Auf einen Blick Im Vergleich mit dem Myokardinfakrt (MI) ist die Perikarditis eine seltene Erkrankung. Eine akute Perikarditis ist in der Regel viraler Ätiologie oder unbekannten Ursprungs. Das Haupt- symptom ist ein scharfer (gelegentlich dumpfer) Schmerz, der ziemlich plötzlich in der Herzregion auftritt und sich mit der Atmung und der Körperhaltung ändert. Er kann in den Hals und in die Region des Schulterblattes ausstrahlen. Die EKG- Veränderungen lassen sich in rund 90% der Fälle feststellen, sofern mehrere EKGs in Serie zur Verfügung stehen. Ätiologie Eine akute Perikarditis ist in der Regel unklaren Ursprungs (in diesem Fall als „idiopathische Perikarditis“ bezeichnet) oder hat eine virale Ätiologie. Eine chronische Perikarditis geht mit vielen Zuständen einher. Eine Zusammenfassung der Ätiolo- gien, eingeteilt in akute/subakute und subakute/chronische Perikarditis, ist in Tabelle 15.1 aufgeführt. EKG 1 Akute Perikarditis Bei der akuten Perikarditis können vier (oder fünf) Stadien (theoretisch) unterschieden werden. Beim gleichen Patienten sind nicht immer alle Stadien zu sehen. i. akutes, sehr frühes Stadium: PQ-Senkung, positive T-Welle ii. akutes Stadium:: ST-Hebung (plus PQ-Senkung), positive T-Welle iii. Intermediärstadium: ST und PQ isoelektrisch, flache T- Wellen iv. subakutes Stadium: negative T-Wellen, ST und PQ isoelek- trisch v. (postperikarditisches Stadium: normales EKG) Die PQ-Senkung (eine leicht deszendierende Strecke zwischen dem Ende der P-Welle und dem Beginn des QRS-Komplexes) wird als isoliertes EKG-Zeichen im sehr frühen Stadium (Stadium 1) der Perikarditis nach unserer Erfahrung besten- falls in rund 50% der Fälle beobachtet (EKG 15.1). Diese Verän- derung ist bei einem akuten MI (AMI) äußerst selten. Die EKGs 15.2–15.3 zeigen die häufigere Kombination der PQ-Senkung mit einer ST-Hebung im Stadium 2 der Perikarditis. Die ST-Hebung geht in der Regel nicht über 2,0 mm hinaus und kann in der Mehrheit der 12 Standardableitungen vorhan- den sein mit Ausnahme der Ableitung aVR, wo das ST immer gesenkt ist, und der Ableitung V 1 , wo eine ST-Senkung möglich ist. In den präkordialen Ableitungen kann die ST-Hebung mehr im mittleren Bereich (V 3 bis V 5 ) oder mehr lateral (V 5 bis V 6 ) akzentuiert sein. Im Gegensatz zum AMI (bei dem die ST- Hebung meistens vom Abwärtsschenkel des S abgeht und meistens höher ist) nimmt die ST-Strecke ihren Abgang in die mittleren präkordialen Ableitungen oft von der S-Zacke aus. In den Extremitätenableitungen und in den lateralen Ableitungen V 5 /V 6 entspringt die ST-Hebung oft dem Abwärtsschenkel des R – gleich wie beim akuten Infarkt. Der frontale ST-Vektor liegt zwischen +30° und +70°. Da- durch ist die ST-Strecke in den Ableitungen aVF, II und I er- höht, was beim AMI nie zu beobachten ist. Im Gegensatz zum EKG-Bild des MI zeigt das EKG im Ver- lauf einer akuten Perikarditis weder reduzierte R-Zacken noch pathologische Q-Zacken. Die negativen T-Wellen sind bei der subakuten Perikarditis (Stadium 4) in der Regel symmetrisch (wie bei Ischämie) und lassen sich am besten in den präkordialen Ableitungen fest- 15 Auf einen Blick 297 Kapitel 15 Akute und chronische Perikarditis
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Auf einen Blick
Im Vergleich mit dem Myokardinfakrt (MI) ist die Perikarditis
eine seltene Erkrankung. Eine akute Perikarditis ist in der Regel
viraler Ätiologie oder unbekannten Ursprungs. Das Haupt-
symptom ist ein scharfer (gelegentlich dumpfer) Schmerz, der
ziemlich plötzlich in der Herzregion auftritt und sich mit der
Atmung und der Körperhaltung ändert. Er kann in den Hals
und in die Region des Schulterblattes ausstrahlen. Die EKG-
Veränderungen lassen sich in rund 90% der Fälle feststellen,
sofern mehrere EKGs in Serie zur Verfügung stehen.
