Chemie der Pilze - ein Thema für den Chemieunterricht? Arbeitsgruppe Chemiedidaktik Jan-Markus Teuscher, Volker Woest Kontakt: [email protected], [email protected] Mit Pilzen gefärbte Wolle und Seide Nachwuchsschwammklopfer zum Köhler- und Schwammklopferfest 2007 in Neustadt am Rennsteig. Im Thüringer Wald war die Zunderherstellung zwischen 1700 und 1900 ein wichtiger Wirtschaftszweig. Der Rennsteigverein e. V. lässt dieses Handwerk seit einigen Jahren wieder aufleben. Schwamm, Stein und Stahl – über Jahrhunderte das zum Feuermachen benötigte Besteck Zunder Mit dem Lehrstuhl für Ur- und Frühgeschichte wird derzeit ein gemeinsames Projekt „Chemie und experimentelle Archäologie“ begonnen. Ein erstes Ergebnis ist eine derzeit laufende Staatsexamensarbeit zum Thema „Prähistorische Feuergewinnung - Experimentelle Archäologie und Chemie am Beispiel“. Über Jahrhunderte war Zunder unverzichtbares Utensil des Feuermachens. Gewonnen wurde er aus dem Zunderschwamm Fomes fomentarius, einem vor allem an alten Buchen wachsenden Baumpilz. Dieser wurde „geerntet“, in Scheiben geschnitten, in salpeterhaltiger Lauge gekocht und zu dünnen, lederartigen Lappen ausgeklopft. Durch Zusammenschlagen von Feuerstein und Stahl oder Pyrit erzeugte Funken brachten den getrockneten Zunderlappen zu anhaltendem Glimmen, mit dieser Glut konnte dann z. B. das Herdfeuer entzündet werden. Zunder wurde aber auch in der Medizin als blutstillendes Mittel verwendet sowie ähnlich Wildleder zu Kleidungsstücken verarbeitet. „Alle Schwemme seind weder kreütter noch wutzelen weder blümen noch samen, sondern eittel überflüssige feüchtigkeit der erden der beume der faulen höltzer und anderer faulen dingen.“ (Hieronymus Bock 1539) Diese Auffassung ist mittlerweile überholt. Im 19. Jahrhundert wurde die Urzeugungstheorie endgültig widerlegt. Später bekamen die Pilze, zunächst noch als Unterabteilung der Pflanzen behandelt, ein eigenes Reich zugewiesen. Ihre ökologische Bedeutung als Destruenten und Mycorrhiza-Bildner hat in den Biologielehrplan Eingang gefunden. Nichtsdestotrotz lernt man in der Schule recht wenig über diese Organismengruppe. Dabei böte sie mit ihrer Vielzahl interessanter Inhaltsstoffe reichlich Gelegenheit für fächerübergreifenden, anwendungsbezogenen Unterricht. Textilfärbung mit Pilzen Pilze synthetisieren eine Vielzahl unterschiedlichster Farbstoffe wie Anthrachinone, Pulvinsäurederivate, Tannine. Diese ziehen aufgrund ihrer strukturellen Eigenschaften unter Verwendung von Beizen zumeist gut auf Wolle auf und lassen sich deshalb zum Färben von Textilien verwenden. Besonders die harten Baumpilze eignen sich mit ihren schönen, teils sehr spezifischen Farben hervorragend für die Färberei, zumal sie das ganze Jahr über relativ leicht zu finden sind und aufgrund ihrer Zähigkeit eh nicht zu Speisezwecken taugen. Durch andere Enzyme entsteht z. B. das rote Variegatorubin, ein weiterer in diesen Pilzen häufig vorkommender Farbstoff. Der Zunderschwamm Fomes fomentarius befällt vor allem altersschwache Rotbuchen, die er durch Abbau des Lignins (Weißfäule) und später auch der Cellulose schließlich zu Fall bringt. Deshalb findet man ihn nur in „unaufgeräumten“ naturnahen Wäldern wie hier im Nationalpark Hainich. Die harte Kruste des Zunderschwamms enthält den roten Farbstoff Fomentariol, der sich in Kalilauge löst. Anhand dieser Farbreaktion kann man den Zunderschwamm von anderen, ähnlichen Baumpilzen sicher unterscheiden. Xanthoprotein- und Ninhydrinreaktion an Stadtchampignon Agaricus bitorquis OH O OH O H O H O H OH Pilze als Proteinlieferanten Bekannt ist der hohe Eiweißgehalt vieler Speisepilze. In der Tat beträgt er je nach Art bis zu 50 % in der Trockenmasse. Das Protein lässt sich mit der bekannten Xanthoproteinreaktion nachweisen. Auch die Reaktion mit Ninhydrin fällt deutlich positiv aus. Dabei ist allerdings zu beachten, dass auch die Aminogruppen des Chitins mit Ninhydrin reagieren. Die Zellwände von Pilzen bestehen – im Unterschied zu Pflanzen – überwiegend aus Chitin, einem Polymer aus β-1,4-glycosidisch verbundenen N-Acetyl-D- Glucosamin-Einheiten, das sich als Cellulosederivat auffassen lässt. O H NH H H H H O O H O OH O H NH H H H H O O H OH O H NH H H H H OH O H OH O H NH H H H H O H O H OH O C H 3 O C H 3 O C H 3 O C H 3 n COOH O H OH OH OH O O COO- O OH O OH COO- O 2 , Oxidase O H OH OH OH O O O O Variegatsäure Variegatorubin Einige Röhrlinge wie dieser Netzstielige Hexenröhrling Boletus luridus verfärben sich beim Anschneiden blau. Dabei werden Variegatsäure und ähnliche Verbindungen, die für die gelben Farbtöne vieler dieser Pilze verantwortlich sind, enzymatisch zu Methylenchinonen oxidiert. Der entstehende blaue Farbstoff löst sich sehr gut in Wasser, ist allerdings leider nicht stabil, sondern verblasst innerhalb weniger Minuten wieder.