist.

Korollar 2.6. Es sei G eine endliche, abelsche Gruppe und die Primzahl p Teiler derGruppenordnung |G|. Dann hat G eine Untergruppe der Ordnung p.

Beweis. Nach dem obigen Lemma ist p auch ein Teiler von exp(G), es existiert daher eing ∈ G mit p| ord(g). Für ord(g) = pk, k ∈ N, ist also ord(gk) = p, womit die Untergruppe〈gk〉 Ordnung p hat.

Wir kommen nun zur Klassengleichung. Dazu sei G eine endliche Gruppe. Diese operiertbekanntlich auf sich selbst durch Konjugation

G×G→ G , (g, x) 7→ gxg−1

und die Bahn eines Elements x ∈ G nennen wir die Konjugationsklasse Kx von x. DenStabilisator von x unter diese Operation nennen wir auch den Zentralisator und schreibendafür

Zx := {g ∈ G : gxg−1 = x} .

Die Bahnformel 1.35 besagt nun

|Kx| =|G||Zx|

= (G : Zx) .

Insbesondere gilt genau dann |Kx| = 1, wenn G = Zx, wenn also x im Zentrum Z(G)liegt. Die Konjugationsklassen bilden außerdem eine Partition von G und bezeichnen wirdie nichttrivialen Konjugationsklassen mit Kxi , i = 1, . . . , n, so erhalten wir

G = Z(G) ∪Kx1 ∪ · · · ∪Kxn =⋃

x∈Z(G){x} ∪

n⋃i=1

Kxi ,

was uns die Klassengleichung

|G| = |Z(G)|+n∑i=1

(G : Zxi)

liefert.

Definition 2.7. Eine Gruppe G heißt p-Gruppe, falls p eine Primzahl ist und die Ordnungvon G eine Potenz von p ist, also |G| = pk für ein k ∈ N.

Korollar 2.8. Ist G eine p-Gruppe und |G| > 1, so ist Z(G) 6= {e}.

Beweis. Betrachten wir die Klassengleichung

|G| = |Z(G)|+n∑i=1

(G : Zxi) ,

so stellen wir fest, dass alle Indizes (G : Zxi) Teiler von pk und mit (G : Zxi) > 1 tatsächlichein Vielfaches von p. Daher muss auch |Z(G)| ein Vielfaches von p sein.

13 Algebra 1

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2 Die Sätze von Sylow

Nachdem wir bereits wissen, dass Gruppen primer Ordnung abelsch und sogar zyklischsind, kommen wir zu folgendem Resultat.

Korollar 2.9. Jede p-Gruppe G der Ordnung |G| = p2 ist abelsch.

Beweis. Da G eine p-Gruppe ist, gilt zumindest |Z(G)| > 1. Ist |Z(G)| = p2, so ist dieBehauptung mit Z(G) = G bewiesen. Wäre jedoch |Z(G)| = p, so würde mit |G/Z(G)| = pfolgen, dass G/Z(G) zyklisch ist und mit einer Übungsaufgabe würde nun folgen, dassG = Z(G) abelsch ist.

2.2 Sylowsche Sätze

Wir untersuchen nun die p-Untergruppen endlicher Gruppen. (also Untergruppen, welchep-Gruppen sind)

Satz 2.10 (Erster Sylowscher Satz). Es sei G eine endliche Gruppe und pk ein Teiler von|G|, wobei p eine Primzahl sei. Dann existiert eine Untergruppe von G der Ordnung pk.

Beweis. Wir beweisen den Satz durch Induktion nach |G|. Für |G| = 1 ist die Behauptungtrivial. Ist nun pk, k > 0, ein Teiler der Gruppenordnung |G|, so unterscheiden wir zweiFälle:Im ersten Fall ist p kein Teiler von |Z(G)|, weshalb es aufgrund der Klassengleichung einxi ∈ G geben muss, für welches p auch kein Teiler von (G : Zxi) > 1 ist. Aus |G| = |Zxi |(G :Zxi) folgt dann, dass pk ein Teiler von |Zxi | < |G| ist. Gibt es nach Induktionsvoraussetzungeine Untergruppe H von Zxi der Ordnung pk, so ist H ebenso eine Untergruppe von Gder Ordnung pk.Im zweiten Fall ist p ein Teiler von |Z(G)|. Korollar 2.6 liefert die Existenz einer Unter-gruppe H ≤ Z(G) der Ordnung p. Da H im Zentrum liegt, ist H auch ein Normalteilervon G und wir erhalten |G| = |H||G/H|. Nun ist pk−1 ein Teiler der Ordnung der GruppeG/H, welche nach Induktionsvoraussetzung eine Untergruppe K ≤ G/H der Ordnungpk−1 besitze. Ist π : G→ G/H die kanonische Projektion, so setzen wir L := π−1(K) ≤ G.Dann ist L/H isomorph zuK, also |L/H| = |K| = pk−1, was |L| = |H||L/H| = ppk−1 = pk

liefert.

Beispiel 2.11. Wir betrachten die alternierende Gruppe G = A4 der Ordnung |A4| = 4·3 =22 · 3. Nach dem ersten Sylowschen Satz 2.10 hat A4 eine Untergruppe der Ordnung Vier.Eine solche ist die Kleinsche Vierergruppe

K :={id, (12)(34), (13)(24), (14)(23)

},

wie man leicht überprüft.

Wir fragen uns, ob K die einzige solche Untergruppe ist. Zu einer allgemeinen Überlegungsei g ∈ G und wir betrachten den Gruppenautomorphismus

Kg : G→ G , x 7→ gxg−1 ,

also die Konjugation mit g. Ist H nun eine Untergruppe von G, so ist Kg(H) ebenfalls eineUntergruppe und isomorph zu H. Bevor wir darauf zurückkommen, geben wir folgendeDefinition an.

Algebra 1 14

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2.2 Sylowsche Sätze

Definition 2.12. Es sei G eine endliche Gruppe der Ordnung |G| = pma, wobei p keinTeiler von a ist und m > 0. Diejenigen Untergruppen von G der Ordnung pm nennen wirp-Sylow-Untergruppen von G.

Eine p-Sylow-Untergruppe ist also gewissermaßen eine maximale p-Untergruppe.Bemerkung 2.13. Nach dem ersten Sylowschen Satz 2.10 existieren p-Sylow-Untergruppen.Beispiel 2.14. Die Kleinsche Vierergruppe ist eine 2-Sylow-Untergruppe der alternierendenGruppe A4.Bemerkung 2.15. Ist S eine p-Sylow-Untergruppe und g ∈ G, so ist auch gSg−1 = Kg(S)eine p-Sylow-Untergruppe.

Lemma 2.16. Es sei G eine endliche Gruppe, S ≤ G eine p-Sylow-Untergruppe undH ≤ G eine p-Untergruppe. Dann existiert ein g ∈ G, so dass H ≤ gSg−1.

Beweis. Die Untergruppe H operiert auf der Menge G/S = {gS : g ∈ G} der Linksne-benklassen durch Linksmultiplikation: h.gS = (hg)S. Weiter bezeichne B(gS) ⊂ G/S dieBahn von gS unter dieser Operation. Dann ist |B(gS)| ein Teiler von |H|, was eine Potenzvon p ist. Es ist also entweder |B(gS)| = 1 oder |B(gS)| ein Vielfaches von p.Zunächst sei |B(gS)| = 1 für ein g ∈ G, also B(gS) = {gS}. Dann gilt für alle h ∈ Hdie Gleichheit hgS = gS, also hg ∈ gS, was wiederum h ∈ gSg−1 bedeutet. Dies zeigtH ≤ gSg−1.Wir zeigen nun, dass tatsächlich stets ein g ∈ G mit |B(gS)| = 1 existiert. Dazu sei|G| = pma, wobei p kein Teiler von a sei. Dann ist

|G/S| = (G : S) = |G||S|

= a .

Die Betrachung der Bahnpartition zeigt, dass es ein g ∈ G geben muss, für welches |B(gS)|kein Vielfaches von p ist.

Korollar 2.17 (Zweiter Sylowscher Satz). Es sei G eine endliche Gruppe, deren Ordnungein Vielfaches von p sei. Dann ist jede p-Untergruppe von G in einer p-Sylow-Untergruppeenthalten. Weiter sind alle p-Sylow-Untergruppen konjugiert zueinander.Außerdem erfüllt die Anzahl sp der p-Sylow-Untergruppen die Relationen sp||G| und sp ≡ 1mod p.

Die beiden genannten Relationen werden nach dem folgenden Lemma bewiesen.

Lemma 2.18. Es seien S und S′ zwei p-Sylow-Untergruppen von G. Ist S im Normali-sator

NG(S′) := {g ∈ G : gS′g−1 = S′}

von S′ in G enthalten, so ist bereits S = S′.

Beweis. Nach Definition des Normalisators ist S′ E NG(S′) und aus S ≤ NG(S′) erhaltenwir mit dem zweiten Isomorphiesatz 1.54 SS′ ≤ NG(S′) und

SS′/S′ ∼= S/(S′ ∩ S) .

Insbesondere ist |SS′/S′| = |S/(S′ ∩ S)| eine p-Potenz, womit dies auch für |S′S| =|S′S/S′| · |S′| gilt. Da außerdem S ≤ S′S gilt und S eine p-Sylow-Untergruppe ist (alsomaximal), folgt S = S′S. Analog zeigt man S′ = S′S, was S = S′S = S′ zeigt.

15 Algebra 1

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2 Die Sätze von Sylow

Wir beweisen nun die Relationen für sp, welche wir in Korollar 2.17 behauptet haben.

Beweis. Die Gruppe G operiert auf der Menge Sp der p-Sylow-Untergruppen transitivdurch Konjugation. Nach der Bahnformel zeigt dies bereits, dass sp ein Teiler von |G| ist.Weiter sei S ∈ Sp. Wir betrachten nun die Operation von S auf Sp durch Konjugation.Dazu bezeichnen wir mit B(S′) die Bahn von S′ ∈ Sp bezüglich dieser Operation. Klarist, dass B(S) = {S}, also |B(S)| = 1. Allgemeiner ist |B(S′)|, S′ ∈ Sp, ein Teiler von |S|,weshalb |B(S′)| eine p-Potenz ist.Wir nehmen zuerst |B(S′)| = 1 an. Dann ist B(S′) = {S′}, also gS′g−1 = S′ für alle g ∈ S.Dies wiederum zeigt S ⊂ NG(S′), woraus wir mit Lemma 2.18 S = S′ erhalten.Alle von B(S) verschiedenen Bahnen können daher nicht nur ein Element enthalten. DieBahnzerlegung

Sp = {S} ∪⋃S′ 6=S

B(S′)

ergibtsp = |Sp| = 1 + kp

für irgendein k ∈ N.

Bemerkung 2.19. Ist |G| = pma, m > 0 und a kein Vielfaches von p, so teilt die Anzahl spder p-Sylow-Untergruppen von G nicht nur |G|, sondern sogar a. Mit sp ≡ 1 mod p kannp nämlich kein Teiler von sp sein.Beispiel 2.20. Wir betrachten die alternierende Gruppe G = A4 der Ordnung |A4| = 22 ·3.Mit 〈(123)〉 finden wir eine 3-Sylow-Untergruppe und alle anderen sind zu dieser konjugiert,womit wir

S3 ={〈(123)〉, 〈(124)〉, 〈(134)〉, 〈(234)〉}

erhalten. Und tatsächlich ist |S3| = 4 ein Teiler der Gruppenordnung 12 und es gilt 4 ≡ 1mod 3.Weiterhin ist die bereits bekannte Kleinsche Vierergruppe eine 2-Sylow-Untergruppe. Dieseist ein Normalteiler, weshalb sie die einzige solche sein muss.

2.3 Anwendungen

Definition 2.21. Eine Gruppe G heißt einfach, wenn G nicht die triviale Gruppe {e} istund falls es außer {e} und G selbst keine weiteren Normalteiler in G gibt.

Lemma 2.22. Eine abelsche endliche Gruppe G ist genau dann einfach, wenn |G| primist.

Beweis. Die Rückrichtung ist klar. Für „⇒“ sei G einfach und p ein Teiler von |G|. NachKorollar 2.6 existiert eine Untergruppe H ≤ G der Ordnung p. Diese ist ein Normalteiler,da G abelsch ist. Als einfache Gruppe muss G damit gleich H sein, was |G| = p zeigt.

Beispiel 2.23. Die alternierende Gruppe A3 ist einfach, da |A3| = 3. Die alternierendeGruppe A4 jedoch ist nicht einfach, da sie mit der Kleinschen Vierergruppe einen nicht-trivialen Normalteiler besitzt. Später werden wir beweisen, dass An für n ≥ 5 jedoch stetseinfach ist.Auch die symmetrische Gruppe Sn ist nicht einfach, da sie die alternierende Gruppe Anals Normalteiler besitzt.

Algebra 1 16

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2.3 Anwendungen

Bemerkung 2.24. Ist H eine p-Sylow-Untergruppe von G, so ist H genau dann ein Nor-malteiler H E G, wenn H die einzige p-Sylow-Untergruppe von G ist, d. h. sp = 1.Beispiel 2.25. Es seien p < q zwei Primzahlen. Dann enthält jede Gruppe G der Ordnungpq einen Normalteiler der Ordnung q und ist insbesondere nicht einfach.

Beweis. Um sq = 1 zu zeigen, wollen wir den zweiten Sylowschen Satz 2.17 verwenden,welcher uns sq ≡ 1 mod q und sq|p liefert. Es muss also entweder sq = 1 oder sq = pgelten. Wegen p < q jedoch ist p ≡ 1 mod q unmöglich, weshalb tatsächlich sq = 1 geltenmuss und die einzige q-Sylow-Untergruppe ein Normalteiler ist.

Beispiel 2.26. Auch jede Gruppe der Ordnung 40 ist nicht einfach, enthält nämlich einenNormalteiler der Ordnung 5.

Beweis. Auch hier wollen wir s5 = 1 zeigen. Aus s5|8 erhalten wir s5 ∈ {1, 2, 4, 8} und auss5 ≡ 1 mod 5 wiederum s5 ∈ {1, 6, 11, . . . }, was schließlich nur s5 = 1 zulässt.

Beispiel 2.27 (Diedergruppen). Wir betrachten ein regelmäßiges n-Eck. Die DiedergruppeDn definieren wir als die Gruppe aller Drehungen und Spiegelungen welche dieses regel-mäßige n-Eck auf sich selbst abbilden. Dabei bezeichnen wir mit d ∈ Dn die Drehungum 2π

n (gegen den Uhrzeigersinn) und mit s ∈ Dn die Spiegelung an einer fest gewähltenSymmetrieachse. Alle weiteren Drehungen in Dn erhalten wir als Potenzen di von d, alleweiteren Spiegelungen als Produkte dis einer Drehung und der Spiegelung s, wobei jeweilsi = 1, . . . , n− 1, wie wir es für den Fall n = 5 veranschaulichen:

s

ds

d2s

d3sd4s

Die Diedergruppe Dn können wir also als

Dn = {e, d, d2, . . . , dn−1, s, ds, . . . , dn−1s}

darstellen. Insbesondere hat Dn die Ordnung |Dn| = 2n. Weiter bemerken wir dn = e,s2 = e (also s = s−1) und sds = d−1.Die zyklische Untergruppe Cn = 〈d〉 = {e, d, . . . , dn−1} ist ein Normalteiler mit (Dn :Cn) = 2, da sdis−1 = sdis = (sds)i = d−i.Bemerkung 2.28. Die Diedergruppe D2 = {e, d, s, sd} ist isomorph zur Kleinschen Vierer-gruppe. Für n ≥ 3 ist Dn jedoch nicht abelsch, was wir mit sds = d−1 6= ssd = d einsehen.Aus d = d−1 würde mit d2 = e nämlich n|2 folgen.

17 Algebra 1

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2 Die Sätze von Sylow

Satz 2.29. Es sei G eine Gruppe der Ordnung |G| = pq, wobei p < q zwei Primzahlenseien. Dann gilt entweder G ∼= Zpq oder aber es gibt s, d ∈ G mit ord(s) = p und ord(d) =q, so dass

ds = sdr ,

wobei 2 ≤ r ≤ q − 1, p|q − 1 und q|(rp − 1).

Bevor wir diesen Satz beweisen, geben wir eine Folgerung an.

Korollar 2.30. Ist in obiger Situation p kein Teiler von q − 1, so muss G ∼= Zpq sein.Dies trifft z. B. auf Gruppen der Ordnung 15 zu, welche somit stets zyklisch sind.

Korollar 2.31. Es gelte |G| = 2q, wobei q > 2 eine Primzahl sei. Dann ist G entwederisomorph zu Z2q oder zur Diedergruppe Dq.

Beweis. Wir wollen zeigen, dass im zweiten Fall des obigen Satzes G isomorph zur Dieder-gruppe Dq ist. In diesem zweiten Fall ist r2− 1 = (r+ 1)(r− 1) ≡ 0 mod q, also entwederr ≡ 1 mod q oder r ≡ −1 mod q. Mit 2 ≤ r ≤ q − 1 bleibt nur r = q − 1 ≡ −1 möglich,was die Relation ds = sd−1 der Diedergruppe liefert.

Wir kommen nun zum Beweis des verwendeten Satzes.

Beweis von Satz 2.29. Es sei H E G die nach Beispiel 2.25 eindeutig bestimmte q-Sylow-Untergruppe von G. Als Gruppe primer Ordnung |H| = q ist H zyklisch mit einem Erzeu-ger d ∈ H, welcher also H = 〈d〉 und ord(d) = q erfüllt. Weiter ist entweder sp = 1 odersp = q.Wir betrachten den ersten Fall sp = 1. Dann sei K E G die ebenfalls eindeutig bestimmtep-Sylow-Untergruppe von G. Wir haben wieder einen Erzeuger s ∈ K der Ordnung p. Da|H ∩K| ein gemeinsamer Teiler von p und q ist, muss H ∩K = {e} sein. Außerdem ist

(sds−1)︸ ︷︷ ︸∈H

d−1 = s (ds−1d−1)︸ ︷︷ ︸∈K

∈ H ∩K = {e} ,

also sd = ds. Wir wählen nun i so, dass (sd)i = e. Dann erhalten wir si = d−i ∈ H ∩K,also si = d−i = e. Insbesondere sind p = ord(s) und q = ord(d) Teiler von i. Mit pq|i zeigtdies ord(sd) = pq, also G = 〈sd〉 ∼= Zpq.Wir betrachten nun den zweiten Fall sp = q. Es sei K eine p-Sylow-Untergruppe von G, zuwelcher wir wieder einen Erzeuger s ∈ K der Ordnung p finden und für welche wir wiederH ∩K = {e} erhalten. Weiterhin ergibt sich

HK/H ∼= K/(H ∩K) ∼= K

und daher |HK| = |HK/H||H| = |K||H| = pq = |G|, was HK = G zeigt. Da außerdemH ein Normalteiler ist, gibt es ein r ∈ {1, . . . , q − 1}, für welches s−1ds = dr gilt. DenFall r = 1 haben wir oben bereits behandelt und nehmen nun r ≥ 2 an. Wir erhalteninsbesondere s−1dis = (s−1ds)i = dri, also auch s−2ds2 = s−1(s−1ds)s = s−1drs = dr

2 .Wegen sp = e ergibt sich nun d = s−pdsp = dr

p , was rp ≡ 1 mod q zeigt, denn q ist dieOrdnung von d.

Algebra 1 18

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3 Fortführung der Gruppentheorie

3.1 Direkte Produkte

Wir erinnern an die Konstruktion des externen direkten Produkts vor Bemerkung 1.22.Sind G1, . . . , Gr Gruppen, so betrachten wir die Gruppe

G := G1 × · · · ×Gr .

Außerdem setzen wir

G′i := {e} × · · · × {e} ×Gi × {e} × · · · × {e} .

Dann ist G′i isomorph zu Gi und ein Normalteiler von G. Außerdem gilt gigj = gjgi füralle gi ∈ G′i und gj ∈ G′j mit i 6= j.Wir wollen uns nun umgekehrt damit befassen, wann eine Gruppe G isomorph zu einemdirekten Produkt G1 × · · · ×Gr von Normalteilern Gi E G ist.

Lemma 3.1. Es sei G eine Gruppe, H E G und K ≤ G.

(i) Dann ist HK = KH ≤ G.

(ii) Ist auch K E G und H ∩K = {e}, so ist hk = kh für alle h ∈ H und k ∈ K.

Beweis. (i). Für k ∈ K gilt Hk = kH, also HK = KH. Damit ist

(HK)(HK) = (HK)(KH) = HKH = H(KH) = H(HK) = HK .

Da für h ∈ H und k ∈ K auch (hk)−1 = k−1h−1 ∈ KH = HK ist, folgt HK ≤ G.(ii). Für h ∈ H und k ∈ K ist hkh−1 ∈ K und kh−1k−1 ∈ H, also

(hkh−1)k−1 ∈ K und h(kh−1k−1) ∈ H .

Dies zeigt hkh−1k−1 ∈ K ∩H, womit hkh−1k−1 = e gelten muss, d. h. hk = kh.

Definition 3.2. Es seien G1, . . . , Gr Normalteiler einer Gruppe G. Dann heißt G internesdirektes Produkt von G1, . . . , Gr, falls die Abbildung

ϕ : G1 × · · · ×Gr → G , (g1, . . . , gr) 7→ g1 · · · gr (3.1)

ein Gruppenisomorphismus ist.

Lemma 3.3. Für Normalteiler G1, . . . , Gr einer Gruppe G sind die folgenden Aussagenäquivalent:

(i) Die Gruppe G ist internes direktes Produkt von G1, . . . , Gr.

(ii) Es giltG = G1 · · ·Gr :=

{g1 · · · gr : gi ∈ Gi

}und für alle i = 1, . . . , r ist

(G1 · · ·Gi−1

)∩Gi = {e}.

19 Algebra 1

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3 Fortführung der Gruppentheorie

Beweis. (i)⇒(ii). Die Gleichheit G = G1 · · ·Gr erhalten wir direkt aus der Surjektivitätvon ϕ aus (3.1). Für ein i ∈ {1, . . . , r} gelte nun g1 · · · gi−1 = gi, wobei gj ∈ Gj . Um zuzeigen, dass dann gi = e, beobachten wir g1 · · · gi−1g

−1i = e, woraus wir aus der Injektivität

von ϕ tatsächlich g1 = . . . = gi−1 = gi = e erhalten. Dies zeigt(G1 · · ·Gi−1

)∩Gi = {e}.

(ii)⇒(i). Zunächst ist ϕ nach Lemma 3.1 ein Gruppenhomomorphismus. Die Surjektivitäterhalten wir aus G = G1 · · ·Gr. Um Injektivität nachzuweisen, nehmen wir ϕ(g1, . . . , gr) =g1 · · · gr = e an. Insbesondere ist nun

g1 · · · gr−1 = g−1r ∈

(G1 · · ·Gr−1

)∩Gr = {e} ,

also gr = e und g1 · · · gr−1 = e. Induktiv erhalten wir g1 = . . . = gr−1 = gr = e.

Bemerkung 3.4. Ein externes Produkt G := G1 × · · · × Gr ist internes Produkt der Nor-malteiler

G′i := {e} × · · · × {e} ×Gi × {e} × · · · × {e} E G .

Bemerkung 3.5. Für abelsche bzw. additiv geschriebene Gruppen bezeichnen wir die di-rekte Summe von Gi, i = 1, . . . , r, mit

G =r

⊕i=1

Gi .

Anstelle von G1 · · ·Gr schreiben wir G1 + · · ·+Gr.

3.2 Semidirekte Produkte

Definition 3.6. Es sei G eine Gruppe, N E G ein Normalteiler und H ≤ G eine Unter-gruppe. Dann heißt G (internes) semidirektes Produkt von N und H, falls G = NH undN ∩H = {e}.

Ist dies der Fall, so operiert H auf N durch Konjugation:

H ×N → N , (h, n) 7→ hnh−1 .

Der zugehörige Gruppenhomomorphismus ist

ρ : H → Aut(N) , ρ(h)(n) := hnh−1 .

Abbildung 1: Eine Merkhilfe?

