Indigene Völker und die ILO-Konvention Nr. 169 (Informationen für das Klima-Bündnis) Lioba Rossbach de Olmos Februar 1998 KLIMA-BÜNDNIS / ALIANZA DEL CLIMA e.V. European Secretariat nGalvanistr. 28 nD-60486 Frankfurt am Main fon (+ 49-69) 707900 83 nfax (+4 9-69) 703927 [email protected]nhttp://www.klimabuendnis.org
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1998. Indigene Völker und die ILO-Konvention Nr. 169
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5/8/2018 1998. Indigene Völker und die ILO-Konvention Nr. 169 - slidepdf.com
Klima-Bündnis / Alianza del Clima e.V. Indigene Völker und die ILO-Konvention 169
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Indigene Völker und die ILO-Konvention Nr. 169
Ein Überblick
Das „Übereinkommen Nr. 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) über indigene und in Stämmen
lebende Völker in unabhängigen Ländern“ ist von großer Bedeutung, wenn es um die Rechte indigener Völker
geht. Die meisten dieser Völker, gerade in Südamerika, befürworten die ILO-Konvention Nr. 169, wie sie kurz
genannt wird. Sie ist noch immer die e inzige völkerrechtlich verbindliche Norm, die indigenen Völkern das
Recht auf ein eigenes Territorium, eine eigene Lebensweise, Kultur und Sprache anerkennt und den Regie-
rungen Mindeststandards im Umgang mit diesen Völkern auferlegt.
Die „Koordination der Indianerorganisationen des Amazonasbeckens“ (COICA) hat ihre Partnerkommunen im
Klima-Bündnis/Alianza del Clima schon früh gebeten, die ILO-Konvention Nr. 169 zu unterstützen. Die COICA
hat Interesse daran, daß möglichst viele Staaten der Konvention beitreten, und erhofft sich davon eine breite
Anerkennung der Rechte indigener Völker. Wenn nicht nur Länder, in denen indigene Völker leben, sondernauch solche ohne indigene Bevölkerungsgruppen sich zu einem Beitritt entschließen, trägt dies zur Aufwertung
der Konvention bei, die gerade auch in der Entwicklungszusammenarbeit als wirkungsvolles Instrument zum
Einsatz kommen kann. Es ist nicht zuletzt die Internationale Arbei tsorganisation selbst, die eine Ratifizierungen
durch Länder ohne indigene Völker als Akt der Solidarität befürwortet.
Der kommunale Handlungsspielraum für eine unterstützende Arbeit in dieser Frage scheint gering zu sein.
Allerdings können Kommunen sensibilisierend wirken. Sie können helfen, den Bekanntheitsgrad der Konven-
tion zu erhöhen oder sogar die eigene Regierung zum Beitritt auffordern. Die vorliegende Dokumentation ist
hierzu als ein Beitrag gedacht, indem sie Informationen und Argumentationslinien zusammenträgt. In ihr wird
dargelegt, warum sich das Klima-Bündnis/Alianza del Clima in dieser Frage engagiert (Kapitel 1). Es wird
zudem auf die Bedeutung der ILO-Konvention Nr. 169 für indigene Völker in Südamerika eingegangen (Kapitel2). Es werden schließlich Einblicke in die Entwicklung der Rechtssituation und die Lage der Indianervölker
Latein- bzw. Südamerikas gegeben, wobei die Vorteile, aber auch die Grenzen dieses internationalen Rechts-
instrumentes deutlich werden (Kapitel 3).
Diese Dokumentation wurde in der Absicht erstellt, Gründe, Hintergründe und Argumente für die Ratifizierung
der ILO-Konvention Nr. 169 durch europäische Regierungen bereitzustellen. Deshalb wird über den Stand der
Diskussion in Belgien, Deutschland, Dänemark, den Niederlanden, Österreich und der Schweiz berichtet (Ka-
pitel 4). Von besonderer Bedeutung ist eine Entschließung des Europäischen Parlamentes aus dem Jahre
1994, in der es sich für eine Ratifizierung durch die EU-Mitgliedsstaaten ausspricht. Auch die Niederlande sind
in diesem Kontext zu erwähnen. Im November 1997 hat die Zweite Kammer des niederländischen Parlamen-
tes endgültig die Ratifizierung beschlossen, und im Februar 1998 wurde die offizielle Urkunde bei der Interna-tionalen Arbeitsorganisation hinterlegt. Die Niederlande sind damit als erstes europäisches Land ohne indi-
gene Bevölkerung der ILO-Konvention Nr. 169 beigetreten. Dies kann neue Bewegung in die Frage der Ra-
tifizierung bringen. Vielleicht werden Länder, wie Belgien und die Schweiz, die bisher keine Entscheidung tra-
fen, in Zukunft eine Ratifizierung ins Auge fassen. Andere Länder, wie Österreich, werden den vor Jahren ge-
faßten Ratifikationsbeschluß womöglich bekräftigen. Es steht zu hoffen, daß auch in Deutschland, wo die Re-
gierung einen Beitritt 1993 ablehnte, die Frage erneut überdenkt.
Angefügt sind den Kapiteln einige Dokumente, die eine Einordnung der ILO-Konvention Nr. 169 im Kontext
anderer internationaler Prozesse um die Rechte indigener Völker ermöglichen. Es wird darüber hinaus die
Position der COICA dargestellt, und es wird der Stand der Diskussionen in einigen europäischen Ländern
wiedergegeben.
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Inhalt
1. VON
ANFANG AN EIN
THEMA
: DIE
ILO-KONVENTION
NR
. 169UND DAS
KLIMA
-BÜNDNIS
.................................6
DOKUMENTENANHANG ZU KAPITEL 1........................................................................................................9
Klima-Bündnis unterstützt die ILO-Konvention Nr. 169.............................................................................9
2. DIE INTERNATIONALE ARBEITSORGANISATION UND DIE RECHTE INDIGENER VÖLKER .........................................11
Die Vorläuferkonvention Nr. 107 aus dem Jahre 1957.......................................................................................12
Von der ILO-Konvention Nr. 107 zur ILO-Konvention Nr. 169 ............................................................................ 16
Das neue Übereinkommen Nr. 169 über indigene und in Stämmen lebende Völker in unabhängigenLändern“ aus dem Jahre 1989................................................................................................................................19
Möglichkeiten und Grenzen einer internationalen Konvention.......................................................................... 21
DOKUMENTENANHANG ZU KAPITEL 2......................................................................................................23
ILO-Übereinkommen Nr. 169 von über eingeborene und in Stämmen lebende Völker in
unabhängigen Ländern aus dem Jahre 1989.........................................................................................23
Draft United Nations Declaration on the Rights on Indigenous Peoples ...........................................31
Agenda 21 - Kapitel 26: Anerkennung und Stärkung der Rolle der eingeborenen
Bevölkerungsgruppen und ihrer Gemeinschaften.................................................................................. 38
3. DIE ILO-KONVENTION NR. 169 IN AMAZONIEN ..................................................................................41
Die rechtliche Situation der Indianervölker in den Unterzeichnerstaaten zu Beginn der Revision der ILO-
Konvention Nr. 107..................................................................................................................................................... 42
Die Entwicklungen in Südamerika unter dem Einfluß der ILO-Konvention Nr. 169 von 1989 ....................47
DOKUMENTENANHANG ZU KAPITEL 3......................................................................................................50
Die COICA (Koordination der Indianerorganisationen des Amazonasbeckens) und das
Übereinkommen der ILO über indigene und in Stämmen lebende Völker in unabhängigen
4. DIE ILO-KONVENTION NR. 169 VON 1989 IN EUROPA .......................................................................58
Die Europäische Union ................................................................................................................................58
DOKUMENTENANHANG ZU KAPITEL 4......................................................................................................64
Europa-Parlament: Entschließung zu den für einen wirksamen Schutz der eingeborenen Völker
notwendigen internationalen Maßnahmen (9.2.1994)........................................................................... 65
Deutschland: Stellungnahme der Bundesregierung zu dem Übereinkommen Nr. 169 der ILO
über eingeborene und in Stämmen lebende Völker (22.2.1992) ........................................................ 67
Deutschland: Antrag an den Bundestag zur Unterzeichnung und Ratifizierung des
Übereinkommens 169 der ILO (25.11.92) ...............................................................................................68
Deutschland: Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage zur Lage der Menschenrechte
in Indien (16.9.93).......................................................................................................................................... 69
Deutschland: Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage zur Politik der
Dänemark: Press release: Denmark ratifies ILO Convention No. 169 on Indigenous and TribalPeoples (22.2.96). ......................................................................................................................................... 70
Niederlande: Memorandum: Indigenous Peoples in the Netherlands Foreign Policy and
Development Cooperation........................................................................................................................... 75
Österreich: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag zur Ratif ikation des
Übereinkommens ILO Nr. 169 (3.5.1993)................................................................................................73
Österreich: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag zur Ratif ikation des
Übereinkommens ILO Nr. 169 über (1.7.1997).......................................................................................74
Schweiz: Bericht und Botschaft über die 76. und 77. Tagung der ILO (3.6.91) .................................75
5. IDEENSKIZZE ZUM HANDELN .............................................................................................................81Briefentwurf an nationale Parlamentarier zur ILO-Konvention Nr. 169.............. .................................83
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1. Von Anfang an ein Thema:
Die ILO-Konvention Nr. 169 und das Klima-Bündnis
Was hat das Klima-Bündnis mit der Internationalen Arbeitsorganisation (International Labour Organization -
ILO) zu tun? Diese Frage mag sich nicht nur der unbeteiligte Beobachter, sondern auch die ein oder andere
Mitgliedskommune stellen. Statt Berührungspunkten sind es vor allem Unterschiede, die ins Auge springen.
Das Klima-Bündnis ist ein Zusammenschluß von lokalen Akteuren. Die ILO ist hingegen, wie der Name schon
sagt, eine internationale Organisation, die zu den Vereinten Nationen gehört. Im Klima-Bündnis sind Kommu-
nen aus Europa und Indianerorganisationen aus Amazonien Mitglieder. In der Internationalen Arbeitsorganisa-
tion sind es Regierungen sowie Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften. Das Klima-Bündnis ist eine um-
weltpolitische Initiative, die dem Schutz der Erdatmosphäre verpflichtet ist. Die Internationale Arbeitsorgani-
sation hat in erster Linie mit sozialpolitischen und arbeitsrechtlichen Fragen zu tun.
Dennoch hat das Kl ima-Bündnis gute Gründe, sich mit der ILO zu beschäftigen. Diese ergeben sich aus der
Partnerschaft zwischen den Kommunen und den Amazonasindianern. Niedergelegt sind sie im „Manifest eu-
ropäischer Städte zum Bündnis mit den Indianervölkern Amazoniens“, dem die Kommunen mit ihrem Beitri tt
zum Klima-Bündnis zustimmen. In ihm erklären sie ihre Bereitschaft, entschieden im Klimaschutz aktiv zu
werden. Gleichzeitig verpflichten sie sich, mit ihren indianischen Partnern zusammenzuarbeiten. Sie unterstü t-
zen, so heißt es im Manifest, „die Interessen der amazonischen Indianervölker an der Erhaltung des tropischen
Regenwaldes, ihrer Lebensgrundlage, durch die Titulierung und nachhaltige Nutzung der indianischen Territo-
rien“. Dies ist ein weites Feld für die Zusammenarbeit, die direkte Solidarität genauso einschließen kann wie
die finanzielle Unterstützung von kleinen Projekten oder den Einsatz zur Durchsetzung wirkungsvoller Rechts-
garantien für Regenwaldvölker. Eine Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen indigener Völker und
damit eine Erleichterung bei der Unterstützung durch die Klima-Bündnis-Kommunen stellt nun aber gerade dieInternationale Arbeitsorganisation in Aussicht, und zwar durch eine internationale Konvention, die sie im Jahre
1989 angenommen hat. Vom Partnerschaftsgedanken des Klima-Bündnisses aus betrachtet, ist diese Kon-
vention ein Handlungsfeld für die gemeinsame Arbeit von Kommunen und Indianerorganisationen.
Es handelt sich um das „Übereinkommen Nr. 169 über eingeborene und in Stämmen lebende Völker in unab-
hängigen Ländern“1, das bisher das weitreichendste internationale Normenwerk zur Festlegung der Rechte
der indigenen Völker vor ihrer jeweiligen Regierung darstellt. In insgesamt 44 Artikeln und 10 Teilen werden
neben allgemeinen Bestimmungen (zum Teil auch ILO-interne Regelungen betreffend) Grundsätze, Fragen
von Grund und Boden, Anwerbung, Beschäftigungsbedingungen, Berufsbildung, Handwerk, Gewerbe, soziale
Sicherheit, Gesundheitswesen, Bildungswesen, Kommunikationsmittel, grenzüberschreitende Kontakte und
Zusammenarbeit sowie Verwaltung geregelt.
Die ILO-Konvention richtet sich in erster Linie an Länder, in denen indigene Völker leben. Ihr Geltungsbereich
erstreckt sich auf die innerstaatlichen Rechte bezüglich dieser Völker und die Pflichten der Regierungen und
ihrer Verwaltungen. Bisher haben elf Staaten das Übereinkommen ratifiziert (Stand 2/98). Fünf davon sind
Anrainer des Amazonasbeckens. Allerdings läßt sich in der jüngsten Zeit die Tendenz beobachten, die ILO-
Konvention Nr. 169 als allgemeingültige internationale Norm anzuerkennen. Europäische Staaten ohne indi-
gene Völker prüfen ihre Ratifizierung. Ihre Bestimmungen finden Eingang in entwicklungspoli tische Leitlinien
europäischer Regierungen indigene Völker betreffend. Das europäische Parlament fordert die Mitgliedsstaa-
1 Die Überkommen der Internationalen Arbeitsorganisation werden fortlaufend nummeriert. 169 ist also die 169. Übereinkunft seit
Bestehen der ILO.
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ten der Union auf, die Konvention zu ratifizieren, und es wurde sogar eine Ratifizierung durch die Europäische
Union erwogen, die aufgrund der ILO-Statuten nicht möglich ist.
Eine solche Aufwertung der ILO-Konvention Nr. 169 über ihren innerstaatlichen Geltungsbereich hinaus hatte
auch die „Koordination der Indianerorganisationen des Amazonasbec??kens“ („Coordinadora de Organizacio-
nes Indígenas de la Cuenca Amazónica“ - COICA) im Auge, als sie das Thema in das Klima-Bündnis ein-
brachte. COICA ist der indianische Bündnispartner der Städte im Kl ima-Bündnis und hat wesentlich dazu bei-
getragen, die Idee einer Partnerschaft zwischen lokalen Akteuren aus Europa und Amazonien mit dem ge-
meinsamen Ziel des Klimaschutzes zu verbreiten. Der ehemalige Vorsitzende des Klima-Bündnis, Evaristo
Nugkuag, der Mitglied des Aguaruna-Volkes im Nordwesten Perus ist, hat der ILO-Konvention stets oberste
Priorität eingeräumt und das Thema bald auf die Tagesordnung des Klima-Bündnis gesetzt. Dabei hatte er
beides im Blick, nämlich eine Ratifizierung durch die eigenen Regierungen in Südamerika sowie durch die
europäischen Regierungen, die der ILO-Konvention Nr. 169 international stärkeres Gewicht verleihen würde.
1993 nahm sich die Mitgliederversammlung des Klima-Bündnisses in Enschede (Niederlande) des Themas
an und verabschiedete eine eindeutige Entschließung. Darin unterstützte und würdigte sie die ILO-Konvention
Nr. 169 und forderte die eigenen Regierungen auf, diese zu ratifizieren. Zumindest aber legte sie den politisch
Verantwortlichen nahe, die Bestimmungen der Konvention in jenen Bereichen der staatlichen Außen- und Ent-
wicklungspolitik zugrundezulegen, von denen indigene Völker in anderen Teile der Erde direkt betroffen sind.
Diese Initiative des Klima-Bündnisses stand auch unter dem Eindruck des 500. Jahrestages der sogenannten
„Entdeckung Amerikas“. Der guatemaltekischen Maya-Indianerin Rigoberta Menchú war der Friedensnobel-
preis verliehen worden, und man befand sich mitten im „Internationalen Jahr indigener Völker“, zu dem die
Vereinten Nationen das Jahr 1993 erklärt hatten. Auf der UN-Menschenrechtskonferenz, die im selben Jahr in
Wien stattfand, begann sich abzuzeichnen, daß ein Jahr nicht ausreichen würde, um den Belangen indigener
Völker gerecht zu werden. Im Dezember 1994 wurde daraufhin das „Jahrzehnt der Indigenen Völker“ von der
Vereinten Nationen ausgerufen.
Es schien Bewegung in die Debatte um die Rechte indigener Völker zu kommen, die sich auch in Europa nie-derschlug. Das Europäische Parlament nahm Stellung zur Menschenrechtssituation indigener Völker. Auf-
grund eines Beschlusses des Nationalrates schien eine Rat ifizierung der ILO-Konvention Nr. 169 durch Öster-
reich unmittelbar bevorzustehen, und damit durch ein europäisches Land ohne eigene indigene Bevölkerung.
Allerdings bestand kein Grund zu übertriebenem Optimismus. Unbeeindruckt von den internationalen Bem ü-
hungen zur Verbesserung der Lage indigener Völker hat der deutsche Bundestag mit den Stimmen der Regie-
rungsparteien im Juni 1993 eine Ratifizierung der ILO-Konvention abgelehnt. Auch die österreichische Regie-
rung unterließ es, den Ratifizierungsbeschluß des Parlamentes bei der Internationalen Arbeitsorganisation zu
hinterlegen. Es dauerte bis Herbst Sommer, daß in Österreich ein neuer Vorstoß in dieser Frage unternom -
men wurde. Mittlerweile ist die ILO-Konvention Nr. 169 aber durch die Niederlande ratifiziert.
Die ILO-Konvention hat das Klima-Bündnis in den vergangenen Jahren Zeit stets beschäftigt. In der Bundesre-
publik Deutschland wurden Kontakte mit Bundestagsabgeordneten, politischen Stiftungen und Nichtregie-
rungsorganisationen geknüpft. Auf einem Workshop zum Thema „Möglichkeiten und Probleme der Zusam-
menarbeit zwischen Städten und indianischen Organisationen im Klima-Bündnis“, der am 28. März 1996 im
Rahmen der Jahrestagung des Kl ima-Bündnis in Linz stattfand, wurden Maßnahmen zur Unterstützung der
ILO-Konvention beraten. Auf einer Tagung des Klima-Bündnis mit der Evangelischen Akademie Bad Boll vom
27. - 29. Mai 1997 zu „Globale Verantwortung für den Klimaschutz - Wenn europäische und indianische Or-
ganisationen sich verbünden“ war die ILO-Konvention Nr. 169 Thema einer Arbeitsgruppe. Das Impulsreferat
hielt eine Vertreterin der Internationalen Arbeitsorganisation.2 Schließlich hat sich das Klima-Bündnis mit einer
2 Vgl. Evangelische Akademie Bad Boll, Klima-Bündnis (1977): Globale Verantwortung für den Klimaschutz - Wenn europäische
und indianische Organisationen sich verbünden. Tagung vom 27. bis 29. Mai 1997 in der Evangelischen Akademie Bad
Boll, in Zusammenarbeit mit dem Klima-Bündnis/Alianza del Clima e.V. Protokolldienst 29/97, Bad Boll, Frankfurt am Main
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Dokumentenanhang zu Kapitel 1
Im diesem Dokumentenhang wird nochmals an die Resolution von der Mitglieder-versam mlung des Klima-
Bündnis aus dem Jahre 1993 in Enschede/Niederland erinnert, die weiterhin die Grundlage für die Aktivitäten
des Klima-Bündnis zu Fragen der ILO-Konvention Nr. 169 von 1989 darstellt.
Klima-Bündnis unterstützt die ILO-Konvention Nr. 169
(Auf der Mitgliederversammlung des Klima-Bündnisses am 11. Oktober 1993 in Enschede/Holland verab-
schiedete Resolution)
Resolutionstext
Das Übereinkommen 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) über indigene und in Stämmen lebende Völker in unabhängigen Ländern
aus dem Jahre 1989 ist die bislang einzige völkerrechtliche Norm, die indigenen Völkern gegenüber ihren Staaten das Recht auf ihr Territorium,
eine Mitsprache bei den sie betreffenden gesetzgeberischen und administrativen Maßnahmen und das Recht auf eine Entwicklung im Rahmen
ihrer eigenen Kultur und Tradition zugesteht. Aus diesem Grund fordern die Klima-Bündnis-Städte ihre jeweiligen Regierungen im Internationalen
Jahr der Indigenen Völker auf, das ILO-Übereinkommen Nr. 169 zu unterzeichnen. Beziehungsweise sollen die Regierungen die im ILO-Überein-
kommen enthaltenen Normen als Grundlage ihres Handelns in all jenen Bereichen anerkennen, die indigene Völker direkt oder indirekt betreffen.
Begründung und weiteres Handeln
Mit ihrem Beitritt zum Klima-Bündnis e.V. verpflichten sich die Städte, die "Interessen der amazonensischen Indianer an der Erhaltung des tropi-
schen Regenwaldes, ihrer Lebens grundlage durch die Titulierung und die nachhaltige Nutzung der indianischen Territorien" zu unterstützen. Die
ILO-Konvention 169 ist der gegenwärtig weitreichendste "Mindeststandard" zur Sicherung indigener Rechte, und ihre Ratifizierung durch möglichst
viele Staaten ist im Internationalen Jahr der (weltweit 300 Mill. Menschen zählenden) indigenen Völker mit Nachdruck zu fordern.
Die Internationale Arbeitsorganisation begann schon zu Völkerbundzeiten, sich für die Rechte indigener Gruppen einzusetzen. Dabei stand
zunächst die Lage von indigenen Arbeitern im Mittelpunkt. 1930 wurde dann ein Übereinkommen zum Schutze solcher Arbeiter geschlossen.
Dadurch verschaffte sich die ILO eine "de facto"-Kompetenz in Fragen der Eingeborenenrechte, und 1957 wurde eine erste Eingeborenenkonven-
tion (ILO-Übereinkommen Nr. 107) verabschiedet, die 27 Staaten ratifizierten . Dieses Übereinkommen war von der, aus heutiger Sicht, proble-
matischen Idee einer anzustrebenden Integration indigener Völker in die jeweiligen Nationalstaaten gepräg t.
Als Antwort auf die zunehmende Kritik an dieser lntegrationsidee stimmte die ILO 1986 einer Reform der Konv ention Nr. 107 zu, bei der auch
Vorschläge von Vertretern indigener Völker berücksichtigt wurden. Die neue, 1989 angenommene Konvention Nr. 169 ist infolgedessen zwar
nicht das ideale, wohl aber das weitreichendste internationale Instrument zur Sicherung von Rechten indigener Völker geworden. In ihr ist die
Identität indigener Völker und deren Recht auf Weiterentwicklung ihrer Institutionen im Rahmen der eigenen Kultur verankert. Das Recht auf ein
eigenes Territorium wurde ebenfalls in die Konvention aufgenommen. Ein wichtiger Grundsatz der Konvention ist zudem die Einbeziehung indi-
gener Völker in alle Entscheidungen, die sie und ihren Lebensraum betreffen.
Mit der auf der Mitgliederversammlung verabschiedeten Resolution unterstützt das Klim a-Bündnis das ILO-Übereinkommen Nr. 169. Der Gel-
tungsbereich der Konvention ist zwar eigentlich auf Staaten mit eigener Indigenenbevölkerung begrenzt, doch bedeutet ihre Ratifizierung durch
möglichst viele Staaten eine Unterstützung der Konvention und der in ihr enthaltenen Normen. Zudem finden sich auch in europäischen Staaten
Berührungspunkte mit den Belangen indigener Völker, und zwar insbesondere im Bereich der bilateralen und multilateralen Entwicklungszusam-menarbeit. Und schließlich sollten im gegenwärtigen Internationalen Jahr der indigenen Völker die Rechte dieser Völker nicht der alleinigen
Verantwortung einzelner Staaten überlassen bleiben.
TEX T 1:
RESOLUTION DES KLIMA-BÜNDNIS ZUR
ILO-KONVENTION NR. 169 AUS ANLAß
DER MITGLIEDERVERSAMMLUNG IN
ENSCHEDE AM 11. OKTOBER1993
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2. Die Internationale Arbeitsorganisation und
die Rechte indigener Völker
Trotz der immer wieder laut werdenden Kritik an den Vollzugsdefiziten der Unterzeichnerstaaten wird das „Ü-
bereinkommen Nr. 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO)3 über indigene und in Stämmen lebende
Völker“ aus dem Jahre 1989 von Vertretern und Organisationen dieser Völker durchweg positiv beurteilt. Dafür
lassen sich mehrere Gründe a nführen. Zum einen spielt die frühe Gründung der ILO eine Rolle. Die ILO ist
eine der ältesten existierenden internationalen Organisationen und hat dadurch eine langjährige Kompetenz
bei der Entwicklung von internationalen Rechtsstandards ausgebildet. Sie entstand 1919 zu Zeiten des Völ-
kerbundes und wurde 1949 der UNO als Sonderorganisation angegliedert.
