18.06.2015 Gesundheitspsychologie Folie 1
18.06.2015 Gesundheitspsychologie Folie 1
Prüfungskonsultation Klinische Psychologie für
Nebenfachstudierende Prüfungskonsultation im Diplom-Studiengang
Sozialpädagogik am 09.07.2014, 18:00-18:30 Prüfungskonsultation Modul BAC-P für Bachelor-Studierende
Sozialpädagogik, soziale Arbeit & Wohlfahrtswissenschaften am 09.07.2014, 18:30-19:30
ORT: Falkenbrunnen, Chemnitzer Str. 46b, 01187 Dresden, FAL 103
Klausurarbeit BAC-P: 21.08.2014, 9:20-10:50 ASB120
Vorlesung VIII
VeränderungsstadienGesundheitsbezogenes Abwägen, Planen und Handeln
Prof. Dr. Jürgen Hoyer
•Dresden, 18. Juni 2015
„Das Problem vieler Raucher scheint es zu sein, dass sie zwar heute rauchen wollen, nicht aber in Zukunft. Ist die Zukunft erst Gegenwart geworden, wollen sie erneut heute rauchen und in Zukunft nicht.“ (B.U.Wigger)
Wie lässt sich die (Nicht-)Veränderung von gesundheitsrelevanten Gewohnheiten psychologisch gut beschreiben?
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Rauchen als Beispiel für zahlreiche andere schädliche Verhaltensmuster
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Gliederung
1. Das Transtheoretische Modell2. Ausgewählte Interventionsstudien3. Konzeptuelle Kritik 4. Motivational Interviewing
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Das Transtheoretische Modell (Prochaska & DiClemente)
Das in der Gesundheitspsychologie weltweit wichtigste Modell um die Veränderung von gesundheitsrelevanten Gewohnheiten zu beschreiben (nicht: „zu erklären und vorherzusagen“).
James Prochaska:• „among the 10 topmost influential authors in psychology“• „over $40M in research grants on prevention of cancer and other chronic
diseases“
Warum Transtheoretisch? • Stand 1975: ca. 130 „unabhängige“ therapeutische Schulen• aber: Was sind die allgemeingültigen Prozesse der Veränderung?
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Veränderungsbereiche: Prinzipiell alle Problem- bzw. Gesundheitsverhaltensweisen
Beispiele:•Rauchen •Alkohol- und Drogenkonsum•Krebsvorsorge•Diätverhalten •Gewichtskontrolle•Gesundes Bewegungsverhalten/Sport•Phobien•delinquentes Verhalten bei Jugendlichen•Kondomgebrauch•…
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Das Modell soll gleichermaßen für…
•Selbstinitiierte- und•therapeutisch angeleitete, willentliche-
…Veränderungen gelten.
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Drei Modellkomponenten
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1. Stadien
2. Prozesse
3. Ebenen
....der Veränderung
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1. Stadien der Veränderung
1. Präkontemplation (Precontemplation)
2. Kontemplation (Contemplation)
3. Vorbereitung(Preparation)
4. Handlung(Action)
5. Aufrechterhaltung(Maintenance)
6. Beendigung(Termination)
Verhaltensänderung wird nicht in Erwägung gezogen
Ernsthaftes Abwägen einer Verhaltensänderung
Absicht, das Problemverhalten aufzugeben
Aktive Versuche, aufzuhören
(Aktive) Beibehaltung einer positiven Verhaltensänderung
Stabiler Zustand ohne Problemverhalten
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http://www.engenderhealth.org/res/onc/sti/preventing/sti6p2.html
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Zusammenhang (idealisiert): … Stadium und Self-Efficacy bzw. Temptation
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Precontemplation
Contemplation
Preparation
ActionMaintenance
Temptation
Self-Efficacy
T Sc
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Zusammenhang: … Stadium und Entscheidungsbalance in Bezug auf gesundheitsbewusstes Verhalten
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Precontemplation
Contemplation
Preparation
ActionMaintenance
Pros
Cons
T Sc
ore
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Analogie: Rubikonmodell (Heckhausen, Gollwitzer)
• Abwägen, Planen, Handeln, Bewerten: unterschiedliche Mind-sets
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Präaktionale Phase Bewerten
Die Abbildung wurde leicht verändert übernommen aus Gollwitzer (1987, S. 180)
Motivation Volition Volition Motivation
Intentions-bildung
Intentions-initiierung
Intentions-deaktivierung
„Rubikon“ Den Rubikon überschreiten: die Phase der Ambivalenz verlassen
Wählen Handeln
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Rückfälle gehören dazu! – „Drehtürmodell“
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Vorteil: durch ein solches dynamisches Modell werden frühere
statische Vorstellungen von Therapiemotivation überwunden
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Behandlung nur auf die schweren / späten Manifestationen ausgerichtet! (Die anderen sind „nicht motiviert“?)
