4. Komplexe 4.7. Komplexe in wässriger Lösung 4.7.2. Stufenweise Komplexbildung Der schrittweise Austauschprozess der Wassermoleküle in einem Aquakomplex [M z+ (aq)] mit einem neutralen (oder geladenen) Liganden L (oder X y– ) heisst stufenweise Komplexbildung. Er führt zur Bildung von Komplexen des Typs [ML n (OH 2 ) 6-n ] z+ (oder [MX n (OH 2 ) 6-n ] (z-ny)+ ) ausgehend von [M(OH 2 ) 6 ] z+ und den Liganden L (oder X y– ). Dabei handelt es sich um Ligandensubstitutions-Gleichgewichte. 17 Cd 2+ (aq) + Br – CdBr + (aq) K 1 = 37 CdBr + (aq) + Br – CdBr 2 (aq) K 2 = 3.4 CdBr 2 (aq) + Br – CdBr 3 – (aq) K 3 = 3.1 CdBr 3 – (aq) + Br – CdBr 4 2– (aq) K 4 = 1.0 Beispiel: Man betrachte die Bildung von Bromokomplexen des Cd 2+ -Ions in einer KBr-Lösung. Folgende Gleichgewichte stellen sich ein: Gesucht sind die Gleichgewichtskonzentrationen der verschiedenen Komplexe in Abhängigkeit von den totalen Konzentrationen des Metallions und des Liganden. Wie verteilt sich das Metallion auf die verschiedene Komplexe? Siehe: Housecroft & Constable, Chemistry, 4 th Ed., Ch. 23.7, p. 849.
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4. Komplexe - n.ethz.chn.ethz.ch/~nielssi/download/1. Semester/Allgemeine... · Der Chelateffekt [Ni(OH2)6]2+ + n NH3 [Ni(OH2)6-n(NH3)n]2+ [Ni(OH2)6]2+ + n en [Ni(OH2)6-2n(en)n]2+
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4. Komplexe 4.7. Komplexe in wässriger Lösung4.7.2. Stufenweise Komplexbildung
Der schrittweise Austauschprozess der Wassermoleküle in einem Aquakomplex [Mz+(aq)] mit einem neutralen (oder geladenen) Liganden L (oder Xy–) heisst stufenweise Komplexbildung. Er führt zur Bildung von Komplexen des Typs [MLn(OH2)6-n]z+ (oder [MXn(OH2)6-n](z-ny)+) ausgehend von [M(OH2)6]z+ und den Liganden L (oder Xy–).
Dabei handelt es sich um Ligandensubstitutions-Gleichgewichte.
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Cd2+(aq) + Br– CdBr+(aq) K1 = 37
CdBr+(aq) + Br– CdBr2(aq) K2 = 3.4
CdBr2(aq) + Br– CdBr3–(aq) K3 = 3.1
CdBr3–(aq) + Br– CdBr4
2–(aq) K4 = 1.0
Beispiel: Man betrachte die Bildung von Bromokomplexen des Cd2+-Ions in einer KBr-Lösung.
Folgende Gleichgewichte stellen sich ein:
Gesucht sind die Gleichgewichtskonzentrationen der verschiedenen Komplexe in Abhängigkeit von den totalen Konzentrationen des Metallions und des Liganden. Wie verteilt sich das Metallion auf die verschiedene Komplexe?
Es zeigt sich, dass Bruttostabilitätskonstanten (β) zur Berechnung der Gleichgewichtskonzentrationen besser geeignet sind als die individuellen Konstanten K1,....,K4.
Sechs nichtlineare Gleichungen für sechs Unbekannte ([Cd2+], [CdBrn(2–n)+] mit n = 1 bis 4
und [Br–]), lösbares System aber kompliziert.
