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1-B-42

Feb 19, 2018

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Luke Armstrong
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    42. Strungen der Schule

    42.1 Klassif ikat ion und Diagnost ikGnter L. Huber und Ewald Johannes Brunner

    Inhaltsverzeichnis1. Einleit ung: Die Schule als soziales System . . 1035

    2. Klassifikat ion systemspezifi scher Konflikt e

    und Strungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1036

    3. Diagnost ik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1038

    4. Li teratu r . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1039

    1035

    1. Einleitung: Die Schule alssoziales System

    Analysen von Schulproblemen und Interven-tionsvorschlgen werden seit Beginn der neun-ziger Jahre immer hufiger aus systemischer

    Perspektive entwickelt. Hufig konzentrierensich diese Anstze auf allgemeine curriculareund schulorganisatorische Bedingungen, ohnekonkrete Vernderungen im Sub-System derSchulklasse und ihre sozialen Interaktionen zukontrollieren (Smylie, 1994). Andererseits wirdim Sinne eines multikausalen Strungsmodellsweiterhin oft das gestrte Individuum in denFokus gerckt, doch mit weiterer Optik als b-lich auch das soziale Umfeld Schule mit er-fat (vgl. Vinovskis, 1996). Grundstzlich kn-

    nen wir an Schule wie an andere sozialeSysteme auch herangehen; allerdings unter-scheidet sich das System Schule in einem wich-tigen Aspekt, der einseitige Abhngigkeiten zwi-schen Subsystemen schafft, wechselseitigenAustausch behindert und selbstreferentielleProzesse (Maturana, 1982) strt: es ist stark b-rokratisch-hierarchisch strukturiert. Die unila-teralen Einwirkungsmglichkeiten von hhe-ren zu niedrigeren Ebenen entsprechen zwargesellschaftlichem Ordnungsbestreben, wider-sprechen aber den Grundmerkmalen offenerSysteme (vgl. Guttmann, 1985). Dementspre-

    chend sind die Merkmale professionellen Han-delns weniger ausgeprgt als wnschenswert.Dornbusch, Glasgow und Lin (1996) sprechendaher von Schule als professioneller Brokratie wobei sie Probleme beider Systeme in derSchule vereint sehen: Handeln nach professio-nellen Standards ist einerseits brokratisch be-

    grenzt, andererseits aber mit brokratischenMitteln nicht zu garantieren. Die Linearisierungder Prozesse zwischen schulischen Subsystemenist rigider als z.B. im sozialen System der Fami-lie, deren Mitglieder nach Alter, Erfahrung, Fer-tigkeiten etc. auch auf unterschiedlichen Ni-veaus stehen, whrend ihre wechselseitigeAbhngigkeit und Beeinflussung aber nichtdurch organisatorische Rahmenbedingungenbestimmt sind.

    Fr die weiteren berlegungen konzentrie-

    ren wir uns auf das Subsystem Schulklasse undbercksichtigen einerseits, da es in wennauch recht einseitigen Beziehungen zu ber-geordneten Systemen steht, andererseits selbstkomplexe Subsysteme umfat: Lehrer undSchler mit den Netzwerken der Lehrer-Sch-ler- und der Schler-Schler-Relationen. DieseSubsysteme stehen zustzlich in nicht insti-tutionalisiert-hierarchischem Austausch mitanderen sozialen Systemen, vor allem ihren Fa-milien. Wo lassen sich in diesen komplexenZusammenhngen schulsystem-spezifische Kon-flikte und Strungen ausmachen?

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    1036 B. Strungsbezogener Teil V II I: Strun gen von in terpersonell en Systemen

    2. Klassif ikat ionsystemspezifischerKonfl ik te und Strungen

    Zwei unterschiedliche Zugnge zeichnen sichfr unsere Problemstellung ab. Man kann ein-mal kritische Systemmerkmale aufgrund indi-vidueller Strungen zu rekonstruieren versu-chen; d.h. man erschliet unter Konzentrationauf Individuen als Strungstrger Bedingungenin der black box der Klasse. Andererseits kannman versuchen, von einer (system-)theoretischgesttzten Analyse zentraler Systemregeln ausdas Potential fr Konflikte und Strungen zuermitteln. Der zweite Ansatz erscheint frucht-barer, denn er erffnet neben Hinweisen zur

    Intervention bei manifesten Strungen auchMglichkeiten zur Prvention. Gleichzeitig bie-tet dieser Ansatz den Vorzug einer theorie-gesttzten, apriorischen Klassifikation (vgl.Stapf, Herrmann, Stapf & Hcker, 1972), derenempirische Absicherung jedoch erst noch zuleisten ist. Wir gehen von einer zentralensystemtheoretischen These aus: Im Wider-spruch zwischen institutionell linearisiertenEinflustrukturen und den fr das soziale Sy-stem funktionsnotwendigen Interdependenzen

    seiner Mitglieder liegt das bedeutsamste Kon-fliktpotential der Schule.

    Seit den klassischen Untersuchungen vonLewin, Lippit und White (1939) haben zahlrei-che Studien (zusammenfassend z.B. Tausch &Tausch, 1991) in vergleichbarer Weise belegt,da ein Klima emotionaler Wrme sowie einermutigendes, die Selbstverantwortlichkeit derSchler frderndes Ausma an Strukturierungund Lenkung die Systemfunktionen der Schulefrdern. Dysfunktional erweisen sich aus syste-

    mischer Sicht insbesondere folgende Auspr-gungen des Erziehungsstils:

    Distanziertes vs. undistanziertes Lehrerverhalten.Wie Minuchin (1983) fr Familien aufgezeigthat, ist die Art der Abgrenzung zwischen denSubsystemen ein wichtiger Indikator fr dieFunktionalitt eines Systems. Wenn in derSchulklasse die hierarchische Abgrenzung ber-betont wird, behindern bermig starre Gren-zen die Transaktionen zwischen Lehrern undSchlern. In diesem Zustand knnen individu-elle Schwierigkeiten erheblichen Ausmaes auf-

    treten, ohne da vom System aus sttzendeManahmen in Gang kommen. Dies gilt frSchler im System der Klasse wie fr Lehrer imSystem des Kollegiums. Rosenholtz (1991) zeig-te auf, da die brokratische Organisation derSchule wechselseitige Abgrenzung im Kolle-gium frdert, so da Lehrern hufig persnlicheErfahrung mit der im Klassenzimmer er-wnschten Interdependenz mangelt. Bei klarenGrenzen dagegen ben Lehrer ihre Lenkungs-funktionen aus, sind aber gleichzeitig offen frdie Wirkungen ihres Handelns und die Bedrf-nisse ihrer Schler. Seltener beobachtet man dasSymptom der Verstrickung, bei dem die Gren-zen der Subsysteme sich diffus auflsen, meistals Reaktion einzelner Lehrer gegen die Lineari-sierungsforderungen, insbesondere gegen star-

    re Einbindung in die brokratischen Regelun-gen des bergeordneten Systems. Wenn dieGrenzen zwischen Lehrern und Schlern ver-schwimmen, wird das Gesamtsystem Schulklas-se auch durch kleine Strungen schon berm-ig belastet, so da die Ressourcen aufgezehrtwerden, die zur Frderung fachspezifischenund sozio-emotionalen Lernens sowie zuneh-mender Autonomie der Schler erforderlich w-ren.

    Manipulierendes Lehrerverhalten.

    UnilateraleKontrolle, die in hierarchischen Systemen alsForm des Umgangs mit Autoritt und Machtformal festgelegt ist, beeintrchtigt erheblichdie Fhigkeit des Systems, die stndig notwen-digen Anpassungsleistungen zu erbringen, ins-besondere mit Strungen funktional umzu-gehen (vgl. LAbate, 1985): Schler lernenKonzepte der Unkontrollierbarkeit anstatt derSelbstkontrolle, der Nicht-Verantwortlichkeitfr die Ablufe, schlielich der Unverstndlich-

    keit. Konflikte knnen in diesem Systemkon-text von den Betroffenen weder rational erklrtnoch rational bearbeitet werden.

    Starres Lehrerverhal ten. Die Schulklasse als selbst-referentielles System mte die von allen Be-teiligten subjektiv konstruierten Bedeutungen(des Geschehens und der Akteure im Unter-richt) zwischen allen Subsystemen austauschenknnen; dann erst knnten in Bezug auf diesesubjektiven Zuschreibungen neue Interpretatio-nen so entwickelt werden, da sie die notwen-digen Anpassungsleistungen des Systems be-

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    gnstigten. Sind Kommunikation und Bezie-hungen aber starr definiert, bleiben Schlernoft nur strende Verhaltensweisen, um ihre Be-deutungszuschreibungen in die Lehrer-Schler-Beziehung einzubringen.

