6. Zusammenfassende Diskussion 269 6 Zusammenfassende Diskussion Im Folgenden wird für die Vielzahl der berichteten Ergebnisse eine zusammen- fassende Diskussion vorgenommen. Dabei wird zunächst auf die Stichproben, die Skalenanalyse und die Testgüte der Untersuchung Bezug genommen. An- schließend werden die einzelnen Ergebnisse der in Kapitel 3 aufgeworfenen Fragestellungen diskutiert, um zu ermitteln, ob die Fragen zufriedenstellend beantwortet werden konnten. Des Weiteren soll geklärt werden, inwiefern die Ergebnisse mit den derzeitig vorliegenden Befunden anderer empirischer Unter- suchungen übereinstimmen und welche Erkenntnisse die Grundlage für eine neue Theorie bzw. für ein neues methodisches Vorgehen bilden könnten. Ab- schließend werden die Einschränkungen dieser Studie, eine Zusammenfassung und einige abschließende Bemerkungen dargelegt. 6.1 Stichproben In der vorliegenden Arbeit wurden insgesamt zwei Erhebungen, zum einen mit dem Situationsfragebogen zur Erfassung der Einflusstaktiken (SEE) und zum anderen mit dem Situationsfragebogen zur Erfassung der Präferenzordnung der Auszahlungen (SEP) durchgeführt. In diesem Abschnitt sollen die Stichproben- merkmale beider Teilstudien erörtert werden, um Aussagen über die interne Va- lidität der Untersuchungen abzuleiten. SEE-Stichprobe Mit dem SEE wurden insgesamt 370 zwischen 18 und 68 Jahre alte Upn. be- fragt. Das Durchschnittsalter betrug 31 Jahre, wobei die Männer gegenüber den Frauen geringfügig überrepräsentiert waren. Das Durchschnittsalter anderer em- pirischer Untersuchungen lag zwischen 27 (vgl. Blickle, 1996, S. 151) und 44 (vgl. Vigoda & Cohen, 2002, S. 316) Jahre. Im Gegensatz zu dieser Unter- suchung sind bei vielen anderen Untersuchungen die männlichen Upn. deutlich
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6. Zusammenfassende Diskussion
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6 Zusammenfassende Diskussion
Im Folgenden wird für die Vielzahl der berichteten Ergebnisse eine zusammen-
fassende Diskussion vorgenommen. Dabei wird zunächst auf die Stichproben,
die Skalenanalyse und die Testgüte der Untersuchung Bezug genommen. An-
schließend werden die einzelnen Ergebnisse der in Kapitel 3 aufgeworfenen
Fragestellungen diskutiert, um zu ermitteln, ob die Fragen zufriedenstellend
beantwortet werden konnten. Des Weiteren soll geklärt werden, inwiefern die
Ergebnisse mit den derzeitig vorliegenden Befunden anderer empirischer Unter-
suchungen übereinstimmen und welche Erkenntnisse die Grundlage für eine
neue Theorie bzw. für ein neues methodisches Vorgehen bilden könnten. Ab-
schließend werden die Einschränkungen dieser Studie, eine Zusammenfassung
und einige abschließende Bemerkungen dargelegt.
6.1 Stichproben
In der vorliegenden Arbeit wurden insgesamt zwei Erhebungen, zum einen mit
dem Situationsfragebogen zur Erfassung der Einflusstaktiken (SEE) und zum
anderen mit dem Situationsfragebogen zur Erfassung der Präferenzordnung der
Auszahlungen (SEP) durchgeführt. In diesem Abschnitt sollen die Stichproben-
merkmale beider Teilstudien erörtert werden, um Aussagen über die interne Va-
lidität der Untersuchungen abzuleiten.