Die Internationale Arbeitsorganisation und indigene Völker
In ihren Zielen bekennt sich die ILO von Anfang an zur Förderung der wirtschaftlichen Sicherheit, der Verbesse-
rung der Arbeitsbedingungen, dem Schutz der Meinungs- und Versammlungsfreiheit von Arbeitern und der Ar-
mutsbekämpfung. Bei ihren Bemühungen zur Beseitigung von Ungerechtigkeit und sozialer Ungleichheit hatte
die ILO jedoch nie nur allein die Arbeitnehmer des formellen Sektors im Blick. Sie beschäftigte sich vielmehr
stets auch mit Arbeitskräften des informellen Sektors und mit Landarbeitern ohne gewerk-
schaftlichen Schutz. Damit in Zusammenhang steht ein frühes Interesse an indigenen Be-
völkerungsgruppen. Von 1921 datiert eine erste Studie zur Situation indigener Arbeiter, der
später weitere folgten. 1926 richtete die ILO zum selben Thema eine Sachverständigenkom-
mission ein. Deren Arbeit war Grundlage für eine Anzahl von Konventionen, z.B. für die Kon-
vention Nr. 29 aus dem Jahre 1930 über Zwangsarbeit, die indigene Arbeiter direkt betraf.
Hieraus entstand ein kontinuierliches Engagement, das die ILO auch als Verantwortung beg-riff (Swepston 1994, S. 41) und das für die Vorgeschichte der Konvention Nr. 169 wichtig ist.
Ein anderer Grund für die besondere Bedeutung der ILO bei der internationalen Normenset-
zung, die indigene Völker betrifft, ist in ihrer dreiteiligen Struktur zu finden. Anders als bei den Vereinten Natio-
nen, in denen nur Regierungen die Mitglieder stellen, sind in der ILO auch Arbeitgeberverbände und Gewerk-
schaften vertreten. Dies sollte insbesondere bei den Beratungen zur ILO-Konvention Nr. 169 von Bedeutung
sein, da indigene Stellungnahmen über die Arbeitnehmerorganisationen eingebracht werden konnten.
Die ILO und Lateinamerika
Schließlich sind die lange Präsenz und die Erfahrungen der ILO in Lateinamerika für diesen Zusammenhangnicht ohne Belang. Neben ihren normativen Aufgaben4 legte die ILO früh ein Schwergewicht auf Maßnahmen
der technischen Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Armut, Diskriminierung und Marginalisierung. Als
Pilotvorhaben darf sicherlich das Andenindianerprogramm bezeichnet werden, das unter Beteiligung anderer
Sonderorganisationen der Vereinten Nationen 1954 in Bolivien, Ecuador und Peru ins Leben gerufen wurde
(Tomei 1997, S. 98). Es wurde 1960 auf Kolumbien, 1961 auf Chile und Argentinien und 1964 auf Venezuela
ausgedehnt und sollte die Lebens- und Arbeitsbedingungen der andinen Indianerbevölkerung verbessern und
zu ihrer Integration in die nationale Gesellschaft beitragen (ILO 1988 Report VI/1 S. 5).
3 Im Deutschen wird die I nternationale Arbeitso rganisation „IAO“ abgekürzt. Für das Übereinkommen Nr. 169 über indigene und in Stämmen
lebende Völker in unabhängigen Ländern“ aus dem Jahre 1989 ist aber die Abkürzung ILO-Konvention Nr. 169 (von I nternational Labour O r-
ganization) üblich geworden. In der vorliegenden Dokumentation halten wir dies so bei.
4 Die ILO hat bis heute 176 Übereinkommen ausgearbeitet und 183 Empfehlungen ausgesprochen (vgl. Tomei 1997, S. 97).
„ Der Weltfrieden
kann auf die
Dauer nur auf
sozialer Gerech-
tigkeit aufgebaut
werden“
(Prä am bel der
ILO)
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Eine Integrationsidee lag im übrigen auch der ersten ILO-Konvention zu indigenen Völkern zugrunde, die als
Nr. 107 im Jahre 1957 von der Internationalen Arbeitsorganisation beschlossen wurde. Bemerkenswert ist,
daß fast alle Andenstaaten sie ratifizierten, die in den Genuß des Andenprogramms gekommen waren. Von
insgesamt 27 Unterzeichnerstaaten waren über die Hälfte, nämlich 14, aus Lateinamerika und der Karibik, fünf
aus Asien, sechs aus Afrika und dem Mittleren Osten sowie zwei aus Europa (ILO 1988 ReportVI/1, S. 5;
Swepston 1978, S. 180).
Die ILO dürfte die Erfahrungen der indigenistischen Politik berücksichtigt haben, die sich in Lateinamerika in
Folge der mexikanischen Revolution entwickelt hatte. Auch die zeitliche Nähe zur bolivianischen Revolution aus
dem Jahre 1952 mag ihre Wirkung gezeigt haben. In Bolivien war die Frage der bäuerlichen Indianerbevölke-
rung der Anden im Rahmen der Landreform aktuell geworden. In jedem Fall war die Integrationsidee zunächst
auf jene indianischen Völker zugeschnitten, die, wie z.B. die Quechua in den Andenländern große Bevölke-
rungsgruppen darstellen und sich darin von den Völkern der Amazonasregion unterscheiden. Die Andenindia-
ner waren schon in der frühen Kolonialzeit unter spanische Herrschaft gekommen und schienen sich bald
endgültig in die lateinamerikanischen Nationalstaaten integrieren zu lassen. Das Zusammentreffen von la-
teinamerikanischer Indianerpol itik und internationaler Normensetzung durch die ILO ist zweifellos ein wichtiger
Grund dafür, daß die ILO-Konvention Nr. 169 in Lateinamerika von sei ten indianischer Organisationen einengrößeren Zuspruch erfährt, als von Vertretern indigener Völkern in Kanada, den USA oder Neuseeland, die ihre
Rechtsansprüche mit den Verträgen begründen, die insbesondere die englische Kolonialmacht mit ihnen
abschloß. Daraus leiteten sie ein Maß an Souveränität ab, das keine der beiden ILO-Konventionen vorsieht.
DIE VORLÄUFERKONVENTION NR. 107 AUS DEM JAHRE 1957
Die Gründe, warum in den fünfziger Jahren Bedarf an einer internationalen Regelung bezüglich der Situation
indigener Völker gesehen wurde, sind vielfältiger Natur. Neben regionalen Entwicklungen, wie die bereits er-
wähnten in Lateinamerika, spielte zweifellos eine Rolle, daß die Entkolonisierung nach Beendigung des zwei-
ten Weltkrieges in vollem Gange war. Die Entstehung neuer nationalstaatlicher Gebilde in den alten Kolonial-
gebieten hat die Frage nach dem Schicksal der nichtstaatlichen indigenen Bevölkerungsgruppen, die sich
kulturell und sprachlich von den neuen staatstragenden Völkern unterschieden, akut werden lassen.
Die Integrationsidee
In diesen Jahren wurde der Nationalstaat das Maß aller Dinge. Und die Integration in einen solchen National-
staat schien nach allgemeinem Dafürhalten die beste Möglichkeit, um allen Bevölkerungsgruppen Zugang zu
den „Segnungen“ der modernen Entwicklung zu verschaffen. Einher ging die Vorstellung, daß im Zuge der
nationalstaatlichen Integration eine kulturell mehr oder weniger homogene Gesellschaft entstehen würde. Die
Integration in diese Gesel lschaft wurde als die bestmögliche Zukunft indigener Völker betrachtet.
Die Integrationsphilosophie korrespondierte noch mit einer anderen Tendenz. Es handelt sich um ein Entwick-
lungsmodell, das „von oben“ durchgesetzt werden sollte. Auch innerhalb der Vereinten Nationen herrschte in
den ersten Jahren nach ihrem Entstehen die Vorstellung vor, daß Regierungen und internationale Organisati-
onen Entwicklungsprozesse zentralis ieren und von oben nach unten durchsetzen sollten (ILO 1988 Report
VI/1, S.28). Dem entsprach auf der anderen Seite das fast vollständige Fehlen moderner Organisationsstruktu-
ren bei den indigenen Bevölkerungsgruppen, die diese in die Lage versetzt hätten, sich vor der internationalen
Öffentlichkeit Gehör zu verschaffen. Doch selbst wenn sie exis tiert hätten, wäre es mehr als fraglich gewesen,
ob sie vor der internationalen Staatengemeinschaft auf offene Ohren gestoßen wären.
Der ILO-interne Vorbereitungsprozeß für die Ausarbeitung der ersten Indigenenkonvention paßt weitgehend in
dieses Bild. Auch hier kamen Integrationsvorstellungen zum Tragen, wobei die ILO allerdings ihren besonde-ren Beitrag darin sah, die mit der Integration verbundenen Härten zu mildern. Diese Tendenz zeigt sich bereits
in den Beratungen eines Sachverständigenkomitees zu indigenen Arbeitern, das 1951 und 1954 zusammen-
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Indigene und in Stämmen lebende Völker
Die neue Konvention führte den Namen „Übereinkommen über den Schutz und die Eingliederung eingebore-
ner5
Bevölkerungsgruppen und anderer in Stämmen lebender oder stammesähnlicher Bevölkerungsgruppenin unabhängigen Ländern“6. Man führte eine begriffliche Unterscheidung ein, die in der ILO noch heute maß-
geblich ist. Danach werden „Eingeborene“ als ursprüngliche Bevölkerung mit eigener Kultur und Sprache in
Ländern mit einer meist europäisierten staatstragenden Bevölkerungsmehrheit begriffen, welche sich, wie
dies bei den meisten lateinamerikanischen Ländern der Fall ist, im Gefolge des Kolonialismus herausgebil-
det hatte. Als Stammesgesellschaften oder stammesähnliche Bevölkerungsgruppen versteht man hingegen
jene Völker vor allem in Afrika und Asien, die nicht in den Staatsapparat ihres Landes einbezogen sind und von
Bevölkerungsgruppen regiert werden, die selbst einheimisch sind. Nicht immer läßt sich in diesen Fällen
bestimmen, welches das ältere Volk in einem Gebiet ist. Beide Gruppen sind aber in der Regel von anderen
Minderheitengruppen durch ihre stärkere Bindung an das Land sowie durch ihre eigene Kultur und Sprache zu
unterscheiden.
Zur Auslegung der Konvention Nr. 107 von 1957
Die genannte Konvention wurde als Nummer Nr. 107 nahezu einstimmig von der Internationalen Arbeitskonfe-
renz im Jahre 1957 angenommen (ILO 1988 Report VI/1, S. 5). Sie bestand aus insgesamt 37 Artikeln, die in
sieben Teilen zusammengefaßt waren, und behandelte neben
• Bildungswesen und Kommunikationsmittel (Teil 6, Artikel 21 - 26) sowie
• Verwaltung (Teil 7, Artikel 27) und
• allgemeine Best immungen (Teil 8, Artikel 28 - 37).
Es gehört zum Charakter von internationalen Übereinkommen, daß einzelne Bestimmungen und Konzepte
breit gefaßt sind. Dies soll ihre Anpassung an die nationalen Gegebenheiten der Länder erleichtern, die die
Konvention ratifizieren und sich damit verpflichten, die entsprechenden Bestimmungen in die nationale Ge-
setzgebung und die entsprechenden Verwaltungsvorschriften zu integrieren. Die Konvention Nr. 107 ließ etwaoffen, was genau unter „eingeborenen“ bzw. „indigenen“, in Stämmen lebenden oder stammesähnlichen Be-
völkerungsgruppen zu verstehen ist. Dies sollte ein hohes Maß an Flexibilität gewährleisten, damit die Konven-
tion beispielsweise im Fall Lateinamerikas für die bäuerlichen Hochlandindios und für die Waldindianer des
Amazonasgebietes gleichermaßen Anwendung finden konnte (Swepston 1978, S. 180). Auch die „Schutzmaß-
nahmen“, die die Regierungen im Interesse der indigenen Bevölkerungsgruppen ergreifen sollten, waren nicht
5 Die offiziell abgestimmte Übersetzung spricht von „eingeborenen Bevölkerungsgruppen. Da der deutsche Begriff „eingeboren“ heute ebenfalls
negativ belegt ist und mit „primitiv“ und „zurückgeblieben“ assoziiert wird, hat sich mittlerweile das Fremdwort „indigen“ durchgesetzt, das im
Rahmen dieser Dokumentation verwendet wird. Wenn jedoch direkt aus der Konvention zitiert wird, wird „eingeboren“ beibehalten.
6 Im Englischen: „Convention Concerning the Protection and Integration of Indigenous and Other Tribal and Semi-Tribal Populations in Indepen-
dent Countries“. Es wurde hier die verbindliche deutsche Übersetzung der ILO-Konvention Nr. 169 zugrundegelegt. Es sei darauf hingewie-
sen, daß für „Eingliederung“ im englischen Wortlaut der Begriff „Integration“ steht.
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Assimilierung“ (Artikel 2, Absatz 2) nach den Bestimmungen der Konvention eigentlich ausgeschlossen war.
In späteren Einschätzungen erkennt die ILO den integrationistischen Tenor der Konvention selbst an, für den
sie beispielhaft den Artikel 2, Absatz 1 erwähnt (ILO 1988 Report VI/1, S. 28). Dort heißt es:
Die Aufgabe, koordinierte und planvolle Maßnahmen zum Schutze der genannten Be-
völkerungsgruppen und ihrer schrittweisen Eingliederung in die nationale Gesellschaft zu schaffen,
fällt in erster Linie den Regierungen zu.7
Eine Alternative zu dieser Eingliederung, etwa ein Zusammenleben kulturell unterschiedlicher Bevölkerungs-
gruppen wurde als Möglichkeit gar nicht in Erwägung gezogen. Auch die unausgesprochene Vorstel lung von
der kulturellen Minderwertigkeit indigener Bevölkerungsgruppen kam im Artikel 3, Absatz 1 der Konvention
unmißverständlich zum Ausdruck. Dort heißt es:
„Solange die soziale, wirtschaftliche und kulturelle Lage der genannten Bevölkerungsgruppen sie
daran hindert, in den Genuß der in den allgemeinen Gesetzen ihres Landes niedergelegten Rechte zu
gelangen, sind besondere Maßnahmen zum Schutze der Einrichtungen, Einzelpersonen, des Eigen-
tums und der Arbeit dieser Bevölkerungsgruppen zu treffen“.
Hinter diesen Bestimmungen läßt sich in der Tat eine einfache evolutionistische Konzeption ausmachen. Man
ging davon aus, daß sich indigene Völker auf einer niedrigen Entwicklungsstufe befanden, von der sie sich
allmählich lösen und zu einem vollwertigen Tei l der Gesellschaft werden sollten. Daß sich Völker mit einer
vergleichsweise einfachen materiellen Kultur andererseits durch eine ausgefeilte geistige Weltsicht oder eine
hochdifferenzierte Betrachtung der Natur auszeichnen können, wurde ignoriert. Es war das westliche Entwick-
lungsmodell, das die Maßstäbe setzte.
Am 2. Juni 1959 trat die Konvention Nr. 107 schließlich in Kraft. Die ILO sah sich noch später der Kritik ausge-setzt, daß sie in den Bestimmungen zum Gesundheits- und Bildungswesen ihre Kompetenzen überschritten
hätte. Andererseits stellte die Konvention Nr. 107 das erste internationale Instrument dar, das die fundamenta-
len Rechte indigener Völker festschrieb und dadurch zur Sensibilisierung innerhalb der internationalen Sta a-
tengemeinschaft beitrug. Dies gilt insbesondere hinsichtlich des gemeinsamen Eigentums an Land oder
auch des Verbotes von Zwangsumsiedlung (Tomei 1997, S. 98f.). Einer Integration von indigenen Völkern um
jeden Preis und mit allen Mitteln erteilte die Konvention eine Absage. Außerdem geben selbst kri tische Beob-
achter zu bedenken, daß die ILO-internen Verfahren, wie z.B. die Berichterstattung, ein größeres Maß an Kon-
trolle in Aussicht stellte, als dies hinsichtlich des Schutzes von Gruppenrechten in anderen Menschenrechtsin-
strumenten der Fall ist.
Die Unterzeichnerstaaten
Zu Ratifizierungen durch ILO-Mitgliedsstaaten kam es vor allem im Laufe der fünfziger und sechziger Jahre.
Wenn man die Zahl von 27 Signatarstaaten mit der Gesamtzahl der ILO-Mitgliedsregierungen, die sich auf 160
belaufen, vergleicht, läßt sich erkennen, daß die internationale Akzeptanz der ILO-Konvention Nr. 107 nicht sehr
groß war. Sie konzentrierten sich, wie schon erwähnt wurde, auf Lateinamerika und die Karibik. Unter den Un-
terzeichnern befand sich im übrigen ein europäisches Land ohne eigene indigene Bevölkerung, und zwar
Belgien, das aus Gründen der Solidarität schon 1958 den Beitritt vollzog. In den siebziger Jahren kam es zu
keinen nennenswerten Ratifizierungen mehr. Vielmehr bot die integrationistische Philosophie der Konvention
zunehmend Anlaß für Kritik. Ob die Konvention Nr. 107 nun insgesamt eher die Bemühungen zum Schutz indi-
gener Völker unterstützt hat oder im Gegenteil von Regierungen gerade zur Bekämpfung indigener Lebens-
7 Zum Begriff „Eingliederung“ vgl. Fußnote 3.
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Beantwortung des Fragebogens gehört werden sollten. Eine entsprechende Empfehlung richtete die ILO an
die Regierungen (ILO 1988 Report VI/1, S. 2, 93).
Konsultationen mit indigenen Völkern
Gerade wegen der hohen Ansprüche, die in den Vorverhandlungen zur Überarbeitung der Konvention Nr. 107formuliert wurden, bleiben gewisse Vorbehalte angesichts der Tatsache, daß eine internationale Organisation
Normen für Bevölkerungsgruppen ausarbei tet, die in den Organen und Gremien dieser Organisation nicht
vertreten sind. Freilich ist dies ein Problem, das die internationale Staatengemeinschaft insgesamt angeht.
Andererseits suchte die ILO selbst den Austausch mit Vertretern indigener Völker. Sie nahm Vorschläge für die
Revision der Konvent ion Nr. 107 entgegen (ILO 1988 Report VI/1, S. 13). Sie legte ihre Statuten dahingehend
aus, daß eine indigene Beteiligung möglich wurde. In Lateinamerika, und zwar insbesondere in der Andenre-
gion und Mittelamerika, führte das ILO-Regionalbüro Beratungen mit indigenen Vertretern durch. Für die Konfe-
renzen der Jahre 1988 und 1989 wurde aus Vertretern aller drei ILO-Mitgliedsgruppen ein Redaktionskomitee
gebildet, vor dem sich indigene Völker äußern konnten. Auch auf den mit der Revision befaßten Plenarsitzun-
gen der Internationalen Arbeitskonferenz erhielten Indigene Rederecht, die darüber hinaus direkt und über die
Gewerkschaftsvertreter Vorschläge einbringen und Einfluß auf die Verhandlungen nehmen konnten. Einige
Länder hatten zudem indigene Vertreter in die offiziellen Regierungs - und Gewerkschaftsdelegationen aufge-
nommen (Tomei 1997, S. 99). Stimmrecht stand freilich auch ihnen nicht zu.
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DAS NEUE ÜBEREINKOMMEN NR. 169 ÜBER INDIGENE UND IN STÄMMEN LEBENDE VÖLKER IN UNABHÄNGIGEN LÄNDERN“AUS DEM JAHRE 1989
Die Antworten auf die Umfrage, in der die ILO den Regierungen bereits detaillierte Vorschläge für die Änderung
der einzelnen Passagen der Konvention Nr. 107 unterbreitet hatte, bildete die Grundlage für die Erarbeitung
des ersten Revisionsentwurfes. Beim Internationalen Arbeitsamt gingen Rückmeldungen von 53 Regierungen
ein, von denen sich 33 für eine Revision aussprachen.10 Allerdings gaben nur vier Regierungen an, und zwar
Australien, Kanada, Finnland und Schweden, für die Beantwortung der Fragen mit Vertretern indigener Völker
in ihren Ländern in Kontakt getreten zu sein (ILO 1988 Report VI/2, S. 3ff.).
Die strittigen Fragen
Viele Befürworter folgten den von der ILO vorgelegten Änderungsvorschlägen. Einige von diesen wurden frei-
lich im weiteren Verlauf des Revisionsprozesses Gegenstand intensiver Auseinandersetzungen. Ein Streit-punkt, der die Verhandlungen drei Jahre lang beschäftigen sollte, betraf die geänderte Terminologie. Der Revi-
sionsentwurf sah vor, den früheren Begriff „Bevölkerungsgruppen“ durch „Völker“ zu ersetzen. Einige Regie-
rungen wandten ein, daß damit weitergehende Souveränitätsrechte im Sinne von politischer Unabhängigkeit
verbunden seien. Es fand sich schließlich der Kompromiß, den Begriff „Völker“ zu verwenden, seine wei-
tergehenden völkerrechtlichen Implikationen jedoch auszuschließen (Art. 1.3). Man verwies darauf, daß die
Festlegung solcher Rechte die Kompetenzen der ILO überschritten hätte. Es sei den höchsten politischen
Organen der Vereinten Nationen vorbehalten, darüber zu befinden (ILO 1988 Report VI/1, S. 30). Diese Ein-
schränkungen wurden wiederum von Vertretern indigener Völker heftig kritisiert. Der „Welteingeborenenrat“
und Vertreter aus den Reihen einer in Dänemark ansässigen Nichtregierungsorganisation reklamierten für
indigene Völker dieselben Rechte wie andere Völker. Die ILO hatte schon früher sicher zu Recht darauf ver-
wiesen, daß es in dieser Frage keine einhei tliche Haltung unter den indigenen Völkern gibt (ILO 1988 Report
VI/1, S. 29). Nicht wenige seien durchaus bereit, Integration und Gleichbehandlung in Fragen der Arbeitsbedin-
gungen Ausbildung etc. zu akzeptieren und nur hinsichtlich der Kultur, Religion und Sprache Autonomierechte
zu beanspruchen. In jedem Fall wurde die Selbstidentifikation als zentraler Mechanismus betrachtet, um zu be-
stimmen, wer unter die Konvention Nr. 169 fällt.
Bei der Neuformulierung der einschlägigen Artikel zu „Grund und Boden“ entstand erneut ein terminologischer
Streit. Die Indigenenvertreter wollten den Begriff des „Territoriums“ im Konventionstext verankert sehen und
konnten darauf verweisen, daß dieser Begriff bereits in der Konvention Nr. 107 Verwendung gefunden hatte.
Sie meinten, daß damit den besonderen Beziehungen der indigenen Völker zu ihrer geographischen Umwelt
und dem kollektiven Charakter dieser Beziehungen Rechnung getragen würde. Einige Regierungen sahen
hingegen ihre nationalstaatlichen Hoheitsrechte eingeschränkt und verwiesen auf die Nichtvereinbarkeit mit
ihrer Verfassung. Die Einigung, zu der man gelangte, war, auf den Begriff des Territoriums nur in solchen Fä l-
len zurückzukommen, wenn es um bestimmte grundlegende Fragen des Landes geht (Pulido 1994, S.21,
Swepston 1994, S. 64). Im übrigen sei erwähnt, daß bei der verbindlichen deutschen Übersetzung der Begriff
„Territorium“ einfach gestrichen wurde.
Ein anderer Streitpunkt betraf das Ausmaß und den Charakter der Beteiligung, die Regierungen den indigenen
Völkern bei der Durchführung der sie betreffenden Maßnahmen einräumen sollten. Es ging darum, ob Konsul-
tationen ausreichten oder ob die explizite Einwilligung als Voraussetzung für die Durchführung solcher Maß-
10Unter den übrigen 20 befand sich nur eine explizite Ablehnung. Die übrigen nahmen darauf Bezug, daß die Konvention sie nicht betraf, das auf
ihrem Hoheitsgebiet keine indigenen Völker lebte. Darunter waren z.B. auch die Österreich, die Bundesrepublik Deutschland und die Deut-
sche Demokratische Republik.
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nahmen zu gelten habe. Auch hier wurde eine Kompromißformel gefunden. Man blieb bei „Konsultationen“, die
aber mit den Ziel durchgeführt werden sollten, Einverständnis und Zustimmung zu erreichen (Artikel 6.2).
Eine weitere strittige Frage waren Rechte, die indigenen Völkern an den natürlichen Ressourcen ihres Landes
zugestanden werden sollten. Während Nichtregierungsorganisationen darauf hinwiesen, daß Landrechte
ohne Einbeziehung weiterer Ressourcen, wie Bodenschätze oder Wälder, bedeutungslos seien, da aus der
Ausbeutung durch Dritte stets eine Bedrohung für diese Völker erwachse, wollten Regierungs- und Arbeitge-
bervertreter diese Ressourcen unter keinen Umständen zum Gegenstand indigener Sonderrechte machen.
Sie beharrten darauf, daß sie nationales Patrimonium seien. Der Text des Übereinkommens hielt schließlich
fest, daß die Rechte der indigenen Völker an den Ressourcen auf ihrem Land besonders zu schützen seien.
