1 Vorlesungsskript zum Selbststudium der Vorlesung Fluidmechanik I Prof. Dr.-Ing. Janusz A. Szymczyk Fachgebiet für Strömungslehre und Strömungsmaschinen Hochschule Stralsund, Fakultät Maschinenbau Redigiert Dr.-Ing. U.Borchert, Dipl.-Ing. (FH) Th. Panten Sept. 2018
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Transcript
1
Vorlesungsskript
zum Selbststudium
der Vorlesung
Fluidmechanik I
Prof. Dr.-Ing. Janusz A. Szymczyk
Fachgebiet für Strömungslehre und Strömungsmaschinen
Zierep, J. ..................................... Grundzüge der Strömungslehre
Böswirth, L. ................................ Technische Strömungslehre
Bohl, W.; Elmendorf, W. ............ Technische Strömungslehre
Kuhlmann, h. .............................. Strömungsmechanik
Durst, F. ..................................... Grundlagen der Strömungsmechanik
Spurk, J. H. .................................. Strömungsmechanik
Iben, H. K. ................................... Strömungslehre in Fragen und Aufgaben
5
Nomenklatur
Lateinische Formelzeichen
� – Querschnittsfläche �m2�
� – Absolutgeschwindigkeit �ms
� – spezifische isobare Wärmekapazität � Jkg·K
�� – spezifische isochore Wärmekapazität � Jkg·K
�� – Widerstandsbeiwert �–�
� – Durchmesser �m�
� – Energiedichte � Jkg , m2s2
� – Energie �J�
�� – Energiestrom �W�
� – Kraft �N�
� – Erdbeschleunigung �ms2
� – Gewichtskraft �N�
ℎ – spezifische Enthalpie � Jkg
– Höhe �m�
� – Enthalpie �J�
– geodätische Höhe �m�
– Fallhöhe �m�
� – Impuls �N s�
�� – Impulsstrom �N�
! – Drall, Drehimpuls �kg·m2·s-1�
$% – Rauhigkeitshöhe �m�
& – Masse �kg�
&� – Massenstrom �kgs
' – Leistung �W�
( – Druck �Pa�
(’ – dimensionsloser Druck �–�
6
Δ( – Druckdifferenz �Pa�
Δ(- – Druckverluste �Pa�
. – kinetischer Druck �Pa�
/ – Wärmemenge �J�
/� – Wärmestrom �Js
0 – Radius �m�
– Ortsvektor �–�
1% – spezifische Gaskonstante � Jkg·K
2 – spezifische Entropie �J�
3 – Zeitkoordinate �s�
4 – Temperatur �K�
5 – spezifische Innere Energie � Jkg
– Umfangsgeschwindigkeit �ms
6 – Innere Energie �J�
7 – spezifisches Volumen �m3kg
9 – Volumen �m3�
9� – Volumenstrom �m3s
: – Strömungsgeschwindigkeit �ms
:; – spezifische technische Arbeit �m2s2
< – Arbeit �J�
= – Raumkoordinate �–�
> – Raumkoordinate �–�
? – Raumkoordinate �–�
? – geodätische Höhe �m�
7
Griechische Formelzeichen
@A – Kompressibilitätskoeffizient �–�
B – Anstellwinkel �°�
D – Grenzschichtdicke �mm�
E – Widerstandsbeiwert �–�
F – dynamische Viskosität � kgm·s
– Wirkungsgrad �–�
G – Isentropenexponent �–�
H – Rohrreibungsbeiwert �–�
I – kinematische Viskosität �m2s
J – dimensionslose Winkelgeschwindigkeit �–�
K – Dichte � kgm3
L – Oberflächenspannung �kgs2
M – Schubspannung � Nm2
N – spezifische technische Dissipation �m2s2
O – Winkelgeschwindigkeit �s-1�
8
Indizes und Apostrophierungen
0 – Umgebung
1,2,3 – Ort für die Betrachtung der Strömung
QR2 – absolut
� – Auftrieb
S – Druck
�T – Flüssigkeit
U – Körper
! – links
( – Druck
1 – rechts
– Reibung
2�ℎ – scheinbar
6 – Unter-… (z. B. Unterdruck)
5 – Umgebung
Ü – Über-… (z. B. Überdruck)
Kennzahlen
WX – Bond-Zahl �–�
YQ – Mach-Zahl �–�
1� – Reynolds-Zahl �–�
Vorlesungsskript Fluidmechanik I 1 Eigenschaften von Fluiden
1-1
1 Eigenschaften von Fluiden
1.1 Vorbetrachtungen
Was ist ein Fluid?
Die Strömungsmechanik befasst sich mit dem Verhalten von fließfähiger Materie (Fluide)
unter dem Einfluss von mechanischen Kräften. Im engeren Sinne handelt es sich bei der
fließfähigen Materie um Flüssigkeiten (kondensierte, tropfbare Materie) und Gase. Als
fließfähig erweisen sich aber auch Festkörperschüttungen (Granulate, Stäube) oder – in
Anwesenheit hinreichend großer mechanischer Belastung – feste Bauelemente. Die
Beschreibung der letztgenannten Fließvorgänge wird klassisch als Domäne der Rheologie
bzw. der Plastomechanik angesehen. Hier soll nur das Verhalten von Gasen und tropfbaren
Flüssigkeiten betrachtet werden.
Die Strömungsmechanik (auch als Fluidmechanik bezeichnet) stellt ein Teilgebiet der
Technischen Mechanik dar. Diese wiederum repräsentiert einen Teil der Physik. Die
Mechanik ist die Wissenschaft, die sich mit Kräften sowie mit Wirkungen von Kräften auf
Körper und Stoffen aller Art befasst. Die beobachteten Objekte können dabei sowohl in Ruhe
als auch in Bewegung sein. In der Lehrveranstaltung Technische Mechanik werden die
diesbezüglichen Grundsachverhalte behandelt.
Die Strömungsmechanik, die sich erst im letzten Jahrhundert zu einer selbständigen
Wissenschaft entwickelte, erforscht die Gesetzmäßigkeiten der Bewegungen und des
Kräftegleichgewichtes sowohl von ruhenden als auch von bewegten Fluiden. Man spricht
von der Statik der Fluide, wenn die am Fluid angreifenden Kräfte zu einem verschwindenden
Geschwindigkeitsvektor : = 0 führen. Demgemäß bedeutet der Fall der Ruhe die schärfste
Einschränkung in der Kinematik. Dieses Teilgebiet befasst sich (wie in der Technischen
Mechanik dargelegt) mit der Beschreibung der Bewegung, ohne nach deren Ursache zu
fragen. Die Gesetze der Fluidstatik lassen sich insbesondere auch auf rotierende Systeme
übertragen, in denen das Fluid im mitrotierenden System ruht.
Die Hydrostatik studiert das Verhalten von tropfbaren Flüssigkeiten, welche sich durch große
Volumenbeständigkeit bzw. geringe Kompressibilität auszeichnen. Indessen befasst sich die
Aerostatik mit gas- oder dampfförmigen Medien in einem solchen (thermodynamischen)
Zustand, bei dem sie sich leicht zusammendrücken lassen.
Als Idealisierung des physikalischen Verhaltens spricht man von inkompressibel, wenn das
Medium einer Volumenänderung einen großen Widerstand entgegensetzt. Diese Aussage
betrifft auch die Fluiddynamik: Als kompressibel werden die Fluide dann betrachtet, wenn
die Strömungskinetik bzw. -kräfte zu einer Dichteänderung führen.
Vorlesungsskript Fluidmechanik I 1 Eigenschaften von Fluiden
1-2
Die weitgehende Bedeutung der Strömungsmechanik ist offenkundig. Immer wenn sich
Systeme in Fluiden (z. B. Fahrzeuge, Schiffe, Flugzeuge), oder Fluide in Systemen (z. B.
Rohrleitungen, Strömungsmaschinen) bewegen, erfüllen sie die Strömungsgesetze.
Unter den Begriffen Hydraulik (Fluid: Flüssigkeit, meist Öl) und Pneumatik (Fluid: Luft)
werden heute Techniken verstanden, die „Kraftbewegungen“ verwirklichen und steuern. Sie
werden auch zusammengefasst unter den Begriffen Fluidik oder Fluidtechnik. Diese beiden
Gebiete sind nicht Gegenstand dieses Skriptums. Tab. 1-1 zeigt die Einteilung der
Strömungsmechanik in ihre Unterbereiche.
Tab. 1-1: Einteilung der Strömungsmechanik
Statik der Fluide (ruhendes Fluid)
Dynamik der Fluide (bewegtes Fluid)
Hydromechanik K = const Hydrostatik Hydrodynamik
Aeromechanik K ≠ const Aerostatik
Aerodynamik
Gasdynamik
Bei Gasströmungen mit Geschwindigkeiten kleiner als etwa 100 m/s sind die
Dichteänderungen so klein, dass man mit konstanter Dichte rechnen und somit die Gesetze
der Hydrodynamik anwenden kann.
Die meisten Gesetze der Strömungsmechanik gelten gleichermaßen für Flüssigkeiten und
Gase. Der übergeordnete Begriff dafür heißt Fluid.
Geschichtliche Entwicklung:
Die Bedeutung der Strömungsmechanik lässt sich auch historisch verfolgen. In der
prähistorischen Zeit musste sich der Mensch zwangsläufig mit der Wirkung von
Strömungskräften befassen, um etwa geeignete Jagdwaffen, Wasserleitungen und
Wassertransportmittel zu bauen. Im klassischen Altertum macht sich der Mensch seine
Erkenntnisse über Strömungsvorgänge zunutze, um Schiffe, Bewässerungssysteme und
Wasserräder zu entwerfen. Aus dieser Zeit stammen z. B. auch Nivelliergeräte und
Spielzeuge. Archimedes (287–212 v. Chr.) gelingt die Berechnung des hydrostatischen
Auftriebes.
Von den Römern bis zur Renaissance liegen keine wesentlichen Beiträge vor. Im Unterschied
hierzu gibt es nach der Renaissance ein überaus breites Spektrum an bahnbrechenden
Arbeiten. Leonardo da Vinci befasst sich um 1500 mit der Berechnung der Massenerhaltung
sowie mit der Verlustverringerung durch Formgebung. Er studiert des Weiteren die
Wellenbewegung, den hydraulischen Sprung und die Strömungsturbulenz sowie das
Verhalten von Freistrahlen und Nachlaufströmungen.