SEE-Stichprobe
Mit dem SEE wurden insgesamt 370 zwischen 18 und 68 Jahre alte Upn. be-
fragt. Das Durchschnittsalter betrug 31 Jahre, wobei die Männer gegenüber den
Frauen geringfügig überrepräsentiert waren. Das Durchschnittsalter anderer em-
pirischer Untersuchungen lag zwischen 27 (vgl. Blickle, 1996, S. 151) und 44
(vgl. Vigoda & Cohen, 2002, S. 316) Jahre. Im Gegensatz zu dieser Unter-
suchung sind bei vielen anderen Untersuchungen die männlichen Upn. deutlich
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überrepräsentiert (vgl. u. a. Blickle, 2003a, S. 8; Blickle 2003b, S. 43; Blickle,
1996, S. 151; Blickle 1995, S. 252; Kipnis, Schmidt & Wilkinson, 1980, S. 441).
In der vorliegenden Untersuchung mit dem SEE besaßen mehr als die Hälfte der
Upn. eine Hochschulreife. Das hohe Bildungsniveau ist allerdings sehr häufig in
Untersuchungen zur Erfassung von Einflusstaktiken zu beobachten (vgl. u. a.
Blickle, 2003a, S. 8; Blickle, 2003c, S. 653).
Bei der vorliegenden Untersuchung wurden außerdem Upn. aus allen beruf-
lichen Stellungen mit oder ohne Führungsverantwortung befragt. Die Führungs-
verantwortung und die beruflichen Stellung wurden in anderen Untersuchungen
i. d. R. nicht erfasst und berichtet. Viele Studien gaben lediglich an, dass es sich
bei den Upn. um Mitarbeiter unterschiedlicher Unternehmen (vgl. u. a. Steen-
sma, Jansen & Vonk, 2003, S. 50; Farmer, Maslyn, Fedor & Goodman, 1997, S.
27; Rao, Schmidt & Murray, 1995, S. 155) oder Studierende (vgl. u. a. Knip-
und „Druck ausüben“ heran (s. Kap. 2.2.2.1), als niedrig machtmotivierte
Frauen. Darüber hinaus ist der Effekt, dass hoch Machtmotivierte häufiger
Einfluss auf andere ausüben als niedrig Machtmotivierte bei Frauen bedeutend
größer als bei Männern.
Hoch machtmotivierte und somit karriereorientierte (vgl. Nerdinger; Blickle &
Schaper, 2008, S. 78) Frauen verhalten sich entspechend der männlichen
Geschlechtsrollen-Erwartung. Dieses Ergebnis steht auch im Einklang mit einer
Studie der German Consulting Group (2005), aus welcher hervorging, dass
Frauen nur unter der Bedingung, dass sie sich wie Männer verhalten, Karriere
machen können.
Die situative Einflussvariable „Spieltyp“ übt im Gegensatz zur personenbe-
zogenen Einflussvariablen „Geschlecht“ offenbar keinen Einfluss auf die Vor-
hersage des Einsatzes der fünf Einflusstaktiken durch die beiden Motive aus.
Die Regressionskoeffizienten zwischen den Motiven und den Einflusstaktiken
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waren bei beiden Spieltypen annähernd gleich ausgeprägt. Somit kann davon
ausgegangen werden, dass unabhängig von der Situation (Spieltyp) sowohl das
Macht- als auch das Anschlussmotiv den schon von Blickle, Hepperle (1999),
Heckhausen (1989), Schnackers und Kleinbeck (1975) berichteten Einfluss auf
die jeweiligen Einflusstaktiken ausübten.
6.4.5 Spieltheoretische Hypothesen
In der vorliegenden Arbeit wurde aufbauend auf dem Situationsfragebogen zur
Erfassung von Einflusstaktiken (SEE), in welchem unterschiedliche spieltheore-
tisch fundierte Situationsbeschreibungen dargestellt werden, ein Situations-
fragebogen zur Erfassung der Präferenzordnung (SEP) entwickelt. Die Präfe-
renzordnung der Spieler gibt Auskunft über die Rangordnung der Auszahlungen
eines spezifischen Spiels, welche sich aus den Handlungsalternativen (koop-
erativ versus nicht kooperativ handeln) der Spieler A und B ergibt (s. Kap.