Darin ist die Beteiligung an Nutzung, Bewirtschaftung und Erhalt eingeschlossen (Artikel15.1). Ein völliger
Schutz gegen ungewollte Nutzung wird nicht eingeräumt, es sind aber verfahrenmäßige Hürden, Umweltver-
träglichkeitsprüfungen, Gewinnbeteiligung und g egebenenfalls Schadenersatz vorgesehen (Artikel 15.2).
Die wichtigsten Bestimmungen der ILO-Konvention Nr. 169
In der Präambel des Revisionsentwurfes wurde schließlich ausdrücklich das Ziel festgehalten, die auf Assimi-lierung abzielende Ausrichtung der früheren Norm zu beseitigen. Man postulierte den grundsätzlichen Respekt
vor Kultur und Lebensweise indigener Völker und betonte den Beitrag dieser Völker zur kulturellen Vielfalt der
Menschheit. Zudem erkannte die Präambel das Recht dieser Völker an, entsprechend ihren Einrichtungen,
ihrer Lebensweise und wir tschaftlichen Entwicklung zu leben und ihre Identität, Sprache und Kultur zu bewah-
ren.
Ein Kernstück des Revisionsentwurfes bildete Teil II zu „Grund und Boden“(Artikel 11 - 14). Artikel 13.1 ver-
pflichtete die Regierungen zunächst die besondere Beziehung indigener Völker zu ihrem Land innerhalb ihrer
Kultur und geistigen Wert zu achten. Ein weit gefaßter Begriff von „Land“ wurde zugrundegelegt. Artikel 14 er-
kannte die Eigentums- und Besitzrechte der betreffenden Völker an ihrem Land an und verpflichtete die Regie-
rungen, das von alters her besiedelte Land zu vermessen und zu schützen. Mit angemessenen Verfahren soll-te indigenen Landforderungen Rechnung getragen werden.
Umsiedlungen sollten nach den Bestimmungen des Revisionsentwurfes nur noch erfolgen, nachdem den
betreffenden Völker Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt wurde. Ein Recht auf Rückführung, sobald die
Umsiedlungsgründe wegfielen, wurde gewährt. Entschädigungen sowie die Beschaffung von Ersatzland war
vorgesehen.
Einige weniger zentrale und weniger diskutierte Bestimmungen der überarbeiteten Konvention betrafen Be-
rufsausbildung, Handwerk, ländliches Gewerbe, soziale Sicherheit, Gesundheit und grenzüberschreitende
Maßnahmen (Swepston 1994, S. 81ff.).
Abstimmung und Beitrit teDie überarbeitete Konvention wurde am 7. Juni 1989 nach zwei Lesungen in aufeinanderfolgenden Sitzungen
vom Plenum der Internationalen Arbeitskonferenz angenommen. Sie erhielt die neue Nummer 169. Es handel-
te sich dennoch um keine neue, sondern um eine überarbeitete, teilweise ergänzte und abgeänderte Fassung
der Konvention Nr. 107, bei der die alte Struktur und Kapitelaufteilung weitestgehend beibehalten wurde. Aller-
dings hat sich die Orientierung grundlegend geändert. „Die Grundkonzepte des Abkommens basieren auf Re-
spekt und Partizipation . Respekt gegenüber der Kultur, der Religion, der sozialen und ökonomischen Organi-
sation und der eigenen Identität. Darüber hinaus fußt es auf der Prämisse einer dauerhaften Existenz der indi-
genen Völker ... und enthält Bestimmungen, die ihre Existenz und eine Verbesserung ihrer Lebensgrundlagen
garantieren“ (Dandler 1994, S. 11).
Bei der Abstimmung fand sich eine große Mehrhei t für die überarbeitete Konvention. Sie wurde mit 328 Ja-Stimmen, 49 Enthaltungen und einer Gegenstimme angenommen, und ILO-Vertreter erkennen darin ein ho-
hes Maß an internationalem Konsens (Dandler 1994, S. 11). Allerdings darf dies nicht darüber hinwegtäu-
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schen, daß die Ratifizierung der ILO-Konvention Nr. 169 eher schleppend vorangeht. Bisher ist sie erst von elf
Staaten ratifiziert worden, acht davon in Lateinamerika.
MÖGLICHKEITEN UND GRENZEN EINER INTERNATIONALEN KONVENTION
Für eine zusammenfassende Einschätzung der ILO-Konvention Nr. 169 ist festzuhalten, daß sie aus Sicht der
indigenen Völker ein positives und tragfähiges Instrument, wenngleich nicht die beste aller denkbaren Normen
darstellt. Die ILO selbst versteht sie als einen Mindeststandard, der die Durchsetzung höherer Standards in
den jeweiligen Ländern offen läßt. Zwar meinen Kritiker, die Konvention bedeute eine Vorentscheidung für
andere internationale Verhandlungsprozesse und schränke deren Möglichkeiten ein (Swepston 1994, S. 37f.)
Auch indigene Völker, die weitergehende Souveränitätsrechte verlangen, äußern Vorbehalte. Dies ist aber für
die Organisationen des Amazonasbeckens kein Problem. Ihre Autonomieansprüche lassen sich mit der ILO-
Konvention Nr. 169 gut in Einklang bringen, und ihre Kritik richtet sich bestenfalls gegen die Regelungen hin-
sichtlich der natürlichen Ressourcen auf ihren Territorien, die weiterhin in der Hoheit der Nationalstaaten lie-
gen. Von diesen Themen abgesehen, mit denen sich die Vereinten Nationen in Zukunft weiter beschäftigen
müssen, hat die ILO-Konvention Nr. 169 Maßstäbe gesetzt, die in andere internationale und auch nationale
Prozesse einfließen. Sie hat etwa in entwicklungspolitische Leitlinien einzelner Industrienationen ohne eigene
Indigenenbevölkerung und auch in die internationale Entwicklungszusammenarbeit Eingang gefunden (ILO
1996, S. VIII), und sie wird, um nur zwei Beispiele zu erwähnen, bei den Beratungen über den Entwurf zu einer
Allgemeinen Erklärung der Rechte indigener Bevölkerungsgruppen sowie bei den Verhandlungen der Kon-
vention über die biologische Vielfalt berücksichtigt.
Eine Frage, die davon getrennt betrachtet werden muß, sind die Umsetzungsdefizite in den Signatarstaaten.
Denn wenn die revidierte Konvention auch dazu beigetragen haben mag, daß einige lateinamerikanische Staa-
ten die Anerkennung der indigenen Völker und damit zusammenhängend indigene Sonderrechte in der Ver-
fassung verankerten und obgleich sie die einschlägige Gesetzgebung der ILO-Konvention angepaßt haben, so
lassen sich doch beispielsweise für Peru, Bolivien und Kolumbien Fälle benennen, in denen die Bestimmun-
gen der Konvention eklatant verletzt wurden. Wirtschaftliche Interessen haben sich bisher fast noch immer
über indigene Rechte hinwegsetzen können, und im Zweifelsfall ignorieren Regierungen die Verpflichtungen,
die sie mit der Ratifizierung der ILO-Konvention Nr. 169 eingegangen sind.
Kontrollmechanismen der ILO
In solchen Fällen stehen der ILO keine Sanktionsmöglichkeiten zur Verfügung. Allerdings verfügt sie über eine
Reihe von Kontrollmechanismen, um die Umsetzung ihrer Übereinkommen zu gewährleisten. Für die ILO-Konvention Nr. 169 ist hier zunächst die regelmäßige Berichtspflicht zu erwähnen. In regelmäßigen Abständen
sind die Signatarstaaten gehalten, über alle ergriffenen politischen, gesetzgeberischen oder verwaltungsmä-
ßigen Maßnahmen im Geltungsbereich der Konvention Bericht zu erstatten. Die ILO empfiehlt den Re-
gierungen neben den Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbänden auch die indigenen Organisationen ihres Lan-
des bei der Erstellung der Berichte zu konsultieren. Im Fall von Norwegen und dem Parlament der Sami hat
dies nach Angaben der ILO zu völlig neuen Kommunikations - und Kooperationsformen geführt. Den indigenen
Organisationen steht aber auch die Möglichkeit offen, eigene Berichte zu erstellen und sie direkt oder über die
Gewerkschaften der ILO einzureichen. Alle Berichte werden von einer unabhängigen Kommission von Rechts -
experten ausgewertet, die bei schwerwiegenden Verletzungen der Konvention gesonderte Untersuchungen
anstellt und im Rahmen von Anhörungen zusätzl iche Informationen und Erklärungen von der zuständigen Re-
gierung anfordern kann. Die jeweiligen Regierungen haben einer Auskunftspflicht nachzukommen. In beson-
ders schweren Fällen kann die ILO in direkter Absprache mit der jeweiligen Regierung eine Art Untersu-
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Dokumentenanhang zu Kapitel 2
In diesem Dokumentenanhang wird als TEX T 1 der verbindliche deutsche Text der ILO-Konvention Nr. 169 wie-
dergegeben. Um einen Vergleich mit anderen internationalen Prozessen zu ermöglichen, die für die Rechte
indigener Völker von Belang sind, werden eine Reihe anderer Dokumente angefügt. Sofern dafür verbindliche
deutsche Übersetzungen erstellt wurden, wird die deutsche Fassung übernommen. Im anderen Fall wird die
englische Fassung vorlegt. Bei den anderen Dokumenten handelt es sich im einzelnen um
TEX T 2: Draft United Nations Declaration on the Rights of Indigenous Peoples
TEX T 3: Kapitel 26 der Agenda 21 zur Anerkennung und Stärkung der Rolle der eingeborenen Bevölkerungs-
gruppen und ihrer Gemeinschaften
INTERNATIONALE ARBEITSKONFERENZ
Übereinkommen 169
Übereinkommen über eingeborene und in Stämmen lebende Völker in unabhängigen Ländern
Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation,
die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 7. Juni 1989 zu ihrer sechsundsiebzigsten Ta-
gung zusammengetreten ist,
verweist auf die internationalen Normen in dem Übereinkommen und der Empfehlung über eingeborene und in Stämmen lebende Bevölke-
rungsgruppen, 1957;
erinnert an die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, den In-
ternationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und die vielen internationalen Übereinkünfte über die Verhütung von Diskriminierung;
stellt fest, daß die Entwicklungen, die seit 1957 im internationalen Recht eingetreten sind, sowie die Entwicklungen in der Lage eingeborener
und in Stämmen lebender Völker in allen Regionen der Welt es geboten erscheinen lassen, neue einschlägige internationale Normen anzuneh-
men, um die auf Assimilierung abzielende Ausrichtung der früheren Normen zu beseitigen,
anerkennt die Bestrebungen dieser Völker, im Rahmen der Staaten, in denen sie leben, Kontrolle über ihre Einrichtungen, ihre Lebensweise und
ihre wirtschaftliche Entwicklung aus zuüben und ihre Identität, Sprache und Religion zu bewahren und zu entwickeln;
stellt fest, daß in vielen Teilen der Welt diese Völker nicht in der Lage sind, ihre grundlegenden Menschenrechte im gleichen Umfang auszu-üben wie die übrige Bevölkerung der Staaten, in denen sie leben, und daß ihre Gesetze, Werte, Bräuche und Perspektiven oft ausgehöhlt worden
sind;
TEX T 1:
ILO-ÜBEREINKOMMENNR. 169
ÜBER EINGEBORENE UND IN
STÄMMEN LEBENDEVÖLKER
IN UNABHÄNGIGEN LÄNDERN
AUS DEM JAHRE 1989
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verweist auf den besonderen Beitrag der eingeborenen und in Stämmen lebenden Völker zur kulturellen Vielfalt und sozialen und ökologischen
Harmonie der Menschheit sowie zur internationalen Zusammenarbeit und zum internationalen Verständnis;
stellt fest, daß die nachstehenden Bestimmungen in Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen, der Ernährungs- und Landwirtschaftsorgani-
sation der Vereinten Nationen, der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur und der Weltgesundheitsorga-
nisation sowie dem Interamerikanischen Indianischen Institut auf entsprechender Ebene und in ihrem jeweiligen Tätigkeitsbereich ausgearbeitet
worden sind und daß beabsichtigt ist, diese Zusammenarbeit bei der Förderung und Sicherstellung der Anwendung dieser Bestimmungen fortzu-
setzen;
hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend die Teilrevision des Übereinkommens (Nr. 107) über eingeborene und in
Stämmen lebende Bevölkerungsgruppen, 1957, eine Frage, die den vierten Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet, und
dabei bestimmt, daß diese Anträge die Form eines internationalen Übereinkommens zur Neufassung des Übereinkommens über eingeborene
und in Stämmen lebende Bevölkerungsgruppen, 1957, erhalten sollen.
Die Konferenz nimmt heute, am 27. Juni 1989, das folgende Übereinkommen an, das als Übereinkommen über eingeborene und in Stämmen
lebende Völker, 1989, bezeichnet wird.
TEIL I. ALLGEMEINE GRUNDSÄTZE
Artikel 1
1. Dieses Übereinkommen gilt für
a) in Stämmen lebende Völker in unabhängigen Ländern, die sich infolge ihrer sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Verhältnisse von
anderen Teilen der nationalen Gemeinschaft unterscheiden und deren Stellung ganz oder teilweise durch die ihnen eigenen Bräuche oder
Überlieferungen oder durch Sonderrecht geregelt ist;
b) Völker in unabhängigen Ländern, die als Eingeborene gelten, weil sie von Bevölkerungsgruppen abstammen, die in dem Land oder in
einem geographischen Gebiet, zu dem das Land gehört, zur Zeit der Eroberung oder Kolonisierung oder der Festlegung der gegenwärtigen
Staatsgrenzen ansässig waren und die, unbeschadet ihrer Rechtsstellung, einige oder alle ihrer traditionellen sozialen, wirtschaftlichen, kul-
turellen und politischen Einrichtungen beibehalten.
2. Das Gefühl der Eingeborenen- oder Stammeszugehörigkeit ist als ein grundlegendes Kriterium für die Bestimmung der Gruppen anzu-
sehen, auf die die Bestimmungen dieses Übereinkommens Anwendung finden.
3. Die Verwendung des Ausdrucks "Völker" in diesem Übereinkommen darf nicht so ausgelegt werden, als hätte er irgendwelche Auswir-kungen hinsichtlich der Rechte, die nach dem Völkerrecht mit diesem Ausdruck verbunden sein können.
Artikel 2
1. Es ist Aufgabe der Regierungen, mit Beteiligung der betreffenden Völker koordinierte und planvolle Maßnahmen auszuarbeiten, um die
Rechte dieser Völker zu schützen und die Achtung ihrer Unversehrtheit zu gewährleisten.
2. Im Rahmen dieser Aufgabe sind Maßnahmen vorzusehen, deren Zweck es ist,
a) sicherzustellen, daß die Angehörigen dieser Völker von den Rechten und Möglichkeiten, welche die innerstaatliche Gesetzgebung anderen
Angehörigen der Bevölkerung gewährt, gleichberechtigt Gebrauch machen können;
b) die volle Verwirklichung der sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Rechte dieser Völker unter Achtung ihrer sozialen und kulturellen
Identität, ihrer Bräuche und Überl ieferungen und ihrer Einrichtungen zu fördern;
c) den Angehörigen der betreffenden Völker dabei zu helfen, das zwischen eingeborenen und anderen Angehörigen der nationalen Gemein-
schaft gegebenenfalls bestehende sozioökonomische Gefälle in einer Weise zu beseitigen, die mit den Bestrebungen und der Lebens-
weise dieser Völker vereinbar ist.
Artikel 3
1. Die eingeborenen und in Stämmen lebenden Völker müssen in den vollen Genuß der Menschenrechte und Grundfreiheiten ohne Behinde-
rung oder Diskriminierung kommen. Die Bestimmungen des Übereinkommens sind ohne Diskriminierung auf männliche und weibliche Angehörige
dieser Völker anzuwenden.
2. Es darf keine Form von Gewalt oder Zwang in Verletzung der Menschenrechte und Grundfreiheiten der betreffenden Völker, ein-
schließlich der in diesem Übereinkommen enthalt enen Rechte, angewendet werden.
Artikel 4
1. Es sind gegebenenfalls besondere Maßnahmen zum Schutz der Einzelpersonen, der Einrichtungen, des Eigentums, der Arbeit, der Kul-
tur und der Umwelt der betreffenden Völker zu ergreifen.
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Artikel 10
1. Werden Strafen, die in der allgemeinen Gesetzgebung vorgesehen sind, gegen Angehörige dieser Völker verhängt, so sind deren wirt-
schaftliche, soziale und kulturelle Besonderheiten zu berücksichtigen.
2. Andere Methoden der Bestrafung sind dem Freiheitsentzug vorzuziehen.
Artikel 11
Mit Ausnahme der gesetzlich für alle Staatsbürger vorgesehenen Fälle ist es unter Strafandrohung zu verbieten, daß Angehörige der betref-
fenden Völker zwangsweise in irgendeiner Form zu persönlichen Dienstleistungen, gleich ob entgeltlicher oder unentgeltlicher Art, verpflichtet
werden.
Artikel 12
Die betreffenden Völker sind gegen den Mißbrauch ihrer Rechte zu schützen und müssen die Möglichkeit haben, entweder individuell oder
durch ihre Vertretungsorgane, ein Gerichtsverfahren einzuleiten, um den wirksamen Schutz dieser Rechte sicherzustellen. Es sind Maßnahmen zu
tref fen, um dafür zu sorgen, daß Angehörige dieser Völker in einem Gerichtsverfahren verstehen und verstanden werden können, nötigenfal ls
mit Hilfe eines Dolmetschers oder durch andere wirksame Mittel.
TEIL II. GRUND UND BODEN
Artikel 13
1. Bei der Durchführung der Bestimmungen dieses Teils des Übereinkommens haben die Regierungen die besondere Bedeutung, die die
Beziehung der betreffenden Völker zu dem von ihnen besiedelten oder anderweitig genutzten Land oder den von ihnen besiedelten oder ander-
weitig genutzten Gebieten, oder gegebenenfalls zu beiden, für ihre Kultur und ihre geistigen Werte hat, und insbesondere die kollektiven Aspekte
dieser Beziehung, zu achten.
2. Die Verwendung des Ausdrucks "Land" in den Artikeln 15 und 16 schließt den Begriff der Gebiete ein, der die gesamte Umwelt der
von den betreffenden Völkern besiedelten oder anderweitig genutzten Flächen umfaßt.
Artikel 14
1. Die Eigentums- und Besitzrechte der betreffenden Völker an dem von ihnen von alters her besiedelten Land sind anzuerkennen. Au-
ßerdem sind in geeigneten Fällen Maßnahmen zu ergreifen, um das Recht der betreffenden Völker zur Nutzung von Land zu schützen, das nichtausschließlich von ihnen besiedelt ist, zu dem sie aber im Hinblick auf ihre der Eigenversorgung dienenden und ihre traditionellen Tätigkeiten von
alters her Zugang haben. Besondere Aufmerksamkeit ist diesbezüglich der Lage von Nomadenvölkern und Wanderfeldbauern zu schenken.
2. Die Regierungen haben, soweit notwendig, Maßnahmen zu ergreifen, um das von den betreffenden Völkern von alters her besiedelte
Land zu bestimmen und um den wirksamen Schutz ihrer Eigentums- und Besitzrechte zu gewährleisten.
3. Im Rahmen der innerstaatlichen Rechtsordnung sind angemessene Verfahren festzulegen, um Landforderungen der betreffenden
Völker zu regeln.
Artikel 15
1. Die Rechte der betreffenden Völker an den natürlichen Ressourcen ihres Landes sind besonders zu schützen. Diese Rechte schlie-
ßen das Recht dieser Völker ein, sich an der Nutzung, Bewirtschaftung und Erhaltung dieser Ressourcen zu beteiligen.
2. In Fällen, in denen der Staat das Eigentum an den mineralischen oder unterirdischen Ressourcen oder Rechte an anderen Ressour-cen des Landes behält, haben die Regierungen Verfahren festzulegen oder auf rechtzuerhalten, mit deren Hilfe sie die betreffenden Völker zu
konsultieren haben, um festzustellen, ob und in welchem Ausmaß ihre Interessen beeinträchtigt werden würden, bevor sie Programme zur Erkun-
dung oder Ausbeutung solcher Ressourcen ihres Landes durchfuhren oder genehmigen. Die betreffenden Völker müssen wo immer möglich an
dem Nutzen aus solchen Tätigkeiten teilhaben und müssen einen angemessenen Ersatz für alle Schäden erhalten, die sie infolge solcher Tätig-
keiten erleiden.
Artikel 16
1. Vorbehaltlich der nachstehenden Absätze dieses Artikels dürfen die betreffenden Völker aus dem von ihnen besiedelten Land nicht
ausgesiedelt werden.
2. Falls die Umsiedlung dieser Völker ausnahmsweise als notwendig angesehen wird, darf sie nur mit deren freiwilliger und in voller
Kenntnis der Sachlage erteilter Zustimmung stattfinden. Falls ihre Zustimmung nicht erlangt werden kann, darf eine solche Umsiedlung nur nach
Anwendung geeigneter, durch die innerstaatliche Gesetzgebung festgelegter Verfahren, gegebenenfalls einschließlich öffentlicher Untersuchun-
gen, stattfinden, die den betref fenden Völkern Gelegenheit für eine wirksame Vertretung bieten.
5/8/2018 1998. Indigene Völker und die ILO-Konvention Nr. 169 - slidepdf.com
Klima-Bündnis / Alianza del Clima e.V. Indigene Völker und die ILO-Konvention 169
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n 27 n
3. Wann immer möglich, müssen diese Völker das Recht haben, in ihr angestammtes Land zurückzukehren, sobald die Umsiedlungs-
gründe nicht mehr bestehen.
4. Ist eine solche Rückkehr nicht möglich, wie einvernehmlich oder mangels Einvernehmens durch geeignete Verfahren festgestellt, ist
diesen Völkern in allen in Frage kommenden Fällen als Ersatz für ihren früheren Landbesitz Grund und Boden von mindestens gleich guter
Beschaffenheit und mit mindestens gleich gutem Rechtsstatus zuzuweisen, dessen Ertrag ihre gegenwärtigen Bedürfnisse deckt und ihre künfti-
ge Entwicklung sicherstellt. Ziehen die betref fenden Völker eine Entschädigung in Form von Geld- oder Sachleistungen vor, so ist ihnen eine
solche Entschädigung unter Gewährung angemessener Garantien zuzusprechen.
5. Den auf diese Weise umgesiedelten Personen ist für jeden durch die Umsiedlung entstandenen Verlust oder Schaden voller Ersatz zu
leisten.
Artikel 17
1. Die von den betreffenden Völkern festgelegten Verfahren für die Übertragung von Rechten an Grund und Boden unter Angehörigen
dieser Völker sind zu achten.
2. Die betreffenden Völker sind zu konsultieren, wenn ihre Befugnis geprüft wird, ihr Land zu veräußern oder auf andere Weise ihre
Rechte daran an Personen außerhalb ihrer eigenen Gemeinschaft zu übertragen.
3. Personen, die diesen Völkern nicht angehören, sind daran zu hindern, deren Bräuche oder deren Gesetzesunkenntnis auszunutzen, um
Eigentums-, Besitz- oder Nutzungsrechte an deren Grund und Boden zu erwerben.
Artikel 18
Durch Gesetz sind angemessene Strafen für das unbefugte Eindringen in das Land der betref fenden Völker oder seine unbefugte Nutzung
festzulegen, und die Regierungen haben Maßnahmen zu ergreifen, um solche straf baren Handlungen zu verhindern.
Artikel 19
In staatlichen Agrarprogrammen ist den betreffenden Völkern eine gleich günstige Behandlung wie den übrigen Teilen der Bevölkerung zu si-
chern in bezug auf
a) die Zuweisung weiteren Landes, wenn die diesen Völkern zur Verfügung stehenden Bodenflächen zur Gewährleistung einer normalenLebensführung oder im Hinblick auf ihren künftigen Bevölkerungszuwachs nicht ausreichen;
b) die Gewährung der erforderlichen Mittel zur Hebung der Ertragsfähigkeit des bereits im Besitz dieser Völker befindlichen Bodens.
TEIL III. ANWERBUNG UND BESCHÄFTIGUNGSBEDINGUNGEN
Artikel 20
1. Die Regierungen haben im Rahmen der innerstaatlichen Gesetzgebung und in Zusammenarbeit mit den betreffenden Völkern beson-
dere Maßnahmen zu treffen, um einen wirksamen Schutz der den betreffenden Völkern angehörenden Arbeitnehmer in bezug auf Anwerbung und
Beschäftigungsbedingungen zu gewährleisten, soweit sie durch die für die Arbeitnehmer allgemein geltenden Gesetze nicht wirksam geschätzt
sind.