Vorlesungsskript Fluidmechanik I 1 Eigenschaften von Fluiden
1-3
Evangelista Torricelli (1608–1647) findet eine mathematische Beziehung zur reibungsfreien
Berechnung des Ausflusses einer Flüssigkeit aus einem Gefäß.
Edme Mariotte (1628–1684) realisiert einen ersten Versuchskanal zur Messung des
Widerstandes von Körpern in Strömungen.
Isaac Newton (1643–1727) trägt ganz wesentlich zum Verständnis strömungsmechanischer
Vorgänge bei. Er postuliert, dass der Fluidwiderstand proportional zur
Geschwindigkeitsdifferenz ist. Als Maß für den Widerstand „normaler“ Fluide (Wasser, Luft)
führt er die Viskosität ein. Mit Hilfe der Differentialrechnung berechnet er das
Strömungsverhalten eines rotierenden Zylinders.
Daniel Bernoulli (1700–1782) stellt bei seinen Untersuchungen fest, dass zwischen der
Druckänderung und der Beschleunigung eines Fluids Proportionalität besteht. Er führt auch
den Begriff Hydrodynamik ein.
Leonhard Euler (1707–1783) leitet die Grundgleichung der reibungslosen Strömung
(Bernoulli-Gleichung) her und führt die Feldbeschreibung ein.
Jean-Baptiste le Rond d’Alembert (1717–1783) macht auf das Paradoxon aufmerksam, dass
ein reibungsfrei umströmter Körper der Strömung keinen Widerstand entgegensetzt.
Joseph-Louis Lagrange (1736–1813) schlägt vor, eine Strömung durch Verfolgung der
einzelnen Teilchenbahnen zu beschreiben.
Pierre-Simon Laplace (1749–1827) formuliert ein Gesetz, das erlaubt, die Gestalt freier
Oberflächen bzw. Fluidgrenzflächen zu berechnen.
Der Berücksichtigung des Einflusses der Reibung in Strömungsfeldern sind Arbeiten aus den
Jahren von 1827 bis 1845 von Claude Louis Marie Henri Navier, Augustin-Louis Cauchy,
Siméon Denis Poisson und Jean Cloude St. Venant gewidmet. Diese Verfasser führen eine
unbekannte molekulare Funktion zur Beschreibung der Reibung ein. George Gabriel Stokes
verwendet diesbezüglich die Viskosität.
Osborne Reynolds (1842–1912) studiert die Merkmale der Turbulenz. Die moderne
Strömungsmechanik hat ihren Ursprung in Arbeiten von Ludwig Prandtl (1875–1953). Mit
der von ihm entwickelten Grenzschichttheorie gelingt es, die Konflikte zwischen den
Hydraulikern und den theoretischen Strömungsmechanikern zu überbrücken. Die erste
Gruppe befasst sich mit technischen Anwendungen und ist häufig darauf angewiesen,
empirische Erkenntnisse anzuwenden. Indessen kennen die theoretischen
Strömungsmechaniker zwar die Bewegungsgleichungen, aber nur in seltenen Fällen liegen
entsprechende Lösungen für praktische Anwendungen vor.
Dieser kurze Abriss kann nicht alle Errungenschaften der Fluidmechanik aufführen. Es sollen
hier aber noch kurz einige der zum Teil sehr namhaften Forscher des 20. Jahrhunderts
stellvertretend genannt werden.
Vorlesungsskript Fluidmechanik I 1 Eigenschaften von Fluiden
1-4
Albert Einstein (1879–1955) befasst sich in seiner Jugend mit der Bestimmung der Viskosität
von Suspensionen. Viel später arbeitet er mit seinen Schülern auf dem Gebiet der Turbulenz.
Taylor, Richarson, Kolmogoroff, Batchelor und Rotta tragen wesentlich zur Entwicklung der
statistischen Turbulenztheorie bei. Theodore von Kármán (1881–1963) publiziert Arbeiten,
etwa zum Themenkreis der rotierenden Scheibenströmungen, die inzwischen als klassisch
gelten. Die sich hinter einem querangeströmten Zylinder ausbildende Wirbelstraße ist nach
ihm benannt.
Ende der 1960er Jahre werden entscheidende Fortschritte bei der Sichtbarmachung von
Strömungen erzielt. Mit entsprechenden Visualisierungstechniken belegt die Gruppe um
Kline die Existenz kohärenter Strukturen in turbulenten Strömungen. In den 1980er Jahren
findet die von Mandelbrot entwickelte Fraktaltheorie Einzug in der Turbulenztheorie. Ohne
bestimmte Verfasser hervorheben zu wollen, muss festgestellt werden, dass die numerische
Simulation von Strömungsprozessen eine zunehmend wichtigere Rolle spielt. Diese
Entwicklung lässt sich aber nicht nur auf die starke Zunahme der Leistungen moderner
Rechner zurückführen. Vielmehr ist dies eine Folge intensiver Bemühungen im
Zusammenhang mit der Weiterentwicklung numerischer Algorithmen (z. B. die Multilevel-
Verfahren).
Vorlesungsskript Fluidmechanik I 1 Eigenschaften von Fluiden
1-5
1.2 Dichte, Kontinuität der Masse
Ein Fluid wird als ein Kontinuum angesehen. In einem Kontinuum ist das kleinste betrachtete
Volumenelement �9 noch immer homogen, d. h. die Abmessungen von �9 sind noch groß
gegenüber dem mittleren Molekülabstand im Fluid. Die Dichte a eines Fluidelements ist
definiert als der Kehrwert des spezifischen Volumens 7 �m3 kg⁄ �.
K = c� �m3kg Gl. 1-1
Die Dichte ist eine Funktion des Ortes und der Zeit, d. h. K = Kd=, >, ?, 3e für ein kartesisches
Koordinatensystem. Bei veränderlicher Dichte spricht man von kompressiblen, bei
konstanter Dichte von inkompressiblen Fluiden.
Jedes Fluid besitzt eine Masse. Die Dimension der Masse & ist das Kilogramm �kg�. Die
Masse beansprucht Raum. Diesen Raum nennen wir das Volumen 9, das die Dimension
Kubikmeter �m3� trägt.
K = f- � kgm3 Gl. 1-2
Zwischen der Dichte von Flüssigkeiten und der von Gasen besteht ein riesiger Unterschied,
der ungefähr dem Faktor 1000 entspricht.
Zu beachten ist die Abhängigkeit der Dichte vom Druck ( und der Temperatur 4, die für viele
Fluide in Form einer Zustandsgleichung gegeben ist. Für ideale Gase lautet die Gleichung
g = ( ⋅ 7 = 1% · 4 Gl. 1-3
mit der spezifischen Gaskonstante 1% des Gases.
Im Gegensatz zu Gasen weisen Flüssigkeiten nur schwache Abhängigkeiten der Dichte vom
Druck und von der Temperatur auf.
Vorlesungsskript Fluidmechanik I 1 Eigenschaften von Fluiden
1-6
Tab. 1-2: Dichte verschiedener Fluide bei 0 °C und 1
bar
Fluid Dichte i �kg m3⁄ �
Helium 0,1785
Wasserdampf 0,768
Stickstoff 1,2505
Sauerstoff 1,4289
Luft 1,2928
Argon 1,784
Kohlendioxid 1,977
Mineralöl 850
Wasser 998,2
Quecksilber 13595,5
(13546 bei 20 °C)
Abb. 1-1: Dichte von Wasser als Funktion der Temperatur 4 und des Druckes (
Die Stoffgröße K hängt von ( und 4 ab. Demgemäß lässt sich für die Änderung der Dichte
schreiben (totales Differential):
Vorlesungsskript Fluidmechanik I 1 Eigenschaften von Fluiden
1-7
�K = jkgkAl · �4 + jkgklA · �( Gl. 1-4
bzw. für die relative Dichteänderung:
ngg = cg · jkgkAl · �4 + cg · jkgklA · �( Gl. 1-5
Im Zusammenhang mit den oben gegebenen Erläuterungen interessiert die Änderung der
Dichte bei konstanter Temperatur, die durch den Kompressibilitätskoeffizienten @A mit
@A = 1a · joKo(l4 Gl. 1-6
ausgedrückt wird. An dieser Stelle erweist es sich zunächst als sehr instruktiv, ein ideales Gas
zu betrachten. Mithilfe des idealen Gasgesetzes lässt sich für @A schreiben:
K = pq·A → joKo(l4 = 112·4cg = pq·As @A = pq·A · cpq·A = c Gl. 1-7
Demgemäß ändert sich die Kompressibilität beim idealen Gas wie der Druck und kann somit
eine bedeutende Größenordnung erreichen. Wie Tab. 1-3 belegt, nimmt @A bei Flüssigkeiten
hingegen nur sehr geringe Werte an.
Tab. 1-3: Kompressibilitätskoeffizienten und Dichte ausgesuchter
Materialien (Daten für 1 bar und 0 ℃)
Stoffgröße Dimension Wasser Methanol Luft CO2
K kgm3 999,8 810 1,275 1,975
@A · 10y m2N 0,0001 0,0001 1,007 1,007
Vorlesungsskript Fluidmechanik I 1 Eigenschaften von Fluiden
1-8
1.3 Massenstrom und Volumenstrom
Das Fluid bewegt sich vor einem ortsfesten Hintergrund: Es strömt. Wir stellen uns einen
ortsfesten, ebenen Ring beliebiger Form vor, dessen Querschnitt � durchströmt wird.
Abb. 1-2: Strömung durch einen gedachten Querschnitt �
Wir interessieren uns für die Masse, die pro Zeiteinheit den Querschnitt � durchströmt. Sie
ist proportional zu � und zu a. Weiter ist sie proportional zur Geschwindigkeit : des Fluids,
genauer gesagt, zu der Komponente, mit der das Fluid senkrecht zu � strömt.
&� ∼ � Gl. 1-8
&� ∼ K Gl. 1-9
&� ∼ : · cos { · a · � Gl. 1-10
Die andere Komponente liegt in � und kann somit nichts über � fördern. Für den
Massenstrom &� mit der Dimension �kg s⁄ � erhalten wir danach:
&� = : · K · � Gl. 1-11
Das Produkt
9� = : · � Gl. 1-12
heißt Volumenstrom und hat die Einheit �m3 s⁄ �. Somit ist
&� = K · 9� Gl. 1-13
Vorlesungsskript Fluidmechanik I 1 Eigenschaften von Fluiden
1-9
Abb. 1-3: Stromröhre
Wir orientieren nun zwei Ringflächen �c und �| so, dass sie senkrecht zur Strömung stehen.