Ätiologie
Eine akute Perikarditis ist in der Regel unklaren Ursprungs (in
diesem Fall als „idiopathische Perikarditis“ bezeichnet) oder
hat eine virale Ätiologie. Eine chronische Perikarditis geht mit
vielen Zuständen einher. Eine Zusammenfassung der Ätiolo-
gien, eingeteilt in akute/subakute und subakute/chronische
Perikarditis, ist in Tabelle 15.1 aufgeführt.
EKG
1 Akute Perikarditis
Bei der akuten Perikarditis können vier (oder fünf) Stadien
(theoretisch) unterschieden werden. Beim gleichen Patienten
sind nicht immer alle Stadien zu sehen.
i. akutes, sehr frühes Stadium: PQ-Senkung, positive T-Welle
ii. akutes Stadium:: ST-Hebung (plus PQ-Senkung), positive
T-Welle
iii. Intermediärstadium: ST und PQ isoelektrisch, flache T-
Wellen
iv. subakutes Stadium: negative T-Wellen, ST und PQ isoelek-
trisch
v. (postperikarditisches Stadium: normales EKG)
Die PQ-Senkung (eine leicht deszendierende Strecke zwischen
dem Ende der P-Welle und dem Beginn des QRS-Komplexes)
wird als isoliertes EKG-Zeichen im sehr frühen Stadium
(Stadium 1) der Perikarditis nach unserer Erfahrung besten-
falls in rund 50% der Fälle beobachtet (EKG 15.1). Diese Verän-
derung ist bei einem akuten MI (AMI) äußerst selten. Die EKGs
15.2–15.3 zeigen die häufigere Kombination der PQ-Senkung
mit einer ST-Hebung im Stadium 2 der Perikarditis.
Die ST-Hebung geht in der Regel nicht über 2,0 mm hinaus
und kann in der Mehrheit der 12 Standardableitungen vorhan-
den sein mit Ausnahme der Ableitung aVR, wo das ST immer
gesenkt ist, und der Ableitung V1, wo eine ST-Senkung möglich
ist. In den präkordialen Ableitungen kann die ST-Hebung mehr
im mittleren Bereich (V3 bis V5) oder mehr lateral (V5 bis V6)
akzentuiert sein. Im Gegensatz zum AMI (bei dem die ST-
Hebung meistens vom Abwärtsschenkel des S abgeht und
meistens höher ist) nimmt die ST-Strecke ihren Abgang in die
mittleren präkordialen Ableitungen oft von der S-Zacke aus. In
den Extremitätenableitungen und in den lateralen Ableitungen
V5/V6 entspringt die ST-Hebung oft dem Abwärtsschenkel des
R – gleich wie beim akuten Infarkt.
Der frontale ST-Vektor liegt zwischen +30° und +70°. Da-
durch ist die ST-Strecke in den Ableitungen aVF, II und I er-
höht, was beim AMI nie zu beobachten ist.
Im Gegensatz zum EKG-Bild des MI zeigt das EKG im Ver-
lauf einer akuten Perikarditis weder reduzierte R-Zacken noch
pathologische Q-Zacken.
Die negativen T-Wellen sind bei der subakuten Perikarditis
(Stadium 4) in der Regel symmetrisch (wie bei Ischämie) und
lassen sich am besten in den präkordialen Ableitungen fest-
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Kapitel 15Akute und chronische Perikarditis
stellen. Sie können während Tagen oder mehrerer Wochen vor-
handen sein.
Die T-Negativität kann nur korrekt interpretiert werden,
wenn eine Serie von EKGs mindestens eines der typischen vor-
ausgehenden EKG-Zeichen aufweist: ST-Hebung oder PQ-
Senkung. Das EKG 15.5 zeigt ein „gemischtes“ Bild des akuten
und subakuten Stadiums mit ST-Hebung und beginnender T-
Negativität.