2. Die Regierungen haben alles zu unternehmen, was in ihrer Macht steht, um jede unterschiedliche Behandlung der den betreffenden
Völkern angehörenden Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern zu verhindern, insbesondere in bezug auf:
a) die Zulassung zur Beschäftigung, einschließlich der Facharbeit, sowie Beförderungs- und Aufstiegsmaßnahmen;
b) gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit;
c) ärztliche und soziale Betreuung, Arbeitsschutz, alle Leistungen der Sozialen Sicherheit und andere beruf sbezogene Leistungen sowie
Unterbringung;
d) das Vereinigungsrecht und die freie Ausübung jeder rechtmäßigen Gewerkschaftstätigkeit sowie das Recht zum Abschluß von Gesamtar-
beitsverträgen mit Arbeitgebern oder Arbeitgeberverbänden.
3. Die getroffenen Maßnahmen haben Maßnahmen zu umfassen, um sicherzustellen,
a) daß die den betreffenden Völkern angehörenden Arbeitnehmer, einschließlich der in der Landwirtschaft und in anderen Bereichen beschäf-
tigten Saison-, Gelegenheits- und Wanderarbeitnehmer sowie der von Arbeitskräftevermittlern beschäftigten Arbeitnehmer, den Schutzgenießen, den die innerstaatliche Gesetzgebung und Praxis anderen solchen Arbeitnehmern in den gleichen Sektoren gewährt, und daß sie
über ihre Rechte auf Grund der Arbeitsgesetzgebung und über die ihnen zur Verfügung stehenden Rechtsmittel umfassend unterrichtet
werden;
5/8/2018 1998. Indigene Völker und die ILO-Konvention Nr. 169 - slidepdf.com
Klima-Bündnis / Alianza del Clima e.V. Indigene Völker und die ILO-Konvention 169
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n 31 n
1. Nimmt die Konferenz ein neues Übereinkommen an, welches das vorliegende Übereinkommen ganz oder teilweise neufaßt, und sieht
das neue Übereinkommen nichts anderes vor, so gilt folgendes:
a) Die Ratifikation des neugefaßten Übereinkommens durch ein Mitglied hat ungeachtet des Artikels 39 ohne weiteres die Wirkung einer
sofortigen Kündigung des vorliegenden Übereinkommens, sofern das neugefaßte Übereinkommen in Kraft getreten ist.
b) Vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des neugefaßten Übereinkommens an kann das vorliegende Übereinkommen von den Mitgliedern nicht
mehr ratifiziert werden.
2. In jedem Fall bleibt das vorliegende Übereinkommen nach Form und Inhalt für diejenigen Mitglieder in Kraft, die dieses, nicht jedoch
das neugefaßte Übereinkommen ratifiziert haben.
Artikel 44
Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise verbindlich.
The Sub-Commission on Prevention of Discrimination and Protection of Minorities
Draft United Nations Declaration on the Rights on Indigenous Peoples
Affirming that indigenous peoples are equal in dignity and rights to all other peoples, while recognizing the right of all peoples to be
different, to consider themselves different, and to be respected as such,
Affirming also that all peoples contribute to the diversity and richness of civilizations and cultures, which constitute the common heri-
tage of humankind,
Affirming further that all doctrines, policies and practices based on or advocating superiority of peoples or individuals on the basis of
national origin, racial, religious, ethnic or cultural differences are racist, scientifically false, legally invalid, morally condemnable and socially
unjust,
Reaffirming also that indigenous peoples, in the exercise of their rights, should be free from discrimination of any kind,
Concerned that indigenous peoples have been deprived of their human rights and fundamental freedoms, resulting, inter alia, in their
colonization and dispossession of their lands, territories and resources, thus preventing them from exercising, in particular, their right to dev e-
lopment in accordance with their own needs and interests,
Recognizing the urgent need to respect and promote the inherent rights and characteristics of indigenous peoples, especially their
rights to their lands, territories and resources, which derive from their political, economic and social structures and from their cultures, spiritual
traditions, histories and philosophies,
Welcoming the fact that indigenous peoples are organizing themselves for political, economic, social and cultural enhancement and in
order to bring an end to all forms of discrimination and oppression wherever they occur,
Convinced that control by indigenous peoples over developments affecting them and their lands, territories and resources will enable
them to maintain and strengthen their institutions, cultures and traditions, and to promote their development in accordance with their aspirations
and needs,
Recognizing also that respect for indigenous knowledge, cultures and traditional practices contributes to sustainable and equitabledevelopment and proper management of the environment,
TEX T 2:
DRAFT UNITED NATIONS
DECLARATION ON THE RIGHTS
ON INDIGENOUSPEOPLES
5/8/2018 1998. Indigene Völker und die ILO-Konvention Nr. 169 - slidepdf.com
Klima-Bündnis / Alianza del Clima e.V. Indigene Völker und die ILO-Konvention 169
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n 32 n
Emphasizing the need for demilitarization of the lands and territories of indigenous peoples, which will contribute to peace, economic
and social progress and development, understanding and friendly relations among nations and peoples of the world,
Recognizing in particular the right of indigenous families and communities to retain shared responsibility for the upbringing, training,
education and well-being of their children,
Recognizing also that indigenous peoples have the right freely to determine their relationships with States in a spirit of coexistence,
mutual benefit and full respect,
Considering that treaties, agreements and other arrangements between States and indigenous peoples are properly matters of inter-
national concern and responsibility,
Acknowledging that the Charter of the United Nations, the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights and the
International Covenant on Civil and Political Rights affirm the fundamental importance of the right of self -determination of all peoples, by virtue
of which they freely determine their political status and freely pursue their economic, social and cultural development,
Bearing in mind that nothing in this Declaration may be used to deny any peoples their right of self-determination,
Encouraging States to comply with and effectively implement all international instruments, in particular those related to human rights,
as they apply to indigenous peoples, in consultation and cooperation with the peoples concerned,
Emphasizing that the United Nations has an important and continuing role to play in promoting and protecting the rights of indigenous
peoples,
Believing that this Declaration is a further important step forward for the recognition, promotion and protection of the rights and free-
doms of indigenous peoples and in the development of relevant activities of the United Nations system in this field,
Solemnly proclaims the following United Nations Declaration on the Rights of Indigenous Peoples:
PART I
Article 1
Indigenous peoples have the right to the full and effective enjoyment of all human rights and fundamental freedoms recognized in
the Charter of the United Nations, the Universal Declaration of Human Rights and international human rights law.
Article 2
Indigenous individuals and peoples are free and equal to all other individuals and peoples in dignity and rights, and have the right to
be free from any kind of adverse discrimination, in particular that based on their indigenous origin or identity.
Article 3
Indigenous peoples have the right of self -determination. By virtue of that right they freely determine their political status and freely
pursue their economic, social and cultural dev elopment.
Article 4
Indigenous peoples have the right to maintain and strengthen their distinct political, economic, social and cultural characteristics, as
well as their legal systems, while retaining their rights to participate fully, if they so choose, in the political, economic, social and cultural life of
the State.
Article 5
Every indigenous individual has the right to a nationality.
PART II
Article 6
Indigenous peoples have the collective right to live in freedom, peace and security as distinct peoples and to full guarantees against
genocide or any other act of violence, including the removal of indigenous children from their families and communities under any pretext.
In addition, they have the individual rights to life, physical and mental integrity, liberty and security of person.
Article 7
Indigenous peoples have the collective and individual right not to be subjected to ethnocide and cultural genocide, including preventi-
on of and redress for: (a) Any action which has the aim or effect of depriving them of their integrity as distinct peoples, or of their culturalvalues or ethnic identities;
(b) Any action which has the aim or effect of dispossessing them of their lands, territories or resources;
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(c) Any form of population transfer which has the aim or effect of violating or undermining any of their rights;
(d) Any form of assimilation or integration by other cultures or ways of life imposed on them by legislative, administrative or other
measures;
(e) Any form of propaganda directed against them.
Article 8
Indigenous peoples have the collective and individual right to maintain and develop their distinct identities and characteristics, inclu-
ding the right to identify themselves as indigenous and to be recognized as such.
Article 9
Indigenous peoples and individuals have the right to belong to an indigenous community or nation, in accordance with the traditions
and customs of the community or nation concerned. No disadvantage of any kind may arise from the exercise of such a right.
Article 10
Indigenous peoples shall not be forcibly removed from their lands or territories. No relocation shall take place without the free and in-
formed consent of the indigenous peoples concerned and after agreement on just and fair compensation and, where possible, with the option of
return.
Article 11
Indigenous peoples have the right to special protection and security in periods of armed conflict.
States shall observe international standards, in particular the Fourth Geneva Convention of 1949, for the protection of civilian popu-
lations in circumstances of emergency and armed conflict, and shall not:
(a) Recruit indigenous individuals against their will into the armed forces and, in particular, for use against other indigenous peoples;
(b) Recruit indigenous children into the armed forces under any circumstances;
(c) Force indigenous individuals to abandon their lands, territories or means of subsistence, or relocate them in special centres for
military purposes;
(d) Force indigenous individuals to work for military purposes under any discriminatory conditions.
PART III
Article 12
Indigenous peoples have the right to practise and revitalize their cultural traditions and customs. This includes the right to maintain,
protect and develop the past, present and future manifestations of their cultures, such as archaeological and historical sites, artifacts, designs,
ceremonies, technologies and visual and performing arts and literature, as well as the right to the restitution of cultural, intellectual, religious and
spiritual property taken without their free and informed consent or in violation of their laws, traditions and customs.
Article 13
Indigenous peoples have the right to manifest, practise, develop and teach their spiritual and religious traditions, customs and cere-
monies; the right to maintain, protect, and have access in privacy to their religious and cultural sites; the right to the use and control of ceremo-
nial objects; and the right to the repatriation of human remains.
States shall take effective measures, in conjunction with the indigenous peoples concerned, to ensure that indigenous sacred places,
including burial sites, be preserved, respected and protected.
Article 14
Indigenous peoples have the right to revitalize, use, develop and transmit to future generations their histories, languages, oral traditi-
ons, philosophies, writing systems and literatures, and to designate and retain their own names for communities, places and persons.
States shall take effective measures, whenever any right of indigenous peoples may be threatened, to ensure this right is protected
and also to ensure that they can understand and be understood in political, legal and administrative proceedings, where necessary through the
provision of interpretation or by other appropriate means.
PART IV
Article 15
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Agenda 21 - Kapitel 26: Anerkennung und Stärkung der Rolle der eingeborenen Bevölkerungsgruppen und
ihrer Gemeinschaften
26.1 Indigene Völker und ihre Lebensgemeinschaften haben eine historische Beziehung zu ihrem Land und sind im allgemeinen Nachfahren der Ur-
einwohner solcher Gebiete. Im vorliegenden Kapitel umfaßt der Begriff „Land" auch die Umwelt der von den betreffenden Menschen von alters her bewohnten
Gebiete. Auf indigene Bevölkerungsgruppen und ihre Lebensgemeinschaften entfäIlt ein erheblicher Anteil der Weltbevölkerung. Sie haben sich über viele
Generationen hinweg ganzheitliche, traditionelle, wissenschaftliche Kenntnisse über ihr Land die natürlichen Ressourcen und ihre Umwelt angeeignet. Indigene
Bevölkerungsgruppen und ihre Lebensgemeinschaften sollen in den vollen Genuß der Menschenrechte und der Grundfreiheiten kommen, ohne behindert oder
diskriminiert zu werden. Ihre Fähigkeit zur uneingeschränkten Mitwirkung an einem auf eine nachhaltige Entwicklung ausgerichteten Umgang mit ihrem Land hat
sich aufgrund wirtschaftlicher, sozialer und historischer Faktoren bisher als begrenzt erwiesen. Angesichts der Wechselbeziehung zwischen der natürlichen
Umwelt und ihrer nachhaltigen Entwicklung einerseits und dem kulturellen, sozialen, wirtschaftlichen und physischen Wohlergehen der indigenen Bevölkerungs-
gruppen andererseits soll bei nationalen und internationalen Anstrengungen zur Einführung einer umweltverträglichen und nachhaltigen Entwicklung die Rolle
dieser Menschen und ihrer Gemeinschaften anerkannt, angepaßt, gefördert und gestärkt werden.
26.2 Einige der den Zielen und Aktivitäten dieses Programmbereichs zugrundeliegenden Einzelziele sind bereits Bestandteil internationaler Rechts-
instrumente des Übereinkommens über Indigenen- und Stammesvölker der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO)(Nr. 169) und sollen in die im Entwurf
vorliegende allgemeine Erklärung über die Rechte indigener Bevölkerungen aufgenommen werden, die zur Zeit von der Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen
für indigene Bevölkerung vorbereitet wird. Das von der Generalversammlung der Vereinten Nationen in ihrer Resolution 45/164 vom 18. Dezember 1990
ausgerufene Internationale Jahr der Indigenenvölker der Welt (1993) bietet eine günstige Gelegenheit für die Mobilisierung weiterer internationaler technischer
und finanzieller Zusammenarbeit.
Ziele
26.3 Im engen Zusammenwirken mit den indigenen Bevölkerungsgruppen und ihren Gemeinschaften sollen sich die Regierungen und gegebenen-
falls auch zwischenstaatliche Organisationen bemühen, folgende Ziele zu erfüllen:
a) die Einleitung eines Prozesses zur Stärkung der Rolle der indigenen Bevölkerungsgruppen und ihrer Gemeinschaf ten durch Maßnahmen, die fol-
gendes einschließen:
i) die Verabschiedung oder Erweiterung einer entsprechenden Politik und/oder entsprechende Rechtsinstrumente auf nationa-
ler Ebene;
ii) die Anerkennung der Notwendigkeit, das von den indigenen Bevölkerungsgruppen und ihre Gemeinschaften bewohnte
Land vor Aktivitäten zu schützen, die umweltschädlich sind oder von den betroffenen Indigenen als sozial und kulturell unangemessen betrachtet
werden;
iii) die Anerkennung ihrer Wertvorstellungen, ihrer überlieferten Kenntnisse und der von ihnen praktizierten Form der Res-
sourcenbewirtschaftung zur Förderung einer umweltverträglichen und nachhaltigen Entwicklung;
iv ) die Anerkennung der Tatsache, daß die traditionelle und unmittelbare Abhängigkeit von erneuerbaren Ressourcen und Ö-
kosystemen sei schließlich nachhaltiger Erntepraktiken auch Zukunft für das kulturelle, wirtschaftliche physische Wohlergehen der indigenen
Bevölkerungsgruppen und ihrer Gemeinschaften unentbehrlich ist;
v ) die Schaffung und Stärkung staatlicher Konfliktlösungsmechanismen für mit der Landsiedlung und der Ressourcenbewirt-
schaftung zusammenhängenden Anliegen;
TEX T 3:
AGENDA 21 - KAPITEL 26:
ANERKENNUNG UND STÄRKUNG
DER ROLLE DER EINGEBORENEN BEVÖLKERUNGSGRUPPEN UND
IHRER GEMEINSCHAFTEN
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n 41 n
3. Die ILO-Konvention Nr. 169 in Amazonien
Für die Indianervölker Amazoniens liegt die Bedeutung der ILO hinsichtlich der Normense tzung, aber auch
hinsichtlich der technischen Zusammenarbeit, auf der staatlichen wie auch auf der internationalen Ebene.
Zwar hat die ILO-Konvention Nr. 169 in erster Linie einen normativen Rahmen für die Rechte indigener Völkerund die Pflichten der Regierungen gegenüber diesen Völkern innerhalb des jeweiligen Nationalstaates ge-
setzt, sie hat aber zudem, wie übrigens auch die Vorläuferkonvention Nr. 107, auf überregionale amerikanische
Entwicklungen Einfluß ausgeübt.
Die ILO-Konventionen und die Indianerpolitik in Lateinamerika: Eine Geschichte wechselsei tiger Beeinflus-
sung
Die ILO konnte ihrerseits früh auf lateinamerikanische Erfahrungen aufbauen. Von Bedeutung ist in diesem
Zusammenhang sicherlich die neue Indianerpolitik des „indigenismo“, die infolge der mexikanischen Revolu-
tion entstand und bald auf andere lateinamerikanische Länder ausstrahlte. Damals kam es erstmalig zu einer
gezielten Politik gegenüber den Problemen der indianischen Gemeinschaften. Eine ganze Reihe von In -
dianerinstituten, die in den Ländern Lateinamerikas in den fünfziger Jahren entstanden und im Interamerikani-
schen Indianerinstitut (III) in Mexiko zusammengeschlossen waren, gehen auf die mexikanischen Erfahrungen
zurück. Der „Indigenismo“ ist aus heutiger Sicht kritisch zu beurteilen, weil auch ihm eine Integrationsidee
zugrundelag. Dennoch läßt sich die relative Akzeptanz der ILO-Konvention Nr. 107 in Lateinamerika, die in der
relativ hohen Zahl von 14 Ratifizierungen zum Ausdruck kommt, damit erklären, daß die lateinamerikanische
Indianerpolitik mit den Leitideen der ILO-Konvention 169 in Übereinstimmung zu bringen war.
Die ILO hat ihrerseits die Zusammenarbeit der südamerikanischen Staaten gefördert. Das An-
denindianerprogramm, das im Jahre 1953 begann und bis in die siebziger Jahre dauerte, war eine koordinier-
te Maßnahme, die in Argentinien, Bolivien, Chile, Kolumbien, Ecuador, Peru und schließlich auch Venezuela zur
Ausführung kam und rund 250.000 Indianer, vor allem des Andenraumes, einbezog. Es soll wesentlich dazu
beigetragen haben, daß die beteiligten Staaten, mit Ausnahme von Chile und Venezuela, auch die ILO-
Konvention Nr. 107 ratifizierten. Im selben Zusammenhang leistete die ILO den Ländern Unterstützung, um die
genannte Konvention an die nationalen Gesetzgebungen anzupassen und die mit den indianischen Angele-
genheiten befaßten Regierungsstellen zu stärken (OIT 1997, S. 15). Auch eine grundlegende Studie über die
Lebens- und Arbeitsbedingungen der Indianerbevölkerung Lateinamerikas wurde 1953 von ihr erstellt.
Übereinstimmungen zwischen dem lateinamerikanischen und dem ILO-internen Diskuss ionsprozeß finden
sich auch im Zusammenhang mit dem Revisionsprozeß und der Neufassung der Konvention Nr. 107. Die
Abkehr von der Integrationsidee, die Anerkennung einer dauerhaften Existenz der indianischen Völker, das
Recht dieser Völker auf ein eigenes Territorium sowie eine eigene Kultur und Sprache einschließlich einer
entsprechenden Erziehung sind Themen, die sich hier wie dort Durchsetzung verschafften. Die Konzepte und
Leitideen, die in die neue Konvention Nr. 169 im Jahre 1989 Eingang fanden, waren bald auch Bestandtei l des
offiziellen politischen Diskurses verschiedener lateinamerikanischer Länder. Zum Teil waren sie Teil der Ver-
fassungsreform, die in mehreren Ländern in den letzten Jahren in Angriff genommen wurden.
Die zahlreichen regionalen und nationalen Indianerorganisationen, die Ende der siebziger Jahre und verstärkt
im Laufe der achtziger Jahre in ganz Lateinamerika entstanden, sind für die Neuorientierung der staatlichen
und internationalen Indianerpolitik von erheblicher Bedeutung. Es handelte sich um Interessenvertretungen mit
modernen Verbandsstrukturen, in denen indianische Gemeinschaften ihre Anliegen gegenüber Regie-
rungsstellen selbst vertraten und in die Öffentlichkeit brachten. Zum Teil setzten sie die Ergebnisse der
internationalen Verhandlungsprozesse direkt in nationale Forderungen um und konnten dabei beachtliche
Erfolge erzielen.
5/8/2018 1998. Indigene Völker und die ILO-Konvention Nr. 169 - slidepdf.com
Klima-Bündnis / Alianza del Clima e.V. Indigene Völker und die ILO-Konvention 169
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n 42 n
Der Einfluß der ILO-Konvention Nr. 169 ist auch in anderen Zusammenhängen erkennbar. Auf dem ersten
Iberoamerikanischen Gipfel, zu dem im Juli 1991 die Regierungschefs Lateinamerikas, Spaniens und Portu-
gals in Mexiko zusammentrafen, wurde die Einrichtung eines Indigenenfonds beschlossen. Im Juli 1992 wur-
de der „Fond für die Entwicklung der Indianervölker Lateinamerikas und der Karibik“ auf dem zweiten Gipfel in
Madrid eingerichtet. In der Präambel des Gründungsdokumentes wird auf die ILO-Konvention Nr. 169 explizit
verwiesen, die als juristischer Bezugsrahmen dienen soll (Dandler 1994, S. 8). Zwar hat dieser Fond, der beider Interamerikanischen Entwicklungsbank angesiedelt ist, Kritik auf sich gezogen. Vertreter indianischer Or-
ganisationen äußerten Vorbehalte hinsichtlich ihrer Beteiligung an den Entscheidungsprozessen und des
Finanzierungsmechanismus. Da der Fond aber dem Geist der ILO-Konvention verpflichtet war, mußte er sich
der Diskussion um indianische Beteiligungsmechanismen stellen.
Ein anderes Beispiel ist die Organisation amerikanischer Staaten (OAS), die seit den achtziger Jahren ein
zunehmendes Interesse an der Situation der indigenen Völker zeigte (ILO 1988 Report VI/1, S. 10) und im No-
vember 1989 übereinkam, ein eigenes juristi sches Instrument zu entwickeln (Dandler 1994, S.5). Im Februar
1997 nahm die Interamerikanische Menschenrechtskommission der OAS das Projekt einer „Amerikanischen
Erklärung der Rechte indigener Völker“ an, die in einem nächsten Schritt von den Mitglieds staaten verabschie-
det werden muß. Der Erklärungsentwurf nimmt in seiner Präambel auf die ILO-Konvention Nr. 169 explizit Be-zug. Zudem findet sich der Terminus „indigene Völker“ wieder, wobei ähnlich wie in der ILO-Konvention weiter-
gehende völkerrechtliche Implikationen ausgeschlossen werden.
DIE RECHTLICHE SITUATION DER INDIANERVÖLKER IN DEN UNTERZEICHNERSTAATEN ZU BEGINN DER REVISION DER ILO-KONVENTION NR. 107
Der Geltungsbereich beider ILO-Konventionen erstreckt sich in erster Linie auf den innerstaatlichen Bereich.
Ein weltweiter Überblick, der im Rahmen des Revisionsprozesse der Konvention Nr. 107 von der ILO selbst
erstellt wurde, zeigt, daß sich in den Ländern Südamerikas trotz der gemeinsamen Kolonialvergangenheit und
der gleichen iberoamerikanischen Rechtstadition erhebliche Unterschiede in der rechtlichen Situation der
Indianervölker entwic??kelt haben. Defizite bei der Umsetzung der ILO-Konvention Nr. 169 werden ebenfalls
sichtbar. Im folgenden wird dazu ein kurzer Überblick gegeben, und zwar für die südamerikanischen Amazo-
nasanrainerstaaten, die die ILO-Konvention Nr. 107 von 1957 ratifiziert haben und die regelmäßig an die ILO
Bericht erstatteten. Es sind dies Bolivien, Brasilien, Kolumbien, Ecuador und Peru.
Allgemeine Rechte
Hinsichtlich der Bürgerrechte waren die Indianer zwar in den siebziger Jahren in den meisten Ländern den
übrigen Bürgern gleichgestellt, und Diskriminierung war verboten. In Brasilien und Kolumbien war jedoch eine
Schutzgesetzgebung in Kraft, die die allgemeinen Rechte von Indianern, z.B. beim Abschluß von Verträgen,
Landkauf oder auch beim Militärdienst einschränkte. In Brasilien galten die Indianer, sofern sie sich nicht in die
nationale Gesellschaft integriert hatten, als beschränkt rechtsfähig. Der staatlichen Indianerbehörde FUNAI
(Nationale Indianerstiftung) wurde die Vormundschaft für rund 100.000 der damals 180.000 Indianer (heute
wird von rund 250.000 Indianern in Brasilien ausgegangen) übertragen, und sie mußte Verträge, z.B. Arbeits-
verträge, befürworten, damit diese rechtskräftig waren (Swepston 1978, S. 183). 50.000 Indianer waren damals
zudem unter Kontrolle von Missionen. Auch in Kolumbien waren viele Indianergemeinschaften (heute rund
600.000 Personen) in den östlichen Savannen und im Amazonas gebiet durch ein Konkordat mit dem Vatikan
der Verwaltung von katholischen Missionsorden unterstellt. Die Andenindianer wiederum lebten zum Teil in
eigenen Schutzgebieten, die noch aus der Kolonialzeit stammten. Auch für sie war eine Sondergesetzgebung
in Kraft, die ihre Wurzeln in der spanischen Indianerschutzpolitik hatte. Indianerorganisat ionen selbst haben
den Schutzgedanken dieser Sondergesetzgebung befürwortet, die die Unveräußerlichkeit der gemeinschaftl i-chen Ländereien und ein Mindestmaß an Selbstverwaltung gewährte. Ähnlich wie die ILO (Swepston 1978, S.
