Nr. 2/200072 DAV Panorama Nr. 2/2000
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Toprope-Anseilen mit Karabiner?
Beim Topropeklettern, insbesondere an Kletteranlagen, ist es
blich, sich einfachheitshalber mit einem
Karabiner mit Verschlusssicherung (Schraub- oder
Twistlockverschluss) anzuseilen. Inzwischen haben sich
einige Unflle ereignet, bei denen sich das Seil selbstttig
(richtig: ungewollt) ausgehngt hat und die
deshalb Anlass geben, eine redundante Methode vorzuschlagen. Von
Pit Schubert
Glcklicherweise sind die Unflle nichthufig, dafr oft genug mit
ernsten Folgen.Sowohl bei zugeschraubtem Schraubver-schluss als
auch bei Twistlockkarabinern hatsich das Seil selbstttig
ausgehngt,was mansich bei erstem Andenken eigentlich garnicht recht
vorstellen kann. Deshalb seinachfolgend auf die
bekanntgewordenenUnflle hingewiesen.
Unflle mit Schraubkarabinern An der knstlichen Kletteranlage
inMnchen-Thalkirchen strzte ein toprope-gesicherter Kletterer in
vier Metern Hheund fiel mit einem kleinen Zwischenruckbis zum
Boden. Der mit Sicherheit zuge-schraubt gewesene Karabiner hatte
sichgeffnet und aus der Anseilschlaufe desSitzgurtes ausgehngt.
Sofort kletterte einFreund der Seilschaft hinauf zum Seil undfand
den Karabiner gerade soweit aufge-schraubt, dass sich der Schnapper
ffnenlie.
In Konstein (sdlicher Frankenjura) ver-suchte sich ein Kletterer
bewusst an einerfr ihn viel zu schwierigen Route (VIII). Erwusste
also, dass er mit Sicherheit strzenwrde; deshalb achtete er ganz
besondersauf seinen Achterknoten und darauf, dasssein
Schraubkarabiner auch wirklich zuge-schraubt war.In acht Metern Hhe
wurde esihm zu schwierig. Er lie sich glcklicher-weise nicht ins
Seil fallen, sondern von sei-nem Seilpartner straffnehmen. Dabei
be-merkte er, dass sich das Seil aus demSchraubkarabiner aushing
und der Achter-knoten nach oben entschwand. Er konntegerade noch
eineinhalb Meter zurckklet-tern und sich an einem Bhlerhaken
fest-halten. hnliches ereignete sich ebenfalls inKonstein. Ein
Vater, ein sehr erfahrenerKletterer, sicherte seinen
zehnjhrigenSohn in einer IVer-Route nach. Damit die-sem nichts
passieren konnte (Garantenstel-lung!),hatte der Vater den Sackstich
gewis-
senhaft geknpft, den Schraubkarabinerebenso gewissenhaft
zugeschraubt und bei-des noch einmal berprft.Als der Bub inzehn
Metern Hhe war, sah ein andererKletterer in einer Parallelroute,wie
bei demBuben die Sackstichschlinge im geffnetenKarabiner hing und
sich jeden Augenblickhtte aushngen knnen (siehe Abbildung2). Der
Kletterer querte zum Buben, fhrtedas Seil wieder richtig in den
Karabiner undkonnte so einen Unfall verhindern. Der letzte zufllig
bekannt gewordeneUnfall mit Schraubkarabiner ereignete sichim
vergangenen Sommer in Meteora (Grie-chenland). Whrend einer
Ausbildung setz-te sich ein 16-jhriger Anfnger am Umlenk-haken ins
Seil und strzte zehn Meter ab.Das Seil hatte sich aus dem Karabiner
selbst-ttig ausgehngt. Folge: Querschnittslh-mung.
