04.12.2014 1 Antibiotikaklassen mit Zulassung für Nutztiere Antimikrobielle Resistenzproblematik Ivo Schmerold Vormals Institut für Pharmakologie und Toxikologie Department für Biomedizinische Wissenschaften Veterinärmedizinische Universität Wien Fortbildungsveranstaltung „HAPO-Zusatzqualifikation“ Österreichische Tierärztekammer Wien, 29.11.2014 1 Gliederung • Antimikrobielle Substanzklassen in der Veterinärmedizin • Antimikrobielle Resistenz als Problem der Veterinärmedizin • Strategien zur Verhütung der Entstehung und Ausbreitung von antimikrobiellen Resistenzen • AB-Leitlinien – Aktionsplan 2
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Antibiotikaklassen mit Zulassung für Nutztiere
Antimikrobielle Resistenzproblematik
Ivo SchmeroldVormals Institut für Pharmakologie und ToxikologieDepartment für Biomedizinische Wissenschaften
Veterinärmedizinische Universität Wien
Fortbildungsveranstaltung
„HAPO-Zusatzqualifikation“
Österreichische TierärztekammerWien, 29.11.2014
1
Gliederung
• Antimikrobielle Substanzklassen in der Veterinärmedizin
• Antimikrobielle Resistenz als Problem der Veterinärmedizin
• Strategien zur Verhütung der Entstehung und Ausbreitung von antimikrobiellen Resistenzen
• AB-Leitlinien – Aktionsplan
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Das Mikrobiom
• 1,5 – 2 kg Bakterien im/am menschlichen Körper• Pro Körperzellen 10 Keime• 1 Billion (1012) Bakterien auf der Haut (etwa 180
Arten)• Pro 1 ml Speichel 1 Milliarde (109) Mikroorganismen
(Mund-Mikrobiom, etwa 600 Arten)• Pro 1 ml Magensäure 10 Mikroorganismen• Ileum: 1 Milliarde Bakterien / ml• Dickdarm: bis zu 1 Billion Bakterien / ml
Quelle: DIE ZEIT, Nr. 11, 2013
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Viele komplexe Einflüsse wirken auf die bakterielle Vermehrung ein.
In-vitro-Daten reichen zur sicheren Vorhersage des Erfolges antimikrobieller Behandlungen alleine nicht aus.
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Der therapeutische Effekt einer AB-Therapie wird durch viele Faktoren beeinflusst
• Pharmakokinetik/-dynamik des Antibiotikums
• Ort/Natur der Infektion
• Klinisches Ziel (Hobbytier, Nutztier)
• Immunstatus des Tieres
• Akute/chronische Infektion
• Bildung von Persisterzellen
• Resistenzentwicklung
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Effekt des pH-Wertes auf dieIn vitro-Tulathromycin-Aktivität
Zeitspanne entscheidend, für welche die Wirkstoffkonzentration im Zielgewebe ausreichend weit über der MHK liegt.
Pharmakologischer Index: Zeit über der MHK
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Pharmakologischer Index: Cmax / MHK
Konzentrationsabhängige AB (Fluorchinolone, Aminoglykoside)
Wirksamkeit von einer ausreichend hohen Spitzenkonzentration abhängig.
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Pharmakologischer Index: AUC / MHK
Fläche der AUC / MHK
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Effekt vs. Zeit
Konz. vs. EffektKonz. vs. Zeit
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Zeit
Konz. (log)Zeit
Konz.
Effekt
Effekt
PK/PD
PDPK
„Mutant Prevention Concentration“
• Konzentration eines Antibiotikums, die
• rasch alle Bakterien eliminiert
• einschließlich solcher mit herabgesetzter Empfindlichkeit
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MHK
MPC
Pla
sma-
Ko
nz.