182) hielten auch sie selbst die Einschränkungen der allgemeinen bürgerlichen Rechte für problematisch. In
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n 44 n
In der ILO-Konvention Nr. 107 war die Bedeutung der Landrechte für die indigenen Völker festgehalten, und die
Regierungen waren aufgefordert, den betroffenen Völkern die kollektiven oder individuellen Eigentumsrechte
über das Land anzuerkennen, das diese traditionell nutzen. Hierbei handelt es sich zweifellos um eine der
schwierigsten Fragen in den Beziehungen zwischen den Regierungen und den indigenen Völkern. Die Vorstel-
lung der meis ten Indianergemeinschaften von Land stimmten mit den staatlichen Konzepten nicht überein, die
auf eine seßhafte bäuerliche Bevölkerung zugeschnitten waren und klare Vorgaben für eine intensive landwirt-schaftliche Nutzung beinhalteten. Den Regenwaldvölkern jedoch, die in der Regel zerstreut in kleinen Ansied-
lungen lebten, im Rotationsverfahren Parzellen meist im Brandrodungsfeldbau nutzten, gleichzeitig große
Areale für Jagd, Fischfang oder Sammelwirtschaft benötigten, war die Idee des Eigentums an Boden fremd.
Ein anderes Problem lag in den staatlichen Plänen, die meist noch unerschlossenen Lebensgebiete der
Regenwaldvölker für Kolonisations vorhaben zu öffnen oder aber zumindest für die Ausbeute von Bo-
denschätzen und Holzbeständen zu erschließen.
Von den Amazonasanrainerstaaten, die der ILO-Konvention Nr. 107 beigetreten sind, hatten nur Kolumbien
und Brasilien in den siebziger Jahren besondere Schutzgebiete für die indianischen Regenwaldvölker ausge-
wiesen, aber keine grundlegenden Maßnahmen zur Landsicherung ergriffen. In Brasilien lebten damals rund
die Hälfte der Indianer auf eigenen indigenen Ländereien (Reservaten und Parks), die zwar nach der Verfas -sung von 1967 als unveräußerl ich galten, für die sich die Regierung aber die Möglichkeit vorbehielt, Bergbau-
oder andere extraktive Konzessionen zu erteilen. Aufgrund der beschränkten Geschäftsfähigkeit der nicht-
zivilisierten Indianer waren die Indianergebiete Staatsbesitz. FUNAI initiierte auch hier landwirtschaftliche und
andere Projekte und verwaltete die Einnahmen. Zivilisierten Indianern wurden für den Zeitraum von 10 Jahren
Parzellen von bis zu 50 Hektar als Eigentum in Aus sicht gestellt. Da aber die wenigsten Indianer als „emanzi-
piert“ galten, war diese Bestimmung praktisch bedeutungslos. Schon 1973 war im Brasilianischen Indianer-
statut vorgesehen, alle Indianergebiete in einem Zeitraum von fünf Jahren zu demarkieren. Die ILO selbst kriti -
sierte damals die langsame Umsetzung dieser Vorgaben. In den achtziger Jahren trat das Problem erneut auf.
Die neue brasil ianische Verfassung hatte die Rechte der Indianer auf ihr Land in Artikel 231 verankert und bis
Oktober 1993 die Demarkierung aller Indianergebiete vorgeschrieben. Doch von insgesamt 549 Gebietenwaren zu Beginn des Jahres 1997 erst 191 demarkiert.
In Kolumbien, wo im Andenraum noch die Indianerschutzgebiete aus der Kolonialzei t überdauerten, hatte es
zunächst nicht an Versuchen gefehlt, diese unveräußerlichen kommunalen Ländereien an einzelne Familien
aufzuteilen. Im Zuge der Agrarreform in den sechziger Jahren nahm man davon wieder Abstand und richtete
statt dessen bei den Indianervölkern der östlichen Savannenlandschaft und des Amazonasgebietes Reservate
ein, die die Schaffung von landwirtschaftlichen Einheiten für einzelne indianische Familien ermöglichen soll-
ten, welche in der Vergangenheit keine staatlich anerkannten Landtitel beses sen hatten. Die Fläche dieser
Reservate überstieg bald die der alten Resguardos um ein Vielfaches. Ende 1980 waren 80 solcher Reservate
eingerichtet worden (ILO 1988 Report VI/1, S. 52). Es gab darüber hinaus indianische Familien, die Land kauf-
ten, dieses aber aufgrund der Schuldenlast aufgaben und sich in unzugängliche Gebiete flüchteten (Swepston1978, S. 189). Ein anderes Problem resultierte daraus, daß es in Kolumbien bis vor wenigen Jahren keine
eindeutigen Regelungen hinsichtlich der Nutzung von natürlichen Ressourcen auf Indianergebieten gab (ILO
1988 Report VI/1, S. 61). Widersprüchliche Bestimmungen in den einzelnen Gesetzgebungen blockierten sich
gegenseitig.
In Peru wurde der andinen Indianerbevölkerung im Zuge des Agrarreformprogramms ab 1970 der indianische
Sonderstatus aberkannt, und sie wurde hinsichtlich der Landgesetzgebung der übrigen Landbevölkerung
gleichgestellt. Ein Gesetz aus dem Jahre 1974 über „native Gemeinschaften“ stellte allerdings den indigenen
Regenwaldvölkern Perus die Integrität ihrer Territorien in Aussicht. Bei der Demarkierung ihrer Gebiete mußte
in Rechnung gestellt werden, ob es sich um seßhafte oder zeitweise nomadisierende Gemeinschaften oder
solche ohne ausreichendes Land handelte. Die Ländereien, die einzelnen lokalen Gemeinschaften zugespro-chen wurden, waren unveräußerlich, aber auch in Peru sollte der Zugang für die Erdöl- und Erdgasförderung
sowie für den Bergbau, und zwar ohne Entschädigungen, gewährleistet sein. Ältere Reservate sollten nach
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Auch in Kolumbien genießen indianische Völker nach der neuen Verfassung von 1991 einen eigenständigen
Rechtsstatus. Indianische Gebietskörperschaften wurden eingerichtet, die über ein eigenes politisch-
administratives System verfügen und Kommunen, Distrikte oder Provinzen umfassen sowie die alten Schutz-
gebiete und Reservate einschließen. Innerhalb der alten Schutzgebiete kommt Indianerräten die Recht-
sprechung zu, die entsprechend der traditionellen Normen erfolgen kann, sofern diese nicht im Widerspruch
zur nationalen Gesetzgebung stehen. Hinsichtlich der Teilnahme indigener Völker an der nationalen Politik istder Artikel 171 der neuen Verfassung von Bedeutung. Durch ein spezielles Wahlregister wird die Wahl von zwei
indianischen Vertretern in den kolumbianischen Kongreß sichergestellt.
Land
Insbesondere in Bolivien sind hinsichtlich der indianischen Landrechte zu Beginn der neunziger Jahre wichtige
Änderungen eingetreten. Diese wurden durch indianischen Druck möglich. Im Jahre 1990 führten mehrere
Indianervölker des bolivianischen Tieflandes, die insgesamt auf ca. 220.000 Menschen geschätzt werden,
einen 600 km langen „Marsch für das Territorium und die Würde“ von der Tropenstadt Trinidad bis in die
Hauptstadt La Paz durch, der sowohl innerhalb Boliviens als auch auf internationaler Ebene zahlreiche Sol ida-
ritätsbekundungen hervorrief. In Folge dieses Protestmarsches wurden einige Gebiete per Präsidentendekret
anerkannt, die nicht zuletzt aufgrund der indianischen Forderungen u nveräußerlich, unteilbar, nicht übertragbar
und nicht zu beschlagnahmen sind. Als nächstes wurde im Artikel 171 der neuen Verfassung aus dem Jahre
1994 eine umfassende Anerkennung der sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Rechte der indianischen
Völker verankert, die auch die ursprüngl ichen gemeinschaftl ichen Ländereien dieser Völker einschließen. Zwar
werden in der Verfassung nicht ausdrücklich Eigentumsrechte über diese Ländereien festgeschrieben, dafür
aber ihre Anerkennung, der Respekt und der Schutz sowie die nachhalt ige Nutzung der Naturressourcen. Das
neue Forstgesetz enthält Bestimmungen zur „Demokratisierung“ der Waldnutzung und gewährt den lokalen
indigenen Gemeinschaften exklusive Nutzungsrechte an den Waldbeständen in ihren ursprünglichen Lände-
reien. Schließlich ist das neue Agrarreformgesetz INRA zu erwähnen, das in der Definition und Konzeptionali-
sierung der ursprünglichen Indianergebiete die Best immungen der ILO-Konvention Nr. 169 zugrundelegt. An-gemeldeten Territorialforderungen von indigenen Völkern soll innerhalb eines vertretbaren Zeitraumes ent-
sprochen werden. 28 Territorialforderungen haben Indianerorganis ationen der Regierung unterbreitet (ILO
1996, S.16).
In Kolumbien ist hinsichtlich der Landrechtsfrage in der kolumbianischen Verfassung zu vermelden, daß die
territorialen Rechte der indigenen Völker anerkennt und ihnen neben weitgehender Selbstverwaltung auch das
Management der natürlichen Ressourcen zugestanden wird. Ein eigenes Gesetz zur Gebietsplanung regelt die
Demarkierung der indianischen Gebietskörperschaften. Die indianischen Territorien gelten nach der neuen
Verfassung als unveräußerlich, nicht übertragbar und unteilbar. In ihnen steht den indigenen Gemeinschaften
ein Vorrecht bei der Nutzung der erneuerbaren natürlichen Ressourcen zu. Jegliche Nutzung der natürlichen
Ressourcen hat ohne Beeinträcht igung der kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Integrität zu erfolgen, unddie Regierung hat bei jeder Entscheidung, die die indigenen Völker betrifft, diese einzubeziehen (ILO 1996, S.
17).
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Erziehung und Kultur
Im Jahre 1994 kam es in Bolivien zu einer Erziehungsreform, die vorsieht kulturelle Werte in das Bildungssys-
tem zu integrieren, um damit eine kulturell vielfältige Erziehung zu garantieren. Die indigenen Völker sollen an
der Planung und Umsetzung von entsprechenden Programmen beteiligt werden, und ihr Recht auf eine Erzie-
hung in der eigenen Sprache ist anerkannt. Ein Erziehungsprogramm für den bolivianischen Osten wurde ge-
meinsam mit den Indianerorganisationen der Region ausgearbeitet.
In Kolumbien sieht die neue Verfassung nicht nur eine zweisprachige Erziehung in den indianischen Gemein-
schaften vor, sondern erhebt die jeweilige Indianersprache innerhalb der indianischen Territorien zur offiziellen
Verkehrssprache. Die Nationaluniversität reserviert darüber hinaus zwei Prozent der Studienplätze für indiani-
sche Studenten, die sich verpflichten müssen, nach Beendigung des Studiums in ihre Heimatregion zurückzu-
kehren.
Neoliberalismus versus Indianerrechte
Die positiven Entwicklungen, die zeitgleich oder gar in direktem Zusammenhang mit der ILO-Konvention Nr.169 in einigen Unterzeichnerstaaten Südamerikas zu verzeichnen sind, dürfen allerdings nicht darüber
hinwegtäuschen, daß ein effektiver Schutz der Rechte indigener Völker noch immer nicht gewährleistet ist. Zum
einen gibt es Ratifiziererstaaten, wie Peru, in denen die Regierung sich kaum an die Bestimmungen der Kon-
vention Nr. 169 gebunden fühlt. Andererseits wird die Öffnung hin zu mehr Rechtsgarantien für indigene Völker
auch nach Einschätzungen von ILO-Vertretern selbst durch die neoliberale Politik vieler Regierungen wieder in
Frage gestellt (Tomei 1997, S. 103). Eine solche Entwicklung hin zu Privatisierung und zum völligen Abbau von
Hemnissen für die Wirtschaft, einschließlich dem freien Zugang zu Rohstoffen, ist z.B. in Peru, aber auch in
Kolumbien zu registrieren. In Peru wurde 1995 ein Gesetz erlassen, das Privatinvestitionen im Landwirt-
schaftssektor fördern soll und dabei auch die Restriktionen beim Verkauf von Ländereien der bäuerlichen und
indigenen Gemeinschaften lockerte. Ein neues Gesetz erleichtert zudem die Exploration, Förderung, Weiter-verarbeitung und Vermarktung von Erdöl und Erdgas. In Kolumbien wird durch ein Gesetz vom Jahre 1994 der
Verkauf von Strom durch private Anbieter ermöglicht, denen über Konzessionsverträge die Stromerzeugung, -
weiterleitung und -verteilung übertragen wird. Die Folgen für die indianischen Völker, von denen in der Vergan-
genheit schon mehrere von Staudämmen für die Stromerzeugung aus Wasserkraft negativ betroffen waren,
sind nicht abzusehen. Hierbei handelt es sich nur um Beispiele für die neoliberale Einflüssen in der Gesetzge-
bung. Darüber hinaus gibt es aktuell Konflikte, bei denen die jeweiligen Regierungen die Bestimmungen der
ILO-Konvention Nr. 169 nicht beachtet. Ein dramatisches Beispiel stellt der Fall der 5000 U´wa-Indianer in
Kolumbien dar, für deren traditionelles Gebiet die Erdölgesellschaft „Occidental de Colombia“ 1993 die Förder-
rechte erhielt, welche 1995 durch das Umweltministerium bestätigt wurden. Für das tief religiöse Volk der
U´wa stellt die Erdölförderung, die auf heiligen Plätzen stattfinden soll, eine immense kulturelle Bedrohung
dar. Es geht hier nicht nur darum, daß die in der ILO-Konvention Nr. 169 vorgesehenen „Konsultationen“ bei
allen indigene Völker betreffenden Maßnahmen ignoriert wurden, sondern hier ist die kulturelle und territoriale
Integrität des ganzen Volkes in Gefahr.
Die Nichteinhaltung von Bestimmungen der ILO-Konvention Nr. 169 lieferte im Herbst 1997 auch in Bolivien
Grund für Proteste. Im August hatte die Oberste Forstbehörde 86 neue Forstkonzessionen vergeben, von de-
nen 27 in Indianergebieten liegen. Auch hier wird neben Verstößen gegen nationale Regelungen die Verlet-
zung von Bestimmungen der ILO-Konvention Nr. 169 eingeklagt.
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Dokumentenanhang zu Kapitel 3
Im diesem Dokumentenanhang wird zunächst eine Stellungnahme der „Koordination der In-
dianerorganisationen des Amazonasbeckens“ (COICA) zur ILO-Konvention Nr. 169 wiedergegeben. Dieser
TEX T 1 wurde vom Spanischen ins Deutsche übersetzt. Eines der wichtigsten „amerikanischen“ Dokumente zu
den Rechten indigener Völker stellt die „American Declaration on the rights of indigenous Peoples“ dar, die von
der Interamerikanischen Menschenrechtskommission ausgearbeitet wurde. Zu einem späteren Zeitpunkt
werden die Mitglieder der Organisation der Amerikanischen Staaten (OAS) über sie befinden. Als TEX T 2 ist
dieser Deklarationsentwurf in der englischen Originalfassung wiedergegeben.
Die COICA (Koordination der Indianerorganisationen des Amazonasbeckens) und das Übereinkommen der
ILO über indigene und in Stämmen lebende Völker in unabhängigen Ländern
Seit 1957 haben die Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) einen wichtigen Beitrag zur juristischen Normensetzung für dieindigenen Völker geliefert. Jedenfalls sind sie die einzigen internationalen Instrumente hinsichtlich der Lebens- und Arbeitsbedingungen dieser
Völker. Im Laufe der Jahre und durch den Wandel in der öffentlichen Meinung haben sich einige der Bestimmungen der ILO, die indigene Völkern
betref fen, an neue Umstände angepaßt und haben dabei beispielsweise u.a. das Prinzip der Integration in die Nationalstaaten aufgegeben, die
die Existenz von Gesellschaften mit vielfältigen Kulturen leugnete.
Mit der großen Anstrengung, die in den siebziger und achtziger Jahren die indigenen Organisationen dieser Erde selbst unternahmen, begann
diese Annahme kritisiert zu werden, bis schließlich der Verwaltungsrat der ILO - durch eine Sachverständigenkommission - entschied, die Frage
einer Revision der Konvention 107 auf die Tagesordnung der Internationalen Arbeitskonferenz von 1988 und 1989 zu setzen.
Im Juni 1989 wurde die Konvention 107 mit der Absicht überarbeitet, das grundlegende Prinzip einzubeziehen, bei dem es darum geht, daß die
Lebensweise der indigenen und in Stämmen lebenden Völker geschützt werden soll. Ein weiterer grundlegender Wandel, der durch die Revision
der Konvention entstand, war die Anerkennung, daß alle traditionellen Völker und Organisationen eng in die Planung und Ausführung von Entwick-
lungsprojekten einbezogen werden sollen, die sie betreffen.
Die aufgerufene Konvention wurde zur Konvention Nr. 169. Diese wird nun allmählich von verschiedenen Mitgliedsstaaten der ILO ratifiziert und
ist in zahlreichen Ländern Gegenstand von breiten nationalen Debatten. Die Konvention 169 stellt einen Komplex von internationalen Minimal-
normen für den Schutz indigener Rechte dar. Gleichzeitig hält sie die Türen offen, damit in jenen Ländern, in denen dies möglich ist, fortgeschrit-
tenere Normen durchgesetzt werden. Das Übereinkommen beabsichtigt, eine Gesprächsgrundlage für alle interessierten Gruppen darzustellen:
Regierungen, Indigenenorganisationen, mulitilaterale Agenturen und Nichtregierungsorganisationen.
Als Folge der Verabschiedung der ILO-Konvention 169 wurde 1990 ein Sonderprogramm eingerichtet, um die Partizpation der indigenen und in
Stämmen lebenden Völkern am öffentlichen Leben ihrer Länder zu fördern. Im Rahmen dieses Programmes können die Indigenenorganisationen
oft und zum ersten Mal mit Regierungsvertretern, NGOs, den Gewerkschaften, Kirchenleuten und anderen über die wichtigen, indigene Völker
betreffenden Fragen diskutieren. An vielen Orten der Welt sehen die Indigenen das erste Mal in all den Jahren, daß ihre Meinung zur Stärkung
demokratischer Perspektiven durchaus beiträgt. Auf dieselbe Weise ist es klar, daß die Regierungen ohne eine Beteiligung an ihren Entscheidun-
gen nicht die Legitimität, die für eine erfolgreiche integrale Entwicklung erforderlich ist, beanspruchen können. Die Konvention Nr. 169 stellt die
Möglichkeit dar, dies zu tun.
Die Konvention 169 ermöglicht neben anderen Aspekten auch die Anerkennung der traditionellen Rechtssysteme und fördert das Recht der
indigenen Völker auf Einbeziehung in die Planung und Durchführung von Politiken und Programmen, die sie betreffen. Die Selbstbestimmung, die
TEX T 1:
DIE COICA (KOORDINATION DER
INDIANERORGANISATIONEN DES
AMAZONASBECKENS) UND DAS
ÜBEREINKOMMEN DERILO ÜBER
INDIGENE UND IN STÄMMEN LEBENDE
VÖLKER IN UNABHÄNGIGENLÄNDERN
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1. Indigenous peoples have the right to the full and effective enjoyment of the human rights and fundamental freedoms recognized
in the Charter of the OAS, the American Declaration of the Rights and Duties of Man, the American Convention on Human Rights, and other
international human rights law; and nothing in this Declaration shall be construed as in any way limiting or denying those rights or authorizing any
action not in accordance with the instruments of international law including human rights law.
2. Indigenous peoples have the collective rights that are indispensable to the enjoyment of the individual human rights of their mem-
bers. Accordingly the states recognize inter alia the right of the indigenous peoples to collective action, to their cultures, to profess and practice
their spiritual beliefs, and to use their languages.
3. The states shall ensure for indigenous peoples the full exercise of all rights, and shall adopt in accordance with their constitutional
processes such legislative or other measures as may be necessary to give effect to the rights recognized in this Declaration.
Article III. Right to belong to indigenous peoples
Indigenous peoples and communities have the right to belong to indigenous peoples, in accordance with the traditions and customs of
the peoples or nation concerned.
Article IV. Legal status of communities
Indigenous peoples have the right to have their legal personality fully recognized by the states within their systems.
Article V. No forced assimilation
1. Indigenous peoples have the right to freely preserve, express and develop their cultural identity in all its aspects, free of any at-
tempt at assimilation.
2. The states shall not undertake, support or favour any policy of artificial or enforced assimilation of indigenous peoples, destructi-
on of a culture or the possibility of the extermination of any indigenous peoples.
Article VI. Special guarantees against discrimination
1. Indigenous peoples have the right to special guarantees against discrimination that may have to be instituted to fully enjoy inter-
nationally and nationally-recognized human rights; as well as measures necessary to enable indigenous women, men and children to exercise,
without any discrimination, civil, political, economic, social, cultural and spiritual rights. The states recognize that violence exerted against
persons because of their gender and age prevents and nullifies the exercise of those rights.
2. Indigenous peoples have the right to fully participate in the prescription of such guarantees.
SECTION THREE. CULTURAL DEVELOPMENT
Article VII. Right to Cultural integrity
1. Indigenous peoples have the right to their cultural integrity, and their historical and archeological heritage, which are important both
for their survival as well as for the identity of their members.
2. Indigenous peoples are entitled to restitution in respect of the property of which they have been dispossessed, and where that is
not possible, compensation on a basis not less favorable than the standard of international law.
3. The states shall recognize and respect indigenous ways of life, customs, traditions, forms of social, economic and political organi-
zation, institutions, practices, beliefs and values, use of dress, and languages.
Article VIII. Philosophy, outlook and language
1. Indigenous peoples have the right to indigenous languages, philosophy and outlook as a component of national and universal cul-
ture, and as such, shall respect them and facilitate their dissemination.
2. The states shall take measures and ensure that broadcast radio and television programs are broadcast in the indigenous languages
in the regions where there is a strong indigenous presence, and to support the creation of indigenous radio stations and other media.
3. The states shall take effective measures to enable indigenous peoples to understand administrative, legal and political rules and
procedures, and to be understood in relation to these matters. In areas where indigenous languages are predominant, states shall endeavor to
establish the pertinent languages as official languages and to give them the same status that is given to non-indigenous official languages.
4. Indigenous peoples have the right to use their indigenous names, and to have the states recognize them as such.
Article IX. Education
1. Indigenous peoples shall be entitled: a) to establish and set in motion their own educational programs, institutions and facilities; b)to prepare and implement their own educational plans, programs, curricula and materials; c) to train, educate and accredit their teachers and
administrators. The states shall endeavor to ensure that such systems guarantee equal educational and teaching opportunities for the entire
population and complementarity with national educational systems.
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2. When indigenous peoples so decide, educational systems shall be conducted in the indigenous languages and incorporate indige-
nous content, and they shall also be provided with the necessary training and means for complete mastery of the official language or langua-
ges.
3. The states shall ensure that those educational systems are equal in quality, efficiency, accessibility and in all other ways to that
provided to the general population.
4. The states shall take measures to guarantee to the members of indigenous peoples the possibility to obtain education at all levels,
at least of equal quality with the general population.
5. The states shall include in their general educational systems, content reflecting the pluricultural nature of their societies.
6. The states shall provide financial and any other type of assistance needed for the implementation of the provisions of this article.
Article X. Spiritual and religious freedom
1. Indigenous peoples have the right to freedom of conscience, freedom of religion and spiritual practice, and to exercise them both
publicly and privately.
2. The states shall take necessary measures to prohibit attempts to forcibly convert indigenous peoples or to impose on them be-
liefs against their will.
3. In collaboration with the indigenous peoples concerned, the states shall adopt effective measures to ensure that their sacred sites,including burial sites, are preserved, respected and protected. When sacred graves and relics have been appropriated by state institutions, they
shall be returned.
4. The states shall encourage respect by all people for the integrity of indigenous spiritual symbols, practices, sacred ceremonies,
expressions and protocols.
Article XI. Family relations and family ties
1. The family is the natural and basic unit of societies and must be respected and protected by the state. Consequently the state
shall recognize and respect the various forms of indigenous family, marriage, family name and filiation.
2. In determining the child's best interest in matters relating to the protection and adoption of children of members of indigenous peo-
ples, and in matters of breaking of ties and other similar circumstances, consideration shall be given by courts and other relevant institutions to
the views of the peoples, including individual, family and community views.
Article XII. Health and well-being
1. Indigenous peoples have the right to legal recognition and practice of their traditional medicine, treatment, pharmacology, health
practices and promotion, including preventive and rehabilitative practices.
2. Indigenous peoples have the right to the protection of vital medicinal plants, animal and mineral in their traditional territories.
3. Indigenous peoples shall be entitled to use, maintain, develop and manage their own health services, and they shall also have ac-
cess, on an equal basis, to all health institutions and services and medical care accessible to the general population.
4. The states shall provide the necessary means to enable the indigenous peoples to eliminate such health conditions in their com-
munities which fall below international accepted standards for the general population.
Article XIII. Right to environmental protection
1. Indigenous peoples have the right to a safe and healthy environment, which is an essential condition for the enjoyment of the
right to life and collective well-being.
2. Indigenous peoples have the right to be informed of measures which will affect their environment, including information that ensu-
res their effective participation in actions and policies that might affect it.
3. Indigenous peoples shall have the right to conserve, restore and protect their environment, and the productive capacity of their
lands, territories and resources.
