30.05.2012: Nachehelicher Unterhalt – Workshops Workshop 1: Berechungsmethoden, Lebensstandard Elisabeth Schönbucher Adjani, Rechtanwältin/Mediatorin SAV, Zürich Ausgangslage Markus Bär, 1952, Naturwissenschafter, selbständig, Büro für Raumplanung B+ AG Françoise Wolf, 1958, Künstlerin, selbständig Heirat 1990, Gütertrennung 2 Töchter: Aline, 1992, und Barbara, 1993, während Zusammenleben von Mutter betreut Getrennt seit Sommer 2004 (Eheschutz), Scheidungsverfahren 2008, Scheidung (Status) 2011 rechtskräftig, unterhaltsrechtliche Scheidungsfolgen pendent Finanzielle Verhältnisse während Zusammenleben Steuererklärungen: siehe Folgeseite Den Familienunterhalt finanzierte vorwiegend Frau Wolf aus Bilderverkäufen, Malatelier und Nettoerträgen einer Liegenschaft. Dazu regelmässige Unterstützung von ihren Eltern. Ihr Einkommen erhöhte sich 2003 nach der Erbschaft einer Geschäftsliegenschaft und deren Umbau mit grossen Investitionen. Herr Bär verwendete sein Einkünfte vor allem für den Ausbau der B+ AG und die Neugründung der Schlaf AG (1995; Hotelbetrieb). Die Schlaf AG fiel 2000 in Konkurs. Herr Bär erkrankte an einer Depression, von welcher er sich Ende 2002 erholte. Nach der Genesung nahm er seine frühere Tätigkeit (B+ AG) nicht mehr auf, weil seiner Ansicht nach das Vermögen von Frau Wolf für den Familienunterhalt ausreichte und auch eine Anhebung der eher bescheidenen Lebensverhältnisse erlaubte. Frau Wolf war damit nicht einverstanden. Ausser Privatschulen für die Kinder, ihre grosszügige musische Förderung und einem Umzug der Familie in eine geräumigere Mietwohnung 2003 änderte sich der Lebensstil des Ehepaars nicht. Das fordernde Verhalten von Herrn Bär bewegte Frau Wolf aber u.a. zur Trennung. Eheschutz Regelung 2004: Kinder bei Mutter, Mutter verzichtete einstweilen auf Unterhaltsbeiträge für Kinder, keine Unterhaltsbeiträge für Herrn Bär. Abänderung 2007: Kinder bei Vater, Unterhaltsbeiträge für Kinder (je 1'000) und Direktzahlung der erheblichen Kinderkosten (72'000/Jahr) durch Mutter, monatlicher Unterhaltsbeitrag für inzwischen neu erkrankten Ehemann: 6'000.--. Finanzierung erforderte zeitweiligen Vermögensverzehr durch Frau Wolf. Aufnahme der Erwerbstätigkeit von Herrn Bär in scheidungsrichterliche Kompetenz verwiesen. Abänderung vsM 2009: Erhöhung der Unterhaltsbeiträge für Herrn Bär auf 7'000.— (RA-Kosten). Scheidungsfolgen: nachehelicher Unterhalt Herr Bär ist bis heute nicht erwerbstätig. Medizinisches Gutachten attestiert seine volle Arbeitsfähigkeit. Er verlangt deutlich höhere nacheheliche Unterhaltsbeiträge. Diskussionsschwerpunkte: Verhältnis nachehelicher Unterhalt zu eheschutzrichterlicher Regelung Welche Berechnungsmethode? Freibetragsaufteilung? Vermögensverzehr? Lebensstandard? Familienrechtlicher Bedarf?
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30.05.2012: Nachehelicher Unterhalt Workshops · SJWZ, Nachehelicher Unterhalt, Workshops 30. Mai 2012 WS 1: Berechnungsmethoden, Lebensstandard Elisabeth Schönbucher Adjani, RAin,
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30.05.2012: Nachehelicher Unterhalt – Workshops
Workshop 1:
Berechungsmethoden, Lebensstandard Elisabeth Schönbucher Adjani,
Rechtanwältin/Mediatorin SAV, Zürich
Ausgangslage
Markus Bär, 1952, Naturwissenschafter, selbständig, Büro für Raumplanung B+ AG
Françoise Wolf, 1958, Künstlerin, selbständig
Heirat 1990, Gütertrennung
2 Töchter: Aline, 1992, und Barbara, 1993, während Zusammenleben von Mutter betreut
Getrennt seit Sommer 2004 (Eheschutz), Scheidungsverfahren 2008, Scheidung (Status) 2011
rechtskräftig, unterhaltsrechtliche Scheidungsfolgen pendent
Finanzielle Verhältnisse während Zusammenleben
Steuererklärungen: siehe Folgeseite
Den Familienunterhalt finanzierte vorwiegend Frau Wolf aus Bilderverkäufen, Malatelier und
Nettoerträgen einer Liegenschaft. Dazu regelmässige Unterstützung von ihren Eltern. Ihr
Einkommen erhöhte sich 2003 nach der Erbschaft einer Geschäftsliegenschaft und deren Umbau
mit grossen Investitionen.
Herr Bär verwendete sein Einkünfte vor allem für den Ausbau der B+ AG und die Neugründung der
Schlaf AG (1995; Hotelbetrieb). Die Schlaf AG fiel 2000 in Konkurs. Herr Bär erkrankte an einer
Depression, von welcher er sich Ende 2002 erholte. Nach der Genesung nahm er seine frühere
Tätigkeit (B+ AG) nicht mehr auf, weil seiner Ansicht nach das Vermögen von Frau Wolf für den
Familienunterhalt ausreichte und auch eine Anhebung der eher bescheidenen Lebensverhältnisse
erlaubte. Frau Wolf war damit nicht einverstanden. Ausser Privatschulen für die Kinder, ihre
grosszügige musische Förderung und einem Umzug der Familie in eine geräumigere Mietwohnung
2003 änderte sich der Lebensstil des Ehepaars nicht. Das fordernde Verhalten von Herrn Bär
bewegte Frau Wolf aber u.a. zur Trennung.
Eheschutz
Regelung 2004: Kinder bei Mutter, Mutter verzichtete einstweilen auf Unterhaltsbeiträge für
Kinder, keine Unterhaltsbeiträge für Herrn Bär.
Abänderung 2007: Kinder bei Vater, Unterhaltsbeiträge für Kinder (je 1'000) und Direktzahlung
der erheblichen Kinderkosten (72'000/Jahr) durch Mutter, monatlicher Unterhaltsbeitrag für
inzwischen neu erkrankten Ehemann: 6'000.--. Finanzierung erforderte zeitweiligen
Vermögensverzehr durch Frau Wolf. Aufnahme der Erwerbstätigkeit von Herrn Bär in
scheidungsrichterliche Kompetenz verwiesen.
Abänderung vsM 2009: Erhöhung der Unterhaltsbeiträge für Herrn Bär auf 7'000.— (RA-Kosten).
Scheidungsfolgen: nachehelicher Unterhalt
Herr Bär ist bis heute nicht erwerbstätig. Medizinisches Gutachten attestiert seine volle
Arbeitsfähigkeit. Er verlangt deutlich höhere nacheheliche Unterhaltsbeiträge.
Diskussionsschwerpunkte:
Verhältnis nachehelicher Unterhalt zu eheschutzrichterlicher Regelung
Welche Berechnungsmethode? Freibetragsaufteilung? Vermögensverzehr?
Lebensstandard? Familienrechtlicher Bedarf?
SJWZ, Nachehelicher Unterhalt, Workshops 30. Mai 2012 WS 1: Berechnungsmethoden, Lebensstandard Elisabeth Schönbucher Adjani, RAin, Mediatorin SAV, Zürich
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3. Gehören die Auslagen, die während des Zusammenlebens durch die Unterstützung
der Eltern von Frau Wolf finanziert wurden – Flugbillette für und Benützung des
Ferienhauses der Eltern Wolf in Südfrankreich durch Frau Wolf mit den Kindern,
Herr Bär blieb jeweils zuhause – zum massgeblichen Lebensstandard der
Eheleute?
Falls die Zuschüsse der Eltern Wolf zu einem gehobenem Lebensstandard geführt
haben, ist dieser gehobene Lebensstandard massgebend. Soweit er bei der
Scheidung aus dem Einkommen der Eheleute finanzierbar ist, bildet er die
Obergrenze für den gebührenden Unterhalt (OG Kanton Zürich, I. ZK, LC090071-O,
Urteil vom 15. September 2011, E. IV. 2a), S. 28f.).5
4. Auch Auslagen, die während des Zusammenlebens zeitweise aus Vermögen
finanziert wurden (hier konkret die Jahre 2000-2002 betreffend), sind bei der
Feststellung des Lebensstandards zu berücksichtigen.
Ob dieser bei der Scheidung finanziert werden kann, ist eine Frage der
Leistungsfähigkeit. Grundsätzlich ist der gebührende Unterhalt aus Einkommen zu
finanzieren. Vermögensverzehr ist nur unter speziellen Aspekten zu prüfen (z.B. bei
im Hinblick auf das Alter angesparte Vermögen bei fehlender 2. Säule).
BGer 5A-561/2011 vom 19. März 2012 bezieht sich explizit auf das
Abänderungsverfahren und betrifft den Vermögensverzehr, soweit das Einkommen,
resp. der Vermögensertrag, nicht ausreicht, um den Lebensstandard zu finanzieren,
der dem Unterhaltsgläubiger gemäss Scheidungsurteil zusteht.
5. Das Bundesrecht schreibt keine bestimmte Methode vor, wie der nacheheliche
Unterhalt festzulegen ist. Es kann nicht unbekümmert um den Einzelfall ein
bestimmtes Berechnungsschema angewendet werden.6
Die kantonalen Gerichte verfügen über weites Ermessen; das Bundesgericht
überprüft Ermessensentscheide mit einer gewissen Zurückhaltung7.
5 Die Zuschüsse der Eltern Wolf sind jedoch beim Einkommen von Frau Wolf nicht zu berücksichtigen; s. auch BGer 5C.27/2005 E. 3.4.
6 BGE 128 III 411 E. 3.2.2, BGer 5A_384/2008 vom 21.10.2008 E. 4.2.3, BGer 5A_862/2011 vom 16.2.2012, E. 3.3. BGer 5A_434/2008 vom 5.9.2008
7 d.h. falscher Gebrauch des der kantonalen Instanz zustehenden Ermessens (grundloses Abweichen von in Lehre und Rechtsprechung anerkannten Grundsätzen, Berücksichtigung von Gesichtspunkten, die keine Rolle hätten spielen dürfen, oder ausser Acht lassen von rechtserheblichen Umständen.) Zu korrigieren sind zudem Ermessensentscheide, die sich als im Ergebnis offensichtlich unbillig, als in stossender Weise ungerecht erweisen (BGE 127 III 136 E 3a); BGE 5A_862/2011 vom 16.2.2012 E. 3.3.
- Lebensprägende Ehe: 14jährige Ehedauer (Heirat bis Trennung), 2 mündige Kinder
- Während der Ehe bis 2002 eher bescheidenes Gesamteinkommen
- Familienunterhalt v.a. durch Einkünfte von Frau Wolf finanziert.
- regelmässige Unterstützung durch Eltern von Frau Wolf
- Vermögenszuwachs durch Erbschaft von Frau Wolf (2002) bei Gütertrennung
- Ein Jahr vor der Trennung deshalb sprunghafter Einkommensanstieg (2003), womit Mehrausgaben für Kinder (Privatschule, musische Förderung) und höhere Wohnkosten finanziert wurden. Ansonsten bisheriger Lebensstandard unverändert.
- Nach der Trennung Einkommen von Frau Wolf wieder sinkend, aber bleibend hohes Vermögen
- Herr Bär trug während des Zusammenlebens nicht wesentlich zum Familienunterhalt bei; er verwendete sein Einkommen v.a. für berufliche Projekte. 1. Erkrankung 2000-2002, anschliessend gegen den Willen von Frau Wolf nicht erwerbstätig. 2. Erkrankung während Trennung (2007). Heute ist Herr Bär arbeitsfähig, jedoch nicht erwerbstätig.
B. Vorgehen zur Berechnung des nachehelichen Unterhalts bei lebensprägenden
Ehe gemäss Schema (Beilage)
C. Schwerpunktthema: Berechnungsmethoden, Lebensstandard
1. Bei lebensprägenden Ehen wird der gebührende Unterhalt eines jeden Ehegatten
aufgrund der zuletzt erreichten und gepflegten gemeinsamen Lebenshaltung
bestimmt. Bei genügenden Mitteln haben beide Eheleute Anspruch auf die
Fortführung des zuletzt gemeinsam gelebten Standards, der gleichzeitig auch die
Obergrenze des gebührenden Unterhalts darstellt. Bei ungenügender
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Leistungsfähigkeit haben beide Eheleute Anspruch auf gleichwertige
Lebensführung.1
Konkret: Der Lebensstandard der Eheleute Bär/Wolf während des
Zusammenlebens war moderat und änderte sich vor der Trennung abgesehen von
den Wohnkosten nicht wesentlich, trotz höherem Einkommen. Davon ist hinsichtlich
des gebührenden Unterhalts von Herrn Bär auszugehen, mit adäquaten
Wohnkosten. Die erst kurz vor der Trennung entstandenen Mehrauslagen für
Privatschulen der Kinder erhöhen nicht in genereller Weise den Lebensstandard der
Eheleute persönlich, auch nicht nach deren Wegfall2.
2. Die im Rahmen von Eheschutzmassnahmen oder von vorsorglichen Massnahmen
während des Scheidungsverfahrens geleisteten Unterhaltsbeiträge können nicht
einfach dem gebührenden Unterhalt nach Art. 125 ZGB gleich gesetzt werden.
Der eheliche Unterhalt beruht auf der gegenseitigen Beistands- und
Familienunterhaltspflicht und der vereinbarten Aufgabenteilung (Art. 163 ZGB), der
nacheheliche Unterhalt auf den Grundsätzen und Kriterien von Art. 125 ZGB. Das
Scheidungsgericht muss deshalb die massgeblichen Faktoren, die den
nachehelichen Unterhalt bestimmen, neu prüfen und feststellen.3
Konkret: Im 1. Eheschutzentscheid 2004 erhielt Herr Bär keine Unterhaltsbeiträge,
im 2. Eheschutzentscheid (Abänderung) 2007 aufgrund der Erkrankung monatlich
Fr. 6‘000.--. Zur Leistung dieses (ehelichen) Unterhalts wurde Frau Wolf
Vermögensverzehr zugemutet. Das deutet darauf hin, dass der Unterhaltsbeitrag
vermutlich den gebührenden Unterhalt mit Ausnahme eines allfälligen Betrags für
den Aufbau der angemessenen Altersvorsorge deckt, welcher beim ehelichen
Unterhalt nicht relevant ist. Herr Bär kann aber nicht auf die eheschutzrichterliche
Regelung zurückgreifen, sondern muss - insbesondere, als er deutlich höhere
Unterhaltsbeiträge beantragt - seinen eigenen Bedarf im Einzelnen nachweisen.4
1 siehe dazu u.a.: BGer 5A_154/2008 vom 23.6.2008, BGE 134 III 145 E. 4, BGE 137 III 102
E. 4.2.1.1, BGE 129 III 7 E. 3.1.1 2 Zur Thematik freiwerdende Mittel durch wirtschaftliche Selbständigkeit der Kinder siehe BGE 134 III 577. Im diskutierten Fall nicht anwendbar.
3 siehe dazu u.a.: BGer 5A_384/2008 vom 21.10.2008 E. 4.1, BGer 5A_434/2008 vom 5.9.2008 E. 3
4 Hausheer/Spycher, Nachehelicher Unterhalt II oder die Nachlese zu BGE 134 III 145ff. und BGer 5A_434/2008 (inzwischen teilweise in BGE 134 III 577 ff.) bzw. BGer 5A_288/2008 betreffend das Vorgehen zur Bemessung des nachehelichen Unterhalts, ZBJV 145/2009, S. 59 ff.
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4
Die Methodenwahl wirkt sich auf die Beweisthematik aus.8
6. einstufige Berechnungsmethode
Bei guten wirtschaftlichen Verhältnissen wird meist die einstufige Berechnungsweise
angewendet und der gebührende Unterhalt konkret im Rahmen des
Lebensstandards berechnet (Addition der einzelnen Ausgabepositionen ergibt
tatsächlichen Bedarf). Gewisse Pauschalisierungen sind zulässig.
Es gibt keine bestimmte monatliche Einkommenshöhe - z.B. CHF 10‘000/13‘000 - ,
ab welcher zwingend die einstufige Berechnungsweise anzuwenden wäre.
7. Zweistufige Berechnungsmethode (familienrechtlicher Grundbedarf mit
Überschussverteilung), wenn
keine Sparquote,
eine so geringe Sparquote, dass diese durch Mehrkosten zweier Haushalte
konsumiert wird,
offensichtlich zu wenig Mittel vorhanden sind zur Beibehaltung der bisherigen
Lebensführung bei zwei Haushalten und Anspruch auf gleichwertige
Lebensführung besteht.
Anwendung bei tiefen bis mittleren Einkommen, ausgehend vom erweiterten Exi-
stenzminimum bzw. familienrechtlichen Grundbedarf9.
Es sind aber in jedem Fall die relevanten Lebensverhältnisse festzustellen; die
erforderlichen tatsächlichen Feststellungen können nicht unabhängig vom konkreten
Einzelfall durch die Methode der hälftigen Überschussverteilung ersetzt werden
(BGer 5A_434/2008 vom 05.09.2008).
Noch nicht entschieden ist die Frage, weshalb bei sehr guten wirtschaftlichen
Verhältnissen ohne Sparquote nicht auch die zweistufige Berechnungsweise zur
Anwendung kommen kann (siehe Hausheer/Spycher, Fn 4)
Berechnungsprogramme:
http://www.dateien.bodmerstrasse.ch/UHB.XLT
http://www.farnerlaw.ch/UHBer/UnterhBer.html
8 siehe Fn 4: eigener Bedarf ist vom Ansprecher, die Sparquote bzw. der Nichtverbrauch des gesamten Einkommens für die Lebenshaltung von der Verpflichteten nachzuweisen
9 BGer 5A_288/2008 vom 27.8.2008, BGer 5A_352/2010 vom 29.10.2010 E. 6.2.1; BGE 137 III 59 E. 4.2
Obergericht des Kantons Zürich Verwaltungskommission
Kreisschreiben der Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Zürich an die Bezirksgerichte und die Betreibungsämter
Richtlinien für die Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums (vom 16. September 2009) I. Einleitung
Im Kreisschreiben des Obergerichts vom 23. Mai 2001 wurden letztmals die Ansätze für die Be-rechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums den damaligen Verhältnissen ange-passt. Darin wurde u.a. eine angemessene Vorgabe auf die damals zu erwartende Teuerung eingebaut. Durch die Teuerung ist der Lebenskostenindex (ohne Miete und Heizung) seither nun so gestiegen, dass sich eine entsprechende Erhöhung der Ansätze für die Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums aufdrängt.
Diese neuen Richtlinien beruhen auf dem Landesindex (Totalindex) der Konsumentenpreise (Basis Dezember 2005 = 100 Punkte) von Ende Dezember 2008 mit einem Indexstand von 103.4 Punkten. Sie gleichen vorgabeweise die Teuerung bis zum Indexstand von 110 Punkten aus. Eine Änderung ist erst bei Überschreiten eines Indexstandes von 115 Punkten, oder Un-terschreiten eines Indexstandes von 95 Punkten vorgesehen.