    Die unerwnschten Folgen der Linearisie-rung von Einflu werden nicht nur im Verhal-ten von Schlern als Individuen sichtbar, son-dern besonders in der sozialen Dynamik derSchulklasse. Fr diesen Ausschnitt systemischerZusammenhnge in der Schule liegen seit lan-gem wichtige Befunde der Gruppendynamikvor. Sie umfat die Wissenschaft von den Grup-penphnomenen und die Methodik der Inter-vention in Gruppen und mit Hilfe von Grup-pen (s. Brocher & Kutter, 1985). Gerade unterletzterem Aspekt steht sie systemischem Den-

    ken sehr nahe. Zwei Folgen der Linearisierungauf der Ebene der Schulklasse seien herausge-stellt:

    Unkont roll ierte Klassen. Je strker Lehrer sichauf die formelle Strukturierung der Beziehun-gen nach den Mustern der Beeinflussungshier-archie sttzen, desto mehr tendieren Schulklas-

    sen dazu, die internen Beziehungen des (Sub-)Systems nach ihren unbeachteten Bedrfnissenund Deutungen informell zu strukturieren. Inder Dynamik der Schlerbeziehungen bildensich spezifische Rollen (Stars, Mitlufer, Unbe-achtete, Auenseiter etc.) und Normen heraus,die aus dem formellen Blickwinkel des Lehrerslange unbemerkt und unkontrolliert bleiben.Meist fallen erst problematische Manifestatio-nen wie Cliquenbildung oder oppositionelleFraktionen unter den Schlern auf.

    Negativisti sche Klassen. Im Falle besonders ri-gider Linearisierung der Systemablufe beigleichzeitig lckenhafter Kontrolle der Auswir-kungen kann es dazu kommen, da Schlerdarauf verzichten mssen, ihre Sichtweisen in

    die Interaktion mit dem Lehrer einzubringen.Auf der Systemebene der Schler entwickelnsich dann Gegen-Regeln, die zwar wenig hel-fen, den subjektiven Deutungen Bercksichti-gung zu verschaffen, jedoch in der Negationder externen Beeinflussung eine erste Form derSelbstorganisation ermglichen. Auf der System-ebene der Lehrer erhalten diese Lsungsversu-

    Gewalt auf dem Pausenplatz (aus: Olweus, Gewalt in der Schule. Huber, Bern 1995. S. & R. Greenhill 1995).

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    1038 B. Strungsbezogener Teil V II I: Strun gen von in terpersonell en Systemen

    che den Stellenwert schwerer Probleme; dieKlassen gelten als uerst schwer kontrollier-bar.

    Insgesamt tendieren hierarchisch strukturierteKlassen dazu, Konflikte zu produzieren; sie sindgekennzeichnet durch mangelnde Sensibilittfr Problementwicklung, a-rationalen Umgangmit Problemen und Blockierung selbstreferen-tieller Regelungsformen, d.h. Formen der Aus-einandersetzung mit dem Problem, in denendie Klasse sich selbst als System mit seiner in-neren Dynamik untersuchen wrde. Beharrtdas System dagegen beispielsweise darauf, dieStrer (Symptomtrger) mit den Strungsur-sachen gleichzusetzen, bleiben die Funktion derStrung im System und die dysfunktionalen

    Systemmerkmale unerkannt.

    3. Diagnostik

    Voraussetzung und erster Schritt von System-interventionen ist die Sensibilisierung derBeteiligten. Dies erfordert differenzierte system-diagnostische Anstze, die jedoch noch Proble-me aufwerfen (vgl. Brunner, 1986). Steht derLehrer im Fokus, wie bei den drei erstgenann-

    ten Systemdysfunktionalitten, knnte man antypologische oder dimensionsanalytische Ver-fahren zur Einschtzung des Erziehungsstilsbzw. an Beobachtungsverfahren als Diagnosti-kum denken. Abgesehen von spezifischen Pro-blemen dieser Verfahren (vgl. Sllwold, 1983)mu unter systemischer Perspektive diskutiertwerden, ob damit der transaktionale Charakterder Beziehungen hinreichend erfat wird.Zugang zu wechselseitigen interpersonellen Be-ziehungen erhlt man mit Verfahren der So-

    ziometrie, die fr die beiden letztgenanntenStrungen zumindest im Ansatz geeignet er-scheinen. Zu bedenken ist, da die blichensoziometrischen Verfahren den Lehrer als wich-tiges Element des Klassensystems jedoch nichtin die Analyse einbeziehen.

    Bercksichtigt man die berlegungen vonHennig und Kndler (1985; s.a. Brunner, Serra& Schuker, 1988), sollte man Diagnose auf derIndividualebene (z.B. Leistungsaspekte, Persn-lichkeitsmerkmale von Schlern und Lehrern)auf der Interaktionsebene (z.B. Lehrer-Schler-und Schler-Schler-Beziehungen) und auf der

    Systemebene (z.B. soziales Klima der Schul-klasse) unterscheiden. Fr Diagnostik auf derersten Ebene kann man auf die klassischen Ver-fahren und Instrumente (z.B. Fragebogen,Ratingskalen, Tests) zurckgreifen, die am In-dividuum als Merkmale aufscheinende Ergeb-nisse der Interaktion mit dem umgreifendensozialen System erfassen. Bei den meisten dia-gnostischen Anlssen ist man aber untersystemischer Perspektive an Information berdas schulische Interaktionssystem interessiert,und zwar sowohl an sozialen Beziehungen zwi-schen einzelnen Beteiligten (z.B. zwischenProblemschlern und Lehrern) als auch demBeziehungsgefge bzw. dem sozialen Klima inder ganzen Klasse.

    Als Beispiele flexibler diagnostischer Verfah-

    ren, die sowohl auf kleine Gruppen von Sch-lern wie ganze Klassen unter Einbeziehung vonLehrern angewendet werden knnen, werdenim folgenden ein auf Unterrichtsmerkmale zen-triertes Beobachtungsinstrument sowie ein aufdas soziale Beziehungsgefge zentriertes Beob-achtungs- und Ratingverfahren skizziert.

    Zur Erfassung der Spielrume fr aktives,selbstreguliertes Lernen der Schler wurde freine vergleichende Studie der OECD (Stern &Huber, 1997) ein Protokoll fr systematische

    Beobachtung im Unterricht entwickelt (s. Ka-sten 1).

    Als soziometrisches Instrument erscheintSYMLOG (Bales, Cohen & Williamson, 1982)fr systemische Untersuchungsanstze geeig-net. Aus Beobachtungen individuellen Verhal-tens in der sozialen Interaktion wird die sozialeSituation rekonstruiert. Die Daten werden da-bei entweder als Interaktionssignierungen,

    d.h. Einordnung beobachteten Verhaltens indefinierte Kategorien (Richtungskomponenten;z.B. Aufwrts, d.h. einflunehmend) gewon-nen oder als retrospektive Einschtzungen(Rating-Methode) mit Hilfe von Adjektivlisten.Bei letzterer Variante wird jedes Gruppen-mitglied mit Hilfe von 26 Items auf einer fnf-stufigen Skala (nie selten manchmal hu-fig immer) eingeschtzt. Beispielsweise ist dieAufwrts-Kategorie durch das Item aktiv, do-minant, spricht viel reprsentiert, die Posi-tiv-Kategorie durch das Item freundlich, part-nerschaftlich.

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    4. Lit eraturBales, R.F., Cohen, S.P., & Williamson, S.A. (1982).

    SYMLOG. Ein System fr die mehrstuf ige Beobachtungvon Gruppen. Stuttgart: Klett-Cotta.

    Brocher, T., & Kutter, P. (Hrsg.). (1985). Entwi cklung derGruppendynamik. Darmstadt: Wissenschaftliche Buch-gesellschaft.

    Brunner, E.J. (1986). Grundfragen der Familientherapie.Systemische Theorie undMethodologie. Berlin: Springer.

    Brunner, E.J., Serra, E., & Schuker, W. (1988). Schul-leistungen und fam il ial er H in tergrund. Systemi sche Ana-lysen einer empir ischen Un tersuchung. Bericht Nr. 20 ausder Abteilung Pdagogische Psychologie des Instituts

    fr Erziehungswissenschaft der Universitt Tbingen.Dornbusch, S.M., Glasgow, K.L. & Lin, I. (1996). Thesocial structure of schooling. Annual Review of Psycho-logy, 47 ,401429.