4. Indigenous peoples have the right to participate fully in formulating, planning, managing and applying governmental programmes
of conservation of their lands, territories and resources.
5. Indigenous peoples have the right to assistance from their states for purposes of environmental protection, and may receive as-
sistance from international organizations.
6. The states shall prohibit and punish, and shall impede jointly with the indigenous peoples, the introduction, abandonment, or deposit
of radioactive materials or residues, toxic substances and garbage in contravention of legal provisions; as well as the production, introduction,
transportation, possession or use of chemical, biological and nuclear weapons in indigenous areas.
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7. When a State declares an indigenous territory as protected area, any lands, territories and resources under potential or actual
claim by indigenous peoples, conservation areas shall not be subject to any natural resource development without the informed consent and
participation of the peoples concerned.
SECTION FOUR. ORGANIZATIONAL AND POLITICAL RIGHTS
Article XIV. Rights of association, assembly, freedom of expression and freedom of thought
1. Indigenous peoples have the right of association, assembly and expression in accordance with their values, usages, customs, an-
cestral traditions, beliefs and religions.
2. Indigenous peoples have the right of assembly and to the use of their sacred and ceremonial areas, as well as the right to full
contact and common activities with their members living in the territory of neighboring states.
Article XV. Right to self government
1. Indigenous peoples have the right to freely determine their political status and freely pursue their economic, social, spiritual and
cultural development , and accordingly, they have the right to autonomy or self-government with regard to inter alia culture, religion, education,
information, media, health, housing, employment, social welfare, economic activities, land and resource management, the environment and
entry b y nonmembers; and to determine ways and means for financing these autonomous functions.
2. Indigenous peoples have the right to participate without discrimination, if they so decide, in all decision-making, at all levels, with
regard to matters that might affect their rights, lives and destiny. They may do so directly or through representatives chosen by them in accor-
dance with their own procedures. They shall also have the right to maintain and develop their own indigenous decision-making institutions, as well
as equal opportunities to access and participate in all state institutions and fora.
Article XVI. Indigenous Law
1. Indigenous law shall be recognized as a part of the states' legal system and of the framework in which the social and economic
development of the states takes place.
2. Indigenous peoples have the right to maintain and reinforce their indigenous legal systems and also to apply them to matters
within their communities, including systems related to such matters as conflict resolution, crime prevention and maintenance of peace and
harmony.
3. In the jurisdiction of any state, procedures concerning indigenous peoples or their interests shall be conducted in such a way as to
ensure the right of indigenous peoples to full representation with dignity and equality before the law. This shall include observance of indigenouslaw and custom and, where necessary, use of their language.
Article XVII. National incorporation of indigenous legal and organizational systems
1. The states shall facilitate the inclusion in their organizational structures, the institutions and traditional practices of indigenous peo-
ples, and in consultation and with consent of the peoples concerned.
2. State institutions relevant to and serving indigenous peoples shall be designed in consultation and with the participation of the peo-
ples concerned so as to reinforce and promote the identity, cultures, traditions, organization and values of those peoples.
SECTION FIVE. SOCIAL, ECONOMIC AND PROPERTY RIGHTS
Article XVIII. Traditional forms of ownership and cultural survival. Rights to land, territories and resources
1. Indigenous peoples have the right to the legal recognition of their varied and specific forms and modalities of their control, ow-
nership, use and enjoyment of territories and property.
2. Indigenous peoples have the right to the recognition of their property and ownership rights with respect to lands, territories and re-
sources they have historically occupied, as well as to the use of those to which they have historically had access for their traditional activities
and livelihood.
3. i) Subject to 3.ii.), where property and user rights of indigenous peoples arise from rights existing prior to the creation of those sta-
tes, the states shall recognize the titles of indigenous peoples relative thereto as permanent, exclusive, inalienable, imprescriptible and indefea-
sible.
ii) Such titles may only be changed by mutual consent between the state and respective indigenous peoples when they have full
knowledge and appreciation of the nature or attributes of such property.
iii) Nothing in 3.i.) shall be construed as limiting the right of indigenous peoples to attribute ownership within the community in accor-
dance with their customs, traditions, uses and traditional practices, nor shall it affect any collective community rights over them.
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4. Indigenous peoples have the right to an effective legal framework for the protection of their rights with respect to the natural re-
sources on their lands, including the ability to use, manage, and conserve such resources; and with respect to traditional uses of their lands,
interests in lands, and resources, such as subsistence.
5. In the event that ownership of the minerals or resources of the subsoil pertains to the state or that the state has rights over other
resources on the lands, the governments must establish or maintain procedures for the participation of the peoples concerned in determining
whether the interests of these people would be adversely affected and to what extent, before undertaking or authorizing any program for plan-
ning, prospecting or exploiting existing resources on their lands. The peoples concerned shall participate in the benefits of such activities, and
shall receive compensation, on a basis not less favorable than the standard of international law for any loss which they may sustain as a result
of such activities.
6. Unless exceptional and justified circumstances so warrant in the public interest, the states shall not transfer or relocate indigenous
peoples without the free, genuine, public and informed consent of those peoples, but in all cases with prior compensation and prompt replace-
ment of lands taken, which must be of similar or better quality and which must have the same legal status; and with guarantee of the right to
return if the causes that gave rise to the displacement cease to exist.
7. Indigenous peoples have the right to the restitution of the lands, territories and resources which they have traditionally owned or
otherwise occupied or used, and which have been confiscated, occupied, used or damaged, or when restitution is not possible, the right to
compensation on a basis not less favorable than the standard of international law .
8. The states shall take all measures, including the use of law enforcement mechanisms, to avert, prevent and punish, if applicable,any intrusion or use of those lands by unauthorized persons to take possession or make use of them. The states shall give maximum priority to
the demarcation and recognition of properties and areas of indigenous use.
Article XIX. Workers rights
1. Indigenous peoples shall have the right to full enjoy ment of the rights and guarantees recognized under international labor law and
domestic labor law; they shall also have the right to special measures to correct, redress and prevent the discrimination to which they have
historically been subject.
2. To the extent that they are not effectively protected by laws applicable to workers in general, the states shall take such special
measures as may be necessary to:
a. effectively protect the workers and employees who are members of indigenous communities in respect of fair and equal hiring
and terms of employment;
b. to improve the labor inspection and enforcement service in regions, companies or paid activities inv olving indigenous workers or
employees;
c. ensure that indigenous workers:
i) enjoy equal opportunity and treatment as regards all conditions of employment, job promotion and advancement; and other conditi-
ons as stipulated under international law;
ii) enjoy the right to association and freedom for all lawful trade union activities, and the right to conclude collective agreements with
employers or employers' organizations;
iii) are not subjected to racial, sexual or other forms of harassment;
iv) are not subjected to coercive hiring practices, including servitude for debts or any other form of serv itude, even if they have
their origin in law, custom or a personal or collective arrangement, which shall be deemed absolutely null and void in each instance;
v) are not subjected to working conditions that endanger their health and safety;
vi) receive special protection when they serve as seasonal, casual or migrant workers and also when they are hired by labor contrac-
tors in order that they benefit from national legislation and practice which must itself be in accordance with established international human
rights standards in respect of this type of workers, and,
vii) as well as their employers are made fully aware of the rights of indigenous workers, under such national legislation and internati-
onal standards, and of the recourses available to them in order to protect those rights.
Article XX. Intellectual property rights
1. Indigenous peoples have the right to the recognition and the full ownership, control and protection of their cultural, artistic, spiritual,
technological and scientific heritage, and legal protection for their intellectual property through trademarks, patents, copyright and other such
procedures as established under domestic law; as well as to special measures to ensure them legal status and institutional capacity to develop,
use, share, market and bequeath that heritage to future generations.
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Klima-Bündnis / Alianza del Clima e.V. Indigene Völker und die ILO-Konvention 169
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4. Die ILO-Konvention Nr. 169 von 1989 in Europa
Die Internationale Arbeitsorganisation selbst hielt bis vor wenigen Jahren eine Ratifizierung ihrer Konventionen
nur durch jene Länder für sinnvoll, die von den Bestimmungen dieser Konventionen direkt betroffen waren.
Entsprechend wäre eine Unterzeichnung der ILO-Konvention Nr. 169 nur für Staaten angezeigt, auf deren Ho-
heitsgebiet indigene Völker leben. In Europa gilt dies nur für den Fall der Sami in Norwegen, Schweden und
Finnland und in Dänemark für die Inuit auf Grönland. Norwegen war im übrigen das erste Land überhaupt, das
die ILO-Konvention Nr. 169 ratifizierte und im Juni 1990 die entsprechende Urkunde bei der ILO hinterlegte.
Auch Dänemark ist seit Februar 1996 als Unterzeichner bei der ILO registriert.
Im Zuge der internationalen Prozesse um die Rechte indigener Völker seit Beginn der neunziger Jahre11 bildet
sich jedoch ein neuer Konsens heraus. Das Schicksal dieser Völker gilt nicht länger als ausschließlich innere
Angelegenheit einzelner Staaten, sondern wird als internationale Aufgabe betrachtet. In jüngster Zeit ist auch
von Vertretern der ILO zu vernehmen, daß Länder, in denen keine indigene Völker leben, die ILO-Konvention Nr.
169 ratifizieren könnten (Tomei 1997, S. 9). In diesem Sinne läßt sich auch eine Entschließung der Internatio-
nalen Arbeitskonferenz interpretieren, die am 26. Juni 1989 angenommen wurde. Darin werden ohne Ein-
schränkungen die Mitgliedsstaaten aufgefordert, der revidierten Konvention Nr. 169 baldmöglichst beizutreten.
In einer jüngeren Veröffentlichung der ILO heißt es zum selben Thema: Ratifizieren können
alle entwickelten Länder und Entwicklungsländer, die Mitglied der ILO sind, einschließlich jener, die
keine indigenen Völker innerhalb ihrer nationalen Bevölkerung haben. Eine Unterzeichnung würde in
dem letzteren Falle ein Ausdruck der Solidarität gegenüber indigenen und in Stämmen lebenden Vö l-
kern bedeuten. Die Prinzipien des Übereinkommens können auch die Entwicklungshilfe oder Entwick-
lungspolitik leiten und beeinflussen sowie die geförderten und durchgeführten Programme dieser
Länder zur Unterstützung der indigenen und in Stämmen lebenden Völker (ILO 1996, S. 28).
Die Europäische Union
Dieser Auffassung schloß sich auch das Europäische Parlament an. In einer „Entschließung zu den für einen
wirksamen Schutz der eingeborenen Völker notwendigen internationalen Maßnahmen“ vom 9. Februar 1994
ersuchte es die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, „sich entschlossen für einen effektiven Schutz der
eingeborenen Völker einzusetzen, dem Übereinkommen 169 der IAO beizutreten und andere Staaten ebenfalls
zum Beitritt aufzufordern“. Dabei handelte es sich um ein vergleichsweise eindeutiges Votum. Voraus gegan-
gen waren langjährige Beratungen im Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten und Sicherheit des Euro-
päischen Parlamentes, wohin der Parlamentspräsident schon einen früheren Entschließungsantrag aus dem
Jahre 1991 verwiesen hatte. Dieser war dem Parlament aufgrund der dramatischen Umweltzerstörung imEcuadorianischen Amazonastiefland, in dem von der Erdölförderung gerade auch Indianergebiete in Mitlei-
denschaft gezogen wurden, sowie angesichts der bevorstehenden UNCED-Konferenz in Rio de Janeiro vorge-
legt worden. Die drei Jahre später angenommene Entschließung hatte unter dem Eindruck jüngerer Ereig-
nisse12 größeres Gewicht auf internationale Rechtsinstrumente gelegt.
Auch auf Ministerratsebene hat es in der Vergangenheit mehrere Initiativen gegeben. Im November 1992 be-
tonte der Rat der Entwicklungsminister in einer Entschließung die Bedeutung der Einbeziehung von Minderhei-
11 Eckpunkte sind hierfür der 500. Jahrestag der sogenannten „Entdeckung Amerikas“ im Jahre 1992, damit im Zusammenhang
die Verleihung des Friedensnobelpreises an Rigoberta Menchu, das Internationale Jahr indigener Völker 1993, und ab 1994
die Internationale Dekade indigener Völker. Auch die UN-Menschenrechtskonferenz in Wien im Jahre 1993 befaßte sich mit
indigenen Völkern.
12Vgl. Fußnote 1 dieses Kapitels.
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ten in den Entwicklungsprozeß. Neben der Regelung der Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern aus
dem gleichen Jahr ist eine neue Initiative von Juni 1996 von Interesse. Auf Anregung von Dänemark und Spa-
nien kam im Rat der Entwicklungsminister eine Entschließung zustande, die die Europäische Kommission mit
der Ausarbeitung eines eigenen Strategiepapiers zur Entwicklungszusammenarbeit mit indigenen Völkern
beauftragt. Der niederländische Minister rief in diesem Zusammenhang die Kommission auf zu prüfen, ob
eine Ratifizierung der ILO-Konvention Nr. 169 durch die Europäische Union möglich wäre, die ja auch andereninternationalen Übereinkommen, etwa dem Übereinkommen über die biologische Vielfalt oder der Klima-
rahmenkonvention, beigetreten ist. Bedauerlicherweise stellte sich heraus, daß die Statuten der Internationa-
len Arbeitsorganisation dies nicht zulassen. Nur Mitgliedsstaaten können die ILO-eigenen Übereinkommen
unterzeichnen. Für die Erhöhung der allgemeinen Akzeptanz dieser internationalen Normen über die Rechte
indigener Völker sind solche Initiativen auf europäischer Ebene dennoch ausgesprochen wichtig.
Für die Diskussion um die Unterzeichnung der ILO-Konvention Nr. 169 durch einzelne europäische Staaten
gibt es zwei Eckpunkte. Am Beginn steht die Ratifizierung der Vorläuferkonvention Nr. 107 durch Belgien, das
vorläufige Ende markiert die jüngste Entscheidung der Niederlande, als erstes europäisches Land ohne eige-
ne indigene Bevölkerung der Konvention Nr. 169 beizutreten.
Im folgenden wird der Stand der Diskussion in mehreren europäischen Ländern wiedergegeben. Dabei konn-
ten allerdings nicht alle Länder Berücksichtigung finden. Für einige waren zum Zeitpunkt der Fertigstellung
dieser Dokumentation nur unvol lständige, für andere überhaupt keine Informationen zu erhalten. So ist etwa
bekannt, daß sich Nichtregierungsorganisationen in Italien verschiedentlich für die ILO-Konvention Nr. 169 ein-
setzen. Auch von Luxemburg weiß man, daß im Jahre 1996 eine Parlamentsanfrage in Vorbereitung war. Der
jetzige Stand der Dinge konnte allerdings nicht ermittelt werden.
Belgien
Belgien gehörte zu den ersten Staaten, die die ILO-Konvention Nr. 107 ratifizierten, obwohl auf dem Hoheitsge-
biet des Landes keine indigenen Völker lebten. Seit November 1958 ist das offizielle Unterzeichnungsdoku-ment bei der Internationalen Arbeitsorganisation hinterlegt. Für Belgien handelte es sich seinerzeit um einen
Akt der Solidarität mit den indigenen Völkern. Auch nach der Revision der 107-Konvention, der im übrigen alle
drei Parteien (Regierungs -, Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter) Belgiens in der Internationalen Arbei tskon-
ferenz zustimmten, ist die Ratifizierung der ILO-Konvention Nr. 169 beraten worde n. Eine Parlamentsanfrage
vom Oktober 1993 wurde zunächst positiv beantwortet. Das Außenministerium antwortete dann aber auf eine
erneute Anfrage aus dem Jahre 1969 nach den Gründen, warum die Regierung die Konvention Nr. 169 noch
nicht ratifiziert habe, daß die internen Konsequenzen für Belgien noch gemeinsam mit dem Arbeitsministerium
geprüft werden müßten. Es ging dabei um die in Belgien lebenden Zigeuner, für die sich im Fall einer Ratifi-
zierung zahlreiche gesetzliche Neuanpassungen als erforderlich erweisen könnten. Allerdings scheint es, daß
Roma und Sinti keine Anerkennung als indigene Völker beanspruchen, sondern Garantien im Rahmen des
europäischen Systems für ethnische Minderheiten verlangen (Kuppe 1994, S. 95).
Bundesrepublik Deutschland
In ihrer ersten Stellungnahme zur neugefaßten ILO-Konvention Nr. 169 vom Februar 1992 gab die deutsche
Regierung an, daß sie die Neuorientierung der genannten Konvention begrüße und die Umsetzung durch die
Signatarstaaten im Rahmen der ILO aufmerksam beobachten werde. Da aber die Bundesrepublik - ebenso
wie die ehemalige DDR - vom Gegenstand des Übereinkommens nicht berührt sei, weil in ihr keine eingebo-
renen Völker lebten, komme eine Rati fizierung für sie nicht in Betracht. Im Herbst 1993 wurde dennoch ein An-
trag auf Unterzeichnung und Ratifizierung der ILO-Konvention Nr. 169 in den deutschen Bundestag einge-
bracht. Als Begründung wurde angeführt, daß die Bundesregierung durch ihr außenpolitisches, außenwirt-schaftliches und entwicklungspolitisches Handeln das Leben dieser Völker beeinflusse und daß eine Ratifizie-
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rung den öffentlichen Bekenntnissen der Regierung zur Einhaltung der Menschenrechte entspräche. Es wurde
zudem auf das einschlägige Kapitel der Agenda 21 zu indigenen Bevölkerungsgruppen verwiesen.
Zunächst nahm sich der Ausschuß für entwicklungspolitische Zusammenarbeit des Parlamentes dieser Frage
an. Er kam zu einem ablehnenden Votum, obwohl sich der Ausschuß in einer Sitzung im Jahre 1992 positiv
über die Prinzipien der Konvention geäußert hatte. Aufgrund der Nichtexistenz von indigenen Völkern auf dem
Territorium der Bundesrepublik Deutschland gab es für die Mehrheit der Ausschußmitglieder jedoch keinen
Grund, einen Beitritt zum Übereinkommen selbst zu befürworten. Dieser Auffassung schloß sich auch der
Deutsche Bundestag an, der die Frage am 23. Juni 1993 im Rahmen seiner entwicklungspolitische Debatte
behandelte. Der Antrag wurde mit den Stimmen der Regierungsmehrheit abgelehnt. Aus dem Parlament er-
ging sogar die Aufforderung, den Antrag auf Unterzeichnung und Ratifizierung zurückzuziehen. Die Begründung
lautete:
Das ILO-Übereinkommen 169 richtet sich nämlich an diejenigen Staaten, auf deren Territorium indi-
gene Völker leben. Da es in der Bundesrepublik keine eingeborenen und in Stämmen lebende Völker
gibt, sind wir auch von diesen Abkommen nicht betroffen ...“ (Deutscher Bundestag 1993, S.14249).
Erwähnenswert ist, daß der Minister für Entwicklungszusammenarbeit in seiner Rede auf die ILO-KonventionNr. 169 mit keinem Wort einging. Diese wird gleichwohl im Rahmen eines eigenen Konzeptes, das das Minis-
terium für die Entwicklungszusammenarbeit mit indianischen Bevölkerungsgruppen in Lateinamerika im No-
vember 1996 vorlegt, „ein wichtiger Referenzpunkt für eine Neuausrichtung der Zusammenarbeit mit indiani-
schen Bevölkerungsgruppen“ genannt. Das Ministerium ist demnach bereit, die ILO-Konvention in der Entwick-
lungszusammenarbeit in einem nicht näher bestimmten Maße zu berücksichtigten.
Auch in den folgenden Jahren hatte sich die deutsche Regierung noch im Rahmen von parlamentarischen
Anfragen verschiedentlich mit der ILO-Konvention Nr. 169 zu beschäftigen. In ihrer jüngsten Antwort auf eine
Anfrage vom Sommer 1996 läßt sich gegenüber früheren Stellungnahmen eine leicht modifizierte Haltung
erkennen. Die Regierung häl t eine Ratifizierung auch weiterhin nicht für sinnvoll, weil sie aufgrund der Nicht-
existenz indigener Völker in Deutschland den Verpflichtungen, die aus einer Ratifizierung erwachsen wedernachkommen, noch gegen sie verstoßen könne. Aber sie schließt eine Ratifizierung nicht mehr für alle Zukunft
aus. Im einzelnen meint sie:
Die Bundesregierung geht davon aus, daß die genannten Umstände zwar einen Beitritt zum Abkom-
men Nr. 169 der ILO unter völkerrechtlichen Gesichtspunkten nicht ausschließen, ihn aber derzeit
nicht sinnvoll erscheinen lassen.
Ein hartnäckiger Gegner einer Ratifizierung wäre in Deutschland sicherlich das Außenministerium, das sich
zumindest bei einer Gelegenheit in diesem Sinne geäußert hat. Anders als etwa in Österreich wird eine Ratifi-
zierung im übrigen auch von seiten der Gewerkschaften abgelehnt. Der Deutsche Gewerkschaftsbund, der das
gewerkschaftliche Eintreten für die indigenen Rechte auf internationaler Ebene sehr begrüßt, äußerte aber
Vorbehalte hinsichtlich einer Ratifizierung durch Staaten ohne eigene indigene Bevölkerung.
Werden IAO-Normen ratifiziert, ohne daß sie unmittelbare Bedeutung für die innerstaatliche Politik ha-
ben, stellt sich die Frage, ob so die Wirksam keit internationaler Arbeits - und Sozialnormen verbessert
oder nicht doch geschwächt werden könnte. Wir sehen die Gefahr, daß das ausgebaute Kontrollsys-
tem der IAO eher unterhöhlt werden könnte, wenn auch jene Übereinkommmen ratifiziert werden, die
für die „unmittelbaren Belange“ eines Landes keine größere Bedeutung haben ... (Adamy 1996).
Dänemark
Für Dänemark ist die Ratifizierung der ILO-Konvention Nr. 169 von besonderer Bedeutung, da auf Grönland,
das eine „autonome Region“ mit weitgehenden Selbstverwaltungsrechten ist, mit den Inuit ein indigenes Volklebt. Allerdings hat die dänische Regierung die Ratifizierungsfrage nicht nur im Hinblick auf die eigene indige-
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ne Bevölkerung betrachtet, auch wenn diese den wichtigsten Grund darstellte, sondern behielt auch die indi-
genen Völker insbesondere in den Entwicklungsländern im Blick.
Aus Anlaß des Internationalen Jahres der Indigenen Völker fand im November 1993 eine ausgiebige Parla-
mentsdebatte statt, in der die Ministerin für Entwicklungszusammenarbeit ihre Zusammenarbeit im Bereich
indigene Völker darstellte und dem Interesse Ausdruck verl ieh, die dänischen Bemühungen zu erweitern. Die
Erfahrungen mit den Inuit auf Grönland stellten dabei einen wichtigen Bezugspunkt für die internationale Arbeit
dar.
Zu den Themen, zu denen das Parlament aus Anlaß dieser Debatte ein einstimmiges Votum abgab, gehörte
u.a. die ILO-Konvention Nr. 169. Die Regierung wurde aufgefordert, diesem Übereinkommen schnellstmöglich
beizutreten.
Dieselbe Aufforderung ist in ein Strategiepapier zur dänischen Unterstützung der indigenen Völker eingeflos-
sen, dessen Ausarbeitung das Parlament aus Anlaß derselben Sitzung der Ministerin für Entwicklungszu-
sammenarbeit in Auftrag gab (Danida 1994, S. 12). Die Ministerin legte dieses Papier im Juli 1994 der Öffent-
lichkeit vor.
Im nächsten Jahr kam die Regierung der Aufforderung nach Ratifizierung nach. Das offizielle Dokument wurde
in Form einer gemeinsamen Erklärung zwischen dem dänischen Außenminister und dem Premier der auto-
nomen grönländischen Regierung verfaßt und im Januar 1996 unterzeichnet. Am 22. Februar übergab der
ständige Vertreter Dänemarks vor den Vereinten Nationen das Ratifizierungsdokument der Internationalen
Arbeitsorganisation. In einer Presseerklärung aus Anlaß dieser Übergabe wurde auch auf ein zweijähriges
Projekt hingewiesen, daß Dänemark in Zusammenarbeit mit der ILO zur Stärkung der ILO-Aktivitäten bei indi-
genen und in Stämmen lebenden Völkern unterstützt. Ganz im Geiste der Konvention wurde dieses Projekt von
zwei indigenen Vertretern, und zwar aus Grönland und Bangladesch, initiiert und durchgeführt.