Die Ansätze in diesen Richtlinien sind für das ganze Kantonsgebiet gleich hoch bemessen, eine regionale Abstufung findet nicht statt. Abweichungen von den Ansätzen gem. den nachfolgen-den Ziffern II bis V und VII können soweit getroffen werden, als das Betreibungsamt sie auf-grund der ihm im Einzelfall obliegenden Prüfung aller Umstände für angemessen hält.
II. Monatlicher Grundbetrag
Für Nahrung Kleidung und Wäsche, einschliesslich deren Instandhaltung, Körper- und Gesund-heitspflege, Unterhalt der Wohnungseinrichtung, Kulturelles sowie sämtliche Energiekosten (ohne Heizung) ist in der Regel vom monatlichen Einkommen des Schuldners folgender Grund-betrag als unumgänglich notwendig im Sinne von Art. 93 SchKG von der Pfändung ausge-schlossen:
1. für einen alleinstehenden Schuldner
1.1 in Haushaltgemeinschaft mit erwachsenen Personen ......................................................................................... Fr. 1100.00
1.2 ohne solche Haushaltgemeinschaft ..................................... Fr. 1200.00
2. für einen alleinerziehenden Schuldner
2.1 in Haushaltgemeinschaft mit erwachsenen Personen ......................................................................................... Fr. 1250.00
2.2 ohne solche Haushaltgemeinschaft ..................................... Fr. 1350.00
Richtlinien für die Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums vom 16. September 2009
2
3. für ein Ehepaar, zwei in einer eingetragenen Partner- schaft lebende Personen oder ein Paar mit Kindern, die in Haushaltgemeinschaft leben ....................................... Fr. 1700.00
4. Unterhalt der Kinder, die im gemeinsamen Haushalt des Schuldners leben
für jedes Kind:
im Alter bis zu 10 Jahren .................................................... Fr. 400.00
im Alter über 10 bis zu 18 Jahren ................................... Fr. 600.00 (bzw. bis zum Abschluss der Erstausbildung im Sinne von Art. 277 Abs. 2 ZGB).
Bei kostensenkender Wohn-/Lebensgemeinschaft
Verfügen Partner des in einer kinderlosen, kostensenkenden Wohn-/Lebensgemeinschaft le-benden Schuldners ebenfalls über Einkommen, so ist der Ehegatten-Grundbetrag einzusetzen und dieser in der Regel (aber maximal) auf die Hälfte herabzusetzen (BGE 130 III 765 E. 2).
III. Zuschläge zum monatlichen Grundbetrag
Für die verschiedenen Auslagen und Beiträge gem. Ziffern 1, 2, 3.2, 3.4, 4 und 5 sind dem Be-treibungsamt die entsprechenden Unterlagen, wie z.B. Quittungen, Verträge, Urteile und der-gleichen vorzulegen. 1. Wohnungskosten
1.1 Der effektive monatliche Mietzins für Wohnung oder Zimmer inkl. Nebenkosten (ausge-nommen der Energiekosten, da im Grundbetrag inbegriffen), unter Berücksichtigung von Ziffer IV/2.
Benützt der Schuldner lediglich zu seiner grösseren Bequemlichkeit eine teure Wohnung oder ein teures Zimmer, so kann der Mietzinszuschlag spätestens nach Ablauf des nächs-ten gesetzlichen Kündigungstermins auf ein Normalmass herabgesetzt werden (BGE 109 III 52 f.; 119 III 73 E. 3 lit. c und d), ungeachtet, ob es sich dabei um einen Mietvertrag mit langfristiger Dauer handelt.
1.2 Die durchschnittlichen, auf zwölf Monate verteilten, monatlichen Aufwendungen für Hei-zungsenergie von Wohnräumen.
1.3 Wohnt der Schuldner in der eigenen Liegenschaft, so ist anstelle des Mietzinses der Lie-genschaftenaufwand zum Grundbetrag hinzuzurechnen. Dieser besteht aus dem Hypo-thekarzins (ohne Amortisation), den öffentlichrechtlichen Abgaben und den durchschnittli-chen notwendigen Unterhaltskosten.
Der Liegenschaftenaufwand hat dem ortsüblichen Mietzins zu entsprechen. Sind die Hypo-thekarzinsbelastungen dagegen unangemessen hoch, so sind diese wie beim Mietzins im Sinne von Ziffer III/1.1 Abs. 2 im Existenzminimum herabzusetzen, gleichgültig, ob die Lie-genschaft dem Schuldner, seinem Ehegatten oder dem eingetragenen Partner des Schuldners gehört (BGE 114 III 12 E. 2 und 4 mit Hinweisen; 116 III 15 E. 2 lit. d; 129 III 526 E. 2).
2. Sozialbeiträge (soweit nicht bereits vom Lohn abgezogen), wie Prämien für
AHV, IV, EO und ALV Pensions- und Fürsorgekassen Krankenkassen (unter Berücksichtigung einer allfälligen Prämienverbilligung) Unfallversicherungen Hausrat- und Haftpflichtversicherungen Berufsverbände
Richtlinien für die Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums vom 16. September 2009
3
Der Prämienaufwand über die obligatorische Versicherung hinaus darf nicht berücksichtigt werden (BGE 134 III 323 E. 3).
3. Unumgängliche Berufsauslagen (soweit der Arbeitgeber dafür nicht aufkommt).
3.1 Erhöhter Nahrungsbedarf bei Schwerarbeit (Erd-, Bau- und Giessereiarbeiter und ähnli-che Berufe), bei Schicht- und Nachtarbeit, ferner für den Schuldner, der einen sehr weiten Arbeitsweg zurücklegen muss: Fr. 5.00 bis Fr. 10.00 pro Arbeitstag.
3.2 Auslagen für auswärtige Verpflegung bei Nachweis von Mehrauslagen: Fr. 5.00 bis Fr. 15.00 für jede Hauptmahlzeit (ZR 84 [1985] Nr. 68).
3.3 Überdurchschnittlicher Kleider- und Wäscheverbrauch: Fr. 20.00 bis Fr. 60.00 pro Monat.
3.4 Fahrten zum Arbeitsplatz
a) Öffentliche Verkehrsmittel: Effektive Auslagen.
b) Fahrrad: Fr. 10.00 bis Fr. 40.00 pro Monat für Abnützung usw.
c) Moped und Roller: Fr. 20.00 bis Fr. 60.00 pro Monat für Abnützung, Betriebsstoff usw.
d) Motorräder: Fr. 50.00 bis Fr. 100.00 pro Monat für Abnützung, Betriebsstoff usw.
e) Automobil Sofern einem Automobil Kompetenzqualität zukommt (zur Ausübung des Berufes oder für die Fahrten zum Arbeitsplatz), sind dafür - je nach Grösse des Fahrzeuges und der Entfernung vom Arbeitsort - die festen und veränderlichen Kosten (ohne Amortisation: BGE 104 III 73 E. 2; 108 III 65 E. 3) von Fr. 100.00 bis Fr. 600.00 pro Monat zu be-rechnen. Wird zum Arbeitsort trotzdem ein Fahrzeug benützt, dem keine Kompetenz-qualität zukommt, kann hierfür dennoch nur der Auslagenersatz wie bei der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel eingesetzt werden.
4. Unterstützungs- und Unterhaltsbeiträge
Rechtlich oder moralisch geschuldete Unterstützungs- und/oder Unterhaltsbeiträge, welche der Schuldner an nicht in seinem Haushalt wohnende Personen in der letzten Zeit vor der Pfändung nachweisbar geleistet hat und voraussichtlich während der Dauer der Pfändung leisten wird (BGE 121 III 20 E. 3).
5. Verschiedenes
5.1 Schulung der Kinder
Besondere Auslagen für die Schulung der Kinder (Schulgeld, Schulmaterial, Verpflegungs- und Fahrtauslagen). Über eine durchschnittliche Ausbildung hinausgehende Aufwendun-gen (über die Volljährigkeit hinaus) können berücksichtigt werden, wenn sie den Verhält-nissen des Schuldners im Sinne von Art. 277 Abs. 2 ZGB entsprechen (BGE 98 III 34 E. 3). Allfällige Stipendien und andere Einkünfte der Kinder sind dabei angemessen zu be-rücksichtigen.
5.2 Abzahlung oder Miete/Leasing von Kompetenzstücken
Gemäss Kaufvertrag, jedoch nur solange zu berücksichtigen, als der Schuldner bei richti-ger Vertragserfüllung zur Abzahlung verpflichtet ist und sich über die Zahlungen aus-weist. Voraussetzung ist zudem, dass sich der Verkäufer das Eigentum vorbehalten hat. Die gleiche Regelung gilt für gemietete/geleaste Kompetenzstücke (BGE 82 III 26 E. 1). Verpflichtungen aus Vorauszahlungsverträgen sind allerdings nicht zu berücksichtigen.
Richtlinien für die Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums vom 16. September 2009
4
5.3 Weitere notwendige Auslagen
Stehen dem Schuldner zur Zeit der Pfändung unmittelbar grössere notwendige Auslagen bevor, wie z.B.:
- für Arzt, Zahnarzt, Arzneien, Geburt
- Betreuung und Pflege von Familienangehörigen
- Wohnungswechsel usw.
so ist diesem Umstand in billiger Weise durch eine entsprechende zeitweise Erhöhung des Existenzminimums Rechnung zu tragen. Zu berücksichtigen sind ferner die Selbstbe-haltskosten nach KVG (BGE 129 III 242 E. 4).
Gleiches gilt, wenn diese Auslagen dem Schuldner während der Dauer der Einkommens-pfändung erwachsen. Eine Änderung der Einkommenspfändung erfolgt hier in der Regel jedoch nur auf Antrag des Schuldners.
IV. Abzüge vom monatlichen Existenzminimum
1. Naturalbezüge wie freie Kost, Dienstkleidung usw. sind entsprechend ihrem Geldwert in Abzug zu bringen:
Freie Kost mit 50% des Grundbetrages Dienstkleidung mit Fr. 20.00 bis Fr. 60.00 pro Monat.
2. Angemessener Anteil an die Haushaltkosten (Mietzins, Heizung, Wäsche usw.) der in ge-meinsamen Haushalt mit dem Schuldner lebenden volljährigen Kinder mit eigenem Er-werbseinkommen.
3. Spesenvergütungen (Reisespesen usw.), welche der Schuldner von seinem Arbeitgeber erhält, soweit er damit im Grundbetrag eingerechnete Nahrungsauslagen in nennenswer-tem Betrag einsparen kann.
V. Barnotbedarf
Hat der Schuldner für seine Nahrungskosten nicht aufzukommen, so beträgt sein Notbedarf für: Bekleidung, Reinigung und Instandhaltung von Kleidern und Wäsche, Gesundheitspflege und Kulturausgaben 50% der Grundbeträge gem. Ziffer II.
VI. Steuern
Die Steuern sind bei der Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums nicht zu berücksichtigen (BGE 95 III 42 E. 3; 126 III 89 E. 3 lit. b; BGE vom 17. November 2003 7B.221/ 2003).
Bei ausländischen Arbeitnehmern, die der Quellensteuer unterliegen, ist bei der Berechnung der pfändbaren Quote von dem Lohn auszugehen, welcher diesen tatsächlich ausbezahlt wird (BGE 90 III 33 E. 1).
VII. Sonderbestimmungen über das dem Schuldner anrechenbare Einkommen
1. Beiträge gem. Art. 163 ZGB oder Art. 13 PartG
Verfügt der Ehegatte oder der eingetragene Partner des Schuldners über ein eigenes Ein-kommen, so ist das gemeinsame Existenzminimum von beiden Ehegatten oder eingetra-genen Partnern (ohne Beiträge gem. Art. 164 ZGB) im Verhältnis ihrer Nettoeinkommen zu tragen. Entsprechend verringert sich das dem Schuldner anrechenbare Existenzminimum (BGE 114 III 12 E. 3).
Richtlinien für die Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums vom 16. September 2009
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2. Beiträge gem. Art. 164 ZGB oder Art. 13 PartG
Stehen dem Schuldner Ansprüche aus Art. 164 ZGB zu, können diese separat wie eine gewöhnliche Forderung gepfändet werden.
3. Beiträge gem. Art. 323 Abs. 2 ZGB
Die Beiträge aus dem Erwerbseinkommen minderjähriger Kinder, die in Haushaltgemein-schaft mit dem Schuldner leben, sind vorab vom gemeinsamen Existenzminimum abzuzie-hen. Dieser Abzug ist in der Regel auf einen Drittel des Nettoeinkommens der Kinder, höchstens jedoch auf den für sie geltenden Grundbetrag zu bemessen (Ziffer II/4; BGE 104 III 77).
VIII. Geltungsbereich
Dieses Kreisschreiben tritt am 1. Oktober 2009 in Kraft und ersetzt dasjenige vom 23. Mai 2001 “Richtlinien für die Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums“.
Die neuen Ansätze in diesem Kreisschreiben gelten für alle ab 1. Oktober 2009 zu vollziehen-den Einkommenspfändungen.
Bestehende Einkommenspfändungen werden nur auf Verlangen des Schuldners den neuen Ansätzen angepasst.
Das vorliegende Kreisschreiben gilt als kantonale Wegleitung für die Betreibungsämter. Diese haben hievon im Missivenverzeichnis Vormerk zu nehmen. Zürich, den 16. September 2009 Im Namen des Obergerichts des Kantons Zürich
Der Präsident: Der Generalsekretär: Müller Zimmermann
Nachehelicher Unterhalt
Elisabeth Schönbucher Adjani, Rechtsanwältin und Mediatorin SAV, ZürichSJWZ-Workshops 30.5.2012
Workshop 1
Berechnungsmethoden, Lebensstandard
Bundesgerichtsentscheide mit Erwägungen zu Bedarfspositionen, die oft zu Diskussionen Anlass geben
Entscheid Erwägung Gegenstand
5C.233/2006 (vom 21.12.2006) 5.5.3 Kein pauschaler Prozentzuschlag von 20% auf erweitertes Existenzminimum bei knappen Mitteln
[auch 5C. 238/2000 vom 8.12.2008, E.3. b) aa)]
5A_272/2011 (vom 7.9.2011) 3.4 Schulden gegenüber Dritten nur dann zu berücksichtigen, sofern der entsprechende Kredit für den
gemeinsamen Lebensunterhalt aufgenommen und eingesetzt wurde und nicht nur einen der
Ehegatten persönlich betrifft.
(auch 5A_131/2007 vom 8.6.2007, E. 2.2 und 5A_474/2011 vom 19.8.2011, E. 2.1)
5A_435/2011 (vom 14.11.2011) 9.3.3 Berücksichtigung steigender Gesundheitskosten mit zunehmendem Alter, wie sie der
Zusammenstellung "Kosten und Finanzierung des Gesundheitswesens" des Bundesamtes für
Statistik (Statistisches Lexikon der Schweiz; abrufbar unter:
- Unterhalt Häufig wird 1 % des Verkehrswertes als
Anhaltspunkt für den laufenden
grösseren Unterhalt beigezogen (als
Faustregel der Banken). Diese
Faustregel wird von den Gerichten nicht
verwendet. Es sind daher die
entsprechenden Kosten anhand Belegen
für die Vergangenheit einzureichen. Die
Beiträge an die Stockwerkeigen-
tümergemeinschaft sind anrechenbar
- Amortisationen Sind vermögensbildend, auch wenn sie
nicht freiwillig erfolgen - allenfalls können
diese Kosten dann Berücksichtigung
finden, wenn ein gleicher Betrag auch
der anderen Partei zugestanden wird
(sicherlich nicht im vorliegenden Fall).
3
Burkart & Pfammatter, Rechtsanwälte
3. Zu den Sozialbeiträgen
Krankenkassenprämien abzüglich Prä-
mienverbilligungen
Beiträge an Pensions- und Fürsorgekas-
sen, Unfallversicherungen und Berufs-
verbände
4. Zu den unumgänglichen Berufsauslagen
- Autokosten Sofern Kompetenzqualität zur Ausübung
des Berufes oder für die Fahrten des
Arbeitsplatzes gehören die festen und
veränderlichen Kosten (ohne
Amortisation) von Fr. 100 bis Fr. 600.--
pro Monat zum Notbedarf. Ansonsten
Auslagenersatz wie bei der Benützung
des öffentlichen Verkehrs
- Radio- u. TV-Gebühren, Telefon Sind nicht im Kreisschreiben erwähnt,
werden aber gemäss Praxis der Gerichte
in der Regel im Umfang zwischen Fr.
100.-- bis Fr. 150.-- pro Monat
eingerechnet .
- Steuern Sind grundsätzlich nicht bei der
Berechnung des betreibungsrechtlichen
Existenzminimums zu berücksichtigen -
4
Burkart & Pfammatter, Rechtsanwälte
jedoch häufig bei der Berechnung des
nachehelichen Unterhalts im Sinne einer
„Gerichtsüblichkeit“ doch eingerechnet.
5. „Verschiedenes“
- Schulung der Kinder Besondere Auslagen für die Schulung
der Kinder (Schuldgeld, Schulmaterial,
Verpflegungs- und Fahrtauslagen) sind
zu berücksichtigen.
C. Fazit:
Es ist - ohne zukünftiges Einkommen der Ehefrau - eine Mangellage, womit in der
vorliegenden Bedarfsberechnung Positionen zu streichen sind. Ein Betrag für die
angemessene Altersvorsorge entfällt (vgl. aber Art. 129 Abs. 3 ZGB).
Die Position VVG fällt zunächst weg. Hernach kann das Gericht von seinem
Ermessen Gebrauch nehmen und bei den Positionen der Berufsauslagen Kürzungen
vornehmen (Autokosten und auswärtige Verpflegung).
5
Burkart & Pfammatter, Rechtsanwälte
D. Neuberechnung des Unterhaltes /
Berücksichtigung veränderter Verhältnisse
Neuberechnung des Unterhaltes bei Aufnahme einer Erwerbstätigkeit des Sohnes bzw. abgeschlossener Erst- ausbildung Die Beiträge aus dem
Erwerbseinkommen minderjähriger Kinder, die in Haushaltsgemeinschaft mit dem Schuldner leben, sind vorab vom gemeinsamen Existenzminimum abzuziehen. Dieser Abzug ist in der Regel auf einen Drittel des Nettoeinkommens der Kinder, höchstens jedoch auf den für sie geltenden Grundbetrag zu bemessen.
E Unterhaltsbeiträge im Eheschutzverfahren
Im Eheschutzverfahren wurde bei einem Nettoeinkommen des Ehemannes von Fr
7‘890.-- (exkl. Kinderzulagen, inkl. Feuerwehr und Anteil 13. Monatslohn) ein
Unterhaltsbeitrag für die Ehefrau mit dem Sohn in Höhe von Fr. 3‘400.-- zuzüglich
Kinderzulagen vereinbart bei einem
Notbedarf des Ehemann mit Tochter von Fr. 4‘243.--
Notbedarf der Ehefrau mit Sohn von Fr. 3‘891.--
Unterhaltsberechnung der Eheleute Peter
Bedarf Ehemann Bedarf Ehefrau Bemerkungen
Grundbetrag Eltern 1350 1350 Kreisschreiben Obergericht / II Ziff. 2.2
Grundbetrag Kinder 600 600 Kreisschreiben Obergericht / II Ziff. 4
Wohnkosten / Liegenschaftenaufwand Kreisschreiben Obergericht / III Ziff 1.3
Annemarie Maier Tobler, 36 Jahre alt 40 % im Verkauf, Lohn 800/Monat
(kein 13. Monatslohn)
Peter Tobler, 36 Jahre alt 80 % als BS-Lehrer, Lohn 9'800/Monat
(inkl. 13. Monatslohn und KZ)
Kinder
Thomas, 13 Jahre alt leben bei der Mutter seit der Trennung
Mathilde, 9 Jahre alt 2010
Es besteht Anspruch auf nachehelichen Unterhalt, soweit einem Ehegatten nicht zuzumuten ist, für
den ihm gebührenden Unterhalt unter Einschluss einer angemessenen Altersvorsorge selbst
aufzukommen (Art. 125 Abs.1 ZGB). Ist die Ehe lebensprägend, besteht der grundsätzliche
Anspruch beider Ehegatten auf Fortführung der ehelichen Lebenshaltung, bei ungenügender
Leistungsfähigkeit auf gleichwertige Lebensführung. Das Vertrauen auf den Weiterbestand der
bisherigen, frei vereinbarten Aufgabenteilung ist objektiv schutzwürdig. Es ist zunächst die
massgebende Lebenshaltung festzustellen. Das Bundesgericht hat offen gelassen, ob die
Lebenshaltung der letzten 2 Jahre des Zusammenlebens massgebend ist oder der letzten fünf
Jahre (mangels ausreichender Rügen)1. Anhand dieser Feststellung wird der gebührende Unterhalt
ermittelt. Es wird dann geprüft, inwieweit jeder Ehegatte seinen gebührenden Unterhalt selber
finanzieren kann. In Bezug auf den unterhaltsberechtigten Ehegatten stellt sich die Frage der
1 Bger. 5A_507/2011 (31.1.2012) E.4.2.
2
Eigenversorgungskapazität.2 In einem dritten Schritt ist die Leistungsfähigkeit des
unterhaltsverpflichteten Ehegatten zu ermitteln und der Unterhalt festzulegen.
