AB0-inkompatible versus AB0-kompatible Lebendnierentransplantation am Transplantationszentrum Erlangen-Nürnberg in den Jahren 2006 - 2010 - ein Subgruppenvergleich - Der Medizinischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg zur Erlangung des Doktorgrades Doctor medicinae (Dr. med.) vorgelegt von Fatima Barhoum aus Jena
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AB0-inkompatible versus AB0-kompatible …final... · 2015. 7. 30. · Bei jeder Blutgruppe kommen auch natürliche Antikörper (Ak) vor, anti-B-Ak bei Blut-gruppe A, anti-A-Ak bei
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AB0-inkompatible versus AB0-kompatible Lebendnierentransplantation
am Transplantationszentrum Erlangen-Nürnberg in den Jahren 2006 - 2010
- ein Subgruppenvergleich -
Der Medizinischen Fakultät
der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
zur Erlangung des Doktorgrades
Doctor medicinae (Dr. med.)
vorgelegt
von
Fatima Barhoum
aus Jena
Als Dissertation genehmigt
von der Medizinischen Fakultät
der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Vorsitzender des Promotionsorgans: Prof. Dr. med. Dr. h.c. J. Schüttler
arterielle Hypertonie, koronare Herzerkrankung) Renale Grunderkrankung Art und Dauer des Nierenersatzverfahrens, Restdiurese, Wartezeit Erst- versus Folgetransplantation CMV-Serostatus Induktionstherapie und Basisimmunsuppression Blutgruppen IgG-Titera, Anzahl der IAsa
Transplantation
Daten der Nullbiopsie des Spenders HLA-mismatch OP-Daten (SNZ, KIZ, WIZ) Intra-, peri- bzw. postoperative Komplikationen Funktionsaufnahme des Organs (Primärfunktion vs. DGF, Krea, Pro-
telmäßige bis schwere Ausprägung) und 3 (schwere Ausprägung) berücksichtigt.
22
Tabelle 3 BANFF-Klassifikation, modifiziert nach 48 und 49
1 Normal
2
Antibody-mediated rejection (may coincide with categories 3,4,5,6) due to documentation of circulating antidonor antibody, and C4d or allograft pathology C4d deposition without morphological evidence of active rejection Acute antibody-mediated rejection (C4d+, circulating antidonor antibodies, morphological
evidence of acute tissue injury) Type (grade) I ATN-like, C4d+, minimal inflammation Type (grade) II Capillary-margination and/or thrombosis, C4d+ Type (grade) III Arterial, v3, C4d+ Chronic active antibody-mediated rejection
3
Borderline changes: ‘suspicious’ for acute T-cell-mediated rejection (may coincide with 2,5,6) No intimal arteriitis is present (v0), but there are foci of tubulitis (t1-3) with minor interstitial
infiltration (i0-1) or Interstitial infiltration (i2-3) with mild tubulitis (t1)
4
T-cell-mediated rejection (may coincide with categories 2,5,6) Acute T-cell-mediated rejection
Type IA and type IB Type IIA (v1) and type IIB (v2) Type III (v3) Chronic active T-cell mediated rejection
5
Interstitial fibrosis (IF) and tubular atrophy (TA), no evidence of any specific etiology Grade I: Mild IF and TA (<25% of cortical area) Grade II: Moderate IF and TA (26–50% of cortical area) Grade III: severe IF and TA (>50% of cortical area)
6
Other: changes not considered to be due to rejection - acute and/or chronic (may coincide with categories 2,3,4,5)
2.6 Statistik
Die statistische Datenanalyse erfolgte unter Zuhilfenahme des Programms SPSS®
Statistics Version 20. Zunächst erfolgte eine Prüfung der Variablen auf Normalvertei-
lung mittels Kolmogorov-Smirnov-Anpassungstest. War diese gegeben, kamen para-
metrische Testverfahren zu Anwendung.
Für alle Variablen wurden Mittelwert, Median, Standardabweichung, Standardfehler
des Mittelwerts, Maximum, Minimum sowie 95% Konfidenzintervalle berechnet. Im
Ergebnisteil und den Tabellen erfolgt die Angabe als Mittelwert ± Standardabweichung.
Vergleiche zwischen zwei Gruppen erfolgten mittels gepaartem oder ungepaartem t-
Test (zweiseitig). Im Falle nicht gegebener Normalverteilung wurde anstelle des t-Tests
der Mann-Whitney-U-Test verwendet. Mehrfachgruppenvergleiche erfolgten mittels
einfaktorieller Varianzanalyse und post-hoc Adjustierung mittels Bonferroni-Methode.
Kategoriale Variablen wurden in Kreuztabellen für absolute und relative Häufigkeiten
erfasst. Die statistische Signifikanztestung erfolgte mittels chi2 - Test.
Kaplan-Meier Überlebenskurven wurden mittels Log-rank-Test verglichen. Für alle
statistischen Tests wurde ein Signifikanzniveau von p ≤ 0.05 festgelegt.
23
3 Ergebnisse
3.1 Basisparameter der Organempfänger
Die meisten Basisparameter zeigten keinen signifikanten Unterschied zwischen Trans-
plantatempfängern AB0-kompatibler versus AB0-inkompatibler Lebendspenden (Tab.
4).
Die Kohorte aus 34 untersuchten Organempfängern umfasste 10 weibliche und 24
männliche Patienten. Mit einem BMI von 26.9 ± 3.1 kg/m2 war diese leicht übergewich-
tig. Das Patientenalter lag zum Zeitpunkt der Transplantation bei 48.7 ± 11.6 Jahren.