Unflle mit Twistlock-Karabinern In Stetten (bei Stuttgart)
verwendete ein
Journalist eines bekannten Klettermagazinseinen
Twistlock-Karabiner. Als er sich amUmlenkhaken ins Seil setzen
wollte, um ab-gelassen zu werden,strzte er fnf Meter ab.Folge:
Trmmerbruch eines Fugelenks. Im Prinzip ein jeweils vllig
gleicherUnfall mit Twistlock-Karabiner ereignetesich beim
Indoorklettern in Mittenwald undin Nrnberg, jeweils mit hnlichen
Folgen. Auch vom Wettkampfklettern ist ein Fallmit
Twistlockkarabiner bekannt geworden,und zwar bei einem internen
Wettklettern inBulgarien.Folge:beide Beine gebrochen (eshandelte
sich nicht um einen UIAA-Wett-kampf;die UIAA lsst bei ihren
Wettkmpfengrundstzlich keine Karabiner zum Anseilenzu). Allein in
Tschechien wurden sechs (!)Unflle mit Twistlock-Karabinern
bekannt.Folgen: einmal Beinfraktur, einmal Armfrak-tur, einmal
Fersenbeinzertrmmerung unddreimal Wirbelverletzungen,eine davon
mitQuerschnittslhmung.
UrsachenforschungIn allen Fllen, in denen
Schraubkarabinerverwendet worden sind, wurde behauptet,dass der
Karabiner in jedem Fall zuge-schraubt gewesen sei.Tatsache aber
ist,dassan den Karabinern immer festgestellt wer-den musste, dass
der Schraubverschluss imentscheidenden Augenblick doch minde-stens
so weit aufgeschraubt war (siehe auchden Fall in
Mnchen-Thalkirchen),dass sichder Schnapper ffnen konnte;
andernfallsist ein selbstttiges Aushngen ja auch nichtmglich.
Wodurch sich der jeweils zugeschraub-te Schraubverschluss hatte
ffnen knnen(wenn er wirklich zugeschraubt war!) konn-te in keinem
der Flle geklrt werden. Eskann nur spekuliert werden.Mit
ziemlicherSicherheit drfte der Schraubverschlussnicht bis zum
Anschlag und nicht darberhinaus noch etwas festgezogen
gewesensein,sondern zwar zugeschraubt,aber dochlocker.Fo
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Abb. 1: Typisches Anseilen mit Schraubkarabiner beim
Toprope-Klettern
Abb. 2: So etwa drfte sich das Seil des Zehnjhrigen im
Karabinerbefunden haben, kurz vor dem Selbstaushngen.
Abb. 4/5: Seilaushngen aus einem Karabiner, wenn der
Verschlussnicht mehr verschlossen ist.
Abb. 3: Typisches Verfangen einer Faserschlaufe desSeilmantels
an einer der Eckeneines Twistlockverschlusses und selbstttiges
ffnen derVerschlusssicherung.
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Durch Tangentialbewegungen desSchraubverschlusses an Kleidung,
am Seiloder woran auch immer knnte sichwhrend des Kletterns der
lockere Schraub-verschluss aufgeschraubt haben, insbeson-dere
dann,wenn er nur wenig,vielleicht nureine halbe Umdrehung,
zugeschraubt war.Auch durch Vibration und Unwucht
desSchraubverschlusses ist in solchen Fllenein selbstttiges
Aufschrauben vorstellbar.
Beim Twistlockverschluss ist das selbst-ttige ffnen ebenso
nachvollziehbar: EineFaserschlaufe des Seilmantels kann sich
aneiner der scharfen Ecken des Twistlockver-schlusses verfangen und
diesen bei Belas-tung aufdrehen (siehe Abbildung 3);dies istauch
vom Abseilen mit HMS bekannt.
Wenn der Verschluss (Schrauber oderTwistlock) erst einmal offen
ist, muss sichdie Anseilschlaufe nur noch ungnstig aufden Schnapper
legen, dann hngt sich wenn der Karabiner dem ungnstigen Seil-zug
nicht ausweichen kann die Anseil-schlaufe des Seiles oder die des
Hftgurtesschon bei geringer Belastung selbstttig aus(siehe
Abbildungen 4/5).
Was tun?Bei Karabinern mit Schraubverschluss knn-te man diesen
bis zum Anschlag zuschrau-ben, und zwar so fest, dass er sich
nichtselbstttig lsen kann.Je nach Konstruktionkann sich der
Schraubverschluss dann beihufiger Sturzbelastung soweit
verklem-men,dass er sich unter normalen Bedingun-
gen kaum mehr wieder lsen lsst;man musssich dann mit dem
Krpergewicht reinhn-gen, um die Verklemmung zu berwindenoder gar
eine Zange zu Hilfe nehmen.Beidestut dem Schraubverschluss nicht
gut,und erwird vermehrt zum Verklemmen neigen.