⇒ [CdBrn(2−n)+ ] = βn[Cd2+][Br– ]n
Das System vereinfacht sich falls der Ligand Br– im Überschuss vorliegt, was auch der Festlegung von experimentellen Bedingungen entspricht:
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Dann ergibt sich:
Verteilungskoeffizient
Falls nun [Br]tot und [Cd]tot bekannt sind, können durch Einsetzen in Gleichungen (1) – (5) die Konzentrationen der einzelnen Spezies berechnet werden. Sei [Br]tot = 1 M und [Cd]tot = 0.01 M, dann ergeben sich mit [Br–] ≈ [Br]tot:
Die totale Metallkonzentration kann eingestellt werden und ist bekannt.Das gilt auch für den Liganden, der in der Regel in grossem Überschuss vorliegt.Relevante Komplexe werden nur mit dem Liganden gebildet.Keine oder geringe pH-Abhängigkeit, ausser bei hohen pH-Werten (Bildung von Metallhydroxiden).
4.7.3. Stufenweise Komplexbildung mit basischen Liganden
Es gibt Liganden, welche auch basisch und somit protonierbar sind, z. B. NH3. Bei entsprechenden Komplexbildungsreaktionen gilt die Protonierung des Liganden als Konkurrenzreaktion und die Komplexbildung wird somit pH-abhängig.
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HL+ L MLnz+ KomplexbildungsreaktionenProtonierung
Komplexbildungsreaktionen (allgemein, in Kurzform formuliert):
ML5 bildet sich erst bei sehr hohen NH3-Konzentrationen und ML6 bildet sich nicht.
Das System ist lösbar, Vereinfachungen sind aber gesucht. Man arbeitet meistens mit einem Überschuss L und im Puffergebiet von L, d.h. bei einem bekannten pH.Somit ergibt sich:
Anhand dieser Gleichungen / Rechnungen können nun die Konzentrationen der einzelnen Spezies ermittelt und graphisch in Verteilungsdiagrammen dargestellt werden.
Praktisch-methodische Überlegungen:
Die totale Metallkonzentration kann eingestellt werden und ist bekannt.Das gilt auch für den Liganden, der in der Regel in grossem Überschuss vorliegt.Relevante Komplexe werden nur mit dem Liganden gebildet.Grosse pH-Abhängigkeit, der pH muss in der Regel mit einem Puffer eingestellt werden.
Aus [M]tot = [M]⋅ 1+ βn[L]n
n=1
N
∑ ⎫⎬⎭
= [M]⋅α L ⎧⎨⎪
⎩⎪
folgt [M] = [M]tot
α L
und aus [MLn ] = βn ⋅[M]⋅[L]n
folgt [MLn ] = [M]tot
α L⋅βn ⋅[L]n
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1) Verteilungsdiagramm der Cu(+II)-Amminkomplexe:Inertelektrolyt NH4NO3, Ionenstärke I = 2.0, 18°C(p[NH3] = –log [NH3], A = NH3)
Quelle: W. Schneider, Einführung in die Koordinationschemie, Springer, Berlin, 1968, S. 56.
2) Verteilungsdiagramm der Cd(+II)-Chlorokomplexe:Ionenstärke I = 3.0, 25°C
Quelle: J.M. Butler, D.R. Cogley, Ionic Equilibrium, Wiley, New York, 1998, S. 243.
Beispiele von Verteilungsdiagrammen
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3) Verteilungsdiagramme einiger Metallamminkomplexe (Existenzbereiche):Inertelektrolyt NH4NO3, Ionenstärke und T, wie angegeben(p[NH3] = –log [NH3], A = NH3)
Interpretation:Cu+ und Ag+ bilden nur ML- und ML2-Komplexe.Hg2+ und Zn2+ bilden MLn- Komplexe mit n bis 4.Cu2+ bildet ML5 erst bei sehr hohen NH3-Konzentrationen.ML6-Komplexe werden von Mg2+, Co2+ und Ni2+ erst bei sehr hohen NH3-Konzentrationen gebildet.Co3+ bildet die stabilsten ML6-Komplexe, vollständige Überführung zu ML6 bereits bei [NH3] ≈ 10–3 M.
Quelle: W. Schneider, Einführung in die Koordinationschemie, Springer, Berlin, 1968, S. 56.