Ein Diabetes mellitus war bei 4 Patienten (11.8%) bekannt, 2 Patienten (5.9%) litten an
einer gesicherten koronaren Herzerkrankung (KHK).
Als Nierenersatzverfahren erhielten 22 Patienten (~65%) eine Hämodialyse und 5
Patienten (~15%) eine Peritonealdialyse vor Transplantation. Die verbleibenden 7
Patienten (~20%) wurden präemptiv, d.h. ohne vorausgegangenes Nierenersatzverfah-
ren, transplantiert. Die mittlere Wartezeit seit Listung zur Transplantation lag bei 12
Monaten, die mittlere Dialysedauer bei 20 Monaten. Alle genannten Variablen zeigten
keine signifikanten Unterschiede zwischen den Untersuchungsgruppen.
Unter allen Empfängern war die Blutgruppe A mit 52.9% am häufigsten, gefolgt von 0
(38.2%) und B (8.8%), während die Blutgruppe AB nicht vertreten war. Bei gesonderter
Betrachtung der AB0i Gruppe, zeigt sich erwartungsgemäß eine Dominanz der Blut-
gruppe 0 (47.1%).
Die wichtigsten Ausgangslaborwerte, wie kleines Blutbild, Blutzucker, Nierenwerte,
Blutfettwerte, Kalziumphosphatwerte der Transplantatempfänger waren zwischen
beiden Gruppen vergleichbar (Tab. 5). Einzig bei der Leukozyten- (p=0.002) und
Thrombozytenzahl (p=0.046) ergab sich ein statistisch signifikanter Unterschied zwi-
m männlich, w weiblich, Igg Isoagglutinin, Fy(a) Blutgruppen-Phänotyp Duffy-System, Ø nicht nachweisbarer Titer, IA Immunadsorption, PA Protein-A-Säule, PP Plasmapherese
31
3.5 Follow-up-Ergebnisse
Für alle Patienten lag mindestens ein Follow-up von 12 Monaten nach Transplantation
vor. Darüber hinaus wurde zum Zeitpunkt der Datenanalyse (September 2012) der
jeweils letzte Besuch in der Transplantationsambulanz mit dem aktuellsten Kreatinin-
wert erfasst. Dadurch lag der Nachbeobachtungszeitraum aller 34 Patienten bei 1007 ±
381 Tagen. Die AB0k Patienten wurden 873 ± 389 Tage nachverfolgt, die AB0i Patien-
ten mit 1141 ± 332 Tage signifikant länger (p = 0.038). Während des Follow-up wurden
etwaige Infektionen, Abstoßungen, und der Kreatininverlauf dokumentiert.
3.5.1 Auftreten von Infektkomplikationen
Eine relevante CMV-Virusreplikation im Serum trat bei insgesamt 6 Patienten (17.6%)
auf. Davon waren 4 AB0-kompatibel und 2 AB0-inkompatibel transplantiert. Eine rele-
vante Polyomavirusreplikation trat bei insgesamt 4 Patienten auf, von denen 3 AB0-
kompatibel und nur einer AB0-inkompatibel transplantiert waren. Andere Infekte, wie
Pneumonien (17.6%), Harnwegsinfekte (35.3%), Gastroenteritiden (47.1%) und Infekte
der oberen Atemwege (47.1%) traten deutlich häufiger auf, verliefen aber alle insge-
samt milde bis subklinisch (Tab. 10).
Die Auswertung der Infektkomplikationen ergab keine signifikanten Unterschiede zwi-
schen den AB0i- und AB0k-Patienten.
Tabelle 10 Infekt-Komplikationen der Organempfänger (Häufigkeiten)
Bei detaillierter Betrachtung der individuellen Kreatininverläufe zeigt sich bei den AB0i
transplantierten Patienten ein „Ausreißer“ (Abb. 4). Bei diesem Patienten lag der Se-
rumkreatininwert nach drei Monaten bereits bei 4.0 mg/dl und stieg nach zwölf Mona-
ten auf 4.5 mg/dl an. Dieser deutliche Unterschied zu allen anderen Patienten beruhte
auf einer schweren Polyoma-Virus-Nephropathie, die laborchemisch und bioptisch
nachgewiesen wurde. Der Patient ist zum aktuellen Zeitpunkt (Februar 2015) weiterhin
noch nicht dialysepflichtig, der Kreatininwert liegt unverändert im Bereich von 4.5
mg/dl.
In der Gruppe der AB0k Transplantatempfänger (Abb. 5) war ebenfalls ein Patient mit
einem verhältnismäßig hohen Kreatininwert von 4.5 mg/dl zum Entlassungszeitpunkt
auffällig. Grund hierfür war eine unmittelbar nach Transplantation stattgehabte schwere
akute zelluläre Rejektion vom Typ BANFF IIA. Diese wurde mittels Steroidstoß und
Gabe von ATG erfolgreich therapiert, so dass sich im weiteren Verlauf die Nierenfunk-
tion bei diesem Patienten rasch besserte.
Insgesamt konnte zwischen den individuellen Kreatininverläufen kein signifikanter
Unterschied in Abhängigkeit von der Blutgruppenkompatibilität konstatiert werden. In
einer Subanalyse wurden präemptiv transplantierte Patienten mit Dialysepatienten
hinsichtlich der Transplantatfunktion (Serumkreatininwert) verglichen. Es zeigte sich
auch hier kein signifikanter Unterschied in der Transplantatfunktion, weder bei Entlas-
sung noch nach drei oder zwölf Monaten.