Beispiel 3.7. Wir wählen G = Sn, N = An und H = 〈(1, 2)〉 = {e, (1, 2)}. Dann ist

Sn = AnH = An ∪ {π(1, 2) : π ∈ An}

und An ∩H = {e}.

Algebra 1 20

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3.2 Semidirekte Produkte

Beispiel 3.8. Wir betrachten G = Dn, N = 〈d〉 ∼= Zn und H = 〈s〉 ∼= Z2. Dann ist

Dn = NH ={di : i ≤ n

}∪{dis : i ≤ n

}und N ∩H = {e}. Hierbei ist ρ : H → Aut(N) dadurch gegeben, dass

ρ(e) = idN

undρ(s) : N → N , d 7→ sds = d−1 .

Wir erinnern auch an die Situation, in der wir eine Gruppe G der Ordnung |G| = pqbetrachteten, wobei p < q Primzahlen sind. In diesem Fall ist entweder G ∼= Zpq oderes ist G = 〈s, d〉 mit ord(s) = p und ord(d) = q mit ds = sdr, r ∈ Z. Wir behaupten,dass in letzterem Fall ein semidirektes Produkt vorliegt. Dabei wählen wir N := 〈d〉 alsNormalteiler. Dass tatsächlich N E G folgt dabei aus sq = 1, also daraus, dass N dieeinzige p-Sylow-Untergruppe von G ist. Mit H := 〈s〉 überprüfen wir leicht G = NH undN ∩H = {e}, dass also G tatsächlich das semidirekte Produkt von N und G ist.Wir wollen nun zeigen, wie sich ein semidirektes Produkt G = NH eindeutig bis aufIsomorphie aus den beteiligten Untergruppen N und H und dem zugehörigen Gruppen-homomorphismus ρ : H → Aut(N) konstruieren lässt. Dazu zeigen wir, dass die Gruppen-struktur auf G = NH eindeutig durch N , H und ρ bestimmt ist. Sind nämlich n1h1 ∈ NHund n2h2 ∈ NH, so können wir das Produkt (n1h1)(n2h2) darstellen, ohne auf die Multi-plikation in G zurückgreifen zu müssen, indem wir

(n1h1)(n2h2) = n1h1n2h−11 h1h2 = n1(h1n2h

−11 )h1h2 = n1ρ(h1)(n2)︸ ︷︷ ︸

∈N

h1h2︸ ︷︷ ︸∈H

(3.2)

beobachten. Da wir also das semidirekte Produkt NH von N und H mit zugehörigemGruppenhomomorphismus ρ : H → Aut(N) ohne Verwendung von G darstellen können,kann uns dies Motivation sein, semidirekte Produkte von beliebigen Gruppen zu bilden,die nicht in einer gemeinsamen Obergruppe G enthalten sind (welche wir für die Grup-penstruktur auf NH nicht benötigen).

Definition 3.9. Es seien N und H zwei Gruppen und ρ : H → Aut(N) ein Gruppenho-momorphismus. Dann definieren wir auf dem kartesischen Produkt N ×H die durch (3.2)inspirierte Multiplikation

(n1, h1)(n2, h2) :=(n1ρ(h1)(n2), h1h2

).

So entsteht auf N×H eine Gruppenstruktur (Übung) und wir bezeichnen die entstandeneGruppe mit N oρ H und nennen sie das (externe) semidirekte Produkt von N und H.

Dass diese Bezeichnung tatsächlich sinnvoll ist, zeigt das folgende Lemma.

Lemma 3.10. Es seien N und H zwei Gruppen und ρ : H → Aut(N) ein Gruppenhomo-morphismus. Wir setzen G := N oρ H, N ′ := N × {e} und H ′ := {e} ×H. Dann geltendie folgenden Aussagen.

(i) Es ist N ′ E G ein Normalteiler von G.

(ii) Es ist H ′ ≤ G eine Untergruppe von G.

(iii) Es gilt G = N ′H ′.

21 Algebra 1

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3 Fortführung der Gruppentheorie

(iv) Der Schnitt N ′ ∩H ′ = {(e, e)} von N ′ und H ′ ist trivial.

Mit anderen Worten ist also das externe semidirekte Produkt von N und H das internesemidirekte Produkt von N ′ und H ′.

Beweis. Die Aussagen (ii) und (iv) sind nach Definition von N ′ und H ′ klar, ebenso dieUntergruppeneigenschaft von N ′, denn für n1, n2 ∈ N ist

(n1, e)(n2, e) = (n1ρ(e)(n2), ee) = (n1 id(n2), e) = (n1n2, e) .

Für (iii) beobachten wir, dass wir (n, h) ∈ G stets als Produkt

(n, e)(e, h) = (nρ(e)(e), eh) = (n, h)

darstellen können.Um nun zu zeigen, dass N ′ nicht nur Untergruppe, sondern sogar Normalteiler von G ist,bemerken wir zunächst, dass wir nach (iii) jedes g ∈ G als g = n′h′ mit n′ = (n, e) ∈ N ′ undh′ = (e, h) ∈ H ′ schreiben können. Dann ist wegen (n′h′)−1 = (h′)−1(n′)−1 die Konjugationmit n′h′ dasselbe wie die Konjugation mit h′ gefolgt von einer Konjugation mit n′. Daletztere offenbar die Untergruppe N ′ invariant lässt, bleibt es zu zeigen, dass auch dieKonjugation mit h′ die Untergruppe N ′ invariant lässt. Um wiederum dies nachzuweisen,beobachten wir zunächst (e, h)−1 = (e, h−1) und damit

(e, h)(n, e)(e, h)−1 = (e, h)(n, e)(e, h−1) =(eρ(h)(n), he

)(e, h−1) =

(ρ(h)(n), h

)(e, h−1)

=(ρ(h)(n)ρ(h)(e), hh−1) =

(ρ(h)(n), e

)∈ N ′ .

Auch interne semidirekte Produkte können wir als externe semidirekte Produkte auffassen.

Satz 3.11. Es sei G internes semidirektes Produkt von N E G und H ≤ G. Definierenwir ρ : H → Aut(N) durch die Konjugation ρ(h)(n) := hnh−1, so sind N oρH und G aufkanonische Weise isomorph, es ist nämlich

N oρ H → G , (n, h) 7→ nh

ein Gruppenisomorphismus. Weiterhin ist G/N isomorph zu H.

Beweis. Dass die genannte Abbildung ein Homomorphismus ist, ergibt sich aus der Glei-chung (3.2) für die Multiplikation in G, nach welcher wir nämlich die Multiplikation inN oρ H definiert haben.Die Injektivität ergibt sich durch N ∩H = {e} und die Surjektivität durch G = NH, wasgerade die Definition eines internen semidirekten Produktes ist.Weiterhin bemerken wir, dass die Abbildung G → H, welche nh auf h abbildet ein sur-jektiver Gruppenhomomorphismus ist, dessen Kern gerade N ist, womit schließlich auchG/N = H folgt.

Beispiel 3.12. Wir greifen Beispiel 3.8 auf und setzen N := 〈d〉 E Dn und H := 〈s〉 ≤ Dn,so dass Dn das semidirekte Produkt von N und H ist. Mit dem zugehörigen Gruppen-homomorphismus (ρ(s)(di) = d−i), N ∼= Zn und H ∼= Z2 ist also die Diedergruppe Dn

isomorph zum semidirekten Produkt Zn oρ Z2 der zyklischen Gruppen Zn und Z2.

Algebra 1 22

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3.3 Auflösbare Gruppen

3.3 Auflösbare Gruppen

Definition 3.13. Es sei G eine Gruppe. Eine Kette

G = G0 ≥ G1 ≥ . . . ≥ Gr = {e}

heißt Normalreihe von G, falls Gi+1 stets ein Normalteiler von Gi ist, wobei i = 0, . . . , r−1. Eine Gruppe Gi/Gi+1 heißt Faktor der Normalreihe und die Zahl r heißt Länge derNormalreihe.

Definition 3.14. Eine Gruppe G heißt auflösbar , falls sie eine Normalreihe mit abelschenFaktoren besitzt.

Ein Beispiel für auflösbare Gruppen liefert der folgende Satz.

Lemma 3.15. Jede p-Gruppe ist auflösbar. Genauer: Es sei G eine Gruppe der Ordnung|G| = pr, wobei p eine Primzahl sei. Dann existiert eine Normalreihe

G = G0 ≥ G1 ≥ . . . ≥ Gr = {e} ,

so dass |Gi/Gi+1| = p für alle i = 0, . . . , r− 1. Die Faktoren sind also zyklisch (und damitabelsch) von der Ordnung p.

Beweis. Wir führen eine Induktion über r durch. Der Induktionsanfang für r = 0 ist leicht,denn dann ist G die triviale Gruppe.Ansonsten wissen wir, dass |Z(G)| > 1 ist und wir eine Untergruppe H ≤ Z(G) derOrdnung |H| = p wählen können. Dann ist H sogar ein Normalteiler und G/H eineGruppe der Ordnung pr−1. Finden wir eine Normalreihe

G/H = G′0 ≥ G′1 ≥ . . . ≥ G′r−1 = {e}

mit Faktoren der Ordnung p, so bezeichnen wir mit π : G → G/H den kanonischen Ho-momorphismus und setzen Gi := π−1(G′i), um eine Normalreihe

G = G0 ≥ G1 ≥ . . . Gr−1 = H ≥ Gr = {e}

zu erhalten, deren Faktoren Gi/Gi+1 ≈ G′i/G′i+1 (Isomorphiesatz) die Ordnung p haben.

Offenbar sind auch alle abelschen Gruppen auflösbar. Für einfache Gruppen gilt sogar dieUmkehrung:Bemerkung 3.16. Einfache Gruppen sind genau dann auflösbar, wenn sie abelsch sind.

Satz 3.17. Für n ≥ 5 ist die alternierende Gruppe An einfach (und damit nicht auflösbar).

Für den Beweis dieses Satzes benötigen wir zwei Lemmata, zu deren ersterem der Beweiseine Übungsaufgabe ist.

Lemma 3.18. Für n ≥ 3 wird An von den Zykeln der Länge Drei erzeugt.

Lemma 3.19. Ist N E An ein Normalteiler der alternierenden Gruppe für n ≥ 3 und ist(123) ∈ N , so ist N = An.

23 Algebra 1

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3 Fortführung der Gruppentheorie

Beweis. Nach dem soeben unbewiesenen Lemma brauchen wir nur zu zeigen, dass N alleZykel der Länge Drei enthält. Sind also i, j, k ∈ {1, . . . , n} paarweise verschieden, so wollenwir zeigen, dass N den Zykel (ijk) enthält. Dazu sei σ ∈ Sn derart, dass σ(1) = i, σ(2) = jund σ(3) = k. Ist sogar σ ∈ An, so ist bereits

σ(123)σ−1 =(σ(1)σ(2)σ(3)

)= (ijk) ∈ N .

Ist dies hingegen nicht der Fall, so ist jedoch σ(12) ∈ An und mit (12)−1 = (12) beobachtenwir

σ(12)(123)(12)σ−1 = σ(132)σ−1 =(σ(1)σ(3)σ(2)

)= (ikj) ∈ N .

Jedoch ist mit (ikj) auch der Zykel (ijk) in N enthalten, da nämlich (ijk) = (ikj)2.

Nun können wir den bereits formulierten Satz beweisen.

Beweis von Satz 3.17. Es sei N E An ein nichttrivialer Normalteiler, d. h. N 6= {e}. Wirwollen Lemma 3.19 verwenden, um N = An zu folgern, wofür wir also nachzuweisen haben,dass N zumindest einen Zykel der Länge Drei enthält.Wir bezeichnen hierzu die Anzahl der Nichtfixpunkte einer Permutation τ ∈ An mit m(τ).Für τ 6= id ist dann m(τ) ≥ 3. Wir wollen zeigen, dass N eine Permutation τ enthält, fürwelche gerade m(τ) = 3 ist, denn dann ist τ ein Zykel der Länge Drei. Es sei also τ ∈ Nmit τ 6= id so gewählt, dass m(τ) minimal ist.Umm(τ) = 3 zu zeigen, führen wir zuerstm(τ) = 4 zu einemWiderspruch. Wäre dies näm-lich der Fall, so wäre τ ein Produkt von zwei Transpositionen und wir können τ = (12)(34)annehmen. Nun jedoch können wir mit (345) konjugieren und erhalten eine Permutationτ1 := (345)τ(345)−1 = (12)(45). Dann wäre

ττ1 = (12)(34)(12)(45) = (34)(12)(12)(45) = (34)(45) = (345)

ein Zykel der Länge Drei.Nun nehmen wir m(τ) ≥ 5 an. Wir machen abermals eine Fallunterscheidung hinsichtlichder Länge L eines längsten Zykels in der Zykelzerlegung von τ . Diese mag Zwei, Drei odergrößer sein. Für alle Fälle wird uns die Permutation τ1 hilfreich sein, welche wir durchKonjugation mit (234) erhalten: τ1 := (234)τ(234)−1.Im Falle, dass L ≥ 4 ist, können wir τ = (123 . . . L) . . . annehmen und sehen m(τ−1

1 τ) ≤ 4,da τ1(k) = τ(k) für alle k ≥ 5. Da außerdem τ1 6= τ , ist τ−1

1 τ nicht die Identität, weshalbmit m(τ−1

1 τ) ≥ 3 die Minimalität von m(τ) ≥ 5 verletzt ist. Der Fall L = 2 wird analogbehandelt, in welchem wir nämlich τ = (12)(34)(56) . . . annehmen können.Im Falle L = 3 schließlich können wir annehmen, dass τ von der Form τ = (123)(456) . . .ist. Dann ist sogar m(τ) ≥ 6, doch mit τ1(k) = τ(k) für k ≥ 6 erhalten wir ähnlich wieoben m(τ−1

1 τ) ≤ 5.

Wir beschäftigen uns nun mit Kompositionsreihen.

Definition 3.20. Eine Verfeinerung einer Normalreihe entsteht durch Einfügen weitererUntergruppen, so dass wieder eine Normalreihe entsteht. Ist

G = G0 ≥ · · · ≥ Gr = {e}

eine Normalreihe, so heißtG = H0 ≥ · · · ≥ Hs = {e}

eine Verfeinerung, falls zu jedem i ≤ r ein j ≤ s existiert, so dass Gi = Hj .

Algebra 1 24

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3.3 Auflösbare Gruppen

Beispiel 3.21. Die Normalreihe S4 ≥ A4 ≥ {e} besitzt S4 ≥ A4 ≥ K ≥ {e} als Verfeine-rung, wobei K die Kleinsche Vierergruppe bezeichne.

Definition 3.22. Eine Kompositionsreihe einer Gruppe G ist eine Normalreihe, welchekeine (echte) Verfeinerung besitzt: Eine Normalreihe aus paarweise verschiedenen Un-tergruppen, welche keine Verfeinerung besitzt, die abermals aus paarweise verschiedenenUntergruppen besteht.

Beispiel 3.23. Die Normalreihe

S4 ≥ A4 ≥ V =: {e, a, b, c} ≥ {e, a} ≥ {e}

ist eine Kompositionsreihe. Ihre Faktorgruppen sind zyklisch der Ordnung 2, 3, 2 bzw. 2.Bemerkung 3.24. Endliche Gruppen besitzen stets Kompositionsreihen. Die Gruppe Zjedoch besitzt keine.Bemerkung 3.25. Es sei G = G0 ≥ . . . ≥ Gr = {e} eine Normalreihe mit Gi 6= Gi+1. Dannist dies genau dann eine Kompositionsreihe, wenn die Faktoren Gi/Gi+1 einfach sind.

Beweis. Wir finden für jedes i eine Bijektion zwischen {H : Gi+1 ≤ H ≤ Gi} nach{K : K ≤ Gi/Gi+1}, welche H auf H/Gi+1 abbildet. So können wir Normalteiler Gi+1 EH E Gi mit Normalteilern H/Gi+1 E Gi/Gi+1 identifizieren.

Definition 3.26. Zwei Normalreihen einer Gruppe G heißen isomorph, falls ihre Faktorenbis auf Permutationen und Isomorphie übereinstimmen.

Beispiel 3.27. Es sei G eine zyklische Gruppe der Ordnung Sechs mit Erzeuger g. Dannsind G ≥ 〈g2〉 ≥ {e} und G ≥ 〈g3〉 ≥ {e} zwei isomorphe Normalreihen mit Faktoren derOrdnungen Zwei und Drei.

Lemma 3.28. Sind (Gi)i≤r und (Hj)j≤s zwei isomorphe Normalreihen, so existiert zujeder Verfeinerung von (Gi) eine dazu isomorphe Verfeinerung von (Hj).

Beweisskizze. Es sei Gi/Gi+1 ∼= Hj/Hj+1. Wie zu Bemerkung 3.25 können wir die Nor-malteiler dieser Gruppen identifizieren.

Satz 3.29 (Schreier). Zwei beliebige Normalreihen (Gi)i≤r und (Hj)j≤s einer Gruppe Gbesitzen Verfeinerungen, welche zueinander isomorph sind.

Beweis. Für r = 1 oder s = 1 ist die Aussage klar. Wir betrachten nun s = 2 und führeneine Induktion nach r durch. Es sei dazu r ≥ 2. Wir betrachten also die Normalreihen

G = G0 ≥ . . . ≥ Gr = {e}

undG ≥ H ≥ {e} .

Auch betrachten wir die Normalteiler D := G1∩H E G und P := G1H E G. Nach unsererInduktionsvoraussetzung sollen die Normalreihen G1 ≥ G2 ≥ . . . ≥ {e} und G1 ≥ D ≥ {e}von G1 isomorphe Verfeinerungen

G1 ≥ . . . ≥ G2 ≥ . . . ≥ Gr−1 ≥ . . . ≥ Gr = {e} (3.3)

undG1 ≥ . . . ≥ D ≥ . . . ≥ {e} (3.4)

25 Algebra 1

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3 Fortführung der Gruppentheorie

besitzen.G

P

G1 H

D

{e}

Der zweite Isomorphiesatz 1.54 liefert uns P/H ∼= G1/D und P/G1 ∼= H/D. Damit sinddie Normalreihen

P ≥ G1 ≥ D ≥ {e} (3.5)und

P ≥ H ≥ D ≥ {e} (3.6)isomorph. Fügen wir P zu (3.4) hinzu, erhalten wir eine Verfeinerung

P ≥ G1 ≥ . . . ≥ D ≥ . . . ≥ {e}

von (3.5). Nach dem vorigen Lemma finden wir also eine dazu isomorphe Verfeinerung

P ≥ . . . ≥ H ≥ . . . ≥ D ≥ . . . ≥ {e}

von (3.6). Insgesamt erhalten wir also

G ≥ P ≥ G1 ≥ . . . ≥ G2 ≥ . . . ≥ Gr−1 ≥ . . . ≥ Gr = {e}︸ ︷︷ ︸(3.3)

undG ≥ P ≥ G1 ≥ . . . ≥ D ≥ . . . ≥ {e}︸ ︷︷ ︸

(3.4)

und außerdemG ≥ P ≥ . . . ≥ H ≥ . . . ≥ D ≥ . . . ≥ {e}

als drei isomorphe Normalreihen. Die erste ist eine Verfeinerung von (Gi) und die zweiteeine von G ≥ H ≥ {e}. Damit ist der Fall s = 2 abgehandelt.Für s > 2 führen wir eine Induktion nach s durch. Bei gegebenen Normalreihen (Gi)i≤rund (Hj)j≤s wenden wir die Aussage für s = 2 auf G ≥ H1 ≥ {e} an und erhalten eineVerfeinerung

G ≥ . . . ≥ G1 ≥ . . . ≥ Gr−1 ≥ . . . ≥ {e} (3.7)von (Gi), welche isomorph zu einer Verfeinerung

G ≥ . . . ≥ H1 ≥ . . . ≥ {e} (3.8)

von G ≥ H1 ≥ {e} ist. Nach Induktionsvoraussetzung sollen das rechte Stück H1 ≥ . . . ≥{e} und H1 ≥ H2 ≥ . . . ≥ Hs−1 ≥ {e} isomorphe Verfeinerungen besitzen. Fügen wir derVerfeinerung von (Hj)1≤j≤s zu Beginn das „linke Stück“ aus (3.8), so erhalten wir eineVerfeinerung von (Hj)j≤s, welche isomorph zu einer Verfeinerung von (3.7) ist.

Algebra 1 26

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3.3 Auflösbare Gruppen

Satz 3.30 (Jordan-Hölder). Es sei G eine Gruppe.

(i) Je zwei Kompositionsreihen von G sind isomorph.

(ii) Besitzt G eine Kompositionsreihe, so kann jede Normalreihe von G zu einer solchenverfeinert werden.

27 Algebra 1

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4 Ringe

4 Ringe

4.1 Grundlegende Begriffe

Wir wollen die Definition eines Ringes und anderer grundlegender Objekte in der Ringtheo-rie angeben. Zunächst definieren wir dazu Monoide.

Definition 4.1. Ein Monoid (auch Halbgruppe) ist eine Menge S mit einer zweistelligenVerknüpfung S×S, (s, t) 7→ st = s ·t (Multiplikation) und einem ausgezeichneten Elemente ∈ S (neutrales Element), für welche die Beziehungen (rs)t = r(st) und es = se = s füralle r, s, t ∈ S gelten. Ein Monoid S heißt kommutativ, falls außerdem st = ts für alles, t ∈ S gilt.

Bemerkung 4.2. Eine Gruppe ist also ein Monoid, in welchem inverse Elemente existieren.Umgekehrt betrachtet ist ein Monoid eine Gruppe, in welcher wir auf die Existenz vonInversen verzichten (womit jede Gruppe auch ein Monoid ist).Bemerkung 4.3. Ähnlich wie in der Gruppentheorie ist das Einselement eines Monoidsdurch die Multiplikation eindeutig bestimmt. Siehe dazu die Ausführungen vor Bemerkung1.5.Beispiel 4.4. Die Monoide (N,+, 0) und (N, ·, 1) sind keine Gruppen.

Nun können wir zur Definition von Ringen gelangen.

Definition 4.5. Ein Ring ist eine Menge A mit zwei zweistelligen Verknüpfungen +und ·, zwei ausgezeichneten Elementen 0 und 1 und einer einstelligen Operation −, sodass (A,+,−, 0) eine abelsche Gruppe und (A, ·, 1) ein Monoid ist und weiterhin für allea, b, c ∈ A die Distributivgesetze

a(b+ c) = ab+ ac und (a+ b)c = ac+ bc

gelten. Einen Ring A nennen wir kommutativ, falls das Monoid (A, ·, 1) kommutativ ist,falls also ab = ba für alle a, b ∈ A gilt.

Bemerkung 4.6. Für alle Elemente a ∈ A eines Rings A stellen wir zunächst a ·0 = 0 ·a = 0fest, denn a · 0 = a(0 + 0) = a · 0 + a · 0. Außerdem ist a(−b) = (−a)b = −(ab) für allea, b ∈ A und es gelten die verallgemeinerten Distributivgsetze

(a1 + · · ·+ an)b = a1b+ · · ·+ anb und b(a1 + · · ·+ an) = ba1 + · · ·+ ban ,

wie man leicht durch Induktion nachweist.In der Literatur wird oft auf die Forderung der Existenz des Einselements 1 verzichtet.

Die Subtraktion in einem Ring A definieren wir durch a− b := a+ (−b) für a, b ∈ A.Beispiel 4.7. Die Zahlenbereiche Z, Q, R und C sind kommutative Ringe. Weitere (imallgemeinen nicht kommutative) Beispiele sind End(V ) und k

n×n, wobei k ein Körperund V ein k-Vektorraum ist. Ein trivialer Ring ist A = {0}, in welchem 0 = 1 gilt.

Definition 4.8. Ein Element a ∈ A eines Rings A heißt Einheit, falls es ein b ∈ A gibt,für welches ab = ba = 1 erfüllt ist.

Bemerkung 4.9. Eine Einheit ist also ein Element, welches multiplikativ invertierbar ist.Die Menge der Einheiten eines Rings A bildet eine (multiplikative) Gruppe, welche mitA× bezeichnet wird (die Einheitengruppe von A).