4. Komplexe 4.7. Komplexe in wässriger Lösung
4.7.4. Löslichkeit und Komplexbildung
Bei schwerlöslichen Metallsalzen kann die Konzentration der Mz+(aq)-Ionen im Gleichgewicht mit dem festen Salz MXn(s) sehr gering sein. In solchen Fällen kann eine Komplexbildung die Löslichkeit(1) signifikant beeinflussen und somit bewirken, dass sich der Anteil an Metallionen in Lösung in Form von Komplexen drastisch erhöht.
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(1) CRC Handbook of Chemistry and Physics, 92th Ed., Aqueous Solubility of Inorganic Compounds at Various Temperatures(2) CRC Handbook of Chemistry and Physics, 92th Ed., Solubility Product ConstantsKSO: SO steht für "solubility"; SP, für "solubility product" wird auch verwendet.
Das Löslichkeitsprodukt
Man betrachte Silberchlorid (AgCl) als Beispiel für ein schwerlösliches Salz. Ausgehend von festem AgCl(s) kann ein Gleichgewicht für den Lösevorgang formuliert werden:
KSO ist das sogenannte Löslichkeitsprodukt für AgCl, ist eine Gleichgewichtskonstante und verknüpft die maximal erreichbare Konzentration der entsprechenden Ionen in Lösung im Gleichgewicht mit dem Festkörper. Aus der Stöchiometrie des Lösevorgangs und aus KSO ergibt sich beim Lösen von AgCl in Wasser:
Falls AgCl in 1 M KCl gelöst wird ([Cl–(aq)] = 1 M), ergibt sich aus dem KSO [Ag+(aq)] = 10–10 M. Eine Messung zeigt aber, dass die totale Konzentration von gelösten Ag+-Spezies ca. 10–4 beträgt.Grund: Die hohe Cl–-Konzentration führt zur Bildung von löslichen Silberchloro-Komplexen.
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Aus dem Erhaltungssatz und dem Löslichkeitsprodukt erhält man:
[Ag]tot,gelöst = [Ag+]⋅α L und [Ag+] = KSO
[Cl– ] ⇒ [Ag]tot,gelöst =
KSO
[Cl– ]⋅α L
und durch Einsetzen in die Gleichgewichtsbedingungen lassen sich die Konzentrationen der einzelnen Komplexe als Funktion von KSO, βn und [Cl–] berechnen. Diese Situation ist von besonderer Bedeutung, falls Cl– im Überschuss vorliegt ([Cl–] >> [Ag]tot,gelöst)
Aus diesen Beziehungen ergeben sich z. B. doppelt logarithmische Verteilungsdiagramme (vgl. Sillén-Diagramme bei Säuren und Basen), die zur Beurteilung der Existenzbereiche der einzelnen Spezies herangezogen werden können.
Praktisch-methodische Überlegungen:
Die totale Metallkonzentration ist nicht a-priori bekannt, Metallionen werden erst aus dem schwerlöslichen Salz durch Komplexbildung herausgelöst.Der Ligand muss in der Regel in grossem Überschuss vorliegen.Relevante Komplexe werden nur mit dem Liganden gebildet.Keine oder geringe pH-Abhängigkeit, ausser bei hohen pH-Werten (Bildung von Metallhydroxiden).
Man vergleiche die Ligandensubstitutions-Gleichgewichte z. B. an Ni2+ mit NH3 bzw. mit dem bidentaten Liganden en (H2N-CH2-CH2-NH2, 1,2-Diaminoethan):
Man stellt fest, dass bei den Ligandensubstitutionen von 2, 4, bzw. 6 Wassermolekülen die Differenzen der entsprechenden (Brutto)Gleichgewichtskonstanten für die zwei Komplextypen
positiv sind. Der chelierende Ligand führt zu höheren Komplex-Bildungskonstanten.
Komplexe mit chelierenden Liganden sind in der Regel thermodynamisch stabiler als entsprechende Komplexe mit (vergleichbaren) monodentaten Liganden.
*Die Bezeichnung "Chel" sowie der Begriff "Chelateffekt" wurden von G. Schwarzenbach (LAC/ETH) eingeführt.
