Top Banner
39. Verhaltens- und Entwicklungs- störungen bei Kindern und Jugendlichen 39.1 Klassifikation und Diagnostik Franz Petermann Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 952 2. Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 953 2.1 Klassifikation von Verhaltensstörungen . . . . 953 2.2 Klassifikation von Entwicklungsstörungen . . . 955 2.3 Verhaltens- versus Entwicklungsstörungen . . . 956 3. Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 957 4. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 959 952 1. Einleitung Störungen bei Kindern und Jugendlichen las- sen sich in «Verhaltensstörungen» und «Ent- wicklungsstörungen» unterteilen. Diese durch- aus sinnvolle Unterteilung stellt sich in der Praxis allerdings oft als schwierig dar, da beide Erscheinungsbilder sich oft erheblich über- lagern und sich häufig wechselseitig bedingen. Es wird derzeit noch immer ungenügend spezi- fiziert, welche «Entwicklungsstörungen» im Sinne eines Entwicklungsrückstandes oder ei- ner -veränderung zu umgrenzten entwicklungs- spezifischen Verhaltensstörungen führen. Auch den hier dargestellten, zur Zeit verfügbaren Klassifikationssystemen gelingt eine solche Dif- ferenzierung nur unzureichend. Speziell für die Klassifikation von Störungen im Kindes- und Jugendalter wurde das Multi- axiale Klassifikationsschema MAS (Remschmidt & Schmidt, 1994) entwickelt. Das MAS basiert auf der ICD-10 und besteht aus sechs Achsen: (1) klinisch-psychiatrische Syndrome, (2) um- schriebene Entwicklungsrückstände, (3) Intelli- genzniveau, (4) Körperliche Symptomatik, (5) abnorme psychosoziale Umstände, (6) globale Beurteilung der psychosozialen Anpassung. Das System ist so konzipiert, daß lediglich eine Be- schreibung aktueller Aspekte erfolgen kann, und Aussagen zur Ätiologie und zum Verlauf ausgeklammert werden. Es mangelt dem MAS an einer systematischen Beschreibung der Phä- nomene im Kindes- und Jugendalter, einer dar- auf basierenden expliziten Operationalisierung der Einzelstörungen und einer gesicherten Dif- ferentialdiagnostik. Dagegen stellt die 1996 auch in deutscher Sprache erschienene Version des Diagnostischen und Statistischen Manuals psychischer Störungen DSM-IV (American Psy- chiatric Association, 1996) eine gute Erweite- rung des DSM-III-R dar, vor allem durch die konsequente Orientierung an den Ergebnissen der Entwicklungspsychopathologie. Der Ent- wicklungsverlauf vieler Störungen, wie z. B. der Lese- und Rechenstörung (Warnke, 1998), wird ausführlich und detailliert dargestellt, und Er- gebnisse klinischer Verlaufs- und Komorbidi- tätsstudien werden berücksichtigt (vgl. Kusch & Petermann, 1998). Obwohl sich die ICD-10 und das DSM-IV sehr aneinander angeglichen haben und bei vielen Störungsbildern sogar identische Diagnosekriterien vorliegen, zeich- net sich das DSM-IV besonders dadurch aus, daß es umfangreicher ist und auch kulturelle Aspekte, Alters- und Geschlechtsmerkmale, Prävalenzen, Verlauf und familiäre Häufung ausführlich einbezieht. Im DSM-IV werden kindliche Störungen in der Kategorie: «Störun- gen, die gewöhnlich zuerst im Kleinkindalter, der Kindheit oder der Adoleszenz diagnostiziert
30

1-B-39

Apr 11, 2016

Download

Documents

Luke Armstrong

Lehrbuch Entwicklungspsycho5
Welcome message from author
This document is posted to help you gain knowledge. Please leave a comment to let me know what you think about it! Share it to your friends and learn new things together.
Transcript
Page 1: 1-B-39

39. Verhaltens- und Entwicklungs-störungen bei Kindern und Jugendlichen39.1 Klassifikation und DiagnostikFranz Petermann

Inhaltsverzeichnis1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 952

2. Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9532.1 Klassifikation von Verhaltensstörungen . . . . 9532.2 Klassifikation von Entwicklungsstörungen . . . 955

2.3 Verhaltens- versus Entwicklungsstörungen . . . 956

3. Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 957

4. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 959

952

1. EinleitungStörungen bei Kindern und Jugendlichen las-sen sich in «Verhaltensstörungen» und «Ent-wicklungsstörungen» unterteilen. Diese durch-aus sinnvolle Unterteilung stellt sich in derPraxis allerdings oft als schwierig dar, da beideErscheinungsbilder sich oft erheblich über-lagern und sich häufig wechselseitig bedingen.Es wird derzeit noch immer ungenügend spezi-fiziert, welche «Entwicklungsstörungen» imSinne eines Entwicklungsrückstandes oder ei-ner -veränderung zu umgrenzten entwicklungs-spezifischen Verhaltensstörungen führen. Auchden hier dargestellten, zur Zeit verfügbarenKlassifikationssystemen gelingt eine solche Dif-ferenzierung nur unzureichend.

Speziell für die Klassifikation von Störungenim Kindes- und Jugendalter wurde das Multi-axiale Klassifikationsschema MAS (Remschmidt& Schmidt, 1994) entwickelt. Das MAS basiertauf der ICD-10 und besteht aus sechs Achsen:(1) klinisch-psychiatrische Syndrome, (2) um-schriebene Entwicklungsrückstände, (3) Intelli-genzniveau, (4) Körperliche Symptomatik, (5)abnorme psychosoziale Umstände, (6) globaleBeurteilung der psychosozialen Anpassung. DasSystem ist so konzipiert, daß lediglich eine Be-schreibung aktueller Aspekte erfolgen kann,und Aussagen zur Ätiologie und zum Verlauf

ausgeklammert werden. Es mangelt dem MASan einer systematischen Beschreibung der Phä-nomene im Kindes- und Jugendalter, einer dar-auf basierenden expliziten Operationalisierungder Einzelstörungen und einer gesicherten Dif-ferentialdiagnostik. Dagegen stellt die 1996auch in deutscher Sprache erschienene Versiondes Diagnostischen und Statistischen Manualspsychischer Störungen DSM-IV (American Psy-chiatric Association, 1996) eine gute Erweite-rung des DSM-III-R dar, vor allem durch diekonsequente Orientierung an den Ergebnissender Entwicklungspsychopathologie. Der Ent-wicklungsverlauf vieler Störungen, wie z.B. derLese- und Rechenstörung (Warnke, 1998), wirdausführlich und detailliert dargestellt, und Er-gebnisse klinischer Verlaufs- und Komorbidi-tätsstudien werden berücksichtigt (vgl. Kusch& Petermann, 1998). Obwohl sich die ICD-10und das DSM-IV sehr aneinander angeglichenhaben und bei vielen Störungsbildern sogaridentische Diagnosekriterien vorliegen, zeich-net sich das DSM-IV besonders dadurch aus,daß es umfangreicher ist und auch kulturelleAspekte, Alters- und Geschlechtsmerkmale,Prävalenzen, Verlauf und familiäre Häufungausführlich einbezieht. Im DSM-IV werdenkindliche Störungen in der Kategorie: «Störun-gen, die gewöhnlich zuerst im Kleinkindalter,der Kindheit oder der Adoleszenz diagnostiziert

Page 2: 1-B-39

39. Verhaltens- und Entwicklungsstörungen bei Kindern und Jugendlichen 953

werden» verzeichnet. Die hier darzustellendenStörungsbilder werden in Anlehnung an dasDSM-IV beschrieben und lassen sich in Verhal-tensstörungen und Störungen des Entwicklungs-verlaufes untergliedern.

2. Klassifikation2.1 Klassifikation vonVerhaltensstörungen

Personen mit Verhaltensstörungen erkennt mandaran, daß sie wiederholt auftretende, stabileVerhaltensmuster zeigen, die die Rechte einesanderen beschneiden oder die eigene Entwick-lung einschränken. Im Gegensatz zu Personenmit einer Entwicklungsstörung, bei denen eineHandlungskompetenz erst aufgebaut werdenmuß, und im Gegensatz zu Personen mit sozia-ler Kompetenz, die über viele Handlungsalter-nativen verfügen, zeichnen sich Personen miteiner Verhaltensstörung entweder

– durch fehlende Handlungsalternativen und/oder– durch übermäßig stark ausgebildete, jedoch

unangemessene Handlungsalternativen aus.

Im DSM-IV werden die im DSM-III-R als «ex-pansiv» bezeichneten Verhaltensstörungen, wieAufmerksamkeitsstörungen und Aggression,nun unter der Gruppenbezeichnung «Störun-gen der Aufmerksamkeit, der Aktivität und desSozialverhaltens» zusammengefaßt. Diesen Stö-rungen, die durch unterkontrolliertes Ver-halten gekennzeichnet sind, lassen sich Stö-rungen mit überkontrolliertem Verhalten (z.B.Angststörungen) gegenüberstellen. Weitere Ver-haltensstörungen sind den «Fütter- und Eß-störungen im Säuglings- oder Kleinkindalter»,den «Ticstörungen» (z.B. die Tourette-Störung,eine Störung multipler Tics) oder den «Stö-rungen der Ausscheidung» zuzuordnen (vgl.Tab. 1).

• Aufmerksamkeitsstörungen. Im deutschen Sprach-raum spricht man bei Aufmerksamkeitsstörun-gen, die sich in der Motorik, in Lernstörungenund neuropsychologischen Funktionsstörun-gen äußern, auch von dem «HyperkinetischenSyndrom» (vgl. Döpfner, 1998). Die Störungzeichnet sich durch eine entwicklungsunan-gemessene Aufmerksamkeitsstörung, Impulsi-vität, Hyperaktivität und eine erhöhte Erreg-barkeit aus. Ein Großteil der Kinder mit

Tabelle 1: Übersicht über ausgewählte Verhaltensstörungen im Kindes- und Jugendalter gem. DSM-IV (AmericanPsychiatric Association, 1996; ICD-9-CM Code; ICD-10 Code)

(1) Störungen der Aufmerksamkeit, der Aktivität und des Sozialverhaltens– Aufmerksamkeitsdefizit/Hyperaktivitätsstörung (314.xx;–)

Mischtypus (314.01; F90.0)Vorwiegend Unaufmerksamer Typus (314.00; F98.8)Vorwiegend Hyperaktiver-Impulsiver Typus (314.01; F90.1)

– Störung des Sozialverhaltens (u.a. Aggressives Verhalten) (312.8; F91.8)– Störung mit Oppositionellem Trotzverhalten (313.81; F91.3)

(2) Fütter- und Eßstörung im Säuglings- oder Kleinkindalter– Fütterstörung im Säuglings- oder Kleinkindalter (307.59; F98.2)

(3) Störungen der Ausscheidung– Enkopresis (787.6 bzw. 307.7; F98.1)– Enuresis (307.6; F98.0)

(4) Ticstörungen– Tourette-Störung (307.23; F95.2)

(5) Andere Störungen im Kleinkindalter, in der Kindheit oder der Adoleszenz– Störung mit Trennungsangst (309.21; F93.0)– Selektiver Mutismus (313.23; F94.0) (DSM-III-R: Elektiver Mutismus)

(6) Nicht kindheitsspezifische Angststörungen– Soziale Phobie (300.23; F40.1)– Generalisier te Angststörung (300.02; F41.1)

Page 3: 1-B-39

954 B. Störungsbezogener Teil VII: Störungen von Funktionsmustern

Aufmerksamkeitsdefiziten weist Lernstörungenund entsprechende Entwicklungsverzögerun-gen auf.

• Aggression bildet aus der Gruppe der Störun-gen des Sozialverhaltens, unter denen die Um-welt subjektiv am stärksten zu leiden scheint,die am eindeutigsten erkennbare Verhaltensstö-rung. Von Aggression spricht man gemäß derdiagnostischen Kriterien des DSM-IV, wenn dasproblematische Verhalten mindestens über ei-nen Zeitraum von sechs Monaten stabil auf-tritt. Aggression ist durch verbales und non-verbales Verhalten gekennzeichnet. Es kanngegen Menschen oder Tiere gerichtet sein oderdie Zerstörung von Eigentum sowie Betrug,Diebstahl oder schwere Regelverstöße umfas-sen. Das DSM-IV unterscheidet Störungen desSozialverhaltens mit Beginn in der Kindheit(vor dem 10. Lebensjahr) und mit Beginn inder Adoleszenz (ab dem 10. Lebensjahr). DasPhänomen der Jugenddelinquenz soll dabeivon kindlicher Aggression abgegrenzt werden.Typische Delikte, die bei Kindern und Jugend-lichen mit Delinquenz umschrieben werden,sind Vandalismus, Brandstiftung, Streunen,Diebstahl, Raub, Einbruch, ständiges Schul-schwänzen, Drogen- und Alkoholmißbrauchund Prostitution (vgl. Petermann & Petermann,1996a). In neueren Studien lassen sich hochaggressive Kinder vor allem durch folgendeMerkmale beschreiben (vgl. Petermann & Peter-mann, 1997):

– es bestehen keine stabilen Freundschaften zuGleichaltrigen,

– egoistisch motivierte Handlungen dominieren,– Schuld- und Reuegefühle fehlen,– Bereiche positiven Sozialverhaltens sind

nicht ausgeprägt (soziale Unterstützung, Ko-operation und angemessene Selbstbehaup-tung),

– eine verzerrte Wahrnehmung sozialer Inter-aktionen,

– mangelhafte Selbstkontrolle im Sinne der Fä-higkeit, eigene aggressive Impulse zu verzö-gern und zu überdenken sowie

– unzureichendes Eindenken und Einfühlen inandere.