Man knnte einen Karabiner mit kom-biniertem
Twistlock-Schiebeverschluss ver-wenden. Ein selbstttiges ffnen ist
dannkaum mehr verstellbar. Doch diese Karabi-ner sind nicht
beliebt, weil recht umstnd-lich zu handhaben (Drehen und
Schiebender Verschlusssicherung); sie werden des-halb meist gar
nicht angeschafft.
Man knnte sich auch direkt ins Seil ein-binden, also auf den
Karabiner verzichten.Dies ist aber erheblich umstndlicher,vor
al-lem auch deshalb, weil der Knoten durchhufiges Belasten (Sturz,
Ablassen) meistrecht festgezogen ist und sich so nur schwie-
rig wieder lsen lsst. Bleibt nur eine Mg-lichkeit: Redundanz,
das heit zwei Karabi-ner (mit Verschlusssicherung) parallel
undgegenlufig verwenden (siehe Abbildung 6).
Dann sollte nichts mehr passieren knnen,auch dann nicht, wenn
die Karabiner ihreLage gegeneinander durch Seil-
und/oderKletterbewegungen verndern und dieSchnapper auf eine Seite
zu liegen kommenoder wenn ein Karabiner wirklich nicht
zu-geschraubt sein oder sich ein Twistlock-Verschluss durch
Seilbewegungen selbst-ttig ffnen sollte;der zweite wird sich
nichtauch noch ffnen und sich das Seil aushn-gen knnen. Sollte kein
zweiter Karabinermit Verschlusssicherung zur Hand sein,kannman
einen Normalkarabiner verwenden.Das zustzliche Einhngen eines
zweitenKarabiners ist vom Aufwand und vom Ge-wicht her durchaus
zumutbar. *)
Durch die Redundanz ergibt sich aucheine doppelt so hohe
Festigkeit (richtig:Bruchkraft) bei der glcklicherweise nursehr
selten auftretenden Querbelastung derKarabiner.
Was tun auf Gletschern?Aufgrund des notwendigen Ausbindens
beieiner Spaltenbergung wird auf Gletschernschon immer mit einem
Karabiner (mitVerschlusssicherung) angeseilt. Noch sindkeine
diesbezglichen Unflle bei Verwen-dung nur eines Karabiners bekannt
gewor-den. Dies aber wohl nur deshalb, weil sichein Spaltensturz
glcklicherweise wesent-lich seltener ereignet als eine
Seilbelastungbeim Topropeklettern. Denkbar ist ein sol-cher Unfall
auf Gletschern natrlich genau-so.Man msste nur oft genug in eine
Spaltestrzen, um dies praktisch nachzuweisen.Deshalb empfiehlt sich
auch auf Gletscherndie vorgeschlagene redundante Methodemit zwei
(parallel und gegenlufig einge-hngten) Karabinern. *) **)
*) Wird der Ball-lock-Karabiner von PETZLmit seinem
Kugelverriegelungsmechanismusverwendet, kann auf den zweiten
Karabiner(Redundanz) verzichtet werden, da das Verrie-gelungssystem
so konzipiert ist, dass ein selbst-ttiges ffnen ausgeschlossen
werden kann.
**) siehe auch Sicherheit und Risiko in Felsund Eis, Seite 227,
Bergverlag Rother,Mnchen, l. Auflage 1994, inzwischen 5. Auflage,
1998.
Pit Schubert ist Leiter des DAV-Sicherheitskreises
Abb. 6: Redundanz: Zwei Karabiner mit Verschlusssicherung,
parallel und gegenlufig eingehngt.
Diesen Beitrag knnen Sie aus dem Internet unter
www.alpenverein.de/panorama.htm herunterladen.
S e r v i c eT I P P S & T E C H N I K
Auf Tennisschlgern durch die WinterprachtVon Jahr zu Jahr zieht
es mehr Schneeschuhwanderer in die Natur.
Gerade fr Nichtskifahrer ist der Weg in winterliche Landschaften
erst
durch Schneeschuhe mglich geworden. Und wenn auch so mancher
Skitourengeher nur einen mitleidigen Blick fr die Konkurrenz
im
Tiefschnee brig hat, bt das Schneeschuhgehen selbst auf
einge-
fleischte Skibergsteiger eine gewisse Faszination aus.