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0
2
4
6
8
10
12
14
16
18
20
1 2 3 4 5 6 (1) (2) (3)
n
logKn / logβn
logKn(NH3)
logKn(en)
logβn(NH3)
logβn(en)
4. Komplexe 4.9. Grundzüge der Valenz-Elektronenkonfiguration von Übergangsmetallkomplexen
Valenzelektronen zählen (!) bei Übergangsmetallen
Die Anzahl Valenzelektronen eines Metalls entspricht der Gruppennummer im PeriodensystemBeispiel: Mn gehört der Gruppe 7 und hat 7 VE, Pt gehört der Gruppe 10 und hat 10 VE.
Die Metallatome in ihrem Grundzustand haben eine Elektronenkonfiguration, die vom Aufbauprinzip gegeben ist (siehe ACIPC). Hier gibt es aber Unregelmässigkeiten, z. B. in der Gruppe 10:Ni: [Ar]4s23d8; Pd: [Kr]5s04d10; Pt: [Xe]4f146s15d9
Bei Übergangsmetallionen werden die verbleibenden Valenzelektronen den fünf d-Orbitalen zugeschrieben (die Energieniveaus der nd-Orbitale liegen unter dem des (n+1)s-Orbitals). Beispiel: Ni(+II) / Ni2+: [Ar]3d8; Pd(+II) / Pd2+: [Kr]4d8; Pt(+II) / Pt2+: [Xe]4f145d8
Die Kristallfeld/Ligandenfeld-Aufspaltung der d-Orbitale bei Übergangsmetallen
Die Kristallfeldtheorie ist ein rein elektrostatisches Modell.
Die d-Orbitale im isolierten (d.h. nicht wechselwirkenden) Übergangsmetallatom oder -Ion sind energetisch entartet (gleiches Energieniveau).
Betrachtet man nun ein solches Ion oder Atom eingebettet in einer Ligandensphäre so stellt man fest, dass diese Entartung (teilweise) aufgehoben wird.
Je nach Anzahl und Anordnung der Liganden ergeben sich verschiedene Aufspaltungen der Energieniveaus der d-Orbitale.
Hier werden nur die oktaedrische, tetraedrische bzw. quadratisch-planare Aufspaltung in Betracht gezogen.
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dyzdxy dxz
dz2dx2−y2
dx2−y2
dxy
dz2
dxz dyz
dyzdxy dxz
dz2dx2−y2
E
oktaedrischtetraedrisch quadratisch-planar
Für eine detaillierte Behandlung siehe Vorlesung AC 1 (3. Semester)
Δokt
sphärischesLigandenfeld
Der Ausmass der Aufspaltung der d-Orbitale (Ligandenfeldaufspaltung, z. B. Δokt für einen oktaedrischen Komplex) ist vom Metallzentrum und von der Natur der Liganden abhängig.
Diese Aufspaltung nimmt von der ersten zur dritten Übergangsreihe, mit der Ladung des Metallzentrums
High- und low-spin-Konfigurationen sind bei d4- bis d7-Zentren von Bedeutung.
High-spin heisst, dass zuerst jedes Orbital mit je einem Elektron mit gleichgerichtetem Spin besetzt wird (Hund'sche Regel), weitere Elektronen werden durch Elektronenpaarung hinzugefügt (Pauli-Prinzip). Somit wird die maximale Spin-Multiplizität erreicht (möglichst viele ungepaarte Elektronen).
Low-spin heisst, umgekehrt, eine möglichst niedrige Spin-Multiplizität (möglichst wenige ungepaarte Elektronen). Das wird durch die möglichst vollständige Besetzung aller energetisch tiefer liegenden d-Orbitale erreicht.
Ob eine low- oder high-spin-Konfiguration bevorzugt vorliegt, hängt von der Ligandenfeldaufspaltung ab. Eine grosse Ligandenfeldaufspaltung fördert eine low-spin-Konfiguration, eine kleine Ligandenfeldaufspaltung fördert eine high-spin-Konfiguration.