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Schweizerische Bau-, Planungs- und Umweltdirektoren-Konferenz Bundesamt für Raumentwicklung ARE 25. Forum Nachhaltige Entwicklung 1.13 Die Zukunft, die wir wollen Neue Impulse für die Nachhaltige Entwicklung in den Kantonen, Städten und Gemeinden Protokoll 27. März 2013
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25. Forum Nachhaltige Entwicklung 1 · Zwischen dem Rio+20-Dokument und der Strategie Nachhaltige Entwicklung des Bundesrates bestehen beträchtliche Übereinstimmungen: Viele Forderungen

Jul 28, 2020

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Schweizerischer Gemeindeverband Association des Communes Suisses Associazione dei Comuni Svizzeri

Schweizerische Bau-, Planungs- und Umweltdirektoren-Konferenz

Bundesamt für Raumentwicklung ARE

25. Forum Nachhaltige Entwicklung 1.13

Die Zukunft, die wir wollen

Neue Impulse für die Nachhaltige Entwicklung in den Kantonen, Städten und Gemeinden

Protokoll

27. März 2013

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Inhalt

Ergebnisse aus der Konferenz Rio+20 und Handlungsaufträge für die Schweiz 2 (Maria Lezzi, Direktorin Bundesamt für Raumentwicklung ARE)

Zielsetzungen des 25. Forums Nachhaltige Entwicklung 4 (Anne DuPasquier, stellvertretende Leiterin Sektion Nachhaltige Entwicklung, ARE)

Podiumsgespräch: Neue Impulse aus Rio+20 – wie kann man die Umsetzung der 5 Nachhaltigen Entwicklung beschleunigen? (Urs Steiger, Moderation)

Gemeinde Saicourt: Anwendung der Nachhaltigen Entwicklung in der Gemeindeführung 6 (Markus Gerber, Gemeindepräsident Saicourt (BE))

Das Nachhaltigkeits-Managementsystem der Stadt Bülach 7 (Hanspeter Lienhart, Stadtrat von Bülach (ZH))

Strategie Nachhaltige Entwicklung des Kantons Freiburg 8 (Maurice Ropraz, Staatsrat Raumplanung-, Umwelt und Baudirektion)

Die Stimme der Jugend 9 (Lucie Rosset, Vertreterin der Schweizer Jugend an der UNO; Damian Vogt, Präsident der Eidgenössischen Jugendsession)

Schlusswort 10 (Renate Amstutz, Direktorin Schweizerischer Städteverband SSV)

Workshops 11

Nächstes Forum NE: 27. August 2013, Hochschulzentrum vonRoll, Bern

Zum Thema: «Modellvorhaben weisen den Weg –Neue Allianzen und innovative Ansätze für eine nachhaltige Raumentwicklung»

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Maria Lezzi, Direktorin Bundesamt für Raumentwicklung ARE

Ergebnisse aus der Konferenz Rio+20 und Handlungsaufträge für die Schweiz

Nach der Begrüssung der zahlreichen Teilnehmerinnen und Teilnehmern sowie der Repräsentan-ten/innen der Partnerorganisationen BPUK, SSV und SGV geht Maria Lezzi einleitend auf die Dimensionen der Nachhaltigen Entwicklung ein: diese beschränken sich nicht auf die ganzheitli-che Betrachtung der drei Dimensionen Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft, sondern sie sind auch im räumlichen und zeitlichen Rahmen situiert. Räumlich reiche die Betrachtung von der globalen über die nationale bis auf die lokale Ebene, und der zeitliche Rahmen umfasse neben der kurzfristigen Sichtweise auch die mittel- und langfristige Perspektive.

Lezzi fährt fort, die Tagung soll aufzeigen, wie sich die Ergebnisse von Rio+20 auf nationaler und lokaler Ebene auswirkten und sie fügt an, die eingeladenen Jugendlichen sollten die Zu-kunftsbedürfnisse repräsentieren. Es stelle sich zudem die Frage der Bilanzierung in den Kanto-nen, Städten und Gemeinden nach 20 Jahren Nachhaltiger Entwicklung weltweit und 12 Jahren Nachhaltiger Entwicklung beim ARE. Welche Perspektiven ergeben sich daraus?

«Grüne Wirtschaft im Kontext der Nachhaltigen Entwicklung und der Armutsreduktion» sowie «Gouvernanzfragen» (institutionelle Rahmenbedingungen für eine Nachhaltige Entwicklung) waren die zwei Hauptthemen an der Konferenz Rio+20, fährt Maria Lezzi fort. Das Ergebnisdo-kument «The Future we want», «die Zukunft, die wir wollen», wurde einstimmig von den Kon-ferenzteilnehmenden verabschiedet.

Die zentralen Ergebnisse der Verhandlungen sind:

• Die Erneuerung des politischen Engagements für die Nachhaltige Entwicklung;

• der Beschluss zur Schaffung von Nachhaltigkeitszielen (Sustainable Development Goals SDGs);

• der Beschluss zur Schaffung eines hochrangigen politischen Forums für Nachhaltige Entwick-lung auf weltweiter Ebene (als Nachfolge der Kommission für Nachhaltige Entwicklung, CSD):

• die Aufnahme des Themas Grüne Wirtschaft in die höchste politische Agenda.

Gemäss Maria Lezzi verleihen folgende Themenschwerpunkte international und auch in der Schweiz der Nachhaltigen Entwicklung neuen Schub:

• Nachhaltige(r) Konsum und Produktion

• Stärkung des UNO-Umweltprogramms UNEP

• Deutliche Anerkennung der Rolle der Städte und der lokalen Gebietskörperschaften für die Um-setzung der NE (zwei Artikel im Schlussdokument)

• Verdeutlichung des Engagements des Privatsektors für die NE

• Fortschritte in Themenbereichen wie: Berge, Landwirtschaft und Ernährungssicherheit, sowie Katastrophenvorsorge.

Die Schweiz engagiert sich stark für die Umsetzung der Beschlüsse, indem sie in der Arbeits-gruppe der UNO zur Erarbeitung der SDGs teilnimmt. Zahlreiche Bundesstellen (darunter auch das ARE) arbeiten in einer vom Bundesrat gegründeten Task Force zusammen. Die Schweiz be-

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teiligt sich ebenso aktiv an der Konkretisierung des hochrangigen politischen Forums für Nach-haltige Entwicklung, welches die bisherige und wenig wirksame Kommission für Nachhaltige Entwicklung ersetzen soll. Sie engagiert sich an der Umsetzung der Beschlüsse zur Stärkung des UNEP (in Rio war insbesondere beschlossen worden, dass bei UNEP künftig eine universelle Mit-gliedschaft bestehen soll, d.h. alle Länder werden künftig beteiligt sein, wodurch sich das politi-sche Gewicht erhöht) und sie begleitet aktiv die Etablierung des Zehnjahresprogramms über nachhaltiges Konsum- und Produktionsverhalten (10 Year Framework of Programmes on Sustai-nable Consumption and Production).

Maria Lezzi betont, bei allen grossen Themen von Rio+20 sei die Schweiz somit präsent.

Die Bedeutung von Rio+20 auf nationaler Ebene

Zwischen dem Rio+20-Dokument und der Strategie Nachhaltige Entwicklung des Bundesrates bestehen beträchtliche Übereinstimmungen: Viele Forderungen von Rio+20 sind in der Strategie NE vorgängig aufgenommen worden sind. Diese gilt es nun laut Maria Lezzi mit Nachdruck um-zusetzen. Der Bundesrat hat einen bereits 2010 beschlossenen ersten Aktionsplan zur Grünen Wirtschaft 2013 aktualisiert und ausgebaut, und er arbeitet an einer Teilrevision des Umwelt-schutzgesetzes, um darin die Grüne Wirtschaft rechtlich zu verankern.

In Rio ist letztes Jahr auch die Rolle der lokalen Gemeinwesen bekräftigt worden, fährt Maria Lezzi fort, wodurch den lokalen nachhaltigen Aktionen in der Schweiz mehr Legitimierung zuteil kommt. Vor zwanzig Jahren waren die Städte noch bekannt als Quelle vieler Probleme, heute sind sie anerkannt als Orte für Lösungen und gelten als bedeutende Akteure im nationalen Ge-füge, welche Veränderungen rasch und effizient einleiten könnten.

Die Schweizer Kantone und Städte haben in den letzten zehn Jahren hauptsächlich drei sich ergänzende Ansätze zur Umsetzung der NE verfolgt:

• Der offizielle Nachhaltigkeitsprozess oder die Agenda 21 (mit Standortbestimmung, Zielsetzun-gen, Aktionsplänen und Beteiligungsprozessen);

• die Anwendung der NE in spezifischen Themenbereichen (Einstiege über die Energie oder über die Mobilität);

• mit Nachhaltigkeitsbeurteilungen von Projekten und mit Messungsansätzen (oder Monitorings).