• Behandlungsquote höher bei Abhängigkeit (8%) als bei schädlichem Gebrauch (1%)
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entnommen aus Prochaska, J. O., Norcross, J. C. & DiClemente, C. C. (1994). Changing for Good. New York: Morrow.
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From Contemplation...
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… to Action
Prozesse der Veränderung I: kognitiv-affektiv(Schwarzer, 2004; http://www.uri.edu/research/cprc/TTM/ProcessesOfChange.htm)
1. Erhöhung des Problembewusstseins (consciousness raising)• Verbesserte Wahrnehmung von Ursachen, Konsequenzen und möglichen Lösungswegen für
das Problemverhalten (Aufklärung, Informationsgespräche, Bibliotherapie)
2. Emotionale Relevanz (dramatic relief)• Intensivierung von negativen Gefühlen bezüglich des Problemverhaltens, um eine emotionale
Erleichterung im Falle einer Verhaltensänderung zu erzeugen (emotionsaktivierende Methoden)
3. Neubewertung der Umwelt (environmental reevaluation)• Veränderte Wahrnehmung des Einflusses des Problemverhaltens auf die Umwelt (z.B.
strukturierte Tagebücher, Rollentausch/Empathie)
4. Neubewertung der eigenen Person (self-reevaluation)• Affektive und kognitive Neubewertung des Selbstbilds und des Problemverhaltens (Ziel- und
Wertklärung)
5. Soziale Befreiung (social liberation)• Entdecken (und Stärken) von nicht problematischen Verhaltensweisen (und –alternativen) in
der sozialen Umwelt (Empowerment)
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1. Hilfreiche Beziehungen (helping relationships)• Nutzung von offenen und vertrauensvollen Beziehungen.
2. Verstärkermanagement (reinforcement management)• Sich selbst für erfolgreiche Veränderung belohnen oder für Rückfälle bestrafen,
um die Auftretenswahrscheinlichkeit des neuen Verhaltens zu erhöhen.3. Reizkontrolle (stimulus control)
• Vermeidung oder Konfrontation mit Reizen, die Problemverhalten auslösen und Schaffung von Reizen für alternative Verhaltensweisen.
4. Gegenkonditionierung (counterconditioning)• Substitution des Problemverhaltens durch Alternativen (z.B.
Entspannungstraining, positive Selbst-Instruktion)5. Eigenverantwortung (self-liberation)
• Die eigene Fähigkeit zu Veränderungen und die eigene Verantwortung stärken (Selbstverpflichtung, Entscheidungstraining).
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Prozesse der Veränderung II: verhaltensorientiert(Schwarzer, 2004; http://www.uri.edu/research/cprc/TTM/ProcessesOfChange.htm)
Zusammenhang zwischen der Stufe und zwei Beispiel-Prozessen
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Consciousnessraising
Stimuluscontrol
PC C PR A M StufeFolie 21
Gliederung
1. Das Transtheoretische Modell2. Ausgewählte Interventionsstudien3. Konzeptuelle Kritik 4. Motivational Interviewing
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Stage matched interventions
“...interventions that are tailored to the particular stage of the individual improve their effectiveness” (Prochaska & Velicer, 1997)
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Precontemplation
Contemplation
Preparation
ActionMaintenance
Temptation
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Precontemplation
Contemplation
Preparation
ActionMaintenance
Pros
Cons
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Stadienspezifische Interventionen – Motivationsaufgaben des Therapeuten in Abhängigkeit vom Veränderungsstadium
Stadium Motivationsaufgabe des TherapeutenPrecontemplation Zweifel wecken – Erhöhung der Wahrnehmung von Risiken und
Gefahren des aktuellen Problemverhaltens
Contemplation Beeinflussen der Entscheidungsbalance – Gründe für Veränderung erfragen, Risiken bei Beibehalten des Problemverhaltens entwickeln lassen, Stärkung der Selbstwirksamkeitserwartung für Veränderung des aktuellen Verhaltens
Preparation Unterstützen beim Herausfinden der besten Handlungsstrategie zur Erzielung positiver Veränderungen
Action Unterstützung des Klienten bei wichtigen Veränderungsschritten
Maintenance Unterstützung beim Finden und Implementieren von Strategien, um einen Rückfall zu vermeiden