Alter / Art der Ehe Maier Tobler: Lebensprägend (Dauer / Kinder)
Aufgabenteilung während der Ehe:
Anfänglich Hausfrauenehe. Im Zeitpunkt der Scheidung: Zuverdienerehe
Eigenversorgungskapazität Annemarie Maier Tobler
Muss sie erwerbstätig sein
Wäre sie es nicht bei der Scheidung, dann nein, die Tochter ist 2013 erst 9 Jahre alt. Ist sie bereits
Teilzeit erwerbstätig, wird in der Praxis von der bisherigen Teilzeiterwerbstätigkeit ausgegangen
(Aufgabe der Erwerbstätigkeit nur dann allenfalls akzeptiert, wenn bspw. die Kinderbetreuung
intensiver ist zufolge der Trennung/Scheidung)3 D.h. vorliegend:
40% Erwerbstätigkeit bis zum 10. Altersjahr von Mathilde, 2013, 50% Erwerbstätigkeit ab 2014.
Von welchem Lohn wird ausgegangen: Effektiver Lohn oder hypothetisches Einkommen?
Hauptstandpunkt: Auszugehen ist vom bisherigen Einkommen: Arbeit im Bioladen 2013: 40% 2013 netto Fr. 800.00 2014: 50% (Tochter 10 Jahre alt) netto Fr. 1‘000.00
Eventualstandpunkt: Auszugehen vom hypothetischen Einkommen Ausbildung Handelsdiplom, keine Berufserfahrung im Bürobereich:
2013: Arbeit im Bioladen, Übergangszeit 1 Jahr netto Fr. 800.00 2014: 50%, Arbeit im Büro, 2‘000.00 brutto netto Fr. 1‘700.00
Subeventualstandpunkt: Auszugehen vom hypothetischen Einkommen
2 Siehe hiezu RAin J. DuBois, Notizen des Referats der Weiterbildung SJWZ vom 15.11.2011
„Nachehelicher Unterhalt – Eigenversorgungskapazität“, insbes. die Entscheide des
Bundesgerichts bis Mitte November 2011. Vorliegend werden nur zusätzliche Bger.Entscheide
angeführt.
3 Bger. 5A_862/2011 (16.2.2012)
3
2013/1.Hälfte 2014: Übergangszeit 1 ½ Jahr (für Com- puterkurse, Englischkurs, neben der Arbeit im Laden), netto Fr. 800.00 2014: 2. Hälfte: 50%, 2‘400.00 brutto netto Fr. 2‘000.00
2020: 100% (Tochter 16 Jahre alt) Auszugehen vom hypothetischen Einkommen: Annahme: Erwerbstätigkeit im Bürobereich
Zur Alterslimitepraxis
In Anwendung der Rechtsprechung zu Art. 125 Abs. 2 ZGB geht das Bundesgericht von einer
Erwerbstätigkeit von 50% bis zum 16. Altersjahr des jüngsten Kindes aus, dann von 100%4.
Ausnahmen für den Zeitpunkt der Aufnahme der Erwerbstätigkeit sind lediglich vorgesehen, wenn
z.B. eines der Kinder zufolge Erkrankung oder Behinderung einen Mehraufwand für die Betreuung
darstellt oder allenfalls in Bezug auf die Aufnahme eines Teilzeiterwerbs die Anzahl der Kinder
zwischen dem 10. und 16. Altersjahr5. Diese Praxis wird i.d.R. stereotyp angewendet, zunehmend
werden diese Altersgrenzen sogar unterschritten. Unter Hinweis auf Art. 2, Art. 5 und Art. 16 Abs. 1
lit.c CEDAW könnte diese Praxis in Frage gestellt werden. Damit wird die zumeist von den Müttern
übernommene Doppelbelastung von „100%iger Tätigkeit und Haushalt / Kinder ab 16. Altersjahr“
als gleichwertig der 100% Erwerbstätigkeit des Vaters betrachtet. Dies vermag im Einzelfall als
nicht völkerrechtskonform zu erscheinen und somit als Verstoss gegen die genannten Artikel des
Übereinkommens CEDAW.6
Arbeitsmarkt
Bei der Festlegung des hypothetischen Einkommens ist insbesondere auch der Arbeitsmarkt zu
berücksichtigen. Laut Bundesgericht sind z.B. die Lohnstrukturerhebungen des Bundesamtes für
Statistik beizuziehen oder andere Quellen (u.a. allgemeinverbindliche GA; das Lohnbuch
Mülhauser7). Es ist konkret festzustellen, welche Tätigkeiten, so im Bürobereich innerhalb diverser
4 Bger. 5A_100/2007
5 Bger. 5A_2010/2008
6 siehe den Artikel, "Das Übereinkommen gegen Frauendiskriminierung (CEDAW) in der
familienrechtlichen Praxis; Ansätze und Möglichkeiten", Dr. Erika Schläppi und lic.iur J. DuBois,
FamPra, Heft 3 2012, insbesondere die Modellbeispiele, sowie den Leitfaden der Eidgenössischen
Kommission für Frauenfragen (EKF) zur Verwendung des UNO-Übereinkommens zur Beseitigung
jeder Form der Diskriminierung der Frau CEDAW, online-Tool, aufgeschaltet Juni/Juli 2012
Es werden die Kriterien von Art. 125 Abs. 2 ZGB mit einbezogen bei der Beurteilung des
Unterhalts. Erfolgt die Trennung 2010 und ist Mathilde da 7 Jahre alt, arbeitet die Mutter bereits zu
40%, wird voraussichtlich eher vom effektiven, statt dem hypothetischen Einkommen ausgegangen
(Fr. 800.00) für die Dauer der Trennung. Indes ist auf den Zeitpunkt der Scheidung hin eher die
Frage der Anknüpfung an die frühere Ausbildung, ohne weitere Übergangszeit aktuell11
.
Fallstricke ZPO
Eheschutz-/ Trennungs- und Scheidungsverfahren: Eigenversorgungskapazität: Unterschiede im
Nachweis der Bemühungen nach Arbeitssuche und der Höhe des hypothetischen Einkommens?
8 Bger. 5A_579/2011 (27.9.2011), E. 2.1.
9 Bger. 5A_879/2011 (9.3.2012), E.2
10 Bger. 5A_579/2011 (27.9.2911), E.2.
11 Sinngemäss: Bger. 5A_381/2011 (10.11.2011), E. 5.3.
5
Unentgeltliche Rechtspflege: Wird diese abgewiesen ist das Rechtsmittelverfahren hiegegen
gemäss Bundesgericht kostenpflichtig. Das Obergericht des Kantons Zürich setzt sich mit diesem
Bger.Entscheid auseinander und wendet diese Praxis nicht an.12
Heirat 1998 Scheidungsverfahren 2022
Annemarie Maier Tobler, 47 Jahre alt 40 % dipl. Berufsmasseurin
Lohn 1'800/Monat, in Ausbildung
Peter Tobler, 47 Jahre alt Angestellter der eigenen GmbH
Lohn 5'500/Monat (kein 13. Monatslohn)
Kinder
Thomas, 24 Jahre alt leben beide nicht mehr zu Hause
Mathilde, 20 Jahre alt beide in Ausbildung
Eigenversorgungskapazität von Annemarie Maier Tobler
Ausmass der Erwerbstätigkeit
Das Bundesgericht hat keine einheitliche Regel in Bezug auf die Ausdehnung der Erwerbstätigkeit
bei Zuverdienerehen, in welchen die Frauen bei der Scheidung über 45 Jahre alt sind. Sind sie
zwischen 50-60 Jahren, wird eher auf die Ausdehnung auf 100% abgesehen, wenn sie bereits
zwischen 50-80% erwerbstätig waren (vgl. Die zahlreichen angeführten Bger.Entscheide im
Referat vom 15.11.2011; insbesondere:13
).
Ausbildung während des Scheidungsverfahrens
Ist von der ursprünglichen Ausbildung (Handelsdiplom; keine Berufspraxis 24 Jahre lang)
auszugehen oder von der neuen Situation (neue Ausbildung) als erste der zu beantwortenden
Fragen. Bei ersterem ist der Wiedereinstieg sehr schwierig. Es müssen mehr Kurse für die
Aktualisierung des Wissens gemacht werden. Das führt m.E. dazu, dass die Übergangsfrist länger
12
Bger. 5A_405/2011; Oger. Kanton Zürich, II. ZK, PC110052, vom 23.11.2011
13 Bger. 5A_340/2011 (Ehefrau 52 Jahre alt bei der Trennung, 55 Jahre alt bei der Scheidung). Das
Alter ist in einer Zuverdienerehe nur in beschränktem Umfang zu berücksichtigen: 5A_206/2010.
6
zu beantragen bzw. anzusetzen ist. Es ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass
über die Dauer der Übergangsfristen eine sehr uneinheitliche Bundesgerichtspraxis besteht (siehe
Referat, S.11). Weiter ist zu berücksichtigen, dass der Arbeitsmarkt für eine Frau mit 47 Jahren als
Berufs-Wiedereinsteigerin weitaus härter ist.
Wird die neue berufliche Situation berücksichtigt, dann fragt sich, ob die eine Ausbildung (dipl.
Berufsmasseurin) allein massgebend ist, oder ob die Berufs- und Einkommensaussichten für beide
Ausbildungen zusammen berücksichtigt werden. Pragmatisch gesehen sind die Lohnaussichten
besser bei Berücksichtigung beider Ausbildungen. Es können für die eigene Praxis mehr Klienten
in einem kürzeren Zeitraum akquiriert werden.
40% in Praxisgemeinschaft, 2022 und 2023 netto Fr. 1‘800.00 Wird der 2. Teil der Ausbildung nicht als not- wendig anerkannt: 100%: Tätigkeit eigentlich ab 2014. Aufbau der Praxis wie folgt: Annahme: 2024: netto Fr. 3‘000.00 2025: netto Fr. 3‘700.00 2026: netto Fr. 4‘400.00 2027: netto Fr. 5‘100.00 2028: netto Fr. 5‘800.00
Wird der 2. Teil der Ausbildung mit berücksichtigt: Annahme:
Zu den Kosten der Ausbildung sagt das Bundesgericht, dass der Ehemann nur daran zu beteiligen
ist, wenn er sich auf die eine oder andere Art bereit erklärt hat, diese zu finanzieren14
. Unter
Hinweis auf die i.d.R: dadurch möglichen besseren Lohnaussichten ist diese Praxis etwas
befremdlich.
Leistungsfähigkeit von Peter Tobler
Als Angestellter der eigenen Firma (GmbH) wird das Einkommen gemäss Bundesgericht wie
dasjenige eines selbständig Erwerbenden betrachtet15
. D.h. das Einkommen der letzten 3-5 Jahre
ist massgebend, wobei Spitzenjahre (positive oder negative) weggelassen werden. Zufolge der
neuen steuerrechtlichen Behandlung wird derzeit oft ein eher tiefer eigener Lohn festgelegt und
zusätzlich eine Dividende ausbezahlt. Die Dividende ist als weiterer Bezug zum Lohn
14
Bger. 5A_649/200
15 Bger. 5P_127/2003: Abzustellen ist auf die Gesamtheit der Bezüge.
7
hinzuzuzählen. Eventualiter ist vom hypothetischen Einkommen als BS-Lehrer auszugehen, 100%.
Es werden ihm da nicht mehr oder weitere Anstrengungen zugemutet (als jene als Angestellter in
seiner eigenen Firma), aber aufgrund analoger Anstrengungen kann er ein weit höheres
Einkommen erzielen als jenes, das er angeblich neu in der Firma nur noch erzielen kann. Der
Arbeitsmarkt für BS-Lehrer ist im Übrigen derzeit das Gegenteil von ausgetrocknet, so dass die
Rückkehr in den angestammten Beruf als zumutbar betrachtet werden könnte.
Vorsorgliche Massnahmen
Absolviert Annemarie Maier Tobler schon zu Beginn und während der Trennungszeit bereits die
obgenannte Ausbildung, wird diese eher berücksichtigt, als wenn sie gedenkt, diese erst nach der
Scheidung zu beginnen.
Fallstricke ZPO
Fragen im Zusammenhang mit der Stufenklage
Das Einkommen von Peter Tobler als Angestellter der eigenen Firma ist nicht bzw. teilweise
bekannt. Nicht bekannt ist, ob und welche Privatbezüge er aus der eigenen Firma tätigt. Sodann ist
die Höhe der Dividende der letzten Jahre zu eruieren. Mit Einleitung der Scheidungsklage sind die
Rechtsbegehren zu stellen (Art. 290 ZPO). Sind die finanziellen Verhältnisse nicht oder nur
teilweise bekannt, ist zum Einen der Antrag auf Edition zu stellen. Sodann ist der Antrag zu stellen
auf Leistung von Unterhaltsbeiträgen. Ist dieser zweite Antrag generell zu stellen („angemessene
Unterhaltsbeiträge“) oder ist er bereits zu beziffern z.B. mit dem Begriff „mindestens“ und ist die
Dauer der zu erbringenden Unterhaltsleistung durch Peter Tobler an Annemarie Maier Tobler
bereits festzuhalten im Antrag? Die Meinungen gehen auseinander16
.
16
Als eine der Meinungen: Martin Kaufmann, „Rechtsfragen zur Regelung der Scheidungsfolgen“,
FamPra.ch 4/2011, S. 899-913
SJWZ-Workshops 30. Mai 2012 Eigenversorgungskapazität Jeanne DuBois, Rechtsanwältin, Zürich Vorsorgeunterhalt und Dauer der Unterhaltszahlungen Prof. Thomas Geiser, St.Gallen
Vorsorgeunterhalt
Welches Erwerbseinkommen soll der Ehemann in Zukunft erzielen? Was wird der Ehemann an Unterhalt bezahlen müssen? Wie hoch wird die Altersrente sein, welche der Ehemann auf Grund der ihm nach dem Vorsorgeausgleich verbleibenden Freizügigkeitsleistung und seinen künftigen Beiträgen (einschliesslich Arbeitgeberbeiträgen und Zinsen) erhalten wird?
Welches Einkommen soll die Ehefrau in Zukunft selber erzielen? Welchen Beitrag an den laufenden Unterhalt wird der Ehemann nach der Scheidung leisten müssen? Wie hoch wird die Altersrente sein, welche die Frau auf Grund der aus dem Vorsorgeausgleich erhaltenen Freizügigkeitsleistung und ihren eigenen künftigen Beiträgen
Heirat 1998 Scheidungsverfahren 2013
Annemarie Maier Tobler, 36 Jahre alt 40 % im Verkauf, Lohn 800/Monat
(kein 13. Monatslohn)
Peter Tobler, 36 Jahre alt 80 % als BS-Lehrer, Lohn 9'800/Monat
(inkl. 13. Monatslohn und KZ)
Kinder
Thomas, 13 Jahre alt leben bei der Mutter seit der Trennung
Mathilde, 9 Jahre alt 2010
SJWZ-Workshops 30. Mai 2012 Vorsorgeunterhalt Seite 2
erhalten wird? Was fehlt zur angemessenen Altersvorsorge? Kann dies der geschiedene Ehemann bezahlen, ohne auf eine eigene angemessene Altersvorsorge verzichten zu müssen? Wie können die Leistungen erbracht werden: - Kapital? - Erhöhung der laufenden (befristeten) Rente? - Verlängerung der Pflicht, eine Rente zu bezahlen?
Beide Ehegatten waren 22 Jahre alt, als sie heirateten. Es ist folglich anzunehmen, dass sie vor der Ehe keine berufliche Vorsorge aufbauen konnten. Peter wird von seinem Einkommen und seiner Anstellung her über eine volle zweite Säule verfügen, während Annemarie ein Einkommen unter dem koordinierten Lohn nach Art. 7 f. BVG hat. Sie wird folglich über keine berufliche Vorsorge verfügen. In der Scheidung sind gemäss Art. 122 ZGB die Vorsorgen beider Ehegatten hälftig zu teilen. Beide Ehegatten werden demnach nach der Scheidung über Guthaben in der beruflichen Altersvorsorge verfügen, welche der Hälfte einer Versicherung für ein Einkommen von Fr. 9‘800/Monat im Zeitpunkt der Scheidung entspricht.
Lücken in der Vorsorge des geschiedenen Ehemannes:
Der Mann wird nach der Scheidung auf seinem ganzen Einkommen Beiträge an die Berufliche Vorsorge bezahlen (einschliesslich Arbeitgeberbeiträge). Insofern wird seine Vorsorge nicht nur im Rahmen der verbliebenen Vorsorge weitergeführt, sondern auch wieder aufgebaut. 1. Weil der Ehemann mit der Scheidung die Hälfte seiner Austrittsleistung abtreten
musste, weist seine Berufliche Vorsorge aber dennoch eine Lücke auf. Er kann diese Lücke durch einen Einkauf stopfen (Art. 22c FZG), sofern er dieses Geld aufbringen kann.
Allerdings ist streitig, ob er sich für den Einkauf sofort nach der Scheidung entscheiden muss oder ob er diesen Einkauf auch später noch vornehmen kann.1 M.E. muss der Einkauf auch in einem späteren Zeitpunkt noch möglich sein. Im Zeitpunkt der Scheidung macht dieses Recht meistens keinen Sinn, weil dann der Vorsorgenehmer nicht über die dafür nötigen Mittel verfügt. Die meisten Vorsorgeeinrichtungen sehen
1 Vgl. THOMAS GEISER/CHRISTOPH SENTI, in: Schneider/Geiser/Gächter (Hrsg.), Stämpflis Handkommentar
BVG und FZG, Bern 2010, Art. 22c FZG N 7 ff.
SJWZ-Workshops 30. Mai 2012 Vorsorgeunterhalt Seite 3
die Möglichkeit des Einkaufs bis zur vollen Altersvorsorge ohnehin vor, so dass insoweit sich die Frage praktisch selten stellt. Mit Blick auf die nachstehende zweite Frage, kann aber sehr wohl von Bedeutung sein, ob es sich um einen Einkauf nach Art. 22c FZG oder einen sonstigen Einkauf handelt.
Streitig ist ebenfalls, ob der Einkauf in das BVG-Obligatorium erfolgen kann oder ob die entsprechenden Beträge nur der überobligatorischen Vorsorge gutzuschreiben sind wie bei anderen Einkäufen.2 Gedanke der Regelung im FZG ist, dass sich der Ehegatte mit dem Einkauf gleich stellen können soll, wie wenn nie ein Vorsorgeausgleich erfolgt wäre. Von daher muss der Einkauf ins Obligatorium möglich sein. Die Frage, ob die entsprechenden Beträge dem Obligatorium zuzurechnen sind oder nicht, ist insbesondere mit Blick auf den BVG-Zinssatz und den BVG-Umwandlungssatz von grosser praktischer Bedeutung.