Arrhythmien werden durch eine Perikarditis sehr selten ausge-
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EKG 15.1 53J/m. EKG 6 h nach Beginn von akuten Tho-raxschmerzen. Frühes akutes Stadium derPerikarditis mit PQ-Senkung in I, II, aVF undV1 bisV6.
EKG 15.2 65J/m. Akute idiopathische Perikarditis. EKG: ST-Hebung in Ablei-tungen I, II und aVF (frontaler ST-Vektor rund +50º) und in (V2/V3)V4 bis V6. PQ-Senkung in I, II, aVF, III und V2 bis V6. Beachte die klei-nen Q-Zacken in V2/V3, eine normale Variante aufgrund des nor-malen Koro.
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EKG 15.3 74J/m. Lebertransplantation. Subakute Lungenembolie mit kleinemPleura- und Perikarderguss. EKG: frontaler ST-Vektor +30º, ST-He-bung in aVL, I, II und aVF. Nur leichte ST-Hebung in (V2/V3/V4) V5/V6.Beachte auch die PQ-Senkung in I, II, aVF und V3 bis V6.
EKG 15.4 60J/w. Subakute virale Perikarditis. EKG: negative T-Wellen in IIund V3 bis V6.
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EKG 15.5 44J/m. Akute/subakute virale Perikarditis. EKG: leichte ST-Hebung in I, II und aVF, und in (V2/V3) V4 bis V6, mit beginnender„T-Negativität“ in V3 bis V5 (V6). Beachte:„negative T-Welle“oberhalb der isoelektrischen Linie. Leichte ST-Senkung in V1.
EKG 15.6 28J/w. Akute virale Perikarditis. EKG: frontaler ST-Vektor +60°, mitST-Hebung in I, II, aVF und V2 bis V6. ST-Senkung in V1(!) Typische PQ-Senkung in II, aVF (I) und V2 bis V6.
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EKG 15.7 Fallbeispiel/Short Story 1. 83J/w. EKG: Akute Perikardi-tis, die einen inferioren AMI vortäuscht. Aber der fron-tale ST-Vektor beträgt +60°, mit ST-Hebung nicht nurin II, aVF und III, sondern zusätzlich in I (und in V5/V6).Leichte ST-Senkung in V1. Keine PQ-Senkung, mögli-cherweise infolge des kurzen PQ-Intervalls (130 ms).
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EKG 15.8 Fallbeispiel/Short Story 2. 62J/m. Idiopa-thische akute Perikarditis. EKG: frontalerST-Vektor +50°. ST-Hebung in I, II, aVF, IIIund V4 bis V6 (V2/V3). Storchenbein-Zei-chen in aVF und V4 bis V6 (Pfeil). MinimalePQ-Senkung in V4/V5 und in einigen Extre-mitätenableitungen (kurzes PQ-Intervall).
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EKG 15.9 ��
68J/w. Akute idiopathische Perikarditis. EKG: frontaler ST-Vektor+60°. ST-Hebung in I, II, aVF, III und V2 bis V6. Storchenbein- Zeichenin V2 (V3), siehe Pfeile. Beachte, dass die ST-Hebung ausschließlichvom Abwärtsschenkel des R abgeht.
EKG 15.10 ��
73J/m. Perikarditis 3 Wochen nach ausgedehntem posteroinferio-rem MI (Dressler-Syndrom). Hohe R-Zacken in V1 bis V3 als Spiegel-bild des posterioren MI, nichtsignifikante Q-Zacken in II, aVF, III.Typisches Bild der akuten Perikarditis. Frontaler ST-Vektor +60°,mit ST-Hebung in I, II, aVF, III, und (V1) V2 bis V6. Storchenbein-Zeichen in V2 bis V5 (Pfeil).
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EKG 15.12 57J/m. Normales Herz. Variante einerOsborn-Welle bei „früher Repolarisa-tion“. Die Osborn-Wellen gehen vomAbwärtsschenkel des R ab, siehe Ab-leitungen V2/V3 (V4 bis V6).
EKG 15.11 57J/m. Normales Herz. Storchenbein-Zeichen in V3 (V4) als normale Variante(Pfeile).
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EKG 15.13 27J/m. Herztamponade. Elektrischer Alternans des QRS-Komplexes.