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Ebenen der Veränderung
• symptom/situational• cognitive• interpersonal Bewusstheitsgrad• family-systems• intrapersonal
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Website der University of Rhode Island group
http://www.uri.edu/research/cprc/transtheoretical.htm
http://www.uri.edu/research/cprc/Measures/Alcohol01.htm
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Abnehmen (Prochaska, DiClemente & Norcross, 1992)
Stages of change
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1 5Weeks
ContemplationActionMaintenance
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A longitudinal comparison of stages of change scores for clients before (Week 1) and midway trough (Week 5) a behavioral program for weight reduction (N = 53):
Folie 27
Profile von Abbrechern und Durchhaltern(Medeiros & Prochaska, 1989)
27323742475257
PC C A MStadien-Werte
Premature Term.Appropr. Term.Continuers
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„when we used stage-related variables like the pros and cons of therapy and the processes of change scales, we are able to predict 93% of the cases“
Folie 28
Fazit (I)• Das Modell ist sehr „intuitiv“ und entspricht den
Vorstellungen von Praktikern – aber auch Forschern:
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Prochaska, DiClemente &
Norcross (1992): 3286 Zitierungen in
WoS [6/2014]!8076 in Google
ScholarFolie 29
Fazit (II)
• Aber: hält es der wissenschaftlichen Prüfung stand?
• Oder: „There can be no questioning the popular success of the TTM: it is established fact. But the scientific merit can be questioned.“ (Herzog, 2005, p.1040)
• Ist es am Ende wirklich „revolutionär“?
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2. Ausgewählte Interventionsstudien
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Gliederung
1. Das Transtheoretische Modell2. Ausgewählte Interventionsstudien3. Konzeptuelle Kritik 4. Motivational Interviewing
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West (2005): Debatte zum TTM/SOC
Außergewöhnlich zugespitztes Editorial gegen das Modell:
ein besseres Modell
…wäre widerspruchsfrei (internally consistent, coherent) …würde besser zu Beobachtungen im Bereich der Verhaltensänderung passen
(z.B. dass schon kleine Auslöser zu plötzlichen Veränderungen führen können) …würde bessere Vorhersagen erlauben
„Probleme sind so ernst, dass Modell Fortschritte im Feld der Gesundheitsförderung verhindert!“
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Debatte (I)
1. Stadien-Begriff selbst• willkürliche Grenzen
2. Menschen haben normalerweise keine in sich geschlossenen und überdauernde Pläne
• z.B. 50% der Ex-Raucher einer Hausarzt-Patientengruppe ganz ohne Plan und Vorbereitung
3. Verschiedene Dinge in einem Stadium vermischt • z.B. im Precontemplation-Stadium: Stärke der Abhängigkeit, Anzahl früherer
Versuche, Gründe für mangelnde Veränderungsabsicht
4. Betonung bewusster Prozesse („Kosten-Nutzen-Analysen“) – obwohl Motivation oft unbewusste Anteile hat
• z.B. Belohnungs- und Bestrafungslernen, Assoziations-lernen, Automatisierung des Substanzkonsums, Entzugs-erscheinungen
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Debatte (II)
5. Forschung zu Verhaltensänderung zeigt immer wieder, dass Einstellungs- und Verhaltensänderung verschiedene Dinge sind
6. Pseudo-Wissenschaftlichkeit
• „precontemplator“ vs. „someone who is planning on changing“; suggeriert Diagnose mit Indikationswert, vgl. „aristotelischer Modus“
7. „Binsenweisheit“: wer darüber nachdenkt (oder versucht) aufzuhören, hört eher auf als jemand, der nicht darüber nachdenkt
8. TTM/SOC-Ansätze nicht erfolgreicher als traditionelle Ansätze
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West (2005): Warum sollte TTM/ SOC verworfen und begraben werden?• „soft outcomes“ für Forschung irrelevant und für Praxis gefährlich
• „Wenn schon nichts am Verhalten geändert, dann wenigstens ein Stadium höher gebracht…“ angesichts üblicherweise eher schlechter Outcomes im Suchtbereich erklärt evtl. gerade dies den TTM-Erfolg
• Modell verhindert Interventionsmöglichkeiten!