Wir verbinden die beiden Ringe durch eine gedachte Röhre. Das ganze heißt dann
Stromröhre.
Das Wesentliche daran ist, dass das Fluid nur entlang der Röhrenwand strömen kann. Wir
setzen voraus, dass sich die Strömung über der Zeit nicht verändert (stationäre Strömung),
d. h., dass a und : an jedem einzelnen Punkt der Röhre konstant bleiben, während sie sich
entlang der Röhre ändern können.
Nun muss, da Masse nicht verschwinden oder erzeugt werden kann, diejenige Masse, die pro Zeiteinheit durch }~ in die Stromröhre eintritt, in derselben Zeiteinheit durch }� wieder austreten.
D. h., es gilt:
&� c = &� | Gl. 1-14
oder
:c · Kc · �c = :| · K| · �| Gl. 1-15
Wenn sich die Dichte des Fluids auf dem Weg von �c nach �| nicht ändert, gilt sogar:
:c · �c = :| · �| Gl. 1-16
D. h., der Volumenstrom bleibt konstant:
9�c = 9�| Gl. 1-17
Wenn darüber hinaus auch noch die Querschnitte gleich sind, folgt für die Geschwindigkeit:
:c = :| Gl. 1-18
Vorlesungsskript Fluidmechanik I 1 Eigenschaften von Fluiden
1-10
Beispiel: Spritze
Abb. 1-4: Spritze
Eine Spritze ist eine Stromröhre mit festen Wänden und deutlicher Querschnittsverengung.
Für sie gelten Gl. 1-14 und für ein inkompressibles Fluid Gl. 1-17. Da somit
Kc = K| Gl. 1-19
folgt aus Gl. 1-15
���� = ���� Gl. 1-20
Die Flüssigkeit innerhalb der Spritze ändert ihre Dichte nicht. Stattdessen erhöht sich im
verengten Querschnitt die Geschwindigkeit. Wir erhalten für die relative Erhöhung der
Geschwindigkeit:
������� = ������� Gl. 1-21
Beispiel: Rohrverzweigung
Abb. 1-5: Rohrverzweigung
Eine Stromröhre mit festen Wänden kann sich verzweigen. Die Massenstrombilanz lautet:
&� c = &� | + &� � Gl. 1-22
und bei konstanter Dichte:
9�c = 9�| + 9�� Gl. 1-23
Vorlesungsskript Fluidmechanik I 1 Eigenschaften von Fluiden
1-11
Wenn zwei Ströme gegeben sind, lässt sich der dritte ermitteln. Allein aufgrund der
Flächenaufteilung der Verzweigung lässt sich allerdings nicht sagen, wie sich die Ströme
verteilen.
1.4 Eigenschaften von Fluiden
Die Bewegung in einem Strömungsfeld hängt ganz wesentlich von den Eigenschaften der
fließenden Materie ab. Diese Eigenschaften sind die Trägheits- und Schwerkräfte (durch die
Dichte a) ebenso wie die Reibungseffekte (Zähigkeit oder Viskosität). Eine weitere wichtige
Größe ist die Kompressibilität (Änderung der Dichte bei Druck- oder Temperaturerhöhung).
Sie erweist sich als ganz entscheidend hinsichtlich einer Unterscheidung von Gas
(kompressibel) und Flüssigkeit (dichtebeständig = inkompressibel).
In diesem Zusammenhang muss aber darauf hingewiesen werden, dass Gase durchaus auch
als inkompressibel angesehen werden können, wenn die im Strömungsfeld auftretenden
Kräfte zu keiner nennenswerten Kompression führen. Für Luft gilt diese Näherung bis zu
Geschwindigkeiten von etwa 100 m s⁄ .
Stoffgrößen und Stofffunktionen
Als Stoffgrößen bezeichnet man solche physikalischen Größen, welche eine Funktion der
Temperatur 4 und des Druckes ( darstellen, aber nicht vom Strömungsfeld abhängen.
Hingegen liegt eine Stofffunktion vor, wenn die lokale Strömung die physikalische Größe
beeinflusst.
Bei Gasen unter mäßigen Drücken und reinen, flüssigen (Newtonschen) Medien lassen sich
die Dichte K, die Kompressibilität @ (siehe Abschn. 1.2) und die dynamische Viskosität F in
guter Näherung als Stoffgrößen ansehen. Darüber hinaus stellt die Oberflächenspannung L
eine Stoffgröße dar.
Vorlesungsskript Fluidmechanik I 2 Druck
2-1
2 Druck
Abb. 2-1: Gasbehälter
Der Druck spielt eine entscheidende Rolle in der Mechanik der Fluide.
( = �� � Nm2 Gl. 2-1
( – Druck auf den Kolben (Skalar), � – Fläche des Kolbens
In der Technik werden verschiedene Druckbegriffe verwendet.
(��% = (� + K ⋅ � ⋅ ℎ ⇒ (��% = (� � Δ( Gl. 2-2
Absolutdruck:
(��% – Absolutdruck (gegenüber dem Druck im leeren Raum), gemessen mit einem
Barometer (siehe Abb. 2-2 und Abb. 2-3)
(� – Umgebungsdruck (Atmosphärendruck – gemessen mit einem Torricelli-Barometer),
in der Literatur auch als (� bezeichnet
Δ( – Druckdifferenz (��% � (�, gezeigt durch Manometer: Überdruck (positiv) oder
Unterdruck (negativ), gemessen mit einem Manometer (siehe Abb. 2-4)
Es interessiert in diesem Fall nicht das Einzelschicksal einzelner, sondern das Verhalten
ständig wechselnder Fluidteilchen, die einen vorgegebenen Punkt passieren.
Für dreidimensionale Strömungen gilt:
5, 7, :, (, K, 4 = Èd=, >, ?, 3e ..... räumlich
Für zweidimensionale Strömungen gilt:
5, 7, (, K, 4 = Èd=, >, 3e ............. eben
Für eindimensionale Strömungen gilt:
5, (, K, 4 = Èd=, 3e ..................... Stromfaden, wenn stationäre Strömung
Zeitabhängigkeit
Liegt keine Zeitabhängigkeit vor, spricht man von einer stationären Strömung. Liegt
Zeitabhängigkeit vor, spricht man von einer instationären Strömung.
Stoffeigenschaften
• Reibungsfreie/reibungsbehaftete Strömung
• Kompressible/inkompressible Strömung
• Ideales/nichtideales Gas
Inkompressibles Fluid di = const.)
Ein Fluid dessen Dichte während der Strömung konstant bleibt, heißt inkompressibles Fluid.
In der Literatur verwendet man auch eine andere Formulierung: Eine Strömung, bei der die
Dichte a des strömenden Fluids konstant bleibt, heißt inkompressible Strömung.
Vorlesungsskript Fluidmechanik I 4 Dynamik der Fluide
4-2
Vernachlässigung der Temperatur Ê
Wenn einfache (Modell-)Fluide betrachtet werden, kann die Temperatur vernachlässigt
werden.
1. Inkompressibles Fluid dK = const.e
Das Temperaturfeld hat keinen Einfluss auf Druck- und Geschwindigkeitsverteilung
(Geschwindigkeitsfeld), wenn Viskosität über der Temperatur konstant ist.
2. Ideales Gas d( = K · 1% · 4e
Wenn Druck ( und Dichte K bekannt sind, kann die Temperatur berechnet werden. 1% ist die spezifische Gaskonstante.
Vorlesungsskript Fluidmechanik I 5 Viskosität und Oberflächenspannung
5-1
5 Viskosität und Oberflächenspannung
5.1 Viskosität
Abb. 5-1: Taylor-Couette -Strömung
Ein viskoses Fluid befinde sich zwischen einer festen Grundplatte und einer im Abstand ℎ
dazu parallelen Platte, die mit der Geschwindigkeit 6 bewegt wird (siehe Abb. 5-1). Bei
diesem als Taylor-Couette-Strömung bekannten Vorgang bewegt sich das Fluid zwischen den
Platten jeweils relativ zu dessen Oberflächen.
Es entsteht mit der Fläche � eine Tangentialkraft oder Schubspannungskraft �, die
aufgewendet werden muss, um die Relativbewegung zu bewirken.
In einem Fluid ist die Schubspannung M das Verhältnis der Schubkraft zur Fläche, an der die
Schubkraft angreift. Mit der Plattenfläche � heißt das:
M = �� Gl. 5-1
Haftbedingung: Am Rande haben die Flüssigkeitsteilchen die gleiche Geschwindigkeit
wie die Platte.
Der Zusammenhang zwischen der Schubspannung M (Belastung) und dem
Geschwindigkeitsgradienten wird Reibungsgesetz genannt.
M = F n�nà Gl. 5-2
Vorlesungsskript Fluidmechanik I 5 Viskosität und Oberflächenspannung
5-2
Ein Fluid mit linearem Reibungsgesetz heißt Newtonsches Fluid, anderenfalls Nicht-
Newtonsches Fluid.
Newtonsches Reibungsgesetz:
M = F n�nà (siehe Gl. 5-2)
Wenn 5d>e linear ist, folgt:
M = F · �¢ Gl. 5-3
Der Proportionalitätsfaktor F heißt dynamische Viskosität und hat die Einheit ËN·s·m-2Ì. Die Fähigkeit eines Fluids, Schubspannungen zwischen zwei Schichten unterschiedlicher
Geschwindigkeiten oder zwischen dem bewegten Fluid und einer festen Wand übertragen zu
können, liegt in seiner dynamischen Viskosität Í. Sie wird durch molekulare Kräfte
hervorgerufen und ist eine Stoffeigenschaft. Sie hängt bei mäßigen Drücken nur von der
Temperatur des Fluids ab.
Die kinematische (dichtebezogene) Viskosität Î ist
I = Ïg Gl. 5-4
und hat die Einheit Ë&2 · 2�1Ì. In dieser Abhandlung werden ausschließlich Newtonsche Fluide behandelt.
Abb. 5-2: Reibungsgesetze
Vorlesungsskript Fluidmechanik I 5 Viskosität und Oberflächenspannung
5-3
5.2 Die Oberflächen- bzw. die Grenzflächenspannung
Bisher wurde das Verhalten reiner, einphasiger Fluide betrachtet. Die nachfolgenden
Erörterungen betreffen indessen die Trennfläche zweier Fluide, die als ineinander unlöslich
bzw. nichtmischbar angesehen werden. Eine solche Trennfläche stellt die an einem Gas
angrenzende (freie) Oberfläche einer Flüssigkeit dar (siehe Abb. 5-3).