Im Rahmen der Plattform Forum NE bietet das ARE seit 10 Jahren verschiedene Aktivitäten dazu an. Diese sind logistischer, methodischer und finanzieller Art:

• Ein Verzeichnis aller Nachhaltigkeitsprozesse im Internet

• Ein Förderprogramm für Projekte

• Ein Programm für nachhaltige Quartiere

• Arbeitsgruppen für die Evaluation

Im Überblick stellt sich das Engagement der Kantone und Gemeinden 2013 folgendermassen dar: 16 Kantone haben einen offiziellen Nachhaltigkeitsprozess oder eine Strategie NE, mehr als 200 Gemeinden führen einen Nachhaltigkeitsprozess durch (30 % Prozent der Bevölkerung le-ben in einer Gemeinde mit einer Lokalen Agenda 21 oder einem ähnlichen Nachhaltigkeitspro-zess). Die meist behandelten Themen mit dem Ansatz der Nachhaltigkeit sind die Mobilität, die

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Raumentwicklung sowie die Energie, gefolgt von Natur und Landschaft. Lezzi unterstreicht das wachsende Interesse der Akteure aus der Privatwirtschaft, welche die Nachhaltige Entwicklung über den Konsum und die Produktion zu integrieren versuchen. In der Wirtschaftsförderung und im Rahmen der Neuen Regionalpolitik sowie über den Beschaffungsmarkt sieht Lezzi ein enor-mes vorhandenes Potential, ebenfalls im Bau nachhaltiger Quartiere, wobei der Faktor Energie sehr wichtig sei. Auch dem Tourismus bieten sich über eine nachhaltigere Ausrichtung vielver-sprechende Möglichkeiten.

Der dritte Ansatz ist die systematische Beurteilung von Projekten gemäss den Nachhaltigkeitskri-terien.

Fazit und Ausblick

Maria Lezzi fasst die oben ausgeführten Feststellungen zusammen: Die Grundlagen (international, national, kantonal, lokal) für eine Umsetzung der Nachhaltigen Entwicklung sind vorhanden, konkrete Erfahrungen und die Messinstrumente stehen zur Verfü-gung. Es bleiben die Fragen:

• Wie kann der Weg beschleunigt werden?

• Wie kann die Sektor- und Ebenen übergreifende Zusammenarbeit stärker vorangebracht wer-den?

Aktuelle Einschätzungen zeigen folgende Perspektiven auf:

Es sind vielversprechende Bereiche für die Umsetzung der Nachhaltigen Entwicklung in der Wirt-schaft, u.a. das Beschaffungswesen, der Tourismus und das Bauen, ausgemacht worden; die politischen Rahmenbedingungen müssen weiterverfolgt, soziale und wirtschaftliche Kriterien gestärkt werden. Die Nachhaltige Entwicklung muss weiterhin längerfristig und flächendeckend in alle Politikbereiche integriert werden. (Siehe Anhang 1)

Anne DuPasquier, stellvertretende Leiterin Sektion Nachhaltige Entwicklung, ARE

Zielsetzungen des 25. Forums Nachhaltige Entwicklung

Anne DuPasquier ist seit Bestehen für das Forum NE verantwortlich. Sie begrüsst die Teilneh-menden der Tagung und listet die Zielsetzungen auf:

• Welche neuen Impulse?

• Welche neuen Ansätze?

• Zusammenarbeit fördern

Danach leitet sie über zum Podiumsgespräch.

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Teilnehmende: Viviane Keller, Leiterin Abt. NE Kanton Waadt; Victoria Maissen, Juristin bei der BPUK; René Longet, Delegierter Rio+20 des SSV; Michael Bützer, SGV; David Bresch, Swiss Re, Di-rector Sustainability & Political Risk Management. Moderation: Urs Steiger, Wissenschaftsjournalist

Podiumsgespräch: Neue Impulse aus Rio+20 – wie kann man die Umsetzung der Nachhaltigen Entwicklung beschleunigen?

Nach der Vorstellungsrunde der Teilnehmenden des Podiumsgesprächs richtet Urs Steiger als erste Frage an Viviane Keller, wie sie das bisher Erreichte einschätze. Frau Keller beschreibt, die Waadtländer Regierung habe im Jahr 2003 Nachhaltigkeitsziele in die Legislaturplanung integ-riert; diese werden von sieben Departementen umgesetzt. Da es sich jedoch um Makroziele oh-ne Umsetzungsprogramm handle, sind diese Zielsetzungen für viele Akteure in der Kantonsver-waltung nicht immer genug verständlich und konkret. Man wünsche sich eher gesetzliche Vor-gaben. Da der Kanton Waadt seit nunmehr knapp zehn Jahren in guter Zusammenarbeit mit dem Bund unterwegs in Richtung NE sei, stelle sich zum aktuellen Zeitpunkt die Frage, wie es weiter gehen soll. Die nächste Frage richtet sich an Frau Maissen: Wie stellt sich die globale Sicht bezüglich Nachhaltige Entwicklung in den Kantone heute dar? Frau Maissen äussert sich dahin-gehend, der Kanton Waadt sowie einige andere Kantone seien sehr weit fortgeschritten, nur reichten allein die Strategien nicht!

Michael Bützer schätzt, es sei generell noch viel zu tun, bei den Kommunen sei der Grundge-danke der NE angekommen. Viele Gemeinden, hauptsächlich die grösseren, befinden sich in offiziellen Nachhaltigkeitsprozessen und bemühen sich zudem um die Erlangung des Energie-stadt Labels. Auch auf der Ebene der Regionen und auf Quartiersebene werde die NE zumindest punktuell integriert und umgesetzt. René Longet sieht die Städte heute als Teil der Lösung und nicht mehr als Hauptproblemverursacherinnen. Mit dem Verweis auf die Bundesverfassung un-terstreicht er, die NE sei heute breit anerkannt, Instrumente und Angebote weit fortgeschritten, so in der Planung von Quartieren, in der Beschaffung und auch auf der Wirtschaftsebene thema-tisch verankert. Mit dem Verweis auf Rio+20 unterstreicht er, dass jetzt hauptsächlich die Wirt-schaft gefordert sei, die NE vollumfassend ernst zu nehmen, denn der wichtigste Indikator dafür sei der viermal zu grosse ökologische Fussabdruck. Auch Longet sieht die Möglichkeit einer Be-schleunigung und eines eventuellen Durchbruchs über gesetzliche Grundlagen gegeben. David Bresch unterstützt diese These, für ihn stellt sich die Frage, wie die Zielkonflikte zwischen der langfristigen Sicht der NE und den schnell agierenden Märkten überwunden werden könnte. Seiner Meinung nach müssten die Folgekosten unfairer Produkte unbedingt internalisiert wer-den, und er beklagt die Monetarisierung aller Lebensbereiche und die Sozialisierung der Folge-kosten. In der Swiss Re sei die NE institutionalisiert worden, womit 50 % der CO2-Emissionen gesenkt wurden. Das Angebot und damit auch die Nachfrage nach fairen Produkten müsse un-bedingt erweitert werden. René Longet weist ebenfalls auf die Unternehmensverantwortung hin. Im Energiesektor stelle die Internalisierung der Kosten ein grosses Problem dar, man müsse jedoch die Flucht nach vorne ergreifen und nicht mehr massenweise unnötige und unfaire Pro-dukte herstellen, welche die weltweite soziale Ungerechtigkeit über die Sozialisierung der exter-nen Kosten massiv vergrössern. Deshalb sei es für die Wirtschaft wichtig, die NE über Gesetze umzusetzen wie beispielsweise über das RPG oder USG. David Bresch zeigt am Beispiel seines Vetorechts in der Swiss Re, wie das Leitprinzip NE auf die operative Ebene übertragen werden kann. In der nachfolgenden Diskussion wird die Aufnahme von NE-Zielen als Leitprinzip zur Ori-entierung thematisiert. Dies finde zwar in vielen Sektoren statt, die Zielsetzungen und Mass-nahmen auf der Umsetzungsebene und die Indikatoren zur Messung sind aber noch zu wenig

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definiert. Es wird betont, besonders die sozialen Aspekte wären schwer messbar. Viktoria Mais-sen weist darauf hin, dass die Zielsetzungen der Politik auf die Dauer einer Legislatur ausgerich-tet sind und ein Nachhaltigkeitsgesetz nicht sinnvoll sei, vielmehr müsse ein Umdenken stattfin-den. Michael Bützer weist auf die Ressourcenprobleme vieler Gemeinden hin und unterstreicht, Ziel des SGV sei es, die Exekutive über Bildung zur Nachhaltigen Entwicklung zu befähigen. Da-vid Bresch fügt an, die Verhaltensökonomie könne wichtige Beiträge leisten, um die richtigen Anreize zu schaffen. Wir sollten uns mehr nach unseren Zukunftsvorstellungen richten und an deren Umsetzung arbeiten (Bsp. 2000-Watt Gesellschaft).

Abschliessend war man sich einig, dass die an Rio+20 beschlossenen Sustainable Development Goals zukünftig auf die nationale und lokale Ebene umgelegt werden müssten, dass jede Ebene ihren Beitrag über Evaluation, Sensibilisierung und Professionalisierung leisten müsse, dass die NE den Ausgang aus der Krise bedeuten könne und dass weitere Debatten den Prozess be-schleunigen. Im internationalen Vergleich weise die Schweiz eine hohe Lebensqualität vor und sollte diese als Exportprodukt promoten.