38
Abbildung 4 Kreatininverlauf der AB0-inkompatiblen Empfänger
Abbildung 5 Kreatininverlauf der AB0-kompatiblen Empfänger
39
3.5.4 Einfluss von Abstoßungen auf die Transplantatfunktion
In einer weiteren Analyse wurde der Einfluss einer Abstoßung auf das Serumkreatinin
und damit auf die Transplantatfunktion im ersten Jahr untersucht (Abb. 6). In dieser
Subanalyse wurden Borderline-Abstoßungen nicht berücksichtigt.
In der Gruppe der AB0-inkompatibel transplantierten Patienten wiesen 3 der 17 Patien-
ten (17.6%) eine Rejektion im Verlauf des ersten Jahres auf. Zum Entlassungszeit-
punkt unmittelbar nach Transplantation unterschied sich die Transplantatfunktion der
betroffenen Patienten mit einem Serumkreatininwert von 1.77 mg/dl nicht signifikant
von der von Patienten ohne Rejektion, bei welchen der Serumkreatininwert zu diesem
Zeitpunkt bei 1.65 mg/dl lag (p=n.s.). Nach drei Monaten wiesen jedoch die Patienten
mit stattgehabter Rejektion im Vergleich zum Rest der Gruppe einen signifikant höhe-
ren Kreatininwert auf (2.46 mg/dl versus 1.56 mg/dl, p=0.031). Die gleiche Tendenz
zeigten die Nierenfunktionsparameter auch noch nach zwölf Monaten (2.41 mg/dl
versus 1.45 mg/dl, p=0.059).
Bei den AB0-kompatibel transplantierten Patienten waren 8 der 17 Patienten (47.1%)
von einer Rejektion betroffen. Zum Entlassungszeitpunkt und nach zwölf Monaten
waren die Serumkreatininwerte zwischen Patienten mit und ohne Abstoßung in dieser
Gruppe jedoch vergleichbar. Auffällig waren die wider Erwarten signifikant besseren
Kreatininwerte nach drei Monaten, die Patienten mit Rejektion (Serumkreatinin 1.52
mg/dl) gegenüber den Patienten ohne Rejektion (Serumkreatinin 2.02 mg/dl) aufwie-
sen (p=0.04).
40
Abbildung 6 Transplantatfunktion (Kreatininverlauf) und BPAR (biopsy proven acute rejektion) ohne Borderline
Anmerkung: Im Vergleich zu Tabelle 13 sind in diesem Diagramm der AB0k nur 8 anstelle 9 BPAR ohne Borderline angegeben. Dies ist begründet durch das zeitgleiche Vorliegen zweier Abstoßungstypen im histologischen Präparat eines Patienten.
41
4 Diskussion
Das europäische Protokoll zur AB0-inkompatiblen Lebendnierentransplantation (AB0i-
LNTx) wird seit 2006 am Transplantationszentrum Erlangen-Nürnberg angewendet.
Die weltweit vorliegenden Langzeitdaten, sowie die in dieser Arbeit dargestellten Kurz-
zeit-Ergebnisse belegen, dass die AB0i-LNTx zu einer echten therapeutischen Alterna-
tive herangereift ist, die den Personenkreis potentieller Lebendspender erheblich
erweitert und somit einen großen Fortschritt in der Transplantationsmedizin nieren-
kranker Patienten darstellt.
Der in dieser Arbeit untersuchte Vergleich aller bis 2010 in Erlangen durchgeführten,
blutgruppeninkompatiblen Lebendnierentransplantationen gegenüber einer Kontroll-
gruppe blutgruppenkompatibler transplantierter Patienten, bestätigt die ermutigenden
Ergebnisse, die weltweit mit diesem Verfahren gesammelt wurden. Bis zum jetzigen
Zeitpunkt (April 2015) liegen sowohl das Patienten- als auch das Transplantatüberle-
ben aller von uns untersuchten Patienten bei 100 Prozent. Transplantatfunktion, Risi-
ken und Komplikationen sind dabei zwischen beiden Untersuchungsgruppen
vergleichbar.
Die hier untersuchte Studienkohorte ist trotz der relativ geringen Fallzahl in ihren Aus-
gangsdaten (Alter, Geschlecht, Blutgruppenverteilung) vergleichbar mit den Daten des
Instituts für Qualität & Patientensicherheit GmbH (BQS) und entspricht damit dem
Bundesdurchschnitt.50
In besonderem Maße profitieren Patienten mit der Blutgruppe 0 von einer AB0i-LNTx,
da diese Patienten Blutgruppenantikörper sowohl gegen Blutgruppenantigen A als
auch B aufweisen und somit in der postmortalen Organvergabe nur Organe von Spen-
dern der Blutgruppe 0 erhalten können. Da solche Organspender jedoch Univer-
salspender für alle anderen Blutgruppen (0, A, B und AB) darstellen, ergibt sich für
Patienten mit der Blutgruppe 0 auf der Transplantationswarteliste unverändert eine
längere Wartezeit auf ein passendes Organangebot. Mit Etablierung der AB0-
inkompatiblen Lebendnierentransplantation konnte der Spenderpool für diese Patien-
ten erheblich erweitert und vielen Patienten die entsprechend lange Wartezeit erspart
werden. In Zeiten, in denen die Bereitschaft zur postmortalen Organspende weiter
sinkt bzw. einen Tiefstand erreicht hat, gewinnt diese Tatsache somit zusätzlich an
Bedeutung und hat auch am Transplantationszentrum Erlangen-Nürnberg dazu ge-
führt, dass der Anteil der Lebendnierentransplantationen kontinuierlich angestiegen ist.