Algebra 1 28

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4.2 Ideale und Quotientenringe

Beispiel 4.10. Im Ring Z der ganzen Zahlen sind nur 1 und −1 Einheiten, also Z× ={−1, 1}. In Q jedoch sind alle von Null verschiedenen Elemente Einheiten, d. h. Q× =Q \ {0}. Weiter ist End(V )× = GL(V ) und (kn×n)× = GLn(k).

Die eben genannte Eigenschaft von Q soll nun die folgende Definition motivieren.

Definition 4.11. Ein Körper ist ein kommutativer Ring mit 0 6= 1, in welchem jedes vonNull verschiedene Element eine Einheit ist (also A× = A \ {0}).

Die Mengen Q, R und C sind also Körper.

Definition 4.12. Ist A ein Ring, so nennen wir eine Teilmenge B ⊂ A einen Unterringvon A, falls B die Elemente 0 und 1 enthält und abgeschlossen unter den Operationen +,− und · ist, falls also für alle a, b ∈ B auch a+ b ∈ B, −a ∈ B und ab ∈ B.

Ein Unterring ist also eine Teilmenge, welche mit der vererbten Struktur ein Ring ist.

Definition 4.13. Es seien A und B zwei Ringe. Eine Abbildung ϕ : A → B heißt Ring-homomorphismus, falls für alle a, a′ ∈ A die Beziehungen ϕ(a + a′) = ϕ(a) + ϕ(a′) undϕ(aa′) = ϕ(a)ϕ(a′) gelten und außerdem ϕ(1) = 1 ist.

Es ist leicht zu zeigen, dass Ringhomomorphismen auch Null auf Null abbilden.Bemerkung 4.14. Ist ϕ : A→ B ein Ringhomomorphismus und sind A′ ⊂ A, B′ ⊂ B zweiUnterringe, so ist ϕ(A′) ein Unterring von B und ϕ−1(B′) ein Unterring von A.

4.2 Ideale und Quotientenringe

Es sei nun A ein Ring und I ⊂ A eine additive Untergruppe von A. Dann erhalten wirRestklassengruppen der Form

A/I = {a+ I : a ∈ A}

und einen kanonischen Gruppenhomomorphismus π : A → A/I, welcher a ∈ A auf dieRestklasse a := a+I abbildet. Wir wollen nun auf A/I auch eine Multiplikation einführen,so dass π zum Ringhomomorphismus wird. Dazu soll ab = ab gelten, was für a ∈ A undb ∈ I nun ab = ab = a · 0 = 0 bedeutet. Dies wiederum versteht sich als ab ∈ I und analogergäbe sich ba ∈ I. Diese Eigenschaft wollen wir also von I erwarten, um A/I als Ringauffassen zu können.

Definition 4.15. Ein Ideal I ⊂ A eines Rings A ist eine additive Untergruppe von A mitder Eigenschaft, dass Produkte von Elementen aus A in I liegen, wann immer dies fürzumindest einen der Faktoren gilt. Für a ∈ A und b ∈ I gelte also ab ∈ I sowie ba ∈ I.

Ein Ideal soll also abgeschlossen sowohl unter Rechts- als auch unter Linksmultiplikationmit beliebigen Elementen aus A sein. Nach obiger Überlegung können wir für Ideale I ⊂ Aalso A/I als Ring auffassen.Bemerkung 4.16. Ein Ideal I ⊂ A eines Rings A, welches eine Einheit enthält, ist bereitsder ganze Ring. Ist nämlich a ∈ I eine Einheit, so ist für jedes b ∈ A auch b = a(a−1b) ∈ I.Insbesondere existieren keine von A verschiedenen Ideale, welche auch Unterringe sind.Bemerkung 4.17. Ist ϕ : A→ A′ ein Ringhomomorphismus, so ist kerϕ ein Ideal in A.

29 Algebra 1

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4 Ringe

Beweis. Sind a ∈ A und b ∈ kerϕ, so ist

ϕ(ab) = ϕ(a)ϕ(b) = ϕ(a) · 0 = 0 ,

also ab ∈ kerϕ. Analog lässt sich ba ∈ kerϕ zeigen.

Satz 4.18. Es sei I ein Ideal eines Rings A. Dann ist auf

A/I :={a+ I : a ∈ A

}eine Ringstruktur definiert, so dass die kanonische Abbildung

π : A→ A/I , a 7→ a+ I =: a

ein surjektiver Ringhomomorphismus mit kerπ = I ist. Der so entstandene Ring A/Iheißt Quotientenring bzw. Faktorring.

Beweis. Zunächst ist A/I eine abelsche Gruppe. Wir definieren eine Multiplikation aufA/I durch

a · b := ab .

Zunächst weisen wir die Wohldefiniertheit dieser Multiplikation nach. Dazu seien x, y ∈ I.Wir beobachten

(a+ x)(b+ y) = ab+ ay + xb+ xy = ab+ ay︸︷︷︸∈I

+x(b+ y)︸ ︷︷ ︸∈I

∈ ab+ I .

Seien nun a, b, c ∈ A. Dann erhalten wir

(ab)c = abc = (ab)c = a(bc) = abc = a(bc)

und analoga1 = a = 1a .

Die Distributivgesetze lassen sich ähnlich leicht nachweisen.

Beispiel 4.19. Wir betrachten den Ring A = Z der ganzen Zahlen. Für m ∈ Z setzen wir

(m) := {am : a ∈ Z} ={x ∈ Z : m|x

}und stellen fest, dass dies ein Ideal ist. Da jede Untergruppe von Z diese Form hat, las-sen sich auch alle Ideale auf diese Weise darstellen. Den Quotientenring Z/(m) nennenwir Restklassenring modulo m. Dieser kann mit der Menge {0, 1, . . . ,m − 1} identifiziertwerden.

Satz 4.20 (Universelle Eigenschaft). Seien A und A′ zwei Ringe und I ⊂ A ein Ideal.Weiter sei ϕ : A→ A′ ein Ringhomomorphismus mit I ⊂ kerϕ. Dann gibt es genau einenRinghomomorphismus ϕ∗ : A/I → A′, so dass das folgende Diagramm kommutiert:

Aϕ //

π��

A′

A/I

ϕ∗

==

Beweis. Analog zur Gruppentheorie.

Algebra 1 30

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4.3 Polynomringe

Im Folgenden sei A stets ein kommutativer Ring.

Definition 4.21. Ein Ideal P von A heißt Primideal, falls P 6= A und für alle a, b ∈ Astets a ∈ P oder b ∈ P folgt, wann immer ab ∈ P gilt.

Beispiel 4.22. Wir betrachten wieder A = Z und eine nichtnegative ganze Zahlm ∈ Z. Wirwollen die Frage klären, wann (m) ein Primideal ist. Ist (m) eines, so zieht für alle a, b ∈ Adie Beziehung m|ab entweder m|a oder m|b nach sich. Zunächst stellen wir fest, das allePrimzahlen m dies erfüllen, ebenso m = 0 und m = 1. Ist m jedoch zusammengesetzt mitm = ab, wobei 1 < a, b < m, so ist die genannte Bedingung verletzt.Als Ergebnis erhalten wir, dass (m) genau dann ein Primideal von Z ist, wenn m Nulloder eine Primzahl ist.

Definition 4.23. Es sei A ein kommutativer Ring.

(i) Ein Element a ∈ A heißt Nullteiler , falls a 6= 0 ist und es ein von Null verschiedenesb ∈ A gibt, so dass ab = 0.

(ii) Der Ring A heißt Integritätsbereich, falls er nicht der triviale Ring {0} ist und keineNullteiler besitzt.

Beispiel 4.24. Der Restklassenring Z/(6) ist kein Integritätsbereich, denn 2 · 3 = 6 = 0,obwohl 2 6= 0 und 3 6= 0.Bemerkung 4.25. Ein kommutativer Ring A 6= {0} ist genau dann Integritätsbereich, wennfür zwei von Null verschiedene Elemente a, b ∈ A auch ihr Produkt ab von Null verschiedenist.

Satz 4.26. Es sei A ein kommutativer Ring und I ⊂ A ein Ideal. Dann ist I genau dannein Primideal, wenn A/I ein Integritätsbereich ist.

Beweis. Zunächst ist I 6= A äquivalent dazu, dass A/I 6= {0} ist. Weiter ist A/I genaudann ein Integritätsbereich, wenn für alle von Null verschiedenen a, b ∈ A/I auch ab vonNull verschieden ist, was wiederum bedeutet, dass für alle a, b ∈ A, welche nicht in I liegen,auch ab nicht in I liegt. Äquivalent dazu ist die Bedingung, dass a ∈ I oder b ∈ I gilt,wann immer ab ∈ I gilt. Dies jedoch ist genau die Forderung an I, welche die Definitioneines Primideals vervollständigt.

Korollar 4.27. Der Restklassenring Z/(m) ist genau dann ein Integritätsbereich, wennm Null oder eine Primzahl ist.

4.3 Polynomringe

In diesem Abschnitt wollen wir einen Polynombegriff über beliebigen kommutativen Rin-gen definieren. Die Idee dabei ist, ein „Polynom“ a0 +a1x+ · · ·+adx

d, ai ∈ A, durch seineKoeffizientenfolge (a0, . . . , ad) zu definieren.

Definition 4.28. Es sei A ein kommutativer Ring. Die Menge A[X] ist die Menge allerabbrechenden Folgen mit Gliedern in A, d. h.

A[X] :={

(ai)i∈N ∈ AN : ai = 0 für alle bis auf endlich viele i},

und heißt Polynomring in der Unbestimmten X über A. Die Elemente von A[X] heißenPolynome.

31 Algebra 1

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4 Ringe

Bemerkung 4.29. Wir können A[X] als Untergruppe von AN bezüglich der komponenten-weisen Addition auffassen. Weiter definieren wir eine Multiplikation auf A[X], indem wirdas Produkt zweier Polynome (ai), (bj) ∈ A[X] als (ai)(bj) = (ck) festlegen, wobei

ck :=k∑i=0

aibk−i .

Dadurch entsteht eine kommutative und assoziative Multiplikation auf A[X].Es lässt sich nun nachweisen, dass A[X] mit den so definierten Operationen ein kommu-tativer Ring ist, dessen neutrales Element der Multiplikation durch (1, 0, 0, . . . ) gegebenist.Bemerkung 4.30. Die Abbildung A→ A[X], welche a ∈ A auf (a, 0, 0, . . . ) abbildet, ist eininjektiver Ringhomomorphismus. Somit können wir A als Unterring von A[X] auffassen.Statt (1, 0, 0, . . . ) schreiben wir 1 und anstelle von (0, 1, 0, 0, . . . , ) schreiben wir X:

1 := (1, 0, 0, . . . , ) und X := (0, 1, 0, . . . ) .

So erhalten wirX · (b0, b1, . . . ) = (0, b0, b1, . . . ) .

Weiterhin istX2 = X ·X = (0, 0, 1, 0, 0 . . . )

undXi = (0, . . . , 0, 1︸︷︷︸

(i+1)-te Stelle

, 0, . . . ) .

Für f = (a0, a1, . . . ) ∈ A[X] gilt deshalb

f = a0(1, 0, 0, . . . )+a1(0, 1, 0, . . . )+· · ·+ad(0, . . . , 0, 1, 0, . . . ) = a0+a1X+a2X2+· · ·+adXd

für ein d ≥ 0 und diese Darstellung ist eindeutig. Genauer: Istm∑i=0

aiXi =

n∑j=0

bjXj

mit n ≥ m, so folgt für alle 0 ≤ i ≤ m, dass ai = bi gilt, und es ist bj = 0 für j > m.Beispiel 4.31. Ist A = k ein Körper, so ist k[X] ein k-Vektorraum, welcher nicht endlich-dimensional ist, da die Elemente 1, . . . , Xn stets k-linear unabhängig sind, wenn n ∈ N.

Definition 4.32. Der Grad eines von Null verschiedenen Polynoms f =∑ni=0 aiX

i inA[X] ist definiert als

d := deg f := max{i ∈ N : ai 6= 0

}.

Der Koeffizient ad heißt Leitkoeffizient von f .

Wir können also f = adXd + · · ·+ a0 schreiben.

Lemma 4.33. Ist A ein Integritätsbereich, so ist das Produkt fg aller von Null verschie-denen Polynome f, g ∈ A[X] wieder von Null verschieden und der Grad von fg ist dieSumme der Grade von f und g, d. h.

deg(fg) = deg f + deg g .

Algebra 1 32

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4.3 Polynomringe

Weiterhin istdeg(f + g) ≤ max

(deg f, deg g

},

falls f + g nicht das Nullpolynom ist. Sind die Grade von f und g verschieden, so giltsogar Gleichheit.

Beweis. Wir schreiben f = anXn + · · · + a0 und g = bmX

m + · · · + b0 mit an 6= 0 undbm 6= 0, so dass deg f = n und deg g = m. Ist A ein Integritätsbereich, so ist anbm 6= 0und daher

fg = anbm︸ ︷︷ ︸6=0

Xm+n + · · ·+ (a1b0 + a0b1)X + a0b0 ,

was deg(fg) = n+m zeigt.Für den zweiten Teil der Behauptung sei o. B. d.A. n 6= m. Ist n > m, so ist

f + g = anXn + · · ·+ (am + bm)Xm + · · ·+ (a0 + b0) ,

womit deg(f + g) = max(deg f, deg g

)= n wäre. Ist jedoch n = m, so ist

f + g = (an + bn)Xn + · · ·+ (a0 + b0) ,

womit zumindest deg(f + g) ≤ n gilt. Die Gleichheit gilt dabei, falls an + bn 6= 0.

Bemerkung 4.34. Ist der Ring A ein Integritätsbereich, so ist auch der Polynomring A[X]ein Integritätsbereich.Ein von Null verschiedenes Polynom in A[X] ist genau dann eine Einheit in A[X], wennsein Grad Null ist und sein Leitkoeffizient bzw. das Polynom als Element von A aufgefassteine Einheit in A ist.

Beweis. Ist f ∈ A[X] eine Einheit, so gibt es ein g ∈ A[X], für welches fg = 1 in A[X]gilt. Dann ist

0 = deg(fg) = deg f + deg g .Da der Grad jedoch eine nichtnegative ganze Zahl ist, muss deg f = 0 und deg g = 0sein, d. h. wir können f und g als Elemente von A auffassen und erhalten f ∈ A×. DieUmkehrung ist klar.

Definition 4.35. Es sei A ein Integritätsbereich. Wir sagen, dass ein Polynom g ∈ A[X]ein Polynom f ∈ A[X] teilt, falls es ein Polynom h ∈ A[X] gibt, welches gh = f erfüllt.In diesem Falle schreiben wir g|f .

Bemerkung 4.36. Aus g|f und f 6= 0 (woraus g 6= 0 folgt) ergibt sich stets deg g ≤ deg f .

Beweis. Aus gh = f erhalten wir

deg f = deg(gh) = deg g + deg h ≥ deg g .

Wir wollen nun den Polynomen Funktionen zuordnen. Ist also ein Polynom f =∑ni=0 aiX

i

in A[X] gegeben, so definieren wir die zugehörige Polynomfunktion

A→ A , ξ 7→n∑i=0

aiξi = f(ξ) .

Zu beachten ist, dass diese Zuordnung jedoch nicht injektiv sein muss, d. h. zu zwei Poly-nomen kann auf diese Weise dieselbe Polynomfunktion zugeordnet werden.

33 Algebra 1

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4 Ringe

Beispiel 4.37. Wir wählen als Ring den Körper A = Zp und betrachten f = Xp − X ∈Zp[X]. Für ξ ∈ Zp ist nun nach dem kleinen Fermatschen Satz ξp − ξ = 0, obwohl f 6= 0.

Beweis. Zunächst ist Z×p = Zp \ {0}, was |Z×p | = p− 1 liefert, und der Satz von Lagrangebesagt, dass für alle ξ ∈ Z×p die Relation ξp−1 = 1 gilt. Daraus ergibt sich sofort ξp−1−1 =0, also ξp − ξ = 0, was für ξ = 0 offensichtlich ist.

Bemerkung 4.38. Für ξ ∈ A ist die Abbildung

A[X]→ A , f 7→ f(ξ)

ein Ringhomomorphismus, welcher Auswertungsmorphismus an der Stelle ξ genannt wird.

Die Behauptung ist durch (f + g)(ξ) = f(ξ) + g(ξ) und (fg)(ξ) = f(ξ)g(ξ) leicht nachzu-weisen.Im Folgenden wird A stets ein Integritätsbereich sein (was wir dennoch meist expliziterwähnen, um Verwirrung zu vermeiden).

Definition 4.39. Ein Element ξ ∈ A heißt Nullstelle eines Polynoms f ∈ A[X], fallsf(ξ) = 0.

Satz 4.40 (Division mit Rest). Es seien f, g ∈ A[X] und der Leitkoeffizient von g 6= 0 seieine Einheit in A. Dann gibt es eindeutig bestimmte Polynome h und r in A[X] mit

f = gh+ r ,

wobei entweder deg r < deg g oder r = 0 gilt.

Lemma 4.41. Ist ξ ∈ A eine Nullstelle von f ∈ A[X], so existiert ein Polynom g ∈ A[X]mit f = (X − ξ)g.

Beweis. Division mit Rest liefert

f = q · (X − ξ) + r

mit r ∈ A. Jedoch ist0 = f(ξ) = q(ξ)(ξ − ξ) + r = r ,

also r = 0.

Satz 4.42. Es sei A ein Integritätsbereich. Dann ist die Anzahl der Nullstellen eines vonNull verschiedenen Polynoms f ∈ A[X] höchstens deg f .

Beweis. Es seien ξ1, . . . , ξn paarweise verschiedene Nullstellen von f . Mithilfe von Induk-tion nach n wollen wir zeigen, dass es ein g ∈ A[X] gibt, so dass

f = (X − ξ1) · · · (X − ξn)g .

Für n = 1 ist dies das vorige Lemma. Um von n − 1 auf n zu schließen, liefert uns dieInduktionsvoraussetzung ein g̃ ∈ A[X] mit

f = (X − ξ1) · · · (X − ξn−1)g̃ .

Auswerten bei ξn ergibt

0 = f(ξn) = (ξn − ξ1) · · · (ξn − ξn−1)g̃(ξn) .

Algebra 1 34

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4.4 Chinesischer Restsatz

Da alle ξi paarweise verschieden sind und A ein Integritätsbereich ist, folgt g̃(ξn) = 0. Dasvorige Lemma liefert die Existenz eines Polynoms g ∈ A[X] mit g̃ = (X − ξn)g, also

f = (X − ξ1) · · · (X − ξn)g .

So erhalten wir deg f = n+ deg g ≥ n.

Korollar 4.43. Der Ringhomomorphismus ϕ : A[X] → AA, welcher f =∑ni=0 aiX

i aufdie Funktion ξ 7→ f(ξ) abbildet, ist injektiv, falls der Integritätsbereich A unendlich ist.

Beweis. Es sei f ∈ A[X] ein von Null verschiedenes Polynom, welches jedoch ϕ(f) = 0erfüllt. Um dies zu einem Widerspruch zu führen, beobachten, wir, dass dann jedes ξ ∈ Aeine Nullstelle von f ist. Diese Anzahl darf jedoch nicht größer als der endliche Grad vonf sein.

Über unendlichen Integritätsbereichen kann man also Polynome und Polynomfunktionenmiteinander identifizieren.Es sei nun A = k ein Körper.

Lemma 4.44. Sei f ∈ k[X] ein von Null verschiedenes Polynom und ξ ∈ k sei eineNullstelle von f . Dann existieren ein eindeutig bestimmtes m ∈ N>0 und ein eindeutigbestimmtes g ∈ k[X] mit

f = (X − ξ)mg

und g(ξ) 6= 0. Die Zahl m heißt Vielfachheit der Nullstelle ξ von f .

Beweis. Übung.

Satz 4.45. Es seien ξ1, . . . , ξn paarweise verschiedene Nullstellen eines von Null verschie-denen Polynoms f ∈ k[X]. Weiter bezeichne mi die Vielfachheit der Nullstelle ξi. Dannexistiert ein nullstellenfreies Polynom g ∈ k[X] mit

f = (X − ξ1)m1 · · · (X − ξn)mng .

Beweis. Übung.

Definition 4.46. Ein Körper k heißt algebraisch abgeschlossen, falls jedes nichtkonstantePolynom f ∈ k[X] (d. h. jedes Polynom, dessen Grad größer als Null ist) mindestens eineNullstelle in k.

Nach dem Fundamentalsatz der Algebra ist der Körper C algebraisch abgeschlossen.

4.4 Chinesischer Restsatz

Es seien A1, . . . , An nichttriviale Ringe. Das kartesische Produkt

A := A1 × · · · ×An

wird bezüglich der komponentenweisen Operationen

(a1, . . . , an) + (b1, . . . , bn) := (a1 + b1, . . . , an + bn)

und(a1, . . . , an)(b1, . . . , bn) := (a1b1, . . . , anbn)

35 Algebra 1

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4 Ringe

zu einem Ring, dessen neutrale Elemente durch

0 := (0, . . . , 0)

bzw.1 := (1, . . . , 1)

gegeben sind, und welchen wir das direkte Produkt der Ringe Ai nennen.Man beachte jedoch, dass

A1 × {0} × · · · × {0}

kein Unterring von A ist, da die Eins nicht darin enthalten ist; dies ist jedoch ein Ideal.Wir setzen

ei := (0, . . . , 0, 1, 0, . . . , 0)

und erhalten aei = eia für alle a ∈ A. Außerdem ist e1 + · · · + en = 1, e2i = ei und für

i 6= j ist eiej = 0.

Satz 4.47 (Chinesischer Restsatz). Es sei A ein kommutativer Ring mit Idealen I1, . . . , In,welche Ii + Ij = A für i 6= j erfüllen. Dann ist

χ : A→ A/I1 × · · · ×A/Ina 7→ (a mod I1, . . . , a mod In)

ein surjektiver Ringhomomorphismus1, dessen Kern gerade der Schnitt I1 ∩ · · · ∩ In derbetrachteten Ideale ist. Insbesondere ist A/(I1 ∩ · · · ∩ In) isomorph zu A/I1 × · · · ×A/In.

Beweis. Es ist klar, dass χ ein Ringhomomorphismus ist. Weiter gilt

χ(a) = (a mod I1, . . . , a mod In) = (0, . . . , 0) ,

genau dann, wenn für alle i also a mod Ii = 0 gilt, was wiederum a ∈ I1∩· · ·∩In bedeutet.Um die Surjektivität von χ zu zeigen, genügt es zu zeigen, dass jedes ei im Bild von χliegt, denn gibt es zi ∈ A mit χ(zi) = ei, so erhalten wir für a1, . . . , an ∈ A

χ

(n∑i=1

aizi

)=

n∑i=1

χ(ai)χ(zi) =n∑i=1

(ai mod Ii)ei = (a1 mod I1, . . . , an mod In) .

Nun wollen wir also die Existenz solcher zi beweisen. Für festes i und j 6= i wissen wiraufgrund von Ii + Ij = A, dass es aj ∈ Ii, bj ∈ Ij gibt, für welche aj + bj = 1 ist. Wirerhalten also

1 =∏j 6=i

(aj + bj) = y +∏j 6=i

bj︸ ︷︷ ︸=:z

für ein y ∈ Ii. Auch ist z ∈⋂j 6=i Ij und wir erhalten mit y + z = 1

z ≡ 1 mod Ii und z ≡ 0 mod Ij

für j 6= i. Somit ist χ(z) = (0, . . . , 0, 1, 0, . . . , 0) = ei.1„χ wie chinesisch“

Algebra 1 36

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4.4 Chinesischer Restsatz

Ein besonders wichtiger Spezialfall ist der Fall A = Z. Darin sind die Ideale Ii also stetsHauptideale Ii = (mi). Die Bedingung (mi) + (mj) = Z bedeutet also, dass u, v ∈ Zexistieren, so dass umi + vmj = 1. Daraus ist ersichtlich, dass mi und mj teilerfremdsein müssen, denn jeder Teiler beider Zahlen ist auch Teiler von umi + vmj . Auch dieUmkehrung gilt, wie wir später allgemeiner sehen werden (siehe auch Übung).Es seien nun also m1, . . . ,mn ∈ Z paarweise teilerfremd. Wir erhalten nun

n⋂i=1

(mi) ={x ∈ Z : mi|x für alle i

}= (m1 · · ·mn) .