Hinzu kommen Überlappungen zu Aufmerk-samkeitsstörungen, was vermutlich in erster Li-

nie durch die unzureichend ausgebildete Fähig-keit bedingt ist, motorische Ruhe und Entspan-nung zu realisieren. Differentialdiagnostischlassen sich Aufmerksamkeitsstörungen von Ag-gression vor allem aufgrund der unterschied-lichen Intentionen abgrenzen, die dem Verhal-ten zugrunde liegen. So versteht man unter«Aggression» eine zielgerichtet schädigendeVerhaltensweise, die das Ziel verfolgt, eigeneInteressen egoistisch durchzusetzen. Aufmerk-samkeitsgestörte Kinder leiden dagegen oft un-ter dem Unvermögen, ihr Verhalten gezielt zusteuern. Von dem gezielt schädigendem Ver-halten aggressiver Kinder kann man auch Trotz-anfälle (vor allem in der frühen Kindheit) ab-grenzen, die durch oppositionelles Verhaltengegenüber Eltern oder anderen Bezugspersonengekennzeichnet sind, diese jedoch nicht schä-digen sollen.

• Angststörungen. Vergleichsweise «heimliche»Auffälligkeiten, unter denen das betroffeneKind und seine Familie mehr zu leiden habenals die weitere Umgebung, sind dagegen Angst-störungen. Im DSM-IV wird nur die Trennungs-angst als spezifische Angst in der Kindheit oderAdoleszenz aufgeführt, während die Störungmit Kontaktvermeidung und die Störung mitÜberängstlichkeit als kindheitsspezifische Äng-ste aufgegeben und den Störungen: «SozialePhobie» und «Generalisierte Angststörung», dieauch für Erwachsene gelten, zugeordnet wur-den. Grund hierfür ist, daß für beide Angst-störungen keine andersartigen, nur für das Kin-desalter geltenden Ausprägungen auffindbarsind, so daß die Unterscheidung zu Störungenim Erwachsenenalter sinnlos scheint.

Gemäß DSM-IV spricht man von einer Stö-rung mit Trennungsangst, wenn ein Kind (unter18 Jahren) mindestens vier Wochen unter fol-genden Symptomen leidet: übermäßigem Kum-mer bei einer möglichen oder tatsächlichenTrennung von einer wichtigen Bezugsperson;der Verweigerung des Schulbesuchs sowie Kla-gen über körperliche Beschwerden bei einer be-vorstehenden Trennung.

Bei Störungen mit Überängstlichkeit (Generali-sierte Angststörung) machen sich Kinder über zu-künftige Ereignisse große Sorgen. Bei solchenÄngsten kann man keine angstauslösenden Er-eignisse festmachen, sondern es stehen genera-lisierte Ängste, die auch nicht auf eine Tren-

Page 4: 1-B-39

39. Verhaltens- und Entwicklungsstörungen bei Kindern und Jugendlichen 955

nung bezogen sind, im Mittelpunkt. Als zusätz-liche psychosomatische Beschwerden könnenAtemnot, Übelkeit oder Einschlafstörungenauftreten. Störungen mit Überängstlichkeit las-sen sich vorwiegend als soziale Ängste auf-fassen, die durch Leistungsängste und einemangelnde soziale Sicherheit geprägt sind (vgl.Petermann & Petermann, 1996b).

Die zu diesem Bereich gehörenden Störungenmit Kontaktvermeidung (Soziale Phobie) könnenauch als soziale Unsicherheit umschrieben wer-den (Petermann & Petermann, 1996b). Sozialunsichere Kinder sind bei ihnen nicht vertrau-ten Personen scheu, schüchtern und sozial zu-rückgezogen; sie verweigern die Aufforderung,mit Freunden zu interagieren. Bei massiver so-zialer Angst sind diese Kinder zudem «selektivmutistisch» oder sie «stottern», sind passiv undohne Selbstvertrauen. Es bestehen Übergängezur Störung mit Trennungsangst, und eine dif-ferentialdiagnostische Unterscheidung vonschweren Formen der Kontaktvermeidung undleichten Fällen der Autistischen Störungenkann unter Umständen problematisch sein.Eine Klärung der Entwicklungsgeschichte desKindes ist in solchen Fällen unabdingbar.

• Selektiver Mutismus. Diese Störung ist durcheine Vielzahl gut erkennbarer Symptome ge-kennzeichnet: Vordergründig handelt es sichum eine Sprach- und Sprechstörung, die in derKommunikation mit einigen Partnern des Kin-

des zu einer völligen «Verstummung» führt. Mitanderen Partnern, in der Regel den engeren Fa-milienmitgliedern, erfolgt ein altersgemäßerAustausch. Die Sprechverweigerung ist zwar aufviele soziale Situationen bezogen, dennoch ver-stehen diese Kinder Gesprochenes und besitzenausreichende Sprachfertigkeiten. MutistischeKinder äußern sich meist nur mit einem Kopf-nicken und kurzen, monotonen Äußerungen.Manchmal treten durch den mangelndenSprachgebrauch Sprachentwicklungsverzöge-rungen auf. Es sind zudem weitere Verhaltens-auffälligkeiten festzustellen: Die Kinder sindübermäßig schüchtern, sozial isoliert, abgekap-selt, anhänglich und verweigern oft den Schul-besuch. Bei nachhaltigen Anforderungen tre-ten vor allem im häuslichen Bereich totaleVerweigerung und/oder Wutausbrüche auf.

2.2 Klassifikation vonEntwicklungsstörungen

Man unterscheidet die geistige Behinderungvon tiefgreifenden Entwicklungsstörungen undspeziellen Entwicklungsstörungen, wie Lern-störungen, Störungen motorischer Fertigkeitenund Kommunikationsstörungen, wie Tabelle 2illustriert. Besonders bekannt ist die AutistischeStörung, die man bis zur Revision des DSM-IIIals frühkindlichen Autismus bezeichnete. Dasich diese umfassende Störung definitions-

Tabelle 2: Übersicht über ausgewählte Entwicklungsstörungen im Kindes- und Jugendalter gem. DSM-IV (Ameri-can Psychiatric Association, 1996; ICD-9-CM Code; ICD-10 Code)

(1) Geistige Behinderung– Schwere geistige Behinderung (318.1; F72.9)

(2) Tiefgreifende Entwicklungsstörungen– Autistische Störung (299.00; F84.0)– Rett-Störung (299.80; F84.2)– Asperger-Störung (299.80; F84.5)

(3) Lernstörungen– Lesestörung (315.00; F81.0)– Rechenstörung (315.1; F81.2)– Störung des schriftlichen Ausdrucks (315.2; F81.8)

(4) Störung der motorischen Fertigkeiten– Entwicklungsbezogene Koordinationsstörungen (315.4; F82)

(5 ) Kommunikationsstörungen– Expressive Sprachstörung (315.31; F80.1)– Stottern (307.0; F98.5)

Page 5: 1-B-39

956 B. Störungsbezogener Teil VII: Störungen von Funktionsmustern

gemäß in den ersten drei Lebensjahren manife-stiert, wurde der Begriff zugunsten der «Autisti-schen Störung» fallengelassen.

Die Autistische Störung ist nach DSM-IV durchBeeinträchtigungen (1) der sozialen Interak-tion, (2) des Einsatzes verbalen und nonverba-len Verhaltens und (3) des Spielverhaltens ge-kennzeichnet, von denen zumindest in einemBereich, Auffälligkeiten vor Ende des drittenLebensjahres vorliegen (vgl. Tab. 3).

Einige Experten gehen heute von einer Spek-trumsstörung Autismus aus (vgl. Cohen,Donellan & Paul, 1987). Das Spektrum reichtvon Kindern, mit einer zusätzlichen geistigenBehinderung, bis zu normalintelligenten Kin-dern mit leichten autistischen Zügen.

Sehr viel häufiger als die Autistische Störungsind spezielle Entwicklungsstörungen, wie dieSprach- und Sprechstörungen, Störungen schu-lischer und motorischer Fertigkeiten, die nichtThema dieses Beitrags sind. Solche Störungs-bilder werden traditionell in Handbüchern derPädagogischen Psychologie oder der Heilpäd-agogik abgehandelt.

2.3 Verhaltens- versusEntwicklungsstörungen

In der Praxis wird immer wieder deutlich, wiestark sich Verhaltens- und Entwicklungsstö-rungen überlappen. Aufgrund praktischer undtheoretischer Hinweise wird es zukünftig zuneh-mend erforderlich, eine genaue Spezifizierungder entwicklungs- und lernbedingten Anteilevon Entwicklungs- oder Verhaltensstörungenanzugeben. Da jedoch im klinischen Erschei-

nungsbild oft Ursache und Folgen schwer zutrennen sind, ist für den Bereich der Störungenim Vorschulalter folgendes Vorgehen zu emp-fehlen:

– Eine Verhaltensstörung ist generell wahr-scheinlich, wenn das chronologische Altermit dem Entwicklungsalter übereinstimmt.Nach einer solchen Prüfung sollten die ver-schiedenen Vorgehensweisen der Verhaltens-analyse (s. unten) durchgeführt werden.

– Eine Entwicklungsstörung ist immer dannwahrscheinlich, wenn chronologisches undEntwicklungsalter allgemein oder in spezifi-schen Entwicklungsbereichen nicht überein-stimmen. Dementsprechend prüft man nacheiner globalen Feststellung des Entwicklungs-standes spezifische Entwicklungsbereiche (vgl.Steinhausen, 1993).

– In vielen Fällen wird eine spezifische Ent-wicklungsstörung mit einer Verhaltens-störung verbunden auftreten. Hier wird zuprüfen sein, inwiefern aus vorliegenden Ent-wicklungsstörungen Verhaltensstörungen re-sultieren (kann eine AufmerksamkeitsstörungFolge eines kognitiven Entwicklungsdefizitssein und in spezifischen Anforderungssitua-tionen beobachtet werden). Bei vorliegendenVerhaltensstörungen wird es jedoch auchnotwendig sein, die prognostischen Auswir-kungen auf zukünftige Entwicklungsschrittezu überprüfen. So kann zum Beispiel eineAufmerksamkeitsstörung (bei altersgerechterEntwicklung) zu zukünftigen sozialen oderkognitiven Entwicklungsrückständen führen(wenn eine anfänglich situationsspezifischeAufmerksamkeitsstörung sich immer mehrim schulischen Bereich auswirkt).

Tabelle 3: Charakteristische Auffälligkeiten autistischer Kinder

• Beeinträchtigungen im Gebrauch nonverbaler Verhaltensweisen wie Blickkontakt, Gesichtsausdruck,Körperhaltung, Gestik;

• kein Sprechen oder charakteristische Auffälligkeiten im Sprachgebrauch (z.B. Echolalie);

• Unfähigkeit, Beziehungen zu Gleichaltrigen aufzubauen;

• mangelndes Bewußtsein für die Existenz oder Gefühle anderer;

• kein Interesse, anderen etwas zu zeigen oder Erfolge mit ihnen zu teilen;

• kein oder beeinträchtigtes Nachahmungsverhalten;

• abnormes, stereotypes und nicht phantasievolles Spielverhalten;

• beharrliches, oft nicht funktionales Beschäftigen mit Teilen von Objekten (z.B. Beschnüffeln oder Beriechen,Herumdrehen) und

• stereotype Körperbewegungen.