Während der Etablierung des AB0i-Protokolls am Transplantationszentrum Erlangen-
Nürnberg wurden bereits erste Langzeitergebnisse aus anderen Zentren weltweit
publiziert, die ein gegenüber der blutgruppenkompatiblen Transplantation vergleichba-
42
res Patienten- und Transplantatüberleben (80 bis 90%) zeigen (Tab. 15).44,51-53 Wenn-
gleich im Rahmen dieser Arbeit bis dato nur der kurzfristige Transplantationserfolg
beurteilt werden kann, decken sich die Erfahrungen mit denen anderer Zentren, insbe-
sondere was die gefahrlose Einführung, Patientensicherheit und Akzeptanz des Ver-
fahrens anbelangt.
Eine multizentrische schwedische Studie konnte zeigen, dass die Konditionierung der
Organempfänger bzw. das Transplantationsprotokoll effektiv und komplikationsarm an
anderen Zentren etabliert werden konnte.53 Im Gegensatz zu dem am Transplantati-
onszentrum Erlangen-Nürnberg praktizierten Protokoll wurden in Stockholm regelhaft
intravenöse Immunglobuline (IVIG) verabreicht, zudem wurde postoperativ prophylak-
tisch eine Immunadsorption durchgeführt. Letzteres geschah am hiesigen Zentrum nur
zu Beginn und wird nicht routinemäßig durchgeführt.
Wilpert et. al veröffentlichten 2010 Langzeitergebnisse aus Freiburg und wiesen ein
Patientenüberleben von ~98% bei AB0-kompatibler und -inkompatibler Transplantation
nach.52 Die Transplantatfunktion, abgebildet durch die eGFR, lag in dieser Studie zum
Entlassungszeitpunkt nach Transplantation in der blutgruppeninkompatiblen Gruppe
niedriger. In der vorliegenden Studienkohorte zeigte sich zu diesem Zeitpunkt, aber
auch im Verlauf des gesamten ersten Jahres nach Transplantation kein Unterschied in
der Transplantatfunktion zwischen beiden untersuchten Gruppen.
Daten aus den USA zeigen vergleichbare Ergebnisse zu denen aus Europa. Mont-
gomery et al. berichteten von 1-Jahres-Transplantatüberlebensraten nach AB0i-LNTx
von 98%.10 Dies entspricht den Ergebnissen nach AB0k-LNTx, die durch UNOS im
selben Zeitraum für die USA erfasst wurden. Eine weitere Studie fasste über 700 AB0i-
transplantierte Patienten aus dem „Scientific Registry of Transplant Recipients“ aus
den Jahren 1995 bis 2010 zusammen.54 In dieser Kohorte zeigte sich im Langzeitver-
lauf (10 Jahre) eine ~3% höhere Rate an Transplantatverlusten bei AB0i-
Transplantation. Diese beruhten vor allem auf frühen Organverlusten in den ersten
Wochen nach Transplantation. Welche Faktoren konkret dafür verantwortlich waren,
wurde von den Autoren nicht näher beschrieben. In der Studie unberücksichtigt blieben
Veränderungen im Transplantationsprotokoll durch die medizinische Weiterentwicklung
in diesem Bereich. Eine Subanalyse nach durchgeführten Transplantationen je Zent-
rum („high-“ versus „low-Volume“) ergab keinen Unterschied in den Erfolgsaussichten
nach Transplantation. Dieser Aspekt unterstreicht, dass auch kleinere Transplantati-
onszentren unter entsprechender Vorbereitung ein solches Programm gefahrlos und
mit hoher Patientensicherheit etablieren können. Aktuell wird das AB0-inkompatible
Lebendnierentransplantationsprogramm an nahezu allen deutschen Transplantations-
zentren angeboten.1
Tabelle 15 Kurzzeit- und Langzeit-Transplantatüberleben, Literaturvergleich AB0i und AB0k
Jahr Autoren Anzahl Patienten Art der Antikörperelimination
Transplantatüberleben Referenz
1 Jahr > 1 Jahr
1998 Tanabe et al. AB0i: n=67 AB0k: n=366
Immunadsorption/ Plasmapherese
AB0i: 79% AB0k: 95% (p<0.05)
AB0i: 79%; 75% (3 und 5 Jahre) AB0k: 92% 83% (3 und 5 Jahre) (p<0.05 bei 3 Jahren)
40
2004 Takahashi et al. AB0i: n=441 AB0k: n=1055
Plasmapherese AB0i: 84% AB0k: 96%
AB0i: 71% 59% (5 und 9 Jahre) AB0k: 81% 57% (5 und 9 Jahre)
55
2008 Genberg et al. AB0i: n=15 AB0k: n=30
Immunadsorption AB0i: 93% AB0k: 97%
AB0i: 86,7% (3.4 Jahre) AB0k: 86,7% (4 Jahre)
51
2009 Montgomery et al. AB0i: n=60 AB0k: UNOS Register
Plasmapherese AB0i: 98,1% AB0k: 95.1%
AB0i: 92.9%; 88.7% (3 und 5 Jahre) AB0k: 87.8%; 79.7% (3 und 5 Jahre)
10
2010 Wilpert et al. AB0i: n=40 AB0k: n=43
Immunadsorption AB0i: 100% AB0k: 93%
AB0i: 100% (3.3 Jahre) AB0k: 93% ( 1.6 Jahre)
52
2012 Montgomery et al. AB0i: n=738 AB0k: n=3679 (Match)
Plasmapherese AB0i: 94,1% AB0k: 97.1%
AB0i: 72.9%a (10 Jahre) AB0k: 76.1%a (10 Jahre)
54
2014 Opelz et al. AB0i: n=1420 AB0k: n=1420 (Match)
a zensiert für Patiententod, UNOS United Network for Organ Sharing
44
Hauptlimitation der vorliegenden, aber auch anderer Studien, ist die retrospektive
Datenanalyse bei meist geringer Fallzahl und fehlendem Langzeitverlauf. Im Rahmen
der CTS-Studie (Collaborative Transplant Study) wurden international, multizentrisch
und prospektiv die Daten von rund 1.400 AB0i transplantierten Patienten ausgewertet,
die einer AB0k-Kontrollgruppe gegenübergestellt wurden.56 Das dortige Transplantat-
überleben nach drei Jahren lag bei 89.9% und damit vergleichbar zur Kontrollgruppe
(90.1%). Gleiches gilt für das Patientenüberleben, welches bei 95.6% (blutgruppenin-
kompatibel) bzw. 96.3% (blutgruppenkompatibel) lag. Einzig innerhalb des ersten
Jahres zeigte sich ein kleiner, aber signifikanter Unterschied im Patientenüberleben.
