1. Einleitung, Problemdarstellung 1.1 Begriffsbestimmungen Beim Versuch einer gültigen Beschreibung unseres Problem- kreises und unserer Fragestellung stoßen wir bereits bei der Wortwahl auf Vieldeutigkeiten und Unklarheiten. Die Trainingsma nahmen beziehen sich in unserem Fall auf Aus- Fort- und Weiterbildungsma nahmen im wirtschaftlichen Kon- text. Der Begriff Ausbildung beschreibt dabei den Erwerb und die Festigung von Fähigkeiten und Fertigkeiten, welche zur Aus bung eines Basisberufes dienen. Fortbildung dient der laufenden Aktualisierung und Vertiefung dieser Kennt- nisse. Weiterbildung baut auf einem Basisberuf auf und führt zu einer Spezialisierung innerhalb des Basisberufes oder auch in durch den technologischen Wandel gegebenen Randbereichen. {Rosenstiel 1987, S. 173; n. Bieling, 1980} Der Vollständigkeit halber muss hier auch auf den sozialpo- litisch bedeutsamen Unterschied zwischen den Begriffen Qua- lifizierung und Bildung hingewiesen werden. Ersterer wird stärker als das konkret auf eng umrissene Fertigkeiten zie- lende Training verstanden. Letzterer wird häufiger mit dem auf allgemeiner und übergeordneter besetzten Fähigkeiten hinzielenden Training assoziiert. {Schmidt, in Münch 1996, S. 10} Evaluation ist ein Begriff aus dem Englischen und bedeutet nach Langenscheidts Wörterbuch Englisch Deutsch so viel wie Bewertung, Beurteilung, Auswertung, Absch tzung, Ein- sch tzung . Die Anwendung auf Bildungsinhalte ist schwer- punktm ig erst ab Beginn der 90-er Jahre aus dem anglo- amerikanischen Raum nach Europa, ab Mitte der 90-er Jahre auch verst rkt in den deutschen Sprachraum vorgedrungen.
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1. Einleitung, Problemdarstellung · programme mit nachhaltigem Erfolg wird daher nur in enger Kooperation von fachlichen und psychologischen / pädagogi-schen Experten wirklich zielführend
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1. Einleitung, Problemdarstellung
1.1 Begriffsbestimmungen
Beim Versuch einer gültigen Beschreibung unseres Problem-
kreises und unserer Fragestellung stoßen wir bereits bei
der Wortwahl auf Vieldeutigkeiten und Unklarheiten. Die
„Trainingsmaßnahmen“ beziehen sich in unserem Fall auf Aus-
Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen im wirtschaftlichen Kon-
text. Der Begriff Ausbildung beschreibt dabei den Erwerb
und die Festigung von Fähigkeiten und Fertigkeiten, welche
zur Ausübung eines „Basisberufes“ dienen. Fortbildung dient
der laufenden Aktualisierung und Vertiefung dieser Kennt-
nisse. Weiterbildung baut auf einem Basisberuf auf und
führt zu einer Spezialisierung innerhalb des Basisberufes
oder auch in durch den technologischen Wandel gegebenen
Randbereichen. {Rosenstiel 1987, S. 173; n. Bieling, 1980}
Der Vollständigkeit halber muss hier auch auf den sozialpo-
litisch bedeutsamen Unterschied zwischen den Begriffen Qua-
lifizierung und Bildung hingewiesen werden. Ersterer wird
stärker als das konkret auf eng umrissene Fertigkeiten zie-
lende Training verstanden. Letzterer wird häufiger mit dem
auf allgemeiner und übergeordneter besetzten Fähigkeiten
hinzielenden Training assoziiert. {Schmidt, in Münch 1996,
S. 10}
Evaluation ist ein Begriff aus dem Englischen und bedeutet
nach Langenscheidts Wörterbuch Englisch – Deutsch so viel
wie „Bewertung, Beurteilung, Auswertung, Abschätzung, Ein-
schätzung“. Die Anwendung auf Bildungsinhalte ist schwer-
punktmäßig erst ab Beginn der 90-er Jahre aus dem anglo-
amerikanischen Raum nach Europa, ab Mitte der 90-er Jahre
auch verstärkt in den deutschen Sprachraum vorgedrungen.