Zeit
Resistenz-Risiko-Bereich
Resistenz-Prävention; Konz. > MPC
Prinzip der PK/PD-Analyse einer AB-Anwendung
Antibiotika und Antibiotikaresistenz
• Antibiotika haben die Behandlung bakterieller Infektionskrankheiten revolutioniert
• Ihr Gebrauch führte zur Entstehung und Verbreitung von antimikrobieller Resistenz
• Verbreitung von resistenten Bakterien und Resistenzgenen (z. B. kontaminierte Lebensmittel)
• Insgesamt sterben in der Europäischen Union jährlich mehr als 25.000 Menschen durch resistente Bakterien
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Der große Problembereich desAntibiotika-Einsatzes in der Veterinärmedizin
• Identität oder chemische Verwandtschaft von Veterinärantibiotika mit in der Humanmedizin eingesetzten Antiinfektiva
• Gefahr der Selektion von Bakterien mitCo- oder Kreuzresistenz zu Humanantibiotika
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Antimikrobielle Wirkstoffklassen für die Behandlung von Nutztieren
• Sulfonamide/Diamino-pyrimidin-Derivate
• Penicilline
• Cephalosporine
• Fluorchinolone
• Makrolide
• Phenicole
• Tetracycline
• Pleuromutiline
• Lincosamide
• Aminoglycoside
• Novobiocin
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Veterinärspezifische antimikrobielle Wirkstoffe
• Fluorochinolone
• Enrofloxacin
• Danofloxacin
• Marbofloxacin
• Difloxacin
• Makrolide
• Tylosin
• Tulathromycin
• Gamithromycin
• Tylvalosin
• Tildipirosin
• Cefalosporine
• Ceftiofur
• Cefquinom
• Amphenicole
• Florfenicol
• Pleuromutiline
• Tiamulin, Valnemulin
• Novobiocin
• Keine Zulassung in Ö 17
Anders ausgedrückt…
• Alle in den vorherigen Folien gelisteten AB-Klassen sindin der EU zur Behandlung Lebensmittel liefernder Tierezugelassen.
• All diese Klassen sind identisch mit solchen, die auch in der Humanmedizin eingesetzt werden.
• Als mögliche Konsequenz kann jede antimikrobielleBehandlung von Tieren zur Selektion von Bakterienführen, die co- oder kreuzresistent gegen überhumanmedizinisch eingesetzten Substanzen sind.
• Bildung von Enzymen (Inaktivierung von Antibiotika, ß-Lactamasen, CAT)
• Veränderung der Zellpermeabilität (Tetrazykline)
• Erniedrigung der Bindungsfähigkeit des AB am Wirkort (Streptomycin)
• Membrantransportsysteme
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Kreuzresistenz (Parallelresistenz)
• Vorliegen einer Resistenz gegen 2 oder mehr chemisch verwandten Antiinfektiva oder Stoffen mit gleichem Wirkmechanismus
• Beidseitige Kreuzresistenz (z.B. innerhalb der Tetracycline)
• Einseitige Kreuzresistenz (Kanamyin-resistenteTuberkelbakterien stets Streptomycin-resistent; Streptomycin-resistente Stämme können gegen Kanamycin noch empfindlich sein)
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Ursachen der Resistenzentwicklung
• AB-Kombinationen, Gefahr zu niedriger Dosierung der Einzelkomponenten
• Falsche (zu niedrige Dosierung)
• Zu kurze Behandlungsdauer
• Wirkintensität des AB nicht optimal
• Zögernde Applikation (Fütterungsarzneimittel)
• Blindtherapie mit Breitband-AB
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Folgen der Resistenzbildung
• Zunahme des pathogenen Keimspektrums
• Infektwandel
• Notwendigkeit zur Dosiserhöhung
• Neuentwicklung von Antiinfektiva
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Persistenz
• Überleben sensibler Keime unter Chemotherapie (Persister)
• z.B. auf Grund schlechter Penetration des AB in den Infektionsort , Abszessbildung, Nekrosen, Einwirken von β-Lactam-AB auf nicht proliferierende Keime
• Fluorchinolone, 3. and 4. Generation Cephalosporine, Makrolide 44
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Strategien zur Einschränkung der antimikrobiellen Resistenzentstehung (II)
• Überarbeitung der Protokolle für klinische Versuche (z.B. Selbstheilungsrate einbeziehen)
• Resistenzprüfungen bereits vor der Marktzulassung
• Umwidmungsregelung
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Strategien zur Einschränkung der antimikrobiellen Resistenzentstehung (III)
• Globale Strategien
• „One Health“ Strategie
“Antibiotic resistance needs an intersectoral multifaceted response, nationally and internationally”
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Empfehlungen des CVMPfür Tierarzneimittel zur systemischen
Anwendungen (3. / 4. Gen. Cephalosporine):SPC-update
4.3 Gegenanzeigen
• Darf nicht bei Geflügel (einschließlich Eiern) angewendet werden, da die Gefahr der Verbreitung von Antibiotikaresistenzen auf Menschen besteht.