Von Wolfgang Wahl
Schneeschuhe sind keine neue Erfin-dung. Schon die Ureinwohner
Nordameri-kas verwendeten Gehhilfen zur Fortbewe-gung, die das
Einsinken in den Tiefschneeverminderten. Ursprnglich aus
Zweigengeflochten, spter aus unter Dampf geboge-nem Holz und mit
Tiersehnen oder Drmenbespannt, hat sich der Schneeschuh inzwi-schen
zum High-tech-Gert entwickelt.Whrend aber Eskimos und Indianer
frheraus konomischen Grnden ber denSchnee stapften, ist dies heute
fr uns einereine Freizeitbettigung. Schneeschuhwan-dern hat sich zu
einem eigenstndigenWintersport gemausert.
Schneeschuhgehen kann als gemtlicheund stille, aber auch als
eine kraftzehrendeund abenteuerliche Sportart betrieben wer-den.Die
Mglichkeiten reichen vom Genuss-wandern in der Ruhe und Einsamkeit
ver-schneiter Tler bis zum Zustieg fr Snow-boardfahrten abseits
prparierter Pisten,
von schwierigsten Anstiegen fr ambitio-nierte Winteralpinisten
bis hin zu Laufwett-kmpfen.
Schneeschuhgeher sind an keine be-stimmten Routen gebunden.
Durch die be-sondere Konstruktion des Schneeschuhs,die ein
Einsinken im tiefen Schnee weitge-hend verhindert, kann der
Winterbergstei-ger nahezu jedes Gelnde begehen. Dabeibegibt sich
der Schneeschuhgeher nicht nurin lawinengefhrdetes Gelnde, er
bewegtsich zumeist auch im Lebensraum vonWildtieren. Hufige
Strungen erhhen de-ren Energieverbrauch und verhindern dasAufnehmen
von Nahrung. Lawinenkundli-ches Wissen und Kenntnisse ber
Wildtieresind deshalb unabdingbar fr eine sichereund naturschonende
Durchfhrung vonSchneeschuhtouren.
Der SchneeschuhGegenber den traditionellen Holz-Schnee-
schuhen der nordamerikanischen Eskimosund Trapper haben sich die
modernen High-tech-Modelle aus Plastik und Aluminiumziemlich
gewandelt. Ohnehin sind die klas-sischen Holz-Modelle wie der
abgebildeteBiberschwanz fr alpine Unternehmun-gen kaum geeignet und
eher etwas frNostalgiker.
Aus der breiten Angebotspalette derzahlreichen Anbieter lassen
sich grundstz-lich zwei Schneeschuhtypen unterschei-den. Zum einen
solche mit Alurahmen undeiner Bespannung aus Neopren,
Plastik,Hypalon etc.,zum anderen solche mit einerstarren
Grundplatte aus Plastik (siehe Ab-bildung 1). Welchem Typ der
Vorzug gege-ben wird, ist eher Geschmacksache, am be-sten
ausprobieren. Beide Modelle sind alsAllrounder sowohl fr einfache
Wanderun-gen wie auch fr alpines Steilgende geeig-net. Von Vorteil
fr das Gehen ist es aller-dings,wenn der Schneeschuh sich zum
hin-teren Ende hin verjngt.
Das Material muss bruchfest sein, dieGrundflchen drfen nicht
vereisen undnicht stollen. Auf jeden Fall ist es notwen-dig,die Gre
des Schneeschuhs auf das je-weilige Krpergewicht abzustimmen.
Sp-testens in frischem Pulverschnee rcht sicheine zu kleine
Auflage.Die meisten Modellewerden in unterschiedlichen Gren
ange-boten.Nicht zuletzt spielt auch das Gewichtdes Schneeschuhs
selbst eine Rolle.
Bei der Anschaffung sollte das Augen-merk vor allem auf Bindung,
Harschkralleund Zacken gelegt werden. Die Bindungmuss bruchsicher,
verstellbar und fr denentsprechenden Schuhtypen geeignet
sein.Auerdem sollte sie eine uneingeschrnkteFersenfreiheit bieten
und auch bei seitlicherBelastung im Steilgelnde sicher fhren.
Siemuss den ganzen Schuh fest im Griff haben.
Abb. 1: Biberschwanz, Alu- und Plastikschneeschuh (v.l.n.r.)
Foto
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