2.3.2.1).
In der vorliegenden Arbeit wurden zwei spezifische Spiele und zwar die beiden
Spieltypen „Gefangenendilemma“ und „Konvergenzspiel“ als unabhängige Va-
riablen bei den Hypothesen H1 und H2 herangezogen (s. Kap. 3.1). Der SEP
wurde entworfen, um zu untersuchen, ob die Upn. in der Lage sind, eine intra-
organisationale Gefangenendilemma- oder Konvergenzspielsituation im Bezug
auf die Auszahlungen des Spiels so einzuschätzen, wie es die Spieltheorie vor-
gibt bzw. annimmt und somit die wahrgenommene mit der spieltheoretischen
Rangordnung der Auszahlungen (s. Kap. 2.3.4) übereinstimmt. Das Erhebungs-
instrument „SEE“ würde, wenn die Rangordnung der Auszahlungen des Spiels
frei variiert, nicht das messen, was es messen soll und zwar die Wahl von Ein-
flusstaktiken innerhalb einer bestimmten spieltheoretisch fundierten Situation.
6. Zusammenfassende Diskussion
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Neben der Bestimmung der Rangordnung der Auszahlungen können auch wei-
tere Eigenschaften eines spezifischen Spiels analysiert werden. In der Spieltheo-
rie werden unterschiedliche Spiele im Hinblick auf die dominante Strategie (ko-
operativ versus nicht kooperativ handeln), die Maximin-Strategie und das Nash-
Gleichgewicht analysiert (s. Kap. 2. 3.3). Insgesamt wurden acht spieltheore-
tische Hypothesen (H13 bis H20) aufgestellt (s. Kap. 3.4).
Die Ergebnisse (s. Kap. 5.2.3) zeigten, dass sowohl die Rangordnung der
Auszahlungen als auch alle weiteren Eigenschaften beim Konvergenzspiel im
Sinne der Hypothesen H14 und H18 bis H20 bestätigt werden konnten. Somit kann
davon ausgegangen werden, dass die Upn. die im SEE vorgegebenen intraorga-
nisationalen Konvergenzspiel-Situationen (s. Situationsbeschreibung 1 und 3,
Anhang B und C) auch als Konvergenzspiele wahrgenommen haben.
Bei den intraorganisationalen Gefangenendilemma-Situationen konnten aller-
dings nicht alle Hypothesen bestätigt werden. Es zeigte sich, dass sich entgegen
der Hypothese H13 und H17 die Rangordnung der Auszahlungen des Spiels
änderte und sich im Nash-Gleichgewicht eine pareto-optimale Lösung befand (s.
Kap. 5.2.3). Was dies für eine konkrete Situation bedeutet und was der Grund
dafür sein könnte, soll im Folgenden anhand der Situationsbeschreibung 2 des
SEP, welche die Form eines intraorganisationalen Gefangenendilemmas annim-
mt und der Situationsbeschreibung 8 des SEE entspricht, diskutiert werden.
Situationsbeschreibung 2 des SEP (s. Anhang D): Stellen Sie sich vor, dass in
naher Zukunft eine Fortbildung angeboten werden soll, die die Qualifikation und
somit die Aufstiegschancen erhöht. Sie und Ihr rivalisierender Kollege können
sich für diese Fortbildung anmelden. Die Anmeldung ist freiwillig und es kann
nur ein Mitarbeiter an der Fortbildung teilnehmen. Sie und Ihr Kollege sollen
sich via Mail für oder gegen die Teilnahme an der Fortbildung entscheiden. Aus
dieser Sachlage heraus können sich vier Reaktionssituationen A bis D ergeben
(s. Tab. 6.1).