M.Herdlitzka - Evaluation von Trainingsmaßnahmen, S. 2 / 27
Man kann die Evaluation als notwendigen und logischen „Be-
gleiter“ der Thematik Qualität, Qualitätssicherung und Qua-
litätsmanagement betrachten, welche etwa zeitgleich ver-
mehrten Eingang in den Bildungssektor gefunden hat. Die
Entwicklung hat dabei ganz ähnlich wie in den Herkunftslän-
dern stattgefunden, nur mit zeitlicher Verzögerung, dafür
dann aber insgesamt rascher. Evaluation von Bildungsmaßna-
men fand zunächst fast ausschließlich im Bildungssektor
statt, beginnend an Universitäten und sich nur allmählich
in die „niedrigeren“ institutionellen Bildungsebenen vor-
tastend. Von universitären und vergleichbaren Einrichtungen
aus verbreiteten sich Methoden und Begriffe gemeinsam mit
der Qualitätsthematik in Richtung wirtschaftlicher und auch
anderer Organisationsformen, wie NGOûs, Kammern und Ver-
bände. {Keiner 2001, S. 10 f.}
1.2 Qualität – Kosten – Nutzen
Der wirtschaftliche Kontext bedingt, dass sämtliche o.a.
Arten von Trainingsmaßnahmen auch und vor allem unter öko-
nomischen Gesichtspunkten betrachtet werden müssen. Das be-
deutet, dass ein Training aus ökonomischer Sicht nur sinn-
voll und daher finanzierbar ist, wenn es eine bestimmte
„Qualität“ besitzt. Dies wiederum heißt auf einen einfachen
Nenner gebracht, ein eindeutig bestimmbarer und von vorne
herein „erwünschter“ Nutzen muss zu vertretbaren Kosten er-
bracht werden können. {Münch 1996, S. 38} Als „vertretbar“
werden in diesem Zusammenhang Kosten betrachtet, wenn der
zu erwartende Nutzen zumindest mittelfristig auch materiell
überwiegt. Dieser Nutzen richtet sich wiederum nach der ak-
tuellen Bedürfnislage, welche sich in unterschiedlichen mo-
tivatorischen „Grundstimmungen“ ausdrückt. Man unterschei-
det zwischen den Bedürfnissen nach Wachstum, Problembehe-
bung und Nichtstörung.
M.Herdlitzka - Evaluation von Trainingsmaßnahmen, S. 3 / 27
Im Wachstumsbedürfnis drückt sich der Wunsch aus, eine Tä-
tigkeit oder ein Produkt „besser, schöner, neuer, größer,
etc.“ zu machen oder zu erhalten. {Heiman & Sanchez 1998,
S. 143 f.} Die Motivation, die entsprechenden Änderungen
auch im Sinne der Personalentwicklung herbeizuführen, ist
sehr hoch und langfristig orientiert. Wir können folgern,
dass hier aus der Sicht des Trainers „optimale“ Bedingungen
vorliegen werden.
Im Bedürfnis nach Problembehebung steckt der Bedarf nach
der möglichst raschen Wiederherstellung eines Zustandes,
welcher durch eine Störung, ein Problem, einen nicht ge-
wünschten Umstand nicht mehr besteht. {Heiman & Sanchez
1998, S. 145 f.} Die Motivation, die „Reparatur“ schnells-
tens durchzuführen ist besonders hoch, die zeitliche Orien-
tierung allerdings besonders kurzfristig. Anzusetzende
Trainingsmaßnahmen werden am kurzfristigen Erwerb ganz spe-
zifischer, für die „Reparatur“ benötigter „Techniken“ aus-
zurichten sein.
Das Bedürfnis nach Nichtstörung kann auf Grund einer kor-
rekten Situationsanalyse bestehen und entspricht dem ver-
ständlichen Wunsch, den gegenwärtigen Kurs im derzeit opti-
mal ruhigen Fahrwasser beizubehalten. {Heiman & Sanchez
1998, S. 150 f.} Die Motivation, etwaige Änderungen wie
etwa Trainings durchzuführen ist gering. Allenfalls wird
man an Maßnahmen mit Incentive – Charakter denken. Die
gleiche Bedürfnislage kann sich auf Grund überheblicher
Verkennung der Lage ergeben. {Heiman & Sanchez 1998, S. 155
f.} Dieser mittelfristig äußerst gefährliche Zustand einer
Organisation ist auf die wahrnehmungsverzerrenden Phänomene
des sog. „Groupthink“ infolge zu hoher Konformität zurück-
zuführen. {O’Hair & Friedrich 1992, S. 286 f.} In diesen
M.Herdlitzka - Evaluation von Trainingsmaßnahmen, S. 4 / 27
Fällen wird jeder Versuch, Änderungen wie etwa Trainings-
maßnahmen vorzuschlagen, kläglich scheitern.