2. Erhöht der geschiedene Ehemann später seinen Beschäftigungsgrad von 80 auf 100%,
so wird er sich in der Regel auch für den höheren Verdienst in die Pensionskasse einkaufen können. Dieser Einkauf betrifft aber – unabhängig der Höhe des Einkommens – immer nur das Überobligatorium. Die Pensionskassen sind auch nicht verpflichtet, diesen Einkauf zuzulassen. In der Regel ist er aber in den Reglementen vorgesehen. Der Einkauf setzt auch hier voraus, dass der Ehegatte über die entsprechenden Mittel verfügt.
Lücken in der Vorsorge der geschiedenen Frau
Die Frau hat mit der Scheidung eine Freizügigkeitsleistung erhalten, welche der Hälfte dessen entspricht, was ein Vorsorgenehmer im entsprechenden Alter an Guthaben haben muss, um sich bei einem Einkommen von Fr. 9‘800/Monat voll einkaufen zu können. Eine genaue Berechnung dieses Betrages ist nicht möglich, weil es auf die konkrete Ausgestaltung der entsprechenden Vorsorgeeinrichtung ankommt. Eine überschlagsmässige Berechnung kann aber folgendermassen vorgenommen werden: Jahreseinkommen 12 x 9‘800.- 117‘600.- Minus Koordinationsabzug: 24‘360.- Koordinierter Lohn 93‘240.- Die Vorsorgeleistung basiert auf diesen Fr. 93‘240/jährlich. Die Hälfte davon sind folglich Fr. 46‘620.-. Dazu ist wiederum der Koordinationsabzug von Fr. 24‘240.- zu zählen, was Fr. 70‘860.- ergibt. Die Freizügigkeitsleistung, welche die Frau in der Scheidung erhält, sollte somit ausreichen, um sich bei diesem Einkommen in die Altersvorsorge vollständig einzukaufen. Dennoch hat die geschiedene Ehefrau unter Umständen Lücken in ihrer Altersvorsorge: 1. Soweit die Frau nach der Scheidung während einer gewissen Zeit gar nicht oder nur
beschränkt erwerbstätig ist, kann sie ihre Altersvorsorge gar nicht auf diesem Niveau
2 Vgl. GEISER/SENTI, Art. 22c FZG N 16 ff.
SJWZ-Workshops 30. Mai 2012 Vorsorgeunterhalt Seite 4
weiterführen. Sie kann mangels Erwerbstätigkeit keine Beiträge leisten3. Jährlich entsteht somit eine Lücke in der Altersvorsorge trotz Zinsertrag auf ihrer Austrittsleistung.
Soweit sie allerdings nunmehr einer Erwerbstätigkeit nachgeht, führt sie die Altersvorsorge mit ihren Beiträgen weiter.
2. Soweit die Frau ein höheres Erwerbseinkommen als der genannte Betrag hat, besteht
selbstverständlich auch bei ihr eine Lücke in der Altersvorsorge. Eine solche besteht auch, wenn sie erst einige Jahre nach der Scheidung ihre Erwerbstätigkeit ausbaut.
Ausgleich der Lücke in der Vorsorge der Frau durch Vorsorgeunterhalt
Für die Berechnung des Vorsorgeunterhaltes gehe ich im Folgenden aus Gründen der Praktikabilität und der Didaktik nicht genau von der Lösung aus, welche sich aus den Ausführungen von Jeanne DuBois zur Eigenversorgungskapazität ergibt. Ich nehme vielmehr an, dass die Frau sofort ihre Erwerbstätigkeit von 40% auf 50% erhöhen kann. Sobald das jüngste Kind das 16. Altersjahr zurückgelegt hat, kann von ihr verlangt werden, dass sie einer vollen Erwerbstätigkeit nachgeht. Diese sollte dann auch ein Einkommen ihm Rahmen eines normalen Niedriglohns bieten, von daher sollte sie dann auf ungefähr 3‘500.- p-M. kommen. Daraus ergeben sich folgende Unterhaltsberechnungen, von denen für die Berechnung des Vorsorgeunterhaltes auszugehen ist:
Einkommen der geschiedenen Ehefrau: 2012 bis 1019 Erwerbseinkommen (50%): 1‘000.- Unterhaltsbeträge des geschiedenen Ehemannes 3‘000.-4 Total: 4‘000.- 2020 bis Pensionierung Erwerbseinkommen (100%): 3‘500.- Unterhaltsbeiträge des geschiedenen Ehemannes: 3‘000.- Total: 6‘500.- Einkommen ab Pensionierung: Für die AHV müsste im Einzelfall eine genaue Berechnung bei der Ausgleichskasse erfragt werden. Die hier vorhandenen Angaben sind zu ungenau, um eine genaue Rechnung
3 Vgl. aber die Bemerkung vorn zu Art. 47 BVG.
4 Der Betrag entspricht in etwa der Differenz zwischen den Einkommen. Die Ehe war mit Blick auf deren
Dauer und die Kinder sicher lebensprägend. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung besteht somit kein Grund für eine erhebliche Kürzung.
Massgeblich ist auch hier Art. 125 ZGB
SJWZ-Workshops 30. Mai 2012 Vorsorgeunterhalt Seite 5
vornehmen zu können. Zu beachten ist allerdings auch, dass die Berechnung für die Zukunft ohnehin mit einer Vielzahl von Unsicherheiten und Ungenauigkeiten verbunden ist. Massgeblich ist die Rentenskala 44, ein durchschnittliches eigenes Jahreseinkommen ca. Fr. 42‘000.- plus Splitting für Ehejahre und Gutschriften für die Kinderbetreuung. Daraus ergibt sich sicher keine Maximalrente es sollte aber möglich sein, auf eine Rente von knapp Fr. 1‘900.- monatlich zu kommen. Bezüglich der Zweiten Säule ist zu beachten, dass die geschiedene Ehefrau aus dem Vorsorgeausgleich einen gewissen Betrag erhalten hat. Hätte sie diese Vorsorge uneingeschränkt weiterführen können, so hätte sie nunmehr eine Rente von etwa Fr. 2‘400.- monatlich5. Ob eine Weiterführung rechtlich unabhängig vom Erwerbseinkommen möglich ist, wird in der Lehre unterschiedlich beurteilt. M.E. gibt es aber Fälle, in denen eine Weiterführung nach Art. 47 BVG möglich sein muss.6 In aller Regel stellt sich die Frage indessen nicht, weil es an den Mitteln fehlt, um die Vorsorge so weiterführen zu können. Die geschiedene Ehefrau wird aber vorliegend zusätzlich ein (netto) Erwerbseinkommen von Jährlich von ca Fr. 42‘000.- erzielen. Sie wird somit eine zweite Säule aufbauen. Unter Berücksichtigung des Koordinationsabzuges Fr. 24‘360.- sind auf ca. Fr. 22‘000.- (Bruttoeinkommen) BVG-Beiträge zu bezahlen. Daraus ergibt sich, dass die geschiedene Ehefrau wohl grundsätzlich eine volle Rente auf Grund des Vorsorgeplanes ihrer Pensionskasse erhalten wird. Wie hoch diese allerdings genau sein wird, lässt sich nur auf Grund des Rentenplanes der konkreten Vorsorgeeinrichtung bestimmen. Weil möglicherweise ein Teil der im Rahmen des Vorsorgeausgleichs erhaltenen Freizügigkeitsleistung dem überobligatorischen Bereich zuzurechnen ist, lässt sich nicht einmal auf Grund der Bestimmungen des BVG der Mindestbetrag errechnen. Zudem ist zu beachten, dass wegen der Sanierungsmassnahmen nicht einmal mehr das BVG-Minimum für das Obligatorium garantiert ist. Eine Nachfrage bei der Vorsorgeeinrichtung ist unumgänglich. Bei den weiteren Berechnungen wird davon ausgegangen, dass die Altersrente gemäss dem Vorsorgeplan der Pensionskasse so angesetzt ist, dass sie ungefähr 50% des Brutto-Lohnes beträgt (vorliegend ca. Fr. 46‘200.-). Das entspricht der derzeitigen Regelung der Pensionskasse des Kantons St. Gallen und führt dazu, dass das von der Verfassung vorgegebene Ziel ungefähr erreicht wird. AHV-Rente: ca. 1‘900.- BVG-Rente: ca. 1‘925.- Total: ca. 3‘825.- Was fehlt ihr nun an Einkommen? Vgl. dazu hinten.
Einkommen des geschiedenen Ehemanns: Der geschiedene Ehemann kann seine Erwerbstätigkeit auf 100% erhöhen. Auch bei ihm ist allerdings zu berücksichtigen, dass Veränderungen des Pensums jeweils nur auf ein neues Semester, eventuell auch nur auf ein neues Schuljahr, möglich sind. Davon sind nun aber die Unterhaltsbeiträge, welche der geschiedene Ehemann für die Kinder bezahlen muss
5 Vgl. vorn.
6 Vgl. GEISER/SENTI, Art. 47 BVG N 51 ff.
SJWZ-Workshops 30. Mai 2012 Vorsorgeunterhalt Seite 6
abzuziehen. Diese gehen ohne weiteres über die Mündigkeit hinaus. Im Folgenden gehe ich beispielhaft – und damit ungenau - davon aus, dass er pro Kind Fr. 1‘900.- bezahlen muss und dass beide Kinder über die Mündigkeit hinaus in Ausbildung sind, so dass diese Beträge bei beiden Kindern zu bezahlen sind, bis sie je 22 Jahre alt sind. Überdies ist der Unterhaltsbetrag zu berücksichtigen, den er der geschiedenen Frau ausrichten muss.7 2012 bis 2021 (Wegfall Unterhaltsbeitrag an Sohn) Erwerbseinkommen (100%): 12‘250.- Unterhalt an beide Kinder: ./. 3‘800.- Unterhalt an geschiedene Ehefrau: ./. 3‘000.- Total: 5‘450.- 2021 bis 2025 (Wegfall Unterhaltsbeitrag an Tochter) Erwerbseinkommen (100%): 12‘250.- Unterhalt Tochter: ./. 1‘900.- Unterhalt an geschiedene Ehefrau: ./. 3‘000.- Total: 7‘350.- Es besteht kein Grund den Unterhalt an die geschiedene Ehefrau zu kürzen, da die Ehe lebensprägend war und die geschiedene Frau noch immer erheblich weniger verdient als der geschiedene Ehemann. Allerdings dürfte es bei den derzeitigen kantonalen Praxen schwierig sein, auf so lange Zeit einen Unterhaltsbeitrag in dieser Höhe zugesprochen zu erhalten. Vgl. dazu meinen Aufsatz zur letzten Tagung, publiziert in FamPra 2012. 2025 bis Pensionierung Erwerbseinkommen (100%) 12‘250.- Unterhaltsbeitrag an geschiedene Ehefrau: ./. 3‘000.- Total: 9‘250.- Nach der Pensionierung: Der geschiedene Ehemann erhält voraussichtlich eine maximale AHV-Rente von Fr. 2‘320.- im Monat. Er hat ein Einkommen, das über dem für eine Maximalrente notwendigen liegt. Das Splitting in der Scheidung könnte aber die anrechenbaren Beiträge so stark einschränken, dass keine maximale Rente mehr bezahlt wird. Auch hier müsste bei der Ausgleichskasse eine Abklärung getroffen werden. Bei der beruflichen Vorsorge steht dem geschiedenen Ehemann sicher nur dann eine nach dem Vorsorgeplan der betroffenen Vorsorgeeinrichtung vollständige Altersrente zu, wenn er sich nach dem Vorsorgeausgleich wieder eingekauft hat. Ein solcher Einkauf schmälert allerdings die ihm für den Verbrauchsunterhalt zur Verfügung stehenden Mittel. Ob dieser Einkauf anschliessend den Regeln des BVG-Obligatoriums untersteht oder nicht, ist umstritten. M.E erfolgt der Wiedereinkauf in jenen Bereich, dem die Mittel für den Vorsorgeausgleich entnommen worden sind8. Ausgehend von einem Wiedereinkauf nehme ich auch hier an, dass die Rente 50% des versicherten Verdienstes ausmacht. Es ergibt sich folglich folgendes Einkommen:
SJWZ-Workshops 30. Mai 2012 Vorsorgeunterhalt Seite 7
AHV-Rente 2‘320.- BVG-Rente 4‘900.- Total: 7‘220.- Ev noch Unterhalt an die geschiedene Frau?
Es stellt sich die Frage, ob der geschiedene Ehemann nach der Pensionierung weiterhin Unterhalt bezahlen muss. Die geschiedene Frau hat mit offensichtlich ein erheblich tieferes Renteneinkommen als der geschiedene Ehemann (Fr. 3‘900.- im Vergleich zu Fr. 7‘220.-). Ausgehend davon, dass im Alter das Einkommen ca. 60% des bisherigen Einkommens entsprechen sollte und die Rente aus der Zweiten Säule folglich ca. 50% des Einkommens vor der Pensionierung ausmachen sollte, müssten die Alimente, welche die Frau bis zur Pensionierung erhalten hat, ebenfalls zu ca. 50% ersetzt werden, d.h. sie müsste noch ca. 1‘500.- erhalten. Ein Teil der Lehre und ihr folgend auch das Bundesgericht geht nun so vor, dass berechnet wird, wie hoch die Arbeitnehmer und Arbeitgeberbeiträge auf den Unterhaltsleistungen des geschiedenen Ehemannes wären, wenn es sich dabei nicht um Unterhalt sondern um Lohn handeln würde.9 Das ist insofern erstaunlich, als bezüglich der ähnlichen Frage im Haftpflichtrecht, nämlich bezüglich der Berechnung des sogenannten Rentenschadens längst Lehre und Rechtsprechung erkannt haben, dass eine Berechnung über die Beiträge nicht zielführend ist (Imput-orientierte Methode) sondern vielmehr output-orientiert direkt berechnet werden muss, wie hoch dereinst die Altersrente sein soll, und deren Wert kapitalisiert wird. Auch hier besteht allerdings eine Vielzahl von Ermessensfragen, so dass eine Berechnung immer nur eine Annäherung sein kann. Ähnlich wie hier vorgeschlagen, geht auch das Obergericht des Kantons Zürich vor.10 Allerdings geht es für die Berechnung der Altersrente vom nach dem BVG-Umwandlungssatz notwendigen Kapital aus. Da der BVG-Umwandlungssatz erheblich höher ist als der von den Lebensversicherern angewendete, bleibt die Berechnung zu Lasten des Berechtigten ungenau.
Die output-orientierte Berechnung und Regelung kann nun auf verschiedene Weise erfolgen.
9 BGE 135 III 159 f. E. 4.2.
10 OberGer ZH, Urteil vom 14. April 2009, Nr. LC080045/U, Erw. II/1/f.
SJWZ-Workshops 30. Mai 2012 Vorsorgeunterhalt Seite 8
1. Ausgleich mit einer lebenslangen Unterhaltsrente Der geschiedene Ehemann müsste nun nach der Pensionierung weiterhin eine Rente im Betrag von Fr. 1‘500.- monatlich bezahlen. Mit Blick auf sein Einkommen von Fr. 7‘220.- monatlich ist ihm das ohne weiteres zumutbar. Es verbleiben ihm 5‘720.-. Die Frau hat dann Fr. 5‘400.-. Stirbt der Mann, wird die Frau von seiner Pensionskasse eine Witwenrente im entsprechenden Betrag erhalten.11 Allerdings besteht eine gewisse Gefahr, dass er bei seiner Pensionierung Kapital statt Rente bezieht, was die geschiedene Frau nicht verhindern kann. Dann erhält sie bei seinem Tod gar nichts mehr oder erheblich weniger. Zudem verliert sie ihre Ansprüche, wenn sie sich wieder verheiratet oder in einem gefestigten Konkubinat lebt. Psychologisch hat die Lösung den Nachteil, dass der geschiedene Ehemann auch im hohen Alter noch immer monatlich daran erinnert wird, dass er einmal verheiratet war, und auch weiterhin gewisse Ansprüche auf Auskunft bestehen, z.B. ob die Frau sich wieder verheiratet hat oder in einem gefestigten Konkubinat lebt. Zudem ist bei jeder Rente das Insolvenzrisiko zu beachten. 2. Kapitalzahlung im Zeitpunkt der Scheidung Damit könnte sich die Frau eine aufgeschobene lebenslange Rente kaufen. Eine genaue Berechnung des dafür notwendigen Kapitals ist nur im konkreten Fall möglich. Die Versicherung richtet sich nicht nach dem BVG sondern nach dem VVG. Es müsste folglich eine Offerte eingeholt werden. Eine annähernde Berechnung ist mit Leonardo möglich.12 Bei einer Rente von Fr. 18‘000.- jährlich ergibt sich ein Kapital von ca. Fr. 110‘000.-. Die Versicherungsgesellschaft wird voraussichtlich erheblich mehr verlangen. Wenn dies geschickt abgewickelt wird, ist dies für die Frau steuerlich die günstigste Lösung. Für den geschiedenen Ehemann ist die Kapitalabfindung steuerlich ungünstig. Es besteht für die Frau kein Insolvenzrisiko. Meistens ist aber das erforderliche Kapital nicht vorhanden, so dass diese Lösung ausscheidet. Zu beachten ist überdies, dass diese Lösung erbrechtliche Folgen hat, wenn sich der Mann wieder verheiratet: Weil die Schuld mit in Bezug auf die zweite Ehe aus vorehelichem Vermögen abgetragen worden ist, verbleibt mehr Einkommen während der zweiten Ehe, das gespart und als Errungenschaft zu einem erheblichen Teil zu Lasten der Kinder aus erster Ehe der zweiten Ehefrau zugehalten werden kann. 3. Erhöhung der bis zur Pensionierung geschuldeten Unterhaltsrente Hier wird nun das vorgängig berechnete Kapital wieder verrentet. Die Verrentung erfolgt wiederum aufgrund von Leonardo13. Es ergibt sich eine Erhöhung der monatlichen Verbrauchsrente um Fr. 515.-. Dieser Betrag stellt nun den Vorsorgeunterhalt in Rentenform dar. Diese Lösung hat für die Frau den Vorteil, dass sie sich im Alter wiederverheiraten kann, ohne eine Einbusse in der Rente zu erleiden. Sie ist für den geschiedenen Ehemann
11
Art. 19 BVG und Art. 20 BVV 2. 12
Aufgeschobene Leibrente Frauen, Mortalität (Tabelle 4y), 3.5 %, Alter 36, aufgeschoben um 28 Jahre, Faktor 6,01.
13 Temporäre Leibrente Frauen (Tabelle 2y), 3,5 %, Alter 36, Dauer 28 Jahre, Faktor 17.79.
SJWZ-Workshops 30. Mai 2012 Vorsorgeunterhalt Seite 9
steuerlich die günstigste Lösung, für die geschiedene Ehefrau steuerlich die ungünstigste. Das Insolvenzrisiko besteht natürlich auch hier. Psychologisch birgt die Lösung die grosse Gefahr, dass die Frau den Betrag für die laufenden Bedürfnisse verbraucht und dann im Alter doch kein genügendes Einkommen hat. Sie widerspricht insofern auch den Interessen der Allgemeinheit.