4.5 Besondere Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung
• …selektiert auf resistente Stämme wie z. B. Bakterien, die Extended-Spectrum-Betalaktamasen (ESBL) tragen, …
• …Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen, wenn diese Stämme auf Menschen übertragen werden, z. B. über Lebensmittel.
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• ….der Behandlung klinischer Erkrankungen vorbehalten bleiben, die auf eine Erstlinientherapie unzureichend angesprochen haben bzw. bei denen mit einem unzureichenden Ansprechen zu rechnen ist…..
• …. sind die offiziellen nationalen und regionalen Richtlinien für Antibiotika zu beachten.
• Eine verstärkte Anwendung, insbesondere eine von den Vorgaben in der Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels abweichende Anwendung des Tierarzneimittels, kann die Prävalenz solcher Resistenzen erhöhen.
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• …sollte möglichst nur nach erfolgter Empfindlichkeitsprüfung angewendet werden.
• ….. ist für die Behandlung von einzelnen Tieren bestimmt.
• ….darf nicht zur Krankheitsprophylaxe oder im Rahmen von Programmen zur Verbesserung der Bestandsgesundheit angewendet werden.
• Die Behandlung von Gruppen von Tieren sollte streng auf grassierende Krankheitsausbrüche gemäß den genehmigten Anwendungsbedingungen beschränkt werden….
• Darf nicht als Prophylaxe bei Plazentaretention angewendet werden.
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Nationale Maßnahmen zur Eindämmung antimikrobieller Resistenzen
• Erfassung, Überwachung der Antibiotika-Resistenzsituation (AURES)
• Erfassung und Analyse von verkauften, angewendeten und abgegebenen Antibiotika
• Antibiotika-Leitlinien
• Schulungen, Verbesserungen im Bereich Tierhaltung
• Freiheit von Arzneimittelrückständen tierischer Lebensmittel
• Eindämmung der Verbreitung resistenter Keime 50
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….schön und gut - aber was kann ich imPraxis-Alltag beitragen?
• „Prudent use“ - Verantwortungsvoller Umgang
• Fachliche Weiterbildung
• Befolgen der Anwendungsvorschriften (Fachinformation)• Indikation
• Dosierung, Behandlungsdauer
• Wirkintensität (Antibiogramm)
• Keine zögernde Applikation (orale Applikation, Fütterungsarzneimittel)
• Keine Blindtherapie mit Breitband-AB
• Bei Verdacht auf Unwirksamkeit: Pharmakovigilanz-Meldung
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Anwendungskriterien für Antibiotika
• Strenge Indikationsstellung, Erregerdiagnose• Spezifische Monotherapie, Antibiogramm• Applikation so früh wie möglich• Ausreichend lange und hohe Dosierung• Abwehrlage des Patienten berücksichtigen• Abgabekriterien für Antibiotika für die
Anwendung durch Tierbesitzer• Kontrolle des Therapieerfolges