Page 6: 1-B-39

39. Verhaltens- und Entwicklungsstörungen bei Kindern und Jugendlichen 957

Tabelle 4: Elternexploration zur Erfassung von Verhaltensstörungen (vgl. Petermann & Petermann, 1997, S. 45–55)

Wichtige Bereiche der Exploration

1. Körperliche Entwicklung des Kindes

2. Entwicklung sozialer Beziehungen (Kindergar ten, Schule, Familienverband)

3. Verhaltensanalyse des familiären Geschehens

4. Feststellung positiver Ressourcen beim Kind bzw. der Familie

5. Informationen bezüglich des schulischen Verhaltens

6. Einschätzungen über die Beziehungen zu Geschwistern und Gleichaltrigen

7. Informationen über familiäre Aktivitäten (z. B. in der Freizeit)

8. Daten zur Eltern-Kind-Beziehung (Unterstützung, Anerkennung, Grenzsetzung)

9. Soziale Belastbarkeit des Kindes (therapiespezifische Daten)

3. DiagnostikVerhaltensstörungen kann man auf mehrerenEbenen feststellen. Wichtige Informationen be-ziehen sich auf die Einschätzungen, die dasKind, die Eltern und andere Bezugspersonen(z.B. Kindergärtnerin, Lehrer) abgeben. Da Ver-haltensstörungen nicht auf alle Bereiche desZusammenlebens generalisieren, es also z.B.nicht «das» aggressive Kind gibt, müssen dia-gnostische Informationen situationsbezogenerhoben werden. Dies bedeutet, daß die Hand-lungszusammenhänge konkret in der Interak-tionssequenz analysiert werden.

Hierfür bieten sich an: Elternexplorationen,die die Entwicklung des Kindes und die aktuel-len Bedingungen erhellen; verhaltensbezogeneDaten (z.B. mit Hilfe von Videoanalysen typi-scher Problemsituationen) und situationsbezo-gene Testverfahren, die die Einschätzung desKindes erfragen (Überblick s. Tab. 5).

• Aggression. Zunächst wird man die Eltern aus-führlich explorieren, um die Bereiche abzuklä-ren, die in Tabelle 4 aufgeführt sind. In einemnächsten Schritt wird man über mehrere Zeit-punkte (z.B. eine Woche täglich) in der Schuleoder einer stationären Einrichtung z.B. dasaggressive Verhalten beobachten. Besondersinteressant ist es dabei, wie das Kind mit Anfor-derungssituationen (verbalen Angriffen, Miß-erfolgen) umgeht. Ein solches Vorgehen ermög-licht der Beobachtungsbogen für aggressives

Verhalten (BAV; Petermann & Petermann, 1997).Es handelt sich bei diesem Verfahren um einetherapiebezogene Interaktionsdiagnostik, dieals teilnehmende Beobachtung oder Video-analyse durchgeführt wird und relevante Di-mensionen aggressiven Verhaltens erfaßt (z.B.verbal/nonverbal, offen/verdeckt, aktiv/passiv).Es wäre zudem wünschenswert, den Klassen-lehrer um systematische Urteile zu bitten, dieauf das konkrete Unterrichtsgeschehen bezo-gen sind. Die Beurteilungshilfen für Lehrer (BFL;Janowski, Fittkau & Rauer, 1981) ermöglichenes, anhand situationsspezifscher und im Schul-alltag beobachtbarer Schülerverhaltensweisen,Aussagen über 16 lernzielorientierte Verhaltens-merkmale zu treffen. Es werden zusätzlich spe-zifische Fördermöglichkeiten angeboten.

In einem dritten Schritt wird man mit situa-tionsbezogenen Testverfahren versuchen, dieBedingungen (Elternhaus, Schule etc.) genauherauszufinden, unter denen eine spezifischeForm von Aggression auftritt ( hinterhältigesVerhalten). Für eine solche Erhebung eignetsich der Erfassungsbogen für aggressives Verhaltenin konkreten Situationen (EAS; Petermann & Pe-termann, 1996c). Hier wird das kindspezifischeReaktionsprofil beim Umgang mit Konflikt-situationen erhoben.

• Angststörungen. Für die Diagnostik von Angst-störungen bietet sich der Beobachtungsbogen fürsozial unsicheres Verhalten (BSU; Petermann &Petermann, 1996b) an, der eine systematische

Page 7: 1-B-39

958 B. Störungsbezogener Teil VII: Störungen von Funktionsmustern

Tabelle 6: Übersicht über einige spezifische Erhebungsverfahren zur Diagnostik von Entwicklungsstörungen

(1) Autismus– Childhood Autism Rating Scale CARS (Schopler et al., 1988)– Entwicklungs- und Verhaltensprofil P.E.P. (Schopler & Reichler, 1981)– Autism Diagnostic Observation Schedule ADOS (Lord et al., 1989)

(2) Lese- und Schreibstörung– Diagnostischer Rechtschreibtest für 1./2./3./4./5. Klassen DRT-1-5 (Müller, 1990)– Diagnostischer Lesetest zur Frühdiagnose von Lesestörungen DLF-1-2 (Müller, 1984)

(3) Sprachstörungen– Aktiver Wor tschatztest für 3–6jährige Kinder AWST 3-6 (Kiese & Kozielski, 1996)– Heidelberger Sprachentwicklungstest HSET (Grimm & Schöler, 1991)

Tabelle 5: Übersicht über einige spezifische Erhebungsverfahren zur Diagnostik von Verhaltensstörungen

(1) Aufmerksamkeitsstörungen– Test d2 Aufmerksamkeits-Belastungs-Test (Brickenkamp, 1994)– Fragebogen zum Hyperkinetischen Syndrom und Therapieleitfaden HKS (Klein, 1993)

(2) Aggression– Beobachtungsbogen für aggressives Verhalten BAV (Petermann & Petermann, 1997)– Beurteilungshilfen für Lehrer (Janowski et al., 1981)– Erfassungsbogen für aggressives Verhalten in konkreten Situationen EAS (Petermann & Petermann, 1996c)

(3) Angststörungen– Beobachtungsbogen für sozial unsicheres Verhalten BSU (Petermann & Petermann, 1996b)– Angstfragebogen für Schüler AFS (Wieczerkowski et al., 1980)

Verhaltensanalyse in zwölf Kategorien (u.a.Sprachäußerungen, Körpersprache, Sozialkon-takt) möglich macht. Sowohl für Einzel- alsauch für Gruppenuntersuchungen kann derAngstfragebogen für Schüler (AFS; Wieczerkowskiet al., 1980) eingesetzt werden. Der AFS ist einmehrfaktorieller Fragebogen, der das Ausmaßvon Prüfungsangst, manifester Angst undSchulunlust erfaßt. Zusätzlich liegen Ein-schätzskalen für die Fremdbeurteilung durchdie Lehrer vor.

• Aufmerksamkeitsstörungen. Diese können öko-nomisch und zuverlässig mit dem Aufmerk-samkeits-Belastungs-Test d2 (Brickenkamp, 1994)erhoben werden. Bei diesem Durchstreichtestwerden Tempo und Sorgfalt bei der Unterschei-dung ähnlicher visueller Reize gemessen. DerFragebogen zum Hyperkinetischen Syndrom (HKS;Klein, 1993) ermöglicht es, hyperkinetischeKinder nicht nur zu diagnostizieren, sonderndaneben eine auf das Störungsbild abgestimmteTherapie zu planen und durchzuführen.

Die hier beschriebenen und in Tabelle 5 aufge-führten gängigen Verfahren zur Diagnostik vonVerhaltensstörungen verdeutlichen eine Wen-de, die zu einem weitgehenden Verzicht auf dieklassischen Ansätze der Persönlichkeitsdiagno-stik beiträgt.

Ähnliche Tendenzen zeichnen sich auch inder Entwicklungsdiagnostik ab (s. Tab. 6 mit Aus-wahl spezifischer Erhebungsverfahren). Am Bei-spiel der Diagnostik autistischer Störungen solldies erläutert werden.

• Autismus. Neuere Forschungsergebnisse legenes nahe, die Beeinträchtigungen verschiedenerEntwicklungsbereiche bei autistischen Kindernin Verbindung miteinander zu untersuchen. Eswird dabei das Ziel verfolgt, Profile der kom-munikativen und kognitiv-sozialen Fähigkeitenzu erstellen (vgl. Kusch & Petermann, 1990).Da sich autistische Kinder vor allem in der Qua-lität ihres sozialen Verhaltens, wie der Initi-ierung von Kommunikation und ihrer Reaktionauf Aufmerksamkeitslenkung signifikant von

Page 8: 1-B-39

39. Verhaltens- und Entwicklungsstörungen bei Kindern und Jugendlichen 959

sehr jungen normalen oder geistig behindertenKindern unterscheiden, wird eine Videoanalysezur Interaktionsdiagnostik eingesetzt. Neue Stu-dien belegen, daß eine sorgfältige videogestütz-te Analyse der natürlichen Mutter-Kind-Inter-aktion die typischen sozial-kommunikativenAuffälligkeiten dieser Kinder schon vor demvierten Lebensjahr aufdecken kann und dieseKinder so einer frühen Förderung zugänglichgemacht werden können (Cordes, 1995). ZurDurchführung einer Interaktionsdiagnostik imKindes- und Jugendalter kann man die spezifi-schen Verhaltensaspekte der Childhood AutismRating Scale (CARS) von Schopler, Reichler undRenner (1988, deutsch: Steinhausen, 1993) her-anziehen. Dieses Verfahren verwendet Datenaus einer strukturierten Verhaltensbeobachtungund erlaubt, anhand von 15 Ratingskalen, au-tistische und geistig behinderte Kinder zu diffe-renzieren sowie mittelgradig beeinträchtigteAutisten und kommunikationsgestörte Kinderohne Autismus zu unterscheiden. Zur differen-zierten Beurteilung des Autismus sind weiter-hin Entwicklungs- und Intelligenzprofile vonzentraler Bedeutung. Das Entwicklungs- undVerhaltensprofil P.E.P. von Schopler und Reich-ler (1981) ist ein speziell für autistische Kinderkonzipiertes Testverfahren, das die Fähigkeitenin den verschiedenen Entwicklungsbereichensowie psychopathologische Auffälligkeiten er-hebt. Der Autism Diagnostic Observation Schedule(ADOS; Lord et al., 1989) ist ein differenziertesBeobachtungssystem, das Module für nicht-sprechende, wenig-sprechende und Kinder, mitaltersgemäßer Sprachfähigkeit enthält und fürverschiedene Altersstufen anwendbar ist.

• Lese- und Schreibstörungen. Bei dem Diagnosti-schen Rechtschreibtest (Müller, 1990) handelt essich um ein differenziertes System, das sowohlzur Früherkennung von Rechtschreibschwächen(ab 1. Klasse) als auch zur Bestimmung derSchulleistung (3. bis 5. Klassen) eingesetztwerden kann. Neben einer quantitativen Ein-stufung der Rechtschreibleistung, erlauben qua-litative Analysen die Bestimmung der Fehler-schwerpunkte, was als Grundlage für gezielteFörderung dient. Um differenziert und sehrumfassend sprachliche Fähigkeiten von Kin-dern zwischen dem dritten und neunten Le-bensjahr zu erheben, kann der HeidelbergerSprachentwicklungstest (HSET, Grimm & Schöler,

1991) eingesetzt werden. Der Test besteht aus13 Untertests, die neben dem beobachtbarenSprachverhalten, Aussagen über die demVerhalten zugrundeliegenden Wissensvoraus-setzungen (z.B. Bildung von Ableitungsmor-phemen) und Verarbeitungsmechanismen (z.B.Enkodierung, Rekodierung) treffen.

4. LiteraturAmerican Psychiatric Association. (1996). Diagnostisches

und statistisches Manual psychischer Störungen – DSM-IV(Deutsche Bearbeitung und Einleitung: Saß, H., Witt-chen, H.U., Zaudig, M.). Göttingen: Hogrefe.

Brickenkamp, R. (1994). Test d2 Aufmerksamkeits-Bela-stungs-Test (8. erw. Auflage). Göttingen: Hogrefe.

Cohen, D. J., Donnellan, A.M. & Paul, R. (Eds.). (1987).Handbook of autism and pervasive developmental dis-orders. New York: Wiley.

Cordes, R. (1995). Soziale Interaktion autistischer Kleinkin-der. Videogestützte Analyse der Kommunikation zwi-schen Mutter und Kind. Weinheim: Deutscher Studi-en Verlag.

Döpfner, M. (1998). Hyperkinetische Störungen. In F.Petermann (Hrsg.), Lehrbuch der Klinischen Kinder-psychologie (3. korr. Aufl., S. 165–217). Göttingen:Hogrefe.

Grimm, H. & Schöler, H. (1991). Heidelberger Sprachent-wicklungstest (HSET) (2. verbesserte Aufl.). Göttingen:Hogrefe.

Janowski, A., Fittkau, B. & Rauer, W. (1981). Beurteilungs-hilfen für Lehrer. Braunschweig: Westermann.

Kiese, C. & Kozielski, P.M. (1996). Akitver Wortschatztestfür 3–6jährige Kinder (AWST 3–6) (2. Aufl.). Weinheim:Beltz.

Klein, L. (1993). HKS. Diagnostik und Therapie beim Hyper-kinetischen Syndrom. Fragebogen zum Hyperkine-tischen Syndrom und Therapieleitfaden. Weinheim:Beltz.