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18.5.12/Thomas Geiser
SJWZ-Workshops 30. Mai 2012 Eigenversorgungskapazität Jeanne DuBois, Rechtsanwältin, Zürich Vorsorgeunterhalt und Dauer der Unterhaltszahlungen Prof. Thomas Geiser, St.Gallen
Vorsorgeunterhalt
Beide Ehegatten waren 22 Jahre alt, als sie heirateten. Es ist folglich anzunehmen, dass sie vor der Ehe keine berufliche Vorsorge aufbauen konnten. Peter wird von seinem Einkommen und seiner Anstellung her über eine volle zweite Säule verfügen. Er verfügt wohl neben seiner eigentlichen Vorsorge noch über ein Freizügigkeitsguthaben oder –konto, auf dem ein Teil der Freizügigkeitsleistung platziert ist, welche ihm bei seinem Stellenwechsel ausgerichtet wurde. Bei seiner GmbH verdient er erheblich weniger als er früher als Berufslehrer. Er wird folglich nicht die ganze Freizügigkeitsleistung für den Einkauf in der neuen Pensionskasse verwendet haben. Annemarie hat ein Einkommen unter dem koordinierten Lohn nach Art. 7 f. BVG. Sie wird folglich über keine berufliche Vorsorge verfügen. In der Scheidung ist gemäss Art. 122 ZGB die Vorsorge hälftig zu teilen. Beide Ehegatten werden demnach nach der Scheidung über eine berufliche Altersvorsorge verfügen, welche der Hälfte einer Versicherung für ein Einkommen von über Fr. 5‘500/Monat entspricht. Bei diesem Beispiel stellt sich die Frage, ob Peter den Vorsorgeausgleich ausschliesslich mit den Mitteln aus dem Freizügigkeitskonto begleichen kann und will und damit die Vorsorge bei seiner Pensionskasse unangetastet lassen kann und will. Für Annemarie ist es grundsätzlich gleichgültig, ob sie den Vorsorgeausgleich aus den Mitteln der Pensionskasse oder vom Freizügigkeitskonto erhält. Allerdings kann dies bedeutend werden, wenn Peter
Heirat 1998 Scheidungsverfahren 2022
Annemarie Maier Tobler, 47 Jahre alt 40 % dipl. Berufsmasseurin
Lohn 1'800/Monat, in Ausbildung
Peter Tobler, 47 Jahre alt Angestellter der eigenen GmbH
Lohn 5'500/Monat (kein 13. Monatslohn)
Kinder
Thomas, 24 Jahre alt leben beide nicht mehr zu Hause
Mathilde, 20 Jahre alt beide in Ausbildung
SJWZ-Workshops 30. Mai 2012 Vorsorgeunterhalt Seite 2
stirbt. Die Begünstigtenordnung sieht nicht vor, dass die geschiedene Frau vom Freizügigkeitskonto beim Tod des Vorsorgenehmers etwas erhält. Demgegenüber kann sie sehr wohl als geschiedene Witwe von der Pensionskasse eine Witwenrente erhalten. Deren Höhe hängt aber davon ab, wie viel Alterskapital bzw. Altersente dem Versicherten zustand. Das Gesetz bestimmt nicht, aus welchem Guthaben der Vorsorgeausgleich zu tätigen ist. Es besteht höchstens ein Anspruch darauf, dass die Freizügigkeit in dem Ausmass in dem die Guthaben beim Pflichtigen dem Obligatorium unterstehen auch aus dem Obligatorium erfolgt. Von daher steht dem Pflichtigen die Wahl zu, aus welchem Guthaben er die Leistung erbringen will, weil die Berechtigte nicht ein rechtlich geschütztes Interesse daran geltend machen kann, aus einem bestimmten Guthaben befriedigt zu werden.
Lücken in der Vorsorge des Ehemannes:
Der Ehemann wird nach der Scheidung auf seinem ganzen Einkommen Beiträge an die Berufliche Vorsorge bezahlen (einschliesslich Arbeitgeberbeiträge). Insofern wird seine Vorsorge im Rahmen seines Einkommens aus der GmbH weitergeführt. 1. Es ist davon auszugehen, dass er den Vorsorgeausgleich mit den Mitteln des
Freizügigkeitskontos beglichen hat, nicht mit Guthaben aus seiner derzeitigen Pensionskasse. Von daher wird er auch nach vollzogenem Vorsorgeausgleich keine Lücke in seiner Altersvorsorge auf seinem derzeitigen Einkommen haben.
2. Steigert Peter später sein Einkommen, so wird er sich in der Regel nach den Regeln der
Vorsorgeeinrichtung für den höheren Verdienst in die Pensionskasse einkaufen können. Dieser Einkauf betrifft – unabhängig der Höhe des Einkommens – immer nur das Überobligatorium. Die Pensionskassen sind auch nicht verpflichtet, diesen Einkauf zuzulassen. In der Regel ist er aber in den Reglementen vorgesehen. Der Einkauf setzt allerdings voraus, dass Peter über die entsprechenden Mittel verfügt.
Lücken in der Vorsorge der Ehefrau
Die Ehefrau hat mit der Scheidung eine Freizügigkeitsleistung erhalten. Eine genaue Berechnung dieses Betrages ist nicht möglich, weil es auf die konkrete Ausgestaltung der entsprechenden Vorsorgeeinrichtung ankommt. Eine überschlagsmässige Berechnung kann aber folgendermassen vorgenommen werden: 1. Der bisherige Arbeitsverdienst von Annemarie liegt mit Fr. 21‘600.- knapp höher als
der Koordinationsabzug und damit ist auch sie obligatorisch versichert. Die Grenze für das Obligatorium liegt bei einem Jahreseinkommen von Fr. 20‘880.-. Sie ist damit mit dem Minimalbetrag von Fr. 3‘480.- Jahreseinkommen versichert.1 Darauf wird sie auch in Zukunft Beiträge bezahlen.
1 Art. 7 BVG und Art. 3a BVV 2.
SJWZ-Workshops 30. Mai 2012 Vorsorgeunterhalt Seite 3
2. Während der Ehe hatte sie weniger verdient, so dass sie nicht von Anfang an die berufliche Sorge beigetragen hat. Sie kann sich folglich im Rahmen ihres bisherigen Verdienstes einkaufen. Dazu dient ihr die Freizügigkeitsleistung, die sie aus dem Vorsorgeausgleich erhalten hat. Der Betrag wird mehr als ausreichen.
3. Annemarie wird ihr Einkommen nach Abschluss der Ausbildung erheblich steigern. Das
ermöglicht weitere Einkäufe. Ein Teil wird sie mit der Freizügigkeitsleistung finanzieren können, die sie aus dem Vorsorgeausgleich erhalten hat. Im Einzelfall ist zu berechnen, was hier unter Umständen noch als Einkaufsbeträge fehlt.
Ausgleich der Lücke in der Vorsorge der Frau durch Vorsorgeunterhalt
Von den Umständen des Falls her, wird Peter wohl in den ersten Jahren nach der Scheidung Annemarie Unterhalt bezahlen müssen. Anschliessend verdient sie gleichviel, eventuell sogar mehr als er. Er wird ihr folglich keinen weiteren Unterhalt schulden. Es geht dann nur noch um die Frage, ob sie sich mit den Mitteln, die sie aus dem Vorsorgeausgleich erhalten hat, voll wird in eine Altersrente einkaufen können oder ob auf Grund ihrer Ausbildungszeit noch eine Lücke in der Vorsorge bleiben wird. Diese Lücke lässt sich ohne weiteres durch die Vorsorgeeinrichtung, der sie angeschlossen ist, berechnen. Sie hängt wesentlich vom Vorsorgeplan der Pensionskasse und vom Alter ab, in dem bei ihr die Einkommenssteigerung stattfindet. Es wird sich selbstverständlich immer nur um eine Schätzung handeln, weil in der beruflichen Vorsorge die Zinssätze (und auch der Umwandlungssatz) fast jährlich ändern. Zudem erfolgt der Einkauf nicht ins BVG-Obligatorium, so dass die Vorsorgeeinrichtung frei ist, mit welchen Zinssätzen und welchem Umwandlungssatz sie rechnen will. Eine Annäherung ist aber ohne weiteres möglich. Es stellt sich dann auch hier die Frage, wie der so errechnete Betrag zu tilgen ist. Hier sind der Einbezug in die für die erste Zeit nach der Scheidung wohl noch laufende Unterhaltsrente oder eine gewisse Verlängerung dieser Rente ohne weites sinnvoll. Demgegenüber macht es keinen Sinn, die Lücke in der beruflichen Vorsorge von Annemarie mit Unterhaltszahlungen im Rentenalter auszugleichen. Für eine Kapitalabfindung wird es auch hier an den notwendigen Barmittel fehlen.
*****
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18.5.12/Thomas Geiser
Massgeblich ist auch hier Art. 125 ZGB
Obergericht des Kantons Zürich EfMGEGAIBEI
0 7. Mai 2009 A~ 0 8.06. 0~
Geschäfts-Nr. LC080045/U
I. Zivilkammer
'·· ~ • • -~~ r
Mitwirkend: Die Oberrichter Dr. 8 . Suter, Vorsitzender, Dr. G. Hug-Beeli und
Oberrichterin Dr. 0 . Scherrer sowie die juristische Sekretärin lic. iur.
Ch. Baumann
Urteil vom 14. April 2009
in Sachen
Gesuchstellerin und Appellantin
gegen
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. Ulrich Vogel-Etienne,
Berufung gegen ein Urteil des Einzelrichters im ordentlichen Verfahren
am Bezirksgericht -vom ~008
- 2 -
Rechtsbegehren (sinngemäss):
"Es sei die Ehe der Parteien zu scheiden, unter gerichtlicher Regelung der Nebenfolgen sowie unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Beklagten."
Urteil nzelrichters im ordentli n Verfahren des
1. Die Ehe der Parteien wird geschieden.
2. Das Ki geb. 1992, wird unter die elterliche Sorge
der Gesuchstellerin gestellt.
3. Auf eine Regelung des Besuchsrechts wird verzichtet.
4. a.) Die Vormundschaftsbehörde wird ersucht, für das Kind-
992, einen Beistand im Sinne von Art. 308 Abs. 1 J ~ .
und 2 ZGB zu bestellen.
b.) Dem Beistand werden folgende Aufgaben übertragen:
- Unterstützung des sorgeberechtigten Elternteils;
-Vermittlung in Konfliktfällen zwischen den Eltern und der Tocht~r.
5. Der Gesuchsteller wird verpflichtet, ab Rechtskraft des Scheidungsurteils bis
zum ordentlichen Abschluss einer' angemessenen Erstausbildung des Kin
des auch über die Mündigkeit hinaus an die Kosten des Unterhalts und der
Erziehung des Kindes monatlich im Voraus jeweils auf den Ersten des Mo
nats zahlbare Unterhaltsbeiträge von Fr. 1 '700.- (zuzüglich allfälliger gesetz
licher oder vertraglicher Kinderzulagen) zu bezahlen, zahlbar an die Ge
suchstellerin solange das Kind in deren Haushalt lebt oder keine eigenen
Ansprüche stellt bzw. keinen anderen Zahlungsempfänger bezeichnet.
6. Diese Unterhaltsbeiträge basieren auf dem Landesindex der Konsumenten
preise des Bundesamtes für Statistik (Stand bei Rechtskraft des Urteils; Ba-
- 3 -
sis Dezember 2005 = 100 Punkte). Sie werden alljährlich auf den 1. Januar
der Veränderung des Indexstandes angepasst (nach der Formel: Unter
haltsbeitrag mal neuer Index geteilt durch alten Index). Massgebend für die
Anpassung ist der Indexstand von Ende November des Vorjahres. Die erste
Anpassung erfolgt per 1. Januar 2009.
7. Der Gesuchsteller wird verpflichtet, der Gesuchstellerin persönlich monatli
che Unterhaltsbeiträge wie folgt zu bezahlen:
a) Fr. 5'300.- ab Rechtskraft des Scheidungsurteils bis 28. Februar 2009;
.,., b) Fr. 2'300.- von da an bis 30. November 2012;
c) Fr. 1'000.- von da an bis zum 30. November 2018 ;
d) Fr. 200.- von da an bis zum Erreichen des ordentlichen Pensionsalters
der Gesuchstellerin
~~ . 8. Diese Unterhaltsbeiträge unterstehen der Indexierung gernäss vorstehender
Ziffer 6.
Weist der Gesuchsteller nach, dass sich sein Einkommen nicht im Umfang
der Teuerung erhöht hat, so erhöhen sich die persönlichen Unterhaltsbeiträ
ge an die Gesuchstellerin nur im Verhältnis der tatsächlich eingetretenen
Einkommenserhöhung.
9. Die nachfolgende Teilvereinbarung der Parteien wird genehmigt. Diese lau
tet wie folgt:
"in güterrechtlicher Hinsicht vereinbaren die Parteien was folgt:
a) Der Gesuchsteller ist damit einverstanden, dass der Mietvertrag über die eheli-
che Wohnung nach Rechtskraft des Scheidungsurteils auf die Gesuchstellerin über
schrieben wird, und der Gesuchsteller verpflichtet sich, das hierzu Nötige beizutra
gen, sofern es seiner Mitwirkung bedarf.
b) Der Gesuchsteller verpflichtet sich, der Gesuchstellerin eine güterrechtliche
Ausgleichszahlung in der Höhe von Fr. 75'000.- zu bezahlen, zahlbar wie folgt:
- 4 -
Fr. 25'000.- aus dem Vorsorgekonto bei der . Vorsorgestiftung der .
AG [Anteile · Vorsorgekonto Ne Va-
loren Nr .. - . Der GesuchsteUer verpflichtet sich, der Gesuchstellerin
nach Rechtskraft des Scheidungsurteils diesen Betrag auf ein von ihr noch zu
bezeichnendes Konto bei einer Einrichtung nach Art. 1 Abs. 1 BVV 3 oder bei
einer Vorsorgeeinrichtung zu übertragen.
Fr. 50'000.- bar, davon Fr. 10'000.- zahlbar sofort als anrechenbare Akonto
zahlung und Fr. 40'000.- zahlbar innert 30 Tagen nach Rechtskraft des Schei
dungsurteils.
c) Im Übrigen behält jede Partei mit Aktiven und Passiven zu Eigentum, was sie
derzeit besitzt oder auf ihren Namen lautet."
10. Die Pensionskasse des Gesuchstellers wird angewiesen, mit Rechtskraft
des Scheidungsurteils vom Freizügigkeitskonto des Gesuchstellers (-
- AHV-Nr. geb. - 963) Fr. 171 '964 .- auf das
Freizügigkeitskonto der Gesuchstellerin bei der Freizügigkeitsstiftung der
.. AG, Postfach, AHV-Nr.
Kontonr. zu überweisen .
11 . Die Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf:
Fr. 7'500.00 ; die weiteren Kosten betragen :
Fr. 525.00 Dolmetscherkosten
Fr. 8'025.00
Allfällige weitere Auslagen bleiben vorbehalten .
12. Die Prozessentschädigungen werden wettgeschlagen .
Berufungsanträge:
Der Gesuchstellerin und Appellantin (Urk. 58 S. 2) :
1. Es sei Dispositiv Ziff. 7 des Urteils des Bezirksgerichtes-vom-112oos aufzuheben und durch folgende Fassung zu ergänzen:
- 5 -
"Der Gesuchsteller und Appellat sei zu verpflichten, der Gesuchstellerin und Appellantin persönlich monatliche Unterhaltsbeiträge von Fr. 7'518.-- zu bezahlen, zahlbar monatlich im Voraus auf den ersten eines jeden Monats ab Rechtskraft des Scheidungsurteils bis zum Erreichen des ordentlichen Rentenalters der Gesuchstellerin und Appellantin .
2. Es sei Dispositiv Ziff. 10 des Urteils des Bezirksgerichts -vom 8008 aufzuheben und durch folgende Fassung zu ersetzen:
"Die Pensionskasse des Gesuchstellers sei anzuweisen, den per Rechtskraft der Scheidung ~008) im Sinne von Art. 122 ZGB berechneten hälftigen Betrag der während der Ehe geäufneten Austrittsleistungen des Gesuchstellers auf das Freizügigkeitsko lerin i der Frei-züg~er~G Po AHV-Nr.-Kontonr. sen."
3. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen (zuzüglich MwSt) zulasten des Appellaten.
Des Gesuchstellers und Appellaten (Urk. 63 S. 2):
1. Die Berufung sei vollumfänglich abzuweisen;
2 . Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen (zzgl. Mehrwertsteuer) zu Lasten der Gesuchstellerin und Appellantin ."
Das Gericht zieht in Betracht:
1. Mit Urteil des Einzelrichters im ordentlichen Verfahren des Bezirkes
.vom ~008 wurde die Ehe der Parteien geschieden und wurden die
Nebenfolgen geregelt. Gegen diesen Entscheid liess die Gesuchstellerin am
21 . August 2008 rechtzeitig Berufung erheben (Urk. 47 und 48). Mit Verfügung
vom 10. September 2008 wurde dieses Urteil zwecks Ergänzung des Dispositivs
bezüglich der Regelung der Tragung der Gerichtskosten durch die Parteien an
den urteilenden Einzelrichter zurückgesandt (Urk. 52). Am 3. Oktober 2008 ging
die gernäss § 166 GVG berichtigte Fassung hierorts ein (Urk. 53), worauf die Ge
suchstellerin auch gegen das berichtigte Urteil am 29. September 2008 Berufung
erhob (Urk. 54 und 55). Am 6. Oktober 2008 wurde der Gesuchstellerin Frist an-
- 6 -
gesetzt, um ihre Berufungsanträge zu stellen und zu begründen (Urk. 56). Ihre
entsprechende Eingabe datiert vom 17. November 2008 (Urk. 58) . Mit Verfügung
vom 18. November 2008 wurde dem Gesuchsteller Frist angesetzt, um die Beru
fung zu beantworten . Seine Berufungsantwortschrift ging in der Folge am 30. De
zember 2008 hierorts ein (Urk. 63).
2. Mit Beschluss vom 8. Januar 2009 wurde die am 30. Dezember 2008 in
den nicht angefochtenen Punkten des vorinstanzliehen Urteils eingetretene
Rechtskraft festgestellt (Urk. 66) . Am 14. Januar 2009 wurden die Parteien auf
d~n 26. März 2009 zur Berufungsverhandlung vorgeladen (Urk. 69) . Mit Eingabe
vom 21. Januar 2009 reichte der Gesuchsteller noch Unterlagen bezüglich seiner
beruflichen Vorsorge ein (Urk. 70 , 72/1 +2) . Am 23 . Februar 2009 teilte die
Rechtsvertreterinder Gesuchstellerin mit, dass sie diese nicht mehr vertrete
(Urk. 73) . Mit Verfügung vom 6. März 2009 wurden die vom Gesuchsteller nach
träglich eingereichten Unterlagen der Gesuchstellerin zugestellt (Urk. 74). Am
26 . März 2009 fand die Berufungsverhandlung statt, an deren Ende beide Partei
en auf Teilnahme an der parteiöffentlichen Urteilsberatung und mündlichen Ur
teilseröffnung verzichteten (Prot. II S. 26) .
II.
1. Strittig sind im Berufungsverfahren lediglich noch die nachehelich vom
Gesuchsteller zu bezahlenden Unterhaltsbeiträge an die Gesuchstellerin persön
lich sowie die Höhe der an die Gesuchstellerin perRechtskraftdes Scheidungsur
teils zu überweisende Freizügigkeitsleistung (Urk. 58 S. 2). Sofern der Unterhalts
beitrag für den Ehegatten angefochten wird, können jedoch auch die Unterhalts
beiträge für die Kinder neu beurteilt werden (Art. 148 Abs. 1 ZGB).
a) Oie Vorinstanz ging von einem unbestrittenen Nettoeinkommen des Ge
suchstellers von Fr. 17'800.-- pro Monat aus (Urk. 46 S. 9) , was auch im Beru
fungsverfahren anerkannt ist (Urk. 63 S. 5). Der Gesuchstellerin rechnete die Vor
instanz ab 1. März 2009 ein hypothetisches Einkommen von Fr. 3'000.-- netto pro
Monat an (Urk. 46 S. 15). Für die Gesuchstellerin und die Tochter errechnete die
- 7 -
Vorinstanz ohne Berücksichtigung des Vorsorgedefizites einen Bedarf von Fr.