Als mögliche Ursache hierfür fand sich eine höhere Rate an Infektionen in der AB0i
transplantierten Patientengruppe, während das Erregerspektrum jedoch zwischen
beiden Gruppen vergleichbar war. Zudem ergab die multivariate Analyse keine signifi-
kante Interaktion zwischen Infektionsrate und der Konditionierung mit Rituximab.
Wenn man die bis dato publizierten Ergebnisse zur AB0-inkompatiblen Lebendnieren-
transplantation zusammenfasst, bleibt ein Restrisiko für vermehrte Infektionen
und/oder Abstoßungen in der Frühphase nach Transplantation bestehen. Letzterem
muss durch besonderes Augenmerk in diesem Zeitraum Rechnung getragen werden.
Da das Auftreten von Abstoßungen, vor allem in den ersten Wochen nach Transplanta-
tion, längerfristig zur Beeinträchtigung der Transplantatfunktion führen kann, sollten
Patienten - vor allem im ersten Jahr nach Transplantation - im Zweifelsfall großzügig
einer Transplantatbiopsie zugeführt werden.57 Hinweise auf eine Abstoßung und damit
Indikation zur Biopsie können nach Ausschluss reversibler Faktoren (z.B. Volumen-
mangel, Infektionen, zu hohe Spiegel des Calcineurininhibitors) ein Anstieg des Se-
rumkreatinins und/oder der Proteinurie sowie ein Diureserückgang sein. Schmerzen
über dem Transplantat mit sonographischen Kriterien (hohe intrarenale Gefäßwider-
stände, Organschwellung) können ebenfalls verdächtig für eine Abstoßung sein. Dabei
gilt eine plötzlich Zunahme des Kreatininwerts um 20 bis 30% vom Ausgangswert oder
ein Anstieg um 15% innerhalb eines Jahres als suspekt.58 Darüber hinaus gehören in
den meisten Transplantationszentren zu definierten Zeitpunkten durchgeführte Proto-
kollbiopsien (also ohne Indikation) im ersten Jahr zum Standard in der Transplantati-
onsnachsorge. Histopathologisch werden diese Biopsien nach der regelmäßig
aktualisierten BANFF-Klassifikation eingeteilt und ausgewertet (Tab. 3). Aus den
BANFF-Kategorien lassen sich zwar keine klaren Therapieoptionen ableiten, dennoch
sind Biopsie und Klassifizierung unverzichtbar für das individuelle therapeutische Vor-
gehen. Eine Schwäche der Einteilung nach BANFF ist, dass die semiquantitative Er-
fassung histologischer Läsionen trotz Kategorisierung nur bedingt objektiv, die
Reproduzierbarkeit der Befunde somit limitiert ist. Die Mindestanforderungen an die
Biopsieprobe (z.B. Mindestanzahl gewonnener Glomeruli) sind zwar definiert, werden
45
aber häufig unterschritten und die Aussagekraft der Biopsie ist somit oftmals einge-
schränkt.
Der mit Abstand häufigste Biopsiebefund im vorliegenden Patientenkollektiv war der
sogenannte Borderlinebefund, welcher auf eine T-Zell-vermittelte Abstoßung hinweist,
jedoch nicht die histologischen Mindestanforderungen an eine definierte Abstoßung
erfüllt. Die therapeutische Konsequenz auf derartige Befunde wird in der Literatur
kontrovers diskutiert. So berichten einige Autoren, dass bereits ein Borderlinebefund
mit einem schlechteren Outcome und - bei abwartendem Verhalten - mit dem Risiko
einer definitiv gesicherten Abstoßung assoziiert ist.59 Am Transplantationszentrum
Erlangen-Nürnberg gibt es im Falle eines Boderlinebefundes keine standardisierte
Behandlungsstrategie. Die Therapieentscheidung erfolgt vielmehr individuell, unter
Berücksichtigung des Transplantationsverlaufs (Zeitpunkt nach Transplantation, Krea-
tininverlauf, Verlauf der Proteinurie), dem immunologischen Risiko des Patienten (Re-
Transplantation, Vorliegen präformierter oder donorspezifischer Antikörper, HLA-
mismatch) und/oder einem möglichen Infektions- bzw. Tumorrisiko, um nur einige
Faktoren zu nennen. Die Auswirkungen der Borderlinebefunde als solche auf die
Transplantatfunktion wurden aufgrund des kurzen Nachbeobachtungszeitraums im
Rahmen dieser Arbeit nicht gesondert ausgewertet.