Niederlande
In der Niederlanden nahmen das Außenministerium und Ministerium für Entwicklungszusammenarbeit das
bevorstehende UN-Jahr zu indigenen Völkern zum Anlaß, um 1991 das „Beraterkomitee für Menschenrechte
und Außenpolitik“ formal mit der Erstellung eines Berichtes über die Rechte und Interessen der indigenen
Völker und ihrer Mitglieder zu beauftragen (Advisory Committee 1993). Dieses parlamentarische Beratergrem i-
um ist mit wissenschaftlich hochrangigen Persönlichkeiten besetzt (Kuppe 1994, S. 101) und legte im Januar
1993 einen umfangreichen Bericht über individuelle und kollektive Rechte indigener Völker, ihren legalen Sta-
tus und die legalen Rechtsmittel, das Selbstbestimmungsrecht, den Völkermord, Fragen der Repräsentation,
die wirtschaftlichen und kulturellen Rechte, den rechtlichen Schutz auf internationaler Ebene sowie die Implika-
tionen über die Entwicklungszusammenarbeit vor. Dabei ging es auch um die ILO-Konvention Nr. 169 und eine
Ratifizierung durch die Niederlande. In seinen Empfehlungen nahm das Beraterkomitee dazu unter Punkt 15
wie folgt Stellung:
Das Beraterkomitee hat Vorbehalte gegenüber den Argumenten der Niederlande, die ILO-Konvention
Nr. 169 nicht zu ratifizieren. Die Universalität der Menschenrechte und die kollektive Verantwortung al-
ler Staaten, daß diese eingehalten werden, beinhaltet, daß die Niederlande direkt und in einem all-
gemeinen Sinne betroffen sind. Durch eine Ratifizierung der Konvention würden die Niederlande ein
klares Zeichen setzen, daß sie den Problemen der indigenen Völker eine wesentliche Bedeutung bei-
mißt. Das Beraterkomitee hält es auch für wesentlich, daß den in der Konvention enthaltenen Prinzi-
pien so gewissenhaft wie möglich bei der Durchführung von Entwicklungsprojekten entsprochen wird,
die durch die Niederlande finanziert werden (Advisory Committee 1993, S. 46).
Im März 1993 übergaben das Außen- und das Entwicklungsministerium ein Memorandum an das niederländi-sche Parlament, in dem sie über die Politik hinsichtlich indigener Völker im Kontext der Außen- und Entwick-
lungspolitik informierten und dabei auch die Meinung des Beraterkomitees für Menschenrechte und Außenpoli-
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tik wiedergaben. Innerhalb der Regierung schien es in der Folgezeit dennoch Stimmen zu geben, die eine
Ratifizierung mit der Begründung ablehnten, daß in den Niederlanden keine indigenen Völker lebten. Zudem
herrschte Unsicherheit hinsichtlich möglicher Änderungen in der nationalen Gesetzgebung, die als Folge der
Ratifizierung erforderlich sein könnten. Die Befürworter einer Ratifizierung setzten sich jedoch durch. Im Febru-
ar 1996 beschloß der Ministerrat des Landes, also die Regierung, die ILO-Konvention Nr. 169 zu ratifizieren. In
einer Presseerklärung gab der Außenminister zu verstehen, daß ein Beitritt die Bedeutung unterstreiche, diedie niederländische Regierung diesem Teilbereich der Menschenrechtspolitik im Rahmen der internationalen
Rechtsordnung beimesse. Er sagte zudem:
Anfänglich war es nicht die Absicht, daß die Niederlande beitreten, da die Niederlande keine indige-
nen Völker haben. Eine gute Umsetzung der Konvention kann allerdings durch eine Ratifizierung von
möglichst vielen Staaten unterstützt werden, einschließlich jener, die keine indigenen Völker ein-
schließen.
In den Sitzungen der Ersten Kammer des Niederländischen Parlamentes im Herbst 1996 und Frühjahr 1997
wurde der Regierungsantrag über die Ratifizierung der ILO-Konvention Nr. 169 ausgiebig beraten. Die ab-
schließende Entschließung fiel positiv aus. Auch die Zweite Kammer des Niederländischen Parlamentes, die
Widerspruch gegen Entscheidungen der Ersten Kammer einlegen kann, sprach sich für eine Ratifizierung aus.
Im November 1997 war damit offiziell die Entscheidung gefallen, daß die Niederlande die ILO-Konvention Nr.
169 ratifizieren. Mit Datum vom 2. Februar 1998 ist das Land bei der Internationalen Arbeitsorganisation offi-
zielle als Signatarstaat registriert.
Österreich
Im Mai 1991 hatte das österreichische Arbeits- und Sozialministerium auf Beamtenebene die Empfehlung
ausgesprochen, die ILO-Konvention Nr. 169 nicht zu ratifizieren, da ein Beitritt aufgrund des Nichtvorhanden-
seins indigener Völker innerhalb des Landes nur eine humanitäre Geste sei. Namhafte Nichtregierungsorga-
nisationen starteten ein Jahr später jedoch eine Briefaktion, die das Außenministerium zur Ratifizierung bewe-gen sollte. Einige Politiker konnten damals überzeugt werden, daß eine Ratifizierung eine moralische Unter-
stützung darstelle, die die Unteilbarkeit der Menschenrechte deutlich mache (Kuppe 1994, S. 96). Der Außen-
politische Ausschuß des Nationalrates befaßte sich im Mai 1993 mit der Angelegenheit, nachdem schon ein
entsprechender Antrag im Juni 1992 in den Nationalrat eingebracht worden war. Der Ausschuß befand, daß
zwar keine indigenen Völker in Österreich lebten, daß es aber aufgrund der entwicklungspoli tischen Zusam-
menarbeit eine Reihe von Berührungspunkten gäbe. Er empfahl der österreichischen Bundesregierung die
ILO-Konvention Nr. 169 als „Akt internationaler Solidarität für bedrohte Völker“ zu ratifizieren. Kurz bevor die
Angelegenheit wieder im Nationalrat verhandelt wurde, äußerte ein hochrangiger Politiker öffentl ich sein Zu-
stimmung und erklärte u.a., daß eine Ratifizierung das Gewicht der Konvention im internationalen Rechtssys-
tem stärke (Kuppe 1994, S. 97). Im Juni 1993, gleichzeitig mit der in Wien tagenden UN-
Menschenrechtskonferenz, beschloß das Parlament einstimmig, die Regierung mit der Ratifizierung zu beauf-
tragen.
Allerdings verzögerte sich in der Folgezeit die Umsetzung dieser Entscheidung. Das Arbeits- und Sozialminis -
terium gab zu bedenken, daß eine Ratifizierung 79 gesetzliche Änderungen nach sich ziehen würde, und das
Außenministerium vertrat die Auffassung, daß die Rechte der indigenen Völker eine innere Angelegenheit der
Staaten sei, in denen diese Völker leben. Eine Anfrage an das Arbeits- und Sozialministerium führte zu keiner
Beschleunigung. Die Gesetzgebungsperiode ging vorüber, ohne daß es zu einer Ratifizierung gekommen
wäre. Der Beschluß des Nationalrates wurde hinfällig.
Im Jahre 1997 ist es in Österreich erneut zu einer parlamentarischen Ini tiative um die ILO-Konvention Nr. 169
gekommen. U.a. hatte sich auch das Klimabündnis Österreich im Juni 1997 an den Vorsitzenden des Außen-politischen Ausschusses und an die im Nationalrat vertretenen politischen Parteien mit der Bitte gewandt, sich
für eine Ratifizierung auszusprechen. Der Außenpolitische Ausschuß ist daraufhin in seiner Sitzung vom Juni
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1997 einstimmig übereingekommen, dem österreichischen Nationalrat einen Entschließungsantrag vorzule-
gen, nach dem die Bundesregierung „die notwendigen Schritte zur Ratifizierung des internationalen Überein-
kommens ILO Nr. 169 einleiten und die Ratifizierungsurkunde in Genf hinterlegen“ solle. Gegenwärtig
beschäftigen sich die zuständigen Ministerien mit der Angelegenheit, bevor diese erneut vom Nationalrat
behandelt wird. Es ist abzusehen, daß die Bedenken des Arbeits- und Sozialministeriums noch nicht
ausgeräumt sind.
Schweiz
In der Schweiz legte der Bundesrat im Juni 1991 einen Bericht über die Tagungen der Internationalen Arbeits-
konferenz der Jahre 1989 und 1990 vor, der auch die revidierte ILO-Konvention Nr. 169 zum Gegenstand hatte.
Die schweizerischen Regierungs -, Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter hatten in der betreffenden Sitzung
der Internationalen Arbeitskonferenz der revidierten Konvention zugestimmt. Hinsichtlich einer Ratifizierung in
der Schweiz nahm die Regierung eine differenzierte Haltung ein. Sie unterstützte und begrüßte die Ziel-
setzungen des Übereinkommens, hat aber die Entscheidung über einen möglichen Beitritt auf einen späteren
Zeitpunkt verschoben. Zunächst stand in der Schweiz noch die Ratifizierung anderer internationaler Menschen-
rechtspakte bevor. Erst im Anschluß sollte geprüft werden,
ob die Schweiz aus Gründen der internationalen Solidarität auch das Übereinkommen Nr. 169 über
eingeborene und in Stämmen lebende Völker in unabhängigen Ländern ratifizieren soll.
Es wurde die Frage gestellt, ob für die Schweiz, in der keine indigenen Völker leben, ein Beitritt überhaupt in
Betracht kommt. Es herrschte im übrigen Unklarheit, ob die ansässigen Roma unter die Kategorie der „indige-
nen Völker“ fallen. Auch die erforderlichen Anpassungen an die nationale Gesetzgebung, die eine Ratifizierung
nach sich ziehen würde, wirkt sich negativ aus. Aus Anlaß eines Besuches von Hopi-Indianern im November
1994 erklärte der schweizerische Außenminister jedoch, die Ratifikationsmöglichkeiten erneut zu prüfen.
ZUSAMMENFASSUNG
Während vor wenigen Jahren noch die Meinung vorherrschte, daß eine Ratifizierung der ILO-Konvention Nr.
169 nur durch Länder mit eigener indigener Bevölkerung angezeigt sei, scheint sich unter dem Eindruck jünge-
rer internationaler Ereignisse im Zusammenhang mit den Rechten indigener Völker ein Meinungswandel ab-
zuzeichnen. Die ILO selbst hält einen Beitritt möglichst vieler Staaten als Ausdruck der Solidarität mit indigenen
Völkern für wünschenswert. Auch das Europäische Parlament erachtet eine Ratifizierung durch die EU-Mit-
gliedsstaaten als wirksame Maßnahme, die dem Schutz dieser Völker zugute kommt. Neben Dänemark hat
die Niederlande als erstes europäisches Land ohne eigene indigene Bevölkerung die genannte Konvention
unterzeichnet, und daß Österreich diesem Beispiel in Zukunft folgen wird, ist nicht unwahrscheinlich. In der
Schweiz und in Belgien sind bisher keine endgültigen Entscheidungen getroffen worden und die Möglichkeiteiner zukünftigen Ratifizierung ist somit offen. Selbst in Deutschland, wo eine Ratifizierung im Parlament abge-
lehnt wurde, lassen sich erste Anzeichen eines Meinungswandels erkennen. Hier hat man es mit einer Re-
gierung zu tun, die sich im europäischen Vergleich eher als Gegner einer Ratifizierung ausgewiesen hat. Ins -
gesamt erhöhen sich die Chancen, die Frage eines Beitritts zur ILO-Konvention Nr. 169 in Europa in die öffent-
liche Debatte zu bringen.
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Juni 1992) und die auf der UN-Konferenz in Wien verkündete Erklärung zu den Rechten der eingeborenen Völker (Juni 1993) als einschlägige
Bezugsdokumente dienen müssen;
2. erklärt, daß die eingeborenen Völker nach den Bestimmungen der Vereinten Nationen das Recht haben, im Rahmen eines gewaltlosen und
uneingeschränkt demokratischen Verfahrens und unter Wahrung der Rechte der übrigen Bevölkerung über ihre eigenen Angelegenheiten zu bestimmen,
indem sie ihre Institutionen, ihr politisches Statut und das ihres Territoriums wählen;
3. ist der Ansicht, daß die UNO die Gelegenheit ihres fünfzigjährigen Bestehens dazu nutzen sollte, ihren Institutionen einen demokratischeren
und effizienteren Charakter zu verleihen, indem sie eine bessere Vertretung der Völker ohne Staaten - insbesondere der eingeborenen Völker - er-
möglicht, vor allem durch ihre Einbeziehung in die Arbeiten der Generalversammlung;
4. bekräftigt feierlich, daß alle Angehörigen von eingeborenen Völkern genau wie alle anderen Menschen das Recht auf Leben und Achtung ihrer
Würde, Freiheit des Geistes und des Handelns, auf physische Sicherheit, Gesundheit, Gerechtigkeit und das gleiche Recht auf Arbeit, Wohnung, Aus-
bildung und Kultur haben; weist darauf hin, daß das Recht auf ein eigenständiges kulturelles Leben das Recht umfaßt, ihre Muttersprache zu verwenden
und zu verbreiten, sowie den Anspruch auf Schutz und Verbreitung der materiellen und immateriellen Elemente ihrer Kultur und auf Achtung ihrer geisti-
gen Riten sowie ihrer heiligen Stätten;
5. fordert, daß in den Ländern, in denen eingeborene Völker leben, unter diesen Bevölkerungsgruppen Volkszählungen durchgeführt werden,
6. fordert, daß die eingeborenen Völker bei der Vermarktung ihrer handwerklichen Erzeugnisse unterstützt werden, und daß deren Herkunft geprüft
wird;
7. erklärt, daß die eingeborenen Völker das Recht auf gemeinschaftlichen Besitz ihrer angestammten Gebiete in einer Größe und Qualität haben,
die für die Bewahrung und Entwicklung ihrer besonderen Lebensformen ausreichend ist; ist der Ansicht, daß diese Gebiete den eingeborenen Völkern
kostenlos zur Verfügung gestellt werden müssen und anschließend unteilbar, unübertragbar und unantastbar sein müssen und nicht verpachtet werden
dürfen,
8. ist der Ansicht, daß die Angehörigen eines eingeborenen Volkes vor Gericht Anspruch auf eine qualifizierte Verteidigung und eine umfassende
Unterrichtung über ihre Rechte - erforderlichenfalls mit Hi lfe eines Dolmetschers - haben, und daß der Anwendung des überlieferten Rechts - soweit mit
der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vereinbar - Vorrang be i der Urteilsfindung über ihre Taten eingeräumt werden soll;
9. erklärt, daß den indigenen Völkern, die ihrer Rechte beraubt worden sind, ein Anspruch auf eine gerechte Entschädigung gegeben werden muß;
verweist darauf, daß den eingeborenen Völkern aberkannte Gebiete vorzugsweise zurückgegeben werden müssen oder daß sie andernfalls Gebiete in
einer mindestens gleichwertigen Qualität und Größe erhalten müssen wie die ihnen ursprünglich genommenen Gebiete;
10. fordert die Staaten, die in der Vergangenheit Abkommen mit den eingeborenen Völkern geschlossen haben, mit Nachdruck auf, ihre immerwäh-rend geltenden Verpflichtungen einzuhalten, und ermutigt in diesem Zusammenhang den Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen, der milder Unter-
suchung und Lösung dieses Problems befaßt ist, sich entsprechend zu engagieren;
11. bekräftigt den positiven Beitrag von Zivilisation und Kultur der eingeborenen Völker zum gemeinsamen Erbe der Menschheit sowie die wichtige
Rolle, die sie bei der Erhaltung ihrer natürlichen Umwelt übernommen haben und auch weiterhin übernehmen müssen;
12. ist der Ansicht, daß die Europäische Union, aber auch die Vereinten Nationen mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln sicherstellen
müssen, daß die Rechte der eingeborenen Völker nicht durch internationale Verträge, Politiken und geschäftliche Aktivitäten direkt oder indirekt beein-
trächtigt werden; fordert diesbezüglich, daß der Rat und die Kommission eine eindeutige Erklärung zu den eingeborenen Völkern abgeben;
13. fordert die Kommission und den Rat auf, einen konkreten Beitrag zum Internationalen Jahr der indigenen Völker zu leisten, fordert, daß
- Kriterien für die Finanzierung von Gemeinschaftsprojekten unter Berücksichtigung der
Rechte der eingeborenen Völker aufgestellt werden,
- im Rahmen der Politik der Entwicklung und Zusammenarbeit dafür gesorgt wird, daß die
eingeborenen Völker direkt an den sie betreffenden Vorhaben beteiligt werden,
- europäische Beamte eine spezielle Ausbildung erhalten und direkt mit der Behandlung der
die eingeborenen Völker betreffenden Fragen betraut werden,
- die technische und juristische Information der Vertreter der eingeborenen Völker
ausgebaut wird,
- eigenständige Haushaltslinien geschaffen werden, die eindeutig die Verteidigung der
Rechte der eingeborenen Völker zum Gegenstand haben;
14. verpflichtet sich, nach der Neuwahl des Europäischen Parlaments eine Interparlamentarische Delegation aus Mitgliedern des Parla-
ments und Vertretern der eingeborenen Völker zu bilden, und fordert seinen Unterausschuß Menschenrechte auf, alle Fragen im Zusammenhangmit den Rechten der eingeborenen Völker aufmerksam zu verfolgen;
5/8/2018 1998. Indigene Völker und die ILO-Konvention Nr. 169 - slidepdf.com
Klima-Bündnis / Alianza del Clima e.V. Indigene Völker und die ILO-Konvention 169
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n 68 n
Die Bundesregierung begrüßt jedoch die Neuorientierung des Übereinkommens und wird im Rahmen ihrer Mitwirkung in den zuständigen Gremien
der Internationalen Arbeitsorganisation seine Umsetzung in den Staaten, die es ratifizieren, aufmerksam beobachten.
(22.2.1992)
Deutscher Bundestag, 12. Wahlperiode Drucksache 12/3824
25.11.92
Antrag
der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Unterzeichnung und Ratifizierung des Übereinkommens 169 über eingeborene und in Stämmen lebende
Völker in unabhängigen Ländern der Internationalen Arbeiter Organisation (ILO)
Der Bundestag wolle beschließen:
I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Das Übereinkommen 169 gilt für eingeborene und in Stämmen lebende Völker in unabhängigen Ländern und klärt ihre Rechte in den Staaten, in
denen sie leben. Die Bundesregierung beeinflußt durch ihr außenpolitisches, außenwirtschaftliches und entwicklungspolitisches Handeln dasLeben dieser Völker. Gegenwärtig verstößt die Bundesregierung auf bilateralen und multilateraler Ebene mit ihren außenpolitischen und entwick-
lungspolitischen Aktivitäten gegen eine Reihe der im Übereinkommen 169 von der Internationalen Arbeiter Organisation (ILO) angenommenen
Artikel. So wird sie beispielsweise in ihrer bisherigen Praxis der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit insbesondere den Artikeln 7, 14, 15 und
16 nicht gerecht. Nach Artikel 7 haben die betreffenden Völker das Recht, an der Aufstellung, Durchführung und Bewertung von Plänen und
Programmen für die nationale und regionale Entwicklung mitzuwirken, die sie unmittelbar belangen. Die Artikel 14 bis 16 klären die Eigentums-,
Ressourcennutzungs- und Umsiedlungsrechte der betreffenden Völker.
Die Ratifizierung des Übereinkommens 169 entspricht den öffentlichen Bekenntnissen der Bundesregierung zur Einhaltung der Menschenrechte.
Gleichzeitig bekräftigt sie ihren Willen, die Beschlüsse der Konferenz "Umwelt und Entwicklung" in Rio de Janeiro umzusetzen. In der Agenda 21
von Rio de Janeiro wurde die Berücksichtigung der kulturellen Identität und der Rechte eingeborener Bevölkerungsgruppen als wesentlicher Punkt
aufgenommen.
II. Der Deutsche Bundestag fordert deshalb die Bundesregierung auf:
Das Übereinkommen 169 der Internationalen Arbeiter Organisation zu unterzeichnen und dem Deutschen Bundestag unverzüglich zur Ratifizi e-
rung vorzulegen und damit Sorge zu tragen, daß die Rechte der eingeborenen und in Stämmen lebenden Völker gemäß dem Übereinkommen 169
gewahrt werden.
Bonn, den 9. November 1992
Werner Schulz (Berlin) und Gruppe
TEX T 3: DEUTSCHLAND
ANTRAG AN DEN
DEUTSCHEN BUNDESTAG
ZUR UNTERZEICHNUNG UND
RATIFIZIERUNG DES ÜBEREINKOMMENS
169 DER ILO VOM25.11.1992
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n 72 n
ONTWIKKELINGSSAMENWERKING INFORMATIE
Datum: 14. mei 1993 Nummer. 11(E)
INDIGENOUS PEOPLES IN THE NETHERLANDS FOREIGN POLICY AND DEVELOPMENT COOPERATION
On 29 March 1993, the Netherlands Minister for Foreign Affairs. Mr P.H. Kooijmans, and the Netherlands Minister for Development Cooperation, Mr
J.P. Pronk, sent a memorandum to the Netherlands Parliament, to inform it about the Netherlands Government policy with respect to the issue of
indigenous peoples in the context of foreign policy and development cooperation. In the memorandum. the Ministers also respond to the reports on the
subject of their respective advisory committees. The document presented here is the official English version of this memorandum.
.. .
Ratification of ILO 169 and other initiatives
Both the ACM13 and the NAR 14 reports query the motives cited thus far by the Netherlands Government for failing to ratify the ILO Convention
concerning Indigenous and Tribal Peoples. The ACM report refers to the universal nature of human rights and the shared responsibility of all
states to respect such rights (ACM-VII.15). The NAR report also notes that, contrary to what is claimed, the Netherlands does in fact have a
direct involvement in the interests of indigenous peoples (NAR report, page 5).
In the light of the ACM and NAR recommendotions, talks have begun with the Ministry of Social Affairs and Employment, the first competent
authority for matters relating to ILO, to establish whether ratification would be advisable, and, if so, when it should take place. Account will betaken of the following points: the importance of the principle of universality of rights (which the Netherlands would most strongly endorse); the
degree of support for the convention among representatives of indigenous people; the fact that so few states have to date ratified the conven-
tion (four according to recent figures); and the Dutch practice of in principle ratifiying only conventions which directly affect the Netherlands.
Account will also be taken of certain objections voiced by experts concerning the, substance of the convention. Criticism centres on the con-
vention’s, failure to impose sufficient restrictions on the enforced relocation of indigenous peoples (Article 16), insufficient clarity on the scope
for self-determination (Articles 6 and 7) and a tendency to imply that national law should take absolute precedence over indigenous customary
law (Articles 8 and 9), whereas such precedence should he accorded, to the maximum extent possible, only to internationally recognised human
rights standards. Despite these objections both the undersigned in theory favour ratification at an appropriate time.
Many of the recommendations in the ACM report concern the tightening up or broadening of existing procedures to safeguard the rights and
interests of indigenous peoples, or specific inclusion of indigenous peoples as a category to which provisions and procedures can apply (ACM-
VII.18, 23. 24). The specific suggestions of this kind in the various recommendations will be individually assessed and where possible adopted.
The ACM report refers to the scope for the use by indigenous peoples of the various petition mechanisms within the ILO system (ACM-VII.25).
However, the onus will be on indigenous peoples to develop their own initiatives here - a sometimes risky process, as the ACM rightly notes.
Some governments feel threatened even by the organisation of repressed groups. Where possible the Netherlands Government will attempt to
support indigenous individuals and organisations in their legitimate struggle for equality before the law, though it recognises that in practice it is
well - nigh impossible for third parties - however well-intentioned - to guarantee adequate legal protection for individuals and organisations in
situations in which human rights are accorded little value anyway and retaliation is a possibility.
....
13Advisory Committee on Human Rights and Foreign Policy
14National Advisory Council on Development
TEX T 7: NETHERLANDS
MEMORANDUM: INDIGENOUSPEOPLES IN THE
NETHERLANDS FOREIGN POLICY AND DEVELOPMENT
COOPERATION VOM14.5.1993
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n 73 n
1076 der Beilagen zu den Stenographischen Protokol len des N ationalrates XVIII. GP
Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 356/A (E) der Abgeordneten Mag. Marijana Gran-
dits und Genossen betreffend die Ratifikation des internationalen Übereinkommens ILO Nr. 169 über einge-
borene und in Stämmen lebende Völker in unabhängigen Ländern (3.5.1993)
Die Abgeordneten Mag. Marijana Grandits und Genossen haben den gegenständlichen Ent schließungsantrag am 5. Juni 1992 im Nationalrat
eingebracht und wie folgt begründet:
"Die ILO-Konvention Nr. 169 ist ein Instrument, das die Identität eingeborener Völker und deren Rechte auf die Weiterentwicklung eigener Institu-
tionen im Rahmen der eigenen Kultur verankert. Die 44 Artikel der Konvention betreffen u.a. den Schutz vor Entzug bzw. Zerstörung des traditi-
onellen Lebensraumes, die Beschäfti gungsbedingungen und Berufsbildung von Angehörigen dieser Völker, das Bildungswesen (Verwendung derEingeborenensprache, Heranziehung eigener kultureller Bestrebungen) und das Gesundheitswesen. Ein wichtiger Grundsatz, der die gesamte
Konvention durchzieht, liegt darin, die Einbindung eingeborener Völker in Entscheidungen, die sie oder ihren Lebensraum betreffen, vorzuschrei-
ben.