Im Inneren der Flüssigkeit heben sich die intermolekularen Anziehungskräfte auf ein
Teilchen im Mittel auf. Es liegt ein kugelsymmetrisches Kraftfeld vor. Besagte Asymmetrie an
der Oberfläche bedingt eine Kraftresultierende, die ins Innere gerichtet ist, da die
Gaspartikel über der Oberfläche keine intermolekularen Kräfte ausüben.
Die Dicke dieser Oberflächenschicht entspricht dem Wirkungsbereich der intermolekularen
Kräfte (ca. 10 Moleküldurchmesser).
Abb. 5-3: Oberflächenspannung als Folge eines
asymmetrischen, molekularen
Kraftfeldes
Gegen diese Resultierende muss Arbeit geleistet werden, wenn ein Teilchen aus dem
Flüssigkeitsinnern an die Oberfläche verschoben werden soll. Demgemäß besteht ein
Bestreben der Flüssigkeit, ihre Oberfläche klein zu halten. Diese Wirkung der
Oberflächenspannung lässt sich durch den in Abb. 5-4 dargestellten Versuch
veranschaulichen.
Um die Oberfläche durch das Auseinanderziehen der verschiebbaren Drahtschenkel zu
vergrößern, benötigt man die Kraft �. Da zwei Oberflächen vorliegen, gilt
|�| = 2 · L · ! Gl. 5-5
Vorlesungsskript Fluidmechanik I 5 Viskosität und Oberflächenspannung
5-4
Abb. 5-4: Versuch zur Bestimmung der Oberflächenspannung
Die Oberflächenspannung verursacht also eine Kraft, die bei einer Verschiebung um �= die
Arbeit
< = �⃗ · Δ2⃗ Gl. 5-6
erfordert. Dies führt zur Entstehung von sogenannten Minimalflächen, die unter einer
Oberflächenspannung L stehen. Eine solche Minimalfläche stellt die Kugelgestalt dar. Freie
Flüssigkeitsvolumina (d. h. in Abwesenheit von Störungen) nehmen daher die sphärische
Form an, siehe Abb. 5-5.
Als Oberflächenspannung L definiert man diejenige Kraft pro Längeneinheit der Berandung,
welche die Oberfläche im Gleichgewicht hält. Sie hat demnach die Einheit �N/m�.
Bei dem in Abb. 5-5 dargestellten Tropfen ist die Oberflächenspannung bestrebt, den Topfen
zu komprimieren. Dadurch kommt es zu einem Druckanstieg Δ( im Innern. In Abwesenheit
anderer Kräfte besteht daher Gleichgewicht zwischen der Druckkraft und der aus der
Oberflächenspannung resultierenden Kraft.
r
p p0
σp > p0
Abb. 5-5: Gleichgewichtsbetrachtung für
einen kugelförmigen Tropfen
Vorlesungsskript Fluidmechanik I 5 Viskosität und Oberflächenspannung
5-5
Wird der in Abb. 5-5 dargestellte Tropfen am Äquator gedanklich aufgetrennt, so ergibt sich
infolge der Oberflächenspannung eine Kraft �Ò mit dem Betrag
�Ò = 2 · Ó · 0 · L Gl. 5-7
Die resultierende Druckkraft weist in vertikale Richtung. Ihr Betrag �Ô ergibt sich als Produkt
der Druckdifferenz Δ( und der Äquatorfläche Ó0|, d. h.:
�Ô = Δ( · Ó · 0| = d(� � (�e · Ó · 0| Gl. 5-8
Aus dem Kräftegleichgewicht �Ô = �Ò folgt:
Δ( = |·ÒÕ Gl. 5-9
Dieser Drucksprung an der Oberfläche kann bei kleinen Werten von 0 eine erhebliche
Größenordnung annehmen. Folgendes Beispiel dient der Veranschaulichung dieses
Sachverhaltes.
Beispiel: Druckdifferenz bei einem Nebeltropfen
Die Oberflächenspannung von Wasser beträgt 71 · 10�� N m⁄ . Der Tropfen soll einen
angenommenen Radius von 10�Ö m , also 1 μm, haben. Die Druckdifferenz Δ( berechnet
ergibt eine dimensionslose Kennzahl, die Bond-Zahl WX:
WX = �å�æ = |� · p�·g·ÀÒ Gl. 5-20
Definitionsgemäß bilanziert sie das Verhältnis von Gravitations- und
Grenzflächenspannungskraft. Dominanz der Kohäsionskraft liegt dann vor, wenn WX ≪ 1.
Hierfür lässt sich auch schreiben (der Faktor WX lässt sich bei dieser
Größenordnungsbetrachtung vernachlässigen):
1�| = Òg·À Gl. 5-21
bzw. wegen 1� > 0
1� = ç Òg·À Gl. 5-22
In Tab. 5-1 ist 1� für verschiedene Medien dargestellt.
Vorlesungsskript Fluidmechanik I 5 Viskosität und Oberflächenspannung
5-10
Tab. 5-1: Abschätzung zur Vernachlässigung der
hydrostatischen Druckverteilung in Tropfen
Medium L �10�� N m⁄ � K �kg m3⁄ � 1� �10�� m�
Wasser 71 1000 2,7
Quecksilber 484 13 600 1,9
Öl 15 900 1,3
Wie Tab. 5-1 zeigt, lässt sich die hydrostatische Druckverteilung für die typischen
Lebensmittelinhaltsstoffe Wasser und Öl nur bei freien Tropfen und sehr kleinen Radien
vernachlässigen. Anders ausgedrückt bedeutet dies, dass nur bei sehr kleinen Werten von 0 d< 1 mme die Abweichung von der Kugelgestalt hinreichend klein ausfällt.
Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass bei Emulsionen die Dichtedifferenz
der dispergierten und kontinuierlichen Flüssigkeit in die Bond-Zahl eingeht. Darüber hinaus
muss die Grenzflächenspannung L eingesetzt werden. Liegen andere Beschleunigungen vor,
so muss � entsprechend ersetzt werden.
Wird das Volumen des betrachteten Tropfens bzw. der studierten Flüssigkeit hinreichend
groß gewählt, so überwiegt die Gravitationswirkung. Dies drückt sich darin aus, dass die freie
Oberfläche eine Ebene senkrecht zur Wirkrichtung von � bildet, vgl. auch Abb. 5-8.
Die Kohäsion führt indessen zu einer Auslenkung der Oberfläche in der Nähe der festen
Berandung auch dann, wenn das betrachtete Flüssigkeitsvolumen eine sehr große
Ausdehnung besitzt, vgl. Abb. 5-8. Bei kleiner Größenordnung der typischen Abmessungen
des betrachteten Flüssigkeitsvolumens dominieren hingegen die Benetzungs- und
Oberflächenspannungskräfte weitgehend, sodass die gesamte Oberfläche (gegebenenfalls
Grenzfläche) signifikant gekrümmt ist. Aus den im Abschn. 5.2 vorgestellten Überlegungen
lässt sich für diesen Fall schlussfolgern, dass in der Flüssigkeit ein Druck vorherrscht, der sich
von der Umgebung unterscheidet.
In der Tat liegt ein solcher Zustand etwa in dünnen Kapillaren vor, siehe Abb. 5-10 vor. Der
beim Eintauchen einer Kapillare in eine Flüssigkeit beobachtete Aufstieg (Aszension) oder
Abstieg (Depression) der Flüssigkeitsoberfläche erweist sich als so charakteristisch für die
Wirkung der Kohäsions- und Adhäsionskräfte, dass man häufig auch von Kapillarkräften
spricht.
Vorlesungsskript Fluidmechanik I 5 Viskosität und Oberflächenspannung
5-11
Rα
hpu
po
d
Abb. 5-10: Die Benetzung von Festkörpern als
weiteres Charakteristikum einer
Flüssigkeit
Die Berechnung der Kapillarhebung erfordert folgende Überlegung:
Ursache für den Aufstieg ist der durch die Oberflächenspannung induzierte Unterdruck (�,
wobei bei sphärischer Oberfläche (WX ≪ 1) gilt:
(� = (� + K · � · ℎ Gl. 5-23
Aus der Geometrie ergibt sich der Zusammenhang
n| = 1 · cos { bzw. 1 = n|·èéê ë Gl. 5-24
Zusammenfassend lässt sich für die Kapillarhebung ℎÄ schreiben:
ℎÄ = ²·Ò·èéê ën·g·À Gl. 5-25
Das in Abb. 5-10 gezeigte Beispiel setzt stillschweigend benetzende Eigenschaften der
Flüssigkeit voraus (0° < { < 90°). Für den Fall vollständiger Benetzung { = 0°) nimmt cos {
den Wert von eins an. Bei nichtbenetzenden Flüssigkeits-Festkörpersystemen
(Quecksilber/Gas) werden die Werte für cos { und mit ihm ℎÄ negativ. Dies bedingt bei der
Kapillardepression einen Überdruck in der Kapillare.
Beispiel: Verfälschung der Anzeige eines Manometers durch Kapillarkräfte
Ohne Kapillarwirkung:
ℎc∗ = ���g·À Gl. 5-26
Mit Kapillarwirkung (ℎÄ – Kapillarhebung bei (| = (c):
ℎc∗ = ℎc + ²·Ò·èéê ën·g·À = ℎc + ℎÄ Gl. 5-27
Vorlesungsskript Fluidmechanik I 5 Viskosität und Oberflächenspannung
5-12
¢�∗¢� = 1 + ¢Ý¢� = 1 + ²·Ò·èéê ën·d���e
Mit den folgenden Werten, { = 0°, � = 10�� m, K = 10� kg/m3, L = 70 · 10� N/m, (|– (c = 1000 Pa, ergibt sich der Fehler zu
¢�∗¢� = 1,28, d. h. 28 % Fehler Gl. 5-28
Möchte man sicherstellen, dass der durch die Kapillarkräfte bedingte Fehler gering ausfällt,
so muss der Durchmesser � der Ablesekapillare hinreichend groß gewählt werden. Dies
bedeutet, dass die mit � als charakteristische Länge definierte Bond-Zahl WX sehr viel größer
als eins sein muss. Unter dieser Voraussetzung ergibt sich eine freie Oberfläche, die im
Wesentlichen nur in unmittelbarer Nähe der Wand gekrümmt ist.