Die Frage aus dem Publikum, ob unsere Idealvorstellung der NE im globalen Kontext als realis-tisch gelten könne, angesichts der Probleme, die bspw. das Schiefergas-Fracking in den USA hervorrufe, beantwortet Longet mit dem Hinweis, die NE-Debatte betreffend Zielkonflikte sei international und es würden entsprechende Risikoabschätzungen verlangt. Abschliessend meinte Daniel Maselli von der DEZA, gerade für die Jugend müsste die Kernbotschaft nicht Umdenken, sondern Umhandeln lauten!

Markus Gerber, Gemeindepräsident Saicourt (BE)

Gemeinde Saicourt: Anwendung der Nachhaltigen Entwicklung in der Gemeindeführung

Saicourt ist eine kleine Gemeinde mit drei Dörfern (Fuet, Saicourt und Bellelay) im Berner Jura.

Markus Gerber zeigt am Beispiel des Legislaturprogrammes 2012-2016, wie sich über die Beglei-tung des Kantons Bern die Gemeinde mit dem Prozess der Integration der NE in die Gemeinde-geschäfte auseinandergesetzt hat. Er erzählt, dass sich an Stelle einer vorerst ablehnenden Hal-tung der Gemeindemitglieder aus einer reaktiven, kurzfristigen Gemeindeplanung aktives und vorausschauendes Handeln entwickeln konnte. Die Diskussionen in der Gemeinde rund um die NE ermöglichten zunehmenden Abstand zu den einzelnen Geschäften und damit einhergehend mehr Weitblick. Durch die Anwendung des Profilografen (Instrument zur Standortbeurteilung der Gemeindegeschäfte) konnten auf sachlicher Grundlage die dringenden Geschäfte erkannt und die längerfristigen Zielsetzungen festgelegt werden. Anhand von Beispielen in der Ortspla-nung aus den Bereichen Wasser und Tourismus zeigt der Gemeindepräsident von Saicourt auf, wie sich der Gemeinderat ausgehend von den Legislaturzielen auf kurzfristige Massnahmen aus den entsprechenden Sektoren einigen konnte und somit auch handlungsfähiger wurde. Gerber betont, der Prozess sei nicht einfach ökologisch eingefärbt worden, sondern jede Massnahme stelle kohärent den Bezug zu den Leitlinien her. Dieser Prozess sei zwar ein wenig aufwendig gewesen, habe jedoch Dynamik und Handlungsfähigkeit in die Gemeinderoutine eingebracht. (Siehe Anhang 2).

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Hanspeter Lienhart, Stadtrat von Bülach (ZH)

Das Nachhaltigkeits-Managementsystem der Stadt Bülach

Die Stadt Bülach ist der Bezirkshauptort im Zürcher Unterland mit 17‘800 Einwohnerinnen und Einwohnern. Hanspeter Lienhart zeigt auf, in welchen Schritten ein integriertes Nachhaltigkeits-managementsystem in die Stadtpolitik aufgenommen wurde. Der Startschuss Richtung Nachhal-tige Entwicklung erfolgte 1999 über die Erlangung des Labels Energiestadt. Nach einer Zu-kunftswerkstatt mit der Bevölkerung in einer Phase der wirtschaftlichen Depression nach der Schliessung bedeutender Industriewerke erklärte sich der Stadtrat im 2005 bereit, den Weg Richtung NE weiterzuverfolgen. Im 2006 wurde die NE zum Schwerpunkt im Legislaturpro-gramm erhoben und in der Verwaltung ein Workshop zum Thema NE durchgeführt. Nach einer Relevanzanlayse und der Ausarbeitung von 23 Hotspots kam es im 2009 zum Auftrag des Auf-baus eines Nachhaltigkeitsmanagementsystems (NMS), zudem wurden in der Verwaltung 20 Stellenprozente für die NE bewilligt. Im 2011 konnte das NMS eingeführt werden. Die Slides 8 und 10 der Präsentation 3 vermitteln einen schematischen Überblick des NMS-Systems und der Aktivitäten in Bülach. Lienhart betont, die Bevölkerung sei den Themen gegenüber sehr posi-tiv eingestellt, 82 % begrüsse beispielsweise den Bezug von Naturstrom und es konnten darüber hinaus Gemeinde übergreifende Themen aus den Bereichen Generationenfragen und Raumpla-nung angegangen werden. Lienhart erzählt, die Leitsätze im Leitbild würden den politischen Einigungsprozess sehr vereinfachen. Wichtig für die Umsetzung der NE in den definierten Zielbe-reichen sei die professionelle Kommunikation über das Internet, über die Medien, mit dem Legis-laturbericht und mit Aktionen und Events in der Stadt. Die Teilnahme der Stadt Bülach im Cercle Indicateurs ermöglicht ebenfalls die Nachhaltigkeitsberichterstattung. Ebenso grundlegend für die Einführung der NE in Bülach mit dem NMS sind nach Lienhart die gute Organisation in der Verwaltung mit einer Nachhaltigkeitsbeauftragten, die Nachhaltigkeits-Delegierten in allen 10 Abteilungen, die Schulung aller Mitarbeitenden sowie die Audits. Die Vorteile, welche die NE und das NMS mit sich gebracht haben, bezeichnet Lienhart wie folgt: Dank des NMS bestehe ein gemeinsames Nachhaltigkeitsverständnis und ein grösseres Bewusstsein für nachhaltige Stadt-entwicklung in der Politik und der Verwaltung, die Kontinuität zur Weiterverfolgung der NE sei gewährleistet und die Ressorts mit den gewichtigen Themen und Projekten wären heute besser untereinander vernetzt. (Siehe Anhang 3)

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Maurice Ropraz, Staatsrat Raumplanung-, Umwelt und Baudirektion

Strategie Nachhaltige Entwicklung des Kantons Freiburg

Staatsrat Ropraz bedankt sich einleitend für die Einladung an das Forum NE und umschreibt die Vision des Freiburger Staatsrats dahingehend, dass die NE in ihren drei Dimensionen in allen Etappen der öffentlichen Politik (Planung, Beschluss, Ausführung und Erfolgskontrolle) berück-sichtigt werden sollte. Im 2009 ist im Kanton Freiburg eine Verantwortliche, Frau Manon Delisle, für die NE ernannt worden. Neu gegründete Arbeitsgruppen haben daraufhin 6 langfristige Ziele der NE definiert (siehe Slide 4 und 6 in der Präsentation), begleitet von einem Comité de pilota-ge. Diese Struktur und ein Ablaufplan für die Dauer von 7 Jahren wurden von der NE-Verant-wortlichen definiert (siehe Slide 4 und 5). Daraus sind 21 Massnahmen nach dem Bottom-up-Auswahlverfahren festgelegt worden, deren Umsetzung grösstenteils schon begonnen haben oder im 2013 beginnen werden. Die Kriterien für die Auswahl der Massnahmen sind, dass a) mindestens 2 der 3 Zieldimensionen der Nachhaltigen Entwicklung verbessert werden, b) keine wesentliche Verschlechterung bei der dritten Zieldimension eintritt und c) sie langfristig und ge-samtheitlich angelegt sein müssen (Massnahmen siehe Slide 7 im Anhang 4).

Für den Themenbereich Grüne Wirtschaft sind für Unternehmen folgende konkrete, kantonale Unterstützungsmassnahmen geplant:

• bei der Zertifizierung von 10 Unternehmen mit EcoEntreprise (Dauer: drei Jahre)

• 50 % der externen Beratungskosten (max. Fr. 20 000).

Für den Tourismus:

• Unterstützung von 10 Hotel- und Parahotelleriebetrieben für den Erhalt des europäischen Öko-labels oder des Schweizer Labels ibex fairstay

• 50 % der externen Auditkosten (max. Fr. 5000).

In der Landwirtschaft:

• Förderung der biologischen Landwirtschaft

• Finanzierung von 60 individuellen Beratungen für die Umstellung und von 30 Besuchen auf Re-ferenz-Bauernhöfen über 3 Jahre.

Ebenso steht die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien bei Beschaffungen (Lieferaufträ-ge) im Vordergrund:

• Mit der Schulung der Beschaffungsverantwortlichen

• Über die Schaffung einer oder mehrerer Arbeitsgruppen

• Mit Bestimmungen der prioritär zu behandelnden Lieferungen sowie der Kriterien und des Ver-fahrens für den Einkauf.

Und es sollen unternehmerische und soziale Ziele (wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit bzw. soziale Effizienz) in den sozialen Institutionen vereinbart werden sowie ein Leitfaden «KMU und nach-haltige Entwicklung» (2014) und die Sensibilisierung der KMU für die Herausforderungen der nachhaltigen Entwicklung sichergestellt werden.

Das Monitoring der NE wird über den Cercle Indicateurs betrieben, die Nachhaltigkeitsbeurtei-lung (NHB) von Gesetzes- und Dekretentwürfen erfolgt mit dem Waadtländer Instrument Kom-

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pass21. Die Auswahl der Projekte, welche einer NHB unterzogen werden, erfolgt über die jewei-ligen Departmentchefs.