Satz 4.48 (Chinesischer Restsatz für Z). Für paarweise teilerfremde m1, . . . ,mn ∈ Z ist

Z/(m1 · · ·mn)→ Z/(m1)× · · · × Z/(mn)a mod m1 · · ·mn 7→ (a mod m1, . . . , a mod mn)

ein Ringisomorphismus.

Beispiel 4.49. Zu m1 = 1234 und m2 = 567 suchen wir a ∈ Z mit a ≡ 3 mod m1 unda ≡ 7 mod m2. Der Chinesische Restsatz liefert nun die Existenz eines solchen a. Mitder Kurzschreibweise Zm = Z/(m) suchen wir für χ : Z → Z1234 × Z567 also ein Elementvon χ−1(3, 7). Dieses ist bis auf Vielfache von m1m2 eindeutig bestimmt. In der Übungwird der Erweiterte Euklidische Algorithmus näher behandelt, welcher uns s, t ∈ Z mitsm1 + tm2 = 1 liefert. In diesem Fall werden wir s = −17 und t = 37 erhalten. Wir setzenz1 = tm2 und z2 = sm1, so dass wir χ(z1) = (1, 0) und χ(z2) = (0, 1) erhalten. Außerdemist

χ(3z1 + 7z2) = 3(1, 0) + 7(0, 1) = (3, 7) .

wir erhalten dazu z1 = 37 · 567 = 20979 und z2 = (−17) · 1234 = −20978, was uns

a = 3z1 + 7z2 = −83909 ≡ 615769 mod m1m2

liefert.Bemerkung 4.50. Ein Ringisomorphismus ϕ : A→ B induziert einen Gruppenisomorphis-mus A× → B×, a 7→ ϕ(a) zwischen den Einheitengruppen. Außerdem stellen wir fest, dassdie Einheitengruppe (A1× · · ·An)× = A×1 · · · ×A×n eines Produkts durch das Produkt derEinheitengruppen gegeben ist.In der Situation des Chinesischen Restsatzes

A/(I1 ∩ · · · ∩ In) ∼= A/I1 × · · · ×A/In

erhalten wir nun (A/(I1 ∩ · · · ∩ In)

)× ∼= (A/I1)× × · · · × (A/In)× .

Konkret für A = Z ist also

Z×m1···mn∼= Z×m1 × · · · × Z×mn

.

Z.B. istZ×24∼= Z×8 × Z×3 .

37 Algebra 1

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4 Ringe

Wir führen nun die folgende Schreibweise ein: Für n ≥ 1 definieren wir mit

ϕ(n) := |Z×n |

die Eulersche Phi-Funktion. Der Chinesische Restsatz liefert

ϕ(m1 · · ·mn) = ϕ(m1) · · ·ϕ(mn)

für teilerfremde m1, . . . ,mn ≥ 1.

Lemma 4.51. Es istZ×n =

{a mod n : ggT(a, n) = 1

}.

Beweis. Es sei ggT(a, n) = 1. Wir erhalten also u, v ∈ Z mit ua + vn = 1 und daherua ≡ 1 mod n, womit a mod n die Inverse u mod n besitzt und damit eine Einheit ist.Die andere Inklusion folgt sofort aus der Umkehrung der verwendeten Implikationen.

Ist p also eine Primzahl, so ist also

ϕ(p) = p− 1 .

Allgemeiner istϕ(pl) = pl − pl−1 = (p− 1)pl−1 .

Für beliebiges n = pl11 · · · plrr ist also

ϕ(n)n

=r∏i=1

ϕ(plii

)plii

=r∏i=1

(1− 1

pi

).

Beispiel 4.52. Es ist

ϕ(72) = ϕ(8 · 9) = ϕ(8)ϕ(9) = 23−1 · (2− 1) · 32−1 · (3− 1) = 4 · 1 · 3 · 2 = 24 .

4.5 Hauptidealbereiche

Im Folgenden ist A stets ein Integritätsbereich, woran wir jedoch auch immer erinnern.

Definition 4.53. Ein Hauptideal von A ist ein Ideal der Form

(a) := {ax : x ∈ A} ,

also ein Ideal, welches von einem einzelnen Element erzeugt ist. Ist sogar jedes Ideal vondieser Form, d. h. ein Hauptideal, so nennen wir A einen Hauptidealbereich.

Beispiel 4.54. Die ganzen Zahlen Z sind ein Hauptidealbereich.

Wir merken auch an, dass wir im Integritätsbereich A einen Teilbarkeitsbegriff einführenkönnen. Für a, b ∈ A schreiben wir nämlich a|b, falls es ein c ∈ A gibt, für welches ac = bgilt.Bemerkung 4.55. Die Teilbarkeitsrelation a|b ist äquivalent zu (b) ⊂ (a). Weiter ist a|bzusammen mit b|a äquivalent dazu, dass eine Einheit u ∈ A× mit au = b existiert.

Beweis. Die erste Aussage ist leicht zu überprüfen. Für die zweite gebe es zunächst c1, c2 ∈A mit ac1 = b und bc2 = a. O.B.d.A. sei a 6= 0, was mit ac1c2 = a (also a(c1c2 − 1) = 0)nun c1c2 = 1 liefert. Daher müssen c1 und c2 Einheiten sein.

Algebra 1 38

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4.5 Hauptidealbereiche

Für a1, . . . , an betrachten wir das von diesen Elementen erzeugte Ideal, nämlich

(a1, . . . , an) := {x1a1 + · · ·+ xnan : xi ∈ A} .

Dies ist das kleinste Ideal, welches a1, . . . , an enthält. Ist A nun ein Hauptidealbereich, gibtes also ein d ∈ Amit (a1, . . . , an) = (d). Dafür erhalten wir (ai) ⊂ (d), also d|ai für alle i. Istnun x ∈ A, welches alle ai teilt, also (ai) ⊂ (x) für alle i, was (d) = (a1, . . . , an) ⊂ (x) unddamit x|d impliziert. Wir wollen also d einen größten gemeinsamen Teiler von a1, . . . , annennen und ihn mit d = ggT(a1, . . . , an) bezeichnen, obwohl dieser Ausdruck nur bis aufMultiplikationen mit Einheiten eindeutig ist. Insbesondere gibt es u1, . . . , un ∈ A, so dassd = u1a1 + · · ·+ unan.

Definition 4.56. Der Integritätsbereich A heißt euklidischer Bereich, falls es eine Ab-bildung d : A \ {0} → N gibt, so dass für alle a, b ∈ A mit b 6= 0 Elemente q, r ∈ Amit

a = qb+ r

und außerdem d(r) < d(b) oder r = 0 existieren.

Beispiel 4.57. Die ganzen Zahlen Z sind ein euklidischer Bereich (mit dem Betrag als d),ebenso jeder Polynomring k[X] (mit dem Grad als d), wenn k ein Körper ist.

Satz 4.58. Euklidische Bereiche sind Hauptidealbereiche.

Beweis. Es sei I ⊂ A ein Ideal ungleich {0}. Es sei b ∈ I \ {0} so, dass

d(b) = min{d(a) : a ∈ I \ {0}

}.

Wir behaupten nun I = (b). Es sei dazu a ∈ I. Die Division mit Rest aus der Definitioneines euklidischen Bereiches liefert uns q, r ∈ A mit a = qb+r. Mit r = a−qb ∈ I erhaltenwir r = 0, denn sonst wäre d(r) < d(b), was der Wahl von b widerspräche. Dies zeigtschließlich b|a, also a ∈ (b).

Korollar 4.59. Polynomringe k[X] über einem Körper k sind Hauptidealbereiche.

Definition 4.60. Ein Element a ∈ A des Integritätsbereichs A heißt irreduzibel, fallsa 6= 0, a keine Einheit ist und für alle b, c ∈ A mit a = bc entweder b oder c eine Einheitist.

Beispiel 4.61. Für A = Z ist a genau dann irreduzibel, wenn |a| eine Primzahl ist.Bemerkung 4.62. Produkte von irreduziblen Elementen und Einheiten sind wieder irredu-zibel. Weiter ist a 6= 0 irreduzibel, falls (a) ein Primideal ist.

Beweis. Wir zeigen die zweite Aussage. Wäre a eine Einheit, so wäre (a) = A. Ist nuna = bc, so ist also bc ∈ (a), womit b ∈ (a) oder c ∈ (a) folgt. O.B. d.A. nehmen wir alsob ∈ (a) an. Dies bedeutet nun a|b, jedoch gilt auch b|a. Dies zeigt, dass sich a und b nurdurch Multiplikation mit einer Einheit unterscheiden, weshalb c ∈ A× folgt.

Die wünschenswerte Situation ist diejenige, dass jedes Element a ∈ A \ {0} eine Faktori-sierung in irreduzible Elemente

a = up1p2 · · · pn (4.1)

39 Algebra 1

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4 Ringe

mit u ∈ A× und irreduziblen pi. Noch wünschenswerter wäre die Eindeutigkeit dieserZerlegung bis auf Permutationen der pi und Multiplikationen mit Einheiten. Gilt alsoneben (4.1) auch

a = vq1 · · · qm ,

so würden wir gern n = m und die Existenz von Einheiten u1, . . . , un ∈ A× und einerPermutation π ∈ Sn folgern, so dass qi = uipπ(i) und v = uu−1

1 · · ·u−1n .

Definition 4.63. Einen Integritätsbereich nennen wir faktoriell, falls eine solche Zerle-gung (4.1) für all seine Elemente existiert und (in obigem Sinne) eindeutig bis auf Einheitenund Permutation ist.

Beispiel 4.64. Die ganzen Zahlen Z bilden einen faktoriellen Ring, was auch als „Funda-mentalsatz der Arithmetik“ bekannt ist.

Satz 4.65. Jeder Hauptidealbereich ist faktoriell.

Korollar 4.66. Neben Beispiel 4.64 folgern wir, dass Polynomringe über Körpern fakto-riell sind. Auch ist z. B. Z[i] als sogar euklidischer Bereich ebenfalls faktoriell.

Vor dem Beweis des Satzes 4.65 führen wir ein „seltsames Beispiel“ an.Beispiel 4.67. Wir setzen

A := Z[i√

5] := {m+ ni√

5 : m,n ∈ Z}

und beobachten6 = 2 · 3 = (1 + i

√5)(1− i

√5) . (4.2)

Nun wollen wir zeigen, dass 2, 3, 1 + i√

5 und 1 − i√

5 irreduzibel sind und sich jeweilsnicht nur um Einheiten unterscheiden. Wir betrachten dazu die Funktion A→ N, welchea = m+ ni

√5 auf |a|2 = m2 + 5n2 abbildet. Diese ist multiplikativ, d. h. |ab|2 = |a|2|b|2.

Ein Element a ∈ A mit |a|2 = 1 muss 1 oder −1 sein, was

A× = {−1, 1}

impliziert, denn aus ab = 1 folgt |a|2|b|2 = 1, also a, b = ±1.Es bleibt also nur die Irreduzibilität der Faktoren aus (4.2) zu zeigen. Es sei a eines dieserElemente und wir nehmen a = bc, b, c ∈ A, an. Dann erhalten wir |a|2 = |b|2|c|2 undkönnen o. B. d.A. von |b| ≤ |c| ausgehen.Für a = 2 kann nun |b|2 = 2 unmöglich erfüllt sein, weshalb |b|2 = 1 und |c|2 = 4 geltenmüssen. Daraus erhalten wir b = ±1. Analog behandeln wir a = 3.Für a = 1 ± i

√5. Nun ist 6 = |a|2 = |b|2|c|2 und aus |b|2 6= 2 folgt wieder b = ±1 nach

|b|2 = 1 und |c|2 = 6.

Beweis von Satz 4.65. Es sei A ein Hauptidealbereich.(1). Wir behaupten folgendes: Ist (a0) ⊂ (a1) ⊂ (a2) ⊂ . . . eine aufsteigende Kette vonIdealen, so gibt es ein n ∈ N mit (an) = (an+i) für alle i ∈ N. (d. h. A ist noethersch)Dazu betrachten wir I :=

⋃n∈N(an) und stellen fest, dass I ein Ideal ist, denn für x ∈ (ai),

y ∈ (aj) haben wir x, y ∈ (amax(i,j)), also x + y ∈ I für x, y ∈ I. Außerdem sehen wirfür x ∈ (ai) und a ∈ A, dass ax ∈ (ai) ⊂ I. Da A ein Hauptidealbereich ist, existiert eind ∈ A, welches I erzeugt, also I = (d). Da d ∈ I, gibt es ein n ∈ N mit d ∈ (an), was(an) = I zeigt. Auch für alle i ∈ N haben wir dann I = (an) ⊂ (an+i) ⊂ I.

Algebra 1 40

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4.6 Berlekamps Algorithmus und formale Ableitungen

(2). Wir zeigen nun die Existenz von Faktorisierungen. Wir bezeichnen dazu mit S dieMenge aller a ∈ A \ {0}, welche keine Faktorisierung in irreduzible Faktoren besitzt undnehmen an, dass S nichtleer wäre. Weiter betrachten wir die Familie von Idealen (a) mita ∈ S, welche nach Übungsaufgabe ein maximales Element (b) bezüglich der Inklusionbesitzt (auch gäbe es sonst eine aufsteigende Folge von unendlich vielen Hauptidealen).Für alle a ∈ S mit (b) ⊂ (a) muss also (b) = (a) folgen. Da außerdem b ∈ S, kann b nichtirreduzibel sein; es gibt also x, y ∈ A, welche keine Einheiten sind und xy = b erfüllen. Fürdiese Elemente ist also (b) ( (x) und ebenso (b) ( (y). Daher können x und y nicht in Sliegen, besitzen also Faktorisierungen in irreduzible Elemente. Aus diesen Faktorisierungenergäbe sich jedoch eine Faktorisierung von xy = b. Schließlich muss S also leer sein.(3). Um auch die Eindeutigkeit nachzuweisen, behaupten wir nun, dass (p) ein Primidealist, falls p irreduzibel ist. Es sei dazu p irreduzibel, aus x|p (d. h. (p) ⊂ (x)) folge also(x) = A oder (x) = (p). Damit ist (p) ein maximales Ideal. Für ab ∈ (p) wollen wir nuna ∈ (p) oder b ∈ (p) folgern. Äquivalent dazu ist die Implikation, dass aus ab ∈ (p) unda /∈ (p) bereits b ∈ (p) folgt. Ist also a /∈ (p), so erhalten wir aus (p) ( (p, a), dass (p, a) = Asein muss. Somit gibt es u, v ∈ A mit up+va = 1, woraus wir wegen upb+vab = b und derVoraussetzung p|ab die Teilbarkeitsrelation p|b erhalten. Dies wiederum bedeutet b ∈ (p).(4). Schließlich können wir die Eindeutigkeit der Faktorisierungen mithilfe von (3) zeigen.Es sei also

up1 · · · pr = vq1 · · · qsmit u, v ∈ A× und irreduziblen pi, pj ∈ A. Nach (3) ist (p1) ein Primideal; aus p1|vq1 · · · qsfolge also, dass es ein j mit p1|qj gibt. O.B. d.A. sei j = 1 und wir schreiben q1 = p1u1für eine Einheit u1 ∈ A×. Für

u��p1p2 · · · pr = vu1��p1q2 · · · qsfahren wir induktiv fort.

Korollar 4.68. Es sei a ∈ A ein von Null verschiedenes Element eines HauptidealbereichsA. Dann sind die folgenden Aussagen äquivalent:

(i) Der Faktorring A/(a) ist ein Integritätsbereich.

(ii) Der Faktorring A/(a) ist ein Körper.

(iii) Das Element a ist irreduzibel.

Beweis. Wie oben bewiesen wurde, ist (a) genau dann ein Primideal, wenn a irreduzibelist. Weiter wissen wir, dass A/(a) genau dann ein Integritätsbereich ist, wenn (a) einPrimideal ist. Ist all dies der Fall, so wollen wir noch zeigen, dass A/(a) ein Körper ist.Dazu sei also b ∈ A mit b mod (a) 6= 0, also ist a kein Teiler von b. Dann ist ggT(a, b) = 1,weshalb (a, b) = A und damit die Existenz von u, v ∈ Amit ua+vb = 1 folgt. Dies bedeutetvb ≡ 1 mod (a).

4.6 Berlekamps Algorithmus und formale Ableitungen

Ist A ein Ring, so gibt es einen eindeutigen Ringhomomorphismus ρ : Z → A, welcherdurch

ρ(n) =

1 + 1 + · · ·+ 1︸ ︷︷ ︸

n-mal

n > 0 ,

0 n = 0 ,−ρ(−n) n < 0

41 Algebra 1

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4 Ringe

gegeben ist. Der Kern von ρ, ein Ideal in Z, werde vom eindeutig bestimmten m ≥ 0erzeugt. Ist m = 0, so ist ρ injektiv, andernfalls betrachten wir folgendes Diagramm:

Z ρ //

����

im ρ

Zm∼=

<<

Insbesondere ist im ρ isomorph zu Zm und auch ist im ρ in jedem Unterring von A ent-halten. Wir nennen die Zahl m die Charakteristik char(A) von A; dies ist also die kleinstenatürliche Zahl m, für welche die m-fache Summation von Eins das Nullelement ergibt.Bemerkung 4.69. Ist A sogar ein Integritätsbereich, so ist dessen Charakteristik m ent-weder Null oder eine Primzahl. Ist nämlich im ρ nicht isomorph zu Z (d. h. ist die Cha-rakteristik nicht Null), so ist auch Z/(m) ein Integritätsbereich, was nach Korollar 4.68bedeutet, dass m eine Primzahl ist.

Im Folgenden werden wir ρ(n) und n identifizieren und schreiben für n ∈ N und a ∈ Az. B.

n · a := ρ(n)a = a+ · · ·+ a .

Von besonderem Interesse ist der Fall, dass die Charakteristik von A eine Primzahl p ist.Dann können wir nämlich den Körper Zp als Unterring von A auffassen und A daher alsZp-Vektorraum mit Skalarmultiplikation λa := λ · a.

Lemma 4.70. Es sei A ein kommutativer Ring von Primzahlcharakteristik. Dann ist dieFrobenius-Abbildung

Φ: A→ A , a 7→ ap

ein Zp-linearer Ringhomomorphismus.

Beweis. Leicht einzusehen sind Φ(1) = 1 und Φ(λa) = λpap = λap = λΦ(a) für a ∈ A,λ ∈ Zp nach dem kleinen Fermatschen Satz. Es bleibt Φ(a + b) = Φ(a) + Φ(b) zu zeigen.Der binomische Lehrsatz liefert zunächst

(a+ b)p =p∑i=0

(p

i

)aibp−1 = ap + bp +

p−1∑i=1

(p

i

)aibp−i .

Es genügt nun,(pi

)≡ 0 mod p, also

(pi

)= 0 in A für 1 < i < p nachzuweisen. Dies

wiederum folgt daraus, dass p ein Teiler von(pi

)= p (p−1)···(p−i+1)

i! ∈ Z ist (der Nenner i!enthält p nicht als Primfaktor, da i < p) und mit p = 0 in A.

Es sei A wieder ein kommutativer Ring und f =∑di=0 aiX

i, ai ∈ A, ein Polynom in A[X].Wir nennen dann das Polynom

f ′ :=d∑i=1

iaiXi−1 ∈ A[X]

die formale Ableitung von f . Insbesondere ist deg f ′ = deg f − 1 für f 6= 0.

Lemma 4.71. Die Abbildung f 7→ f ′ auf A[X] besitzt folgende Eigenschaften:

(i) Für alle f, g ∈ A[X] gilt (f + g)′ = f ′ + g′.

Algebra 1 42

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4.6 Berlekamps Algorithmus und formale Ableitungen

(ii) Für alle f, g ∈ A[X] gilt (fg)′ = f ′g + fg′.

(iii) Für alle f ∈ A[X] und a ∈ A gilt (af)′ = af ′.

Beweis. Leicht.

Man beachte jedoch, dass Polynome, deren Ableitung Null ist, nicht konstant sein müssen,d. h. aus f ′ = 0 für f ∈ A[X] folgt nicht f ∈ A. Hat A nämlich die Charakteristik m > 0,so betrachte man f = Xm. Hierfür gilt f ′ = mXm−1 = 0.Wir betrachten nun die Situation A = Zp, wobei p eine Primzahl ist.

Lemma 4.72. Es sei f ∈ Zp[X] ein Polynom mit f ′ = 0. Dann existiert ein Polynomg ∈ Zp[X] mit f = gp.

Beweis. Es sei f =∑di=0 aiX

i mit ai ∈ Zp und wir nehmen f ′ =∑di=1 iaiX

i−1 = 0 an,also iai = 0 für alle i = 1, . . . , d. Dies wiederum ist genau dann der Fall, wenn ai = 0 oderi = 0 (also p|i) für jedes i. Mit anderen Worten verschwinden alle Koeffizienten, derenIndizes keine Vielfachen von p sind. Wir können daher

f =∑j

ajpXjp

schreiben. Wir erinnern nun abermals an den kleinen Fermatschen Satz, der apjp = ajpliefert. Damit ergibt sich

f =∑j

apjpXjp =

∑j

(ajpXj)p =(∑

j

ajpXj

︸ ︷︷ ︸=:g

)p= gp

nach Lemma 4.70.

Bemerkung 4.73. Dieses Lemma gilt über beliebigen perfekten Körpern. Dabei heißt einKörper k Körper perfekt, falls er Charakteristik Null hat oder im Falle von char(k) = pfür alle a ∈ k ein b ∈ k mit bp = a existiert („es existieren p-te Wurzeln“). Z. B. ist Zp füralle Primzahlen p perfekt.

Definition 4.74. Es sei k ein Körper und f ∈ k[X] ein nichtkonstantes Polynom (alsof /∈ k). Wir nennen f quadratfrei, falls f keinen irreduziblen Faktor einer Vielfachheitgrößer Eins besitzt.

Beispiel 4.75. Das Polynom f = X2 + 2X + 1 = (X + 1)2 ist nicht quadratfrei.

Satz 4.76. Ein Polynom f ∈ Zp[X] \ Zp ist genau dann quadratfrei, wenn f und f ′

teilerfremd sind, d. h. ggT(f, f ′) = 1.

Beweis. Zunächst sei f nicht quadratfrei; es gebe also Polynome g, h ∈ Zp[X] mit f = g2hund deg g > 0. Dann ist (g2)′ = gg′+g′g = 2gg′ und somit f ′ = 2gg′h+g2h′ = g(2g′h+gh′),weshalb g ein gemeinsamer Teiler von f und f ′ ist.Umgekehrt sei f quadratfrei, wir schreiben also

f = λq1q2 · · · qr

43 Algebra 1

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4 Ringe

mit irreduziblen, normierten2 und paarweise verschiedenen qi und λ ∈ Zp. Wir erhalten

f ′ = λr∑i=1

q1 · · · qi−1q′iqi+1 · · · qr .

Angenommen, ggT(f, f ′) 6= 1, es gebe also ein j, für welches qj die formale Ableitung f ′teilt. Insbesondere ist

qj |q1 · · · qj−1q′jqj+1 · · · qr .

Damit muss qj einen der Faktoren teilen; dieser kann nur q′j sein. Aus qj |q′j muss jedochq′j = 0 folgen, denn sonst wäre deg q′j < deg qj . Nach Lemma 4.72 gibt es jedoch eing ∈ Zp[X] mit qj = gp. Dies widerspricht der Irreduzibilität von qj .

Bemerkung 4.77. Auch dieser Satz gilt für beliebige perfekte Körper.