    Guttman, H.A. (1985). Epistemologie, Systemtheorienund die Theorie der Familientherapie.Zeitschri ft frsystemi sche Therapie, 3, 1320.

    Hennig, C., & Kndler, A. (1985). Problemschler Pro-blemfamilien. Praxis des systemischen Arbeitens mitschul schw ierigen Kin dern.Mnchen: Psychologie Ver-lags Union.

    LAbate, L. (1985). ber Paradoxa hinaus: Aspekte derKontrolle.Zeit schri ft fr systemische Therapie, 3, 6068.

    Lewin, K., Lippitt, R., & White, R.K. (1939). Patterns of

    aggressive behavior in experimentally created socialclimates. Journ al of Social Psychology, 10, 271299.

    Maturana, H. (1982). Biologie der Sprache: Die Episte-mologie der Realitt. In H. Maturana (Hrsg.), Erken-nen: Di e Organisation und Verkrperung von W irk li ch-keit. (S. 236271). Braunschweig: Vieweg.

    Minuchin, S. (1983). Famil ie und Fami li enth erapie. Theo-rie und Praxis strukt urell erFamilientherapie. (5. Aufl.).Freiburg: Lambertus.

    Rosenholtz, S.J. (1991). Teachers workplace: The socialorgani zati on of schools. New York: Teachers CollegePress.

    Smylie, M.A. (1994). Redesigning teachers work: Con-nections to the classroom. In L. Darling-Hammond

    (Ed.),Review of research i n educat ion(Vol. 20, pp. 129177). Washington: AERA.Stapf, K.H., Herrmann, Th., Stapf, A., & K.H. Hcker

    (1972). Psychologie deselt erl ichen Erziehungsstil s. Bern:Huber.

    Stern, D., & Huber, G.L. (Eds.) (1997). Active learning forstudents and teachers. Frankfurt: Peter Lang.

    Sllwold, F. (1983). Pdagogische Diagnostik. In K.-J.Groffmann, & L. Michel (Hrsg.), Int ell igenz- und Lei-stungsdiagnostik . Enzyk lopdie der Psychologie(B/II/2, S.307386). Gttingen: Hogrefe.

    Tausch, R., & Tausch, A.-M. (1991).Erziehungspsychologie(10. Aufl.). Gttingen: Hogrefe.

    Vinovskis, M.A. (1996). An analysis of the concept and

    uses of systemic educational reform. American Edu-cati onal Research Journal , 33,5385.

    Kasten 1

    Beobachtungssystem f r den Unterr icht

    Das Beobachtungssystem sieht die Bercksich-tigung von sechs Oberkategorien mit insge-

    samt 210 Ereignissen der unterrichtsspezi-fischen Interaktion von Lehrern und Schlernvor. Beobachtet werden folgende Aspekte:

    Beteiligung von Schlern an Zielsetzungen(z.B. Lehrer erklrt Zweck einer geplantenAktivitt; Schler erklren den Zweck derAktivitt).

    Struktur zu bearbeitender Aufgaben (z.B.gleiche Aufgabe fr alle Schler; unter-schiedlich schwierige Aufgaben fr unter-schiedliche Schler).

    Zugang zu Information (z.B. Lehrer vermit-telt Information).

    Arbeits- und Lernprozesse (z.B. Schler ko-operieren in Kleingruppen).

    Verwendung der Ergebnisse (z.B. keine wei-tere Nutzung mglich). Bewertung der Ergebnisse und der Lern-

    prozesse (z.B. Noten durch den Lehrer;Selbstevaluation).

    Aus den Beobachtungsdaten lassen sich sechsIndizes zur Kennzeichnung der generellenLernsituation gewinnen: Schler als individu-elle Lerner, Schler als autonome kooperativeLerner, Lehrerkontrolle, lehrerkontrolliertesindividuelles Lernen, lehrerkontrolliertes Ar-beiten in Kleingruppen, Offenheit der Lehrerfr Anregungen durch Schler.

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    42.2 Strungen der Schule: Intervent ionEwald Johannes Brunner und Gnter L. Huber

    Inhaltsverzeichnis1. Definiti on und Beschreibung der Probleme . . 1040

    2. Anstze fr die Intervention . . . . . . . . . . . . . 1041

    3. Interventionsmglichkeiten . . . . . . . . . . . . . 10433.1 Intervention in Bezug auf das Systemganze:

    Systemische Intervention in Lehrer-Schler-Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1043

    3.1.1 Lehrer-Schler-Beziehungen untersystemtherapeutischer Perspektive . . . . . 1043

    3.1.2 Systemtherapeutische Interventionsformenin der Schule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1043

    3.1.3 Grenzen systemtherapeutischer Interventionin der Schule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1045

    3.2 Intervention in Bezug auf Systemmitglieder:

    Schulklasse und Lehrer . . . . . . . . . . . . . . . . 10453.3 Intervention in Bezug auf Systemmitglieder:

    Schulleitung und Lehrer . . . . . . . . . . . . . . . 10473.4 Elternhaus und Schule . . . . . . . . . . . . . . . . 1049

    4. Evaluati on systemtherapeutischer

    Manahmen in der Schule . . . . . . . . . . . . . . 1050

    5 . Li teratu r . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1050

    1040

    Bevor wir die einzelnen Interventionsmglich-keiten auf der Basis systembezogener Analyse-schemata errtern, scheint uns eine generelleAnmerkung zur gewhlten Orientierung ange-bracht: Der systemtheoretische Rahmen stelltsich auf der einen Seite zunchst als eine Meta-theorie dar, die es ermglicht, ein jeweils um-fassendes Bild von Strungen in der Schulezu erhalten. In diesem Sinne bleibt der system-bezogene Ansatz beschreibend und sagt noch

    nichts ber die Ursachen einer schulischen St-rung aus. Sollen die beobachteten Phnomenehinsichtlich ihrer Ursachenzusammenhngeerklrt werden, so ist es erforderlich, diejenigenpsychologischen Theorieanstze zu Rate zu zie-hen, die fr die Erklrung einer Schulstrungzur Verfgung stehen. Neben die klassischenTheoriekonzepte (Tiefenpsychologie; Verhal-tenstherapie; Gesprchspsychotherapie) trittdabei neuerdings auch die systemische Thera-pie.

    Eine zweite Vorbemerkung erscheint uns un-erllich: In der systembezogenen Analyse wie

    in anderen psychologischen Anstzen bestehtdie Gefahr, die psychologischen Konstruktebzw. die Aussagen, die mit Hilfe dieser Kon-strukte gewonnen werden, als real vorhandeneSachverhalte mizuverstehen. Tatschlich han-delt es sich aber lediglich um Abstraktionenvon Beobachtungen, nicht um verdinglichteEigenschaften.

    1. Def init ion undBeschreibung der Probleme

    Der Erfolg einer Systemintervention hngt instarkem Mae davon ab, wie gut zuvor dasProblemsystem analysiert worden ist. Bei schu-lischen Strungen ist es daher angezeigt, diejeweiligen Systemzusammenhnge mglichstprzise zu beschreiben. Zunchst ist zu klren,wie das Problemsystem zu definieren ist: Wel-che Personen gehren dazu? In welcher Bezie-hung stehen diese Personen zueinander? Wel-

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    104142 . Strungen der Schu le

    Tabelle 1:Systembeschreibung

    Die Lehrer begrenzen das Problem auf die Klasse; die Analyse des Interaktionssystems schliet jedoch meist diebetroffenen Lehrer ein.

    Die Analyse sollte gegebenenfalls das System Lehrerkollegium in Bezug auf die zum Problem erklrte Schulklas-se bercksichtigen.

    Unter Umstnden sind weitere Systemeinheiten des Suprasystems derjenigen Schule, an der die Strungenauftreten, mit in die Analyse einzubeziehen (Rektor; weitere Schulklassen; etc.).