6'713.70 (Urk. 46 S. 21) .
Für den Ausgleich des Vorsorgedefizites der Gesuchstellerin errechnete die
Vorinstanz einen monatlichen Betrag von Fr. 200.-- (Urk. 46 S. 24). Aufgrund der
guten finanziellen Verhältnisse der Parteien wurde der Unterhaltsbeitrag für die
Gesuchstellerin und die Tochter ammen demgernäss von der Vorin-
stanz in einer ersten Phase auf Fr. 7'000.-- pro Monat festgesetzt (Urk. 46 S. 24),
für die Gesuchstellerin persönlich auf Fr. 5'300.-- bis 28. Februar 2009 . Ab 1.
März 2009 bis 30. November 2012 wurde eine Reduktion auf Fr. 2'300.-- vorge
nommen, danach bis 30 . November 2018 eine solche auf Fr. 1'000.-- und
schliesslich wurde der Unterhaltsbeitrag ab 1. Dezember 2018 bis zum Erreichen
des ordentlichen Pensionsalters der Gesuchstellerin auf Fr. 200.-- gesenkt (Urk.
46 S. 27 f.).
b) Die Gesuchstellerin erklärte sich im Berufungsverfahren mit der Höhe und
gestaffelten Zusprechung dieser Unterhaltsbeiträge nicht einverstanden und ver
langte einen persönlichen Unterhaltsbeitrag von Fr. 7'518.-- ab Rechtskraft des
Scheidungsurteils bis zum Erreichen ihres ordentlichen Rentenalters (Urk. 58
S. 2). Vorab ist somit festzuhalten, dass der Zeitpunkt der Beendigung der Unter
haltspflicht des Gesuchstellers nicht umstritten ist, sondern auch die Gesuchstel
lerin keine über ihren Eintritt ins ordentlichen Rentenalters hinaus dauernden Un
terhaltsbeiträge verlangt.
Primär wandte sich die Gesuchstellerin dagegen, dass ihr von der Vorin
stanz ein hypothetisches Einkommen angerechnet worden sei (Urk. 58 S. 5 ff.).
Der Gesuchsteller habe die Familie verlassen, als-11 ,5 Jahre alt gewe
sen sei. C- habe auf die familiäre Veränderung mit Anorexie und Selbstver
letzung reagiert und psychiatrischer Begleitung bedurft. Sie habe daher präsent
sein und sich intensiv um die Tochter kümmern müssen . Noch im vergangenen
Jahr habe ihr die Ärztin Dr. -vo~ der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit
abgeraten, um voll für C-da sein zu können. Die Vorinstanz habe auf die
Durchführung eines Beweisverfahrens verzichtet und in antizipierter Beweiswür
digung entschieden, obwohl ein ärztliches Attest vorgelegen habe, welches ihr ei-
- 8 -
ne nur 50%ige Arbeitsfähigkeit attestiere . Die von der Vorinstanz angezweifelte
angeschlagene Gesundheit von ihr und auch von ~ätte ihm Rahmen ei
nes Beweisverfahrens abgeklärt werden müssen. Mittlerweile gehe es
besser, wobei jedoch nach wie vor eine Labilität bestehe und die Tochter zudem
stark pubertiere, was die Gesuchstellerin aufs Äusserste fordere . Im Übrigen sei
auch das hypothetische Einkommen durch die Vorinstanz zu hoch angesetzt war-
den (Urk. 58 S. 7 ff.). ,,
Die Gesuchstellerin machte bezüglich ihres gebührenden Bedarfs geltend ,
dass der Gesuchsteller bislang einen solchen in der Höhe von Fr. 6'500.-- für
sie und~nerkannt habe, wobei Fr. 5'228.-- auf ihren Bedarf entfallen
seien. Sie bezifferte denn auch im Berufungsverfahren ihren gebührenden Bedarf
(ohne Ausgleich Vorsorgedefizit und AHV-Beiträge für Nichterwerbstätige) auf
Fr. 5'219.-- (Urk. 58 S. 16). An anderer Stelle bezifferte sie ihren gebührenden
Bedarf mit Fr. 7'518.-- (Urk. 58 S. 24 f.), wobei sie darin ein Vorsorgedefizit von
Fr. 2'000.-- sowie Kosten für Freizeit, Ferien und Mehrbedarf Kleider etc. von
Fr. 800.-- eingerechnet hatte . Diesen Betrag forderte sie wie erwähnt auch als
nachehelichen Unterhalt.
Der Gesuchsteller ging in Übereinstimmung mit der Vorinstanz davon aus,
dass die Gesuchstellerin ohne Weiteres ab März 2009 eine Vollzeitbeschäftigung
annehmen könne. Die inzwischen 16jährige Tochter bedürfe keiner besonderen
Betreuung durch die Mutter mehr.-sei nach den Ferien mit der Gesuch
stellerin in - ohne Wissen der Gesuchstellerin allein in die Schweiz zurückge
flogen und habe die erste Schulwoche ohne jede Betreuung hier verbracht. Es
wurde auch dementiert, da rössere Pubertätsprobleme aufweise. C. -besuche das Wirtschaftsgymnasium an der Kantonsschule- und ih
re schulischen Leistungen hätten sich erfreulich verbessert. Die diesbezüglichen
Vorbringen der Gesuchstellerin würden der Vergangenheit angehören . Er bestritt,
dass die Gesuchstellerin gesundheitlich angeschlagen sei. Bereits die Vorinstanz
habe festgestellt, dass sie dem Gericht erstmals am 17. März 2008 ein entspre
chendes ärztliches Zeugnis eingereicht habe. Dazu habe sie lediglich ausführen
können, dass sie seit Jahren an psychischen Problemen und Schlafstörungen Iei-
MD
Schreibmaschinentext
MD
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C.
- 9 -
de. Auch das neuerliche Attest von lic. phil. sei kein aussa-
gekräftiger Bericht. Es werde bestritten, dass deswe§en eine nur teilweise Ar
beitsfähigkeit bestehe. Zudem habe die Gesuchstellerin auch keinerlei Anstren
gungen unternommen, auch nur eine Teilzeitstelle zu finden. Ausserdem spreche
sie mindestens so gut deutsch, dass sie anlässlich der Gerichtsverhandlung zeit
weise auf den Beizug des bestellten Dolmetschers habe verzichten können
(Urk. 63 S. 5 ff.). Der Gesuchsteller stellte sich gernäss den vorinstanzliehen Aus
führungen auf den Standpunkt, dass der gebührende Unterhalt der Gesuchstelle
rin inkl. desjenigen der Tochter sowie des Ausgleichs des Vorsorgeschadens
Fr. 7'000.-- pro Monat jedenfalls nicht übersteige (Urk. 63 S. 10 f.). Der Gesuch
steller wandte sich auch dagegen, der Gesuchstellerin einen höheren Betrag als
Fr. 200.-- für den Ausgleich der fehlenden Altersvorsorge zu bezahlen (Urk. 63
S. 15 ff.).
c) Nach Art. 125 Abs. 1 ZGB hat der eine Ehegatte dem anderen einen an
gemessenen Beitrag zu leisten , sofern diesem nicht zuzumuten ist, selbst für den
eigenen Unterhalt unter Einschluss einer angemessenen Altersvorsorge aufzu
kommen. Art. 125 Abs. 2 ZGB führt die wichtigsten Gesichtspunkte auf, die der
Richter beim Entscheid in Erwägung zu ziehen hat, ob und gegebenenfalls in wel
cher Höhe und Dauer ein Unterhaltsbeitrag zuzusprechen ist. Art. 125 ZGB ist
zum Einen Ausdruck des Prinzips der nach Beendigung der Ehe beiden Gatten
obliegenden Eigenversorgung, zum Andern konkretisiert diese Bestimmung aber
auch den Gedanken der nachehelichen Solidarität, der namentlich Bedeutung er
langt, wenn es einem Ehegatten durch eine ehebedingte Beeinträchtigung seiner
wirtschaftlichen Selbständigkeit nicht zurnutbar ist, nach Auflösung der Ehe selbst
für seinen Unterhalt aufzukomrT;en (BGE 127 111 138 mit weiteren Hinweisen).
Voraussetzung und Grenze der Beitragsverpflichtung bildet schliesslich auf der
einen Seite der Bedarf des auf den Unterhaltsbeitrag angewiesenen Gatten, auf
der anderen Seite die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beitragspflichtigen.
Einerseits hat nach der Scheidung jeder Ehegatte für seinen Lebensunterhalt
möglichst selbst besorgt zu sein und muss die dazu notwendige Eigenständigkeil
anstreben. Anderseits wird der andere Ehegatte zur finanziellen Unterstützung
verpflichtet, da diese Autonomie durch die Ehe allenfalls eingeschränkt war. Es ist
-: 10 -
von der während der Ehe gelebten Aufgabenteilung auszugehen. Die Höhe des
Beitrags hängt wesentlich davon ab, ob es dem berechtigten Ehegatten möglich
ist, einen Verdienst zu erzielen oder die während der Ehe aufgegebene Erwerbs
tätigkeit wieder aufzunehmen . Die Unterhaltspflicht richtet sich somit in erster Li
nie nach den Bedürfnissen des unterhaltsberechtigten Ehegatten , sie hängt vom
Grad der Selbständigkeit ab, die man von ihm erwarten darf, das heisst von sei
ner Fähigkeit, berufstätig zu sein, um für den ihm gebührenden Unterhalt aufzu
kommen (Pra 92, 2003, Nr. 175, BGE 134 111145). Der Richter hat bei der Fest
setzung des Beitrages von den nicht abschliessenden Kriterien des Art . 125 Abs.
2 ZGB auszugehen, wobei ihm im Einzelfall ein gewisses Ermessen zusteht. Bei
den verfügbaren Mitteln ist auf das tatsächliche und mit gutem Willen erzielbare
Einkommen abzustellen (BGE 127 111136 E 2a und 3a, 127 111 289 E 2a/aa; vgl.
überdies ZR 106 Nr. 16, BGE 5C. 140/2004 vom 22. September 2004).
Welcher Unterhalt "gebührend" ist, bestimmt sich sodann daran , ob die Ehe
lebensprägend war oder nicht. Letzterenfalls , was regelmässig bei sogenannten
Kurzehen (d.h. Ehen, die weniger als fünf Jahre dauerten) zutrifft, sind die vorehe
lichen wirtschaftlichen Verhältnisse massgebend. Von einer Lebensprägung ist
demgegenüber auszugehen, wenn die Ehe lange (d.h. in der Regel mehr als zehn
Jahre) gedauert hat, wenn aus ihr Kinder hervorgegangen sind oder wenn der an
sprechende Ehegatte mit der Heirat aus seinem bisherigen Kulturkreis entwurzelt
worden ist. Diesfalls wird angenommen, dass das Vertrauen auf den Weiter
bestand der bisherigen Aufgabenteilung objektiv schutzwürdig ist, und der unter
haltsberechtigte Teil hat alsdann grundsätzlich Anspruch auf Fortsetzung des zu
letzt gemeinsam gelebten Standards. Bei einer Ehedauer zwischen fünf und zehn
Jahren spielt keine eigentliche Vermutung ; vielmehr kommt es darauf an, ob die
gelebten Umstände die Lebensverhältnisse der Ehegatten nachhaltig geprägt ha
ben. Die Ehedauer bemisst sich dabei grundsätzlich von der Eheschliessung bis
zur tatsächlichen Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft und nicht bis zur Schei
dung (Pra 95, 2007, Nr. 68 mit zahlreichen Hinweisen auf die Lehre).
aa) Die Gesuchstellerin ist 1989 im Alter von 28 Jahren von -in die
Schweiz eingereist, wo sie als Au-Pair arbeitete. Sie lernte während ihres Aufent-
- 11 -
haltesden Gesuchsteller kennen. Ab 1990 waren sie ein Paar und heirateten im
Oktober 1992 (Urk. 11 S. 6; Urk. 22 S. 2 f.) . Aus der Ehe ging die Tochter C(gebore~ November 1992) hervor (Urk. 4). Die Gesuchstellerin verfügt über
keine Berufsausbildung, hat aber vor der Ehe einige Zeit als Reinigungskraft ge
arbeitet. Nach vierjähriger Internatszeit hätte sie die Matura machen können, da
sie jedoch eine schwierige Kindheitssituation gehabt habe, habe sie dies unter
lassen (Prot. S. I 14, S. 36). Seit Mai 2004 leben die Parteien getrennt (Urk. 22
S. 2; Urk. 13 S. 3) .
Was den auch im Berufungsverfahren erneut vorgebrachten Einwand der
gesundheitlichen Beeinträchtigung der Beklagten anbelangt, reichte diese ein
Zeugnis von lic. phil. m 14. November 2008 ein, worin ihr
eine Erschöpfungsdepression attestiert wird . Zudem sei sie mit der Erziehung ih
rer pubertierenden Tochter massiv überfordert. Ihre Arbeitsfähigkeit betrage mo
mentan und bis auf Weiteres max. 50% (Urk. 60/1 = 77/8) . ln einem Schreiben
vom 29. Januar 2009 bestätige lic. phil. dass die Gesuch-
stellerin von August bis Dezember 2008 insgesamt neun ambulante psychothera
peutische Stunden in seiner Praxis in Anspruch genommen habe (Urk. 77/9).
Schon vor Vorinstanz und erneut im Berufungsverfahren hatte sie ein Attest von
Dr. datierend vom 3. März 2008 (Urk. 32/5 = Urk. 77/5), einge-
reicht, welches ihr psychische Beschwerden mit depressiven Stimmungsschwan
kungen und schweren Durchschlafstörungen im Sinne von rezidierenden depres
siven Episoden bescheinigt. Diese Beschwerden würden ihre Belastungs- und
Konzentrationsfähigkeit phasenweise derart einschränken, dass sie zur Zeit und
bis auf Weiteres zu 50% arbeitsunfähig sei . An lässlich der Berufungsverhandlung
reichte die Gesuchstellerin zudem neu ein Zeugnis von Dr.
vom 2. Februar 2009 (Urk. 77/1 0) ein. Er attestiert ihr ebenfalls eine anhaltend
depressive Verstimmung mit Einschlafstörungen. Bezüglich der Arbeitsfähigkeit
der Gesuchstellerin führte er aus, dass er diese nie beurteilt habe. Ausser einer
Substitutionsbehandlung eines Eisenmangelsyndroms mit Eiseninjektion sei keine
medikamentöse Behandlung durchgeführt worden. Die Gesuchstellerin selbst hat
te anlässlich der Berufungsverhandlung nicht explizit bestritten, mindestens 50%
arbeitsfähig zu sein (Prot. II S. 14).
- 12-
Wie die Vorinstanz zutreffend ausführte, wurden diese Beschwerden- ob
wohl sie gernäss Angaben der Gesuchstellerin seit mehr als sechs Jahren beste
hen - erstmals mit dem erwähnten Zeugnis gegen Ende des Scheidungsprozes
ses dokumentiert. ln der Klagebegründung hatte die Gesuchstellerin ausgeführt,
dass sie primär aufgrund anderer Umstände (Alter, Kinderbetreuung , mangelnde
Berufsausbildung und Deutschkenntnisse) nicht in der Lage sei, eine Erwerbstä
tigkeit aufzunehmen . Zwar hatte sie auch massive Schlafstörungen erwähnt, je
doch nicht expl izit erklärt, dass sie diese am Arbeiten hindern würden und dass
sie deswegen in ärztlicher Behandlung sei (Urk. 11 S. 7) . Auch anlässlich der Ver
handlung vom 6. November 2007 wies sie wiederum auf diese Schlafstörungen
hin, hatte jedoch nach eigenen Angaben erst die Absicht, sich im Rahmen einer
Therapie behandeln zu lassen (Urk. 22 S. 5) . Die Vorinstanz erwog dazu, dass
die Gesuchstellerin auch an lässlich der persönlichen Befragung keine Angaben
bezüglich Umfang und Dauer der Behandlung oder bezüglich der Einschränkun
gen, welche sie durch die Krankheit erfahre, gemacht habe, so dass sie nicht ge
nügend substanziert habe, weshalb sie aufgrund ihres Gesundheitszustandes an
einer Arbeitstätigkeit gehindert sein sollte (Urk. 46 S. 13). Im Berufungsverfahren
rügte die Gesuchstellerin diese Erwägungen der Vorinstanz und verlangte, dass
hiezu ein Beweisverfahren durchzuführen sei, wobei sie als Beweismittel das er
owie die Zeugenbefragung
von Dr. erte. Sie habe sich gegenüber dem vorinstanzli
ehen Richter auch bereit erklärt, die Frage ihrer Arbeitsfähigkeit durch einen Be
zirksarzt klären zu lassen (Urk. 58 S. 7) .
Aufgrund der beiden eingereichten Atteste bezüglich des Gesundheitszu
standes der Gesuchstellerin sowie ihrer Aussagen anlässlich der Berufungsver
handlung (Prot. II S. 12, 13 und 14), wonach sie nicht bestritt, zu 50% arbeitsfähig
und zu einer Arbeitstätigkeit in diesem Umfang grundsätzlich auch bereit zu sein,
ist jedenfalls davon auszugehen, dass eine einstweilen mindestens 50%ige Ar
beitsfähigkeit besteht und die Gesuchstellerin daher aufgrund ihres Gesundheits
zustandes in der Lage wäre, in diesem Umfang eine Erwerbstätigkeit aufzuneh
men. Sie machte keine plausiblen Ausf.ührungen dazu, weshalb sie auch in die
sem Umfang noch keine Erwerbstätigkeit aufgenommen bzw. wieder eine solche
I '
- 13-
gesucht hat. Die Gesuchstellerin hatte anlässlich der Berufungsverhandlung
selbst ausgeführt, dass sie eine Stelle zu 50% bei Starbucks innegehabt habe
(Prot. II S. 16) und diese nur zufolge eines Missverständnisses verloren habe und
somit nicht, weil sie ihr nicht gewachsen gewesen wäre (Prot. II S. 12). Ausser
dem erklärte sie ausdrücklich, dass sie in Zukunft bereit sei, mehr zu arbeiten,
wenn es ihr besser gehe (Prot. II S. 15). Da die Gesuchstellerin zudem nicht ex
plizit geltend machte, dass diese gesundheitlichen Probleme mit der in der Ehe
praktizierten Aufgabenteilung in direktem Zusammenhang stehen würden, können
sie den Unterhaltsanspruch aus nachehelicher Solidarität nicht für einen längeren
Zeitraum im vollen Umfang des gebührenden Unterhalts rechtfertigen.
bb) Wie die Gesuchstellerin selbst in der Berufungsbegründung vorbrachte
(Urk. 58 S. 7), sind die Probleme der Tochter C- welche im Zusammenhang
mit der Trennung der Parteien auftraten, wesentlich besser geworden. Zwar er
wähnte sie (Urk. 58 S. 6), dass ihr Dr. -noch im Juni 2007 einen erhöh
ten Betreuungsaufwand für C-bescheinigt und eine berufsbedingte Abwe
senheit ihrerseits für ungünstig erachtet habe (Urk. 12/1 ). Die Gesuchstellerin un
terliess es jedoch, im Berufungsverfahren ein neuerliches Attest bezüglich der
behaupteten Probleme der Tochter einzureichen, was ebenfalls ein Indiz dafür ist,
dass diese Probleme nicht mehr oder jedenfalls nicht mehr im früheren Ausmass
bestehen. Auch machte sie nicht explizit geltend, dass die Tochter weiterhin in
psychiatrischer Behandlung sei. Sie substanzierte auch nicht, inwiefern diese
Probleme nach nunmehr rund zwei Jahren heute noch vorhanden seien und ins
besondere, inwiefern sie diesen im Rahrnen ihrer Betreuungsaufgaben in zeitli
cher Hinsicht entgegenzuwirken habe. Anlässlich der Berufungsverhandlung bes
tätigte die Gesuchstellerin selbst, dass es der Tochter im Gymnasium immer bes
ser gehe. Zur Zeit sei sie nicht in Behandlung. Die Tochter lehne eine solche ab.