Wir reduzieren nun das Faktorisierungsproblem auf quadratfreie Polynome. Dazu verwen-den wir folgenden Algorithmus, der zu einer Eingabe f ∈ Zp[X], deg f ≥ 1, ausgibt, ob fquadratfrei ist und ansonsten eine echte Zerlegung von f liefert:

1. Berechne f ′.

2. Falls f ′ = 0, so ist f = gp. Gib dies aus.

3. Falls f ′ 6= 0, berechne ggT(f, f ′) mit dem Euklidischen Algorithmus.

4. Ist ggT(f, f ′) = 1, so gib aus, dass f quadratfrei ist.

5. Ist ggT(f, f ′) 6= 1, so gib die Zerlegung f = ggT(f, f ′) fggT(f,f ′) aus.

Dieser Algorithmus arbeitet nach der bisher entwickelten Theorie korrekt und wiederholtesAnwenden liefert eine vollständige Zerlegung von f in ein Produkt quadratfreier Polynome.Nun fragen wir uns also noch, wie ein quadratfreies Polynom f ∈ Zp[X] in irreduzibleFaktoren zerlegt werden kann. Es sei dazu

f = q1 · · · qr

ein normiertes Polynom mit irreduziblen, normierten und paarweise verschiedenen qi. Wirsetzen n := deg f ≥ 1 und betrachten den Restklassenring A := Zp[X]/(f). Die Restklassea mod (f) für a ∈ Zp[X] ist genau dann eine Einheit, wenn ggT(a, f) = 1, und genau dannein Nullteiler, wenn ggT(a, f) 6= 1. Zur Faktorisierung von f suchen wir also Nullteiler inZp[X]/(f). Wir betrachten nun die Zp-lineare Frobenius-Abbildung Φ: A → A, a 7→ ap

und die MengeB := {a ∈ A : Φ(a) = ap = a} .

Lemma 4.78. In obiger Situation gelten folgende Aussagen:

(i) Die Menge B ist ein Unterring von A.

(ii) Es ist B = ker(Φ− id).

(iii) Es ist Zp ⊂ B und ist A ein Körper, so gilt sogar Zp = B.2Leitkoeffizienten seien Eins

Algebra 1 44

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4.6 Berlekamps Algorithmus und formale Ableitungen

Beweis. (i) und (ii) sind klar. Ebenso klar ist Zp ⊂ B. Wir betrachten weiter das Polynomf := Xp −X =∈ A[X], welches höchstens p = deg f Nullstellen hat, wenn A ein Körperist. Diese sind bereits alle p Elemente von Zp.

Außerdem besagt der Chinesische Restsatz, dass

χ : Zp[X]/(f)︸ ︷︷ ︸=A

→ Zp[X]/(q1)︸ ︷︷ ︸=:A1

× · · · × Zp[X]/(qr)︸ ︷︷ ︸=:Ar

ein Isomorphismus ist, da die qi paarweise teilerfremd sind. Dabei ist jeder Ring Ai einKörper, da qi irreduzibel ist.

Lemma 4.79. Es ist χ(B) = Zp × · · · × Zp.

Beweis. Es sei χ(a) = (a1, . . . , ar). Für a ∈ B gilt also χ(a)p = χ(ap) = χ(a). Dieswiederum ist äquivalent zu

(ap1, . . . , apr) = (a1, . . . , ar) ,

also api = ai für alle i. Da Ai = Zp[X]/(qi) ein Körper ist, ist daher ai ∈ Zp nach Lemma4.78. Zusammenfassend ist genau dann a ∈ B, wenn ai ∈ Zp für alle i.

Korollar 4.80. Es ist B ∼= Zp×· · ·×Zp, wobei das Produkt über r Faktoren gebildet wird.Insbesondere ist dimZp B = r.

Mit B = ker(Φ − id) können wir deshalb die Anzahl r der irreduziblen Faktoren von fmittels linearer Algebra über Zp (effizient) berechnen. Wir haben also einen effizientenIrreduzibilitätstest.Es sei nun wieder A := Zp[X]/(f) und es sei g ∈ Zp[X]. Wir bemerken, dass g mod (f)genau dann eine Einheit in A ist, wenn ggT(f, g) = 1. Andernfalls ist g mod (f) einNullteiler.Für t > 1 ist Zp ( B ∼= Ztp.

Lemma 4.81. Es sei a ∈ B \ Zp. Dann existiert ein s ∈ Zp, so dass a− s ein Nullteilerin B ist, also ggT(a− s, f) 6= 1.

Beweis. Es sei χ(a) = (a1, . . . , at) ∈ Ztp. Es gibt nun ein i mit a1 6= ai, denn sonst wärea ∈ Zp. Setzen wir s = ai, so ist

χ(a− s) =(a1 − s, a2 − s, . . . , ai − s︸ ︷︷ ︸

=0

, . . . , at − s)

ein Nullteiler und so auch a− s.

Dies führt zu folgendem Algorithmus:

1. Berechne eine Zp-Basis von B = ker(Φ− id).

2. Falls t > 1, so finde ein Basiselement a ∈ B \ Zp.

3. Teste für alle s ∈ Zp, ob ggT(a − s, f) 6= 1 (kann bis zu p Schritte Kosten; nur fürkleines p effizient).

45 Algebra 1

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4 Ringe

Bemerkung 4.82. Berlekamp entwickelte einen weiteren Algorithmus, der randomisiert istund nur (n log p)c Schritte braucht.

Wir beschreiben den Algorithmus nun mit mehr Details.Für j = 0, . . . , n− 1 sei

Φ(Xj) = Xjp =n−1∑i=0

βij︸︷︷︸∈Zp

Xi

in A = Zp[X]/(f). Dann hat Φ − id : A → A bezüglich der Basis {1, . . . , Xn−1} dieDarstellungsmatrix [βij − δij ] ∈ Zn×np .Berlekamps AlgorithmusEingabe: Ein normiertes quadratfreies Polynom f ∈ Zp[X] vom Grad n ≥ 1.Ausgabe: Die Anzahl t der irreduziblen Faktoren von f und für t > 1 eine nichttrivialeZerlegung von f .

1. Berechne eine Matrix [αij ] ∈ Zn×(

(n−1)p+1)

p mit

Xk =n−1∑i=0

αikXi .

2. Berechne [βij ] ∈ Zn×np durch Auswählen der jp-ten Spalten von [αik].

3. Transformieren [βij − δij ] auf Treppen- bzw. Stufenform.

4. Berechne eine Zp-Basis von B = ker[βij − δij ] und gib t = dimB aus.

5. Ist t > 1, so finde ein Basiselement a /∈ Zp und berechne für s = 0, 1, . . . , p − 1 dengrößten gemeinsamen Teiler d := ggT(a− s, f) bis d 6= 1. Gib nun f = dfd aus.

Algebra 1 46

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5 Polynome

5.1 Multivariate Polynome

Wir kennen bereits den Polynomring A[X] über einem Ring A in einer Variablen X. DieseKonstruktion verallgemeinern wir auf mehrere Variablen.Es sei A ein beliebiger kommutativer Ring. Für eine Abbildung f : Nn → A definieren wirden Träger

supp(f) :={ε ∈ Nn : f(ε) 6= 0

}.

Wir betrachten die Menge

Γ(Nn, A) :={f : Nn → A : supp(f) ist endlich

}.

Dies ist eine Gruppe bezüglich der punktweisen Addition. Außerdem haben wir eine Ska-larmultiplikation

A× Γ(Nn, A)→ Γ(Nn, A) , (a, f) 7→ a · f ,

wobeia · f : ε 7→ af(ε) .

Es gelten für Γ(Nn, A) die gleichen Axiome wie die für Vektorräume.Für ε ∈ Nn sei δε ∈ Γ(Nn, A) die Indikatorfunktion von ε,

δε : Nn → A , ε′ 7→{

1 ε′ = ε

0 sonst.

Für f ∈ Γ(Nn, A) haben wir eine eindeutige Zerlegung

f =∑

ε∈supp(f)f(ε)δε ,

womit die δε gewissermaßen eine Basis bilden. Den Wert f(ε) nennen wir den Koeffizientenvon f bei ε. Da Nn bezüglich der Addition ein Monoid ist, können wir durch

(f ∗ g)(ε) :=∑

ε′+ε′′=ε

f(ε′)g(ε′′)

ein Produkt von f, g ∈ Γ(Nn, A) definieren, welches auch Konvolution bzw. Faltung ge-nannt wird. Nun ist f ∗ g = g ∗ f , f ∗ δ0 = f , f ∗ (g ∗ h) = (f ∗ g) ∗ h und außerdemf ∗ (g + h) = f ∗ g + f ∗ h.

Proposition 5.1. Die Menge Γ(Nn, A) ist bezüglich der Addition und der Konvlution einkommutativer Ring und heißt Polynomring über A in n Variablen.

Es gilt weiterhin δε′ ∗ δε′′ = δε′+ε′′ . Es sei nun

ei = (0, . . . , 0, 1︸︷︷︸i

, 0, . . . , 0) ∈ Nn .

Dann können wirε =

n∑i=1

εiei

47 Algebra 1

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5 Polynome

schreiben und es istδε = δε1e1 ∗ · · · ∗ δεnen = δε1

e1 ∗ · · · ∗ δεnen

mit der Potenzschreibweise fk := fk−1∗f , f0 := δ0. Man beachte dazu δkε = δε+···+ε = δkε .Wir schreiben δi := δei und für f ∈ Γ(Nn, A) erhalten wir

f =∑ε

f(ε)δε =∑ε

f(ε)δε11 ∗ · · · ∗ δ

εnn .

Auch schreiben wir Xi := δi und nennen dies Variablen oder Unbestimmte. Dann führenwir die Bezeichnung

A[X1, . . . , Xn] := Γ(Nn, A)

für den Polynomring ein.Wir haben einen injektiven Ringhomomorphismus A ↪→ A[X1, . . . , Xn], a 7→ aδ0, womitwir A als Teilmenge von A[X1, . . . , Xn] auffassen können, indem wir aδ0 mit a identifizie-ren.Nun haben wir also einen Polynomring P = A[X1, . . . , Xn] mit einem Ringhomomorphis-mus A ↪→ P und ausgezeichneten Elementen X1, . . . , Xn.

Satz 5.2 (Universelle Eigenschaft). Es seien A und B kommutative Ringe mit einemRinghomomorphismus ϕ : A→ B. Weiter seien b1, . . . , bn ∈ B. Dann gibt es genau einenRinghomomorphismus ϕ′ : A[X1, . . . , Xn]→ B, so dass ϕ′(Xi) = bi für alle i gilt und dasfolgende Diagramm kommutiert:

Aϕ //

��

B

A[X1, . . . , Xn]ϕ′

88

Beweis. Für die Eindeutigkeit schreiben wir

f =∑ε

f(ε)Xε11 · · ·X

εnn

und erhaltenϕ′(f) =

∑ε

ϕ′(f(ε)

)bε1

1 · · · bεnn =

∑ε

ϕ(f(ε)

)bε1

1 · · · bεnn . (5.1)

Die Existenz zeigen wir, indem wir ϕ′ durch (5.1) definieren und zeigen, dass dies einRinghomomorphismus ist.

Haben wir einen kommutativen Ring R mit ausgezeichneten Elementen r1, . . . , rn ∈ R, sogibt es also genau einen Homomorphismus Xi 7→ ri, so dass

Z //

��

R

Z[X1, . . . , Xn]

88

kommutiert.

Algebra 1 48

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5.1 Multivariate Polynome

Bemerkung 5.3. Es sei A ⊂ B ein Unterring eines Rings B, wobei ϕ : A ↪→ B die Inklusionsei. Es seien weiter bi ∈ B, i = 1, . . . , n. Dann heißt

ϕ′ : A[X1, . . . , Xn]→ B , Xi 7→ bi

Auswertungshomomorphismus und man schreibt suggestiv

f(b1, . . . , bn) := ϕ′(f)

für f ∈ A[X1, . . . , Xn].

Definition 5.4. Es sei wieder A ⊂ B ein Unterring. Elemente b1, . . . , bn ∈ B heißen alge-braisch unabhängig über A, falls der Kern des zugehörigen Auswertungshomomorphismustrivial ist, d. h. falls f(b1, . . . , bn) = 0 für ein f ∈ A[X1, . . . , Xn] gilt, so muss f = 0 sein.

Beispiel 5.5. Es ist A ⊂ A[X1, . . . , Xn] und die Variablen X1, . . . , Xn sind algebraischunabhängig über A.Beispiel 5.6 (n = 1). Statt b ∈ B algebraisch unabhängig über A zu nennen, sagen wirauch, dass b transzendent über A ist.Für A = Q ⊂ R = B ist bekannt, dass π und e transzendent sind. Es ist ein offenesProblem, ob {e, π} algebraisch unabhängig über Q sind.

Lemma 5.7. Der Polynomring A[X1, . . . , Xn][X] in einer Variablen X über einem Poly-nomring A[X1, . . . , Xn] ist isomorph zum Polynomring A[X1, . . . , Xn, Xn+1].

Beweisskizze. Wir betten A[X1, . . . , Xn] durch die Inklusion ϕ in A[X1, . . . , Xn+1] ein unddie universelle Eigenschaft liefert einen Ringhomomorphismus

ϕ′ : A[X1, . . . , Xn][X]→ A[X1, . . . , Xn+1] ,

welcher ϕ fortsetzt und ϕ′(X) = Xn+1 erfüllt. Man verifiziert nun, dass ϕ′ ein Isomomor-phismus ist.

Wir führen die folgende Bezeichnung ein: Für ε ∈ Nn nennen wir Xε := Xε11 · · ·Xεn

n einMonom. Die Größe degXε := ε1 + · · · + εn nennen wir den Grad von Xε. Ein Polynomf heißt homogen, falls alle in f vorkommenden Monome (Monome Xε mit ε ∈ supp(f))den gleichen Grad d haben, also degXε = d für alle ε ∈ supp(f). Der Grad deg f einesPolynoms f 6= 0 ist der maximale Grad der vorkommenden Monome.Beispiel 5.8. Das Polynom

f = X31X2X3 +X2

1X22X3 +X5

3

ist homogen vom Grade Fünf.Das Polynom

g = X21X

42X

33 +X1X

52X3 +X2 +X3 + 1

ist nicht homogen und hat Grad deg g = 9.

Wir wissen: Ist A ein Integritätsbereich, so ist auch A[X] ein Integritätsbereich und es istA[X]× = A×.

Korollar 5.9. Ist A ein Integritätsbereich, so ist A[X1, . . . , Xn] ein Integritätsbereich undA[X1, . . . , Xn]× = A×.

Beweis. Folgt induktiv mit Lemma 5.7 und dem oben in Erinnerung gerufenen Resultat.

49 Algebra 1

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5 Polynome

5.2 Faktorisierung

Wir wissen, dass k[X] faktoriell ist, falls k ein Körper ist. Wir zeigen nun folgendes: IstA faktoriell, so ist A[X] faktoriell. Mit Lemma 5.7 folgt dann wieder, dass k[X1, . . . , Xn]faktoriell ist, falls k ein Körper ist.Zuerst zeigen wir, dass jeder Integritätsbereich als Unterring eines Körpers vorkommt.

Satz 5.10. Für jeden Integritätsbereich A gibt es einen Körper k und einen injektivenRinghomomorphismus ϕ : A→ k mit folgender universeller Eigenschaft: Zu jedem Körperk′ mit injektivem Ringhomomorphismus ϕ′ : A → k

′ gibt es genau einen Ringhomomor-phismus ψ : k→ k

′, so dass folgendes Diagramm kommutiert:

Aϕ //

ϕ′ ��

k

ψ��k′

Bemerkung 5.11. Man fasst ϕ : A→ k als Inklusion auf und schreibt daher die Elementevon k in der Form a

b . Auch nennt man k den Quotientenkörper von A. Dieser ist bis aufIsomorphie eindeutig bestimmt.Beispiel 5.12. Die rationalen Zahlen Q sind der Quotientenkörper von Z.

Beweis zu Satz 5.10. Wir konstruieren k analog zur Konstruktion von Q aus Z: Auf derMenge A× (A \ {0}) eine Äquivalenzrelation durch

(a, b) ∼ (a′, b′) :⇔ ab′ = a′b .

Zum Nachweis der Transitivität müssen wir die Voraussetzung benutzen, dass A ein In-tegritätsbereich sei. Nun definieren wir auf der Menge k der Äquivalenzklassen Additionund Multiplikation durch [

(a, b)]

+[(a′, b′)

]:=[(ab′ + a′b, bb′)

]und [

(a, b)]·[(a′, b′)

]:=[(aa′, bb′)

].

Man verifiziert nun, dass diese Operationen wohldefiniert sind und dass k einen Körpermit Null [(0, 1)] und Eins [(1, 1)] ist. Insbesndere gilt für a, b ∈ A \ {0}[

(a, b)]·[(b, a)

]=[(ab, ba)

]=[(1, 1)

].

Weiter ist die Abbildung ϕ : A→ k, a 7→ [(a, 1)] ein injektiver Ringhomomorphismus. Zuruniversellen Eigenschaft sei ϕ′ : A→ k

′ gegeben, wobei auch k′ ein Körper sei. Wir setzennun ψ

([(a, b)]

):= ϕ′(a)ϕ′(b)−1 und verifizieren, dass dies ein wohldefinierter Ringhomo-

morphismus ist.

Beispiel 5.13. Es sei k ein Körper und A = k[X]. Dann nennen wir den Quotientenkörpervon k[X] auch den rationalen Funktionskörper k(X) in der Variablen X über k. Elementevon k(X) schreiben wir als f

g , wobei f, g ∈ k[X], g 6= 0, Polynome sind.

Wir wenden uns nun wieder dem Faktorisierungsproblem zu und nehmen an, dass A einfaktorieller Ring ist, dessen Quotientenkörper wir k nennen. Wir wissen bereits, dass k[X]faktoriell ist und auch können wir A[X] ⊂ k[X] schreiben. Nun wollen wir zeigen, dassA[X] faktoriell ist.

Algebra 1 50

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5.2 Faktorisierung

Definition 5.14. Zwei Elemente a, b ∈ A eines Integritätsbereiches A heißen assoziiert,falls es eine Einheit u ∈ A× mit a = ub gibt. Dann schreiben wir a ∼ b und ∼ ist eineÄquivalenzrelation.

Beispiel 5.15. In A = Z sind a und −a assoziiert.In A = k[X] sind zwei Polynome f, g ∈ k[X] genau dann assoziiert, wenn es ein λ ∈ k×mit f = λg ist.

In faktoriellen Ringen existiert der größte gemeinsame Teiler und ist eindeutig bis aufAssoziiertheit.

Definition 5.16. Der Inhalt I(f) ∈ A eines von Null verschiedenen Polynoms f ∈ A[X]über einem faktoriellen Ring A ist der größte gemeinsame Teiler seiner Koeffizienten. EinPolynom f heißt primitiv, falls sein Inhalt Eins (sprich: eine Einheit) ist.

Beispiel 5.17. Wir betrachten A = Z und f = 4X2 + 6X + 10. Dann ist I(f) = 2 undf = 2(2X2 + 3X + 5). Allgemein können wir jedes Polynom f als f = I(f)f̃ für einPolynom f̃ ∈ A[X] schreiben, welches wir den primitiven Teil von f nennen.

Lemma 5.18 (Gauß-Lemma). Das Produkt primitiver Polynome über einem faktoriellenRing ist primitiv.

Beweis. Es seien f, g ∈ A[X] primitiv (wobei A faktoriell sei), nicht aber h = fg, alsoI(h) 6= 1. Dann existiert ein irreduzibles p ∈ A, welches I(h) teilt. Das von p erzeugteIdeal (p) ist ein Primideal, womit R := A/(p) ein Integritätsbereich ist. Der kanonischeHomomorphismus A→ R induziert einen Ringhomomorphismus

A[X]→ R[X] ,∑i

aiXi 7→

∑i

aiXi .

Es gilt nun jedoch h = 0 und somit f · g = h = 0, womit f = 0 oder g = 0 folgt, da R[X]ein Integritätsbereich ist. O.B. d.A. sei f = 0, weshalb p Teiler aller Koeffizienten von fist, was ein Widerspruch zur Primitivität von f ist.

Lemma 5.19. Es seien f, g ∈ A[X] primitiv und A ein faktorieller Ring. Weiter sei kder Quotientenkörper von A. Dann gelten folgende Aussagen:

(i) Die Polynome f und g sind genau dann assoziiert in A[X], wenn sie assoziiert ink[X] sind.

(ii) Das Polynom f ist genau dann irreduzibel in A[X], wenn f irreduzibel in k[X] ist.

Beweis. (i), „⇒“ ist klar.„⇐“. Es sei f = a

b g mit a, b ∈ A \ {0}. Dann ist bf = ag und daher b ∼ I(bf) ∼ I(ag) ∼ a,womit a = ub für ein u ∈ A× folgt. Dies bedeutet f = ug.(ii), „⇐“. Es sei f irreduzibel in k[X] und f = gh in A[X]. Dann ist deg g = 0 oderdeg h = 0, o. B. d.A. deg g = 0. Damit folgt g ∈ A und über g|I(f) erhalten wir g ∈ A×.„⇒“. Es sei f reduzibel in k[X], d. h. es sei f = gh für Polynome f , g vom Grade Eins odergrößer. Wir schreiben g = a

b g̃, wobei g̃ ∈ A[X] primitiv sei und a, b ∈ A, b 6= 0. Analogschreiben wir h = a′

b′ h̃ für primitives h̃ ∈ A[X] und a′, b′ ∈ A, b′ 6= 0. Wir erhalten nun

f = gh = aa′

bb′g̃h̃ ,

51 Algebra 1

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5 Polynome

also bb′f = aa′g̃h̃. Da f primitiv ist, ist bb′ ∼ I(bb′f), und nach dem Gauß-Lemma ist g̃h̃primitiv, womit wir bb′ ∼ I(bb′f) ∼ I(aa′g̃h̃) ∼ aa′ ist. Damit ist u := aa′

bb′ wie oben sogareine Einheit in A, d. h. f = ug̃h̃ ist eine echte Zerlegung von f .

Satz 5.20. Ist A faktoriell, so ist auch A[X] faktoriell.

Korollar 5.21. Ist A faktoriell und n ≥ 1, so ist auch A[X1, . . . , Xn] faktoriell.

Beweis. Durch Induktion nach n. Der Induktionsstart ist obiger Satz, der Induktions-schritt ergibt sich aus A[X1, . . . , Xn+1] ∼= A[X1, . . . , Xn][Xn+1] und der Induktionsvoraus-setzung, dass A[X1, . . . , Xn] faktoriell ist.

Beweis zu Satz 5.20. Wir zeigen zunächst die Existenz einer Zerlegung in irreduzible Ele-mente. Sei dazu f ∈ A[X] von Null verschieden. Wir schreiben f = I(f)f̃ für ein primitivesf̃ . Nun zerlegen wir

I(f) = a1 · · · am ,

wobei die ai ∈ A irreduzibel sind – dies ist möglich, da A faktoriell ist. Außerdem fassenwir f̃ ∈ A[X] als Polynom über dem Quotientenkörper k von A auf. Da Polynomringeüber Körpern faktoriell sind, können wir in k[X]

f̃ = p1 · · · pr

schreiben, wobei die pi ∈ k[X] irreduzibel sind. Diese stellen wir in der Form

pi = αiβip̃i

mit αi, βi ∈ A, βi 6= 0 und primitivem p̃i ∈ A[X]. Nun ist

β1 · · ·βrf̃ = α1 · · ·αrp̃1 · · · p̃r

und p̃1 · · · p̃r ist primitiv. Es gibt also eine Einheit u ∈ A× mit f̃ = up̃1 · · · p̃r. Wir wis-sen, dass p̃i primitiv und irreduzibel in k[X] ist. Nach Lemma 5.19 ist p̃i ∈ A[X] auchirreduzibel in A[X]. Wir erhalten also eine Zerlegung

f = I(f)f̃ = ua1 · · · amp̃1 · · · p̃r

in irreduzible Elemente a1, . . . , am und p̃1, . . . , p̃r.Wir zeigen nun auch die Eindeutigkeit dieser Zerlegung. Schreiben wir

f = b1 · · · bnq1 · · · qs

für irreduzible bi ∈ A und nichtkonstante qi ∈ A[X], so sind die qi offenbar auch primitiv.Damit ist auch q1 · · · qs primitiv, es gibt also eine Einheit v ∈ A× mit f̃ = vq1 · · · qs undI(f) = v−1b1 · · · bn. Insbesondere sind durch

up̃1 · · · p̃r = f = vq1 · · · qs

zwei Zerlegungen in Irreduzible in k[X] gegeben. Da k[X] jedoch faktoriell ist, haben wirr = s und (o. B. d.A. – bis auf Permutation) p̃i ist assoziiert zu qi in k[X]. Nach Lemma5.19 sind p̃i und qi auch assoziiert in A[X]. Analog erhalten wir aus

a1 · · · am ∼ I(f) ∼ b1 · · · bn ,

dass n = m und o. B. d.A. ist ai assoziiert zu bi, denn A ist faktoriell.