• z.B. „Person X ist noch nicht so weit…“; Bezeichnung „Precontemplator“ ist stigmatisierend
• selbst wenn neue Theorie noch fehlt, war die Zeit vor TTM immer noch besser
• common sense: „Wollen Sie sich ändern?“, „Trauen Sie sich das zu?“
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Alternativen: Das Modell von Schwarzer
Abraham (2008): Entscheidend sei, dass Kognitionen (Intentionen, Volitionen) geändert werden, eine Zuordnung zu Stadien sei „inadequately sophisticated“ (p.38).
Abraham, C. (2008). Beyond stages of change: Multi-determinant continuum models of action readiness and menu-based interventions. Applied Psychology: An International Review, 57, 30.
Dennoch: Es gibt kein Zurück zur Statusdiagnostik! • Prozessdiagnostik und Statusdiagnostik sollten sich in der Begründung
therapeutischen Handelns ergänzen.• „Statische“ und globale Motivationskonzepte („Der Pat. ist nicht motiviert“)
haben sich überlebt.
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Dijkstra, DeVries & Bakker (1996)
• In einer großen epidemiologischen Studie in den Niederlanden zur Motivierung zum Nichtrauchen wurden Raucher, die noch in der Precontemplation-Phase waren, nur mit nüchternen Informationen versorgt (Vor- und Nachteile des Rauchens);
• Raucher, die bereits in der Planungsphase waren, wurden hingegen mit Informationen versorgt, die auch die Selbstwirksamkeitserwartung steigern („Du schaffst es!“).
• Dieses differentielle Treatment wirkte am besten im Vergleich zu anderen Kombinationen von Handlungsphase und Treatment
Dijkstra, A., De Vries, H., & Bakker, M. (1996). Pros and cons of quitting, self-efficacy, and the stages of change in smoking cessation. Journal of Clinical and Consulting Psychology, 64, 758-763.
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Insgesamt: als therapeutische Heuristik (noch) „nicht wegzudenken“
• Passung von Stadien und Interventionen reduziert Abbruchquote (empirisch noch nicht ausreichend belegt!)
• Kenntnis des „Stadiums“ des Patienten erlaubt dem Therapeuten selektives Handeln
• Entlastungsfunktion: Erfolge sind bei Patienten in frühen Veränderungsphasen nur eingeschränkt zu erwarten
18.06.2015 Gesundheitspsychologie Folie 38
Literatur (Auswahl)• Grawe, K. (1998). Psychologische Therapie. Göttingen: Hogrefe.• Heidenreich, T. & Hoyer, J. (2001). Stadien der Veränderung bei Substanzmißbrauch und -
abhängigkeit: eine methodenkritische Übersicht. Sucht, 47, 158-170.• Hoyer, J. (2003). Stadien der Veränderung: Modell, Anwendungsbewährung und
Perspektiven im Suchtbereich. Suchttherapie, 4, 140-145.• Hoyer, J., Fecht, J., Lauterbach, W. & Schneider, R. (2003). Stadien der Veränderung in der
stationären Alkoholentwöhnungstherapie. Verhaltenstherapie, 13, 31-39.• Keller, S. (Hrsg.) (1999). Motivation zur Verhaltensänderung. Das Transtheoretische Modell in
Forschung und Praxis. Freiburg: Lambertus.• Miller, W., & Rose, G. S. (2009). Toward a theory of motivational interviewing. American
Psychologist, 64, 527-537.• Prochaska, J. O., DiClemente, C. C. & Norcross, J. C. (1992). In search of how people
change. American Psychologist, 47, 1102-1114.• West, R. (2005). Time for a change: putting the Transtheoretical (Stages of Change) Model to
rest. Addiction, 100, 1036-1039
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Warum ist das Transtheoretische Modell für die Gesundheitspsychologie wichtig? (I)• Statuskonzeptionen der Veränderungsbereitschaft werden zumindest
teilweise überwunden
• Rückfälle und Rückschritte sind Teil des Modells
• Berücksichtigung des Veränderungsstadiums ist zentral für die Konzeption, Methode und Zielgruppe von gesundheitspsychologische Programmen
• als Heuristik gut, Verbindung mit etablierten Motivationsmodellen wäre aber überzeugender
• Beispiele in den nächsten Vorlesungen
• Blutdruck-Compliance-Programm• Stressbewältigungsprogramme
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Warum ist das Transtheoretische Modell für die Gesundheitspsychologie wichtig? (II)
• TM hat die Entwicklung einer speziellen Gesprächsstrategie im Bereich der Suchtbehandlung stimuliert, des sog.Motivational Interviewing (Miller & Rollnick, 1991)
• Es ermöglicht Beratern, speziell mit wenig motivierten Patienten (Precontemplation, Contemplation) erfolgreicher umzugehen.