Um in weiteren Bereichen die Einführung der NE zu garantieren, wird ein Portfolio zuhanden der Gemeinden mit Massnahmen zur Stärkung der NE erstellt, aktuell werden schon drei nachhalti-ge Quartiere mit dem Instrument «Nachhaltige Quartiere by Sméo» unterstützt (Düdingen, Car-dinal Areal in Freiburg und Romont). Auch im Bereich Cleantech unterstützt und begleitet der Kanton im Rahmen der Neuen Regionalpolitik die Freiburger Wirtschaft und sieht vor, den Cleantech-Freiburg-Preis zu verleihen.

Im Rahmen der industriellen Ökologie verfolgt der Kanton folgende Ziele: die Wettbewerbsfä-higkeit der Freiburger Wirtschaft dank einer besseren Ökobilanz zu erhöhen, den Kanton im Cleantech-Bereich gut zu positionieren und die Arbeitszonen mit Blick auf die Nachhaltigkeit zu entwickeln. Es gibt auch hier fünf von der NRP unterstützte und von Innoreg begleitete Projekte in Rose-de-la-Broye, in Romont, Düdingen, Villars-sur-Glâne (Moncor) und in Bulle (Planchy). (Siehe Anhang 4)

Lucie Rosset, Vertreterin der Schweizer Jugend an der UNO; Damian Vogt, Präsident der Eidgenös-sischen Jugendsession; Moderator: Urs Steiger, Wissenschaftsjournalist

Die Stimme der Jugend

Urs Steiger beginnt die Gesprächsrunde mit der Frage, inwiefern sich die Jugend mit der Nach-haltigen Entwicklung beschäftigt und was in den letzten zwanzig Jahren erreicht worden ist.

Lucie Rosset empfindet das Interesse der internationalen Jugendlichen als engagierter als dasje-nige der Schweizer Jugend. Sie führt dies darauf zurück, dass generell zu viele Möglichkeiten bestünden, sich als Jugendliche(r) zu engagieren. Langwierige, komplexe Prozesse stünden nicht im Zentrum der Interessen. Damian Vogt wehrt sich gegen das oft negative Bild, welches heute von den Jugendlichen gezeichnet wird, jedenfalls sei die Jugendsession immer ausgebucht und viele Junge engagierten sich für den Atomausstieg oder interessierten sich für Themen wie die Raumplanung oder den zunehmenden Wettbewerbsdruck. Auf die Frage Steigers, wie man denn heute auf die Jugendlichen zugehen sollte, antwortet Damian Vogt, man müsste direkt auf sie zugehen und sie fragen, was sie wollten und Anreize für deren Motivation setzen und ihnen nicht immer die grössten Probleme vor Augen halten. Auf die Frage Steigers, ob sie aufgrund der heutigen Tagung und der Standortbeurteilung der Nachhaltigen Entwicklung diese als zu-kunftsfähigen Weg betrachten, stellt Lucie Rosset klar, der Wille sei vorhanden, in diesem Sinne voranzugehen, es entstünden immer wieder neue Ideen zur Zusammenarbeit und Damian Vogt unterstreicht, vor allem sei Kompromissbereitschaft wichtig! Hin und wieder müsse man, um voranzukommen, auch einen Schritt rückwärtsgehen und immer wieder Neues wagen!

Ob die Jugendvertreter Themen an der heutigen Tagung vermisst hätten? Darauf antworten beide, es wären ziemlich alle Themenbereiche abgedeckt worden. Lucie Rosset weist darauf hin, es sei für das Wesen des Menschen sowieso schwierig, globale Analysen zu bewerkstelligen; Visionen und grosse Projekte seien zwar wichtig, man müsse jedoch wieder lernen, sich für klei-ne Schritte und einzelne Gesten zu begeistern. Damian Vogt fügt hinzu, es reiche nicht aus, jetzt

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vollends auf die Jugend zu setzen, denn die eher trägen Fünfzigjährigen und Älteren seien die Hauptentscheidungsträger. Interessant wären wohl Fragestellungen, wie man im Erwachsenen-alter die Lernfähigkeit behalte und weiterentwickle. Die Frage, was die Schweiz global zur NE beitragen könne, beantworten beide, die finanzielle Stärke und das Expertenwissen seien wohl wichtig, man dürfe die internationale Rolle der Schweiz aber nicht überbewerten.

Renate Amstutz, Direktorin Schweizerischer Städteverband SSV

Schlusswort

«Wer seine Träume verwirklichen will, muss erst mal aufwachen» – mit diesem Motto erinnert uns Renate Amstutz daran, dass Träume gut und wichtig sind und am 25. Forum NE alle Teil-nehmenden wach waren, um die Prozesse in Richtung Nachhaltiger Entwicklung aktiv weiterzu-führen. Sie betont die wichtige Rolle der Städte und Gemeinden für die Nachhaltige Entwicklung in der Schweiz und weltweit und weist auf die wirtschaftliche Bedeutung der Städte und auf deren anhaltenden Bevölkerungszuwachs hin. Auch sie schätzt die aktuelle Lage dahingehend ein, dass sich der Grundgedanke der Nachhaltigen Entwicklung in der Stadtpolitik etabliert habe und einzelne Projekte (vorab im Energiebereich) schon selbstverständlich integriert würden. Re-nate Amstutz unterstreicht die Bedeutung und den Einfluss, welche den Städten in ihrer Be-schaffungspolitik zufällt, mit einem Anteil von 8 % des BIP (40 Mia. Franken/Jahr). Das Forum Nachhaltige Entwicklung habe im letzten Jahrzehnt sowohl als Austausch- wie auch als Lern-plattform viel zur tripartiten Zusammenarbeit beigetragen.

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Workshops

Workshop 1 (Kantone): Verankerung der NE über die Wirtschaft

Moderation: Marc Münster, sanu future learning;

Protokoll: Daniel Wachter, Bundesamt für Raumentwicklung ARE

Präsentationen:

Kantonale Strategie Solothurn, Marius Christen, Agenda 21, Kanton Solothurn

Genfer Erfahrungen, Alexandre Epalle, Secrétaire général adjoint, Département des affaires régionales, de l’économie et de la santé, Canton de Genève

Workshop 2 (Städte): Nachhaltige Verwaltungsführung

Moderation: Urs Steiger, Wissenschaftsjournalist;

Protokoll: Regula Adank, Bundesamt für Raumentwicklung ARE

Präsentationen:

Die Wirkungsorientierte Verwaltung (WOV) am Beispiel Baden, Corinne Schmidlin, Stadtökologie Baden

Olten nachhaltig: Vom Schlagwort zum Handlungsansatz, Regina Flury, Leiterin Fachstelle Umwelt, Ener-gie Mobilität, Stadt Olten

Workshop 3 (Städte): Auf welcher Ebene die Nachhaltige Entwicklung in die öffentliche Politik integrieren?

Moderation: Michel Bloch, Präsident Coord21 und Agenda-21-Delegierter der Stadt Vevey;

Protokoll: Daniel Dubas, Bundesamt für Raumentwicklung ARE

Präsentationen:

Quartier, Stadt oder Region? Schwerpunkte und Perspektiven, René Longet, NE-Experte, Delegierter des Schweizerischen Städteverbands Rio+20

Erfahrungen in Frankreich, Laurence Ermisse, Association 4D, Frankreich

Workshop 4 (Gemeinden): Verhältnis Nachhaltige Entwicklung (NE) und Energie, Chancen und Risiken

Moderation: Monique Kissling-Abderhalden, Leiterin Fachstelle Nachhaltige Entwicklung, Kanton Bern;

Protokoll: Christine Richard, Bundesamt für Raumentwicklung ARE

Präsentationen:

Von Energiestadt Gold zur Nachhaltigen Entwicklung, Rosmarie Münger, Gemeinderätin und Ressort-vorsteherin Umwelt, Claudia Heer, Fachbereichsleiterin Umwelt, Gemeinde Münsingen (BE)

Einstieg in die Nachhaltige Entwicklung (NE) mit dem Gemeindeprofilograf, Tobias Andres, Fachstelle Nachhaltige Entwicklung, Kanton Bern

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Workshop 5 (Gemeinden): Nachhaltige Entwicklung und Energie – welche Synergien?

Moderation: Eric Nanchen, FDDM, Stiftung für die nachhaltige Entwicklung der Bergregionen;

Protokoll: Camille Rol, equiterre, Partnerin für nachhaltige Entwicklung

Präsentationen:

Lebensqualität in Fully, Stéphane Bessero, Gemeinderat Fully (VS), Energiestadt

Verankerung der NE in der Gemeinde Fontenais, Corine Mamie Leschot, Gemeinderätin Fontenais (JU), Energiestadt

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Workshop 1 (Kantone)

Verankerung der NE über die Wirtschaft

Moderation: Marc Münster, sanu future learning Protokoll: Daniel Wachter, Bundesamt für Raumentwicklung ARE

Einleitung

Der Moderator erläutert nach der Begrüssung die Kernfrage dieses Workshops: Welche Ansätze / Strategien gibt es, um Nachhaltige Entwicklung über die Wirtschaft zu verankern? Anschliessend stellt er die beiden Inputreferenten vor.