    Tritt der Konflikt an einer bestimmten Schule in einem speziellen Schuldistrikt, etwa mit einem besonderenEinzugsgebiet, auf, so kann die Frage der Wechselwirkung zwischen externen Strfaktoren mit schulinternen

    Faktoren errtert werden (Einflu der Eltern; kosystemische Bedingungen der Schulumwelt).

    che Kommunikationsmuster lassen sich beob-achten? Welche Systemebenen sind in die Ana-lyse mit einzubeziehen (Schulverwaltung;Schulleitung; Lehrerkollegium; Lehrer-Schler-Systeme; Lehrer-Eltern-Systeme; etc.)? Dazu einBeispiel:

    Mehrere Lehrer einer Schule klagen wie-

    derholt ber eine unert rgliche Schulklas-

    se. Der Unterricht sei erschwert durch

    eine erhebliche Unruhe im Klassenzim-

    mer, durch mangelhafte Konzentrationund durch stndige Reibereien zwischen

    den Schlern. Ein Schulpsychologe wird

    zu Rate gezogen. Die Lehrer erwar ten von

    ihm Ratschlge fr den Umgang mit der

    Klasse.

    Fr die Systemanalyse sind mit dieser knappenSkizze bereits mehrere Sachverhalte ange-sprochen, die aber noch ergnzungsbedrftigerscheinen: Zum einen ist es eine bestimmteGruppe von Lehrern, die eine dritte, unbetei-ligte Person zu Rate zieht. Zum anderen wirddas Problem von den Lehrern so definiert, dasie die betreffende Klasse als Strenfried de-klarieren. Der Auftrag der Lehrer an den Psy-chologen lautet: Wir mchten, da Sie uns

    helfen, den Nervenkrieg mit der Klasse zu be-enden. Eine adquate Systembeschreibungschliet jedoch noch weitere Perspektiven indie Analyse ein (s. Tab. 1).

    Es kommt uns hier nicht auf eine vollstndigeSchilderung aller mglichen Systemzusammen-hnge an. Vielmehr soll herausgestellt werden,da es unerllich ist, die Definition, die dieBeteiligten vom Problem geben, kritisch zu pr-

    fen und ggfs. zu erweitern. Auch die Neutralittdes zu Rate gezogenen Schulpsychologen istgegebenenfalls zu hinterfragen. Es spielt einenicht zu unterschtzende Rolle, in wessen Auf-trag der Systemanalytiker und -therapeut han-delt.

    2. Anstze fr dieIntervention

    Ein System ist allgemein gesprochen be-stimmbar als ein Ensemble von Elementen undden Relata zwischen diesen Elementen. Einesystemische Betrachtungsweise folgt dabei demaristotelischen Grundsatz, da das Ganze mehr

    ist als die Summe seiner Teile. Analyse und In-tervention bei sozialen Systemen erfordern da-her sowohl die Bercksichtigung a) des jewei-ligen Systemganzen, b) der Systemelementeund c) ihrer Relationen (Brunner, 1986). Durchsolch eine Sichtweise werden wir davor be-wahrt, ein schulisches Problem auf einen ein-zelnen Systembereich einzugrenzen. Dies sollam oben skizzierten Beispiel verdeutlicht wer-den:

    Der gegebene Fall einer Schulklasse, die von

    einigen Lehrern als sehr schwierig bezeichnetwird (vgl. negativistische Klasse; Kap. 42.1/Klassifikation, Diagnostik), kann in einer einge-engten Perspektive auf die Art und Weise ange-gangen werden, da der Fokus fr die Analysedieser Schulstrungen nur bei der betreffendenSchlergruppe liegt. Die Schler der Klasse wer-den als problematisch und behandlungsbedrf-tig hingestellt. Neben therapeutischen Ma-nahmen oder Sanktionen werden in solch

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    1042 B. Strungsbezogener Teil V II I: Strun gen von in terpersonell en Systemen

    einem Fall auch gelegentlich schuladministra-tive Regelungen bemht, von denen sich dieLehrer Abhilfe fr ihr Problem mit den Sch-lern versprechen. Es ist auch denkbar, da einvon auen kommender Fachmann den betrof-fenen Lehrern empfiehlt, doch ihr Lehr- undErziehungsverhalten einer kritischen Analysezu unterwerfen und zu diesem Zweck an einemLehrertraining teilzunehmen.

    Beide Sicht- und Vorgehensweisen der allei-nige Ansatz bei den Schlern oder der bei denLehrern sind dann als reduktionistisch zu be-zeichnen, wenn sie die mgliche systemischeVernetzung mehrerer Ursachenfaktoren nichtin Rechnung stellen, die im Sinn einer zirku-lren Kausalitt wechselseitig miteinander zu-sammenwirken. Eine systemische Sicht- und

    Arbeitsweise dagegen bercksichtigt sowohl dasPrinzip der Ganzheit als auch das der zirkula-ren Kausalitt.

    Der Akzent in der gewhlten Interventions-strategie kann recht verschieden gesetzt wer-den. Man mu lediglich gewhrleisten, danicht der Blick fr das Ganze und die wechsel-seitige Abhngigkeit verloren geht. Die Zusam-menstellung in Tabelle 2stellt nicht erschp-fend die mglichen Analyseebenen (Schule;Schulleiter/Kollegium; Lehrer-Schler-Systeme;

    etc.) in einen Zusammenhang mit Interven-tionsformen, die auf diesen Systemebenen ak-zentuierend zur Anwendung kommen knnen(Intervention in Bezug auf das Systemganze, aufdie Systemmitglieder fr sich genommen undauf die Relata zwischen den Systemmitgliedern).

    Fr die Intervention in Bezug auf das System-ganze werden in der schulischen Praxis diejeni-gen Interventionsformen immer bedeutsamer,die analog zu systemtherapeutischen Vorge-hensweisen entwickelt worden sind. Wir wer-den fr den Fall der Behandlung von gestrtenLehrer-Schler-Systemen ausfhrlicher auf sol-che Interventionsstrategien eingehen (s. dazuAbschnitt 3). Schulische Gruppierungen hhe-rer hierarchischer Ordnung (z.B. Schulleitungund/oder Lehrerkollegium) werden neuerdingsebenfalls zunehmend im Sinne eines system-therapeutischen Vorgehens als Behandlungs-einheiten angesehen (Fisher, 1986; Meidinger,1991; Connemann, 1993). Diese Perspektivedeckt sich mit dem organisationstheoretischenAnsatz, der die einzelne Schule in ganzheit-

    licher Weise als lernende Organisation ver-steht (vgl. dazu z.B. das Konzept der Schul-entwicklung; Dalin, 1991; Horster, 1991, Rolff,1991). Interventionsformen, die sich auf dasSchulganze beziehen, sollten von daher auchdie organisationspsychologischen Forschungs-ergebnisse mitbercksichtigen, die sich auf Or-ganisationsformen von Schulen beziehen (Lee,Dedrick & Smith, 1991; Rowan, Raudenbush &Kang, 1991; Palardy, 1992).

    Der Fokus in diesem Buchbeitrag liegt auf Inter-ventionsformen, die sich auf die Relationen zwi-schen den Systemmitgliedern beziehen. DieseInterventionsmglichkeiten werden im folgen-den Abschnitt am Beispiel der Kommunikations-und Interaktionstrainings dargestellt.

    Tabelle 2: Systematisierung von Interventionen

    Intervention in Bezug auf

    das Systemg anze

    schulpolitische Ma-nahmen

    Systemberatung

    systemische Interventionin Analogie zum system-therapeutischen Vorgehen

    Soziometrie/ Gruppen-dynamik

    die Systemmitgl ieder

    administrative Ma-nahmen

    Fhrungstraining/Lehrertraining

    Kontrakt-Training(Vertrge zwischen Lehrerund Schulklasse)

    Verhaltensmodifikation

    die Relationen

    zwischen den

    Systemmitgl iedern

    Systemberatung

    Organisationstraining

    Kommunikations- undInteraktionstraining

    Kommunikations- undInteraktionstraining

    Systemebene

    Schule

    Schulleitung/Lehrerkollegium

    Schulklasseeinschlielich Lehrer

    Schler einesKlassenverbandes

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    9/17

    104342 . Strungen der Schu le

    3. Intervent ions-mglichkeiten

    Die im Kap. 42.1/Klassifikation, Diagnostik ge-schilderten Schulstrungen stellen sich im Sin-ne einer systemischen Analyse als Symptomefr dysfunktionale Systemstrukturen bzw. -pro-zesse dar. Eine fundierte Systemanalyse bewahrtvor vorschnellen Rckschlssen auf bestimmteStrungsursachen und damit auch vor reduk-tionistisch ansetzenden Interventionen.