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Gliederung
1. Das Transtheoretische Modell2. Ausgewählte Interventionsstudien3. Konzeptuelle Kritik 4. Motivational Interviewing
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Motivational Interviewing(Miller & Rollnick, 1991; Miller & Rose, 2009)
Definition: MI ist eine•klientenzentrierte, direktive Methode•zur Verbesserung der intrinsischen Motivation für eine Veränderung•mittels der Erforschung und Auflösung von Ambivalenz
Anwendungsgebiete: Überall dort, wo Verhaltensänderungenverhandelt werden können/sollten/müssen: Alkohol, Rauchen,
Bewegung, Ernährung, Stressmanagement, Kondomgebrauch, Glücksspielverhalten, Bewährungshilfe ...
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Prinzipien (I) (Miller & Rollnick, 1991)
1. Empathie ausdrücken (express empathy)
• Akzeptanz fördert Veränderung; geschicktes Zuhören ist unabdingbar; Ambivalenz ist normal
2. Widersprüche aufzeigen (develop discrepancy)
• Klient soll Argumente für Veränderung (change-talk) liefern, nicht Therapeut; Diskrepanz zwischen gegenwärtigem Verhalten und persönlichen Zielen und Werten aufdecken
3. Wortgefechte vermeiden (avoid argumentation)
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Prinzipien (II) (Miller & Rollnick, 1991)
4. Nachgiebig auf Widerstand reagieren (roll with resistance)
• nicht für Veränderung argumentieren; neue Perspektiven einladen, nicht vorschreiben; Widerstand ist Signal, um Vorgehensweise zu ändern
5. Selbstwirksamkeit fördern (support self-efficacy)
• Glaube an den Patienten (self-fulfilling prophecy); Bedenken und Ängste ansprechen und Unterstützung anbieten
18.06.2015 Gesundheitspsychologie Folie 45
Aus Miller & Rose (2009)
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Prinzipien (IV) (Miller & Rollnick, 1991)
• Beispiel: „Ich trinke am Abend ein, zwei Bier. Ich weiß gar nicht, was alle von mir wollen!“
• Antwortalternativen?
18.06.2015 Gesundheitspsychologie Folie 47
„Klar – mache ich auch“ Anbiederung
„Erzählen Sie mir nichts, jeder Alkoholiker leugnet erst!“ Provoziert Wortgefecht und Widerstand
„Ihre Frau hat aber was anderes gesagt“ Provoziert W&W, untergräbt Vertrauen
„Lassen Sie uns das erst noch mal genau überprüfen!“ Ungeübter Verhaltenstherapeut
„Was meinen Sie, was die anderen von Ihnen wollen?“ Hinterfragen, weckt evtl. Misstrauen
„Das stelle ich mir unangenehm vor!“ Empathie
„Ihr Problem ist eher, dass andere Sie nicht in Ruhe lassen (akzeptieren)?“
Empathie, MI
„Und was erwarten Sie hier, von dieser Behandlung?“ Klärung der Gesprächsvoraus-setzung (immer angemessen)
Ist Motivational Interviewing wirksam?
• Zahlreiche Meta-Analysen verfügbar• Umfassend: Lundahl et al. (2010)
Lundahl, B. W., Kunz, C., Brownell, C., Tollefson, D., & Burke, B. L. (2010). A Meta-Analysis of Motivational Interviewing: Twenty-Five Years of Empirical Studies. Research in Social Work Practice, 20, 137-160.
Fazit: “synergistic effects with other treatment methods” (Miller & Rose, 2009)
18.06.2015 Gesundheitspsychologie Folie 48
18.06.2015 Gesundheitspsychologie Folie 49
CANDIS –gezielte Therapie für Cannabisstörungen
• Ambulantes Entwöhnungsprogramm für ältere Jugendliche und Erwachsene
• 10 Sitzungen; 3 Module:
1. Motivationsförderung und -stabilisierung
2. kognitiv-behaviorale Therapie
3. psychosoziales Problemlösetraining
18.06.2015 Gesundheitspsychologie
Hoch, E., Zimmermann, P., Henker, J., Rohrbacher, H., Noack, R., Bühringer, G. & Wittchen, H.-U. (2008). Modulare Therapie von Cannabisstörungen. Das CANDIS-Programm. Göttingen: Hogrefe.