Kusch, M. & Petermann, F. (1990). Sozialverhalten auti-stischer Kinder. Zeitschrift für Klinische Psychologie, Psy-chopathologie und Psychotherapie, 38, 206–224.

Kusch, M. & Petermann, F. (1998). Konzepte und Ergeb-nisse der Entwicklungspsychopathologie. In F. Peter-mann (Hrsg.), Lehrbuch der Klinischen Kinderpsychologie(3. korr.Aufl., S. 53–93). Göttingen: Hogrefe.

Lord, C., Rutter, M., Goode, S., Heembsbergen, J., Jor-dan, H., Mahwood, L. & Schopler, E. (1989). AutismDiagnostic Observation Schedule: A standardized ob-servation of communicative and social behavior. Jour-nal of Autism and Developmental Disorders, 19, 186–212.

Müller, R. (1984). Diagnostischer Lesetest zur Frühdiagnosevon Lesestörungen (DLF 1–2). Weinheim: Beltz.

Müller, R. (1990). Diagnostischer Rechtschreibtest für 1.Klassen (DRT 1). Weinheim: Beltz.

Petermann, F., Lehmkuhl, G., Petermann, U. & Döpfner,M. (1995). Klassifikation psychischer Störungen imKindes- und Jugendalter nach DSM-IV – Ein Vergleichmit DSM-III-R und ICD-10. Kindheit und Entwicklung,14, 171–182.

Page 9: 1-B-39

960 B. Störungsbezogener Teil VII: Störungen von Funktionsmustern

Petermann, F. & Petermann, U. (1996a). Training mit Ju-gendlichen: Förderung von Arbeits- und Sozialverhalten(5. überarbeitete Aufl.). Weinheim: Psychologie Ver-lags Union.

Petermann, U. & Petermann, F. (1996b). Training mitsozial unsicheren Kindern (6. erw. Aufl.). Weinheim:Psychologie Verlags Union.

Petermann, F. & Petermann, U. (1996c). Erfassungsbogenfür aggressives Verhalten in konkreten Situationen (EAS-J;EAS-M) (3. korr. Aufl.). Göttingen: Hogrefe.

Petermann, F. & Petermann, U. (1997). Training mit ag-gressiven Kindern (8. erg. Aufl.). Weinheim: Psycho-logie Verlags Union.

Remschmidt H. & Schmidt, M. (Hrsg.). (1994). Multi-axiales Klassifikationsschema für psychische Störungendes Kindes- und Jugendalters nach ICD-10 der WHO. (3.rev. Auflage). Bern: Huber.

Schopler, E. & Reichler, R.J. (1981). Entwicklungs- undVerhaltensprofil. P.E.P. Dortmund: Verlag modernes ler-nen.

Schopler, E., Reichler, R.J. & Renner, B.R. (1988). TheChildhood Autism Rating Scale (CARS). Los Angeles:Western Psychological Services.

Steinhausen, H.-Ch. (1993). Psychische Störungen im Kin-des- und Jugendalter (2. Aufl.). München: Urban &Schwarzenberg.

Warnke, A. (1998). Umschriebene Lese-Rechtschreib-störung. In F. Petermann (Hrsg.), Lehrbuch der Klini-schen Kinderpsychologie (3. korr. Aufl., S. 287–323). Göt-tingen: Hogrefe.

Wieczerkowski, W., Nickel, H., Janowski, A., Fittkau, B.& Rauer, W. (1980). Angstfragebogen für Schüler (AFS)(6. Aufl.). Braunschweig: Westermann.

Page 10: 1-B-39

961

39.2 Verhaltens- und Entwicklungs-störungen bei Kindern und Jugendlichen:InterventionFranz Petermann

Inhaltsverzeichnis1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 961

2. Aggression . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9622.1 Grundlagen und Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . 9622.2 Konkretes Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 963

3. Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitäts-störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 964

3.1 Grundlagen und Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . 9643.2 Konkretes Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 965

4. Soziale Unsicherheit und Angststörungen . . . 9664.1 Grundlagen und Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . 9664.2 Konkretes Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 967

5. Autismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9685.1 Grundlagen und Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . 9685.2 Konkretes Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 969

6. Prävention und Mediatorenansatz . . . . . . . . 9716.1 Grundlagen und Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . 971

6.2 Konkretes Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 971

7. Familienbezogene Intervention . . . . . . . . . . 9727.1 Grundlagen und Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . 9727.2 Konkretes Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9737.2.1 Parent-Management-Training der Arbeits-

gruppe um G.R. Patterson . . . . . . . . . . . . 9737.2.2 Funktionale Familientherapie der Arbeits-

gruppe um I.F. Alexander . . . . . . . . . . . . . 974

8. Pharmakotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9748.1 Grundlagen und Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . 9748.2 Konkretes Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9768.2.1 Pharmakologische Hyperaktivitäts-

behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9768.2.2 Pharmakologische Autismusbehandlung . . . 977

9. Generalisierung der Ergebnisse . . . . . . . . . . 978

10. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 979

1. EinleitungNeueren Studien aus den USA zufolge leidenheute etwa 12 bis 17 Prozent der Kinder undJugendlichen an emotionalen oder Verhaltens-störungen (Kazdin, 1991). Ähnliche Ergebnissewerden auch für den deutschsprachigen Raumberichtet. In einer großangelegten prospektivenLängsschnittsstudie von Esser et al. (1992) wie-sen 16 bis 18 Prozent der 8- bis 18jährigen psy-chische Störungen auf, von denen etwa einViertel (das entspricht etwa 200000 Kindern inden alten Bundesländern) dringend behand-lungsbedürftig waren. Viele der Störungen wie-sen einen chronischen Verlauf auf, dauertenalso bis ins Erwachsenenalter an. Nach Tuma(1989) erhalten aber nur 1 Prozent der Behand-

lungsbedürftigen stationäre, 5 Prozent ambu-lante, jedoch 80 Prozent nie eine professionelleHilfe! Die therapeutischen Angebote umfassenzumeist medizinische, pharmakologische, psy-chologische und ernährungsbezogene Maß-nahmen. Von diesen sind nur wenige empi-risch gut abgesichert; Wirksamkeitsnachweiseerbringen vor allem pharmakologische undkognitiv-verhaltenstherapeutische Vorgehens-weisen (Schmidt & Brink, 1995). Weisz, Weiss,Han, Granger und Morton fanden in ihrer neuenMetaanalyse von 150 Therapievergleichsstudien,deutlich höhere Effektstärken für verhaltens-therapeutische verglichen mit nicht-behavio-ralen (wie klientenzentrierten und psychodyna-mischen) Therapieformen (Weisz, Weiss, Han,Granger & Morton, 1995). Besonders durch die

Page 11: 1-B-39

962 B. Störungsbezogener Teil VII: Störungen von Funktionsmustern

systematische Desensibilisierung, operante Me-thoden sowie das Modellernen und Methoden-kombinationen konnten positive Effekte erzieltwerden. Unter den nicht-behavioralen Thera-pieformen weisen personenzentrierte Ansätzedie vergleichsweise höhere Wirksamkeit auf,wobei die Effektstärke insgesamt aber als geringeinzuschätzen ist (vgl. Döpfner, 1997). Trotzdieser Befunde werden heute noch immer eineVielzahl nicht überprüfter oder aber nur geringwirksamer Therapieformen in der Arbeit mitKindern und Jugendlichen angewandt. Folgen-schwer sind jedoch auch andere Zustände: Sofallen der Störungsausbruch und der Behand-lungsbeginn vielfach weit auseinander: Diemeisten Autistischen Störungen beginnen z.B.vor dem zweiten Lebensjahr, werden jedocherst zwischen dem vierten und fünften Lebens-jahr identifiziert. Die frühe Behandlung anti-sozialen Verhaltens bei Grundschulkindernkann eine Chronifizierung und die Entwick-lung schwerer aggressiver Störungen im Jugend-alter verhindern (Tolan, Guerra & Kendall,1995). Prävention und Früherkennung psychi-scher Entwicklungsrisiken spielen im deutsch-sprachigen Raum dennoch leider noch immereine untergeordnete Rolle.

Bei der Behandlung von Verhaltens- und Ent-wicklungsstörungen haben sich seit Mitte derachtziger Jahre einschneidende Veränderungenergeben. Psychologische Fördermaßnahmenbeziehen sich immer häufiger sowohl auf dasauffällige Kind selbst als auch auf die Familieund seine weitere soziale Umgebung (Kinder-garten, Schule). Will man eine breitangelegteMaßnahme durchführen und gezielt vorhersag-bare Effekte erzielen, benötigt man nach Patter-son, Reid und Dishion (1990) Therapie- bzw.Trainingspakete, aufgrund derer das Kind undseine Familie in verschiedenen Bereichen neu-es Verhalten lernen können. Solche Pakete be-inhalten differenziert ausgearbeitete Bausteine,die auf den Entwicklungsstand des Kindes ab-gestellt werden. Diese Sichtweise hat den isolier-ten Einsatz von Einzelverfahren, wie Problem-löse- oder Selbstkontrollansätze, weitgehendverdrängt. Neu ist auch, daß klinische Störun-gen bei Kindern und Jugendlichen in ihremEntwicklungsverlauf und in Abhängigkeit vonden Entwicklungsaufgaben betrachtet werden(Kusch & Petermann, 1998). Die Entwicklungs-psychopathologie beschäftigt sich so z.B. mit

der entwicklungsbedingten Verschiebung vonHyperaktivität zur Aggression und späteren De-linquenz (Warschburger & Petermann, 1997).Auch Studien über das gemeinsame Auftretenverschiedener Störungen, sog. Komorbiditäts-studien, gewinnen zunehmend an Bedeutung.Empirische Analysen zeigen z.B., daß bei denAutistischen Störungen 70 Prozent der Betrof-fenen zusätzlich geistig behindert sind und imJugendalter bei einem Drittel Epilepsie auftritt(vgl. Kusch & Petermann, 1991). Etwa 36 Pro-zent der ängstlichen Kinder weisen mindestenszwei verschiedene Angststörungen auf, etwa 15Prozent sind zusätzlich depressiv (Essau & Pe-termann, 1998). In solchen Fällen sind die er-wähnten komplexen Behandlungspakete für ei-ne erfolgreiche Förderung notwendig.

Im weiteren werden wir lediglich zu einigenausgewählten Störungen die Grundlagen, Zieleund konkreten Vorgehensweisen einer psy-chologischen Behandlung ausführen. Wir be-schränken uns auf drei Verhaltensstörungen(Aggression, Hyperaktivität/Unaufmerksamkeit,Soziale Unsicherheit) und eine Entwicklungs-störung (Autismus). Daran schließen sich Über-legungen zu folgenden Themen an: Präventionund Mediatorenansatz, familienbezogene Inter-ventionen, Pharmakotherapie und Generalisie-rung der Ergebnisse.

2. Aggression

2.1 Grundlagen und Ziele

Bei aggressiven Kinder ist in der Regel eine ver-zerrte und unangemessene Informationsverar-beitung beobachtbar, die gerade die Interpreta-tion sozialer Situationen beeinträchtigt (vgl.Petermann & Petermann, 1997; Petermann &Warschburger, 1998). Typisch für die sozialeWahrnehmung dieser Kinder ist, daß sie überweniger alternative Lösungen für interperso-nelle Probleme verfügen, sich stärker auf Zielekonzentrieren als auf Mittel und Wege, diese zuerreichen und unsensibel für Konfliktsituatio-nen sind. Ihre Selbst- und Fremdwahrnehmungist oft verzerrt und sie weisen deutliche Defiziteim Umgang mit Problemen und Frustrationen,auf (Petermann & Warschburger, 1998). Zen-trale Aufgabe bei der Planung einer «Aggres-sionsbehandlung» ist es daher, aggressiven Kin-

Page 12: 1-B-39

96339. Verhaltens- und Entwicklungsstörungen bei Kindern und Jugendlichen

dern neue soziale Fertigkeiten zu vermitteln, dieAggression als Mittel der zwischenmensch-lichen Kontaktgestaltung überflüssig machenund eine Verbesserung ihrer sozialen Wahrneh-mung beinhalten.

2.2 Konkretes Vorgehen

Viele Studien belegen, wie schwer es ist, lang-fristige, stabile Verhaltensänderungen bei ag-gressiven Kindern zu erreichen, was u.a. auchmit der mangelnden Therapiebereitschaft, demoft späten Therapiebeginn und der Vielzahl derbetroffenen Lebensbereiche zusammenhängt(vgl. Petermann & Warschburger, 1998). Kom-plexe, verhaltenstherapeutische Programme,die möglichst frühzeitig beginnen, können da-bei die besten Erfolge erlangen (Petermann &Petermann, 1997, 1996a). Im folgenden sollendiese Verfahren daher im Vordergrund stehen.