Im Bereich der Lebensmittel- und Biotechnologie gibt es zahlreiche Vorgänge, bei denen
Kapillarkräfte mit der hydrostatischen Druckverteilung wechselwirken. Beispiele hierzu
werden in der Vorlesung besprochen.
Vorlesungsskript Fluidmechanik I 6 Massenerhaltung
6-1
6 Massenerhaltung
Schon in der Einführung wird darauf hingewiesen, dass sich die Fluidstatik als Spezialfall
bewegter Fluide ansehen lässt, bei dem die kinematische Restriktion
: = :d=, >, ?e = {5, 7, >} = 0 Gl. 6-1
gilt. Beim Studium des Bewegungsverhaltens homogener Fluide interessieren uns der
Geschwindigkeitsvektor :, der Druck ( und gegebenenfalls die Temperatur 4. Hier wird in
einer eindimensionalen Form die Kontinuitätsgleichung erklärt.
Stromröhre
u1
u2
A1 1,ρ
A2 2,ρ
Abb. 6-1: Massenbilanz an einer
Stromröhre
Die Größen :c, Kc, :| und K| stellen geeignete Mittelwerte über die Querschnitte d1e und d2e dar. Über den Mantel der Stromröhre kann keine Masse fließen. Die Massenerhaltung
Bei einer plötzlichen Verengung in der Rohrleitung (siehe Abb. 7-17) tritt vor und nach der
Kontraktion eine Separation der Strömung auf. Dadurch schafft sich die Strömung selbst
einen glatten Übergang. Als Folge ist der minimale Querschnitt �� = �f�° kleiner als �|.
Bei der plötzlichen Kontraktion wird der Druckverlust hauptsächlich durch die Expansion von �� auf �| nach der Kontraktion verursacht. Daher kann man den Druckverlust durch
denjenigen des Carnot-Diffusors approximieren.
Abb. 7-17: Rohrverengung
Der Druckverlust ergibt sich hier wie folgt: Aus der Beziehung
Δ(- = g| ⋅ d:� � :|e| Gl. 7-112
ergibt sich für die plötzliche Verengung mit dem „freien“ Kontraktionsquerschnitt ��:
E = j���ô � 1l| Gl. 7-113
Vorlesungsskript Fluidmechanik I 7 Energiesatz (1. HS)
7-29
7.5.3.4 Allmähliche Rohrerweiterung (Diffusor) und allmähliche Rohrverengung
Die Reibungsverluste in einem Diffusor oder in einer Düse (siehe Abb. 7-18) werden durch
den Verlustkoeffizienten E wie folgt erfasst:
E = j���� � 1l| Gl. 7-114
Allgemein gilt für die Widerstandszahl (den Verlustkoeffizienten):
Die Widerstandszahl E ist eine Funktion von folgenden Faktoren:
• Rohrrauhigkeit
• Reynolds-Zahl 1�
• des Winkels N
• Durchmesserverhältnis �c �|⁄ .
Vorlesungsskript Fluidmechanik I 8 Impulssatz für stationäre Strömungen
8-1
8 Impulssatz für stationäre Strömungen
Die stationäre Bernoullische Gleichung (siehe Kap. 7) erlaubt eine Aussage hinsichtlich der
Umwandlung von kinetischer Energie in Druckenergie bei der isothermen Strömung reiner
Fluide. Bei dieser Umwandlung muss die Masse erhalten bleiben. Dies wird mit Hilfe der
Kontinuitätsgleichung (siehe Kap. 6) zum Ausdruck gebracht.
Es stehen somit zwei Gleichungen zur Bestimmung der Geschwindigkeit und des Druckes
entlang des Stromfadens zur Verfügung. Bei der Beschreibung der mechanischen
Wechselwirkung des Fluids mit Strömungselementen wurden ausschließlich dissipative
Effekte (Verluste) berücksichtigt.
Der an dieser Stelle eingeführte Impulssatz ermöglicht indessen, diejenigen Kräfte zu
berechnen, die im Rahmen besagter Wechselwirkung entstehen. Der Impulssatz stellt somit
ein wichtiges Werkzeug für die konstruktive Auslegung von Anlagen dar.
Wie anhand von Beispielen gezeigt wird, vermag der Impulssatz aber noch weitaus mehr zu
leisten. So lässt sich mit ihm etwa die Querkontraktion eines Flüssigkeitsstrahls ebenso
erklären wie die Druckerhöhung bei der Vermischung von Fluidteilströmen oder die Verluste
von Stoßdiffusoren.
Der im nächsten Kapitel (Kap. 9) behandelte Drehimpulssatz baut auf diesem auf und macht
eine Aussage zur Wechselwirkung Fluid–Strömungselement bei rotierenden
Strömungsmaschinen. Die sich hierbei ergebende Eulersche Turbinengleichung verknüpft
das aufzubringende bzw. abzuführende Drehmoment mit der Kinematik des Fluids.
Vorlesungsskript Fluidmechanik I 8 Impulssatz für stationäre Strömungen
8-2
8.1 Definition des Impulses
1. Bei der Herleitung des Energieerhaltungssatzes haben wir festgestellt, dass die
Massenelemente eines strömenden Fluids Energieträger sind.
2. Die Massenelemente des strömenden Fluids sind auch Träger eines Impulses �:
3. Definition: Der Impuls � ist das Produkt von Masse & und Geschwindigkeit ::
� = & ⋅ : �$� ⋅ f% = 5 2 Gl. 8-1
Man kann auch sagen: Aufgrund seiner Geschwindigkeit besitzt jedes strömende
Fluidelement einen Impuls.
In der Strömungsmechanik wird bei Strömungen allerdings seltener mit dem Impuls, sondern
vielmehr mit dem sogenannten Impulsstrom, das heißt, der zeitlichen Änderung des
Impulses, gearbeitet:
Mit einer konstanten Masse & ergibt sich aus Gl. 8-1 für den Impulsstrom ��⃗: ��⃗ = n6⃗n; = ndf⋅�77⃗ en; = & ⋅ n�77⃗n; = & ⋅ Q⃗ = �⃗ Gl. 8-2
Das heißt, die zeitliche Änderung des Impulses entspricht der auf diese Masse wirkenden
Kraft �⃑. Allgemein gilt:
Die zeitliche Änderung des Impulses 9 ist gleich der Summe aller auf das Kontrollvolumen von außen wirkenden Kräfte.
oder
Das Wirken einer Kraft ´ über ein Zeitintervall ü: ist ein Kraftstoß (Impuls). Dieser Kraftstoß bewirkt eine Änderung des Impulses und steht mit dieser Änderung im
Gleichgewicht.
Vorlesungsskript Fluidmechanik I 8 Impulssatz für stationäre Strömungen
8-3
8.2 Stützkraftkonzept zur Berechnung der Stützkraft
Das Wirken einer Kraft � über ein Zeitintervall �3 ist ein Kraftstoß. Dieser Kraftstoß bewirkt
eine Änderung des Impulses und steht mit dieser Änderung im Gleichgewicht.
Abb. 8-1: Beispiel eines Rohrsystems
In einem Rohrsystem (siehe Abb. 8-1) betrachten wir einen Kontrollraum mit einem
eintretenden und einem austretendem Impulsstrom. Auf den Kontrollraum wirken dabei
folgende Kräfte:
1. Die Druckkraft � = ( ⋅ � ist eine Oberflächenkraft. ( ist der statische Druck in der
Rohrleitung (nicht der Umgebungsdruck), � die durchströmte Querschnittsfläche.
Der Impulssatz ermöglicht die Bestimmung der Schubwirkung von, ohne auf deren Profil-,
Flügelform und Flügelzahl einzugehen. Diese Betrachtungsweise wird auch als vereinfachte
Propellertheorie oder Strahltheorie bezeichnet, die auch als das Rankine-Modell des
Propellers bekannt ist. Dazu nehmen wir an, dass der Rotor aus einer sehr großen Anzahl
dicht angeordneter Rotorblätter besteht. Dann kann eine Rotorfläche �ú definiert werden,
an der der Druck einen Sprung macht (| ⇒ (� (siehe Abb. 8-4).
Weiter nehmen wir an, dass das Fluid als inkompressibel betrachtet werden kann, was bei
hinreichend langsamen Strömungen auch bei Gasen erlaubt ist. Werden Reibung,
Rückwirkung des Fahrzeuges und Strahldrehung (Schraubenbewegung) vernachlässigt, ergibt
der Impulssatz mit Hilfe von Abb. 8-4 die Propellerschubkraft �ú.
Für die Analyse wird ein Koordinatensystem verwendet, das fest mit der Rotorachse
verbunden ist. Außerdem wählen wir ein Kontrollvolumen mit der Oberfläche Cc um den
Rotor herum, dass hinreichend weit vom Rotor entfernt ist, so dass der Druck dem der
Umgebung entspricht (( = (¬) und konstant ist und damit die resultierende Druckkraft der
Umgebung auf das Kontrollvolumen � = 0 gesetzt werden kann.
Vorlesungsskript Fluidmechanik I 8 Impulssatz für stationäre Strömungen
8-9
8.5.3.1 Propeller
Die einen Schub erzeugenden Propeller dienen zum Antrieb von Fahrzeugen, z. B.
Flugzeugen oder Schiffen. Der Propeller saugt bei seiner Rotation ständig das Medium an,
beschleunigt dieses und gibt es nach rückwärts mit höherer Geschwindigkeit ab.
Abb. 8-4: Anwendung des Impulssatzes auf einen Propeller
Bei der Anwendung des Impulssatzes auf einen angetriebenen Propeller ist zu beachten,
dass beim Durchgang der Strömung durch den Propeller eine Strahlkontraktion stattfindet.
Der Propeller erhöht die Geschwindigkeit des von ihm erfassten Fluidstrom z. B. um 30 %.
Dabei muss wegen der Kontinuitätsgleichung der erfasste Strahl kontrahieren. Die gesamte
SF
1w
1w
4w
01D
3p2p
41 pppp U === ∞
1D4D
1w
04D
1KV
2KV
RD
zu
2
R
3 41
ab
1w
4w
Rw2w3w
2p
3p
1p4p
Überdruck
U nterdruck
SchubF
Vorlesungsskript Fluidmechanik I 8 Impulssatz für stationäre Strömungen
8-10
Druckabnahme infolge Beschleunigung von :c auf :² (siehe Abb. 8-4) innerhalb des Strahles
wird kompensiert durch Energiezufuhr im Propeller.