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CANDIS: Waagschalenmodell (I)
18.06.2015 Gesundheitspsychologie
• Zu Beginn der individualisierten Therapie:
• Gründe für den Konsum (pro)
• Gründe für Wunsch nach Veränderung (contra)
• jeweils 0 (nicht wichtig) bis 9 (sehr wichtig) Punkte
• Summe über 5 wichtigste Gründe:
• Kategorisierung als Negativbilanzierer (stärkere Gründe für den Konsum) oder Positivbilanzierer
• Aktualisierung der Bilanz über Therapieverlauf
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CANDIS: Waagschalenmodell (II)
18.06.2015 Gesundheitspsychologie
Ich konsumiere Cannabis, … Ich möchte meinen Cannabiskonsum verändern, …
weil ich mich so gut entspannen kann. damit sich mein Gedächtnis verbessert.
weil sich meine Stimmung und mein Wohlbefinden verbessert.
weil ich so das Geld spare, dass ich sonst für Cannabis ausgebe.
weil sich meine Wahrnehmung (z.B. von Musik) verbessert.
weil ich mehr Energie und Antrieb haben möchte.
weil neue Ideen und Einsichten entstehen. weil die Gefahr besteht, dass ich meinen Job verliere.
weil ich dann kreativer bin. weil Kiffen nicht mehr zu meinem Selbstbild passt.
wegen des Kontakts zu meinen Freunden. weil sich dadurch mein Selbstvertrauen verschlechtert hat.
um mich von Normalbürgern abzugrenzen.
…
damit Familie oder Freunde aufhören, mich wegen Cannabis zu nerven oder zu kritisieren.…
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CANDIS: Waagschalenmodell (III)
18.06.2015 Gesundheitspsychologie
Die Rolle von speziellen Motiven (Hoch, 2007):
• Zuordnung Positiv-/Negativbilanzierer mit eingeschränkter Aussagekraft hinsichtlich Therapieerfolg
• Bestimmte Motive für den Wunsch Konsum zu verändern = beste Prädiktoren
• CANDIS bezieht individuelle Motive/ Bedürfnisse mit ein und bietet psychoedukative Elemente an
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CANDIS: Waagschalenmodell (IV)
18.06.2015 Gesundheitspsychologie
Ich konsumiere Cannabis, … Ich möchte meinen Cannabiskonsum verändern, …
weil ich mich so gut entspannen kann. damit sich mein Gedächtnis verbessert.
weil sich meine Stimmung und mein Wohlbefinden verbessert.
weil ich so das Geld spare, dass ich sonst für Cannabis ausgebe.
weil sich meine Wahrnehmung (z.B. von Musik) verbessert.
weil ich mehr Energie und Antrieb haben möchte.
weil neue Ideen und Einsichten entstehen. weil die Gefahr besteht, dass ich meinen Job verliere.
weil ich dann kreativer bin. weil Kiffen nicht mehr zu meinem Selbstbild passt.
wegen des Kontakts zu meinen Freunden. weil sich dadurch mein Selbstvertrauen verschlechtert hat.
um mich von Normalbürgern abzugrenzen.
…
damit Familie oder Freunde aufhören, mich wegen Cannabis zu nerven oder zu kritisieren.…
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Übrigens: Erfolgsraten in der ambulanten Behandlung sind bei Cannabisstörungen eher höher als bei anderen Substanzstörungen
18.06.2015 Gesundheitspsychologie
Magill, M., & Ray, L. A. (2009). Cognitive-behavioral treatment with adult alocohol and illicit drug users: A meta-analysis of randomizedcontrolled trials. Journal of Studies on Alcohol and Drugs, 70, 516-527.
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Motivational Interviewing: mehr Infos
•www.motivationalinterview.org
18.06.2015 Gesundheitspsychologie Folie 56
Fragen
• Welche Stadien der Veränderung postuliert das transtheoretische Modell und wodurch sind diese Phasen gekennzeichnet?
• Welche kognitiv-affektiven und verhaltensorientierten Veränderungen postulieren Prochaska/Schwarzer als Grundlage veränderten Gesundheitsverhaltens? Beschreiben Sie sie!
• Nennen Sie mindestens 4 Kritikpunkte am Konzept des transtheoretischen Modells!
• Was ist Motivational Interviewing und wie heißen dessen 5 Grundprinzipien?• Erläutern Sie das Element „Widersprüche aufzeigen“ im Rahmen des MI!• Wie wirksam ist MI gemäß der Meta-Analyse von Lundahl et al. (2010) und wie
ist die Effektstärke zu bewerten? Ist MI ausreichend?
18.06.2015 Gesundheitspsychologie Folie 57