Trotz ihres Alters benötige die Tochter jedoch immer noch eine gewisse Betreu
ung (Prot. II S. 11 ff.) .
Auch wenn die Tochter noch einige Pubertätsprobleme aufweisen sollte, ist
nicht substanziert worden, inwiefern die Gesuchstellerin deswegen an der Aus
übung einer allenfalls auch nur teilweisen Erwerbstätigkeit gehindert sein sollte,
- 14-
zumal die Tochter sich während des Tages praktisch immer auswärts in der Schu
le aufhält. Wie bereits erwähnt, machte der Gesuchsteller geltend, dass C
keines erhöhten Betreuungsaufwandes bedürfe, da sie sich während der Woche
in der Schule befinde und nur am Freitagnachmittag frei habe. Allfällige Puber
tätsprobleme habe C1-grösstenteils überwunden. Sie besuche das Wirt
schaftsgymnasium der Kantonsschule nd ihre schulischen Leistungen
hätte sich erfreulich verbessert (Urk. 63 S. 6). Zusammenfassend ist somit festzu
halten, dass der Betreuungsaufwand, welchen die Gesuchstellerin für die Tochter
zu leisten hat, die Aufnahme einer wenigstens teilweisen Erwerbstätigkeit keines
wegs hindert. Die Gesuchstellerin anerkannte anlässlich der Berufungsverhand
lung auch selbst, dass sie neben der B~treuung der Tochter noch 50% arbeiten
könnte (Prot. II S. 13).
cc) Die Gesuchstellerin hatte vor Vorinstanz als weitere Argumente, welche
gegen die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit durch sie sprechen würden , auch ihr
Alter, ihre fehlende Ausbildung sowie Berufserfahrung angeführt. Die Vorinstanz
führte dazu aus, dass die Gesuchstellerin im Zeitpunkt der Trennung der Parteien
43 Jahre alt gewesen sei und noch rund 20 Jahre Berufsleben vor sich gehabt
habe. Sie habe keinerlei ernsthafte Anstrengungen unternommen, um eine Ar
beitsstelle zu finden. Es sei ihr ohne Weiteres zuzumuten, Hilfsarbeiten zu über
nehmen wie z.B. bei einem Kiosk, bei Detailhändlern, in Tankstellenshops, Take
Aways usw. Auch die mangelnden Deutschkenntnisse seien kein Hinderungs
grund, da die Gesuchstellerin anlässlich der Verhandlung mehrheitlich direkt ohne
Zuhilfenahme des Dolmetschers auf Fragen des Gerichts geantwortet habe (Urk.
46 S. 13 f.).
Was das Alter der Gesuchstellerin anbelangt, geht die bundesgerichtliche
Rechtsprechung grundsätzlich davon aus, dass dem haushaltführenden Ehegat
ten, der auf eine Erwerbstätigkeit verzichtet hat, die Wiederaufnahme einer sol
chen dann nicht mehr zuzumuten ist, wenn er im Zeitpunkt der Scheidung das
45. Altersjahr erreicht hat. Dabei handelt es sich jedoch nicht um eine starre Re
gel, sondern blass um eine widerlegbare Richtigkeitsvermutung (BGE SC.
132/2004 vom 8. Juli 2004). Wie bereits erwähnt, trennten sich die Parteien, als
- 15-
die Gesuchstellerin 43 Jahre alt war und wusste die Gesuchstellerin spätestens
bei Einreichung der Scheidungsklage im Dezember 2006, dass die Ehe endgültig
gescheitert war (Urk. 46 S. 11 ). Auch wenn die Gesuchstellerin nun über 45 Jahre
alt ist, kann sie dies nicht als entscheidendes Argument anfügen, da es dem Un
terhaltsberechtigten nicht frei steht, durch zu langes Zuwarten diesen Faktor zu
beeinflussen und sich im Nachhinein auf den Standpunkt zu stellen, dass die Al
tersgrenze, in welcher die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit noch möglich und
zurnutbar gewesen wäre, nun definitiv überschritten sei. Ein solches Verhalten
wäre als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren. Der Umstand, dass die Menschen
immer älter und das Rentenalter möglicherweise weiter angehoben wird, lässt ei
ne starre Altersgrenze für die Zumutbarkeit der Wiederaufnahme einer Erwerbstä
tigkeit kaum mehr zu, besteht doch in diesem Alter die mindestens theoretische
Möglichkeit einer Erwerbstätigkeit noch für rund 20 Jahre. Kommt vorliegend hin
zu, dass die Gesuchstellerin erst im Alter von 31 Jahren heiratete und die Ehe bis
zur Trennung 11 Jahre dauerte, so dass $ie an der untersten Grenze zu Qualifi
zierung einer langjährigen Ehe liegt. Auch wenn die Ehe als lebensprägend zu
qualifizieren und damit eine Rente aus nachehelicher Solidarität grundsätzlich zu
bejahen ist, besteht aufgrund der konkreten Verhältnisse kein Anspruch darauf,
dass die Gesuchstellerin keinerlei Erwerbstätigkeit mehr ausüben müsste. Allein
das Alter der Gesuchstellerin und die Dauer der Ehe schliessen die Verpflichtung
der Gesuchstellerin zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit jedenfalls nicht zum
Vornherein aus. Angesichts der konkreten Umstände kann auch nicht gesagt
werden, dass während der Ehe eine Vertrauensposition geschaffen wurde, wel
che es als unzumutbar erscheinen liesse, dass die Gesuchstellerin wieder eine
Erwerbstätigkeit aufnehmen müsste. Dafür hat die Ehe im vorliegenden Fall zu
wenig lange gedauert und war das soziale Gefälle nicht derart gross (und wurde
auch nicht substanziert), dass der Gesuchstellerin nicht zuzumuten wäre, wieder
eine ähnliche Erwerbstätigkeit wie vor Ei~gehung der Ehe aufzunehmen. Die vor
liegenden Verhältnisse sind demgernäss nicht unbesehen mit denjenigen im Ent
scheid 5P.499/2006 des Bundesgerichts vom 6. März 2007 zu vergleichen.
Bezüglich Ausbildung und Berufserfahrung hat die Gesuchstellerin kaum
Aussichten auf eine qualifizierte und entsprechend gut bezahlte Stelle. Kommt
- 16-
hinzu, dass sie offenbar nicht über sehr gute Deutschkenntnisse verfügt. Da sich
zudem die Lage auf dem Arbeitsmarkt in jüngster Zeit verschlechtert hat (die Vor
instanz ging noch von einer allgemein guten Wirtschaftslage in der Schweiz aus,
Urk. 46 S. 14), sind die Möglichkeiten der Gesuchstellerin eher beschränkt. Wie
die Vorinstanz jedoch zutreffend ausführte, bestehen auch für eher schlecht quali
fizierte Personen diverse Einsatzmöglichkeiten wie z.B. in Tankstellenshops,
Kiosks, Reinigungsfirmen etc., welche auch ohne perfekte Deutschkenntnisse oh
ne Weiteres versehen werden können. Oie Gesuchstellerin hat den Beweis, dass
sie grundsätzlich fähig ist, eine solche Anstellung zu versehen, auch selbst er
bracht, indem sie bei Starbucks als Barista zu 50% gearbeitet hat. Laut eigenen
Angaben kam es zur Auflösung des Vertragsverhältnisses schon in der Probezeit
lediglich aufgrundeines Missverständnisses und nicht z.B. aufgrundmangelnder
Arbeitsleistungen (Prot. II S. 12). Andere Gründe wurden von der Gesuchstellerin
nicht vorgebracht und ergeben sich auch nicht aus dem von ihr eingereichten Ar
beitszeugnis (Urk. 77/16). Dort wird zudem festgehalten, dass die Gesuchstellerin
die ihr übertragenen Arbeiten selbständig und mit Engagement erledigt habe. Sie
habe in qualitativer und quantitativer Hinsicht eine gute Leistung erbracht. Sie ver
füge über eine gute Auffassungsgabe und sei daran interessiert, Neues kennen
zulernen. Sie habe sich gute Fach-unq Berufskenntnisse aneignen können
(Urk. 77/16) . Es kann somit ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass die
Gesuchstellerin mit ihren Fähigkeiten eine passende Erwerbstätigkeit finden und
auch versehen kann .
Die Gesuchstellerin brachte anlässlich der Berufungsverhandlung bezüglich
ihrer beruflichen Möglichkeiten neu vor, dass sie eine dreijährige Ausbildung in
Shiatsu machen möchte, welche laut Prospekt Fr. 25'000.--, jedoch gernäss tele
46 S. 17], Fr. 200.-- Ferien [Urk. 46 S. 20], Fr. 120.-- Musikunterricht [Urk. 46
S. 21], Fr. 240.-- Ausbildungskosten [Urk. 46 S. 18], insgesamt Fr. 1'140.--), so
ergibt dies einen Bedarf der Gesuchstellerin von Fr. 5'573. 70. Berücksichtigt man
zudem, dass die Steuern aufgrund der durch die Gesuchstellerin zu versteuern
den Kinderunterhaltsbeiträge für sie und die Tochter höher ausfallen als für sie al
lein und sie möglicherweise eine etwas teurere Wohnung haben muss, weil die
Tochter noch mit ihr zusammenlebt, ergibt dies etwa den von ihr geltend gemach
ten persönlichen Bedarf von ca. Fr. 5'200.-- ohne Vorsorgedefizit und AHV
Beiträge (Die restlichen Fr. 1'700.-- entfallen auf die Tochter) . Dieser Betrag ist
der Gesuchstellerin aufgrund des gelebten Standards und den entsprechenden
Einkommensverhältnissen jedenfalls als gebührender Unterhalt (ohne Vorsorge
quote) zuzugestehen.
Die Gesuchstellerin machte jedoch im Berufungsverfahren geltend, dass
dieser Betrag effektiv höher zu veranschlagen sei:
aa) Sie habe wieder höhere Gesundheitskosten zu verzeichnen, weshalb
der Selbstbehalt von Fr. 45.-- auf Fr. 100.-- zu erhöhen sei (Urk. 58 S. 14). Selbst
wenn die Kosten im Jahre 2008 (Urk. 60/5-8) höher ausgefallen sein sollten, kön
nen diese nicht lediglich basierend auf einem Jahr erhöht werden, sondern ist von
einem Durchschnittswert auszugehen, weshalb keine Erhöhung vorzunehmen ist.
Die Kosten wurden vom Gesuchsteller bestritten (Urk. 63 S. 11 ). Auf Vorhalt, ob
diese Kosten nicht von der Krankenkasse übernommen würden, meinte die Ge
suchstellerin ausserdem, dass dies der Fall sei, es sich aber um viele Rechnun
gen handle (Prot. II S. 18).
-20-
bb) Die Gesuchstellerin machte weiter geltend, dass sich die Krankenkas
senbeiträge für sie und die Tochter auf Fr. 331 .-- (von Fr. 312. 80, Urk. 46 S. 17)
bzw. Fr. 86.-- (von Fr. 79.90, Urk. 46 S. 17) erhöht hätten (Urk. 58 S. 14 und 24) .
Die Differenz beträgt demzufolge Fr. 24.30. Diese Kosten wurden vom Ge
suchsteller nicht bestritten, jedoch als unbedeutende Erhöhung qualifiziert (Urk.
63S.11).
cc) Bezüglich der von der Vorinstanz berücksichtigten Fahrzeugkosten von
Fr. 400.-- pro Monat rügte die Gesuchstellerin , dass diese zu tief angesetzt wor
den seien . Bei dem von ihr gefahrenen Fahrzeug handle es sich um einen Wagen
der Mittelklasse. Bei der Berechnung des gebührenden Bedarfs müsse auch ein
Betrag für die Abschreibung des Wagens berücksichtigt werden , damit sie das
Auto dereinst wieder ersetzen könne, weshalb Fr. 500.-- zu berücksichtigen seien
(Urk. 58 S. 14; Prot. II S. 18). Der Gesuchsteller wandte sich gegen dieses Be
gehren (Urk. 63 S. 11 ). Da die Gesuchstellerin die Kosten nicht substanzierte, be
steht kein Anlass , diesen Betrag zu erhöhen.
dd) Die Gesuchstellerin forderte auch einen Betrag von Fr. 300.-- statt der
von der Vorinstanz berücksichtigten Fr. 200.-- für Mehrbedarf Coiffeur, Kleider
(Urk. 58 S. 14). Aufgrund ihrer sehr kleinen Statur müsse sie ihre Kleider in Bou
tiquen mit Spezialgrössen einkaufen (Urk. 58 S. 14). Der Gesuchsteller bestritt,
dass die Gesuchstellerin während der Ehedauer je in solchen Boutiquen einge
kauft habe (Urk. 63 S. 11 ). Die Gesuchstellerin war nicht in der Lage, auch nur
eine dieser Boutiquen zu nennen (Prot. II S. 19). Selbst wenn es sich jedoch so
verhalten haben sollte, besagt dies nicht zwingend, dass die Kleider dort teurer
sein müssen, was die Gesuchstellerin auch nicht explizit behauptete, weshalb
kein höherer Betrag zu berücksichtigen ist.
ee) Den Betrag von Fr. 400.-- für Ferien für sich und C-erachtete die
Gesuchstellerin als zu tief. Ein Direktflug Zürich--mit Swiss koste € 1'400.
- pro Person, was Fr. 4'620.-- für zwei Personen ausmache. Auch der in diesem
Sommer bei einer billigeren Fluggesellschaft gebuchte Flug habe für sie beide
Fr. 2'260.-- gekostet. Hinzugekommen seien die Kosten für ein Mietauto. Zusätz
lich würden Kosten für Ausflüge und Auswärtsessen anfallen. Zudem habe man
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während der Ehe stets eine Woche Skiferien in Österreich gemacht und auch Fe
rienreisen nach Übersee und in die Karibik. Es sei deshalb im Minimum ein Be
trag von Fr. 500.-- für diese Aktivitäten im Bedarf einzusetzen (Urk. 58 S. 15; Prot.
II S. 19). Der Gesuchsteller bestritt diese Angaben. Insbesondere machte er gel
tend , dass es auch Flüge für weniger als Fr. 1'000.-- nach -gebe (Urk. 63
S. 12). Der von der Vorinstanz eingesetzte Betrag erscheint mit Verweis auf deren
Begründung für diese Position angemessen (Urk. 46 S. 20; § 161 GVG).
ff) Die Gesuchstellerin verlangte weiter einen Betrag für Haustiere und Frei
zeit für sie und C-von Fr. 500.-- (Urk. 58 S. 15). Dieser Betrag wird vom
Gesuchsteller nicht anerkannt. Ausserdem machte er geltend, dass sich die Ge
suchstellerin einen Hund erst nach Trennung der Parteien angeschafft habe. Letz
teres wurde von der Gesuchstellerin bestätigt (Prot. II S. 20). Wiederum mit Ver
weis auf die vorinstanzliehen Ausführungen erscheint der von der Vorinstanz fest
gesetzte Betrag angemessen (Urk. 46 S. 21; § 161 GVG).
Zusammenfassend erhöht sich demgernäss der gebührende Unterhalt der
Gesuchstellerin gegenüber der vorinstanzliehen Berechnung lediglich unwesent
lich um Fr. 24.30.
e) Wie die Vorinstanz zutreffend ausführte, sind AHV-Beiträge für Nichter
werbstätige im Bedarf der Gesuchstelleri~ nicht zu berücksichtigen, da sie ab Ok
tober 2009 einer Erwerbstätigkeit nachzugehen hat (§ 161 GVG; Urk. 46 S. 21 ;
vgl. auch BGE 5C.43/2006 vom 8. Juni 2006, S. 3) .
f) Gernäss Art. 125 Abs. 1 ZGB schliesst der gebührende Unterhalt auch die
Kosten für den Aufbau einer angemessen Altersvorsorge ein. Dieser Betrag ist in
die Grundbedarfsberechnung aufzunehmen. Wie dieser Beitrag zu berechnen sei,
entsprach bis anhin weitgehend dem Ermessen des Gerichtes, da es bislang kei
ne einheitliche Berechnungsmethode gab (FamKomm Scheidung/Freivogel , Anh.
UB N 22; BGE 5A_21 0/2008 = ZBJV 145 [2009], S. 131 ff.) . ln einem neuen Bun
desgerichtsentscheid äusserte sich das höchste Gericht erstmals ausführlich zu
dieser Thematik (BGE 5A_21 0/2008 = ZBJV 145 [2009], S. 131 ff.). Abgelehnt
wurde in diesem Entscheid des Bundesgerichtes die Auffassung, wonach Aus-
- 22-
gangspunktdas hypothetische Bruttoerwerbseinkommen sei , das nachehelich
vom Berechtigten hätte erzielt werden können, wenn die Ehe gar nie geschlossen
worden wäre. Diese Berechnungsmethode hatte die Vorinstanz gewählt. Sie kann
somit nicht zur Anwendung gelangen. Abgelehnt wurde vom Bundesgericht aber
auch der Ansatz, als Ausgangspunkt jenes Einkommen zu nehmen, welches der
vorerst einmal Unterhaltsberechtigte mit einer Vollzeiterwerbstätigkeit selbst zu
erwirtschaften vermöge. Da die Berechnung jedoch von diversen künftigen Fakto
ren und Entwicklungen abhängt, die im Scheidungszeitpunkt nicht mit Sicherheit
feststehen und somit hypothetisch sind, kann es sich nicht um eine exakte Be
rechnung handeln, sondern kann die zukünftige Entwicklung nur geschätzt wer
den.
Die Leistungen aus der 1. und 2. Säule sollten zusammen ungefähr 60%
des Brutto- bzw. 70% des Nettoeinkommens ausmachen (BGE 5C.43/2006 vom
8. Juni 2006). Ausgehend vom gebührenden Unterhalt der Gesuchstellerin von
derzeit Fr. 5'200.-- (ohne Vorsorgedefizit) und entsprechenden Einkünften aus Ali--~
~tenleistungen und Eigenverdienst ergebe dies somit ein Rentenziel von min-
destens Fr. 3'640.--. ln der Regel stehen jedoch den Rentnern , welche wie vorlie
gend in gehobenen Verhältnissen gelebt haben, daneben noch weitere Ersparnis
se und Vermögenswerte wie Versicherungen, Säule 3a, Liegenschaften etc. zur
Verfügung, so dass ein höherer Bedarf abgedeckt werden kann . Dies erscheint
auch vorliegend angemessen. Zwar werden gewisse Ausgabenpositionen sich im
Alter reduzieren, dafür nehmen andere Ausgaben z.B. für Gesundheitskosten zu . 0 ----... Der von der Gesuchstellerin für diese Zeit auf Fr. 4'500.-- bezifferte Betrag er-- .. scheint daher angemessen (Urk. 58 S. 20). Auf mehr als die Deckung des gebüh-
renden Unterhalts besteht auch im Rentenalter kein Anspruch. Es ist daher uner
heblich, dass der Gesuchsteller voraussichtlich nach seiner Pensionierung besser
gestellt sein wird als die Gesuchstellerin. Das ist er aufgrundseines Einkommens
auch vor der Pensionierung. Es besteht jedoch kein Anspruch auf absolute
Gleichstellung.