Diese Konvention stellt einen wichtigen Fortschritt im Ringen um die Rechte eingeborener Völker dar und kann zumindest als neuer „Mindest-
standard'“ im Umgang mit ihnen betrachtet werden. Die Organisation eingeborener Völker fordern die Ratifikation de r Konvention durch mög-
lichst viele Staaten, da sie einen wesentlichen solidarischen Beitrag im Ringen um die Rechte eingeborener Völker bedeutet.
In bezug auf Konvention 169 wurde auf Beamtenebene des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales im Sommer 1991 beschlossen, die
Nicht-Ratifikation der Konvention durch Österreich zu empfehlen mit der Begründung, diese habe keine praktische Bedeutung für Österreich, da
es hier keinerlei eingeborene Völker gebe. Aus der Entwicklungszusammenarbeit ergeben sich allerdings eine Reihe von Berührungspunkten mit
Eingeborenenvölkern in allen Teilen der Welt. Die sich aus der Ratifikation ergebende Hauptverpflichtung für unser Land würde darin liegen,
regelmäßig Berichte über die Verwirklichung der Konvention durch Österreich in Genf vorzulegen."
Der Außenpolitische Ausschuß hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 3. Mai 1993 in Verhandlung genommen.
Als Berichterstatter im Ausschuß fungierte Abgeordnete Mag. Marijana Grandits.
In der Folge wurden die Verhandlungen einstimmig vertagt. In seiner Sitzung vom 18. Mai 1993 hat der Außenpolitische Ausschuß die Beratun-
gen im Gegenstand wieder aufgenommen.
An der anschließenden Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Peter Sch1eder, Mag. Marijana Grandits, Dr. Andreas Khol, Hans Helmut Moser
und Günter Dietrich sowie der Bundesminister Alois Mock.
Bei der Abstimmung wurde der gegenständliche Entschließungsantrag einstimmig angenommen.
Der Außenpolitische Ausschuß sieht die Ratifikation als einen Akt internationaler Solidarität für bedrohte Völker . Auf die Tatsache des Nichtvor-
handenseins eingeborener Völker in Österreich soll bei der Ratifizierung in Form einer Erklärung hingewiesen werden.
Als Ergebnis seiner Beratung stellt der Außenpolitische Ausschuß somit den Antrag, der Nationalrat wolle die beigedruckte Entschließung anneh-
men.
Wien, 1993 05 03
Peter Schieder Ernst Steinbach
Berichterstatter Obmann
TEX T 8: ÖSTERREICH
BERICHT DES AUßENPOLITISCHENAUSSCHUSSES DES
ÖSTERREICHISCHENNATIONALRATES ÜBER DENANTRAG
ZUR RATIFIKATION DES ÜBEREINKOMMENS ILO NR. 169
VOM3.5.1993
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n 74 n
836 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP
Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 250/A(E) der Abgeordneten Mag. Doris Kammer-
lander und Genossen betreffend Ratifikation des internationalen Übereinkommens ILO Nr. 169 über eingebo-
rene und in Stämmen lebende Völker in unabhängigen Ländern (1.7.1997)
Die Abgeordneten Mag. Doris Kammerlander und Genossen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 28, Juni 1996 im Nationalrat
eingebracht und wie folgt begründet:
Am 17. Juni 1991 wurde im Nationalrat der Entschließungsantrag 356/A(E) betreffend die Ratifikation des internationalen Übereinkommens ILO
Nr. 169 über eingeborene und in Stämme lebende Völker in unabhängigen Ländern einstimmig beschlossen. Die Begründung für die Notwen-
digkeit einer Ratifizierung lautete wie folgt,
„Die ILO-Konvention ist ein Instrument, das die Identität eingeborener Völker und deren Rechte auf Weiterentwicklung eigener Institutionen im
Rahmen der eigenen Kultur verankert. Die 44 Artikel der Konvention betreffen u.a. den Schutz vor Entzug bzw. Zerstörung des traditionellen
Lebensraumes, die Beschäftigungsbedingungen und Berufsbildung von Angehörigen dieser Völker, das Bildungswesen (Verwendung der Eingebo-
renensprache, Heranziehung eigener kultureller Bestrebungen) und das Gesundheitswesen. Ein wichtiger Grundsatz, der die gesamte Konvention
durchzieht, liegt darin die Einbindung indigener Völker in Entscheidungen, die sie oder ihren Lebensraum betreffen, vorzuschreiben.
Diese Konvention stellt einen wichtigen Fortschritt im Ringen um die Rechte eingeborener Völker dar und kann zumindest als neuer „Mindest-
standard“ im Umgang mit ihnen betrachtet werden. Die Organisationen eingeborener Völker fordern die Ratifikation der Konvention durch mög-
lichst viele Staaten. da sie einen wesentlichen solidarischen Beitrag im Ringen um die Rechte eingeborener Völker bedeutet. Die sich aus derRatifikation ergebende Hauptverpflichtung für unser Land würde darin liegen, regelmäßig Berichte über die Verwirklichung der Konvention durch
Österreich in Genf vorzulegen.
Im Rahmen der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit ergeben sich eine Reihe von Berührungspunkten mit Eingeborenenvölkern in allen
Teilen der Welt Auch wurde mit der Resolution Nr. 48/163 der UN-Generalversammlung im Dezember 1994 die Internationale Dekade eingebore-
ner Bevölkerungen proklamiert und Österreich sollte aus Anlaß dieser Dekade Aktivitäten setzen. Der vorliegende Antrag wurde zwar einstimmig
vom Nationalrat beschlossen, bisher aber sind die notwendigen Schritte zur Ratifikation von der Bundesregierung nicht unternommen worden.“
Der Außenpolitische Ausschuß hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 1. Juni1997 in Verhandlung genommen.
An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer, Dr. Walter Schwimmer, Ing. Walter Meischberger und Dr. Martina
Gredler sowie der Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Dr. Wolfgang Schüssel.
Die Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer, Dr. Walter Schwimmer, Ing. Walter Meischberger, Dr. Martina Gredler und Mag. Doris Kammerlander
brachten einen Abänderungsantrag ein.
Bei der Abstimmung wurde der gegenständliche Entschließungsantrag in der Fassung des vorerwähnten Abänderungsantrag einstimmig ange-
nommen.
Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Außenpolitische Ausschuß somit den Antrag, der Nationalrat wolle die beigedruckte Entschließung
annehmen.
Wien, 1997 07 01
Mag. Doris Kammerlander, Peter Schieder
Berichterstatterin Obmann
TEX T 9: ÖSTERREICH
BERICHT DES AUßENPOLITISCHENAUSSCHUSSES
DES ÖSTERREICHISCHENNATIONALRATES
ÜBER DEN ANTRAG ZUR RATIFIKATION DES
ÜBEREINKOMMENS ILO NR. 169
VOM1.7.1997
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n 75 n
Auszug aus
Bericht und Botschaft über die 1989 und 1990 an der 76. und 77. Tagung der Inte rnationalen Arbeitskonferenz
angenommenen Übereinkommen und Empfehlungen sowie über drei an früheren Tagungen angenommene
Übereinkommen vom 3. Juni 1991
...
221 Erläuterung der einzelnen Bestimmungen und Haltung der Schweiz zum Übereinkommen
Wir unterstützen die allgemeine Zielsetzung des Übereinkommens Nr. 169, soweit es um die Sicherung eines wichtigen Aspekts der grundlegenden
Menschenrechte geht.
Auf eine detaillierte Auseinandersetzung der einzelnen Bestimmungen des Übereinkommens kann an dieser Stelle verzichtet werden, da sich das Über-
einkommen auf jene IAO-Mitgliedstaaten bezieht, auf deren Territorium eingeborene Völker und Stämme leben. Unser Land ist daher von diesem Über-
einkommen nicht in erster Linie betroffen. Als Schlussfolgerung legen wir daher unsere Haltung zum Übereinkommen unter dem Gesichtspunkt unserer
allgemeinen Menschenrechtspolitik da r.
Das Übereinkommen ist auf die in Stämmen lebenden Völker in unabhängigen Ländern anwendbar, die sich infolge ihrer sozialen, kulturellen und wirt-
schaftlichen Verhältnisse von anderen Teilen der nationalen Gemeinschaft unterscheiden, sowie auf Völker in unabhängigen Ländern, die aufgrund ihrer
Abstammung als Eingeborene gelten. Das Gef ühl der Eingeborenen- oder Stammesangehörigkeit ist als ein grundlegendes Kriterium für die Bestimmung
dieser Gruppen anzusehen. Die Verwendung des Ausdrucks «Völker» darf nicht so ausgelegt werden, als hätte er irgendwelche Auswirkungen hinsichtlichder Rechte, die nach dem Völkerrecht mit diesem Ausdruck verbunden sein können.
Es ist Aufgabe der Regierungen, mit Beteiligung der betreffenden Völker koordinierte und planvolle Massnahmen auszuarbeiten, um die Rechte
dieser Völker zu schützen und die Achtung ihrer Integrität zu gewährleisten. Gegebenenfalls sind besondere Maßnahmen zum Schutz der Einzel-
personen, der Einrichtungen, des Eigentums, der Arbeit, der Kultur und der Umwelt der betreffenden Völker zu ergreifen.
Das Übereinkommen hebt hervor, dass die eingeborenen und in Stämmen lebenden Völker in den vollen Genuss der Menschenrechte und Grund-
freiheiten ohne Behinderung oder Diskriminierung kommen müssen. Es darf keine Form von Gewalt oder Zwang in Verletzung dieser Grundrechte
und Freiheiten angewendet werden.
Bei der Durchführung des Übereinkommens müssen die Regierungen die betreffenden Völker beim Erlass von sie berührenden gesetzgeberi-
schen oder administrativen Massnahmen nach Treu und Glauben konsultieren. Zudem müssen sie Mittel schaffen; um diese Völker an der
Entscheidungsbildung von Institutionen, die auf dem Wahlprinzip beruhen, und anderen Behörden zu beteiligen. Die betreffenden Völker müssen
das Recht haben, ihre eigenen Prioritäten für den Entwicklungsprozess festzulegen, während die Regierungen verpflichtet sind, die Umwelt dervon diesen Völkern bewohnten Gebiete zu schützen und zu erhalten. Die eingeborenen Völker müssen ebenfalls das Recht haben, ihre Bräuche
und Einrichtungen zu bewahren, soweit diese mit den international anerkannten Menschenrechten vereinbar sind.
Das Übereinkommen anerkennt weiter die Eigentums- und Besitzrechte dieser Völker an dem von ihnen von alters her besiedelten Land. Auser-
dem sind geeignete Massnahmen zu ergreifen, um ihr Recht zur Nutzung von Land zu schützen, das nicht ausschliesslich von ihnen besiedelt
wird. Besondere Auf merksamkeit ist der Lage von Nomadenvölkern und Wanderfe ldbauern zu schenken.
Die Rechte der betreffenden Völker an den natürlichen Ressourcen ihres Landes sind besonders zu schützen. Diese Rechte schliessen das
Recht einer Beteiligung an der Nutzung, Bewirtschaftung und Erhaltung dieser Ressourcen ein.
Die eingeborenen Völker dürfen nicht aus dem von ihnen besiedelten Gebiet ausgesiedelt werden. Falls die Umsiedlung ausnahmsweise als
notwendig angesehen wird, darf sie nur mit deren freiwilliger und in voller Kenntnis der Sachlage erteilter Zustimmung stattfinden. Falls ihre
Zustimmung nicht erlangt werden kann, muss jede Umsiedlung das Recht der Rückkehr in das angestammte Land einschliessen. Durch Gesetz
sind angemessene Strafen für das unbefugte Eindringen in das Land der betreffenden Völker festzulegen.
Das Übereinkommen enthält ferner Bestimmungen über Anwerbung und Arbeitsbedingungen, die Berufsbildung, die soziale Sicherheit, die Ge-
sundheit, das Bildungswesen und die grenzüberschreitenden Wanderbewegungen der betreffenden Völker.
TEX T 10: SCHWEIZ
Auszug aus dem Bericht
der schweizerischen Regierung
über die auf der 76. und 77. Tagung
der Internationalen Arbeitskonferenz
angenommenen Übereinkommen
vom 3.6.1991
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n 76 n
222 Schlussfolgerung
Im Jahre 1958 erklärte der Bundesrat in seinem Bericht vorn 7. März an die eidgenössischen Räte über die 41. Tagung der Internationalen Ar-
beitskonferenz, dass unser Land vom Übereinkommen Nr. 107 nicht betroffen sei, und deswegen eine Ratifizierung nicht zur Debatte stehe (BB1
1958 I 53 0 ff., Ziff. I).
Seit 1958 hat sich die Lage insofern weiterentwickelt als der Gedanke der Solidarität mit der internationalen Gemeinschaft in der Schweiz insbe-
sondere im Rahmen unserer Politik zum Schutze der Menschenrechte zu einer Konstante unserer Aussenpolitik geworden ist:
Die Behauptung der Unabhängigkeit des Landes ist das wichtigste Ziel der schweizerischen Aussenpolitik, wie es in Artikel 2 der Bun-
desverfassung niedergelegt ist. Die ständige und bewaffnete Neutralität ist eines der Hauptelement dieser Politik. Dasselbe Ziel ver-
folgt die Schweiz auch mit ihrer Politik der Solidarität, und sie beteiligt sich deshalb an der internationalen Zusammenarbeit auf ver-
schiedenste Art und Weise. Die Entwicklung und der Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten dienen nach dem Willen der
Staatengemeinschaft gerade der Verstärkung der Zusammenarbeit. In ihrem eigenen Interesse kann sich die Schweiz dieser Aufgabe
nicht entziehen; sie muss mithelfen, die Grundbedingungen zu schaffen, die es den Völkern erlauben, in Frieden zu leben. Der Bun-
desrat hat in seinem Bericht vom 16. Januar 1980 über die Richtlinien der Regierungspolitik für die gegenwärtige Legislaturperiode
dargelegt, dass man heute nicht mehr die enge Verbindung verkennen darf, die zwischen der Respektierung der Menschenrechte und
der Aufrechterhaltung des Friedens und der Sicherheit in der Welt besteht. Damit alle Menschen tatsächlich in den Genuss dieser
Rechte kommen, müssen die Staaten gemeinsam den wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt aller Völker fördern. Zu den kohären-
ten schweizerischen Aussenpolitik gehört daher der Einsatz zum Schutze und zur Förderung der Menschenrechte und Grundfreiheiten
in der Welt.
(Vgl. Bericht des Bundesrates vom 2. Juni 1982 übe die schweizerische Menschenrechtspolitik; BBI 1982 II 729 ff., S. 786, Ziff.4)
Im Rahmen unserer Politik zugunsten der Menschenrechte und insbesondere im Bereich jener Fragen, die teilweise auch Gegenstand des Über-
einkommens Nr. 169 bilden, haben wir die nach Aussicht genommen:
Wir haben Ihnen kürzlich den Beitritt zu zwei Menschenrechtspakten von 1966 der Vereinten Nationen unterbreitet (vgl. Bericht vom 26. Juni
1988 über die Friedens- und Sicherheitspolitik der Schweiz, BBI 1991 I 1189 ff.). Der beiden Pakten gemeinsame Artikel 1 wird das Recht der
Völker auf eigene Verfügung über ihre natürlichen Reichtümer und Mittel als wesentliche Bedingung einer wirksamen Sicherung der Menschen-
rechte; der Pakt über bürgerliche und politische Rechte garantiert das Recht der Angehörigen von ethnischen, religiösen oder sprachlichen
Minderheiten, zusammen mit den übrigen Angehörigen derselben Gruppe ihr eigenes Kulturleben zu pflegen, ihre eigene Religion zu praktizieren
und ihre eigene Sprache zu gebrauchen (Art. 27).
Noch 1991 werden wir Ihnen zudem das Übereinkommen von 1965 über die Beseitigung aller Formen der Rassendiskriminierung (vgl. obener-wähnten Bericht vom 26. Juni 1988, Ziff. 222) zur Genehmigung unterbreitet. Dieses Übereinkommen bezweckt die Verhütung und Bekämpfung
jeder Form von Unterscheidung, Ausschluss, Beschränkung oder Bevorzugung aufgrund der Rasse. Farbe, Abkunft oder nationaler oder ethni-
scher Abstammung, die bezweckt oder bewirkt, dass die Anerkennung oder die Ausübung der Menschenrechte und Grundfreiheiten verhindert
oder beeinträchtigt werden (Art.1). Das Übereinkommen sieht namentlich zur Sicherung der Entwicklung oder des Schutzes bestimmter Rassen-
oder ethnischer Gruppen vor, um ihnen die volle Ausübung aller Menschenrechte und Grundfreiheiten in voller Gleichheit zu gewährleisten (Art. 2,
Ziff. 2). Es verpflichtet zudem die Unterzeichnerstaaten, auf dem Gebiet der Bildung und Erziehung, der Kultur und der Information Massnahmen
zum Kampf gegen rassistische Vorurteile und zur Förderung des Verhältnisses, der Toleranz und der Freundschaft unter den Nationen, Rassen-
und Bevölkerungsgruppen zu ergreifen (Art. 7)
Im Jahre 1989 hat das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten erstmals einen Beitrag von 25 000 Franken an den freiwilli-
gen Beitrags-fonds der Vereinten Nationen für eingeborene Völker entrichtet. Der Hauptzweck dieses Fonds liegt darin, den Vertretern und
Organisationen dieser Bevölkerungsgruppen zu ermöglichen, die oftmals bedrohliche Lage ihrer Völker vor dem Ausschuss für den Kampf gegen
diskrimatorische Mas snahmen und für den Schutz der Minderheiten in Genf darzulegen.
Für die laufende Legislaturperiode (1987-1991) haben wir den Schwerpunkt auf den Beitritt zu diesen beiden Menschenrechtspakten und zum
Übereinkommen über die Beseitigung aller Formen der Rassendiskriminierung gelegt. Diese drei allgemein gefassten Instrumente zum Schutz der
Menschenrechte stellen einen wichtigen Beitrag zur weltweiten Sicherung dieser Rechte und, für uns, ein bedeutendes Element unserer Aussen-
politik dar.
Nach einmal erfolgtem Beitritt zu diesen drei Übereinkommen werden wir die Frage prüfen, ob die Schweiz aus Gründen der internationalen
Solidarität auch das Übereinkommen Nr. 169 über eingeborene und in Stämmen lebende Völker in unabhängigen Ländern ratifizieren soll, wozu die
Internationale Arbeitskonferenz in einer Resolution über die IAO-Tätigkeit in diesem Bereich alle Staaten ersucht hat. Als eines der entschei-
dungsrelevanten Elemente wird dabei zu berücksichtigen sein, ob die Staaten, auf deren Territorium keine eingeborenen Völker und Stämme
leben, das Übereinkommen ratifizieren oder nicht.
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n 78 n
• Abgeordnete in den nationalen Parlamenten aber auch den Europäischen Parlamente, und hier insbeson-
dere auch
• Mitglieder der interfraktionellen Arbeitsgruppe „Indigene Völker“ im Europaparlament
Als Hemmnisse wurden ermittelt
• die ablehnende Haltung der jeweiligen Regierungen hinsichtlich einer Ratifizierung• fehlende Informationen zur ILO-Konvention
Unterstützungsbedarf wurde angemeldet hinsichtlich
• Hilfestellungen, um die Kompetenzen auf der internationalen Ebene (auch EU) zu durchschauen
• Bereitstellung und Aufbereitung von Informationen durch die Europäische Geschäftsstelle des Klima-
Bündnis
Die Arbeitsgruppe in Linz stand noch einer Situation gegenüber, in der (außer Dänemark) kein Land die ILO-
Konvention Nr. 169 ratifiziert hatte. Infolgedessen war die gesamte Diskussion an dem Oberziel einer Ratifizie-
rung durch europäische Staaten orientiert. Die einzelnen Diskussionspunkte müssen aus heutiger Sicht für
jene Länder, in denen eine Ratifizierung in der Zwischenzeit erfolgte oder abzusehen ist, neu überdacht wer-den. Eine zentrale Aufgabe, die darin besteht, die ILO-Konvention Nr. 169 bekannt(er) zu machen, scheint aber
weiterhin sinnvoll, da die Ratifizierung z.B. durch die Niederlande noch nicht automatisch einschließt, daß sich
der Bekanntheitsgrad der Konvention und ihrer Bedeutung in der Öffentlichkeit erhöht.
Mit dieser Dokumentation antwortet die Europäische Geschäftsstelle auf den angemeldeten Bedarf nach mehr
Information. Vorträge oder klärende Gespräche speziell zur ILO-Konvention Nr. 169 und zu lokalem Handeln in
dieser Frage bietet die Europäische Geschäftsstelle gerne an. Andere Vorschläge aufzugreifen und umzuset-
zen, wie z.B. direkte Stellungnahmen zur ILO-Konvention Nr. 169 durch unsere indianischen Bündnispartner
während ihrer Besuche in den Mitgliedskommunen des Klima-Bündnis, sind Aufgaben für die kommenden
Monate.
Ein Vorschlag soll aber im Rahmen dieser Publikation noch aufgegriffen werden, und zwar geht es um die
Sensibilisierung der politischen Verantwortlichen auf nationaler Ebene. Dazu hat die Geschäftsstelle einen
Briefentwurf verfaßt, den die jeweilige Kommune als Vorlage verwenden können, um sich an nationale Parla-
mentarier (ihres Wahlkreises) zu wenden. Es wäre zu hoffen, daß durch solche Briefe nicht nur eine Sensibili-
sierung für die Belange indigener Völker und für eine der wichtigsten sie betreffenden Normen erzielt wird,
sondern daß auch die Reichweite unseres Bündnisses zwischen europäischen Kommunen und indianischen
Völkern deutlich wird.
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n 79 n
Briefentwurf an nationale Parlamentarier zur ILO-Konvention Nr. 169
Absender
AnschriftOrt, Datum
Klima-Bündnis bittet um Unterstützung für eine Ratifizierung der ILO-Konvention Nr. 169
Sehr geehrte(r) Frau/Herr,
unsere Kommune ist Mitglied im Klima-Bündnis europäischer Städte mit indigenen Völkern der Regenwäl-
der/Alianza del Clima e.V., in dem sich insgesamt rund 700 Kommunen aus 11 europäischen Ländern mit
Indianerorganisationen aus Amazonien unter der gemeinsamen Zielsetzung des lokalen Klimaschutzes zu-
sammengefunden haben. Die Klimagefährdung als globales Problem, dem gerade auch lokal begegnet wer-
den muß, hat solch unterschiedliche Partner zusammengebracht. Die beiden Partner versuchen jeder auf
seine Weise zum Schutz der Erdatmosphäre beizutragen und sich gegenseitig zu unterstützen. Die Zusam-
menarbeit mit den Indianervölkern schließt auch rechtliche Fragen und Bemühungen zur Sicherung von Land-
rechten sowie dem Schutz der indianischen Lebensweise und Kultur ein.
Seitdem das Klima-Bündnis gegründet wurde, hat die "Koordination der Indianerorganisationen des Amazo-
nasbeckens" (COICA), die der direkte Bündnispartner der Kommunen im Klima-Bündnis ist, diese darum
gebeten, die Konvention Nr. 169 der Internationalen Arbeitsorganisation über indigene und in Stämmen leben-
de Völker zu unterstützen. Dabei denkt die COICA gerade auch an eine Ratifizierung dieser Konvention durch
europäische Länder, die keine eigenen indigenen Völker auf ihrem Staatsterritorium haben, aber durch au-
ßenpolitische, außenwirtschaftliche und entwicklungspolitische Aktivitäten die Belange solcher Völker berüh-
ren. Die COICA erhofft sich, daß der genannten Konvention international größere Geltung verschafft wird.
Im übrigen teilt die Internationale Arbeitsorganisation die Auffassung, daß auch Länder, in denen keine indige-
ne Völker leben, die ILO-Konvention Nr. 169 ratifizieren können. In einer jüngeren Veröffentlichung der ILO heißt
es dazu: Ratifizieren können: „alle entwickelten Länder und Entwicklungsländer, die Mitglied der ILO sind, ein-
schließlich jener, die keine indigenen Völker innerhalb ihrer nationalen Bevölkerung haben. Eine Unterzeich-
nung würde in dem letzteren Falle ein Ausdruck der Solidarität gegenüber indigenen und in Stämmen leben-
den Völkern bedeuten“. Die Niederlande hat diesen Schritt kürzlich vollzogen und ist seit 2.2.1998 bei der Inte r-
nationalen Arbeitsorganisation als Signatarstaat registriert.
Wir wünschen uns, daß auch unsere Regierung diesem Beispiel folgt. Deshalb möchten wir Sie bitten, dieses
Anliegen im Rahmen Ihrer Möglichkeiten zu unterstützen. Ich wären Ihnen dankbar, wenn Sie uns im Detailunterrichten können, welche Möglichkeiten Sie sehen, die ILO-Konvention Nr. 169 bekannter zu machen und
dem Ziel, einen Beitritt unseres Landes zu erwirken, näher zu kommen. Wir bedanken uns für Ihr Interesse.
Mit freundlichen Grüßen
(Unterschrift)
LITERATURVERZEICHNIS
Adamy, Wilhelm (1996): Gewerkschaften und indigene Völker. uMsk.
Advisory Committee (1993): Advies Commissie Mensenrechten/Advisory Committee on Human Rights and