Präsentationen

Kantonale Strategie Solothurn (Marius Christen, Agenda 21, Kanton Solothurn)

Marius Christen verweist zuerst auf den Umstand, dass im Kanton Solothurn eine verwaltungs-externe Stelle mit der Förderung der Nachhaltigen Entwicklung (allgemein und in der Wirtschaft) betraut ist. Die Förderung der Nachhaltigen Entwicklung in Unternehmen wird über Netzwerk-anlässe (z.B. Wirtschaftsapéros), über verschiedene Projekte (z.B. «nachhaltig profitabel», Clean-tech-Strategie) und über Instrumente (z.B. Solothurner Quick-Scan für Unternehmen, Proofit-Effickeck) betrieben. Diese Ansätze sollen laufend weiterentwickelt und auch durch weitere er-gänzt werden (z.B. Nachhaltigkeitspreis). Als Schwierigkeiten, Herausforderungen, offene Fragen formuliert er:

• Wie kann man KMUs für Nachhaltige Entwicklung motivieren?

• Soll man angesichts der allgegenwärtigen Energiedebatte im Rahmen des Nachhaltigkeitsprozes-ses auch auf Energie fokussieren oder gerade nicht?

• Wie können das vielfältige Angebot für Unternehmen besser koordiniert und Synergien genutzt werden?

(Siehe Anhang 5)

Genfer Erfahrungen (Alexandre Epalle, Secrétaire général adjoint, Département des affaires ré-gionales, de l’économie et de la santé, Canton de Genève)

Alexandre Epalle erinnert an die Anfänge der Genfer Agenda 21, einer der ersten der Schweiz. Sie konzentrierte sich zu Beginn auf die Erstellung verschiedener Instrumente für unterschiedli-che Zielgruppen, darunter auch für Unternehmen. Diese Werkzeuge hatten aber eine begrenzte Wirkungen, weil deren Verwendung auch Begleitung, Unterstützung, Vernetzung voraussetzt. Dabei war eine Erkenntnis, dass nicht zu sehr die Verwaltung die Absenderin der Botschaften sein sollte, sondern dass die Unternehmen selber das Zepter in der Hand halten sollten. Der Kan-ton beschränkte sich nicht allein auf die Produktionsseite bzw. die Unternehmen, sondern er-stellte auch Grundlagen für nachhaltiges Konsumverhalten und die öffentliche Beschaffung, um damit für die Unternehmen lohnende Märkte zu schaffen. Jüngst verfolgt der Kanton auch eine Cleantech-Strategie und versucht soziale Anliegen / Innovationen in der Wirtschaft zu integrie-ren (Debatte über «économie sociale et solidaire»).

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Forum Nachhaltige Entwicklung 1.13 14

In der Überleitung zur Diskussion, die der Moderator angesichts der grossen Teilnehmerzahl in mehreren kleineren Gruppen führen lässt, formuliert er als Aufgabe, zwei bis drei erfolgsver-sprechende oder besonders interessante Ansätze für die Verankerung der Nachhaltigen Entwick-lung über die Wirtschaft herauszuschälen. Dabei sind die folgenden Stichworte zusammenge-kommen:

Impulse

• Zuschlagskriterien für öffentliche Beschaffung stärker auf Nachhaltige Entwicklung ausrichten und verbindlicher machen

• Nachhaltigkeitsaktivitäten der Verwaltung in Wirtschaft gemeinsam mit Wirtschaft entwickeln (Partnerschaft öffentlich – privat)

• Einrichtung eines «Wirtschaftsparlaments» (öffentliche Debatte über nachhaltiges Wirtschaften schaffen)

• Preispolitik / Kostenwahrheit herstellen (Internalisierung externer Kosten)

• Ausbildung der Ökonomen in Nachhaltigkeitsfragen verbessern

• Den Unternehmen den «Business Case» nachhaltigen Wirtschaftens aufzeigen

• Netzwerke schaffen oder bestehende besser nutzen / ausweiten (z.B. Ecoparc oder regionale KMU-Programme von öbu)

• Unternehmen informieren und aktiv beraten (mit neuen oder bestehenden Ansätzen wie z.B. Ecoparc, Proofit, Ökokompass)

• Unternehmen durch glaubwürdige Unternehmen motivieren

• Den Unternehmen Tools / Werkzeuge / Instrumente zur Verfügung stellen

• Teilzeitarbeitsplätze fördern, um das Tempo in der Wirtschaft zu vermindern

• Finanzierung von Massnahmen für eine nachhaltige Wirtschaft

• Gewerbezonen durch planerische Massnahmen für eine nachhaltige Wirtschaft nutzen

• Konsumenten für Nachhaltigkeit sensibilisieren, damit nachhaltige Produkte auch nachgefragt werden.

• Messgrössen / Leitideen der Wirtschaft hinterfragen (z.B. Bruttoinlandprodukt)

• Rechtlichen Rahmen / Auflagen an Wirtschaft weiterentwickeln (in Ergänzung zu den freiwilligen und Anreizinstrumenten)

Diskussion

Zum Abschluss stellt der Moderator die Frage, was aus diesem Katalog (oder auch darüber hin-aus) die Kantone ganz besonders gut umsetzen können. Es wird u.a. die Meinung vertreten, dass eine kantonale Strategie oder Leitlinien für eine nachhaltige Wirtschaft durchaus (Signal)-Wirkung auf die Unternehmen erzielen können. Wichtig seien dabei eine solide, langfristige Verankerung und die Formulierung möglichst konkreter Ziele. Letztlich entziehe es sich aber dem Handlungsspielraum der Kantone, grundsätzliche Paradigmen des Wirtschaftens und des Konsums zu verändern. Weiter begünstige der harte Wettbewerb der Kantone, insbesondere der Steuerwettbewerb, auch nicht unbedingt eine nachhaltige Wirtschaft.

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Forum Nachhaltige Entwicklung 1.13 15

Workshop 2 (Städte)

Nachhaltige Verwaltungsführung

Moderation: Urs Steiger, Wissenschaftsjournalist;

Protokoll: Regula Adank, Bundesamt für Raumentwicklung ARE

Einleitung

Der Moderator begrüsst die Teilnehmenden und formuliert die Hauptfrage des Workshops: Wie kann die Nachhaltige Entwicklung systematisch und ergebnisorientiert in alle Verwaltungen in-tegriert werden? Die Städte Baden und Olten stellen ihre Ansätze vor, anschliessend wird an-hand von Thesen diskutiert.

Präsentationen

Die Wirkungsorientierte Verwaltung (WOV) am Beispiel Baden (Corinne Schmidlin, Stadtökologie Baden)

Voraussetzung für eine gute Beziehung zwischen Verwaltung und Politik ist das gegenseitige Vertrauen. Die erfolgreiche Integration von Nachhaltiger Entwicklung (NE) in der Verwaltung ist abhängig von der internen Kultur: Damit interdisziplinär zusammengearbeitet werden kann, braucht es einen zukunftsorientierten Kulturwandel mit einer Vision sowie Mitarbeitende mit der Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen und interdisziplinär zu arbeiten. Gewisse Struktu-ren begünstigen diesen Kulturwandel, so beispielsweise die wirkungsorientierte Verwaltung, in Baden umgesetzt seit 2003. Die Nachhaltige Entwicklung und die WOV sollten sich ergänzen: WOV gibt vor, wie man führt, und die NE bezieht sich auf die Inhalte. Es handelt sich somit nicht um zwei parallele Systeme, sondern um ein sich ergänzendes.

Die Leitsätze der NE werden in Baden im Planungsleitbild festgehalten und haben eine Gültigkeit von zwölf Jahren. Dieses Leitbild ist in einem partizipativen Verfahren erarbeitet worden, ihm zugrunde liegt ein Kernindikatorensystem (Cercle Indicateurs), welches die NE auf lokaler Ebene fassbar und messbar macht. Alle vier Jahre gibt es einen Nachhaltigkeitsbericht und ausgehend von den Leitsätzen werden die Legislaturziele definiert. Ein Legislaturziel von 2007-2010 beinhal-tete die Ausrichtung der Tätigkeiten von Behörden und Verwaltung nach den Kriterien der NE. Der Legislaturprozess wird von einem Kernteam unterstützt, welches jährlich die ca. zehn wich-tigsten städtischen Projekte einer Nachhaltigkeitsbeurteilung unterzieht. Im Weiteren gibt es Workshops und Weiterbildungen in den Bereichen NE für Kader und Personal zur Sensibilisie-rung und Motivation sowie eine aktive Öffentlichkeitsarbeit mit Angeboten für Schulen. Bis jetzt hat sich das Konzept bewährt. Veränderte Rahmenbedingungen und zunehmende Zielkonflikte könnten die Entwicklung aber auf eine Probe stellen. (Siehe Anhang 6)

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Forum Nachhaltige Entwicklung 1.13 16

Olten nachhaltig: Vom Schlagwort zum Handlungsansatz (Regina Flury, Leiterin Fachstelle Um-welt, Energie Mobilität, Stadt Olten)

Olten ist seit 2004 Energiestadt und hat eine Nachhaltigkeitserklärung mit dem Kanton Solo-thurn abgeschlossen. NE ist demnach seit Längerem ein städtisches Anliegen, damit einherge-hend stellte sich die Frage nach Prozessoptimierungen. Komplexe Planungs- und Entwicklungs-projekte erfordern eine interdisziplinäre Zusammenarbeit, welche laufend zu verbessern ist. Oh-ne entsprechende Strukturen ist es hingegen schwierig, die Planungsprozesse auf einander ab-zustimmen. Trotz Leitbild und verschiedener Strategien fehlt in Olten bisher eine systematische Berücksichtigung der NE sowohl in der Prozessgestaltung wie auf den Entscheidungsebenen.