Ein interessantes Vorgehen entwickeltenFeindler und Ecton (1986), mit dem aggressiveKinder lernen sollten, mit negativen Gefühlen(Ärger, Wut) umzugehen. Bei dem Ärger-Kon-troll-Training gehen die Autoren davon aus,daß Aggression erheblich von Ärger und Wutbeeinflußt wird. Konsequenterweise versuchensie, diese Gefühle im Vorfeld eines aggressivenKonfliktes zu kanalisieren. Der «Ärger/Wut-Aggression-Automatismus» kann nach Feindlerund Ecton (1986) durch drei Schritte durchbro-chen werden: Erstens, indem aggressive Kinderalternatives Verhalten suchen und wahrneh-men, zweitens einüben und über die Zeit festi-gen und drittens auch unter erschwerten Be-dingungen (Ärger/Wut) realisieren.

Diese Schritte werden mit Hilfe von Rollen-spielen umgesetzt, wobei aggressive Kinder dieSituation, die bislang mit Aggression verknüpftwar, neu zu bewerten lernen.

Ein komplexes Kindertraining legt die Ar-beitsgruppe von A.P. Goldstein vor. Die Auto-ren gehen davon aus, daß aggressives Verhal-ten einer charakteristischen Verhaltensfolgeentspricht: zunächst wird dabei ein Ereignisvom Kind als aversiv interpretiert, dies führt zueiner erhöhten affektiven Erregung; da dem ag-gressiven Kind die verschiedenen kommunika-tiven und prosozialen Fertigkeiten im Umgangmit solchen Ereignissen fehlen, kommt es zumaggressiven Verhalten. Goldstein und Keller(1987) nennen sechs Sequenzen, die darüberentscheiden, ob es zum aggressiven Verhaltenkommt oder nicht. Auf jede dieser Sequenzensind konkrete Vorgehensweisen abgestimmt(vgl. Tab. 1).

Neben dem schon beschriebenen Ärger-Kontroll-Training (Feindler & Ecton, 1986) kön-nen Entspannungsverfahren, vor allem zumVermindern motorischer Unruhe und des Er-regungsniveaus aggressiver Kinder, eingesetztwerden. Goldstein und Keller (1987) empfeh-len hier die Methode der progressiven Muskel-entspannung nach Jacobson. Petermann undPetermann (1997) entwickelten speziell für jün-gere Kinder eine bildgetragene Kurzentspan-nung, in die Grundübungen des autogenenTrainings eingebettet sind («Kapitän-Nemo-Ge-schichten»).

Camp und Bash (1985) und Kendall und Bras-well (1985) empfehlen, die Problemlösefertig-keiten aggressiver Kinder zu verbessern. Einsolches Training möchte die dem unangemes-

Konkretes Vorgehen

(1) Ärger-Kontroll-Training

(2) Entspannungstraining

(3) Kommunikationstraining/Verhaltensabsprachen

(4) Kontingenz-Management-Training

(5) Training prosozialer Fertigkeiten

(6) Training prosozialer Einschätzungen

Tabelle 1: Sequenzen der Verhaltensmodifikation (Goldstein & Keller, 1987)

Sequenzabfolge

(1) Übersteigerter Ärger bei Alltagserlebnissen

(2) Erhöhte affektive Erregung

(3) Gestörte Kommunikation

(4) Unzureichende Kontrolle von Kontingenzen

(5) Mangelnde prosoziale Fertigkeiten

(6) Defizite in der Einschätzung prosozialen Verhaltens

Page 13: 1-B-39

964 B. Störungsbezogener Teil VII: Störungen von Funktionsmustern

senen Verhalten zugrunde liegenden kogniti-ven Informationsverarbeitungsprozesse modi-fizieren, d.h. Wahrnehmungsabläufe, Attribu-tionsleistungen, Selbstgespräche, Erwartungen,Problemlösestrategien u.ä. der Kinder verän-dern. Ziel ist es, den Kindern alternatives Ver-halten in Problemsituationen zu ermöglichen.Zu diesem Zweck wird darauf Bezug genom-men, wie ein Kind ein Ereignis in einer Situa-tion wahrnimmt und bewertet. Dem Kind wer-den Methoden nahegebracht, mit denen es dieProbleme schrittweise lösen kann; so werdenbeispielsweise Selbstinstruktionen und Selbst-management eingesetzt. Das Training enthältstrukturierende Anforderungen in Spielformund kognitive Aufgaben, die allmählich denAlltagsproblemen des Kindes angeglichen wer-den. Der Therapeut übernimmt im Trainingeine aktive Rolle, indem er dem Kind Selbst-instruktionsstrategien vormacht. Verschiedeneverhaltenstherapeutische Verfahren werden ein-gesetzt, um dem Kind eine Übernahme undInternalisierung der Problemlösestrategien zuermöglichen (z.B. Modellernen, Rollenspiel-verfahren, Hausaufgaben).

Petermann und Petermann (1997) verbindeneinzelne wirksame Trainingsstrategien und Trai-nings zu einem Paket. Dieses Trainingspaketgeht über eine kindbezogene Strategie hinausund kombiniert ein Einzel- und Gruppen-training für aggressive Kinder mit einer syste-matischen Elternarbeit. Folgende Ziele sollendurch das Training erreicht werden:

– Verändern der Wahrnehmungsgewohnheitendurch eine differenzierte Selbst- und Fremd-beobachtung,

– Einüben angemessener Selbstbehauptung alspositive Alternative zu Aggression sowie Koope-ration und Hilfeleistung als Alternativverhalten,

– Verringern der Gewohnheitsstärke für aggres-sives Verhalten aufgrund neuer Problem-lösungen, die das Kind im Rollenspiel erfah-ren hat,

– Verstärken der Hemmungspotentiale durchEinfühlungsvermögen, das gegenüber demOpfer einer aggressiven Handlung gezeigt wird

– Aufbau von Selbstkontrolle, und– Neubewerten möglicher Folgen durch die Re-

flexion des Verlaufs eines Rollenspiels undder Erfahrung mit neuerworbenem Verhaltenim Alltag.

Das Training wurde für 7- bis maximal 13jäh-rige Kinder entwickelt und wird über einenZeitraum von ungefähr sechs Monaten beiwöchentlich stattfindenden Sitzungen durch-geführt. Für aggressive/delinquente Jugendlicheliegt ein entsprechend weiterentwickeltes Pro-gramm vor (Petermann & Petermann, 1996a).Die Kontrolle der therapeutischen Wirksamkeitbelegt stabile kurz- und längerfristige Effekte(Petermann, 1987), die sich sowohl in einer Re-duktion aggressiven Verhaltens als auch in ei-nem Anstieg prosozialer Fertigkeiten zeigen.Während bei jüngeren Kindern vor allem dieMitarbeit der Eltern für den Erfolg des Trainingswichtig ist, hängt dieser mit steigendem Alterder Kinder stärker davon ab, ob es gelingt, dassoziale Umfeld – vor allem Gleichaltrige – indas Training mit einzubeziehen.

Die Effektivität von kognitiv-verhaltensthera-peutischen Verfahren und Problemlösetrainingsist bisher in einer Reihe von Therapiestudiennachgewiesen worden (Kendall & Braswell,1985; Lochman, 1992). Auch langfristig kannaggressives Verhalten vermindert werden (vgl.Übersicht von Döpfner, 1997). Es werden posi-tive Effekte hinsichtlich der Selbstkontrolle,dem Verhalten in der Schule und im Eltern-haus sowie der Selbstachtung berichtet. Kinderund Jugendliche, die solche Trainings durch-liefen neigten später weniger zum Substanz-mißbrauch oder delinquentem Verhalten(Etscheidt, 1991; Lochman, 1992). Allerdingseignen sich diese Verfahren nach einer Meta-Analyse von Durlak, Fuhrman und Lampman(1991) vor allem für Kinder ab dem elften Le-bensjahr. Jüngere Kinder profitieren insgesamtweniger von kognitiv-behavioralen Verfahren.

3. Aufmerksamkeits- undHyperaktivitätsstörungen

3.1 Grundlagen und Ziele

Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörun-gen stellen neuen Ergebnissen der entwick-lungsorientierten Psychopathologieforschungzufolge eine nicht nur vorübergehende Beein-trächtigung, sondern vielmehr ein oft lebens-lang andauerndes Problem dar (Kusch & Peter-mann, 1998). Chronische Beeinträchtigungen

Page 14: 1-B-39

96539. Verhaltens- und Entwicklungsstörungen bei Kindern und Jugendlichen

sind einer Überblicksarbeit von Naumann(1996) zufolge bis in die späte Adoleszenz zubeobachten. Während etwa 26 Prozent ehemalshyperaktiver Kinder im Jugendalter antisozia-les und aggressives Verhalten entwickeln (Nau-mann, 1996), wird sogar bei 60 Prozent im Ver-lauf ihrer Jugend eine Verhaltensstörungdiagnostiziert (Barkley, Fischer, Edelbrock &Smallish, 1990). Zu den Langzeitfolgen derkindlichen Hyperaktivität zählen auch dersignifikant erhöhte Alkohol- und Drogenmiß-brauch, innere Rastlosigkeit und Unruhe, häu-figer Arbeitsplatzwechsel, Verkehrsunfälle undEheprobleme sowie eine erhöhte Suizidgefahr(Henker & Wahlen, 1989). Prognostisch ungün-stig wirkt sich die Kombination von Aufmerk-samkeits- und Hyperaktivitätsstörungen sowieAggression und/oder Lernstörungen aus, dieaber bei etwa 50 Prozent der Kinder beobachtetwird (Barkley, Fischer, Edelbrock & Smallish,1990).

Um eine Intervention zu planen, muß manzunächst die Zusammenhänge zwischen Ag-gression, Hyperaktivität und Lernstörungenklären und die genaue Störungsentwicklungbetrachten. Liegt die ungünstige und für delin-quentes Verhalten im Jugendalter prädisponie-rende Kombination von Aggression und Hyper-aktivität vor, sind zunächst die im letztenKapitel beschriebenen Interventionsmethodenfür aggressive Kinder angezeigt.

3.2 Konkretes Vorgehen

In der Therapie aufmerksamkeitsgestörter Kin-der haben sich vor allem verhaltenstherapeu-tische Techniken, Selbstinstruktionstrainings,Entspannungsverfahren und die medikamen-töse Therapie (s. Abschnitt 8) bewährt. In An-betracht der großen Anzahl beeinträchtigterFunktionsbereiche werden heute multimodaleVorgehensweisen, wie Kombinationen vonPharmakotherapie, Verhaltenstherapie und El-tern- und Schulberatung als notwendig erach-tet (Döpfner, Lehmkuhl & Roth, 1996).

Das Selbstinstruktionstraining ist eine kogni-tiv-verhaltenstherapeutische Intervention, diein den siebziger Jahren entwickelt wurde (Mei-chenbaum & Asarnow, 1979). Ziel dieser Inter-ventionsformen ist es, die Selbstkontrollfähig-keiten und reflexiven Problemlösestrategien des

Kindes zu verbessern, um so seine Verhaltens-steuerung zu erhöhen. Das Kind soll lernen, sei-ne Aufmerksamkeit zu zentrieren, Impulse zukontrollieren und Handlungspläne zur Auf-gabenbewältigung zu entwickeln. Am Modell des«laut denkenden» Therapeuten lernt das Kind,wie dieser Probleme schrittweise löst. FolgendeSchritte der Aufgabenbewältigung werden dabeivon der Modellperson hervorgehoben, damit dasKind sie als innere Verbalisationen übernimmt:

– Die Bedeutung einer Problemdefinition (Wasgeht hier vor?).

– Die Ausrichtung der Aufmerksamkeit auf Pro-blemaspekte (Womit habe ich Probleme?).

– Das Überlegen und Abwägen verschiedenerLösungsmöglichkeiten (Was kann ich tun?).

– Die Richtigkeit der Lösung und Korrektur vonFehlern (Was ist mir gelungen, was nicht? Wasmuß ich noch tun?).

– Die Bestätigung für den eigenen Erfolg (Dashabe ich gut gemacht!).

Leider konnte bislang die klinische Wirksamkeitvon Selbstinstruktionsverfahren empirisch nichtüberzeugend nachgewiesen werden. Die kogni-tiven Leistungen konnten nicht erhöht, Schul-leistungen nicht verbessert und hyperaktivesVerhalten oft nur kurzfristig reduziert werden(Döpfner, 1998). Nach der Metaanalyse von Saile(1996) sind Erfolge vor allem in Bereichen, dieden trainierten Inhalten sehr nahe liegen, zu ver-zeichnen. Stabile Verbesserungen in Denk- undProblemlöseaufgaben treten auf, wenn die Um-gebung des Kindes (Elternhaus, Schule) instru-iert ist und die Umsetzung der Trainingsziele inden Alltag unterstützt. Selbstinstruktionsstrate-gien scheinen dann effektiv zu sein, wenn dieTechniken nicht nur bei einfachen Denk- undProblemlöseaufgaben geübt, sondern schrittwei-se auch auf eine Vielzahl sozialer, schulrelevanterund für das Kind bedeutsamer Problemsitua-tionen übertragen werden (Saile, 1996).