    Im folgenden werden wir Interventionsmg-lichkeiten beschreiben, die nach bereichs-spezifischen Gesichtspunkten geordnet sind.Wir beginnen mit einer Darstellung der Inter-ventionsformen, die sich analog zur system-

    therapeutischen Vorgehensweise auf dieStrukturen und Prozesse im Systemganzen, hierdie Klasse mit ihren Lehrern, konzentrieren (s.Abschnitt 3.1). Dem schlieen sich Darstellun-gen von Interventionen an, die bei den System-mitgliedern ansetzen, und zwar wieder beiSchulklassen einschlielich Lehrern (s. Ab-schnitt 3.2) sowie bei Schulleitung und Lehrer-kollegium (im Sinne von Lehrertrainings; s. Ab-schnitt 3.3). Die mgliche Zusammenarbeitvon Elternhaus und Schule im Falle von Schul-

    strungen ist Thema von Abschnitt 3.4.

    3.1 Intervent ion in Bezug auf das

    Systemganze: Systemische Interven-

    tion in Lehrer-Schler-Beziehungen

    3.1.1 Lehrer-Schler-Beziehungen unter

    systemtherapeuti scher Perspekt ive

    Konzepte und Arbeitstechniken der Familien-bzw. Systemtherapie (vgl. Kap. 22.5/Paar-, Fami-lientherapie) finden zunehmend auch im schu-lischen Bereich Anwendung (Curonici &McCulloch, 1994). Systemtherapeutisch orien-tierte Praktiker, die an Schulen arbeiten, versu-chen, die in der Familientherapie erprobtenInterventionsstrategien auf schulische sozialeSysteme zu bertragen. Familientherapie ltsich zusammenfassend gesehen als Thera-piekonzept verstehen, dessen theoretische undepistemologische Grundlagen sich auf dieSystemtheorie zurckfhren lassen (Brunner,

    1986). Wir orientieren uns in der Darstellungder folgenden Abschnitte an folgenden Fragen:

    Wie lt sich die Lehrer-Schler-Kommuni-kation systemtheoretisch beschreiben?

    Welche Parallelen lassen sich zwischen Leh-

    rer-Schler-Systemen und Familiensystemenaufzeigen?

    Wie kann man die Interaktions- und Kommu-nikationsstrukturen in Lehrer-Schler-Systemenverndern? Wie sieht ein systemtheoretischorientiertes Training der Lehrer-Schler-Inter-aktion aus?

    Im Sinne der oben skizzierten Systemdefinitionbilden Lehrer und Schler im Unterricht zu-sammen ein Systemganzes. Wir knnen uns das

    leicht vor Augen fhren, wenn wir an die Ab-hngigkeit der Schler vom Lehrerverhaltenund an die gleichzeitig gegebene Abhngigkeitdes Lehrers vom Schlerverhalten denken. Auf-einander bezogenes Lehrerverhalten und Sch-lerverhalten bilden also eine Einheit. DiesesSystemganze wird besonders gut sichtbar anden Kommunikationsmustern, die sich in einemLehrer-Schler-System herausbilden. Soferneine systemische Intervention, die sich auf dasSystemganze konzentriert, nicht schulorgani-

    satorische oder unterrichtsspezifische Rahmen-bedingungen direkt angeht, bezieht sie sichbeispielsweise eben auf diese an den Kommu-nikationsmustern erkenntlichen zwischen-menschlichen Aspekte eines spezifischen Leh-rer-Schler-Systems. Hier knnen dann Inter-ventionsformen zur Anwendung kommen, wiesie in der systemischen Therapie in der Arbeitmit Familien entwickelt worden sind.

    3.1.2 SystemtherapeutischeInterventionsformen

    in der Schule

    Die Intervention kann sich je nach Ansatz eherauf strukturelle Komponenten im System (Minu-chin, 1983), auf typische Kommunikationsmuster(Selvini Palazzoli et al., 1984) oder auf Kommuni-kationsformen in Bezug zur Wertschtzung dereigenen Person (Satir, 1985) konzentrieren.

    Strukt urzent rierte Intervent ion: Sofern Schul-strungen aus einer zu starren oder zu ver-

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    1044 B. Strungsbezogener Teil V II I: Strun gen von in terpersonell en Systemen

    Tabelle 3 :Zielformulierung fr Systemintervention (Brunner et al., 1978)

    Als Ziel des Kommunikationstrainings der Lehrer-Schler-Interaktion wurde u.a. formuliert, da Lehrer und Schlerlernen knnen:

    sich selbst als Partner innerhalb eines Kommunikationsystems so bewut zu werden, da nicht nur der eigene

    jeweilige Standort klar ist, sondern auch die eigenen Anteile am System deutlicher werden;

    sich ber den Beziehungsaspekt von uerungen klar zu werden, was einer Einbung in Metakommunikation gleichkommt;

    Strungen in der Interaktion (z.B. divergierende Beziehungsdefinitionen) wahrzunehmen und anzusprechen, Mi-verstndnisse als solche zu erkennen;

    sich einer klaren, d.h. unmiverstndlichen und weniger wertenden Sprache zu bedienen, so, da sich der Partnerangesprochen und akzeptiert fhlt, und so, da er nicht in seinem Selbstwertgefhl verletzt wird;

    aktiv zuzuhren und adquat auf den Partner einzugehen;

    der Situation angemessen ein Feedback zu geben und ggfs. um eines zu bitten;

    sich intensiver und genauer gegenseitig wahrzunehmen;

    auf eigene Gefhle und auf Gefhlsuerungen beim Kommunikationspartner zu achten;

    ber eigene Gefhle zu sprechen, Gefhlsuerungen beim Partner anzusprechen;

    eigene Bedrfnisse und Wnsche klar zu artikulieren;

    zu differenzieren zwischen einen Wunsch haben und den Wunsch realisieren;

    zwischen divergierenden Interessen zu unterscheiden;

    gemeinsam eine Lsung zu finden, die von jedem Beteiligten akzeptiert werden kann.

    waschenen Lehrer-Schler-Relation resultieren,legt sich eine Interventionsform nahe, die sicham Vorgehen von Minuchin orientiert. Derintervenierende Schulpsychologe knnte bei-spielsweise durch strukturierende Verhaltens-vorgaben eine nderung eines Lehrer-Schler-Systems induzieren, das dadurch gekennzeich-net ist, da die Generationsgrenze nicht infunktionaler Weise beachtet wird (so etwa,wenn der Lehrer einzelne Schler in eineErwachsenenposition bringt, indem er sie Auf-sicht ber die brigen Schler fhren lt).

    Kommunikationszentri erte Intervent ion: Betrach-tet man ein Lehrer-Schler-System oder einSchler-Schler-System dagegen vor allem un-ter dem Aspekt, welche funktionalen vs. dys-

    funktionalen Kommunikationsmuster in ihmzum Tragen kommen, so konzentriert sich derBlick bei der Systemintervention vor allem aufzirkulr ablaufende, stets wiederkehrende Trans-aktionsmodi. Ein Beispiel sind die (fr ein so-

    ziales System bedeutsamen) Divergenzen in derUrsachenzuschreibung fr Strungen. Eine sol-che divergierende Interpunktion von Ereignis-folgen wre etwa das Kommunikationsmuster:Schler stren den Unterricht; der Lehrer droht;Schler fahren fort, den Unterricht zu stren;der Lehrer droht erneut; etc. Da die Kommu-nikationspartner in solch einer verfahrenen Si-tuation oftmals nicht bereit oder nicht in derLage sind, ihre Wahrnehmungs- und Deutungs-muster zu modifizieren, mithin sich ein Lehrer-Schler-System einer Systemnderung wider-setzt, kann es bei Interventionsstrategien indiesem Fall indiziert sein, den Widerstandernst zu nehmen, das dysfunktionale Verhal-ten positiv zu konnotieren und im Sinne einerparadoxen Intervention das strende Verhalten

    zu verschreiben (Molnar & Lindquist, 1984).Selvini Palazzoli et al. (1978) weisen auf den

    Umstand hin, da eine erfolgreiche Interven-tion in einem dysfunktionalen schulischen Sy-stem sich auf wenige Systemmitglieder bzw.

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    104542 . Strungen der Schu le

    Subsysteme konzentrieren kann. Das Wirkenim kleinen bewirke mit der Zeit grere Ver-nderungen als der ehrgeizige Versuch, sofortein groes Umfeld zu beackern. So knne manbeispielsweise erreichen, da zwei Mitgliedereines Subsystems sich nicht weiter in die ge-genseitige Rivalitt steigern, was sich dann ingnstiger Weise auf das betroffene Gesamtsy-stem auswirke.