Algebra 1 52

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5.2 Faktorisierung

Wir geben nun eine hinreichende Bedingung für Irreduzibilität.

Satz 5.22 (Eisensteinscher Satz). Es sei A faktoriell, k der Quotientenkörper und n ≥ 1.Weiter sei

f = f0 + f1X + · · ·+ fn−1Xn−1 + fnX

n ∈ A[X]

und p ∈ A sei irreduzibel. Gelten nun die Beziehungen

fi ≡ 0 mod p

für 0 ≤ i < n undfn 6≡ 0 mod p , und f0 6≡ 0 mod p2 ,

so ist f irreduzibel in k[X].

Beispiel 5.23. Wir betrachten

f = X5 − 9X2 + 15X − 3 ∈ Z[X]

und p = 3. Nach dem Satz von Eisenstein ist f irreduzibel in Q[X]. Da f primitiv ist, istf auch irreduzibel in Z[X].Außerdem ist Xn − p irreduzibel in Z[X], falls p eine Primzahl ist. Damit ist n

√p /∈ Q für

n > 1.

Beweis. Wir schreiben f = I(f)f̃ für primitives f̃ und da p kein Teiler von fn ist, istp auch kein Teiler von I(f). Somit erfüllt f̃ die Voraussetzungen des Satzes. O.B. d.A.können wir also annehmen, dass f primitiv ist, denn I(f) ∈ k×.Angenommen, f wäre nicht irreduzibel. Dann gibt es eine Zerlegung f = gh in A[X] mit

g = g0 + · · ·+ gdXd

undh = h0 + · · ·+ hmX

m ,

so dass deg f = n = m + d und fn = gdhm. Wir erhalten f0 = g0h0, p|f0 und p2 teiltnicht f0. O. B. d.A. sei p|g0 und p teile nicht h0. Wir betrachten den RinghomomorphismusA[X]→ A/(p)[X], f 7→ f . Dann ist f = fnX

n = gh. Wir bemerken

h = h0︸︷︷︸6=0

+h1X + · · ·+ hmXm

undg = gk︸︷︷︸

6=0

Xk + · · ·+ gd︸︷︷︸6=0

Xd

für ein k ≤ d. Dann wäre jedoch

hg = gkh0︸ ︷︷ ︸6=0

Xk + · · ·+ gdhm︸ ︷︷ ︸6=0

Xn

in A/(p)[X]. Dies widerspricht f = fnXn, da k ≤ d < d+m = n.

53 Algebra 1

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5 Polynome

5.3 Symmetrische Polynome

Es sei A ein kommutativer Ring und R := A[X1, . . . , Xn]. Für π ∈ Sn definieren wir denRinghomomorphismus Dπ : R → R durch Dπ(a) = a für alle a ∈ A und Dπ(Xi) = Xπ(i).Es gilt Did = idR und Dπ2 ◦ Dπ1 = Dπ2◦π1 . Damit ist Dπ ein Ringautomorphismus undwir sagen, dass Sn auf R durch Ringautomorphismen operiert. Wir schreiben

π.f := Dπ(f)

für π ∈ Sn und f ∈ R.

Definition 5.24. Ein Polynom f ∈ R heißt symmetrisch, falls π.f = f für alle π ∈ Sn.

Beispiel 5.25. Wir betrachten R = A[X1, X2, X3] und f1 = X1X2 +X1X3 +X2X3. DiesesPolynom f1 ist symmetrisch. Das Polynom f2 = X1X2 + X1X3 jedoch ist nicht symme-trisch.

Wir behaupten nun, dass die Menge RSn der symmetrischen Polynome f ∈ R ein Unterringvon R ist. Sind nämlich f und g symmetrisch und π ∈ Sn, so ist Dπ(f + g) = Dπ(f) +Dπ(g) = f + g. Analog ist Dπ(fg) = fg.

Definition 5.26. Es sei 0 ≤ k ≤ n. Das k-te elementarsymmetische Polynom in n Varia-blen ist

σk =∑S⊂[n]|S|=k

∏i∈S

Xi .

Beispiel 5.27. Es ist σ0 = 1, σ1 = X1 + · · · + Xn und σ2 =∑i<j XiXj . Außerdem ist

σn = X1X2 · · ·Xn.

Man sieht leicht, dass die σk symmetrisch sind.Es ist eine fundamentale Beziehung (als Satz von Vieta bekannt), dass für eine UnbestimmeT über R das Polynom

p := (T −X1) · · · (T −Xn) ∈ R[T ]

bis auf Vorzeichen die Koeffizienten σk hat:

p =n∑k=0

(−1)kσkTn−k .

Für n = 3 ist z. B.

(T−X1)(T−X2)(T−X3) = T 3−(X1+X2+X3)T 2+(X1X2+X1X3+X2X3)T−X1X2X3 .

Satz 5.28 (Hauptsatz über symmetrische Polynome). Für alle symmetrischen Polynomef ∈ RSn gibt es genau ein Polynom p ∈ A[Y1, . . . , Yn], so dass

f = p(σ1, . . . , σn) .

Bemerkung 5.29. Es ist also

A[Y1, . . . , Yn]→ A[X1, . . . , Xn]Sn , Yi 7→ σi , a 7→ a ,

a ∈ A, ein Ringisomorphismus.Die elementarsymmetrischen Polynome σ1, . . . , σn ∈ A[X1, . . . , Xn]Sn sind algebraisch un-abhängig über A.

Algebra 1 54

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5.3 Symmetrische Polynome

Wir bereiten nun den Beweis des Satzes vor.Wir ordnen die Terme lexikographisch und schreiben

Xα11 · · ·X

αnn ≺ X

β11 · · ·X

βnn ,

falls αi = βi für alle i bis zu einem k (also i < k), für welches αk < βk gelte. Durch

Xα � Xβ :⇔ Xα = Xβ oder Xα ≺ Xβ

wird eine totale Ordnung auf der Menge der Terme definiert. Außerdem setzen wir natür-lich Xα � Xβ :⇔ Xβ � Xα. Z. B. ist

X3 ≺ X2 ≺ X1 , X2X3 ≺ X1X3 ≺ X1X2 .

Lemma 5.30. Für alle α, β, γ ∈ Nn gelten folgende Aussagen:

(i) Aus Xα � Xβ folgt XαXγ ≺ XβXγ.

(ii) Es ist 1 = X0 � Xβ.

(iii) Jede nichtleere Menge von Termen hat ein minimales Element.

Beweis. Übung.

Bemerkung 5.31. Eine Termordnung ist eine totale Ordnung auf der Menge der Terme,welche die drei Eigenschaften aus dem obigen Lemma besitzt.

Der Leitterm lt(f) eines von Null verschiedenen Polynoms f ∈ A[X1, . . . , Xn] ist der nachlexikographischer Ordnung größte in f vorkommende Term. Sein Koeeffizient lc(f) heißtLeitkoeffizient.Beispiel 5.32. Es sei f = aX1X2 + bX1X3 + cX2X3 mit a, b, c 6= 0. Dann ist lt(f) = X1X2mit lc(f) = a. Weiter ist lt(σk) = X1 . . . Xk.Bemerkung 5.33. Für zwei Polynome f, g 6= 0 ist lt(fg) = lt(f) lt(g), falls lc(f) lc(g) 6= 0.

Beweis. Es istf = λ lt(f) +

∑i

λisi

mit λ = lc(f) 6= 0 ∈ A, λi ∈ A und si ≺ lt(f). Analog schreiben wir

g = µ lt(g) +∑j

µjtj

mit µ = lc(g) 6= 0 ∈ A, µj ∈ A und tj ≺ lt(g). Damit ist

fg = λµ lt(f) lt(g) +∑i,j

λiµjsitj +∑i

λiµ lt(g)si +∑j

λµj lt(f)tj

und nach obigem Lemma ist lt(f) lt(g) � si lt(g) � sitj und lt(f) lt(g) � lt(f)tj für alle i,j.

Bemerkung 5.34. Ist f ∈ A[X1, . . . , Xn]Sn von Null verschieden, so kommen mit dem TermXα = Xα1

1 · · ·Xαnn auch alle permutierten Terme Xπ(α1)

1 · · ·Xπ(αn)n , π ∈ Sn, vor. Deshalb

erfüllt lt(f) = Xα die Bedingung α1 ≥ α2 ≥ . . . ≥ αn.

55 Algebra 1

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5 Polynome

Beweis des Hauptsatzes. Wir schreiben wieder R := A[X1, . . . , Xn] und

A[σ1, . . . , σn] :={p(σ1, . . . , σn) : p ∈ A[Y1, . . . , Yn]

}⊂ RSn .

Es sei nun f ∈ RSn \ {0} und lt(f) = Xα11 · · ·Xαn

n . Dann ist α1 ≥ . . . ≥ αn und wir bilden

g := σα1−α21 σα2−α3

2 · · ·σαn−1−αn

n−1 σαnn ,

so dass

lt(g) = lt(σ1)α1−α2 · · · lt(σn−1)αn−1−αn lt(σn)αn

= Xα1−α21 (X1X2)α2−α3 · · · (X1 · · ·Xn−1)αn−1−αn(X1 · · ·Xn)αn = Xα1

1 · · ·Xαnn = Xα .

Der Koeffizient von Xα inf1 := f − lc(f)g ∈ RSn

ist nach Konstruktion Null. Damit ist f1 = 0 oder lt(f1) ≺ lt(f). Wir iterieren dieses Ver-fahren, welche jedoch nach endlich vielen Schritten abbrechen muss, da es nach Lemma 5.30keine unendliche absteigende Folge von Termen gibt. So erhalten wir f ∈ A[σ1, . . . , σn].Zur Eindeutigkeit der Darstellung schreiben wir

p =∑α∈S

cαYα

für eine endliche und nichtleere Menge S ⊂ Nn und cα 6= 0 für α ∈ S. Dann ist

p(σ) =∑α∈S

cασα .

Nun erhalten wir

lt(σα) = lt(σ1)α1 · · · lt(σn)αn

= Xα11 (X1X2)α2 · · · (X1 · · ·Xn)αn = Xα1+···+αn

1 · · ·Xαnn =: Xγ .

Die AbbildungS → Nn , α 7→ (α1 + · · ·+ αn, . . . , αn) = γ

ist injektiv. Es sei γ das (lexikographisch) größte Element im Bild von γ. Dann kann derTerm Xγ nur auf eine Weise gebildet werden und hat somit einen nichtverschwindendenKoeffizienten.

Bemerkung 5.35. Der Beweis ist algorithmisch.Beispiel 5.36. Es sei f = X3

1 + X32 ∈ Z[X1, X2]S2 . Wir wollen dies als Polynom in σ1 =

X1 +X2 und σ2 = X1X2 ausdrücken. Wir bemerken zunächst lt(f) = X31 und wir bilden

g1 := σ3−01 σ0

2 = (X1 +X2)3 = X31 + 3X2

1X2 + 3X1X22 +X3

2 ,

womit wirf1 := f − g1 = −3X2

1X2 − 3X1X22

erhalten. Nun ist lt(f1) = X21X2 und wir setzen

g2 := σ2−11 σ1

2 = (X1 +X2)X1X2 = X21X2 +X1X

22

und erhaltenf2 := f1 − (−3)g2 = 0 .

Schließlich istf = f1 + g1 = f2 − 3g2 + g1 = −3σ1σ2 + σ3

1 .

Algebra 1 56

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5.3 Symmetrische Polynome

Eine wichtige Anwendung ist die Diskriminante. Wir setzen dazu

Dn :=∏

1≤i<j≤n(Xi −Xj)2 ∈ Z[X1, . . . , Xn]Sn

und wissen, dass es ein Polynom discn ∈ Z[Y1, . . . , Yn] gibt, für welches wir

Dn = discn(−σ1, σ2, . . . , (−1)nσn

)haben. Man nennt discn das n-te Diskriminantenpolynom. Ist

f = Tn + y1Tn−1 + · · ·+ yn ∈ A[T ]

mit yi ∈ A, so nennt man disc(f) := discn(y1, . . . , yn) ∈ A die Diskriminante von f .Zerfällt f in Linearfaktoren

f = (T − x1) · · · (T − xn)

mit xi ∈ A, so folgt nach dem Satz von Vieta durch Anwenden des Ringhomomorphismus

Z[Y1, . . . , Yn]→ A , Yi 7→ xi ,

dassn∏i=1

(T − xi) =n∑k=0

(−1)kσk(x)Tn−k .

Damit gilt yk = (−1)kσk(x). Nach Definition der Diskriminante gilt∏i<j

(xi − xj)2 = Dn(x) = discn(−σ1(x), . . . , (−1)nσn(x)

)= discn(y1, . . . , yn) = disc(f) .

Weiter gilt, dass disc(f) genau dann von Null verschieden ist, wenn die Nullstellen von fpaarweise verschieden sind.Beispiel 5.37. Für n = 2 ist

D2 = (X1 −X2)2 = X21 + 2X1X2 +X2

2 − 4X1X2 = (X1 +X2)2 − 4X1X2 = σ21 − 4σ2 ,

alsodisc2(Y1, Y2) = Y 2

1 − 4Y2 .

Die Nullstellen von f = T 2 +y1T+y2 sind also genau dann verschieden, wenn y21−4y2 6= 0.

Für n = 3 zeigt man

D3 = (X1 −X2)2(X1 −X3)2(X2 −X3)2 = σ21σ

22 − 4σ3

2 − 4σ31σ − 27σ2

3 + 18σ1σ2σ3 .

Damit ist

disc3(Y1, Y2, Y3) = Y 21 Y

22 − 4Y 3

2 − 4Y 31 Y3 − 27Y 2

3 + 18Y1Y2Y3 .

Im Spezialfall f = T 3 + pT + q ist disc(f) = −4p3 − 27q2.Für f = T 3 − 3T + 2 ist also disc(f) = −4 · (−3)3 − 27 · 22 = 0, d. h. f hat eine mehrfacheNullstelle. Tatsächlich ist f = (T − 1)2(T + 2).

57 Algebra 1

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5 Polynome

5.4 Resultante und Diskriminante

Die Resultante liefert ein Kriterium dafür, ob zwei gegebene Polynome über einem Körperk teilerfremd sind. Es sei also k ein Körper und f, g ∈ k[X] seien Polynome mit n :=deg f ≥ 1 und m := deg g ≥ 1.

Lemma 5.38. Es ist genau dann ggT(f, g) 6= 1, wenn es von Null verschiedene Polynomes, t ∈ k[X] mit sf + tg = 0 gibt, für welche deg s < deg g = m und deg t < deg f = ngelten.

Beweis. Es sei h := ggT(f, g) mit deg h ≥ 1 (also ggT(f, g) 6= 1). Aus −fg + fg = 0erhalten wir

f ·(−gh

)+ g

f

h= 0 .

Nun setzen wir s := − gh und t := f

h .Umgekehrt nehmen wir die Existenz solcher s, t ∈ k[X] an. Wir haben also sf = −tg mitst 6= 0. Wäre ggT(f, g) = 1, so würde f |t folgen, also degf ≤ deg t, was ein Widerspruchzu deg t < deg f ist.

Wir formulieren die Aussage dieses Lemmas nun als Bedingung der linearen Algebra:Für d ∈ N sei k[X]<d der Vektorraum der Polynome vom Grad kleiner d (inklusive desNullpolynoms). Eine Konvention dabei ist k[X]<0 = {0}. Dann ist

ϕ : k[X]<m × k[X]<n → k[X]<m+n , (s, t) 7→ sf + tg

eine k-lineare Abbildung zwischen k-Vektorräumen der gleichen Dimension n+m. Das obi-ge Lemma besagt nun, dass diese Abbildung ϕ genau dann injektiv ist, wenn ggT(f, g) = 1.Dies wiederum ist genau dann der Fall, wenn ϕ ein linearer Isomorphismus ist, wenn alsodetϕ 6= 0. Wir wollen ϕ nun durch eine Matrix darstellen. Dazu wählen wir eine monomia-le Basis {Xn−1, Xn−2, . . . , X, 1} von k[X]<n und jeweils eine analoge Basis für k[X]<mund k[X]<m×k[X]<n. Wir betrachten zuerst die lineare Abbildug k[X]<m → k[X]<n+m,s 7→ sf und schreiben

f =n∑j=0

fjXj , s =

m−1∑j=0

yjXj .

Damit erhalten wir

sf =m−1∑j=0

yjXjf = ym−1X

m−1f + · · ·+ y1Xf + y0f ,

Es entspricht nun f dem Koordinatenvektor [0, . . . , 0, fn, . . . , f0] bezüglich der gewähltenBasis aus Monomen. Dann können wir Xf mit [0, . . . , 0fn, . . . , f0, 0] identifizieren. Schließ-lich ist Xm−1f durch [fn, . . . , f0, 0, . . . , 0] dargestellt. Die (n+m)×m-Darstellungsmatrix

Algebra 1 58

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5.4 Resultante und Diskriminante

von s 7→ sf ist nun durch

fn 0 0 · · · 0fn−1 fn 0 · · · 0fn−2 fn−1 fn · · · 0... . . . . . . ...

...f1 f2 f3 · · · fn

f0 f1 f2 · · ·...

0 f0 f1 · · ·...

... . . . . . . ......

0 0 0 · · · f0

gegeben. Die Darstellungsmatrix von t 7→ tg sieht analog aus. Durch Aneinanderreihendieser Matrizen erhalten wir die Darstellungsmatrix von ϕ.

Definition 5.39. Die Sylvestermatrix S(f, g) zweier Polynome über einem kommutativenRing A, wobei

f =n∑j=0

fjXj und g =

m∑j=0

gjXj ,

ist die folgende (m+ n)× (m+ n)-Matrix:

fn 0 0 · · · 0 gm 0 0 · · · 0fn−1 fn 0 · · · 0 gm−1 gm 0 · · · 0fn−2 fn−1 fn · · · 0 gm−2 gm−1 gm · · · 0... . . . . . . ...

...... . . . . . . ...

...f1 f2 f3 · · · fn g1 g2 g3 · · · gm

f0 f1 f2 · · ·... g0 g1 g2 · · ·

...

0 f0 f1 · · ·... 0 g0 g1 · · ·

...... . . . . . . ...

...... . . . . . . ...

...0 0 0 · · · f0 0 0 0 · · · g0

.

Die Determinante res(f, g) := detS(f, g) ∈ A von S(f, g) heißt Resultante von f und g.Falls m = 0 oder n = 0, setze res(f, g) = 1.

Satz 5.40. Es seien f, g ∈ k[X] von Null verschieden. Dann ist genau dann ggT(f, g) = 1,wenn res(f, g) 6= 0.

Bemerkung 5.41. Die Resultante res(f, g) ist ein homogenes Polynom vom Grad m in denKoeffizienten von f und ein homogenes Polynom vom Grad n in den Koeffizienten von g.Ein Ringhomomorphismus ψ : A → B induziert einen Ringhomomorphismus ψ : A[X] →B[X] mit X 7→ X. Ist deg f = degψ(f) und deg g = degψ(g) für f, g ∈ A[X], so ist

res(ψ(f), ψ(g)

)= ψ

(res(f, g)

).

Weiter ist res(g, f) = (−1)mn res(f, g).Beispiel 5.42. Für n = 2 und m = 1 wählen wir f = f2X

2 + f1X + f0 und g = g1X + g0mit f2, g1 6= 0. Dann ist die Sylvestermatrix

S(f, g) =

f2 g1 0f1 g0 g1f0 0 g0

.

59 Algebra 1

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5 Polynome

Deren Determinante ist

res(f, g) = f2g20 − g1(f1g0 − f0g1) = f2g

20 − f1g0g1 + f0g

21 .

Die Bedingung ggT(f, g) 6= 1 bedeutet nun f(−g0g1

)= 0, also

f2g2

0g2

1− f1

g0g1

+ f0 = 0 .

Für normiertes f wollen wir nun (bis auf Vorzeichen) disc(f) = res(f, f ′) zeigen.

Lemma 5.43. Es sei B ein unendlicher Integritätsbereich, F ∈ B[X,Y ] und für alleb ∈ B sei F (b, b) = 0. Dann gibt es ein G ∈ B[X,Y ] mit F = (X − Y )G.

Beweis. Wir fassen F als Polynom in Y über dem Ring B[X] auf (denn B[X,Y ] ∼=B[X][Y ]). Die Division mit Rest durch das normierte Polynom Y −X liefert.

F = (Y −X)G+R

für G ∈ B[X,Y ] und R ∈ B[X]. Nach Voraussetzung gilt für alle b ∈ B, dass 0 = F (b, b) =(b− b)G(b, b) +R(b), also R(b) = 0. Da B unendlich ist, folgt hieraus jedoch R = 0.

Im Folgenden wollen wir die Resultante als Funktion der Nullstellen von f und g darstellen.Es seien dazu a, b,X1, . . . , Xn, Y1, . . . , Ym, T Unbestimmte über Z und

f = an∏i=1

(T −Xi) , g = bm∏j=1

(T − Yj) ∈ A[T ] .

Dabei ist A = Z[a, b,X1, . . . , Xn, Y1, . . . , Ym]. Die Resultante von f und g bezeichnen wirmit R := res(f, g) ∈ A. Wir behaupten, dass jeder Ausdruck Xi − Yj ∈ A, i = 1, . . . , n,j = 1, . . . ,m, ein Teiler von R ist. Dazu sei o. B. d.A. i = n, j = m. Wir fassen R alsPolynom in Xn und Ym auf, also als Polynom über

B := Z[a, b,X1, . . . , Xn−1, Y1, . . . , Ym−1

].

Substituieren wir Xn und Ym durch b ∈ B, so haben die aus f und g resultierendenPolynome die gemeinasme Nullstelle b. Daher verschwindet deren Resultante, weshalb Rbei der Substitution Xn 7→ b, Ym 7→ b verschwindet. Mit dem obigen Lemma ist unsereAussage also bewiesen.Da die Xi − Yj paarweise teilerfremd sind, ist

n∏i=1

m∏j=1

(Xi − Yj)

ein Teiler von R. Da die Resultante homogen in den Koeffizienten von f und g ist, sindauch am und bn Teiler von R. Damit ist also

S := ambnn∏i=1

m∏j=1

(Xi − Yj)

ein Teiler von R. Wir schreiben daher R = SH mit H ∈ A (und wollen H = 1 zeigen).Wegen

g(Xi) = bm∏j=1

(Xi − Yj)

Algebra 1 60

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5.4 Resultante und Diskriminante

erhalten wirS = am

n∏i=1

g(Xi) .

Schreiben wir nung = b

m∏j=1

(T − Yj) = gmTm + · · ·+ g0 ,

so erhalten wir gk = ±bσm−k(Y ); insbesondere gm = b. Mit g(Xi) = gmXmi + . . . + g0

ist also S ∈ Z[a,X1, . . . , Xn, gm, . . . , g0]. Wir wissen, dass R homogen vom Grad n ingm, . . . , g0 ist; ebenso S. Insbesondere ist H ∈ Z[a,X1, . . . , Xn]. Analog schließt man H ∈Z[b, Y1, . . . , Ym], also

H ∈ Z[a,X1, . . . , Xn] ∩ Z[b, Y1, . . . , Yn] = Z .

Wir wissen also schon, dass H ∈ Z ist. Weiter bemerken wir, dass der Koeffizient von amgn0in S Eins ist, ebenso der in R. Damit ist H = 1, also R = S. Dies zeigt also folgendenSatz:

Satz 5.44. Es seien f, g ∈ A[T ] Polynome vom Grad n bzw. m, welche in Linearfaktorenzerfallen, also

f = an∏i=1

(T − xi) , g = bm∏j=1

(T − yj) ∈ A[T ]

mit (nunmehr festen) a, b, x1, . . . , xn, y1, . . . , ym ∈ A. Dann gilt

res(f, g) = ambnn∏i=1

m∏j=1

(xi − yj) = amn∏i=1

g(xi) = bnm∏j=1

f(yj) .