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Die Auszahlungen (s. Kap. 2.3.2.1) der vier Reaktionssituationen, welche sich
an die (Erwartungs-)Nutzentheorie (s. Kap. 2.3.3) anlehnen, werden in einer
typischen Gefangenendilemma-Situation gemäß der in Kapitel 2.3.4.1 und
4.1.1.1 vorgegebenen Rangordnung festgelegt. Demnach würde sich für die
Situationsbeschreibung 2 des SEP die in Tabelle 6.1 vorgestellte spieltheore-
tische Rangordnung der vier Auszahlungen, welche in der Situationsbeschrei-
bung 8 des SEE auf dem ordinalen Niveau (beste bis schlechteste Auszahlung)
vorgegeben wurde (s. Anhang B und C), ergeben.
Tabelle 6.1: Spieltheoretische Rangordnung der Auszahlungen der Situationsbe-
schreibung 2 des SEP
Reaktions-situation
Beschreibung der Reaktionssituationen der Situationsbeschreibung 2 des SEP
SpieltheoretischeRangordnung der
Auszahlungen
A Nur Sie entscheiden sich für die Fortbildung und können auch an dieser teilnehmen und die daraus resultierenden Vorteile realisie-ren. Ihr Kollege wird darüber aber verärgert sein.
beste Auszahlung (temptation)
B Nur Ihr Kollege entscheidet sich für die Fortbildung - daraus ergibt sich die umge-kehrte Konsequenz.
schlechtesteAuszahlung (sucker`s
payoff)
C Keiner von Ihnen entscheidet sich für die Teilnahme an der Fortbildung, diese wird im Unternehmen nicht durchgeführt.
zweitbeste Auszahlung (reward)
D Sie beide entscheiden sich für die Fortbil-dung. Es wird durch Zufall entschieden, wer daran teilnehmen darf. Das bedeutet, dass Sie bzw. Ihr Kollege zwar verärgert darüber sein wird, wenn der andere zur Fortbildung geschickt wird, aber dennoch eine Chance besteht, dass man selbst an der Fortbildung teilnehmen kann.
drittbeste Auszahlung (punishment)
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In Anlehnung an die Spieltheorie sollte demnach die Auszahlung höher sein,
wenn sich beide Akteure A und B nicht zur Fortbildung anmelden und somit
kooperativ handeln (Reaktionssituation C), als wenn sie dies täten (Reaktions-
situation D). Dieses für die Akteure A und B kooperative Spielergebnis (s. Tab.
6.1, Reaktionssituation C) ist allerdings nicht im Interesse der Organisation, da
sie keine potentiellen Teilnehmer für die Fortbildung hätte. Für die Organisation
ist es in jedem Fall besser, wenn sich beide Akteure für die Fortbildung ent-
scheiden, denn dann könnte die Organisation wählen, wer für die bevorstehende
Fortbildung in Frage käme. Die Interessen der Organisation stehen somit nicht
mit den Interessen der Organisationsmitglieder im Einklang.
In Anlehnung an Simon (1981, S. 219 ff.) sollten derartige Interessenunter-
schiede zur Sicherung des Organisationsbestehens ausgeglichen oder zumindest
gemindert werden. Die Organisation müsste ihre Mitglieder motivieren, dass sie
organisatorisch und nicht persönlich rational handeln (s. Kap. 2.1.1.1). Die nicht
kooperative Handlung „sich für die Fortbildung entscheiden“ ist im intraorgani-
sationalen Gefangenendilemma für die Spieler in jedem Falle organisatorisch
rational, da wie eben geschildert die nicht kooperative Handlung im Einklang
mit den Interessen der Organisation steht.