    Im Sinne der familientherapeutischen Arbeitvon Satir (1985) knnen Interventionen imLehrer-Schler- oder im Schler-Schler-Systemauch an den Kommunikationsformen ansetzen.Auch hier werden der systemischen Orien-tierung gem alle Personen in das Kom-munikationstraining einbezogen, die am Kon-flikt beteiligt sind. Grundbestandteile dieser

    Form systemischer Intervention sind die Sensi-bilisierung der Wahrnehmung der Interagie-renden freinander und die Einbung in kon-gruentes Kommunikationsverhalten. Auf dieNotwendigkeit, vermeintlich verstandeneKommunikationsinhalte zu verifizieren, wirdmit Nachdruck hingewiesen. Als Beispiel freine solche Form der Systemintervention kanndas von Brunner (1981) entwickelte Kommuni-kationstraining der Lehrer-Schler-Interaktionangefhrt werden, dessen Vorgehensweise am

    Beispiel der Zielformulierungen des Trainingsverdeutlicht wird (s. Tab. 3).

    3.1.3 Grenzen systemtherapeutischer

    Intervention in der Schule

    Die analoge Anwendung systemischer Inter-ventionsformen aus der Arbeit mit Familienwirft die Frage auf, ob denn die Systeme Fami-lie und Lehrer Schulklasse in gleicher Wei-

    se angegangen werden knnen. Der bloeVerweis auf die analoge Bedeutung der Genera-tionengrenze gengt dabei nicht. Wenn fami-lientherapeutische Methoden in den Schul-bereich transferiert werden, ist kritisch zuprfen, inwieweit sich beispielsweise das Sy-stem Lehrer Schler parallel zum SystemFamilie sehen lt.

    Lehrer-Schler-Systeme unterscheiden sichvon Familiensystemen im Ausma der wech-selseitigen Abhngigkeit der Systemmitgliederund in der Intimitt der Beziehungen derSystemmitglieder: das schulische System kenn-

    zeichnet sich eher durch diskontinuierliche Zu-sammengehrigkeit aus. Wir knnen uns diesnicht nur in zeitlicher Hinsicht denken, son-dern auch in rumlicher. Kantor und Lehr(1975) postulieren, da der Energiehaushaltund der Informationsflu im System Familiedurch einen je (familien-)spezifischen Umgangmit den Dimensionen Raum und Zeit reguliertwerden. Diese Prozesse werden mit dem BegriffDistanzregulierung bezeichnet.

    Fr die Distanzregulierung im Schulunter-richt liegen spezifische Regelungen vor, diedurch Konventionen einerseits und durch Ver-waltungsvorschriften andererseits bestimmtsind. Zwar kann ein experimentierfreudigerLehrer (vor allem im Grundschulbereich) durchkluges Aufteilen des Klassenzimmers und ge-

    schicktes Zusammenstellen von Arbeitstischen,Lesenischen, etc. eine gnstige und mglichstflexible Distanzregulierung ermglichen, diesich vermutlich in besseren Lehrer-Schler- undSchler-Schler-Beziehungen niederschlagenwird. Aber verglichen mit den Mglichkeitender Gestaltung, die Familien haben, ist die Va-riationsbreite gering. Schulische Interventions-mglichkeiten mssen sich daher vor allem aufden zwischenmenschlichen Bereich konzen-trieren.

    Durch den divergierenden Intensittsgradsind familiale und schulische Interaktions-strukturen kaum vergleichbar. Dies wird sichvermutlich in verschieden starken Ausprgun-gen von Kommunikationsstrungen widerspie-geln. Gleichwohl knnen die in der System-therapie erprobten Interventionsstrategien, soknnen wir resmierend zusammenfassen, frden schulischen Bereich fruchtbar gemachtwerden.

    3.2 Intervention in Bezug aufSystemmitglieder:Schulk lasse und Lehrer

    Auch an Problemen des Lehrens und Lernensin Schulklassen lassen sich Notwendigkeit undNutzen systemischer Intervention sehr gut de-monstrieren. Zunchst einmal ist hier die Ge-fahr reduktionistischer Sichtweisen und Ur-sachenzuschreibungen gro: Lehrer beklagenmangelnden Unterrichtserfolg und sehen Lern-schwierigkeiten bei den Schlern. Schler er-

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    1046 B. Strungsbezogener Teil V II I: Strun gen von in terpersonell en Systemen

    zielen wiederholt schlechte Leistungen; sie oderihre Eltern suchen die Ursachen in unverstnd-lichem oder unsystematischem Unterricht, alsoin Mngeln beim Lehrer, besonders wenn dieKlassenleistung im Vergleich zu Parallelklassenzu wnschen brig lt.

    Natrlich liegt die Verantwortung fr die Or-ganisation von Unterricht beim Lehrer ler-nen aber mssen die Schler selbst. Bei in-dividuumzentrierter Intervention wrde manentweder an didaktisch-methodische Fortbil-dung des Lehrers oder an remediales Lernen frSchler denken. Beide berlegungen sind nichtfalsch, aber wahrscheinlich einseitig und des-halb wenig ertragreich. Es empfiehlt sich, Lehr-und Lernschwierigkeiten in Schulen als Sym-ptome fr dysfunktionale Systembedingungen

    anzusehen. Dazu ein Beispiel, fr das wir aufeine im Kap. 42.1/Klassifikation, Diagnostik be-schriebene Folge mangelnden Austauschs zwi-schen Lehrern und Schlern aufgrund unilate-raler Beeinflussungsmuster (unkontrollierteKlassen) zurckgreifen (s. Kasten 1).

    Gehen wir einmal hypothetisch davon aus,da in dieser Klasse neben den formellen Nor-men, die die Lehrer vertreten, informelle Nor-men entstanden sind. Wahrscheinlich betref-fen einige dieser konkurrierenden Normen die

    Mitarbeit beim Biologielehrer. Offensichtlichbesteht eine besondere Schwierigkeit darin, dain Untergruppen unterschiedliche Normen frdie gleiche Situation bestehen. Ohne Kenntnisdieser informellen Normen und sozialen Struk-turen bleiben pdagogische Manahmen wir-kungslos oder bewirken das Gegenteil des Er-

    wnschten: Die Argumentation des Klassenleh-rers mit den Lernerfolgen eines Teils der Sch-ler knnte zustzlich soziale Probleme zwischenden Schlern schaffen oder verstrken.

    Es ist deutlich geworden, da in einer derar-tigen Situation weder didaktische Vernderun-gen beim Lehrer noch Einwirkungen auf dieSchler je fr sich allein viel bewirken. Die not-wendigen Vernderungen mssen alle Mitglie-der des Systems einbeziehen. Die Interventionhat darauf abzuzielen, da die Beteiligten berihre subjektive Perspektive hinaus den trans-aktionalen Charakter ihrer Schwierigkeitenerkennen und daher auch die notwendigen n-derungen gemeinsam vereinbaren und durch-fhren.

    Der kritische Punkt der Intervention ist da-

    bei die Definition der Rolle des Beraters im Sy-stem. blicherweise streben die Systemmitglie-der Lehrer wie Schler an, da die Situationbereinigt wird, sie selbst aber bildlich gespro-chen dabei nicht na werden. Da es kein si-cheres Rezept gibt, wie man die Subsysteme beiVerletzung dieser Erwartung daran hindert,dem Berater die Untauglichkeit seiner Ratschl-ge zu beweisen, empfiehlt sich ein problem-zentriertes strategisches Vorgehen in Anlehnungan die Strukturierungsvorschlge von Selvini

    Palazzoli (1978):

    Beschrnkung auf das Subsystem Klasseund Lehrer;

    Erfassung der subjektiven Sichtweisen vonLehrern und Schlern: Worin sehen die Be-teiligten das Problem?

    Kasten 1

    Unilaterales Beeinflussungsmuster (unkont rolli ert e Klasse)

    Ein Fachlehrer fr Biologie hat mit einer Klas-se des 7. Schlerjahrgangs groe Probleme.Wiederholt hat er sich beim Klassenlehrer dar-ber beschwert, da die Mehrzahl der Schlerkaum mitarbeitet, bei bungen sehr nachls-sig ist, im Unterricht anderen Beschftigun-gen nachgeht. Allerdings gibt es einige Sch-ler, mit denen erfolgreiche Unterrichtsarbeitin Biologie mglich ist. Der Klassenlehrer hat

    die Klasse schon mehrmals ermahnt, zuletzt

    streng getadelt und Strafen angedroht. Ein-wnden der Klasse, die die Qualitt des Unter-richts betrafen (langweilig; alles so schwierig;Herr M. kann nichts erklren), begegnete derKlassenlehrer mit dem Hinweis, da einigeMitschler, die durchaus keine Genies seien,offenbar keine Probleme im Biologieunter-richt htten. Die Klasse sei also keineswegsberfordert. Seither hat die Situation sich eher

    verschlechtert.