Vor dem Propeller ergibt sich ein Unterdruck, hinter dem Propeller ein Überdruck. In der
dünnen Scheibe des Propellers (Propellerdisk) nimmt die Geschwindigkeit :ú den
arithmetischen Mittelwert aus An- und Abströmgeschwindigkeit an. Die vom Propeller/Rotor
ausgeübte Kraft auf das Fluid (bzw. mit anderem Vorzeichen die auf ihn wirkende Kraft) ist
positiv und zeigt in Strömungsrichtung.
Es werden folgende Annahmen gemacht:
• Stationäre Strömung
• Achsparallele, gleichmäßige An- und Abströmung
• Inkompressibles Fluid
• Reibungsfreiheit
• Vernachlässigbarer Einfluss des Fahrzeugkörpers auf die Propellerdurchströmung
• Eintrittsdruck ist gleich dem Austrittsdruck, (c = (|
8.5.3.2 Windturbine
Im Gegensatz zum Vortriebspropeller findet beim Durchgang der Strömung durch die
Windturbine eine Strahldilatation (Strahlaufweitung) statt.
Infolge der Energieabfuhr in der dünnen Scheibe des Propellers (Propeller disk) kommt es
zur Geschwindigkeitsabnahme von :c auf :|. Vor dem Windturbinenlaufrad ergibt sich ein
Überduck, hinter dem Windturbinenlaufrad ein Unterdruck. Die vom Propeller/Rotor
ausgeübte Kraft auf das Fluid (bzw. mit anderem Vorzeichen die auf ihn wirkende Kraft) ist
negativ und ist gegen die Strömungsrichtung gerichtet. Es werden folgende Annahmen
getroffen:
• Stationäre Strömung
• Achsparallele, gleichmäßige An- und Abströmung
• Inkompressibles Fluid
• Reibungsfreiheit
• Vernachlässigbarer Einfluss des Masts auf die Windturbinenströmung
• Eintrittsdruck ist gleich dem Austrittsdruck, (c = (|
Vorlesungsskript Fluidmechanik I 8 Impulssatz für stationäre Strömungen
8-11
Abb. 8-5: Anwendung des Impulssatzes auf eine Windturbine
Der Kontrollraum ist vorn und hinten je soweit vom Propeller entfernt, dass dieser den
Fluidstrom direkt noch nicht bzw. nicht mehr beeinflusst.
In der folgenden Rechnung wird eine Windturbine strömungstechnisch nach der
vereinfachten Propellertheorie ausgelegt:
• Berechnung der Schubkraft �ú (Haltekraft �ð)
chubSF1w
1w
4w01A
3p2p
41 pppp U === ∞
1A4A
1w
04A
1KV
2KVSA
zu
2
S
3 41
ab
1w
4wSw2w
3w
2p
3p
1p 4p
Überdruck
Unterdruck
SF
Vorlesungsskript Fluidmechanik I 8 Impulssatz für stationäre Strömungen
8-12
• Berechnung der Strahlgeschwindigkeit in Propellermitte :ú
• Berechnung der allgemeinen theoretischen Windturbinenleistung ';¢ (die der
Strömung im Kontrollvolumen entzogen wird)
• Maximale Windturbinenleistung 'f�Â
• Maximaler Wirkungsgrad Ff�Â
8.5.4 Rückstoßkräfte
Behälterausfluss aus seitlicher Öffnung, Strahltriebwerk(Strahldüse), Raketentriebwerk
1.1.1.1 Behälterausfluss (siehe Übungsmanuskript)
8.5.4.1 Strahltriebwerk
Abb. 8-6: Strahltriebwerk (Turbojet: Historische Bauweise, bei der der gesamte
Luftmassenstrom durch die Brennkammer geführt wird) mit den
Massenströmen am Eintritt &� c, am Austritt &� | und aus der Zufuhr von
Brennstoff in der Brennkammer &� D³, mit den Geschwindigkeiten am
Eintritt :c und am Austritt :|, Stützkraft �ú
8.5.5 Mischvorgänge (siehe Übungsmanuskript)
Vorlesungsskript Fluidmechanik I 9 Impulsmomentensatz (Drehimpuls)
9-1
9 Impulsmomentensatz (Drehimpuls, Drallsatz)
Bisher wurde davon ausgegangen, dass die Fluidteilchen in einer Strömung Träger von
Masse, Energie und Impuls sind. Mit dem Impuls besitzen sie auch ein Impulsmoment
(Drehimpuls oder Drall) in Bezug auf ein vorgegebenes Zentrum (z. B. Ursprung des
Koordinatensystems). Aus der Mechanik der Massenpunkte (siehe Abb. 9-1) ist bekannt:
Impulssatz (aus Analogiegründen angegeben):
n6⃗n; = ∑ �;77⃗°�±c = �⃗ Gl. 9-1
Impulsmomentensatz (Drallsatz):
n¡7⃗n; = ∑ Y;7777⃗°�±c = Y77⃗ Gl. 9-2
Abb. 9-1: Drall eines Massepunktes
Die zeitliche Änderung des Dralls ! (Impulses �) eines Systems von Massenpunkten ist gleich
der Vektorsumme aller äußeren Momente Y� (Kräfte ��), die auf das System einwirken.
Für einen Körper gilt:
�⃗ = & ⋅ :77⃗ Gl. 9-3
und
!7⃗ = & ⋅ d0⃗ × :77⃗ e Gl. 9-4
Vorlesungsskript Fluidmechanik I 9 Impulsmomentensatz (Drehimpuls)
9-2
Dabei ist : die Geschwindigkeit eines Massepunktes &. Die Erweiterung zu einem System
von Fluidteilchen führt zu den Beziehungen
�⃗ = Å a :77⃗ �9- Gl. 9-5
!7⃗ = Å a 0⃗ ×:77⃗ �9- Gl. 9-6
mit dem Ortsvektor 0⃗ eines Fluidteilchens vom Ursprung.
Der Drallsatz ist eine Vektorgleichung und steht für drei Komponentengleichungen. Analog
zu Kap. 8 gilt auch hier: Man berechnet die Dralländerung des betrachteten Systems von
Fluidteilchen zur Zeit 3, in dem man die Oberfläche, die zur Zeit 3 dieses System begrenzt, als
raumfeste Kontrollfläche betrachtet und die Differenz zwischen aus- und einströmendem
Impulsmomentenstrom ermittelt.
Analog zu den Kräften im Impulssatz gibt es Momente der Volumenkraft, der Druckkraft und
der Stützkraft.
Im Folgenden bedeuten:
O Winkelgeschwindigkeit : Relative Geschwindigkeit (bezogen auf das rotierende System: Beobachter
fährt auf dem Rad mit) 0 ⋅ O Systemgeschwindigkeit, Umfangsgeschwindigkeit � = : � 0 ⋅ O Absolutgeschwindigkeit, die der ruhende Beobachter „sieht“ &� Massenstrom
Der einfließende Impulsmomentenstrom ergibt sich zu null. Demgegenüber nimmt der
ausfließende Impulsmomentenstrom den Wert &� ⋅ � ⋅ 0 an. Für einen mitrotierenden
Beobachter ist die Strömung im Segnerschen Wasserrad (siehe Abb. 9-2) stationär.
Dafür lässt sich die Bernoulli-Gleichung wie folgt schreiben (der Behälter sei so groß (weit),
dass die Sinkgeschwindigkeit des Flüssigkeitsspiegels vernachlässigt werden kann):
Vorlesungsskript Fluidmechanik I 10 Grundleg. Strömungserscheinungen
10-4
10.2 Reynolds-Zahl
Der Wechsel von der laminaren in die turbulente Strömungsform hängt von einer mit der
mittleren Geschwindigkeit :, dem Rohrdurchmesser � (bzw. einer anderen
charakteristischen Länge !, die von der Art der Strömung abhängt), der Dichte a und der
dynamischen Viskosität F gebildeten dimensionslosen Kennzahl, der Reynolds-Zahl 1�, ab:
1� = g⋅�⋅nÏ = �⋅n! � kgm3 ⋅ ms ⋅ mPa s = kg⋅m2m⋅s⋅N⋅s = kg⋅m2⋅s2
m⋅s⋅kg⋅m⋅s = � Gl. 10-1
Ähnlichkeitsmechanik:
Strömungen, deren Reynolds-Zahlen trotz unterschiedlicher geometrischer Größen gleich
sind, heißen mechanisch ähnlich. An folgenden Modellen wird die Ähnlichkeitsmechanik
angewendet:
• Schiffe
• Automobile
• Flugzeuge
• Weltraumkörper
Strömungen können an einem geometrisch ähnlich verkleinerten bzw. vergrößerten Modell
untersucht werden, wenn die Strömungen am Modell und am Original mechanisch ähnlich
sind, das heißt gleiche Werte der charakteristischen Kennzahlen aufweisen. In allen
Strömungen, in denen die vier Größen Dichte, Geschwindigkeit, Länge und Viskosität eine
Rolle spielen, ist die Reynolds-Zahl eine Kennzahl.
Bei der Rohrströmung beträgt die kritische Reynolds-Zahl 1�ÄÕ = 2320.
Es gilt: 1� ≤ 1�ÄÕ → Die Strömung ist laminar. 1� > 1�ÄÕ → Die Strömung ist turbulent.
Vorlesungsskript Fluidmechanik I 10 Grundleg. Strömungserscheinungen
10-5
Beispiel 1:
Gegeben ist ein Rohr mit einem Durchmesser von � = 20 mm.
Bei welcher Geschwindigkeit :ÄÕ setzt turbulente Strömung ein? Untersucht werden sollen
eine Wasserströmung I = 10�Ö &| 2⁄ ) und eine Luftströmung I = 15 ⋅ 10�Ö &| 2⁄ ).
:ÄÕ = 1�ÄÕ ⋅ !n = 2320 ⋅ !n Gl. 10-2
Kritische Geschwindigkeit für Wasser:
:ÄÕ,� = 2320 ⋅ c⋅c�ÙÛm2s|�⋅c�ÙÚ m = 0,116 ms
Kritische Geschwindigkeit für Luft:
:ÄÕ,¡ = 2320 ⋅ cy⋅c�ÙÛm2s|�⋅c�ÙÚ m = 1,74 ms
Beispiel 2:
Wie groß ist die Reynolds-Zahl im Blutkreislauf des Menschen (Blut: K = 10� kg m3⁄ , F = 4 ⋅ 10�� kg dm se⁄ in der Kapillare (� = 8 μm, : = 5 mm s⁄ ) und in der Aorta
(� = 20 mm, : = 0,3 m s⁄ )?