Die neu geschaffene Stabsabteilung Stadtentwicklung verspricht nun Veränderung. In dieser Abteilung wird das Thema NE bearbeitet, indem Grundlagen aufgearbeitet und Strategien vor-bereitet werden. Sie verfügt zwar über kein Durchgriffsrecht gegenüber den anderen Abteilun-gen und ist somit auf Kooperation und Unterstützung angewiesen. Gleichzeitig mit der Stabsab-teilung wurde auch die Stadtplanungsstelle neu besetzt: mit diesen zwei Schlüsselpositionen können neue Prozesse eingeleitet und begleitet werden. Das Projekt Olten nachhaltig ist auf zwei Jahre angelegt und beinhaltet vier Teilprojekte: 1. Überblick gewinnen und Kohärenz schaf-fen, 2. NE strategisch im Regierungsprogramm verankern, 3. Qualitätssicherung von Entscheiden durch Nachhaltigkeitsbeurteilungen von Projekten, 4. Monitoring und Controlling umsetzten. (Siehe Anhang 7)

Diskussion

Regina Flury stellte folgende drei Thesen zur Diskussion:

• Die Umsetzung des Nachhaltigkeitsprinzips ist eine kulturelle Frage, eine Frage des politischen Klimas, des Führungsstils und der Verwaltungskultur.

• Sie setzt gegenseitige Akzeptanz und Gleichberechtigung der am Prozess beteiligten Personen voraus.

• Der Einsatz von Instrumenten zur Nachhaltigkeitsbeurteilung ist zusätzlich eine Möglichkeit, ein-geschliffene Abläufe aufzubrechen. Ziel ist es, an der kontinuierlichen Verbesserung der Verwal-tungspraxis zu arbeiten.

In der Diskussion herrschte Uneinigkeit darüber, ob die Umsetzung der NE eine kulturelle Frage sei. Die Zuständigkeiten sind in den Gemeinden unterschiedlich organisiert; es gibt deshalb mehrere Lösungsansätze.

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Forum Nachhaltige Entwicklung 1.13 17

Impulse

Folgende Punkte werden im Workshop für eine erfolgreiche Integration der NE in die Verwal-tung herausgearbeitet:

• Politischer Wille zu Veränderung muss vorhanden sein. Unbequeme Dinge aussprechen, aufklä-rerisch wirken

• Eine Vision kreieren, durch Volksabstimmung legitimieren lassen

• Neue Strukturen schaffen mit einem Kernteam, einem Beauftragten für NE

• Instrumente wie Nachhaltigkeitsbeurteilung systematisch anwenden

• Kohärenz schaffen: von der Vision bis zum Projekt muss die Umsetzung stimmig sein und einen Optimierungsprozess beinhalten

• WOV als gutes Beispiel für ein Kohärenzsystem; der Aufbau muss partizipativ erfolgen

Um die Organisation einer Stadt interdisziplinär und nach langfristig gesetzten Zielen zu organi-sieren, reicht es nicht aus, die strategischen Ziele auf die NE auszurichten. Es ist vielmehr ein politischer Prozess, den man nicht ausschliesslich auf der Verwaltungsebene durchlaufen kann. Die WOV verbessert und optimiert interne Prozesse.

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Workshop 3 (Städte)

Auf welcher Ebene die Nachhaltige Entwicklung in die öffentliche Politik integrieren?

Moderation: Michel Bloch, Präsident Coord21 und Agenda-21-Delegierter der Stadt Vevey; Protokoll: Daniel Dubas, Bundesamt für Raumentwicklung ARE

Einleitung

Michel Bloch stellt die beiden Referierenden und die Ziele des Workshops vor:

• Überlegungen zu den Herausforderungen in Bezug auf die räumlichen Ebenen und Partner bei der Integration der Nachhaltigen Entwicklung in die öffentliche Politik

• Austausch von konkreten Erfahrungen (in der Schweiz und in Frankreich)

• Suche nach innovativen Modellen, Mitteln und Wegen für neue Impulse.

Präsentationen

Quartier, Stadt oder Region? Schwerpunkte und Perspektiven (René Longet, NE-Experte, Dele-gierter des Schweizerischen Städteverbands Rio+20)

Für René Longet gilt es bei der Nachhaltigen Entwicklung fünf Ebenen zu berücksichtigen:

1. Inhalte: Es müssen messbare Ziele oder Werte definiert werden. Die Inhalte in der Politik sind sektoriell, die Stadt ist aber ein lebender Organismus mit eigenem Kreislauf (Materialfluss, öko-logischer Fussabdruck in einem Gebiet).

2. Organisation: NE-Delegierte zu haben ist nicht genug, es braucht auch ein kohärentes Pro-gramm, das tatsächliche rechtliche (Entscheidungs-) Kompetenzen und entsprechende materielle Mittel (Finanzen, Personal) voraussetzt.

3. Hilfsmittel: Es braucht Planungsinstrumente wie zum Beispiel die Finanzplanung (Cockpit), die Raumplanung oder das Legislaturprogramm. Darin muss das Cockpit «Nachhaltige Entwicklung» enthalten sein, sonst bleibt das Ganze eine Alibi-Übung.

4. Partnerschaften: Es muss eine Liste der relevanten Akteure erstellt werden. Wer soll in den partizipativen Prozess einbezogen werden (verwaltungsinterne und externe Akteure, Bevölke-rung, Zivilgesellschaft, Wirtschaftskreise usw.)? Ein effektiver Austausch sowohl «top-down» als auch «bottom-up» ist nötig.

5. Räumliche Ebene: Die Gouvernanz der Nachhaltigen Entwicklung muss anpassbar sein (Ag-glomeration, Gemeinde-, Stadt-, Quartiergemeinschaft usw.). Sie geht vom Quartier zur Welt und zeichnet die Befugniskarte um. Ohne diese Neudefinition der politischen Territorialität be-steht wenig Hoffnung, auf den richtigen Ebenen handeln zu können.

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Erfahrungen in Frankreich (Laurence Ermisse, Association 4D, Frankreich)

Laurence Ermisse vertritt die Vereinigung 4D («Dossiers et débats pour le développement dura-ble»). 4D will Fachwissen zur Nachhaltigen Entwicklung aufbauen und damit die Erkenntnisse über deren vielfältige Herausforderungen fördern. Die Referentin stellt zwei neuartige Vorgehen in Bezug auf die Ebenen vor.

1. Volksanleihe der Pays de Loire: Da trotz Liquiditäts- und Bankenkrise Investitionsgelder benö-tigt wurden, lancierte die Region eine Obligationenanleihe bei Privaten mit einem festen Jahres-ertrag von 4 %. Auf diese Art brachte die Region 2009 80 Millionen Euro und bei einer zweiten Anleihe 2012 gar 115 Millionen Euro zusammen. Der Grossteil der Anleihen stammt von Priva-ten. Die Massnahme ist Teil der Nachhaltigkeitspolitik der Region, die einen besonderen Fokus auf regionales Handeln auf wirtschaftlicher Ebene legt. Auf diese Weise erhielten Unternehmen Finanzhilfe (Restrukturierungsdarlehen, Firmengründungsbeiträge, Hilfe für KMU in Schwierig-keiten usw.). Um die Nachhaltigkeitsgrundsätze sicherzustellen, wurden die finanziellen und Umweltauflagen für gewährte Beiträge in einer Charta festgehalten. Diese breite Volksmobilisie-rung setzte eine erhebliche finanzielle und rechtliche Planung voraus.

2. Territorial-Agenda 21 in Essonne (Region Paris Süd): Die öffentliche Hand entschied sich für einen Ansatz der «Mitverantwortung» bei der Umsetzung der Nachhaltigkeit. 2002 startete die Region einen Agenda 21-Prozess und 2008 eine Territorial-Agenda 21 mit vier Schwerpunkt-themen (Territorialgestaltung, nachhaltige Gebiete, Zusammenleben, wirtschaftliche und soziale Innovation). In mehreren Projektausschreibungen bei allen wichtigen Akteuren wurden insge-samt 400 Projekte ausgewählt. Diese befinden sich heute mit 120 Partnern in der Umsetzungs-phase. Dazu gehören beispielsweise auch Akteure wie Air France, da sich der Flughafen im Pe-rimeter der Region befindet. (Siehe Anhang 8).

Diskussion

Sechs Arbeitsgruppen haben anschliessend in kleinen Gruppen anhand eines konkreten The-menbeispiels über die Herausforderungen bei der Umsetzung der NE diskutiert. Sie haben sich mit den Schwächen des bisherigen Dispositivs in Bezug auf die einzelnen Ebenen befasst, mit anderen Möglichkeiten und innovativen Modellen, mit den konkreten Bedürfnissen und den einzubeziehenden Partnern. Es wurden folgende Problematiken diskutiert:

• Industrie- und Gewerbeareale

• Ernährung in schulischen Betreuungseinrichtungen

• Mobilisierung der Akteure (u.a. Anwohner, Vereine, Unternehmen)

• Mobilität und Durchgangsverkehr

• Energieproduktion

• Erneuerbare Energien

Die anschliessend im Plenum vorgestellten Ergebnisse sind im Anhang 8 des Protokolls zu fin-den. Daraus geht insbesondere hervor, dass sich bei allen Themenkreisen andere Arten von räumlichen und Konzertierungsperimetern abzeichnen.