Für den deutschen Sprachraum legen Döpf-ner et al. (1998) ein umfassendes Trainingspaketvor, das auch andere Elemente (vgl. Eltern-Kind-Training) einbezieht. Das Training besteht ausdrei Komponenten, deren Methoden in Tabelle 2dargestellt werden.

Für Kinder im Vorschulalter, einem Alter, indem die Störung sehr oft beginnt, liegt ein kind-

Page 15: 1-B-39

966 B. Störungsbezogener Teil VII: Störungen von Funktionsmustern

Tabelle 2: Therapieprogramm für Kinder mit hyperkinetischem und oppositionellem Problemverhalten, THOP(Döpfner et al., 1988)

Zielgruppe• Kinder im Alter von drei bis zwölf Jahren mit hyperkinetischen Störungen oder mit oppositionellen Verhaltens-

störungen

Komponenten• Eltern-Kind-Programm mit familienzentrier ten Interventionen (die sich hauptsächlich an die Eltern richten) und mit

kindzentrierten Interventionen (die sich hauptsächlich an das Kind richten)• Interventionen im Kindergarten/in der Schule• Kombination mit pharmakologischer Behandlung bei hyperkinetischen Störungen möglich

Eltern-Kind-Programm20 Bausteine, die entsprechend der individuellen Problematik miteinander kombiniert werden und die in sechsThemenkomplexe zusammengefaßt sind:• Problemdefinition, Entwicklung eines Störungskonzeptes und Behandlungsplanung• Förderung positiver Eltern-Kind-Interaktionen und Eltern-Kind-Beziehungen• Pädagogisch-therapeutische Interventionen zur Verminderung von impulsivem und oppositionellem Verhalten• Tokensysteme, Response-Cost und Auszeit• Interventionen bei spezifischen Verhaltensproblemen (z.B. Spieltraining, Hausaufgabentraining, Selbstinstruktions-

training, Selbstmanagement-Ansatz)• Stabilisierung der Effekte

spezifisches Behandlungskonzept von Döpfnerund Sattel (1992) vor (vgl. zusammenfassendDöpfner, 1998). Das Behandlungskonzept zurSteigerung von Spiel- und Beschäftigungsinten-sität und Ausdauer unterteilt sich in fünf Pha-sen: Die Grundlage bildet die Gestaltung einerpositiven und tragfähigen Beziehung zumKind. Um Ansatzpunkte für die Interventionzu bestimmen, wird das Kind in der zweitenPhase in unterschiedlich strukturierten Spiel-situationen beobachtet. Auf Basis dieser Beob-achtungen wird dann mittels verhaltens-therapeutischer Techniken und Elementen desSelbstinstruktionstrainings gezielt konzentrier-tes Beschäftigungsverhalten aufgebaut, das inder vierten Phase stabilisiert und in der fünftenPhase auf zunehmend schwierigere Alltagsitua-tionen übertragen wird. Einzelfallanalysenkonnten die Wirksamkeit einzelner Behand-lungskomponenten belegen (Döpfner & Sattel,1992).

Um stabile, auf verschiedene Situationen ge-neralisierte Effekte zu erreichen, müssen Trai-ningsprogramme mit hyperaktiven Kindernlänger andauern, ein Elterntraining umfassenund an verschiedenen für das Kind bedeutsa-men Situationen anknüpfen. Es muß sich da-bei um natürlich auftretende Anforderungenhandeln (vgl. Henker & Wahlen, 1989; Saile,1996). Die vorliegenden Therapiestudien wei-sen leider viele Mängel auf. So beziehen bislang

nur wenige Therapiestudien Trainingspaketeein, die den individuellen Bedürfnissen unter-schiedlich entwickelter bzw. alter Kinder ent-sprechen. Hyperaktive und unaufmerksameKinder zeigen bei der Therapie die verschieden-sten Probleme, von denen nicht alle primär mitihrer Störung zusammenhängen, sondern mitden Anforderungen, die kognitive Trainings anKinder stellen. Häufig müssen erst die Fertig-keiten aufgebaut werden, die notwendig sind,um von Selbstkontrollansätzen zu profitieren.Oft handelt es sich um soziale Fertigkeitsmän-gel, die sich aus der einleitend dargestelltenKomorbidität zwischen Aggression und Hyper-aktivität ergeben. Hier werden in jüngster Zeitdie Möglichkeiten der Pharmakotherapie dis-kutiert (Döpfner et al., 1996; Schmidt & Brink,1995), auf die wir im Abschnitt 8 ausführlicheingehen werden.

4. Soziale Unsicherheit undAngststörungen

4.1 Grundlagen und Ziele

Angststörungen in der Kindheit und Jugendumfassen solche, bei denen sich die Angst aufspezifische Situationen erstreckt (= Störungenmit Trennungsangst und Kontaktvermeidung)

Page 16: 1-B-39

96739. Verhaltens- und Entwicklungsstörungen bei Kindern und Jugendlichen

sowie solche, bei denen sich die Angst auf ganzunterschiedliche Situationen bezieht, wie dieStörung mit Überängstlichkeit. Wir beschrän-ken uns hier vorwiegend auf Störungen mitÜberängstlichkeit, da bei ihnen auch die übri-gen spezifischen Angstformen mitbeteiligt sindund sie die größten Anforderungen an die the-rapeutischen Bemühungen stellen. Kinder mitdieser Störung werden auch als sozial unsicherbezeichnet, da sie oft besonders in sozialen undLeistungssituationen überängstlich reagieren.Es ist aus diagnostischen und therapeutischenGründen wichtig zwischen Kindern mit sozia-len Ängsten, die aus einem Mangel an sozialenFertigkeiten entstehen, und ängstlichen Kin-dern mit guten sozialen Fertigkeiten, bei denenlediglich Lerndefizite vorliegen, zu unterschei-den (Odem & Deklyen, 1989; Petermann &Petermann, 1996b). Bei der ersten Form han-delt es sich um eine Entwicklungs- und bei derzweiten um eine Verhaltensstörung.

Im weiteren beschränken wir uns auf die Ver-haltensstörung, also auf unsichere Kinder, dieentsprechende Fertigkeiten entwickelt habenund auch den Wunsch nach Sozialkontakt be-steht, aber Ängste aufgrund einer Reihe unan-genehmer, schmerzlicher Erfahrungen mitGleichaltrigen entwickelt haben. In der Folgekönnen dann soziale Defizite auftreten, die wie-derum zu einer starken sozialen Isolierung füh-ren können. Soziale Defizite, Isolierung undÄngste sind in manchen Fällen mit Schul-ängsten gekoppelt, da schulische Situationen,wie Aufgerufenwerden oder Prüfungen, durch

die öffentliche Bewertung zu angstauslösendensozialen Situationen werden. Dies kann in Lern-probleme und Leistungsdefizite münden. Diemeisten psychologischen Maßnahmen für so-zial unsichere Kindern bestehen daher aus kom-plexen sozialen Fertigkeitstrainings (vgl. Peter-mann & Petermann, 1996b). Die Kinder sollendurch das Training generelle Prinzipien der so-zialen Interaktion lernen, anhand derer sie sichin einer Vielzahl von Situationen sozial akzep-tabel verhalten können (Asher & Hymel, 1986).

4.2 Konkretes Vorgehen

Stabile Veränderungen können auch in diesemBereich nur über Trainingspakete erzielt wer-den, wie eine Analyse von Michelson undMannarino (1986) belegt. Ein solches Vorge-hen verändert Interaktionsabläufe, indem neueVerhaltensweisen in Rollenspielen eingeübtund wiederholt sowie die Umsetzung in denAlltag bekräftigt werden. Die Trainingspaketeschließen die Arbeit in der Gleichaltrigen-gruppe und im Elternhaus ein; durch ihre Brei-te sind sie nicht nur am Symptom orientiert,sondern können auch flexibel den Problemendes Kindes gerecht werden. Petermann undPetermann (1996b) haben ein Trainingspaketentwickelt, das eine Vielzahl von Zielen in ei-ner Kombination aus Einzel- und Gruppen-training verwirklicht (s. Tab. 3). Das Training istfür sozial unsichere Vor- und Grundschulkinderkonzipiert und kann sowohl präventiv als auch

Tabelle 3: Ziele des Einzel- und Gruppentrainings mit sozial unsicheren Kindern (Petermann & Petermann, 1996b)

Einzeltraining

• Bewußtmachen von sozialer Angst und Unsicherheit

• Sensibilisierung der Wahrnehmung für Interaktions-abläufe

• Reflexion von Erwar tungen an das Verhalten anderer

• Reflexion eigener sozialer Ängste/sozialer Unsicher-heit

• Entwickeln von Kriterien zur Beurteilung von Sozial-verhalten

• Entwickeln von Verhaltensalternativen

Gruppentraining

• Positive Gefühle und Freude zeigen

• Durchsetzen eigener Ansprüche und erkennen derAnsprüche anderer

• Kontakt aufnehmen können; Kritik annehmen undangemessen verarbeiten

• Sich angemessen selbstbehaupten

• Umgang mit sozialer Hervorhebung

• Negative Gefühle zeigen und Kritik äußern

Page 17: 1-B-39

968 B. Störungsbezogener Teil VII: Störungen von Funktionsmustern

therapeutisch eingesetzt werden. Langzeit-studien über zwei Jahre belegen die Stabilitätder Effekte (vgl. Petermann & Walter, 1989);dies trifft auch auf mehrfach beeinträchtigteKinder (z.B. Sprachbehinderte) zu.

Asher und Hymel (1986) verwenden sogenann-te Coachingstrategien, die aus drei Schrittenbestehen. Zunächst instruiert ein Trainer (Leh-rer) ein Kind, wie es z.B. mit anderen koope-rieren kann; danach übt das Kind in einer Spiel-sitzung mit einem Klassenkameraden dasVerhalten ein. In einer dritten Sitzung wird ineiner natürlichen Situation mit Gleichaltrigendas Verhalten praktiziert; der Trainer (Lehrer)bespricht und beurteilt, wie das Verhalten um-gesetzt wurde. Neben Kooperation ließen Asherund Hymel (1986) Partizipation, Kommunika-tion und Suche nach Hilfestellung in der Schul-klasse auf diese Weise einüben. Sie wähltendazu Kinder aus, die aufgrund ihres soziome-trischen Status und ihres gezeigten Verhaltensam stärksten von ihren Klassenkameraden ab-gelehnt wurden. Das Prinzip der sozialenCoachingstrategien basiert auf drei Elementendes sozialen Lernens:

– Durch verbale Instruktionen werden Verhal-tensstrategien vermittelt und durch Rollen-spiele umgesetzt,

– es wird die Möglichkeit angeboten, mitGleichaltrigen in einem Gruppentraining dieneu erworbenen Fertigkeiten zu üben, und

– es besteht der Auftrag, diese Fertigkeiten imAlltag einzusetzen, wobei die Erfahrung mitdem Trainer (Lehrer) ausgewertet werden.

Allerdings ist dieses Training mit fünf 30minüti-gen Übungssitzungen nur relativ kurz, vor allembei der Behandlung massiv auffälliger Kinder. Beidem Vorgehen von Odem und Deklyen (1989)werden Erwachsene als Verstärker eingesetzt, dieloben und einem Kind besondere Aufmerksam-keit schenken, wenn es einen sozialen Austauschvollzogen hat. Die Erwachsenen konzentrierensich dabei auf bestimmte soziale Aspekte, wieBlickkontakt, Lächeln usw. und bekräftigen die-ses Verhalten gezielt. Es ist dabei notwendig, dieAusübung des Verhaltens in Sequenzen zu un-tergliedern; so kann man systematisch zu Be-ginn, während oder am Ende einer sozialen In-teraktion verstärken. Ebenso nehmen in dem

Vorgehen von Odem und Deklyen (1989)Gleichaltrige als Mediatoren eine wichtige Rolleein. Dazu werden sozial kompetente Kinder an-gehalten, das Sozialverhalten ihrer unsicherenMitschüler zu fördern oder sie sollen ihr Verhal-ten auf die unsicheren Kinder ausrichten undoft mit ihnen interagieren.