In Kapitel 2.1.1.2 und 2.3.1.2 wurde bereits deutlich, dass die Organisation
bestimmte Einflussmöglichkeiten besitzt, um ihre Interessen gegenüber ihren
Mitgliedern durchsetzten zu können. Dieser Einfluss würde sich in den Aus-
zahlungen des Spiels widerspiegeln und ist auch in der Situationsbeschreibung 2
des SEP vorzufinden (s. Kap. 5.2.3). Es zeigte sich, dass die Upn. die Reaktions-
situation D (beide Kollegen entscheiden sich für die Fortbildung) der Reaktions-
situation C (keiner von beiden Kollegen entscheidet sich für die Fortbildung)
vorgezogen haben. Hierdurch konnte wiederum eine pareto-optimale Nash-
Gleichgewichtslösung (s. Kap. 2.3.4.1) ermittelt werden, wenn sich beide
Kollegen für die Fortbildung entscheiden.
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Die Veränderung der spieltheoretischen Rangordnung der Auszahlungen des
Spiels (die Reaktionssituation D wurde der Reaktionssituation C vorgezogen)
konnte auch bei der zweiten im SEP enthaltenen intraorganisationalen Gefan-
genendilemma-Situation festgestellt werden (s. Situationsbeschreibung 4, An-
hang D). Bei der Situationsbeschreibung 4 des SEP, welche der Situations-
beschreibung 6 des SEE entspricht (s. Anhang B und C), ging es um eine
Zusammenlegung von zwei Abteilungen, wobei sich die jeweiligen beiden
Abteilungsleiter für oder gegen eine Zusammenlegung entscheiden konnten (s.
Situationsbeschreibung 4, Anhang D). Falls sich ein Abteilungsleiter für die
Zusammenlegung entscheidet, handelt er nicht kooperativ, da der andere Abtei-
lungsleiter seine Abteilung und somit seinen Entscheidungsspielraum verlieren
würde. Die Organisation ist allerdings an der Zusammenlegung interessiert.
Die Ergebnisse zeigten, dass die Upn. die Reaktionssituationen im Interesse der
Organisation und somit organisatorisch rational (s. Kap. 2.1.1.1) einschätzten.
Die Reaktionssituation D (beide Abteilungsleiter entscheiden sich für die
Zusammenlegung der Abteilungen) wurde der Reaktionssituation C (keiner der
beiden Abteilungsleiter entscheidet sich für die Zusammenlegung der Abtei-
lungen) vorgezogen. Somit konnte auch bei der Situationsbeschreibung 4 des
SEP eine pareto-optimale Nash-Gleichgewichtslösung (s. Kap. 2.3.4.1) bei der
Reaktionssituation D (beide Abteilungsleiter entscheiden sich für die Zusam-
menlegung der Abteilungen) ermittelt werden. Die Rangordnung der Auszah-
lungen des Spiels wich somit von der spieltheoretischen Rangordnung ab. Durch
den Einfluss der Organisation entstand eine spezielle Lösung eines intraorgani-
sationalen Gefangenendilemmas.
In der Literatur wurde bereits der Einfluss einer dritten Partei bei einem Gefan-
genendilemma durch die so genannte Mafialösung eines Gefangenendilemmas
beschrieben (vgl. Holler & Illing, 2006, S. 190 f.). Die Mafia sorgt durch
verbindliche Abmachungen dafür, dass die Gefangenen in einer typischen
Gefangenendilemma-Situation (s. Kap. 2.3.4.1) stets schweigen und somit
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kooperativ handeln. Im Gegensatz zur Mafia, welche daran interessiert ist, dass
die am Spiel beteiligten Akteure (Gefangenen) kooperativ handeln, ist die
Organisation daran interessiert, dass die Akteure in einem Gefangenendilemma
nicht kooperativ handeln. In diesem Fall trägt die nicht kooperative Handlung
(sich für die Fortbildung bzw. Zusammenlegung der Abteilungen entscheiden)
zur Sicherung des Fortbestehens der Organisation bei und ist somit organisa-
torisch rational. Die beteiligten Akteure kooperieren somit mit der Organisation.