Akute Abstoßungen wurden hingegen genauer analysiert. In den Protokoll- bzw. Indi-
kationsbiopsien, welche 3 Monate nach Transplantation durchgeführt wurden, traten
nur BANFF IA - Abstoßungen auf, die sich in der AB0i-Gruppe auch negativ auf die
Transplantatfunktion auswirkten. Hierbei ist jedoch anzumerken, dass die Biopsie zu
diesem Zeitpunkt bei den AB0-inkompatibel transplantierten Patienten vermehrt als
Indikationsbiopsie durchgeführt wurde.
In den Protokollbiopsien 12 Monate nach Transplantation wurde bei keinem der unter-
suchten Patienten eine Abstoßung festgestellt. Allerdings wurde die Jahresbiopsie
auch bei deutlich weniger Patienten durchgeführt, da viele die Zustimmung bei stabiler
Transplantatfunktion verweigerten. Eine subklinische Abstoßung zu diesem Zeitpunkt
ist somit nicht auszuschließen. Da die weitere Versorgung der Patienten jenseits des
ersten Jahres in vielen Fällen durch niedergelassene Kollegen erfolgte, liegen überdies
keine Daten zum Langzeitverlauf der hier untersuchten Patienten vor.
Aufgrund der Tatsache, dass die Transplantation bei Blutgruppeninkompatibilität gegen
eine Antikörperbarriere erfolgt, besteht formal ein erhöhtes Risiko für das Auftreten
einer antikörpervermittelten Abstoßung. Bis dato publizierte Daten zeigen jedoch, dass
die Patienten - trotz Beendigung der Antikörperelimination zum Zeitpunkt der Trans-
plantation und des konsekutiven Anstiegs der Blutgruppenantikörpertiter im Verlauf -
kein erhöhtes Risiko für antikörpervermittelte Abstoßungen aufweisen. Obgleich die
46
Gründe hierfür nicht geklärt sind, geht man allgemein von einer Immuntoleranz bzw.
Akkommodation aus. Obwohl entsprechende Fremdantigene auf den Endothelien
exprimiert werden und Antikörper im Blut zirkulieren, kommt es nicht zu einer antikör-
pervermittelten Abstoßung.60 Der Begriff der Akkommodation steht im Zusammenhang
mit dem immunhistologischen Phänomen der C4d-Positivität peritubulärer Kapillaren
(Nachweis eines Komplementspaltprodukt), das man regelhaft in Biopsien AB0-
inkompatibel transplantierter Patienten antrifft.
In dieser Studie ließ sich nur eine einzige akute, antikörpervermittelte Abstoßung bei
einem AB0k-Patienten beobachten, die bereits am siebten postoperativen Tag auffiel.
In diesem Fall konnte im HLA-Labor ein hochtitriger, donorspezifischer HLA-Antikörper
nachgewiesen werden. Bioptisch zeigten sich neben dem für eine antikörpervermittelte
Abstoßung typischen Befund einer peritubulären Kapillaritis mit immunhistochemi-
schem Nachweis von Komplement (C4d) zudem Hinweise für eine schwere interstitiell-
zelluläre und vaskuläre Abstoßung (BANFF IIB-Abstoßung). Neben der Anhebung der
Basisimmunsuppression und einer Steroidstoßtherapie erhielt dieser Patient zusätzlich
ATG und wurde mit Plasmapheresen sowie Rituximab behandelt, worunter sich die
Transplantatfunktion wieder normalisierte. Der immunhistologische Nachweis einer
C4d-Positivität peritubulärer Kapillaren kann bei AB0i-Patienten nicht unmittelbar als
Hinweis für eine mögliche antikörpervermittelte Abstoßung herangezogen werden. In
größeren Studien zeigte sich, dass gerade bei AB0i-Patienten 25 bis 80% aller Trans-
plantatbiopsien eine C4d-Positivität der peritubulären Kapillaren aufweisen, ohne dass
sich klinische oder laborchemische Hinweise (z.B. Kreatininanstieg, Nachweis donor-
spezifischer Ak) auf eine humorale Abstoßung ergeben.48,61 Auch bei AB0k-Patienten
lässt sich, wenngleich auch in deutlich geringerer Häufigkeit (2 bis 26%), eine C4d-
Positivität peritubulärer Kapillaren in Transplantatbiopsien nachweisen.48
Da die Konditionierung mit einem B-Zell depletierenden Antikörper im Rahmen der
AB0i-LNTx-Vorbereitung zu einer verminderten Antikörperproduktion beim Empfänger
führt, lag die Vermutung nahe, dass hiermit auch das Auftreten donorspezifischer
Antikörper post transplantationem günstig beeinflusst wird, insbesondere im direkten
Vergleich zu nicht vorbehandelten Patienten. Ishida et al. konnten dementsprechend
zeigen, dass nach AB0i-LNTx ein solches de-novo Auftreten donorspezifischer HLA-
Antikörper vermindert war und weniger Abstoßungen auftraten.61 Auch im hier betrach-
teten, verhältnismäßig kleinen Patientenkollektiv zeigten sich bei den AB0i-Patienten
innerhalb des ersten Jahres nach Transplantation signifikant weniger bioptisch gesi-
cherte Abstoßungen. Da sich die Nachsorge dieser Patienten identisch zu der von
AB0k-Patienten gestaltet (gleiche Basisimmunsuppression bzw. Zielspiegel und Nach-
sorgeintervalle), darf in diesem Zusammenhang ein positiver Effekt der Konditionierung
mittels Rituximab und den Immunadsorptionsverfahren vor Transplantation vermutet
47
werden. Aufgrund des kurzen Beobachtungszeitraums kann im Rahmen dieser Arbeit
jedoch keine gesicherte Aussage darüber getroffen werden, inwiefern die Gabe von
Rituximab in dem hier untersuchten Patientenkollektiv das de-novo Auftreten von HLA-
Antikörpern im Verlauf beeinflusst.