5. Autismus

5.1 Grundlagen und Ziele

Die Behandlung Autistischer Störungen gestal-tet sich u.a. deshalb schwierig, da 70 bis 80Prozent aller autistischen Kinder zusätzlich gei-stig behindert sind, d.h. neben autismusspezi-fischen Veränderungen auch die Entwicklunginsgesamt verzögert ist. Eine neurologische Stö-rung des Zentralnervensystems ist bei fast allenautistischen Kindern wahrscheinlich, was sichauch am frühen Beginn der Störung, meist schonvor dem zweiten Lebensjahr, zeigt. Für die Be-handlung autistischer Kinder bedeutet dies:

– Es müssen Konzepte für den Umgang mitautistischen Kindern vorliegen, die die typi-schen qualitativen Veränderungen in der Ent-wicklungberücksichtigen (vgl. Kusch & Peter-mann, 1991).

– Die Förderung muß so früh und intensiv wiemöglich einsetzen, um Beeinträchtigungenzu kompensieren (Rogers, 1996).

Vor allem die mangelnde Generalisationsfähig-keit der Kinder macht eine Förderung beson-ders schwer. Obwohl viele Studien belegen, daßautistische Kinder von einer Verhaltenstherapieprofitieren, bleibt das neugelernte Verhaltenfast immer von bestimmten Aspekten der Lern-situation abhängig (Koegel & Koegel, 1987).Man spricht in diesem Zusammenhang von ei-ner mangelnden Dekontextualisierung, d.h. derUnfähigkeit, Neuerworbenes unabhängig vondem sozialen Kontext einzusetzen (vgl. Kusch& Petermann, 1991). Für die therapeutische Ar-beit mit autistischen Kindern ergeben sich dar-aus drei Konsequenzen:

(1) Da das Verhalten autistischer Kinder nichtüber verschiedene Reizgegebenheiten generali-siert (= Reizgeneralisierung), muß die therapeu-

Page 18: 1-B-39

96939. Verhaltens- und Entwicklungsstörungen bei Kindern und Jugendlichen

tische Situation so konzipiert sein, daß das KindNeuerworbenes unabhängig vom Kontext an-zuwenden lernt. Reize, von denen Neuerwor-benes häufig abhängt, sind der Therapeut, seinInteraktionsstil, die Verstärkung selbst und dietherapeutische Situation. Manche autistischenKinder zeigen neuerworbenes Verhalten nur dann,wenn der Therapeut anwesend ist; andere nur,wenn sie sich in einem bestimmten Raum be-finden oder eine spezielle Handlung erfolgt.

(2) Autistische Kinder scheinen ihre neuerwor-benen Reaktionen nicht auf andere Verhaltens-weisen zu übertragen (= Reaktionsgeneralisie-rung). Jedes Verhalten muß daher getrenntgefördert werden. Lernt ein autistisches Kindz.B., eine Person anzuschauen, dann bedeutetdies nicht unbedingt auch, daß es zugleichlernt, den Kopf in die Richtung der Person zuwenden. Wenn das Kind aber Verhaltenswei-sen in einem für es sinnvollen Kontext lernt,diese Verhaltensweisen für das Kind verständ-lich sind und die Reaktionen spontan erfolgen,gelingen auch autistischen Kindern vielfältigeReaktionen und Neuerworbenes kann auf ver-schiedene Verhaltensbereiche übertragen wer-den (vgl. Duchan, 1987).

(3) Um längerandauernde therapeutische Ef-fekte zu erzielen, müssen schrittweise möglichstviele Umwelten des Kindes mit einbezogen wer-

den. Eltern, Lehrern, Geschwistern müssen ge-zielt im Umgang mit dem Kind angeleitet undunterstützt werden. Die Arbeit in der natür-lichen Umgebung des Kindes ist besonders ge-eignet, korrekte Reaktionen hervorzurufen. Eswird dadurch die Wahrscheinlichkeit der spon-tanen Generalisierung auf ähnliches Verhaltenund ähnliche Situationen erhöht. Der Reiz-gebundenheit der Kinder wird begegnet, indemman natürliche Materialien und Verstärker vonPersonen aus dem Alltag des Kindes einsetzt(Koegel & Koegel, 1987).

5.2 Konkretes Vorgehen

Koegel et al. (1987) stellten ein Training zurFörderung der natürlichen Sprache autistischerKinder vor (s. Tab. 4). Die Autoren verglichendabei verschiedene Techniken. In Einzelfall-studien wurden zunächst die traditionellenLerntechniken eingesetzt und später durch dasnatürliche Sprachtraining ersetzt. Die beidenKinder, die an der Studie teilnahmen, waren zuBeginn 4,5 und 5,8 Jahre alt. Beide Kinder wa-ren sprachunfähig und zeigten lediglich laut-liche Äußerungen. Auch in den übrigen autis-musspezifischen Störungsbereichen lagen beibeiden Kindern beträchtliche Behinderungenvor. In der sozialen Entwicklung befanden siesich auf dem Niveau 1,6- bzw. 2,8jähriger.

Tabelle 4: Gegenüberstellung einer traditionellen und natürlichen Förderung autistischer Kinder (Koegel et al., 1987)

Merkmale

Reiz

Hilfestellung

Interaktion

Reaktion

Konsequenz

Traditionelle Bedingung

(a) Vom Therapeut gewählt(b) Der Reiz wird wiederholt, bis das Kriteri-um (z. B. korrekte Antwort) erreicht ist.(c) Reiz ist phonologisch leicht zu produzie-ren und steht nicht in einem funktionalen Be-zug (z.B. zu einem Wunsch des Kindes.)

Manuell (z. B. Lippenberührungen).

Der Therapeut hält das Objekt aufrecht; erbesitzt keinen Bezug zur Interaktion.

Korrekte Reaktion oder schrittweise Annä-herung

Eßbare zusammen mit sozialen Verstärkern.

Natürliche Bedingung

(a) Vom Kind gewählt(b) Nach jedem Probedurchgang wird der Reizvariier t.(c) Der Reiz ist ein altersgerechtes Objekt,das in der natürlichen Umwelt des Kindesauftritt (z. B. ein Ball, eine Banane).

Therapeut wiederholt die Bezeichnung desObjektes.

Therapeut und Kind spielen mit dem Objekt.Das Objekt besitzt einen funktionalen Bezugzur Interaktion.

Lockere Annäherung; jeder Versuch, eine Re-aktion zu zeigen, wird betont.

Natürliche Verstärker, wie z. B. die Möglich-keit, mit dem Objekt zu spielen, und natürli-che Verstärker.

Page 19: 1-B-39

970 B. Störungsbezogener Teil VII: Störungen von Funktionsmustern

Die jeweils zweistündige Behandlung wurdezweimal wöchentlich in einem kleinen Raumdurchgeführt. Zunächst wurde bei beiden Kin-dern traditionell verfahren, daran anschließendwurden natürliche Bedingungen der Behand-lung zugrunde gelegt. Es zeigte sich, daß dieKinder unter natürlichen Bedingungen mehrÄußerungen imitierten als unter traditionellenBedingungen. Eine Generalisierung auf sponta-ne Äußerungen erfolgte nur unter natürlichenBedingungen; ebenso verhielt es sich mit derGeneralisierung auf Situationen außerhalb dertherapeutischen Situation. Die Behandlungs-dauer hatte ebenfalls einen interessanten Ein-fluß: unter der traditionellen Bedingung konn-te selbst nach 19 Monaten kein Anstieg derLerneffekte erzielt werden, während die natür-lichen Bedingungen relativ schnell zu thera-peutischen Effekten führten. So konnte dieStudie von Koegel et al. (1987) eindeutig bestä-tigen, daß eine stärkere Orientierung verhal-tenstherapeutischer Verfahren an natürlichen,entwicklungsbezogenen Vorgehensweisen inder Autismusbehandlung angemessener ist alstraditionelle verhaltenstherapeutische Verfah-ren.

Das wohl bekannteste verhaltenstherapeu-tische Programm in der Arbeit mit autistischenMenschen TEACCH (Treatment and Education ofAutistic and Related Communication HandicappedChildren) wird seit den siebziger Jahren im ame-rikanischen Bundesstaat North-Carolina vonder Forschungsgruppe um Schopler und Mesi-bov durchgeführt (Schopler & Olley, 1981). We-sentlich in dem sich ständig weiterentwickeln-den Programm ist die spezifisch auf das Kindabgestimmte Therapieplanung, die auf einerumfassenden Diagnostik beruht sowie dieOrientierung an den Entwicklungszielen desKindes und die Durchführung der Förderungdurch spezialisierte Fachleute und die Eltern.Im Rahmen dieses Programms werden autisti-sche Kinder einerseits schulisch durch spezielleFörderprogramme in Sonderklassen zum ande-ren durch die speziell trainierten Eltern zu Hau-se gezielt in ihrer Entwicklung gefördert.

Anlaß zu Optimismus geben die großen Er-folge des «Young Autism Project», einem ähn-lich arbeitenden, speziellen Frühförderprogrammfür autistische Kinder, das von Lovaas und sei-nen Mitarbeitern an der UCLA in Los Angelesentwickelt wurde (Lovaas, 1987). In diesem Pro-

jekt werden autistische Kinder unter vier Jah-ren mit Hilfe eines intensiven verhaltensthera-peutischen Programms über einen Zeitraumvon mindestens zwei Jahren behandelt. Folgen-de Elemente werden als wirkungsvoll angese-hen:

– Der Beginn vor dem vierten Lebensjahr,– der systematische Einsatz verhaltensthera-

peutischer Techniken,– die hohe Intensität von mindestens 40 Stun-

den wöchentlich,– die individuell auf das Kind abgestimmte

Therapieplanung,– die regelmäßige Zieldiskussion und Super-

vision durch ein Spezialisten-Team,– die Durchführung in der natürlichen Umge-

bung des Kindes in Anwesenheit eines Eltern-teils sowie

– der aktive Einbezug der Eltern durch ein in-tensives Elterntraining.

Parallel zum Aufbau von entwicklungsange-messenen Fähigkeiten wird stereotypes, selbst-stimulierendes oder aggressives Verhalten ab-gebaut. Lovaas belegte die Wirksamkeit diesesProgramms indem er eine Gruppe autistischerKinder in zwei parallelisierte Gruppen unter-teilte (Lovaas, 1987). Während die Experimen-talgruppe intensiv, also mehr als 40 Stundenwöchentlich, behandelt wurde, erhielt die Kon-trollgruppe lediglich 10 Stunden gleichen Trai-ningsinhalts. Die erzielten Effekte der therapeu-tischen Bemühungen sprechen eindeutig füreine möglichst frühzeitig beginnende, inten-sive, verhaltentherapeutische Förderung autisti-scher Kinder: 47 Prozent der Kinder mit inten-siver Einzeltherapie erreichten während dermehrjährigen Behandlung ein normales kogni-tives und soziales Funktionsniveau, das auchbei Nachfolgeuntersuchungen im durchschnitt-lichen Alter der Kinder von 13 Jahren Bestandhatte (McEachlin, Smith, & Lovaas, 1993)! Da-gegen profitierten lediglich 2 Prozent der Kin-der der Kontrollgruppe in dieser Weise von der«Minimalbehandlung»! In Deutschland führtdas «Bremer Projekt» ein Frühförderprogrammdurch, das auf den therapeutischen Grundla-gen des «Young Autism Project» von Lovaas ba-siert (Cordes & Dzikowski, 1991).

Page 20: 1-B-39

97139. Verhaltens- und Entwicklungsstörungen bei Kindern und Jugendlichen

6. Prävention undMediatorenansatz

6.1 Grundlagen und Ziele

Der Mediatorenansatz umfaßt psychologischeInterventionen, die sich nicht direkt an die un-terstützungsbedürftigen Kinder, sondern an de-ren soziale Umwelt richten (Perrez, 1988). ImRahmen der primären Prävention psychischerStörungen werden vor allem Familien mit Risi-kokindern gefördert. Risiken können dabei so-wohl auf Seiten des Kindes, der Eltern oder dersozialen Situation vorliegen. Die Eltern erwer-ben im Rahmen des Mediatorenansatzes grund-legende Erziehungskompetenzen, die sie in dieLage versetzen, auch zukünftige Problemsitua-tionen selbständig zu bewältigen. Störungenkönnen so im Vorfeld verhindert werden (Weiss-bourd & Kagan, 1989) und Frühförderung wirdkostengünstig und familiennah möglich. Price,Cowen, Lorion und Ramos-McKay (1989) bele-gen, daß von 14 effektiven Präventionspro-grammen fünf Mediatoren einsetzten. SolcheProgramme verhindern dabei nicht nur Störun-gen, sondern beeinflussen die familiäre Situa-tion und die Entwicklung des Kindes über län-gere Zeit hinweg positiv. Neben Eltern könnenauch Lehrer, Gleichaltrige oder Geschwister alsMediatoren eingesetzt werden (vgl. Odem & De-klyen, 1989, in Abschnitt 4.2 dieses Beitrages).