Zusammenfassend kann man festhalten, dass eine dritte Partei Einfluss auf die
Auszahlungen eines Spiels ausüben kann. Als außenstehende Partei kann jede
beliebige Person, Organisation oder sonstige Interessenvertretung auftreten, die
über genügend Macht verfügt, um die Höhe der Auszahlungen des Spiels zu
beeinflussen. In einem Unternehmen können beispielsweise Vorgesetzte (s. Kap.
2.3.1.2) als außenstehende Partei auftreten. Diese Partei ist allerdings in einem
Spiel nicht als Spieler beteiligt, ihr Einfluss spiegelt sich alleine in den Aus-
zahlungen des Spiels wider (vgl. Holler & Illing, 2006, S. 19 f.). Für die Spieler,
die unter dem Einfluss dieser Partei stehen, verändern sich die Höhe der Aus-
zahlungen und unter Umständen auch die Rangordnung der Auszahlungen des
Spiels.
6.5 Einschränkungen dieser Studie
In der vorliegenden Untersuchung wurde ein Situationsfragebogen mit acht
Situationsbeschreibungen konzipiert, um die Wahl von neun unterschiedlichen
Einflusstaktiken in Organisationen unter Berücksichtigung situativer Faktoren
zu untersuchen. Durch die Berücksichtigung von spieltheoretischen Annahmen
bei der Ausgestaltung der Untersuchungsmethodik ergeben sich für die vor-
liegende Untersuchung einige Einschränkungen. Ortmann (1988) argumentierte
diesbezüglich, dass die Spieltheorie für die Analyse von sozialwissenschaft-
lichen Fragestellungen „von vielen als begrenzt angesehen wird“ (ebd., S. 21).
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Im Folgenden werden die sieben bedeutendsten Einschränkungen dieser Unter-
suchung vorgestellt.
(1) In der vorliegenden Untersuchung wurden jeweils vier Gefangenendilem-
mata und Konvergenzspiele zur Beschreibung der Situation herangezogen (s.
Kap. 4.1.1.1). In Organisationen können allerdings auch viele andere Spieltypen
vorzufinden sein. Es könnten z. B. Nullsummenspiele existieren, bei denen der
Verlust des einen Spielers der Gewinn des anderen ist. Die vorliegende Unter-
suchung beschränkt sich allerdings nur auf zwei Spieltypen, welche als die
bedeutendsten in Organisationen vorzufindenden Nicht-Nullsummen-Spiele an-
gesehen werden können.
(2) Weiterhin beschäftigt sich die vorliegende Arbeit ausschließlich mit sta-
tischen Spielen, womit die Spielzeit immer nur einen einzigen Moment aus-
macht. Verfügt allerdings ein Spiel über mehrere Züge und/oder ist die Reihen-
folge der Züge für den Beobachter von Bedeutung, so kann ein Spiel nicht mehr
in der statischen Normalform dargestellt werden (s. hierzu auch Kap. 2.3.2.1).
Die Analyse statischer Spiele könnte durch die Untersuchung dynamischer
Spiele erweitert werden. Die dynamische Darstellung von Spielen spielt insbe-
sondere in Organisationen eine bedeutende Rolle, da die Mitglieder einer
Organisation nicht nur einmalig sondern ständig miteinander interagieren.
(3) Bei den in dieser Untersuchung herangezogenen Spielen handelt es sich
ausschließlich um Zwei-Personenspiele. Es ist allerdings denkbar, dass in Orga-
nisationen Spiele mit mehr als zwei Personen existieren. Beispielsweise könnte
die Organisation als ein weiterer Akteur auftreten. In der vorliegenden Unter-
suchung wurde lediglich der Einfluss der Organisation, welcher sich in den Aus-
zahlungen des Spiels widerspiegelt, als eine mögliche Erklärung für die Ent-
stehung einer speziellen Lösung eines intraorganisationalen Gefangenendilem-
mas berücksichtigt (s. Kap. 6.4.5).