1� = g⋅�⋅nÏ (Gl. 10-1)
Reynolds-Zahl für die Kapillare:
1� = c�Ú kgm3⋅y⋅c�ÙÚ ms ⋅%⋅c�ÙÛ m²⋅c�ÙÚ kgm⋅s = 10�|
Die Reynolds-Zahl in der Kapillare liegt im unterkritischen Bereich.
Längsangeströmte Platte (siehe Abb. 10-10, Länge !):
1� = �⋅¡! Gl. 10-9
D = 0,37 ⋅ 1���,| ⋅ ! → turbulente Grenzschicht am Ende der Platte Gl. 10-10
D = 5 ⋅ ç!⋅¡� → laminar Gl. 10-11
Vorlesungsskript Fluidmechanik I 10 Grundleg. Strömungserscheinungen
10-9
Abb. 10-10: Grenzschicht an der längsangeströmten
Platte
Beispiel:
Der Finger (angenähert durch einen Zylinder mit � = 2 cm beschrieben) wird mit einer
Geschwindigkeit von : = 0,25 m s⁄ durch eine Kerzenflamme bewegt (Querströmung). Die
kinematische Viskosität I beträgt 15,11 ⋅ 10�Ö m2 s⁄ . Welche Grenzschichtdicken D stellen
sich in der Luft bei 20 ℃ im Staupunkt (Dc) und an der dicksten Stelle (D|) ein?
Lösung für die Grenzschichtdicke im Staupunkt:
Dc = 1,2 ⋅ � ⋅ ç cpòK (Gl. 10-3)
1�n = �⋅n! = �,|y ms ⋅�,�| mcy,cc⋅c�ÙÛm2s
= 330,9 (Gl. 10-4)
Dc = 1,2 ⋅ 0,02 m ⋅ ç c���,L = 1,32 mm
Lösung für die Grenzschichtdicke an der dicksten Stelle:
D| = 1,8 ⋅ 0,02 m ⋅ ç c���,L = 1,98 mm (Gl. 10-4)
Diese Schichtdicken bieten eine gewisse Zeit Schutz vor den heißen Brenngasen.
Vorlesungsskript Fluidmechanik I 10 Grundleg. Strömungserscheinungen
10-10
Entwicklung der Grenzschicht an einem Tragflächenprofil ( � = ~#M, das heißt, Î
ist sehr klein)
Abb. 10-11: Grenzschicht an einem Tragflächenprofil
(Geschwindigkeit 5ù ≙ :ù)
1� = g⋅�O⋅¡Ï = �O⋅¡! Gl. 10-12
Nach einer bestimmten Lauflänge =¬ wird die Strömung in der Grenzschicht instabil, da die
in der Strömung beteiligten Reibungskräfte zur Dämpfung von Störungen nicht mehr
ausreichen. Es kommt zum Umschlag laminar→turbulent. Hinter dem Umschlagpunkt ist die
Grenzschicht turbulent. Die Lage des Umschlagpunktes ist festgelegt durch die kritische
Reynolds-Zahl,
1�ÄÕ = �O⋅ÂP! Gl. 10-13
die außerdem von der Körpergeometrie abhängt.
In der Literatur findet man die Werte von 3,2 ⋅ 10y bis 3 ⋅ 10Ö. Normalerweise ist mit dem
unteren Grenzwert zu rechnen. Nur bei besonders störungsfreier Außenströmung wird
3 ⋅ 10Ö erreicht.
Außer der Reynolds-Zahl gibt es noch andere dimensionslose Größen zur Beschreibung der
Grenzschicht und damit zur Charakterisierung der Umströmung von Körpern.
Die auf den Staudruck der Anströmgeschwindigkeit bezogene Wandschubspannung heißt
Reibungsbeiwert (Strömungswiderstandskoeffizient, Widerstandsbeiwert) �� und ist wie
folgt definiert:
�� = QRS�⋅�O� = �S�⋅�O� ⋅� Gl. 10-14
mit der umströmten Referenzfläche �, die bei Fahrzeugen die Stirnfläche ist und in der
Flugzeugaerodynamik die Auftriebsfläche (Flügelfläche).
Vorlesungsskript Fluidmechanik I 10 Grundleg. Strömungserscheinungen
10-11
10.4 Umströmung von Körpern
10.4.1 Widerstand und dynamischer Auftrieb
Abb. 10-12: Widerstand und Auftrieb bei Tragflächen
Bei der Umströmung eines Körpers wirkt vom realen Fluid auf den Körper eine Kraft �. Das
Ziel ist es, diese Kraft zu berechnen.
In einem gewählten Koordinatensystem (KS) bestehend aus der Anströmrichtung
(horizontal) und einer Senkrechten dazu (parallel zur Erdbeschleunigung) kann diese Kraft in
ihre Komponenten zerlegt werde. Die Komponente in Anströmrichtung ist der
Strömungswiderstand ´T, die Komponente senkrecht dazu und parallel zur
Erdbeschleunigung ist der dynamische Auftrieb ´}.
Bei plumpen Körpern hat � praktisch die Richtung der Anströmgeschwindigkeit (siehe Abb.
10-13).
Abb. 10-13: Widerstand bei plumpen Körpern
Bei schlanken Körpern, insbesondere bei Tragflächen, kann die Richtung von � erheblich von :ù abweichen (siehe Abb. 10-14).
Vorlesungsskript Fluidmechanik I 10 Grundleg. Strömungserscheinungen
10-12
Abb. 10-14: Kombination der Koordinatensysteme A0W und D0R
Betrachten wir jetzt einen umströmten Körper und seine Oberfläche: An der Grenzfläche des
umströmten Körpers wirken in jedem Punkt eine Schubspannung M tangential zur
Grenzfläche und Druck ( normal zur Grenzfläche (siehe Abb. 10-15). Daher setzt sich der
Strömungswiderstand �� wiederum aus einer Kraft der Schubspannungen
(Reibungswiderstand �p) und der Druckspannungen (Druckwiderstand �Ô) zusammen.
Der Reibungswiderstand wird durch die Integration der Schubspannungen und der
Druckwiderstand durch die Integration der Druckspannungen über die Oberfläche
berechnet.
Abb. 10-15: Strömungswiderstand, zusammengesetzt aus Reibungs- und
Druckwiderstand
Bei plumpen Körpern gilt ´U ≫ ´ , bei schlanken Körpern ´ ≫ ´U.
Die folgende Tab. 10-1 gibt die ungefähre Aufteilung des Widerstandes in Duck- und
Reibungswiderstand für einige Fälle in Prozent an:
wꚘ
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10-13
Tab. 10-1: Aufteilung des Widerstands eines umströmten Körpers
Körper Druckwiderstand
[%]
Reibungswiderstand
[%]
Tragfläche 10 90
PKW 90 10
Flugzeug 50 50
0 100
≈ 10 ≈ 90
≈ 90 ≈ 10
100 0
Der Reibungswiderstand ist eine Funktion der Viskosität. Im Idealfall reibungsloser Strömung
tritt kein Reibungswiderstand auf. Aber auch der Druckwiderstand verschwindet. Man
bezeichnet diese Tatsache als d'Alambertsches Paradoxon.
Die theoretische Bestimmung des Körperwiderstandes ist nicht möglich. Der
Körperwiderstand findet daher Eingang in die Berechnungen über die �-Beiwerte (��, �Ô, ��), die jeweils in Laborversuchen empirisch bestimmt werden. Es gilt:
Eine Tabellierung erfolgt in Abhängigkeit des Anstellwinkels {. Für Standardgeometrien
findet man die �-Werte in umfassenden Tabellenwerken. Für individuelle Objekte müssen
spezielle Versuchsreihen durchgeführt werden. Dies ist zum Beispiel bei jedem neuen
Automodell der Fall und ein hoher Werbefaktor.
Der Widerstandsbeiwert �� ist definiert durch:
�� = �RS�⋅�O� ⋅�3 Gl. 10-16
Er ist eine dimensionslose Größe. Als Bezugsfläche �ú dient hier die Grundrissfläche
(Schattenfläche):
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10-14
�ú = R ⋅ ! Gl. 10-17
Der Druckbeiwert � ist definiert durch:
� = �OS�⋅�O� Gl. 10-18
Der Auftriebsbeiwert �� ist definiert durch:
�� = � S�⋅�O� ⋅�3 Gl. 10-19
mit �� als der wirkenden Auftriebskraft.
Bei einer Anströmung erfährt jedes Objekt eine Widerstandskraft.
Objekte erfahren eine Auftriebskraft nur, wenn Anströmung asymmetrisch bezüglich der Achse in Anströmungsrichtung ist.
10.4.2 Grundlagen der praktischen Tragflügeltheorie
Das Koordinatensystem wird wie folgt definiert (siehe Abb. 10-16):
• ?-Achse: Parallel zur Schwerkraft
• =-Achse: Parallel zur Anströmrichtung (senkrecht zur Schwerkraft)
Abb. 10-16: Tragflügel im Koordinatensystem
γ
α
Vertikale Achse z Normale zur Tragfläche
γ + α = 90 ° c A ( -)
cW (+)
FW
FA
w
Anströmrichtung x γ
Tangentiale zur Tragfläche
γ + α = 90 ° c A ( -)
cW (+)
∞
FG
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10-15
Abb. 10-17: Kräfte am Tragflügel
�� Widerstandskraft �� immer in Anströmrichtung und entgegen der
Bewegungsrichtung des Objektes (Strömungswiderstand)
�� Dynamische Auftriebskraft �� immer normal zur Anströmrichtung und
entgegen der Erdbeschleunigung
{ Winkel zwischen der Anströmrichtung und der Normalen zur Tragfläche
B Anstellwinkel der Tragfläche mit der Horizontalen
�X Zugkraft (Schubkraft) des Flugzeugs
∞
Vertikale Achse z
F
α
γ
F GTangentiale zur Tragfläche
Normale zur Tragfläche
γ + α = 90 °
Anström-
richtung x
w
Z
F
F W
F A
γ + α = 90 °
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10-16
Abb. 10-18: Erklärung für den dynamischen Auftrieb (A� – Druck unmittelbar an der Tragflächenunterseite (AB – Druck unmittelbar an der Tragflächenoberseite (� – Umgebungsdruck außerhalb des Kontrollvolumens
Erklärung des dynamischen Auftriebes (siehe Abb. 10-18):
Im Nahfeld der angewinkelten Tragfläche wird ein Kontrollvolumen aufgespannt. Im vom
Tragflügel ungestörten Bereich an den Rändern des Kontrollvolumens herrscht jeweils
Normaldruck (�.