Die Gesuchstellerin ging davon aus, dass sie aufgrund ihrer Beitragslücken
bei den AHV-Zahlungen von elf Jahren eine Altersrente der 1. Säule von Fr.
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1'637.-- erhalten werde (Urk. 58 S. 21 ). Der Gesuchsteller konnte diese Berech
nung nicht substanziert bestreiten bzw. widerlegen. Sie erscheint im Übrigen
plausibel, weshalb darauf abzustellen ist. Wie die Gesuchstellerin weiter zutref
fend ausführte, wird sie nach der Teilung der Austrittsleistung des Gesuchstellers
ein Alterskapital von ca. Fr. 177'000.-- erhalten, welches verzinst bis zu ihrem Ein
tritt ins Rentenalter auf ca. rund Fr. 230'000.-- anwachsen dürfte (Urk. 58 S. 20).
Dies wurde vom Gesuchsteller nicht substanziert bestritten (Urk. 63 S. 15). Aus
dem güterrechtlichen Ausgleich zwischen den Parteien erhielt die Gesuchstellerin
eine Zahlung von Fr. 25'000.-- auf ein gebundenes Säule 3a Konto. Dieses Gut
haben ist bei der Berechnung ihrer Altersvorsorge ebenfalls zu berücksichtigen
-was aufgezinst bis zum Eintritt der Gesuchstellerin ca. Fr. 35'000.-- ergeben
dürfte-, womit von einem bis zum Rentenalter der Gesuchstellerin aufgezinsten
Alterskapital von ca. Fr. 265'000.-- auszugehen ist. Die Vorinstanz ging davon
aus, dass die Gesuchstellerin mit dem diesem Entscheid zugrundegelegten hypo
thetischen Einkommen einen versicherten Jahreslohn von Fr. 20'995.-- erzielen
werde, wobei die jährlichen Altersgutschriften bis zum Alter von 54 Jahren Fr.
3'149.25 (mal 5 = rund Fr. 15'750.--) und danach Fr. 3'779.1 0 (mal 10 = rund Fr.
37'800.--) betragen würden. Dies von der Vorinstanz errechneten Beträge waren
von den Parteien nicht explizit bestritten worden und erscheinen zutreffend oder
wenigstens realistisch, da ohnehin nicht von einer gesicherten Grundlage ausge
gangen werden kann und auch das zugrundegelegte Einkommen nur hypothe
tisch ist. Insgesamt würde die Gesuchstellerin somit unter Berücksichtigung der
Verzinsung ein Alterskapital von knapp Fr. 60'000.-- aus ihrer Erwerbstätigkeit
ansparen können. Letztlich würde somit aus der 2. Säule und Säule 3a ein Kapi
talbetrag von etwas weniger als Fr. 325'000.-- resultieren, was bei einem Um
wandlungssatz von 6,8% eine Jahresrente von ca. Fr. 22'1 00.-- bzw. eine Mo
natsrente von ca. Fr. 1'840.-- ergeben würde. Zusammen mit der AHV-Rente
könnte die Gesuchstellerin demgernäss 11ach ihrem Eintritt ins Rentenalter mit
Einkünften von rund ca. Fr. 3'500.-- rechnen. Zur Deckung des gebührenden Un
terhalts würden ihr somit monatlich ca. Fr. 1'000.-- fehlen. Um einen solchen Be
trag generieren zu können, müsste sie demgernäss über ein Kapital von rund wei
teren Fr. 177'000.-- verfügen können (1'000: 6,8 x 100 x 12). Da jedoch über den
\ \
-24-
Zeitraum von 16 Jahren, in welchem dieses Kapital angespart wird, eine gewisse
Aufzinsung einzurechnen wäre, rechtfertigt es sich, von einem Fehlbetrag von
rund Fr. 900.-- pro Monat auszugehen. Dementsprechend ist dieser Betrag zum
für den laufenden Bedarf berechneten gebührenden Unterhalt zu zählen , weshalb
sich dieser für die Gesuchstellerin persönlich bis zum Eintritt ins Rentenalter auf
rund Fr. 6'1 00.-- pro Monat erhöhen würde.
Da C- das Gymnasium absolviert und im November 2012 zwanzig Jah
re alt sein wird , ging die Vorinstanz davon aus, dass sich der gebührende Unter
halt der Gesuchstellerin dannzumal reduzieren werde, da die Kosten betreffend
C- wegfallen würden (Urk. 46 S. 27) . Dazu hat sich die Gesuchstellerin im
Berufungsverfahren nicht explizit geäussert. Da bei der vorliegend angewandten
Berechnungsweise die Kosten der Tochter nicht im Bedarf der Gesuchstellerin
einberechnet worden waren, kann bei Eintritt dieses Ereignisses lediglich die Be
rücksichtigung einer Reduktion der ·Wohnkosten der Gesuchstellerin in Betracht
kommen , da die Wohnkosten für eine Person tiefer sein dürften. Es rechtfertigt
sich daher, ab diesem Zeitpunkt von einem um Fr. 500.-- geringeren Bedarf aus
zugehen. Dieser beläuft sich dannzumal somit noch auf Fr. 5'600.-- (inkl. Vorsor
gedefizit).
g) Dies ergibt folgende Berechnung für die an die Gesuchstellerin persönlich
zu leistenden Unterhaltsbeiträge, wobei sich der Unterhaltsbeitrag für die Ge
suchstellerin aus der Differenz zwischen ihrem gebührenden Unterhalt von Fr.
6'1 00.-- bzw. Fr. 5'600.-- ab 1. Januar 2013 inkl. Vorsorgedefizit und dem jeweili
gen Einkommen in der entsprechenden Periode berechnet:
-Ab Rechtskraft dieses Urteils bis Ende September 2009: Fr. 6'1 00.--
-Ab 1. Oktober 2009 bis 30. Dezember 2010: Fr. 4'600.-- (Nettoeinkommen
Fr. 1'500.--)
-Ab 1. Januar 2011 bis 30. Dezember 2012: Fr. 2'900.-- (Nettoeinkommen
Fr. 3'200.--)
- 25-
-Ab 1. Januar 2013 bis zum Erreichen des ordentlichen Pensionsalters der Ge
suchstellerin: Fr. 2'400.--.
Wie bereits erwähnt, betragen die Kosten für~ insgesamt ca.
Fr. 1 '700.-- pro Monat, weshalb der Kinderunterhaltsbeitrag unverändert bleibt.
2. Die Gesuchstellerin forderte , dass ihr die Hälfte der perRechtskraftdes
Scheidungsurteils vom 30. September 2008 geäufneten Austrittsleistung des Ge
suchstellers auf ihr Freizügigkeitskonto zu überweisen sei. Sie habe bereits die
Vorinstanz darauf hingewiesen, dass die Berechnung der zu teilenden Austritts
leistung zur aktualisieren wäre, sollte der Zeitpunkt der Rechtskraft des Schei
dungsurteils nach dem 30. Juni 2008 eintreten. Die Vorinstanz habe dies unter
lassen und die Zahlenper 6. Juni 2008 übernommen, obwohl die Rechtskraft erst
drei Monate später eingetreten sei (Urk. 58 S. 4) . Der Gesuchsteller hielt entge
gen, dass es in der Gerichtspraxis nie möglich sein werde, das genaue Datum
des Eintritts der Rechtskraft des Scheidungsurteils vorauszusehen (Urk. 63 S. 4).
Dieser Einwand des Gesuchstellers ist grundsätzlich zutreffend , doch ist es vor
liegend aufgrund der von der Gesuchstellerin erhobenen Berufung , in welcher der
Scheidungspunkt nicht angefochten wurde, möglich , den exakten Zeitpunkt des
Eintritts der Rechtskraft des Scheidungsurteils zu bestimmen. Wie bereits im Be
schluss vom 8. Januar 2009 festgehalten, wurde die Scheidung der Parteien am
30. Dezember 2008 rechtskräftig (Urk. 66). Gernäss Auskunft der Personalvor
sorgestiftung der ~G beträgt die Austrittsleistungper 31. Dezember
2008 Fr. 390'750.--, wovon die vor der Eheschliessung geäufnete Austrittsleis
tung, welche aufgezinst Fr. 36'212.-- beträgt, abzuziehen ist, so dass die während
der Ehe geäufnete und damit zu teilende Austrittsleistung per Rechtskraft des
Scheidungsurteils Fr. 177'269.-- beträgt (Urk. 72/2). Beide Parteien erklärten sich
anlässlich der Berufungsverhandlung mit dieser Höhe des Vorsorgeausgleichs
ausdrücklich einverstanden (Prot. II S. 26). Die Pensionskasse des Gesuchstel
lers ist dementsprechend anzuweisen, persofort vom Freizügigkeitskonto des
Gesuchstellers (I AHV-Nr. geb .~963)
Fr. 177'269.- auf das Freizügigkeitskonto der Gesuchstellerin bei der Freizügig-
-26-
keitsstiftung der~G. Postfach, AHV-Nr.
Kontonr. CH
111.
1. Im zweitinstanzliehen Verfahren waren lediglich noch vermögensrechtli
che Belange (Unterhaltsleistungen für die Gesuchstellerin persönlich sowie Vor
sorgeleistungen) im Streit, weshalb sich die Gerichtsgebühren sowie die Anwalts
entschädigung gernäss dem Streitwert berechnen. Da die Gesuchstellerin für sich
persönlich Unterhaltsbeiträge von rund Fr. 7'500.-- gefordert, der Gesuchsteller
lediglich solche im Umfang, wie sie die Vorinstanz zugesprochen hatte, aner
kannte , ist im Berufungsverfahren von ~inem Streitwert von ca . 1,25 Millionen
Franken auszugehen, so dass die Gesuchstellerin im Berufungsverfahren zu ca .
5/8 als unterliegend zu erachten ist. Demgernäss sind ihr die Kosten des Beru
fungsverfahrens aufzuerlegen . Sodann ist sie entsprechend ihrem Unterliegen zu
verpflichten, dem Gesuchsteller eine auf 1/4 reduzierte Prozessentschädigung für
das Berufungsverfahren zu bezahlen .
2. ln einem Schreiben, welches die Gesuchstellerin nach der Berufungsver
handlung am 30. März 2009 dem Gericht zukommen liess (Urk. 78) , monierte sie,
dass der vom Gericht bestellte olmetscher, in der
ersten Verhandlungsphase nicht bei der Sache gewesen sei. Er habe sich andau
ernd mit seinem Handy beschäftigt und nicht richtig zugehört. Sie habe die Anwe
senheit eines Dolmetschers nicht erwartet, da sie dem Gericht mitgeteilt habe,
dass sie keinen benötige. Bei der Eröffnung der Verhandlung habe ihr der Vorsit
zende mitgeteilt, dass sie ihre Plädoyernotizen vorlesen könne. Auf diese Auffor
derung habe sie leider nicht reagieren können , da sie vom Dolmetscher nicht an
gehalten worden sei, ihre Notizen dem Gericht darzulegen. ln der Verhandlungs
pause habe sie den Dolmetscher gefragt, warum er ihr diese Aufforderung nicht
übersetzt habe, worauf dieser bewegt reagiert und gemeint habe, dass sie ihre
Stellungnahme nach der Pause abgeben könne. Sie habe deswegen die Chance
verpasst, ihr Plädoyer persönlich und in vollem Umfang dem Obergericht vortra-
- 27-
gen zu können. Sie ersuche das Obergericht, ihre Unzufriedenheit mit diesem
Umstand zur Kenntnis zu nehmen sowie zu überprüfen, ob sie die angefallenen
Dolmetscherkosten gesamthaft zu tragen habe.
Da die Gesuchstellerin selbst nicht behauptete, dass sie die Mitteilung des
Vorsitzenden zu Beginn der Verhandlung , wonach sie ihre Notizen vorlesen kön
ne, sprachlich nicht verstanden habe, sondern nur geltend machte, sie sei vom
Dolmetscher nicht angehalten worden, dies zu tun , entbehrt ihr Vorwurf einer Be
rechtigung . Der Dolmetscher hat bei Bedarf nur die Äusserungen des Gerichtes
zuhanden der Partei zu übersetzen, jedoch nicht die Kompetenz, die Partei zu ir
gendwelchen Handlungen zu veranlassen . Da die Gesuchstellerin die Dienste des
Dolmetschers nur partiell in Anspruch nehmen musste, weil sie den Fragen des
Gerichtes, insbesondere bei nicht komplexen Themen, in sprachlicher Hinsicht
ohne Weiteres folgen konnte, ist davon auszugehen, dass sie die Aufforderung
des Vorsitzenden zur Darlegung ihres Standpunktes und dem allfälligen Verlesen
von Notizen selbst verstand. Dass sie nur wegen des Verhaltens des Dolmet
schers darauf nicht reagieren konnte , erscheint wenig plausibel. Allenfalls lag
diesbezüglich ein Missverständnis vor. Im Übrigen hatte sie nach der Pause un
eingeschränkt Gelegenheit, das allenfalls Versäumte nachzuholen, wie sie selbst
anerkannte. Dass sie allenfalls nicht alles vortragen konnte, was sie aufgeschrie
ben hatte und auch sagen wollte, lag vielmehr daran , dass sie weitschweifige
Ausführungen zu Themen, welche nicht Gegenstand der Berufungsverhandlung
waren, machen wollte und vom Vorsitzenden auf diesen Umstand mehrmals auf
merksam gemacht werden musste. Der Gesuchstellerin wurde jedoch das rechtli
che Gehör vollumfänglich gewährt bezüglich sachbezogener Äusserungen, die sie
von sich aus anbringen wollte (Prot. II S. 22 ff.). Ausserdem konnte sie auf ent
sprechende Fragen des Vorsitzenden zu ·allen Themen der Berufungsantwort
ausführlich Stellung nehmen (Prot. II S. 10 ff.) . Ausserdem erscheint es unerfind
lich, weshalb sich die Gesuchstellerin erst im Nachhinein über angebliche Mängel
der Übersetzung beschwerte und diese nicht schon an der Verhandlung geltend
machte, obwohl sie diese nach eigenen Angaben schon an lässlich der Verhand
lung bemerkte und gegenüber dem Dolmetscher bereits in der Verhandlungspau
se rügte.
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Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass kein Anlass besteht, den
Parteien nicht die ganzen Dolmetscherkosten aufzuerlegen , da keine Anhalts
punkte bestehen, dass der Dolmetscher seine Aufgabe nicht korrekt erfüllt hätte.
Die Gesuchstellerin hat ohnehin nicht die ganzen Kosten zu tragen, sondern nur
den Anteil , welcher ihrem Unterliegen im Berufungsverfahren entspricht, also 5/8 .
Das Gericht erkennt:
1. Der Gesuchsteller wird verpflichtet, ab Rechtskraft des Scheidungsurteils bis
zum ordentlichen Abschluss einer angemessenen Erstausbildung des Kin
des auch über die Mündigkeit hinaus an die Kosten des Unterhalts und der
Erziehung des Kindes monatlich im Voraus jeweils auf den Ersten des Mo
nats zahlbare Unterhaltsbeiträge von Fr. 1 '700.- (zuzüglich allfälliger gesetz
licher oder vertraglicher Kinderzulagen) zu bezahlen , zahlbar an die Ge
suchstellerin solange das Kind in deren Haushalt lebt oder keine eigenen
Ansprüche stellt bzw. keinen anderen Zahlungsempfänger bezeichnet.
2. Diese Unterhaltsbeiträge basieren auf dem Landesindex der Konsumenten
preise des Bundesamtes für Statistik (Stand bei Rechtskraft des Schei
dungsurteils; Basis Dezember 2005 = 100 Punkte). Sie werden alljährlich auf
den 1. Januar der Veränderung des Indexstandes angepasst (nach der
Formel: Unterhaltsbeitrag mal neuer Index geteilt durch alten Index) . Mass
gebend für die Anpassung ist der Indexstand von Ende November des Vor
jahres. Die erste Anpassung erfolgt per 1. Januar 2009 .
( 1~ Der Gesuchsteller wird verpflichtet, der Gesuchstellerin persönlich monatli
che Unterhaltsbeiträge wie folgt zu bezahlen:
a) Fr. 6'1 00.- ab Rechtskraft dieses Urteils bis 30. September 2009;
b) ab 1. Oktober 2009 bis 30. Dezember 2010: Fr:. 4'600.--; --c) ab 1. Januar 2011 bis 30. Dezember 2012: Fr. 2'900.--
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d) ab 1. Januar 2013 bis zum Erreichen des ordentlichen Pensionsalters
der Gesuchstellerin : Fr. 2'400.--
4 . Diese Unterhaltsbeiträge basieren auf dem Landesindex der Konsumenten
preise des Bundesamtes für Statistik (Stand bei Rechtskraft dieses Urteils;
Basis Dezember 2005 = 100 Punkte). Sie werden alljährlich auf den
1. Januar der Veränderung des Indexstandes angepasst (nach der Formel:
Unterhaltsbeitrag mal neuer Index geteilt durch alten Index) . Massgebend
für die Anpassung ist der Indexstand von Ende November des Vorjahres .
Die erste Anpassung erfolgt per 1. Januar 2010.
Weist der Gesuchsteller nach, dass sich sein Einkommen nicht im Umfang
der Teuerung erhöht hat, so erhöhen sich die persönlichen Unterhaltsbeiträ
ge an die Gesuchstellerin nur im Verhältnis der tatsächlich eingetretenen
Einkommenserhöhung.
5. Die Pensionskasse des Gesuchstellers wird angewiesen, persofort vom
Freizügigkeitskonto des Gesuchstellers AHV-Nr.
geb. 963) den Betrag von Fr. 177'269.- auf das
Freizügigkeitskonto der Gesuchstellerin bei der Freizügigkeitsstiftung der
- AG , Postfach, HV-Nr.
Kontonr. C
6 . Die zweitinstanzliehe Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf Fr. 16'000.--;
Dolmetscherkosten Fr. 245.--.
7. Die Kosten für das zweitinstanzliehe Verfahren werden der Gesuchstellerin
zu 5/8 und dem Gesuchsteller zu 3/8 auferlegt.
8. Die Gesuchstellerin wird verpflichtet, dem Gesuchsteller für das Berufungs
verfahren eine reduzierte Prozessentschädigung von Fr. 4'000.-- zuzüglich
Fr. 304.-- (7,6 % Mehrwertsteuer) zu bezahlen .
9. Schriftliche Mitteilung an die Parteien, an den Gesuchsteller unter Beilage
einer Kopie von Urk. 78, an das Bezirksgericht ·e gemäss
- 30-
Dispositiv Ziff. 5 an die Pensionskasse des Gesuchstellers, Personalvorsor
gestiftung der nd an die
Vorsorgeeinrichtung der Gesuchstellerin, Freizügigkeitsstiftung der
Postfach, sei, je gegen Empfangsschein.
Nach unbenutztem Ablauf der Rechtsmittelfrist gehen die erstinstanzliehen
Akten an die Vorinstanz zurück.
10. Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach dessen Empfang beim
Kassationsgericht des Kantons Zürich, Postfach, 8022 Zürich durch eine
dem § 288 der Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechende Eingabe im Dop
pel kantonale Nichtigkeitsbeschwerde im Sinne des§ 281 ZPO geführt wer
den.
Zulässigkeit und Voraussetzungen einer bundesrechtlichen Beschwerde ge
gen diesen Entscheid richten sich nach den Bestimmungen des Bundesge
setzes über das Bundesgericht (BGG, insb. Art. 72 ff., 90 ff. und 113 ff.). Ei
ne allfällige Beschwerde wäre innert 30 Tagen von der Zustellung an beim
Schweizerischen Bundesgericht in Lausanne einzureichen. Wird kantonale
Nichtigkeitsbeschwerde erhoben, läuft die Frist zur bundesrechtlichen Be
schwerde gegen den vorliegenden Entscheid erst ab Eröffnung des Ent