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    Tabelle 4:Vertragsvereinbarung (vgl. Wahl, Weinert & Huber, 1984; Redlich & Schley, 1978)

    Bei der Abfassung von Kontrakten in Schulklassen ist zu beachten:

    alle am Problem Beteiligten auch am Vertragsabschlu zu beteiligen;

    sich auf wenige Vereinbarungen fr Lehrer und fr Schler zu beschrnken;

    nur bedeutsame Verhaltensweisen zu regeln;

    auf die berprfbarkeit der Vereinbarungen zu achten;

    altersgeme Formulierungen zu whlen;

    positiv zu formulieren, damit die Beachtung eines erwnschten Verhaltens thematisiert wird (im Unterschied zumVerbot unerwnschten Verhaltens);

    positive Konsequenzen der Vertragserfllung festzulegen;

    regelmig unter Mitverantwortung der Schler die Einhaltung zu kontrollieren und zu belohnen.

    Klrung bisheriger Lsungsversuche: Washat der Lehrer, was haben die Schler imHinblick auf die Schwierigkeiten schon un-ternommen?

    Verpflichtung zu aktiver Beteiligung an derLsung: Zu welchen Aktivitten sind die Be-teiligten bereit?

    Je nach Schwere des Problems sollten diese Fra-gen zunchst im Subsystem Schler bzw.Lehrer der Klasse errtert werden, ehe der Be-rater mit den Beteiligten die Perspektiven auf-einander bezieht. Wichtig ist, da dabei der Be-rater den eigenen Standpunkt mit einbringt.Dies gibt ihm die Mglichkeit, problematischeVerhaltensweisen aller Beteiligten positiv um-zudeuten. Durch derartige neue Interpreta-

    tionen werden die wechselseitig das Problemstabilisierenden Sichtweisen am ehesten aufge-brochen und neue Handlungsmglichkeitensichtbar (vgl. Molnar & Lindquist, 1984). DerAbgleich der Perspektiven in einem ausfhrli-chen Konfliktgesprch umreit den Raum frmgliche Lsungen.

    Schlielich mssen sich die Beteiligten wech-selseitig nicht nur auf Handlungsweisen eini-gen, die ihnen gemeinsam als Lsungen, zu-mindest als Lsungswege tauglich erscheinen,

    sondern sie mssen ihre Entschlsse als klareVertragsregeln festlegen. Dieser strategischeSchritt ist keine nebenschliche, fr mancheder Beteiligten vielleicht befremdliche Formali-tt. Vielmehr stellt er einen wichtigen Beitrag

    zur Systemvernderung dar. Die Prozeduren derVertragsvereinbarung und der Kontrolle ihrerEinhaltung lsen linearisierte Beeinflussungs-formen wenigstens im Subsystem Klasse mitLehrer auf und machen die Beteiligten mit ih-ren Erwartungen und Absichten einander sicht-bar und im eigenen Handeln besser einkalku-lierbar (s. Tab. 4).

    3.3 Intervention in Bezug aufSystemmitglieder:Schulleitung und Lehrer

    Am Beispiel einer Trainings-Intervention, diedie Systemebene der Schulleitung und Lehrererfat, greifen wir auf die Symptomatik einer

    negativistischen Klasse zurck. Das Interven-tionsziel besteht darin, die Zirkel positiverRckkopplung aufzulsen, in denen Lehrer wieSchler gefangen sind, und funktionale Trans-aktionsprozesse wiederherzustellen. Fr sichselbst haben die Beteiligten kaum eine Chance,diese Kreislufe aufzubrechen, denn je intensi-ver man sich durch aktives Negieren von etwasabsetzt, desto penetranter drngt sich das Ne-gierte auf (Watzlawick, 1981).

    Es erscheint zweckmig, den Zugang bei

    den Systemmitgliedern zu versuchen, die dienderungsnotwendigkeiten am deutlichstenerleben; das drften die Lehrer sein. Allerdingssehen sie selten, da auch sie selbst sich ndernmten. Fr diesen Sachverhalt bieten kogni-

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    tionspsychologische Modelle der Sozialpsycho-logie Anstze zur Erklrung und Beeinflussung.So wurde als Ergebnis zahlreicher Studien berkognitive Prozesse bei den Partnern sozialer In-teraktionen herausgestellt (Aronoff & Wilson,1985), da die Interaktion von Persnlichkeits-merkmalen und kognitiven Prozessen wesent-lich fr jedes soziale Handeln ist. Voraussetzun-gen bei den handelnden Personen, seien esspezifische Modi der Informationsverarbeitung(kognitive Stile; z.B. Goldstein & Blackman,1978) oder spezifische Erwartungs-Bewertungs-muster (implizite oder subjektive Theorienber soziale Zusammenhnge; z.B. Hofer &Dobrick, 1981; Krampen, 1986), strukturieren,d.h. aber auch beschrnken die kognitivenOrientierungs-, Verarbeitungs-, Entscheidungs-

    prozesse beim Umgang mit anderen. Interven-tion mu zunchst dort ansetzen, wo solcheeinschrnkenden Bedingungen fr weiterrei-chende Vernderungen selbst verndert werdenknnen.

    Ein erfolgversprechender Ansatz besteht nundarin, nicht die Lehrer und ihre bisherigenManahmen mit psychologisch begrndetenAlternativvorschlgen zu konfrontieren, son-dern die Aktionen der Lehrer als Versuche zurVerbesserung der Situation zu werten und wei-

    tere systematische Suche nach Handlungs-mglichkeiten im Lehrerkollegium einschlie-lich der Schulleitung anzuregen. Aus demVerstndnis von Transaktion als dem Proze,in dem aufgrund subjektiver Interpretationwechselseitige Beeinflussungen so stattfinden,da gemeinsame Definitionen der Situation,Sachverhalte, Beziehungen entstehen und Han-deln sowie Handlungsergebnisse auf dieser Ba-sis wieder subjektiv gedeutet werden, ergibt sichein Leitfaden fr die Intervention. Sie mu von

    den internen, handlungssteuernden Prozessenausgehen, d.h. von Erwartungen, Alltagstheo-rien, Rollenzuschreibungen usw., um schlie-lich Vernderungen der interaktiven Muster imSystem zu bewirken. Wenn solche Vernderun-gen dauerhaft sein sollen, mu man versuchen,die selbstrefentielle Dynamik auf der ausge-whlten Systemebene zu nutzen und gleichzei-tig so zu verndern, da bei den Bemhungenum neue Interaktionsmuster die erwnschtenund unerwnschten Folgen genau registriertund im Hinblick auf weitere Vernderungs-anstrengungen gedeutet werden. Folgende Teil-

    schritte sind zu empfehlen (Wahl, Weinert &Huber, 1984):

    Austausch von subjektiven Erklrungs-modellen und Alltagstheorien unter Lehrernim Kollegium. Auf diese Weise knnen siedas Problem in der Sprache ihres Systems wie-dergeben und sich darber klar werden, wiesie die Schler zu beeinflussen versuchen.

    Suche nach Alternativhypothesen. Aus derDiskussion unterschiedlicher subjektiverDeutungen wird einerseits klar, welche Be-deutung die negativistischen Symptome frdas Kollegium haben, andererseits kann mangenau so herausfinden, welche Appelle undSelbstoffenbarungen die bisherigen Manah-men den Schlern vermitteln (vgl. Schulz v.

    Thun, 1977). Darber werden die Funktio-nen der Symptome im Kontext der Beziehun-gen zwischen Kollegium und Schlern zu-gnglich. Die gewohnten Deutungen knnennun durch alternative Interpretationen er-gnzt werden. Dabei mssen die Lehrer sichdarauf einlassen, auch die subjektiven Situa-tionsbedeutungen ihrer Schler zu berck-sichtigen (vgl. Hanke, Huber & Mandl, 1984).

    Mglichkeiten der Hypothesenprfung. Ge-rade bei diesem Schritt ist es wichtig, da die

    Alternativhypothesen, die als Ergebnis derTransaktion im Kollegium (einschlielichSchulleiter) gefunden wurden, nicht durchdie altgewohnten Deutungsmuster sofort wi-derlegt werden.