Welcher Blutgruppen-Antikörperzieltiter vor einer AB0i-LNTx erreicht werden sollte,
bevor die Transplantation durchgeführt werden kann, ist nach wie vor ungeklärt. Natur-
gemäß findet sich hier eine große Schwankungsbreite, bezüglich der Ausgangstiter für
IgG gegen die entsprechende Blutgruppe. In unserem Patientenkollektiv zeigte sich
etwa eine Streubreite von 1:2 bis zu 1:2048. Daten anderer Transplantationszentren
belegen, dass auch Patienten mit sehr hohem Ausgangstiter gefahrlos und erfolgreich
mittels Immunadsorption auf die Transplantation vorbereitet werden können.62 Law-
rence et al. befürworteten beispielsweise einen oberen Grenzwert des Ausgangstiters
(1:256), bei welchem ein AB0i-Protokoll noch umgesetzt werden kann, ohne dass mit
schweren Komplikationen oder gar Transplantatverlust zu rechnen ist.63 Aufgrund
zahlreicher Studien dürfte dieser Zieltiter international jedoch nicht mehr akzeptiert
sein. Eine südkoreanische Studie analysierte retrospektiv AB0i-Patienten mit hohen
(≥1:512) und niedrigen (≤1:256) Ausgangstitern.64 In der Gruppe mit höheren Titern
war es erwartungsgemäß schwieriger, den Ziel-Titer (hier 1:16) zu erreichen. Postope-
rativ zeigte sich bei den Patienten zudem häufiger ein Antikörper-Rebound und die
Rate akuter Abstoßungen und Infektionen war in dieser Studie tendenziell höher, die
Transplantatfunktion schlechter. Eine Studie nach japanischem Protokoll (präoperativ
Ziel-IgG-Titer von ≤1:16) zeigte, dass die Höhe der präoperativen anti-A/B IgG-Titer mit
dem Langzeitergebnis, d.h. einer guten Transplantatfunktion, korreliert.65 Wenige Jahre
später veröffentlichte die gleiche Gruppe Ergebnisse, die darlegten, dass sich hohe
präoperative Titer (>1:128) aber nicht per se auf das Gesamtüberleben auswirken,
wenn die Immunsuppression mit MMF und Tacrolimus erfolgt.66 Nachdem die zuletzt
genannten Medikamente zum Standard der Basisimmunsuppression bei AB0i-LNTx
auch am hiesigen Transplantationszentrum gehören, unterstreichen diese Ergebnisse,
dass auch bei hohem Ausgangstiter unter entsprechender Konditionierung gefahrlos
und mit guter Langzeitprognose transplantiert werden kann.
Auch die hier vorliegenden Daten belegen, dass bei hohem Ausgangstiter tendenziell
mehr Immunadsorptionsverfahren bzw. Plasmapheresen vor Transplantation durchge-
führt werden müssen, um den definierten Zieltiter zu erreichen (Tab. 9). Die verwende-
ten Glycosorb®-Säulen führen zu einer raschen Absenkung der Blutgruppenantikörper
während einer Behandlung, das Ausmaß des Rebound ist jedoch von Patient zu Pati-
ent durchaus variabel und bestimmt die Dauer der Anwendung. Unabhängig vom
gewählten Aphereseverfahren (selektive bzw. unselektive Immunadsorption oder
Plasmapherese) ist eine exakte Vorhersage der Absenkung der Antikörper während
48
einer laufenden Behandlung bzw. der Antikörper-Rebound im behandlungsfreien Inter-
vall nicht möglich, so dass die Antikörpertiter entsprechend engmaschig überwacht
werden müssen, um den Zeitplan der Transplantation nicht zu gefährden. Orientieren-
de Grenztiter müssen unter Vorbehalt der verwendeten Testverfahren zur Titerbestim-
mung zwischen einzelnen Zentren verglichen werden und sind nicht unbedingt
Ausdruck einer unterschiedlichen Immunisierung der Patienten.
Die Vorbereitung auf eine AB0i-LNTx erfordert somit in der Planung und Durchführung
eine erheblich größere Flexibilität sowohl von den behandelnden Ärzten als auch den
Transplantatempfängern. An dieser Stelle kann auch festgehalten werden, dass durch
den logistischen Aufwand deutliche Mehrkosten gegenüber einer blutgruppenkompa-
tiblen Lebendnierentransplantation entstehen. Diese liegen in den USA bei circa
38.000 $, in Europa in der Größenordnung von etwa 32.000 €.51,67,68 Der finanzielle
Mehraufwand entspricht jedoch in etwa den jährlichen Sachkosten für die Hämodialy-
sebehandlung eines Patienten, so dass die AB0i-LNTx mittelfristig als deutlich kosten-
effektiver gegenüber einer dauerhaften Dialysebehandlung angesehen werden kann.