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Impulse

• Die einzelnen Territorialakteure sollten sich nicht als Konkurrenz sehen, sondern als Ergänzung. Die Gemeinwesen sollten sich vermehrt als Partner wahrnehmen.

• In Frankreich werden Territorialvereinbarungen abgeschlossen.

• Die «richtige» Entscheidungsebene festzulegen ist oft schwierig. Wo – zwischen absoluter Un-abhängigkeit und vollständiger Abhängigkeit von aussen – ist der Cursor zu setzen?

• Eine gute Umschreibung des Einzugsgebiets für die Mitwirkung ist wichtig. Die Bevölkerung muss auf der Ebene einbezogen werden, auf der die für sie massgeblichen Herausforderungen festgelegt werden. «Small is beautiful» ist nicht in allen Fällen angebracht.

• Mehr Konzertierung bedeutet auch, dass die Bevölkerung etwas zurück erhalten muss. Ent-täuschte Erwartungen führen sonst zu Frustration.

• In Bezug auf die Ablösung der bisher vorherrschenden «Territorialtrilogie» (Bund, Kantone, Ge-meinden) durch die der jeweiligen Situation angepassten Ebenen (z.B. Agglomerationspolitik) steht die Schweiz erst am Anfang.

Wichtig ist auch die richtige Definition der Kompetenzen bei der Projektsteuerung; bei vielen ne-beneinander bestehenden Strukturen muss teils Ordnung geschaffen werden. Es besteht die Ge-fahr, entweder einer gegenüber den Herausforderungen versetzten Organisation (wie heute) oder aber einem Anhäufen von spezifischen Organigrammen, die alle anders sind. Diese Frage muss nun debattiert und gelöst werden.

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Workshop 4 (Gemeinden)

Verhältnis Nachhaltige Entwicklung und Energie, Chancen und Risiken

Moderation: Monique Kissling-Abderhalden, Leiterin Fachstelle Nachhaltige Entwicklung, Kanton Bern;

Protokoll: Christine Richard, Bundesamt für Raumentwicklung ARE

Einleitung

Die Moderatorin begrüsst die Teilnehmenden und formuliert die Ausgangslage, die Ziele des Workshops und befragt die Teilnehmenden nach deren Erwartungen an den Workshop.

Viele Gemeinden setzen sich heute systematisch mit der NE auseinander und erkennen, dass sie neben anderen Themen auch beim Thema Energie Handlungsbedarf haben. Ausgehend vom erkannten gesamten Handlungsbedarf bauen sie ihre poltische Planung auf und starten mit der Umsetzung. Andere Gemeinden wiederum setzen sich zuerst mit dem Thema Energie auseinan-der (z. Bsp. Energiestadt Schweiz) und erst zu einem späteren Zeitpunkt mit der NE.

Zuerst gilt es, das Verhältnis Energie zu NE zu klären. Welche Chancen und Risiken bestehen bei diesen beiden verschiedenen Vorgehensweisen? Wie können neue Impulse für die NE ausgelöst werden und welche Wünsche haben kleinere Gemeinden (< 10'000 E.) gegenüber Kanton und Bund.

Die Erwartungen der Teilnehmenden an den Workshop reichen von «Best Practise», Institutiona-lisierung der NE, Anwendung des Berner Gemeindeprofilografen bis zu Aufzeigen der Ablauf-schritte von Energiestadt zur Nachhaltigen Entwicklung.

Präsentationen

Von Energiestadt Gold zur Nachhaltigen Entwicklung (Rosmarie Münger, Gemeinderätin und Ressortvorsteherin Umwelt, Claudia Heer, Fachbereichsleiterin Umwelt, Gemeinde Münsin-gen(BE))

Rosmarie Münger und Claudia Heer zeigen die Entwicklungen in der Gemeinde Münsingen (Re-gionales Zentrum im Aaretal mit 11‘600 Einwohner/innen, über 5‘000 Arbeitsplätzen und viel-seitigem Gewerbe) auf: Als erste Energiestadt im Kanton Bern (1998) und erste Gemeinde mit einem Energierichtplan (2009) ist Münsingen Pionierin im Energiebereich. Erst im Jahr 2009 setzt sich der Gemeinderat systematisch mit der Nachhaltigen Entwicklung auseinander, nachdem die Gemeinde das Label Energiestadt Gold erlangt hat. Eine Lagebeurteilung aus Sicht der NE, die mit Hilfe des Gemeindeprofilografs vorgenommen wurde, zeigte, dass die Bestrebungen des Gemeinderates in den Vorjahren in den drei Nachhaltigkeitsdimensionen positive Wirkungen zeigte. Es zeigten sich aber auch Lücken und Verbesserungspotential. Diese Lagebeurteilung diente – zusammen mit dem Leitbild aus dem Jahr 2005 – als Grundlage für die Formulierung der Legislaturziele 2010-2013. Neue Projekte, die Auswirkungen auf die NE haben, werden mit dem Berner Nachhaltigkeitskompass beurteilt.

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Die fortschrittliche Energiepolitik geniesst in der Bevölkerung laut Rosmarie Münger über eine hohe Akzeptanz, die NE als Gesamtvision muss in der Gemeinde jedoch noch stärker und auf allen Stufen kommuniziert werden. Über die jährlich stattfindenden Münsinger Wirtschaftsforen pflegen die Behörden und Wirtschaftsvertreter der Gemeinde einen sehr engen Kontakt und thematisieren dabei viele Themen der Nachhaltigen Entwicklung. (Siehe Anhang 9)

Einstieg in die Nachhaltige Entwicklung (NE) mit dem Gemeindeprofilograf, (Tobias Andres, Fachstelle Nachhaltige Entwicklung, Kanton Bern)

Tobias Andres erläutert einleitend, viele Gemeinden würden den Schwerpunkt Energie setzen, ohne zuvor eine Lagebeurteilung durchzuführen, weil mit diesem Handlungsansatz kaum etwas falsch gemacht werden kann. Er weist daraufhin, dass trotzdem ein Risiko bestehe, wenn der Fokus «nur auf der Energie» liegt, indem andere Themen mit möglicherweise dringenderem und grösserem Handlungsbedarf vernachlässigt würden. Eine Lagebeurteilung aus Sicht der NE ist demnach sinnvoll, weil sie eine ganzheitliche und systematische Auseinandersetzung ermöglicht und die Themen mit grossem Handlungsbedarf aufdeckt. Mit dem Grundmodell der NE-orien-tierten Gemeindesteuerung zeigt Andres, wie die NE als inhaltliche Zielvorgabe in die systemati-sche Gemeindesteuerung einfliesst.

Die systematische Gemeindesteuerung umfasst 3 Ebenen mit unterschiedlichen Zeithorizonten und entsprechenden Steuerungsinstrumenten:

• Leitbild mit langfristigen Zielen der Gemeinde (ca. 20 Jahre),

• direkt vom Leitbild abgeleitete Legislaturplanung mit mittelfristigen Zielen (4-6 Jahre),

• von der Legislaturplanung abgeleitete Jahresplanung kurzfristig (1 Jahr).

Wichtiges Merkmal der systematischen Gemeindesteuerung ist der kohärente Zusammenhang zwischen langfristigen Zielen und den getroffenen Massnahmen.

Die Lagebeurteilung aus Sicht der NE umfasst zwei Schritte:

1. Zustand / Sachverhalt feststellen (objektive Analyse)

2. Zustand / Sachverhalt werten (subjektive Wertung, politisch)

Der Gemeindeprofilograf erfüllt den ersten Schritt, die objektive Feststellung des Zustands aus Sicht der NE. Eine anschliessende Zustandswertung kann z.B. mit der SWOT-Methode erfolgen.

Daraus resultiert der Handlungsbedarf. Erst damit besteht die Grundlage, um langfristige Ziele festzulegen und diese mit Legislaturzielen zu priorisieren. Im Fazit unterstreicht Andres die Chance, dass mit einer Lagebeurteilung aus Sicht NE die Gewähr besteht, die knappen finanziel-len und personellen Ressourcen am richtigen Ort einzusetzen. (Siehe Anhang 10)

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Diskussion

In der darauffolgenden Diskussion ist auf die unterschiedliche Flughöhe des Energiebereichs und der Nachhaltigen Entwicklung hingewiesen worden. Die Erfolgskontrolle des Energielabels stellt mit Audits einen klar definierten Leistungsausweis dar. Die Standards für die Vergabe des Labels «Energiestadt» werden laufend den neusten technischen und energiepolitischen Erkenntnissen angepasst. Im Bereich der Nachhaltigen Entwicklung ist die Messung der Fortschritte hauptsäch-lich in sozialen Bereichen eher unklar und problematisch. Für kleine Gemeinden ist die ganzheit-liche Lagebeurteilung aus der Sicht der NE ein wichtiger Schritt zur Leitbildentwicklung und Le-gislaturplanung, welche massgeschneidert ausgearbeitet werden können. Die Gemeindepolitik wird somit proaktiver gestaltet. Es wird darauf hingewiesen, dass es wichtig sei, die NE in die Steuerungssysteme einer Gemeinde zu integrieren.