    Vereinbarung und Erprobung alternativerHandlungsmglichkeiten. Im berschnei-dungsfeld der Wahrnehmungen der Handeln-den und Beobachter lassen sich mit grterWahrscheinlichkeit Anstze fr Handlungs-alternativen finden, die dann nicht dem Sy-

    stem von auen verordnet werden mssen.Oft ist nun spezifisches Verhaltenstrainingntzlich, z.B. in Form von Rollenspielen mitden Kollegen; dabei knnen eigene Schwie-rigkeiten mit den neuen Verhaltensweisensowie die Wirkungen auf die anderen genauuntersucht werden, bis die Lehrer sich sichersind, da sie sich der schwierigen Situationim Klassenzimmer gegenber anders als bis-her zu verhalten wagen.

    Sicherung realistischer Rckmeldung. Ausvielen Grnden (gesteigerte Selbstaufmerk-samkeit, Zeitdruck, Verunsicherung der Sch-

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    ler usw.) ist es naheliegend, da die Lehrertrotz bester Absichten auf die ihnen subjektivSicherheit bietenden Handlungsroutinen zu-rckgreifen und neuartiges Handeln schonbei ersten Hinweisen auf Schwierigkeiten alserfolglos und ungeeignet aufgeben. Wir emp-fehlen deshalb fr diese kritische Phase derbertragung von Ergebnissen kollegialerTransaktion auf die Transaktionsprozesse imSystem der Schulklasse die Untersttzungdurch Supervision von Kollegen.

    3.4 Elt ernhaus und Schule

    Die bisherige Darstellung konzentrierte sich aufSystemzusammenhnge im internen Bereich

    der Schule. Lehrer-Schler-Systeme und Sch-ler-Schler-Systeme stehen jedoch auch mit au-erschulischen Systemen in Transaktion, wo-bei die Familien der Schler das bedeutendsteexternale System darstellen.

    Die Systeme Schule und Elternhaus sind aufverschiedene Weise miteinander vernetzt: Bei-de sind Sozialisationsagenturen, die sich dieErziehungsaufgaben miteinander teilen. WieParsons (1973) feststellt, lebt das Kind imSchulalter zwar weiterhin im Elternhaushalt

    und bleibt emotional und instrumental sehrstark von den Eltern abhngig. Es verbringt je-doch nun tglich mehrere Stunden auerhalbdes Elternhauses, wo es einer Disziplin und ei-nem Belohnungssystem eigener Art (Peers) un-terworfen ist.

    Kommt es zu Diskrepanzen zwischen Elternund Lehrern, so knnen im Fall eines Kon-flikts die Schler die Leidtragenden sein, daber sie die Spannungen ausgetragen werden.Diese (in der systemischen Therapie mit Tri-

    angulation bezeichnete) Verschiebung einesKonflikts zweier Systeme auf ein drittes wirdoftmals dadurch verschleiert, da dieses dritteSystem ein gemeinsames Problem liefert (Si-mon & Stierling, 1984). In einer Familie kanndies beispielsweise ein Kind von zerstrittenenEltern sein, in der Schule eine Schulklasse odereine Gruppe von bestimmten Schlern.

    In solchen Fllen sollten Interventionsstrate-gien den Blick vom Sndenbock weg auf dieeigentlichen Konfliktpartner lenken und versu-chen, eine Vermittlung auf dieser Ebene inGang zu bringen. Auch hier gilt der weiter oben

    schon erwhnte Hinweis von Selvini Palazzoliet al. (1978), da sich eine erfolgreiche Inter-vention auf wenige Systemmitglieder bzw. Sub-systeme konzentrieren kann. So knnte bereitseine gemeinsame Aktion einiger betroffenerLehrer und Eltern die Situation entschrfen.

    Die Vernetzung zwischen Elternhaus undSchule betrifft in Konfliktfllen oft das Einzel-system eines Lehrers und eines bestimmtenSchlers. Kommt ein Lehrer mit einem Schlernicht zurecht, so kann (im Sinne der eben er-whnten Mglichkeit der Triangulation) einmglicherweise verdeckter Konflikt zwischendiesem Lehrer und den Eltern des Schlers be-stehen. Als Beispiel lt sich ein Fall denken, indem berzogene Leistungserwartungen der El-tern folgenden circulus vitiosus in Gang setzen:

    der Schler kann den berzogenen Erwartun-gen nicht gerecht werden, die Eltern sind un-zufrieden mit ihrem Kind und beschuldigenden Lehrer, dieser wehrt sich gegen die Krn-kung durch die Eltern mit der Ablehnung desSchlers, die gestrte Lehrer-Schler-Beziehungmanifestiert sich in weiteren Leistungsstrun-gen des Schlers, die Eltern beschuldigen denLehrer erneut etc.

    In einem solchen Fall ist eine sinnvolle Inter-vention nur ber eine dritte neutrale Person

    mglich. Systemtherapeuten haben eine ganzeReihe von Strategien erprobt, die im Sinn einerSystemintervention zum Tragen kommen kn-nen. Ein Systemtherapeut kann versuchen, denbetroffenen Lehrer und die Eltern (gegebenen-falls unter Einbeziehung des Schlers) zu ge-meinsamen Gesprchen zu bewegen mit demZiel, eine Konfliktlsung zu finden, die nichtauf Kosten eines Systemmitglieds erfolgt(Foster, 1984; Christian, 1990; Widerman &Widerman, 1995).

    Gegebenenfalls kann es in einem Lehrer-Schler-Eltern-Konflikt auch ratsam sein, dader Systemtherapeut eine dysfunktionale Leh-rer-Eltern-Beziehung auf die Art und Weise an-geht, da er mit Zustimmung der Betroffenen separat Kontakt mit dem Familiensystem unddem Lehrer aufnimmt; die gestrte Eltern-Leh-rer-Beziehung wird dabei fr eine bestimmtenZeitabschnitt (ebenfalls mit Zustimmung derBeteiligten) unterbrochen. Nach Klrung desEltern-Kind-Konflikts wird der Eltern-Lehrer-Kontakt wieder in die Wege geleitet (Lusterman,1985). Dabei sind die kontextuellen Barrieren

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    1050 B. Strungsbezogener Teil V II I: Strun gen von in terpersonell en Systemen

    zu beachten, die sich einer Eltern-Lehrer-Ko-operation in den Weg stellen (Ware, 1994).

    4. Evaluat ion systemthera-

    peut ischer Manahmenin der Schule

    Die in der Familientherapie bzw. systemischenTherapie erprobten Interventionsmethodensind mit wenigen Ausnahmen bisher kaumevaluiert worden, wenngleich sie sich als wirk-sam erwiesen haben (Grawe, 1992). In entspre-chender Weise gibt es auch fr den in diesemBuchkapitel bearbeiteten Bereich systemischerInterventionen in der Schule noch keine Eva-

    luationsstudien.Dies liegt nur zum geringen Teil daran, da

    therapeutisches Vorgehen in der Schule, dasLehrer, Lehrerkollegium und/oder Schulleitungeinschliet, in gewisser Weise tabuisiert ist. Dieweitaus greren Schwierigkeiten sind metho-dologischer Natur: Soziale Systeme wie z.B.Lehrer-Schler-Systeme sind hochkomplex;dysfunktionale Kommunikationsmuster bei-spielsweise, die ein auenstehender Beobachterwahrnehmen kann und an deren Vernderung

    gearbeitet werden kann, sind schwer mit denherkmmlichen Methoden der Psychodiagno-stik erfabar. Dies zeigt sich bereits beim Ver-such der Erfassung dyadischer Kommunikati-on. Kommunikationsstudien, die mehr als zweiPersonen in ihre Analysen einbeziehen, erfor-dern die berwindung noch hherer metho-discher Hrden. Bei der Lehrer-Schler-Interak-tion geht es nicht nur um die Analyse desverbalen und non-verbalen kommunikativenAustauschs einzelner Systemmitglieder unter-

    einander, sondern um die wechselseitige Beein-flussung auf mehreren Systemebenen.Eine weitere methodologische Hrde berei-

    tet Schwierigkeiten: Die systemische Sichtweisemacht es erforderlich, Prozesse rekursiver Kau-salitt (z.B. positive Rckkopplungschleifen) zuanalysieren. Dadurch ergibt sich die Notwen-digkeit, in der entsprechenden Evaluations-forschung proze-orientiert und nicht nurprodukt-orientiert vorzugehen.

    Die genannten Schwierigkeiten zusammen-genommen erklren zwar, da bisher keine Ef-fektivittsstudien systemischer Intervention in

    der Schule vorliegen; sie sind jedoch dringenderforderlich (vgl. Brunner & Huber, 1989).

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