Wir erinnern an die Diskriminante: Ist f =∏ni=1(T − xi), so ist disc(f) =

∏i<j(xi − xj).

Korollar 5.45. Es sei f ∈ A[T ] normiert vom Grad n ≥ 1. Dann ist

disc(f) = (−1)n(n−1)

2 res(f, f ′) .

Beweis. Wir nehmen zunächst an, dass f und f ′ über A in Linearfaktoren zerfallen, alsoinsbesondere

f =n∏i=1

(T − xi) , xi ∈ A .

Der obige Satz liefert

res(f, f ′) =n∏i=1

f ′(xi)

und die Produktregel ergibt

f ′ =n∑k=1

∏j 6=k

(T − xj) ,

alsof ′(xi) =

∏j 6=i

(xi − xj) .

Damit ist

res(f, f ′) =n∏i=1

f ′(xi) =∏j 6=i

(xj − xi) = (−1)(n2)∏i<j

(xi − xj)2 = (−1)n(n−1)

2 disc(f) .

61 Algebra 1

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5 Polynome

Falls f und f ′ jedoch nicht in Linearfaktoren zerfallen, verwenden wir Ringerweiterungen,welche wir im folgenden Kapitel behandeln werden: Für ein gegebenes Polynom f ∈ A[T ]existiert stets eine Ringerweiterung von B, über der f und f ′ in Linearfaktoren zerfallen.

Beispiel 5.46. Für n = 2, also f = T 2 + pT + q ist f ′ = 2T + p. Dann ist

res(f, f ′) = det

1 2 0p p 2q 0 p

= p2 − 2(p2 − 2q) = −p2 + 4q ,

alsodisc(f) = (−1)

2·12 (−p2 + 4q) = p2 − 4q .

Beispiel 5.47. Für n = 3 betrachten wir f = T 3 + pT + q, also f ′ = 3T 2 + p. Dann ist

res(f, f ′) = det

1 0 3 0 00 1 0 3 0p 0 p 0 3q p 0 p 00 q 0 0 p

= . . . = 27q2 + 4p3 ,

alsodisc(f) = (−1)

3·22 (27q2 + 4p3) = −27q2 − 4p3 .

Algebra 1 62

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6 Algebraische Körpererweiterungen

6.1 Grundbegriffe

Definition 6.1. Ein Unterkörper K eines Körpers L ist ein Unterring, welcher sogar einKörper ist. Wir nennen dann auch L einen Oberkörper oder Erweiterungskörper von K.

Beispiele sind Q ⊂ R und R ⊂ C.Bemerkung 6.2. Sind K und K ′ Körper und ϕ : K → K ′ ein Ringhomomorphismus, so istϕ bereits injektiv, denn kerϕ muss ein Ideal sein, kann aber wegen ϕ(1) = 1 6= 0 nichtganz K sein. Damit muss kerϕ = {0} sein, da es keine weiteren Ideale in K gibt.Wir nennen ϕ auch einen Homomorphismus von Körpern.

Es seiK ein Körper und wir betrachten den eindeutigen Ringhomomorphismus ϕ : Z→ K.Nun kann ϕ injektiv sein, also kerϕ = {0} sein. In diesem Fall liefert die universelleEigenschaft des Quotientenkörpers, dass ein Ringhomomorphismus ψ : Q → K existiert,welcher das Diagramm

Z ϕ //

��

K

??

kommutieren lässt. Damit ist Q ∼= ψ(Q) ein Unterkörper von K.Ist ϕ hingegen nicht injektiv, so ist kerϕ = (p) für ein p ∈ N. Da Zp = Z/ kerϕ ↪→ K,ist Z/ kerϕ ein Integritätsbereich, weshalb p eine Primzahl sein muss. Insbesondere ist Zpsogar ein Körper, womit wir Zp (bzw. das Bild von Zp unter ϕ) als Unterkörper von Kauffassen können.Wir erhalten nun die folgende Aussage: Jeder Körper K enthält einen kleinsten Unterkör-per P , welchen wir Primkörper von K nennen. Dieser ist entweder isomorph zu Q oder zuZp für eine Primzahl p. Dabei ist p die Charakteristik char(K) von K, welche im erstenFall Null ist:

char(K) ={

0 P ∼= Qp P ∼= Zp .

Satz 6.3. Es sei charK = p > 0. Dann ist die Frobenius-Abbildung Φ: K → K, x 7→ xp

ein Ringhomomorphismus.

Es sei nun L ⊃ K eine Körpererweiterung von K. Dann können wir L als K-Vektorraumauffassen.

Definition 6.4. Der Grad der Körpererweiterung L ⊃ K ist die Dimension von L überK und wird mit [L : K] bezeichnet. Wir nennen L eine endliche Körpererweiterung vonK, falls [L : K] <∞.

63 Algebra 1

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6 Algebraische Körpererweiterungen

Abbildung 2: Illustration von Lena Müller: Prothetische Körpererweiterung

Satz 6.5 (Gradsatz). Es seien E ⊃ K und L ⊃ E endliche Körpererweiterungen. Dannist L ⊃ K eine Körpererweiterung und es gilt

[L : K] = [L : E][E : K] .

Beweis. Es seien (e1, . . . , er) und (f1, . . . , fs) jeweils eine Basis von E über K bzw. von Lüber E. Wir zeigen, dass dann (eifj)i≤r,j≤s eine Basis von L über K ist. Für ein x ∈ Lgibt es zunächst λj ∈ E, so dass x =

∑j λjfj . Für die λj wiederum existieren µij ∈ K mit

λj =∑i µijei, also

x =∑i,j

µijeifj .

Für die lineare Unabhängigkeit seien nun µij ∈ K so, dass∑i,j µijeifj = 0 ist. Dann ist

jedoch

0 =∑j

(∑i

µijei

)fj ,

also∑i µijei = 0 für alle j. Daraus folgt nun µij = 0 für alle i und alle j.

Algebra 1 64

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6.2 Einfache Körpererweiterungen

Für eine kleine Anwendung seiK ein endlicher Körper, der somit insbesondere eine positiveCharakteristik p := charK hat. Wir fassen also K als Körpererweiterung von Zp auf. Mitd := [K : Zp] ist K (als Zp-Vektorraum) isomorph zu Zdp. Damit folgt |K| = pd, d. h.endliche Körper haben eine Primpotenz als Kardinalität.

6.2 Einfache Körpererweiterungen

Es sei L ⊃ K eine Körpererweiterung und a1, . . . , an ∈ L. Dann bezeichnen wir mitK(a1, . . . , an) den kleinsten Unterkörper von L, welcher K und {a1, . . . , an} enthält: dervon a1, . . . , an über K erzeugte Unterkörper.Ist n = 1, so nennen wir L eine einfache Körpererweiterung.Für a ∈ L betrachten wir den Einsetzungshomomorphismus

ϕa : K[X]→ L , f 7→ f(a) .

Definition 6.6. Das Element a ∈ L heißt algebraisch über K, falls kerϕa 6= {0}. Andern-falls heißt a transzendent.

Beispiel 6.7. Wir betrachten die Körpererweiterung R von Q. Darin ist 7√3 algebraischüber Q, denn für f = X7 − 3 ∈ Q[X] ist f( 7√3) = 0.

Es sei nun a transzendent. Da ϕa injektiv ist, können wir einen Ringhomomorphismusϕ′a : K(x)→ L vom Quotientenkörper K(X) von K[X] nach L finden, der

K[X] ϕa //

��

L

K(X)ϕ′a

==

kommutieren lässt. Damit ist K(X) isomorph zu

imϕ′a ={f(a)g(a) : f, g ∈ K[X], g 6= 0

}= K(a) ⊂ L .

Es ist also K(a) ∼= K(X) und wir nennen K(a) einfache transzendente Körpererweiterung.Nun sei a algebraisch über K, d. h. kerϕa 6= {0}. Da K[X] ein Hauptidealbereich ist, gibtes genau ein normiertes ma ∈ K[X], so dass kerϕa = (ma). Wir nennen ma das Mini-malpolynom von a über K. Dieses ist dasjenige der normierten Polynome f ∈ K[X] mitf(a) = 0, welches minimalen Grad hat. Nun ist K[X]/ kerϕa → L ein injektiver Ring-homomorphismus, d. h. K[X]/ kerϕa = K[X]/(ma) ein Integritätsbereich, weshalb ma

irreduzibel ist. Damit ist (ma) sogar maximal und K[X]/(ma) ein Körper. Wir betrachtenwieder das Diagramm

K[X] // //

����

imϕa

K[X]/(ma)

∼=88

Somit ist imϕa ein Unterkörper von L und wir sehen imϕa = K(a). Weiter ist [K(a) :K] = degma.Wir erhalten also den folgenden Satz:

65 Algebra 1

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6 Algebraische Körpererweiterungen

Satz 6.8. Es sei a algebraisch über K und habe das Minimalpolynom ma ∈ K[X]. Dannist ma irreduzibel und K(a) ist isomorph zu K[X]/(ma), wobei der Isomorphismus durch

K[X]/(ma)→ K(a) , X 7→ a

gegeben ist. Außerdem gilt

K(a) ={n−1∑i=0

λiai : λi ∈ K

}

mit n := degma ≥ 1.

Bemerkung 6.9. Somit ist K(a) auch der kleinste Unterring, der K ∪{a} enthält (den wirmit K[a] bezeichnen), weshalb wir auch K(a) = K[a] schreiben.Beispiel 6.10. Wir wählen K = R und L = C ⊃ R. Dann setzen wir a = i und erhaltenma = X2 + 1 ∈ R[X] als Minimalpolynom. Dann ist

R(i) = {λ0 + λ1i : λ0, λ1 ∈ R} ∼= R[X]/(X2 + 1) .

6.3 Endliche Körpererweiterungen

Definition 6.11. Eine Körpererweiterung L ⊃ K heißt algebraisch, falls jedes Elementvon L algebraisch über K ist.

Satz 6.12. Jede endliche Körpererweiterung L ⊃ K ist algebraisch.

Beweis. Es sei n := [L : K] <∞ und a ∈ L. Dann sind die Potenzen 1, a, a2, . . . , an linearabhängig über K, d. h. es gibt Elemente λ0, . . . , λn ∈ K, von welchen mindestens einesvon Null verschieden ist, so dass

∑ni=0 λia

i = 0. Wählen wir

f :=n∑i=0

λiXi ∈ K[X] \ {0} ,

so erhalten wir also f(a) = 0.

Es sei nun abermals L ⊃ K eine Körpererweiterung und es seien a1, . . . , an ∈ L. Dannsetzen wir

K[a1, . . . , an] :={p(a1, . . . , an) : p ∈ K[X1, . . . , Xn]

}.

Dies ist der kleinste Unterring von L, welcher K und a1 . . . , an enthält. Der Quotienten-körper von K[a1, . . . , an] ist durch

K(a1, . . . , an) :={p(a1, . . . , an)q(a1, . . . , an) : p, q ∈ K[X1, . . . , Xn], q(a1, . . . , an) 6= 0

}.

Dies ist der kleinste Unterkörper von L, welcher K und a1, . . . , an enthält, und heißt vona1, . . . , an über K erzeugte Unterkörper.

Satz 6.13. Es sei L = K(a1, . . . , an) und a1, . . . , an seien algebraisch über K. Dann ist

K(a1, . . . , an) = K[a1, . . . , an]

und L ist eine endliche und damit algebraische Körpererweiterung.

Algebra 1 66

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6.4 Zerfällungskörper

Beweis. Für den Fall n = 1 haben wir dies bereits gezeigt. Wir führen nun eine Induktionnach n durch. Ist

K̃ := K(a1, . . . , an−1) = K[a1, . . . , an−1]

eine endliche Körpererweiterung, so ist an nicht nur algebraisch über K, sondern auchüber K̃, also ist K̃(an) = K̃[an] eine endliche Körpererweiterung von n. Mit

K(a1, . . . , an) = K̃(an) = K̃[an] = K[a1, . . . , an]

folgt die Behauptung.

Korollar 6.14. Es sei L ⊃ K eine Körpererweiterung. Dann ist die Menge Lalg allerElemente in L, welche algebraisch über K sind, ein Unterkörper von L. Mit anderenWorten: Summen, Differenzen, Produkte und Quotienten von algebraischen Elementensind algebraisch.

Beweis. Es seien a, b ∈ L algebraisch über K, womit K(a, b) eine algebraische Körperer-weiterung von K ist.

Beispiel 6.15. Für R ⊃ Q heißt Ralg der Körper der reellen algebraischen Zahlen. FürC ⊃ Q heißt Calg der Körper der algebraischen Zahlen.Jedoch ist R ⊃ Q keine endliche Körpererweiterung.

Korollar 6.16. Ist L ⊃ K eine Körpererweiterung, so sind die folgenden Aussagen äqui-valent:

(i) Die Körpererweiterung L ist endlich.

(ii) Die Körpererweiterung L wird von endlich vielen algebraischen Elementen erzeugt.

(iii) Es ist L eine endlich erzeugte algebraische Körpererweiterung.

Beweis. (i)⇒(ii). Sei {a1, . . . , an} ⊂ L eine K-Vektorraumbasis von L. Dann ist L =K(a1, . . . , an).(ii)⇒(iii) ist der obige Satz.(iii)⇒(i) ebenfalls.

6.4 Zerfällungskörper

Bisher haben wir stets die Existenz von Erweiterungskörpern vorausgesetzt. Nun sei Kein Körper und f ∈ K[X] irreduzibel. Wir fragen uns, ob wir einen Erweiterungskörperfinden können, in welchem f eine Nullstelle hat. Dies bestätigen wir durch folgende „ge-nial einfache“ Konstruktion: Wir betrachten den Körper L := K[X]/(f) ⊃ K. Mit demkanonischen Homomorphismus K[X]→ K[X]/(f), g 7→ g erhalten wir

0 = f(X) = f(X) ,

also ist X ∈ L eine Nullstelle von f .Beispiel 6.17. Wir wählen das irreduzible Polynom f = X2 + 1 ∈ R[X], welches keineNullstellen in R hat. Dieses hat jedoch die Nullstelle X in

R[X]/(X2 + 1) ∼= C , X 7→ i .

67 Algebra 1

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6 Algebraische Körpererweiterungen

Wählen wir f = X2 + X + 1 ∈ Z2[X], so ist auch dies ein nullstellenfreies, irreduziblesPolynom über Z2. Dann ist L := Z2[X]/(f) ein Körper mit vier Elementen. Konkret ist

L = {0, 1, X,X + 1} .

Darin ist(X + 1)(X + 1) = X2 +X +X + 1 = X2 + 1 = X

und(X + 1)X = 1 .

Definition 6.18. Es sei f ∈ K[X] von Null verschieden. Ein Zerfällungskörper von füber K ist ein Erweiterungskörper L ⊃ K, so dass es a1, . . . , an ∈ L und λ ∈ K \ {0} mit

f = λ(X − a1) · · · (X − an)

und L = K(a1, . . . , an).

Bemerkung 6.19. Ein Zerfällungskörper ist also ein „kleinster“ Körper, in welchem f voll-ständig in Linearfaktoren zerfällt.

Satz 6.20. Jedes von Null verschiedene Polynom f ∈ K[X] hat einen ZerfällungskörperL. Dieser ist sogar eindeutig bestimmt bis auf Isomorphie. Ist also L′ ein weiterer Zerfäl-lungskörper, so gibt es einen Isomorphismus von L nach L′, welcher die Elemente von Kfesthält.

Beweis. Zur Existenz führen wir eine Induktion nach dem Grad n = deg f . Der Fall n = 0ist klar (wähle L = K). Es sei nun n > 0 und o.B. d.A. sei f normiert. Weiter sei f = ghin K[X], wobei g irreduzibel ist. Nach der entscheidenden Vorüberlegung existiert eineKörpererweiterung K(a) ⊃ K mit g(a) = 0. Wir können nun g = (X − a)g1 in K(a)[X]und f = (X − a)g1h schreiben. Letztlich wenden wir die Induktionsvoraussetzung aufg1h ∈ K(a)[X] an, welche eine Körpererweiterung L von K(a) und a2, . . . , an ∈ L mit

g1h = (X − a2) · · · (X − an)

und L = K(a)(a2, . . . , an) liefert. Damit ist

f = (X − a)(X − a2) · · · (X − an)

in L[X] und L = K(a, a2, . . . , an). Somit ist L ein Zerfällungskörper von f .

Wir bereiten nun den Beweis der Eindeutigkeit vor.

Lemma 6.21 (Erweiterungslemma). Es seien L ⊃ K und L′ ⊃ K ′ Körpererweiterungenund ϕ : K → K ′ ein Isomorphismus. Sei nun f ∈ K[X] irreduzibel und f ′ ∈ K ′[X] dasBild von f unter dem induzierten Isomorphismus K[X]→ K ′[X]. Weiter seien a ∈ L unda′ ∈ L′ mit f(a) = 0 und f ′(a′) = 0. Dann gibt es einen Isomorphismus K(a) → K ′(a),welcher ϕ fortsetzt und a auf a′ abbildet.

Beweis. O.B. d.A. sei f normiert. Das Minimalpolynom ma von a teilt f , also f = ma,da f irreduzibel ist. Wir wissen nun, dass K(a) ∼= K[X]/(ma) ist. Analog ist f ′ = ma′ dasMinimalpolynom von a und K ′(a′) ∼= K ′[X]/(ma′). Der von ϕ induzierte IsomorphismusK[X] → K ′[X] bildet f = ma auf f ′ = ma′ ab. Daraus erhalten wir den Isomorphismusvon K[X]/(ma) nach K ′[X]/(ma′), welcher ϕ fortsetzt. Dies liefert jedoch auch einenIsomorphismus K(a) nach K ′(a′), welcher ebenfalls ϕ fortsetzt. Da a = X in K[X] unda′ = X in K ′[X], bildet dieser Isomorphismus auch a auf a′ ab.

Algebra 1 68

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6.4 Zerfällungskörper

Wir kommen nun zum Beweis der Eindeutigkeit des Zerfällungskörpers.

Beweis. Es seien L = K(a1, . . . , an) und L′ = K(a′1, . . . , a′n) Zerfällungskörper von f . Essei 0 ≤ m ≤ n und wir nehmen an, dass wir einen Isomorphismus

ϕ : K(a1, . . . , am)→ K(a′1, . . . , a′m)

mit ϕ(ai) = a′i für i ≤ m und ϕ|K = id gefunden haben (was für m = 0 offenbar möglichist). Es sei

f = (X − a1) · · · (X − am)g1 · · · gt (6.1)

die Faktorisierung von f in Irreduzible in K(a1, . . . , am)[X]. In L[X] gilt

f = (X − a1) · · · (X − am)(X − am+1) · · · (X − an) ,

alsog1 · · · gt = (X − am+1) · · · (X − an) .

O.B. d.A. sei g1(am+1) = 0. Wir wenden den induzierten Isomorphismus

ϕ : K(a1, . . . , am)[X]→ K(a′1, . . . , a′m)[X]

auf (6.1) an und erhalten

ϕ(f) = (X − a′1) · · · (X − a′m)ϕ(g1) · · ·ϕ(gt) .

In L′[X] jedoch gilt

f = (X − a′1) · · · (X − a′m)(X − a′m+1) · · · (X − a′n) .

O.B. d.A. sei ϕ(g1)(a′m+1) = 0. Wir wenden das Erweiterungslemma auf das Polynomg1 ∈ K(a1, . . . , am)[X] und sein Bild ϕ(g1) ∈ K(a′1, . . . , a′m)[X] an und erhalten einenIsomorphismus

K(a1, . . . , am)(am+1)→ K(a′1, . . . , a′m)(a′m+1) ,

welcher ϕ erweitert. Die Behauptung folgt nun durch Induktion nach m.

Beispiel 6.22. Wir betrachten das irreduzible Polynom f = X4−2 ∈ Q[X]. Die Nullstellenvon f in C sind α · ik mit α = 4√2 ∈ R und k = 0, 1, 2, 3. Damit ist

f = (X − αi0)(X − αi1)(X − αi2)(X − αi3)

und es ist L = Q(α, i) der Zerfällungskörper von f . Es ist weiter[Q(α) : Q

]= 4, da f

das Minimalpolynom von α ist und deg f = 4. Auch ist[Q(α)(i) : Q(α)

]= 2, da X2 + 1

irreduzibel über Q(α) ist. Wir erhalten also[Q(α, i) : Q

]=[Q(α, i) : Q(α)

][Q(α),Q

]= 4 · 2 = 8 .

Genauer bilden 1, α, α2 und α3 eine Q-Basis von Q(α) und 1 und i bilden eine Q(α)-Basisvon Q(α)(i) = Q(α, i). Insgesamt ist

{1, α, α2, α3, i, iα, iα2, iα3}eine Q-Basis von Q(α, i).

69 Algebra 1

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6 Algebraische Körpererweiterungen

6.5 Endliche Körper

Das Klassifizieren und Untersuchen der endlichen Körpern hat wichtige Anwendungen inder Codierungstheorie, Kryptographie und Komplexitätstheorie. Es sei L ein endlicherKörper. Dann ist der Primkörper von L von der Form Zp für eine Primzahl p = char(L),d. h. L ist eine Körpererweiterung von Zp. Es sei nun n := [L : Zp], womit wir q := |L| = pn

haben. Um die Struktur von L zu verstehen, beobachten wir, dass aq−1 = 1 für allea ∈ L \ {0} gilt, denn L× = L \ {0} ist eine Gruppe der Ordnung q − 1. Insbesonderesind alle a ∈ L Nullstellen von Xq −X ∈ Zp[X]. Dieses hat jedoch maximal q Nullstellen,welche also genau die Elemente von L sind. Wir erhalten

Xq −X =∏a∈L

(X − a)

und L ist ein Zerfällungskörper von Xq−X über Zp. Umgekehrt können wir einen Körpermit q = pn Elementen so als Zerfällungskörper konstruieren.

Satz 6.23. Es sei p eine Primzahl und n ∈ N>0. Dann existiert bis auf Isomorphiegenau ein Körper mit q = pn Elementen. Dieser ist dadurch charakterisiert, dass er derZerfällungskörper des Polynoms Xq−X über Zp ist, und besteht aus den Nullstellen diesesPolynoms. Wir bezeichnen diesen Körper mit Fq, insbesondere ist Fp ∼= Zp.

Beweis. Es sei L ein Zerfällungskörper von f = Xq −X über Zp. Wir schreiben

Xq −X =q∏j=1

(X − aj)

und L = Zp(a1, . . . , aq). Die formale Ableitung von f ist dann

f ′ = qXq−1 − 1 = −1 ,

also ggT(f, f ′) = 1, weshalb f nach 4.76 quadratfrei ist. Damit sind die ai paarweiseverschieden. Wir behaupten nun, dass die somit q-elementige Menge {a1, . . . , aq} bereitseinen Körper (Unterkörper von L) bildet. Dazu beobachten wir für i, j ≤ q, dass (ai±aj)q =aqi ± a

qj = ai ± aj ist. Außerdem ist (aiaj)q = aqia

qj = aiaj und

(aiaj

)q= aq

i

aqj

= aiaj, falls

aj 6= 0. Somit ist {a1, . . . , aq} abgeschlossen unter Addition, Subtraktion, Multiplikationund Division, ist damit ein Körper und somit gleich L. Dies zeigt |L| = q, also die Existenz.Die Eindeutigkeit folgt aus der Eindeutigkeit des Zerfällungskörpers.

Wir studieren nun die Unterkörper von Fq.

Lemma 6.24. Für u, v ∈ N>0 und ist u Teiler von v, so ist Xu− 1 ein Teiler von Xv− 1in Z[X].

Beweis. Es sei v = uk. Dann ist

(Xu − 1)((Xu)k−1 + (Xu)k−2 + · · ·+Xu + 1

)= (Xu)k − 1 = Xv − 1

in Z[X].