6. Zusammenfassende Diskussion
303
(4) Die im Erhebungsinstrument der vorliegenden Arbeit enthaltenen Situations-
Die aus der vorliegenden Arbeit resultierenden Erkenntnisse könnten in der
Praxis in speziellen Kommunikations- und Führungstrainings innerhalb eines
Unternehmens thematisiert werden. Hierdurch könnten die Führungskräfte sen-
sibilisiert werden, wie und warum sich die Mitarbeiter oder Geschäftspartner
unter bestimmten persönlichen und situativen Voraussetzungen bzw. Bedin-
6. Zusammenfassende Diskussion
312
gungen verhalten. Des Weiteren könnten Führungskräfte die Erkenntnisse nut-
zen, um das Handeln (kooperatives vs. nicht kooperatives Handeln) aber auch
das Einflussverhalten, welches durch bestimmte Einflusstaktiken bzw. -strate-
gien geprägt ist, im Sinne der Organisation zu steuern. Hierzu könnten die
Führungskräfte verbindliche Regeln (s. Kap. 2.3.1.2) einführen, welche die
Bedingungen der (Spiel-)Situation determinieren und somit die Auszahlungen
des Spiels (s. Kap. 2.3.2.1) festlegen.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die vorliegende Arbeit einen innova-
tiven Beitrag zur Untersuchung von mikropolitischen Verhaltensweisen in Orga-
nisationen unter Verwendung mikropolitischer und spieltheoretischer Konzepte
leistet. Im Theorieteil wurden zunächst unterschiedliche Ansätze vorgestellt,
welche sich mit Macht und Einfluss in Organisationen auseinandersetzen. In
Anlehnung an die Theorie (s. Kap 2.2.1) wird Einfluss als die Realisation von
Macht und die Einflusstaktiken, welche in der vorliegenden Arbeit explizit
untersucht wurden, als die Art und Weise des Einflusses verstanden. Die
unterschiedlichen Einflusstaktiken lassen sich wiederum in unterschiedliche
Basisstrategien unterteilen (s. Kap. 2.2.2.2), wobei die vorliegende Arbeit
zwischen der harten und weichen Einflussstrategie unterscheidet.
Es wurde weiterhin deutlich, dass mikropolitische Verhaltensweisen (Einsatz
von Einflusstaktiken bzw. -strategien) sowohl durch persönliche als auch durch
situative Faktoren beeinflusst werden. Um die situativen Faktoren, welche in
vergangenen Forschungsarbeiten häufig sehr wenig untersucht wurden, hin-
reichend präzise zu berücksichtigen, wurde die Spieltheorie herangezogen (s.
Kap. 2.3.2 bis 2.3.4). Durch die Verwendung spieltheoretischer Konzepte war es
möglich, bestimmte Situationsbedingungen in Form von Situationsbeschrei-
bungen zu formalisieren. Mithilfe eines Situationsfragebogens (SEE) wurden
acht solcher Situationsbeschreibungen konzipiert und den Upn. vorgelegt. Um
zu überprüfen, ob die Upn. tatsächlich die jeweiligen Situationsbeschreibungen
in Bezug auf die Auszahlungen des Spiels (s. Kap. 2.3.2.1) so wahrnehmen, wie
6. Zusammenfassende Diskussion
313
es die Spieltheorie vorgibt, wurde ein weiterer innovativer Situationsfragebogen
(SEP) entwickelt. Die Verwendung der Situationsfragebogentechnik mithilfe der
Spieltheorie könnte in zukünftigen Forschungsarbeiten einen weiteren Beitrag
zur Untersuchung von mikropolitischen Verhaltensweisen unter Berücksichti-
gung situativer Faktoren leisten. Dabei könnten die in Abschnitt 6.5 berichteten
Einschränkungen dieser Studie dazu dienen, die Untersuchung der Wahl von
Einflusstaktiken z. B. in Bezug auf die Einflussrichtung (vertikal) oder die
Betrachtung dynamischer Spiele, zu erweitern.
7. Literaturverzeichnis
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7 Literaturverzeichnis
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