∞
Anströmrichtung x γ
α
Geschwindigkeit
v1 < v 2 < v 3 < v4 : Beschleunigung
pTo < p0 < pTu : Druckgradient
γ + α = 90°
w
Kontrollvolumen
α
z
p U Umgebungsdruck ungestörter Bereich oben
pTo<pU
v1
pTu>pU>pTo
pTu>pU
pU
Umgebungsdruck ungestörter Bereich unten
v2
v4
pTo
<pU< p
Tu
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10-17
Die einströmende Luft mit (hier mit Geschwindigkeit 5ù) wird in diesem Kontrollvolumen
durch die angewinkelte Tragfläche nach unten umgelenkt und erfährt dabei eine
Vertikalbeschleunigung in Richtung Erdboden. Diese Vertikalbeschleunigung nach unten
bewirkt im Kontrollvolumen einen Druckgradienten in Richtung nach oben.
Unterhalb der Tragfläche nimmt der Druck in der Vertikalen zu – vom Normaldruck (� im
ungestörten Bereich auf einen höheren Druck unmittelbar an der Tragflächenunterseite
(Index 45): (A� > (�,�°;ò°
Oberhalb der Tragfläche nimmt der Druck ebenfalls in der Vertikalen von einem niedrigeren
Druck (AB unmittelbar an der Tragflächenoberseite wieder auf den Normaldruck (� im
ungestörten Bereich oben zu: (AB < (�,B�ò°
Daraus resultiert:
(A� > (� > (AB → (AB < (A� (Druckunterschied → Auftrieb)
Dieses Druckfeld ist die Ursache der Auftriebskraft!
Die Auftriebskraft ist eine Reaktionskraft, die aus der Vertikalbeschleunigung der Luft resultiert, die an einer angewinkelten Tragfläche in Richtung Erdboden umgelenkt wird.
Ob ein Flugobjekt fliegt oder nicht hängt nur vom Anstellwinkel der Tragfläche ab.
Diese Erklärung für den Auftrieb gilt nicht nur für das Abheben vom Boden, sondern auch für
alle Probleme mit dynamischen Auftriebskräften, die ganz allgemein als Kräfte normal zur
Strömungsrichtung verstanden werden.
Im Fall der Flugobjekte ist die Platte so als Tragfläche ausgerichtet, dass die resultierende
Auftriebskraft genau der Gewichtskraft des Flugobjektes entgegenwirkt.
Der Strömungswiderstand �� steht im Gleichgewicht zur Zugkraft (Schubkraft) �X, mit der
der Propeller das Flugzeug durch die Luft zieht (siehe
Vorlesungsskript Fluidmechanik I 10 Grundleg. Strömungserscheinungen
10-18
Abb. 10-17).
Der Auftrieb kann erhöht werden durch:
• Erhöhung der Geschwindigkeit 5ù
• Vergrößerung der Tragfläche
• Vergrößerung des Anstellwinkels B
Hierbei schließt sich eine komplizierte Optimierungsarbeit an. Die Geschwindigkeit kann man
erhöhen, indem leistungsfähige Antriebsaggregate eingebaut werden, was aber einen
höheren Energiebedarf verursacht.
Eine Vergrößerung der Tragflächen vergrößert gleichzeitig das Gewicht des Flugzeuges. Eine
Gegenmaßnahme dafür wären leichtere (und teurere) Werkstoffe.
Mit der Vergrößerung des Anstellwinkels steigt auch die Widerstandskraft der Tragfläche
und es kommt zu starken Wirbelablösungen auf der Rückseite, sodass die Geschwindigkeit
des Flugzeuges einbricht und sich damit auch wieder der Auftrieb verringert.
Und genau das ist der Grund für die Profilierung der Tragfläche. Tragflächen werden profiliert, um ein stabiles Strömungsfeld mit einem Maximum an Auftriebskraft bei gleichzeitiger Minimierung der Widerstandskraft zu generieren.
Abb. 10-19: Kraft aus Auftriebs- und
Widerstandskraft und aus den
Normal- und Tangentialspannungen
Tangentiale zur Tragfläche
F W
FAF
⋅τ dA
⋅dA
wꚘ
A
Normale zur Tragfläche
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10-19
10.5 Widerstand der längsangeströmten Platte
Bei längsangeströmten Platten entsteht nur der Reibungswiderstand. Für die kritische
Reynolds-Zahl gilt:
1�ÄÕ = ¬O⋅ÂP! = 5 ⋅ 10y Gl. 10-20
hier mit Anströmgeschwindigkeit 6ù.
Ist die Plattenlänge ! < =¬, dann ist die gesamte Grenzschicht bis zur Plattenhinterkante
laminar. Ist die Plattenlänge ! > =¬, dann ist der vordere Teil der Grenzschicht (bis =¬)
laminar, dahinter wird sie turbulent.
Der Widerstandsbeiwert �� für eine einseitig benetzte ebene Platte als Funktion der
Reynolds-Zahl 1� und der relativen Sandrauhigkeit $ú !⁄ ist in Abb. 10-20 dargestellt.
Abb. 10-20: Widerstand der längsangeströmten ebenen Platte
Für die ��-Werte der längsangeströmten Platte gelten die folgenden Formeln:
Bereich (1) – Blasius (siehe Abb. 10-20):
Laminar, hydraulisch glatt, 1� < 5 ⋅ 10y
�� = c,�|%|²√pò Gl. 10-21
Vorlesungsskript Fluidmechanik I 10 Grundleg. Strömungserscheinungen
Wenn der statische Auftrieb vernachlässigt werden kann (K ≪ K³ bzw. K ⋅ 9 ≪ &), so
vereinfacht sich das Ergebnis zu:
:ù = ç |⋅À⋅fºR⋅g⋅� Gl. 10-37
Rechenbeispiel:
Gegeben ist eine Kugel, mit dem Durchmesser S und der Dichte a³, die in einer Flüssigkeit
der Dichte a nach unten sinkt. Nach einer gewissen Zeit bewegt sie sich mit der stationären
Sinkgeschwindigkeit :ù. Wie groß ist die Geschwindigkeit :ù?
Die Masse der Kugel & ist
& = K³ ⋅ � ⋅ 9 Gl. 10-38
Einsetzen in Gl. 10-36 ergibt für die Sinkgeschwindigkeit
:ù = ç2 ⋅ � ⋅ -⋅dgÁ�geºR⋅g⋅� Gl. 10-39
für deren Berechnung jedoch der korrekte ��-Wert benötigt wird. Dieser selbst hängt
jedoch von der Reynolds-Zahl und diese wiederum von der Fallgeschwindigkeit ab. Somit
lässt sich :ù nur durch einen iterativen Prozess bestimmen.
Man geht von einem Schätzwert für den ��-Wert aus, berechnet damit :ù und die
dazugehörige Reynolds-Zahl und prüft anhand des Diagramms (siehe Abb. 10-25), ob
Reynolds-Zahl und ��-Wert zueinander passen bzw. die Abweichung in einem tolerierbaren
Bereich liegt.
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10-26
Abb. 10-25: Verlauf des Widerstandsbeiwertes �� der Kugel
10.7.1 Schleichende Strömung um eine Kugel in einer reibungsbehafteten
Flüssigkeit – Widerstandskraft
Ziel: Herleitung des ^T-Wertes
Die Kugel ist im Vergleich zu einem schlanken Profil ein stumpfer Körper. Daher ist mit
Strömungsablösung zu rechnen. Im Folgenden werden wir uns mit dem
Umströmungswiderstand beschäftigen.
Körperumströmungen bei kleinen Reynolds-Zahlen 1� < 1 werden in der Technik als
schleichende Strömungen bezeichnet. Sie treten auf, wenn z. B. die Zuströmgeschwindigkeit :ù klein oder die Viskosität I des strömenden Mediums groß ist. In diesem Kapitel soll die
schleichende, inkompressible Strömung um eine Kugel mit dem Durchmesser S betrachtet
werden.
Der Umströmungswiderstand �� eines Körpers setzt sich zusammen aus
• Druckwiderstand ��,Ô
• Reibungswiderstand ��,p
Gegebene Größen: :ù, (ù, Radius 1, I = F a⁄ , gesuchte Größen: ��,p, ��,Ô, �, ��
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10-27
Abb. 10-26: Umströmung einer Kugel
10.7.1.1 Druckwiderstand
(³ Normalspannung (Konturdruck)
M Tangentialspannung (Schubspannung)
Abb. 10-27: Druckwiderstand bei der Umströmung einer Kugel
pꚘ
wꚘ
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10-28
�� = d2 ⋅ Ó ⋅ Re ⋅ 1 ⋅ �{ dR = 1 ⋅ sin {e �� = 2 ⋅ Ó ⋅ 1| ⋅ sin { ⋅ �{
Gl. 10-40
Der Druckwiderstand resultiert aus der Integration der in Anströmrichtung wirkenden
Komponenten der Normalspannung (horizontale, d. h. =-Komponenten in diesem Beispiel)
���,Ô = (³ ⋅ ��_ = (³ ⋅ cos { ⋅ �� ��,Ô = Å ���,Ô � = � Å (³ � ⋅ cos { ⋅ ��
Gl. 10-41
Der Druck (³ ist auf der Fläche �� konstant. Das Minuszeichen vor dem Integral
berücksichtigt, dass die Kräfte ��,Ô für 0 < { < 90° in negative =-Richtung und für 90° <{ < 180° in positive =-Richtung wirken.
��,Ô = � Å (³ � ⋅ cos { ⋅ 2 ⋅ Ó ⋅ 1| ⋅ sin { ⋅ �{ Gl. 10-42
Der Konturdruck (³ ergibt sich aus einer analytischen Lösung der Navier-Stokes-Gleichung
zu
(³ = � �⋅Ï⋅¬O|⋅p ⋅ cos { + (ù Gl. 10-43
Eingesetzt in Gl. 10-42 erhält man:
��,Ô = Å 2 ⋅ Ó ⋅ 1| ⋅ j�| ⋅ Ï⋅¬Op ⋅ cos { � (ùl ⋅ cos { ⋅ sin { ⋅ �{'� Gl. 10-44
Mit der Lösung des Integrals
� = 2Ó12 ⋅ jÅ 32 F⋅6∞1 cos2 { ⋅ sin { ⋅ �{Ó0 � Å (∞ ⋅ cos { ⋅ sin { ⋅ �{Ó0 l Gl. 10-45