Impulse

Als mögliche neue Impulse für die NE werden NE-Label für die Gemeinden, Unterstützungsleis-tungen des ARE in der Grössenordnung des Programms «Energiestadt Schweiz», sektorielle Pro-gramme für NE-Bereiche, Benchmarking der Gemeinden oder sektorielle Ratings (Umwelt, Wirt-schaft, Gesellschaft) der Gemeinden durch NGO genannt.

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Workshop 5 (Gemeinden)

Nachhaltige Entwicklung und Energie – welche Synergien?

Moderation: Eric Nanchen, FDDM, Stiftung für die nachhaltige Entwicklung der Bergregionen;

Protokoll: Camille Rol, equiterre, Partnerin für nachhaltige Entwicklung

Einleitung

Einige Gemeinden beginnen bei der Nachhaltigen Entwicklung (NE) im Energiebereich und en-gagieren sich dann umfassender für NE. Bei anderen Gemeinden ist es genau umgekehrt. Der Workshop will sich mit der Vielfalt der globalen und sektoriellen Ansätze befassen und deren Komplementarität und Synergien untersuchen.

Präsentationen

Lebensqualität in Fully (Stéphane Bessero, Gemeinderat Fully (VS), Energiestadt)

Der erste Film (www.youtube.com/watch?v=kRs7XRnHQCU&feature=player_embedded) zeigt, welche Anstrengungen Fully im Energiebereich unternommen hat. Als Energiestadt mit Blick auf das Goldlabel ist es der Gemeinde gelungen, den Energiekonsum seit 2008 mithilfe verschiede-ner Massnahmen (u.a. Photovoltaik, besser isolierte Gemeindebauten, Heizzentrale und maxima-le Flachdachnutzung für die Energieproduktion) um 20 Prozent zu senken.

Der zweite Film (www.youtube.com/watch?feature=player_detailpage&v=skqY4FKOx0U) berich-tet über den partizipativen Prozess. Auf diese Weise wollte die Gemeinde mit Begleitung durch FDDM der Bevölkerung Gelegenheit geben, sich zu äussern, um deren Anliegen besser einzube-ziehen. Der Bevölkerungswandel in dieser ursprünglich bäuerlichen Gemeinde hat zu Verände-rungen bei der Beziehung zwischen Bürgern und Gemeindebehörden und auch bei den Erwar-tungen der Neuzuzügerinnen und Neuzuzüger (Pensionierte, Leute aus der Stadt) an die Qualität der Dienstleistungen geführt. Aufgrund der Vielfalt und Vielzahl an Ideen der 40 Teilnehmenden an insgesamt drei Workshops wurde FDDM beigezogen (Vorbereitung der Workshops, Modera-tion, Synthese). Daraus resultierten nicht weniger als 186 konkrete Vorschläge, die sich die Ge-meinde grösstenteils verpflichtet hat umzusetzen.

Auch wenn in Fully der Wunsch nach einem sektorumfassenden NE-Ansatz vorhanden war, ent-schied sich die Gemeinde, mit einem sektoriellen Ansatz zu beginnen, um eine positive Grundla-ge zu schaffen. Heute ist nun ein umfassender Ansatz nicht nur möglich, sondern auch kon-struktiv und gerechtfertigt. Das partizipative Vorgehen hat die Diskussion eröffnet und der Be-völkerung eine ausserordentliche Gelegenheit zur Mitwirkung geben.

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Verankerung der NE in der Gemeinde Fontenais (Corine Mamie Leschot, Gemeinderätin Fonte-nais (JU), Energiestadt)

Fontenais ist Hauptort des Bezirks Porrentruy. Bis 1850 vorwiegend bäuerlich geprägt, erlebte die Gemeinde mit der aufkommenden Uhrenindustrie eine demografische Entwicklung. Heute zählt sie 1682 Einwohner. Auf Anstoss von Gemeinderätin Corine Mamie Leschot hat Fontenais seit 2009 zahlreiche sektorielle Massnahmen getroffen wie u.a. Wohnprojekte im alten Zentrum, Heckenpflanzen mit Kindern, Gartencharta, Sensibilisierung für die Auswirkungen des Klima-wandels auf den Wald, Seniorenprojekte, Kleinkinderbetreuung und Schaffung einer Delegier-tenstelle Energie für drei Gemeinden (Fontenais, Porrentruy und Delémont), Wassersparmass-nahmen usw.

Im Hinblick auf die dauerhafte Verankerung dieser Anstrengungen und die NE in der Gemeinde wurde 2012 ein partizipativer Prozess durchgeführt, um die Grundlagen für die Agenda 21 zu schaffen. Für die Durchführung hat die Gemeinde equiterre beigezogen und vom Kanton und vom Bund Beiträge erhalten. Der Fokus des partizipativen Prozesses lag auf der Mobilität, die sich bei der Diagnose «Energiestadt» als Schwachpunkt erwiesen hatte. Parallel dazu werden die sektoriellen Projekte weitergeführt (Sonnenkollektoren auf Schulen, Gemeindefusion, Label Energo und Enerschool, Erhaltung der Hochstamm-Obstgärten usw.). So wird die 2009 sektoriell eingeleitete Dynamik demnächst zur festen Verankerung der NE im Ablauf der Gemeinde und der Projektrealisierung führen. (Siehe Anhang 11)

Diskussion

Nachfolgend eine Übersicht über die Hauptpunkte der ergiebigen Diskussionen im Anschluss an die Präsentationen.

Impulse

Zur Integration der NE in der Gemeindepolitik allgemein

Es gibt überall günstiges Terrain für die NE! Allgemeine Zustimmung ist möglich, wenn gewisse Regeln beachtet werden. Erstens muss das Vorgehen so präsentiert werden, dass es die lokalen Behörden und die Bevölkerung verstehen. Die Art der Kommunikation und das Vokabular spie-len eine wichtige Rolle und helfen oft unnötige Blockaden vermeiden. Je nach Kontext ist es besser, von Lebensqualität zu sprechen als unbedingt den Begriff Agenda 21 durchsetzen zu wollen. Weiter scheint eine geeignete Struktur entscheidend, um die NE auf Dauer zu verankern und zu verhindern, dass sie mit einer Person steht und fällt. Die Art der Struktur ist der Gemein-de anzupassen (Kommission, Team usw.). Schliesslich muss man sich bewusst sein, dass ein NE-Engagement Energie, Motivation, Ressourcen und vor allem eine Methodologie benötigt, wes-halb die Begleitung durch spezialisierte Partner wichtig ist. Einen partizipativen Prozess effizient durchzuführen und zum Beispiel eine gute Synthese daraus zu ziehen, ist ein komplexer Vor-gang, der Methode und Professionalität verlangt!

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Zur Präferenz sektorieller oder umfassender Ansatz und aktuelle Trends

Der Ansatz ist letztlich unwichtig, was zählt, ist das Ergebnis! Die vorhandenen Möglichkeiten nutzen, von den Anliegen der Bevölkerung, den Prioritäten der Behörden und den verfügbaren Ressourcen ausgehen und vor allem kommunizieren!

Dabei ist anzumerken, dass sektorielle Ansätze wie «Energiestadt» in Fällen, in denen NE eine stark politische, mit Spannungen behaftete Färbung aufweist, weniger heikel sein können (da konkreter, besser bezifferbar als NE). Die Betonung liegt heute auf der Energie, weil auf ein all-gemein aktuelles Thema fokussiert wird: den Klimawandel. Entscheidend ist, die Debatte aus-zuweiten und breiter für NE zu sensibilisieren. Und die Zukunft? Vielleicht wären «NE-Beraterin-nen und -berater» unterstützt durch Energieberaterinnen und -berater denkbar, deren Auftrag darin bestünde, unsere Lebensorte nachhaltig zu machen!

Zum Nutzen der Hilfsmittel und zu den Erwartungen der Gemeinden gegenüber Bund und Kan-tonen

Die Nachhaltigkeitsplanungs- und Beurteilungsinstrumente sind interessante Hilfsmittel für die Verankerung der NE in den Gemeinden. Sie ermöglichen eine effiziente Abklärung, Bezifferung und Behandlung, sofern sie nicht zu komplex und zu schwerfällig sind. Aber mehr noch ist die institutionelle Unterstützung (Bund und Kantone) bei der Verbreitung und ihrem Einsatz ent-scheidend. Denn die Hilfsmittel sind nützlich, ihr Einsatz bedingt aber oft Ressourcen, die nicht alle Gemeinden bereitstellen können. Um dem Ressourcen- und bei ehrenamtlich geleiteten Gemeinden teils auch Kompetenzmangel zu begegnen, scheint die Unterstützung von Kantonen und Bund unumgänglich. So können auch kleine Gemeinden beim Einbezug der NE-Grundsätze weiterkommen.

ARE/RCI/29.04.2013