Satz 6.25. Es sei q = pn, wobei p prim und n > 0 sei. Dann hat jeder Unterkörper von Fqeine Potenz pm mit m|n als Anzahl von Elementen. Umgekehrt gibt es zu jedem Teiler mvon n genau einen Unterkörper von Fq mit pm Elementen (nicht nur bis auf Isomorphie).

Algebra 1 70

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6.5 Endliche Körper

Beweis. Es sei zunächst K ⊂ Fq ein Unterkörper und wir schreiben |K| = pm. Um zuzeigen, dass m Teiler von n ist, setzen wir d := dimK Fq und beobachten Fq ∼= Kd underhalten pn = q = |K|d = pmd, also n = md.Umgekehrt sei n = md. Nach dem obigen Lemma ist pm − 1 ein Teiler von pn − 1 in Z.Eine weitere Anwendung mit u = pm − 1 und v = pn − 1 liefert

Xpm−1 − 1|Xpn−1 − 1

in Z[X]. Damit haben wir auch

Xpm −X|Xpn −X ,

weshalbXpm−X über Fq in Linearfaktoren zerfällt. Die Nullstellen dieses Polynoms bildeneinen Körper K ⊂ Fq mit pm Elementen.Ist E ⊂ Fq ein weiterer Unterkörper mit pm Elementen, so ist für alle α ∈ E die Gleichungαp

m = α, die Elemente von E sind also Nullstellen von Xpm − X. Da diese genau Ksind, folgt E ⊂ K. Außerdem haben beide Körper die gleiche Kardinalität, womit E = Kfolgt.

Beispiel 6.26. Wir suchen Unterkörper von F230 . Dazu beobachten wir 30 = 2 · 3 · 5. Teilervon 30 sind also 1, 2, 3, 5, 6, 10, 15 und 30:

30

6 10 15

2 3 5

1

Dies überträgt sich auf die Unterkörper von F230 :

F230

F26 F210 F215

F22 F23 F25

F21

Wir wollen folgende Aussage zeigen: Die Einheitengruppe F×q ist für jeden endlichen KörperFq der Ordnung q zyklisch.Dazu benötigen wir zunächst ein Lemma:

Lemma 6.27. Es sei G eine abelsche Gruppe.

71 Algebra 1

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6 Algebraische Körpererweiterungen

(i) Hat a ∈ G die Ordnung ord(a) = m und ist d ein Teiler von m, so ist

ord(amd ) = d .

(ii) Haben a, b ∈ G die Ordnung ord(a) = m bzw. ord(b) = l und gilt weiter ggT(m, l) =1, so folgt ord(ab) = ml.

Beweis. (i) ist klar.(ii). Es ist (ab)ml = (am)l(bl)m = 1. Nun sei (ab)j = 1 für j > 0. Dann ist aj = b−j undwir beobachten, dass ord(aj) ein Teiler von ord(a) = m ist und ord(b−j) ein Teiler vonord(b) = l. Ist also ggT(m, l) = 1, so muss ord(aj) = 1 sein, also aj = b−j = 1. Damit istm ein Teiler von j und ebenso l ein Teiler von j, weshalb auch ml ein Teiler von j ist.

Satz 6.28. Es sei K ein Körper und G ≤ K× eine endliche Untergruppe. Dann ist Gzyklisch.

Beweis. Es sei m := max{ord(b) : b ∈ G} und dieses Maximum werde für a ∈ G ange-nommen, d. h. m = ord(a). Offenbar teilt m die Gruppenordnung |G|. Wir wollen sogarm = |G| zeigen. Dazu behaupten wir, dass m ein Vielfaches der Ordnung ord(b) einesjeden Gruppenelements b ∈ G ist. Andernfalls sei nämlich l := ord(b) so, dass dies keinTeiler von m ist. Für die Primfaktorzerlegungen

m = pe11 · · · p

err und l = pf1

1 · · · pfrr

bedeutet dies, dass fi > ei für ein i ist. Das obige Lemma liefert dann a, b ∈ G mitord(a) = m

peii

und ord(b) = pfii Außerdem ist

ord(ab) = m

peipfii = mpfi−ei

i > m .

Dies wäre ein Widerspruch zur Maximalität von m, womit die Behauptung bewiesen ist:Die Ordnung eines Gruppenelements teilt tatsächlich stets m. Für alle b ∈ G gilt alsobm − 1 = 0, alle Elemente von G sind also Nullstellen von Xm − 1 ∈ K[X]. Dieses hatjedoch höchstens m Nullstellen, womit |G| ≤ m gilt. Dies zeigt |G| = m, womit der Satzbewiesen ist (G wird von a erzeugt).

Korollar 6.29. Die Einheitengruppe F×q eines endlichen Körpers Fq ist zyklisch.

Die Erzeuger von F×q heißen primitive Elemente von Fq.Beispiel 6.30. Drei ist primitiv in F7, d. h. ord(3) = 6 = |F×q |:

32 ≡ 2 , 33 ≡ −1 , 34 ≡ 4 , 35 ≡ 5 , 36 ≡ 1 mod 7 .

Hingegen ist 2 kein primitives Element in F7, da bereits 23 ≡ 1 mod 7. Tatsächlich sind3 und 5 die einzigen primitiven Elementen von F7.

Allgemein hat eine zyklische Gruppe mit n Elementen ϕ(n) erzeugende (wobei ϕ dieEulersche Phi-Funktion ist). Insbesondere hat Fq genau ϕ(q − 1) primitive Elemente.

Korollar 6.31. Jede Körpererweiterung Fq′ ⊃ Fq ist einfach, d. h. es gibt ein a ∈ Fq′, sodass Fq′ = Fq(a).

Beweis. Wähle a als Erzeuger von F×q′ . Insbesondere ist dann Fq′ = Fq(a).

Algebra 1 72

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6.5 Endliche Körper

Wir fixieren nun eine Primpotenz q = pm und setzen q′ := qd = pmd, wobei m, d natürlichsind und p natürlich eine Primzahl ist. Wir untersuchen die Gruppe (mit der Verknüpfungals Operation), die aus allen Ringautomorphismen von Fq′ bestehe, welche die ElementeFq fest halten, also

G := Gal(Fq′/Fq) :={σ ∈ Aut(Fq′) : ∀a ∈ Fq : σ(a) = a

}.

Z.B. besteht Gal(C/R) aus der Identität und der komplexen Konjugation. Wir nennen Gdie Galois-Gruppe der Körpererweiterung Fq′ ⊃ Fq.Um ein Element der Galois-Gruppe zu finden (welches nicht bloß die Identität ist), erinnernwir uns an den Frobenius-Automorphismus

Φ: Fq′ → Fq′ , a 7→ ap .

Für alle a ∈ Fp gilt dabei Φ(a) = a. Wir betrachten nun die m-fache Iterierte von Φ,welche wir Φ̃ nennen (Erinnerung: q = pm). Für a ∈ Fq′ ist diese durch

Φ̃(a) = apm = aq

gegeben, für a ∈ Fq gilt also Φ̃(a) = a. Damit ist Φ̃ ∈ Gal(Fq′/Fq) und Φ̃ heißt relativerFrobenius-Automorphismus über Fq.Wir schreiben nun Fq′ = Fq(a) und bezeichnen mit f ∈ Fq[X] das Minimalpolynom von a.Dann ist bekanntlich Fq[X]/(f) ∼= Fq(a), wobei X 7→ a. Insbesondere ist der Grad deg fvon f auch der Grad [Fq(a) : Fq] = d (Erinnerung: q′ = qd) der Körpererweiterung. Esseien a1, . . . , ar ∈ Fq′ die Nullstellen von f in Fq′ . Dann ist r ≤ d = deg f und wir machenfolgende entscheidende Überlegung: Es sei σ ∈ G. Gilt dann 0 = f(a), so ist

0 = σ(0) = σ(f(a)) = f(σ(a)

).

Für letztere Gleichung folgt nämlich aus f(a) =∑λia

i

σ(f(a)

)=∑

λiσ(a)i = f(σ(a)

).

Insbesondere muss σ(a) eine Nullstelle ai für ein i sein. Da σ durch σ(a) festgelegt ist,können wir also

|G| ≤ r ≤ d (6.2)

folgern.Tatsächlich können wir mehr aussagen.

Satz 6.32. Die Galois-Gruppe G = Gal(Fq′/Fq) ist zyklisch von der Ordnung d = [Fq′ : Fq]und wird vom relativen Frobenius-Automorphismus Φ̃ erzeugt.

Beweis. Wir wissen, dass Φ̃ ∈ G ist, und setzen e := ord(Φ̃). Dann ist Φ̃e = id; füra ∈ Fq′ gilt also aq

e = a. Damit sind alle Elemente a ∈ Fq′ Nullstellen des PolynomsXqe − X ∈ Fq′ [X], von welchen es höchstens qe gibt. Damit muss qd = q′ ≤ qe sein,insbesondere also d ≤ e. Offenbar gilt auch aqd = aq

′ = a für alle a ∈ Fq′ , womit Φ̃d = idgezeigt ist. Daraus können wir nun ord(Φ̃) = d folgern. Für 〈Φ̃〉 ≤ G erhalten wir

d = |〈Φ̃〉| ≤ |G| .

Nach (6.2) gilt jedoch auch |G| ≤ d, also |〈Φ̃〉| = |G|, womit 〈Φ̃〉 = G ist.

73 Algebra 1

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6 Algebraische Körpererweiterungen

Übungsaufgabe. Es sei f ∈ Fq[X] irreduzibel, normiert und vom Grade d. Dann zerfälltf über Fqd folgendermaßen in Linearfaktoren:

f =d−1∏j=0

(X − αqj

),

wobei α ∈ Fqd eine Nullstelle ist.

6.6 Algebraischer Abschluss von Körpern

Wir erinnern an die folgende Definition:

Definition 6.33. Ein KörperK heißt algebraisch abgeschlossen, falls jedes nichtkonstantePolynom über K mindestens eine Nullstelle hat.

Bemerkung 6.34. Ein Körper K ist genau dann abgeschlossen, wenn jedes Polynom überK vollständig in Linearfaktoren zerfällt.Beispiel 6.35. Der Körper C der komplexen Zahlen ist algebraisch abgeschlossen.

Definition 6.36. Es sei K ein Körper. Ein algebraischer Abschluss von K ist ein alge-braisch abgeschlossener Oberkörper K ⊃ K, so dass diese Körpererweiterung K ⊃ Kalgebraisch ist.

Satz 6.37. Jeder Körper K hat einen algebraischen Abschluss.

Der Beweis ist nicht gänzlich konstruktiv und beruht auf dem Lemma von Zorn, welcheswir für die folgende Aussage benötigen:

Satz 6.38. Es sei R ein kommutativer Ring und I ein echtes Ideal von R. Dann ist Iin einem maximalen Ideal von R enthalten. Insbesondere existiert in jedem kommutativenRing, der nicht {0} ist, ein maximales Ideal (beachte, dass {0} dann ein echtes Ideal ist).

Als Vorüberlegung wollen wir Polynomringe in unendlich vielen Variablen einführen. Essei dazu K ein Körper und X eine nichtleere Menge. Ein Term über X ist eine Abbildungα : X→ N, so dass

suppα = {X ∈ X : α(X) 6= 0}

endlich ist. Als intuitive Schreibweise führen wir∏X∈X

Xα(X)

für einen Term ein. Ist speziell X = {X1, . . . , Xn} und α : X → N, so haben wir den be-kannten Ausdruck

∏ni=1X

α(Xi)i . Ein Polynom in der Variablenmenge X ist eine formale

K-Linearkombination von (endlich vielen) Termen über X. Wie bei multivariaten Poly-nomen bildet die Menge dieser Polynome einen kommutativen Ring K[X], welcher K alsUnterring enthält.Wir beweisen nun die Existenz des algebraischen Abschlusses.

Beweis von Satz 6.37. Für einen Körper K betrachten wir die Indexmenge

F :={f ∈ K[X] : deg f ≥ 1

}Algebra 1 74

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6.6 Algebraischer Abschluss von Körpern

und ordnen jedem f ∈ F eine Variable Xf zu. Es sei

X := {Xf : f ∈ F} .

Wir betrachten die Teilmenge {f(Xf ) : f ∈ F

}⊂ K[X]

und das davon erzeugte Ideal I. Wir behaupten, dass I 6= K[X]. Wäre das Ideal nämlichnicht echt, müsste 1 ∈ I sein, womit es f1, . . . , fn ∈ F und Koeffizienten g1, . . . , gn ∈ K[X]mit

n∑i=1

gifi = 1 (6.3)

gäbe. Es sei nun K ′ ⊃ K ein Zerfällungskörper von f1 · · · fn ∈ K[X]. Es gibt also ins-besondere α1, . . . , αn ∈ K ′ mit fi(αi) = 0 für alle i = 1, . . . , n. Wir betrachten denEinsetzungshomomorphismus

ϕ : K[X]→ K ′

mitϕ(Xfi

) = αi

für i = 1, . . . , n undϕ(Xf ) = 0

für alle f ∈ F , die keines der fi sind. Aus unserer Annahme (6.3) folgt

0 =n∑i=1

ϕ(gi)fi(αi) = ϕ(1) = 1 .

Dies zeigt also, dass tatsächlich I 6= K[X] ein echtes Ideal ist. Wir können daher einmaximales Ideal m ⊂ K[X] finden, welches I enthält. Da dieses maximal ist, ist

L1 := K[X]/m

ein Körper, welchen wir als Erweiterungskörper von K auffassen. Für alle f ∈ F istf(Xf ) ∈ I ⊂ m, also

f(Xf ) = 0 ,

wobei wir natürlich Xf = Xf mod m schreiben. Insbesondere ist jedes Xf ∈ L1 algebra-isch über K und L1 ⊃ K ist eine algebraische Körpererweiterung, da sie von (unendlichvielen) algebraischen Elementen Xf erzeugt wird. Nach unserer Konstruktion hat jedesnichtkonstante Polynom f über K eine Nullstelle in L; über Nullstellen von Polynomenmit Koeffizienten aus L1 können wir jedoch noch nichts aussagen. Dazu iterieren wir dieseKonstruktion und erhalten Körpererweiterungen

K = L0 ⊂ L1 ⊂ L2 ⊂ · · · ,

wobeiu jedes f ∈ Ln[X] eine Nullstelle in Ln+1 hat. Da all diese Körper ineinander ent-halten sind, lässt sich nachweisen, dass

L :=∞⋃n=1

Ln

75 Algebra 1

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6 Algebraische Körpererweiterungen

ein Körper ist. Wir behaupten, dass dieser sogar algebraisch abgeschlossen ist. Ist nämlichf ∈ L[X], so hat dieses nur endich viele Koeffizienten, welche somit alle in einem Ln fürgenügend großes n enthalten sind. Damit hat f eine Nullstelle in Ln+1 ⊂ L.Es bleibt zu zeigen, dass die Körpererweiterung L ⊃ K algebraisch ist. Da Ln ⊃ Ln−1algebraisch ist, ist Ln ⊃ K ebenfalls algebraisch. Somit gilt dies auch für L ⊃ K, denn jedesElement von L liegt in einem Ln, ist also algebraisch. Schließlich ist L ⊃ K tatsächlichein algebraischer Abschluss von K.

Nun stellt sich noch die Frage nach der Eindeutigkeit des algebraischen Abschlusses. Na-türlich können wir diese nicht im mengentheoretischen Sinne erwarten, sondern höchstensbis auf Isomorphie. Diese Eindeutigkeit bis auf Isomorphie werden wir tatsächlich nach-weisen können. Dazu benötigen wir die folgende Hilfsaussage.

Lemma 6.39. Ein Körper K ist genau dann algebraisch abgeschlossen, wenn er keineechten algebraischen Körpererweiterungen L ) K besitzt.

Beweis. Ist K nicht algebraisch abgeschlossen, könnten wir mit Zerfällungskörpern echtealgebraische Erweiterungen finden. Die Umkehrung ist Übungsaufgabe.

Es sei nun σ : K → L ein Körperhomomorphismus. Dieser induziert bekanntlich einenRinghomomorphismus K[X] → L[X], X 7→ X. Dabei wird f =

∑aiX

i ∈ K[X] alsoauf fσ :=

∑σ(ai)Xi ∈ L[X] abgebildet. Ist a ∈ K eine Nullstelle von f ∈ K[X], so ist

σ(a) ∈ L eine Nullstelle von fσ ∈ L[X]. Ist nämlich f(a) = 0, so erhalten wir

0 = σ(0) = σ(f(a)

)= fσ

(σ(a)

).

Lemma 6.40. Es sei K(a) ⊃ K eine einfache algebraische Körpererweiterung und f ∈K[X] sei das Minimalpolynom von a (insbesondere sei f(a) = 0). Außerdem sei σ : K → Lein Körperhomomorphismus und b ∈ L eine Nullstelle von fσ ∈ L[X], also fσ(b) = 0.Dann existiert ein Homomorphismus

σ′ : K(a)→ L

mit σ′(a) = b, welcher σ fortsetzt.

K(a)σ′

!!K

OO

σ// L

Beweis. Dies ist eine unmittelbare Folgerung des Erweiterungslemmas 6.21. Setze K ′ :=σ(K) und betrachte

L

K(a) σ′ // K ′(b)

OO

K

OO

σ∼ // K ′

OO

Algebra 1 76

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6.6 Algebraischer Abschluss von Körpern

Satz 6.41. Es sei K ′ ⊃ K eine algebraische Körpererweiterung und L ein algebraischabgeschlossener Körper. Dann kann jeder Körperhomomorphismus σ : K → L zu einemHomomorphismus σ′ : K ′ → L fortgesetzt werden.

K ′

K

OO

// L

Ist außerdem K ′ algebraisch abgeschlossen (also ein algebraischer Abschluss von K) undist die Körpererweiterung L ⊃ σ(K) algebraisch, so ist jede solche Fortsetzung σ′ einIsomorphismus.

Beweis. Es sei M die Menge aller Paare (F, τ), wobei F ein Zwischenkörper K ⊂ F ⊂ K ′ist und τ ein Homomorphismus τ : F → L, welcher σ fortsetzt. Auf diesem M definierenwir eine Halbordnung, indem wir (F, τ) ≤ (F ′, τ ′) schreiben, falls F ⊂ F ′ und τ ′ eineFortsetzung von τ ist. Mit (K,σ) ∈M istM nicht leer. Das übliche Vereinigungsargumentzeigt, dass jede totalgeordnete Teilmenge von M („Kette“) eine obere Schranke hat. Nachdem Lemma von Zorn hat M also ein maximales Element, welches wir (F, τ) nennen.Nun wollen wir F = K ′ zeigen. Wäre dies nicht der Fall, so gäbe es ein a ∈ K ′ \F , dessenMinimalpolynom wir f ∈ K[X] nennen. Das Polynom f τ ∈ L[X] habe b ∈ L als Nullstelle(L ist algebraisch abgeschlossen). Nach dem obigen Lemma gibt es einen Homomorphismusτ ′ : F (a) → L, welcher τ fortsetzt (mit τ ′(a) = b). Dies jedoch wäre ein Widerspruch zurMaximalität von (F, τ). Damit folgt tatsächlich F = K ′ und wir können σ′ := τ setzen.Nun seien die zusätzlichen Annahmen erfüllt, d. h. K ′ sei algebraisch abgeschlossen. Dannist σ′(K ′) auch algebraisch abgeschlossen.

K ′

##σ′(K ′)

K

OO

// σ(K)

OO

Ist auch L ⊃ σ(K) algebraisch, so auch L ⊃ σ′(K ′). Damit muss σ′(K ′) = L gelten.Insbesondere ist σ′ surjektiv und ohnehin injektiv, also ein Isomorphismus.

Als direkte Folgerung erhalten wir die angekündigte Eindeutigkeit algebraischer Abschlüs-se bis auf Isomorphie.

Korollar 6.42. Sind K1 und K2 algebraische Abschlüsse des Körpers K, so existiert einIsomorphismus K1 → K2, welcher auf K die Identität ist.

K1σ′

##K

OO

σ// K2 = L

77 Algebra 1

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Literatur

[Bosc06] S. Bosch, Algebra, Springer (2006)

[Fisc07] G. Fischer, Lehrbuch der Algebra, Vieweg & Teubner (2007)

[Kost82] A. I. Kostrikin, Introduction to Algebra, Springer (1982)

[Lang02] S. Lang, Algebra, Springer (2002)

[vdWa93] B. L. van der Waerden, Algebra I, Springer (1993)

78

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Indexabelsche Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1Ableitung

formale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42Aktion einer Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4algebraisch abgeschlossener Körper . . . . . . 35algebraisch unabhängig . . . . . . . . . . . . . . . . . 49algebraische Körpererweiterung . . . . . . . . . 66algebraischer Abschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . 74allgemeine lineare Gruppe. . . . . . . . . . . . . . . .1alternierende Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2auflösbare Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23Auswertungsmorphismus . . . . . . . . . . . . . . . . 34Automorphismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

Bahn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5Bahnformel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

Charakteristik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41Chinesischer Restsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

Diedergruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17direktes Produkt

externes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4internes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .19von Ringen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

Diskriminante . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57

einfache Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16einfache Körpererweiterung . . . . . . . . . . . . . 65Einheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28Einheitengruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28elementarsymmetrisches Polynom . . . . . . . 54endlich erzeugte Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . 3Erweiterter Euklidischer Algorithmus . . . 37Erweiterungskörper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63euklidischer Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39Eulersche Phi-Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . 37Exponent einer Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . 12externes direktes Produkt . . . . . . . . . . . . . . . . 4

Faktor einer Normalreihe . . . . . . . . . . . . . . . 23Faktorgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8Faktorring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30formale Ableitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .42Frobenius-Abbildung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .42Fundamentalsatz der Algebra . . . . . . . . . . . 35Fundamentalsatz der Arithmetik . . . . . . . . 39

Galois-Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

Grad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

abelsche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1allgemeine lineare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1alternierende. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .2auflösbare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23einfache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16endlich erzeugte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3kommutative. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1orthogonale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2spezielle lineare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2symmetrische . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1zyklisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

Gruppenhomomorphismus . . . . . . . . . . . . . . . 3

Halbgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28Hauptideal. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .38Hauptidealbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38Hauptsatz über symmetrische Polynome 54Homomorphismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

Ideal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .29Index . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7Indikatorfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47Inhalt eines Polynoms. . . . . . . . . . . . . . . . . . .51Integritätsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31internes direktes Produkt . . . . . . . . . . . . . . . 19irreduzibel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39Isomorphie von Normalreihen . . . . . . . . . . . 25Isomorphiesatz

erster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10zweiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

Isomorphismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

Klassengleichung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13Kleinsche Vierergruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . 14kommutative Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1Konjugation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5Konjugationsklasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6Körper. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .29

Länge einer Normalreihe . . . . . . . . . . . . . . . . 23Leitkoeffizient. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .55Leitkoefizient . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32Leitterm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55Linksnebenklasse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .7

Minimalpolynom. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .65

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Index

Monoid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

Nebenklasse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .7Normalisator. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .15Normalreihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23Normalteiler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8Nullstelle eines Polynoms . . . . . . . . . . . . . . . 34Nullteiler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

Oberkörper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63Operation einer Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4Orbit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10orthogonale Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

p-Sylow-Untergruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15perfekter Körper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43Permutationsdarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . 4Polynom. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31Polynomring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31, 47Primideal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31primitiver Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51primitives Element . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72primitives Polynom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51Primkörper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

quadratfreies Polynom . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43Quotientenkörper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50Quotientenring. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .30

Rechtsnebenklasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7Restklassenring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30Resultante . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59Ring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

Satz vonJordan-Hölder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27Lagrange . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8Schreier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25Viete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

semidirektes Produktexternes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21internes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .20

spezielle lineare Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2Stabilisator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5Sylowscher Satz

erster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14zweiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

Sylvestermatrix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59symmetrische Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1symmetrisches Polynom. . . . . . . . . . . . . . . . . 54

Träger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

universelle Eigenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9Untergruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2Unterkörper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63Unterring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

Vielfachheit einer Nullstelle . . . . . . . . . . . . . 35

Zentralisator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6, 13Zentrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5Zerfällungskörper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68zyklische Gruppe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .3

Algebra 1 80