Die sehr gute Effizienz der Glycosorb®-Säulen bei AB0i-LNTx wird auch von Valli et al.
belegt, da binnen einer Behandlung die Antikörpertiter um bis zu 34% fielen.69 Die
Autoren beobachteten jedoch auch eine signifikante Reduktion antibakterieller Antikör-
per, z.B. gegen Pneumokokken und Haemophilus influenzae, während Antikörper
gegen andere Erreger, wie Tetanus und Diphterie hingegen unverändert blieben.
Wenn solche, für die Infektabwehr nützlichen Antikörper, mittels Immunadsorption
ebenfalls eliminiert werden, muss gerade in der Kombination mit einem B-Zell-
depletierenden Antikörper im Rahmen der Konditionierung ein erhöhtes Infektionsrisiko
postuliert werden. Insbesondere der B-Zell-depletierende Effekt von Rituximab kann
drei bis zwölf Monate, in Einzelfällen auch deutlich länger anhalten.70 Das Risiko für
opportunistische Infektionen nach AB0i-LNTx wird in der Literatur kontrovers diskutiert,
so dass hierzu bis dato keine verlässlichen Daten vorliegen. Einige Autoren berichten
indes über ein gehäuftes Auftreten viraler und bakterieller Infekte nach AB0i-LNTx.71-73
So beschreiben Habicht et al. vermehrte Polyomavirus-Nephropathien nach AB0i-
Transplantation (AB0i: 25% versus AB0k: 8.5%).71 Da sich die dortigen Subgruppen
nicht in der Basisimmunsuppression oder im Auftreten von Rejektionen unterschieden,
wird von den Autoren ein erhöhtes Risiko einer Polyomavirus-Reaktivierung aufgrund
der intensivierten Immunsuppression mit B-Zell-Depletion postuliert. Auch im Erlanger
Kollektiv trat ein Fall einer schweren Polyomavirus-Nephropathie nach AB0-
inkompatibler Transplantation auf, der mit einer dramatischen Funktionsabnahme des
Transplantats einherging. Jedoch ergab sich insgesamt kein Hinweis auf eine erhöhte
Infektionsrate in der AB0i-Gruppe.
49
Kamar et al. wiesen ein erhöhtes Auftreten von Pilzinfektionen nach Rituximabgabe bis
hin zu infektbedingten Todesfällen nach.72 Allerdings wurden diese Patienten im
Schnitt mit vier Gaben Rituximab zu je 375 mg/m2 Körperoberfläche behandelt. Eine
japanische Studie konnte zeigen, dass - verglichen mit einer Rituximabdosis von 500
mg/m2 Körperoberfläche - die Gabe von 200 mg/m2 ausreichend ist, um denselben
immunsupprimierenden Effekt zu erzielen und Patienten erfolgreich zu transplantie-
ren.74 Die am hiesigen Zentrum verwendete Einmaldosis von 375 mg/m2 Körperober-
fläche orientiert sich an publizierten Daten aus Europa.51,52 Daten von Opelz et al., die
im Rahmen der CTS-Studie erhoben wurden, belegen eine leicht erhöhte Infektnei-
gung innerhalb des ersten Jahres nach AB0i-LNTx. In multivariaten Analysen fand sich
jedoch kein statistischer Zusammenhang mit der Gabe von Rituximab.56
Habicht et al. beobachteten unter Verwendung desselben Protokolls (einschließlich
IVIG-Gabe) ferner eine erhöhte Rate an chirurgischen postoperativen Komplikatio-
nen71, was sich jedoch in dieser Studie nicht nachweisen lies, wiederrum unter der
Einschränkung durch eine geringe Fallzahl und kurze Nachbeobachtung. Als mögliche
chirurgische Komplikationen wurden von Wilpert et al. das verstärkte Auftreten posto-
perativer Lymphozelen und eine erhöhte Blutungsneigung bei AB0i-LNTx
beschrieben.52
Die Vergleichbarkeit der Komplikationsraten in Verbindung mit einem guten Transplan-
tationsergebnis ist ein Grund, warum die AB0-inkompatible Lebendnierentransplantati-
on weltweit zunehmend praktiziert wird. Allein am Transplantationszentrum Erlangen-
Nürnberg hat sich der Anteil dieser Transplantationen binnen weniger Jahre nahezu
verdreifacht. Bundesweit wurden bis 2014 rund 900 AB0i-LNTx durchgeführt.75
Zusammenfassend bietet die Etablierung der AB0-inkompatiblen Lebendnierentrans-
plantation in der Transplantationsmedizin vielen betroffenen Patienten die Möglichkeit,
eine längerfristige Dialysepflicht und Wartezeit auf eine postmortale Organspende zu
umgehen und sich einer Lebendnierentransplantation zu unterziehen. Gerade in Zei-
ten, in denen verstärkt kritisch über die Organspende diskutiert wird und die Spende-
bereitschaft in der Bevölkerung spürbar nachlässt, ist die AB0-inkompatible
Lebendnierentransplantation für viele Patienten eine sinnvolle Option und Alternative.
Auch wenn bis dato noch nicht genügend valide Langzeitdaten vorliegen, ergeben sich
aus heutiger medizinischer Sicht keine Bedenken zur Durchführung dieser Form der
Transplantation, insbesondere wenn man die Daten mit denen einer blutgruppenkom-
patiblen Lebendnierentransplantation vergleicht. Inwieweit sich das Verfahren weiter
durchsetzen wird, bleibt abzuwarten.
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