1.3 Evaluation von Nutzen
Um den Nutzen einer Trainingsmaßnahme konkret bestimmen und
daher auch überprüfen zu können, ist zunächst die Aufstel-
lung definierter Lernziele notwendig. Dabei ist es beson-
ders wichtig, die Ziele der Organisation mit jenen der In-
dividuen abzustimmen, um die Zielfestsetzung nicht aus-
schließlich nach den hier-und-jetzt Bedürfnissen, sondern
auch im Hinblick auf die zu erwartende Entwicklung der Or-
ganisation, der Technologie, der Umwelt und vor allem der
Individuen zu orientieren. Die Entwicklung geeigneter Lern-
programme mit nachhaltigem Erfolg wird daher nur in enger
Kooperation von fachlichen und psychologischen / pädagogi-
schen Experten wirklich zielführend sein können. Leicht
fassbare Kriterien, an welchen die Erfolgsbeurteilung aus-
gerichtet werden kann, sind zu entwickeln. {Rosenstiel
1987, S. 174}
Mögliche Kriterien kann man nach den zu messenden Quali-
tätsdimensionen einer Trainingsmaßnahme einteilen. Man un-
terscheidet z.B. Akzeptanzkriterien, wobei es um die Mes-
sung der Annahme von Inhalt, Darbietung und Darbieter geht.
An Hand von Lernkriterien stellt man fest, ob und wie weit
tatsächlich ein Wissens-, Könnens- oder Wollenszuwachs
stattgefunden hat. Transferkriterien sind wichtig, um das
Ausmaß der tatsächlichen Anwendung des Gelernten in der je-
weiligen Ist-Situation oder auch in anderen, ähnlichen
Kenntnisfeldern feststellen zu können. Schließlich kann man
mit Hilfe von Ergebniskriterien die praktischen und ökono-
misch fassbaren Auswirkungen von Bildungsmaßnahmen untersu-
chen. {Keiner 2001, S. 43 f.}
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Darüber hinaus ist zwischen verschiedenen Beurteilungsquel-
len zu unterscheiden. Solche können die Lehrenden sein, de-
ren nicht direkt beteiligte Kollegen, die Trainierten
selbst oder interne oder externe, fachliche oder psycholo-
gische Experten. Schließlich gibt es auch „objektive“ Da-
ten, die zumeist im engen Zusammenhang mit Ergebniskrite-
rien stehen, wie z.B. die Fluktuationsrate. Des weiteren
sollte man sich über die Beurteilungseinheit im Klaren
sein. Wer oder was genau ist zu evaluieren, eine bestimmte
Lehreinheit, eine ganze Veranstaltung, ein bestimmter Leh-
render oder der organisatorische Träger einer Lehrveran-
staltung? {Keiner 2001, S. 43} Der Einsatz objektiver Quel-
len und die Feststellung von Veränderungen an Hand von ein-
deutigen Ergebniskriterien würde die Evaluation der Quali-
tät im Sinne der Beurteilung der Kosten- / Nutzenrelation
unter ökonomischen Gesichtspunkten ermöglichen.
1.4 Ausgangslage, Fragestellung
In der Praxiserfahrung werden einem sozusagen auf „den ers-
ten Blick“ eine Reihe von Mängeln und Einseitigkeiten übli-
cher Evaluationsverfahren bewusst. Selten existieren klare
und wohldefinierte Lernziele, am ehesten in Fällen, wo es
vordergründig um das Erfüllen von Lernkriterien, um das Be-
stehen von Prüfungen im weitesten Sinne geht. Institutio-
nelle Lehrveranstalter neigen dazu, sich fast ausschließ-
lich auf Akzeptanzkriterien zu verlassen, sogar dann, wenn
dies den selbst auferlegten Vorgaben eines Qualitätssiche-
rungssystems, z.B. nach ISO Norm 9000 f., widerspricht.
{Pribich, in Münch 1996, S. 75} Wo auch derartige quali-
tätssichernde Normen nicht gegeben sind, kann man mit größ-
ter Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass unter „Evalua-
tion“ die – nur selten professionelle – Abfrage der aktuel-
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len Teilnehmerbefindlichkeit am Ende einer Lehrveranstal-
tung zu verstehen ist. Manche Unternehmen als Auftraggeber
sehen hingegen ihr Heil in der extrem kurzfristig orien-
tierten – und damit den Zeitfaktor für erfolgreichen Trans-
fer negierenden – Festlegung von Ergebniskriterien.
So ist auch einer der häufigsten Kritikpunkte in Bezug auf
Trainings der mangelnde Transfer. Sehr oft beruht der
schlechte Transfer auf zu wenig Gelegenheit zum „Training
on the Job“. Diese fehlende Gelegenheit kann selbst wie-
derum in der Organisationsstruktur (Zwang zur stereotypen