6.2 Konkretes Vorgehen

Die Bezugspersonen lernen durch das Media-torentraining,

– kindliches Verhalten vorurteilsfreier wahrzu-nehmen,

– durch gezieltes Verstärken kindliches Verhal-ten zu unterstützen,

– kindliche Verhaltensdefizite durch gezielteHilfestellungen abzubauen und

– Problemverhalten als lösbare Aufgabe einzu-schätzen.

Neben der Sensibilisierung für kindliches Ver-halten werden neue Strategien durch Verhal-tensübungen, z.B. in Form von Rollenspielen,ergänzt.

Anhand einer Studie von Lowry und Whit-man (1989) soll ein Elterntraining zur primä-ren Prävention von Entwicklungsverzögerun-gen bei Kleinstkindern vorgestellt werden (s.Kasten 1). In einem Frühförderungsprogrammwurden Mütter über Verstärkungsprinzipien in-formiert und in ihrem Einsatz geschult. DiePrinzipien wurden an einer konkreten Spiel-situation eingeübt, wobei ein Trainer aus-schließlich das Interaktionsverhalten der Mut-ter über gezielte Strategien (verbale Instruktion,Modellernen, Feedback, Generalisationsübun-gen) optimierte.

Forehand und Long (1988) arbeiteten mit Elternals Mediatoren, um Kinder zu einer besserenMitarbeit zu motivieren, die sich durchgängigverweigerten. Da ein solches Verweigerungs-verhalten ein Vorbote von aggressivem Verhal-ten sein kann (vgl. Petermann & Petermann,1997), hat auch dieses Vorgehen einen ein-deutig präventiven Charakter. Zunächst wer-den mit den Eltern zusammen die problema-tischen Situationen bestimmt; für die ausge-wählten Problemsituationen wurde mit einemElternteil neues Verhalten eingeübt. In denTrainingssituationen bekamen die Mutter/derVater verdeckt, d.h. über Kopfhörer, Informa-tionen, wie sie/er sich verhalten soll. Das Trai-ning bestand aus zwei Phasen: Zunächst wur-den effektive Verstärkungsstrategien und dannTechniken (z.B. Time-out-Verfahren) erlernt,wie man das Verweigerungsverhalten reduzie-ren kann. Vielversprechend ist auch das seiteinigen Jahren vorwiegend in den Niederlan-den, zunehmend aber auch in Deutschland an-gewandte «Video-Home-Training» (Gens &Heimbürger, 1994), das sowohl für Risikokinderals auch speziell belasteten Eltern angebotenwird. Trainer zeichnen hier natürliche Inter-aktionssequenzen in den Familien auf und ana-lysieren diese gemeinsam mit den Eltern. Ge-zielt werden die Eltern für kindliche Signalesensibilisiert. Positive Interaktionsansätze wer-den herausgearbeitet und sollen wiederholtwerden. Die Eltern erwerben so zunehmenddie Kompetenz, gelungene Interaktionen mitihrem Kind aufzubauen und zu erweitern. Er-ste Ergebnisse deuten an, daß dieses früh ein-setzende Training spätere Verhaltensauffällig-keiten verhindern und somit präventiv einge-setzt werden kann.

Page 21: 1-B-39

972 B. Störungsbezogener Teil VII: Störungen von Funktionsmustern

7. FamilienbezogeneIntervention

7.1 Grundlagen und Ziele

Wir haben in dieser Übersicht schon mehrfacherwähnt, daß komplexe Therapie- bzw. Trai-ningspakete besonders erfolgreich in der Be-handlung von Verhaltens- und Entwicklungs-störungen sind. In einem solchen Paket nimmtdie familienbezogene Intervention einen zen-tralen Stellenwert ein; ja, von vielen Anhän-

gern der Familientherapie wird eine familien-bezogene Maßnahme alleine als völlig ausrei-chend, eine (zusätzliche) kindbezogene hinge-gen als überflüssig, wenn nicht gar schädlichangesehen. Die damit aufgeworfenen Fragenwerden sich erst dann sinnvoll besprechen las-sen, wenn die Effektivität familientherapeu-tischer Maßnahmen besser geklärt ist. Derzeitsteckt deren Evaluation noch in den Anfängen(vgl. Heekerens, 1993, 1997). Wir begrenzenuns daher auf zwei Ansätze der familienbezoge-nen Intervention, zu denen ausreichend Belegeüber deren Effektivität vorliegen:

Kasten 1Ein Frühförderprogramm zur Generalisierung der Erziehungsfertigkeiten (Lowry & Whit-man, 1989)

FragestellungAneignung von Erziehungsfertigkeiten durchein Interventionsprogramm und Überprüfungder Generalisierung des Verhaltens.

Methode• Stichprobe: Es wurden fünf Mütter mit 15 bis34 Monate alten, entwicklungsverzögertenKindern trainiert.

• Untersuchungsmethode: Die Beobachtungs-und Trainingssitzungen fanden bei den Teil-nehmerinnen zu Hause statt und wurden mitVideo aufgezeichnet. Das Verhalten der Mut-ter wurde wie folgt kategorisiert: (1) Aktivitäts-bezogene Hilfestellungen, (2) andere ange-messene Hilfestellungen, (3) Belohnungen, (4)reaktionskontingente Belohnungen, (5) Be-strafung und (6) andere Verbalisationen. DasVerhalten des Kindes wurde in angemesseneund unangemessene spielzeugbezogene Akti-vitäten bzw. keine Interaktion mit dem Mate-rial oder der Mutter untergliedert.

• Intervention: Es wurden fünf Einzelfallana-lysen anhand eines multiplen Baselinedesigns(vgl. Petermann, 1996) durchgeführt. Nach ei-

ner 15minütigen Baselinebeobachtung wurdedie Mutter im angemessenen Einsatz von Ver-stärkung und Hilfestellung geschult. Anfäng-lich modellierte der Trainer das Verhalten.Dann sollte die Mutter, unter verbalem Feed-back des Trainers, das Verhalten an denselbenSpielmaterialien mit ihrem Kind einüben.Nachdem solche Sitzungen mehrmals statt-fanden, schlossen sich drei Generalisierungs-treffen (à 20 Minuten) an. Der Trainer zeigtehierzu der Mutter an einer völlig neuartigenSpielsituation, wie man Belohnungen undHilfestellungen einsetzen kann.

ErgebnisseDie Einzelfallanalysen belegten bei allen Müt-tern einen deutlichen Anstieg des Einsatzesvon positivem Feedback und Hilfestellung ge-genüber der Baselinephase. Obwohl mit denMüttern nur der Umgang mit einem bestimm-ten Spielzeug eingeübt wurde, konnte dasneuerworbene Verhalten auch bei Interaktio-nen eingesetzt werden, die mit anderen Spiel-materialien erfolgten. Das Generalisationstrai-ning führte in den meisten Fällen nochmalszu einem Anstieg des angemessenen Verhal-tens der Mütter.

Page 22: 1-B-39

97339. Verhaltens- und Entwicklungsstörungen bei Kindern und Jugendlichen

– das Parent-Management-Training der Arbeits-gruppe um G.R. Patterson und

– die funktionale Familientherapie der Arbeits-gruppe um I.F. Alexander.

Die Ziele dieser familienbezogenen Interven-tion beziehen sich im wesentlichen darauf, dieBedingungen des familiären Umfeldes so zuverändern, daß Trainings/Therapieeffekte, dieman mit dem Kind kurzfristig erreichen konn-te, auch längerfristig Bestand haben. Eine fami-lienbezogene Intervention, als begleitendesoder zentrales Vorgehen im Rahmen der Be-handlung eines Kindes, ist allein schon deshalbangezeigt, da ein Großteil der Ursachen kind-licher Verhaltens- und Entwicklungsstörungennur aus dem familiären Kontext erklärbar istbzw. aus den familiären Bedingungen resultiertoder durch diese aufrechterhalten wird.

Verschiedene Aspekte der familienbezogenenArbeit sind nicht neu. So wurde in den vor-liegenden Ausführungen schon mehrmalsdarauf hingewiesen, daß Lehrer oder Familien-mitglieder als «Therapiehelfer» (Co-Trainer oderCo-Therapeuten) in Techniken der Verhaltens-therapie unterwiesen werden. Übungen mitdem Kind sollen so auf den Alltag übertragenwerden, um die erzielten Erfolge über die Zeitund in verschiedenen Alltagsbereichen zu sta-bilisieren. Im Gegensatz dazu möchte einefamilienbezogene Intervention unmittelbarkomplexe Beziehungen in der Familie verän-dern, indem sie die wechselseitigen Einflüsseder Familienmitglieder aufdeckt.

7.2 Konkretes Vorgehen

7.2.1 Parent-Management-Trainingder Arbeitsgruppe um G.R. Patterson

Diese Arbeitsgruppe möchte beide Elternteiledarin schulen, mit ihrem aggressiven Kind an-ders umzugehen. Das Training geht davon aus,daß sich das aggressive Verhalten eines Kindesunterschwellig entwickelt hat und durch dieunangemessene Eltern-Kind-Interaktion auf-rechterhalten wird (vgl. Patterson et al., 1990).Besonders kennzeichnend im Umgang mit ag-gressiven Kindern sind nach Patterson die fol-genden Interaktionsstile:

– direkte Verstärkung aggressiven Verhaltens,– häufiges Kommandieren des Kindes,– ungerechtfertigte und harte Bestrafung und– fehlendes Beachten angemessenen Verhaltens.

Die Autorengruppe um G.R. Patterson fand inFamilien mit aggressiven Kindern «erpresse-rische» Interaktionsmuster, die Aggression be-günstigen. Die Eltern verstärken das aggressiveVerhalten ihres Kindes «ungewollt», wenn siees mit (Gegen)-Druck beantworten. Durch die-ses Elternverhalten wird zwar die kindlicheAggression momentan beendet, jedoch länger-fristig die Wahrscheinlichkeit aggressiven Ver-haltens erhöht. Der momentane Erfolg wirktauch auf die Eltern verstärkend und damitspielt sich eine Interaktion ein, in der Kind undEltern zum aggressiven Verhalten genötigt wer-den. Das Elterntraining von Patterson et al.(1990) versucht, dieses wechselseitig aggressiveVerhalten durch unterstützendes (prosoziales)Verhalten zu ersetzen. Hierzu üben die Elternverschiedene Verhaltensweisen ein:

– Einführen von Regeln, an die sich das Kindzu halten hat,

– Bereitstellen von positiven Verstärkern fürangemessenes Kindverhalten,

– Anwenden milderer, angemessener Strafenund

– Fördern von Kompromißbereitschaft.

Die Eltern werden zunächst in systematischerVerhaltensbeobachtung geschult, und an-schließend sollen sie direkt in der Interaktionmit dem Kind die eingeübten Verhaltenswei-sen anwenden. Zum Elterntraining werden vorallem Prinzipien des sozialen Lernens, wie dasRollenspiel und Modellernen, herangezogen.Beträchtlichen Umfang nimmt das Einübenvon Techniken der positiven Verstärkung vonmilden Strafformen (z.B. Verstärkerentzug),von Diskussionsformen und des Umganges mitKontingenzen ein. Den Eltern wird die Mög-lichkeit geboten, auch zwischen den Trainings-sitzungen durch Telefonkontakte auftretendeProbleme zu klären. Das Vorgehen ist vor allemfür Eltern geeignet, deren schwierige Kinderdrei bis zwölf Jahren alt sind. Das Parent-Mana-gement-Training von Patterson et al. (1990)wurde in den achtziger Jahren entwickelt undzeigte sich in allen empirischen Studien seit

Page 23: 1-B-39

974 B. Störungsbezogener Teil VII: Störungen von Funktionsmustern

1982 einer traditionellen Familientherapie weitüberlegen; dies sowohl hinsichtlich der kurz alsauch langfristigen Effekte. Im einzelnen liegenzu dem Vorgehen sehr detaillierte Ergebnissevor. So zeigen sich Effekte sowohl in der Eltern-und Lehrerbeurteilung als auch der direktenVerhaltensbeobachtung in der Schule und zuHause. Die Effekte sind dabei schon währenddes Trainings deutlich erkennbar (vgl. Kazdin,1988); sie sind ein Jahr nach Trainingsendenoch beobachtbar und konnten selbst nach 4,5bis 10,5 Jahren belegt werden (vgl. Patterson etal., 1990). Neben dem aggressiven Verhaltender Kinder lindert das Parent-Management-Trai-ning auch psychische Probleme der Eltern (De-pression), besitzt positive Auswirkungen aufandere Familienmitglieder und verändert auchandere Auffälligkeiten beim Problemkind.

7.2.2 Funktionale Familientherapie derArbeitsgruppe um I.F. Alexander

Dieses Vorgehen basiert auf einer lern- undkommunikationstheoretischen Sichtweise vonFamilienproblemen. Die Arbeitsgruppe geht vonder Annahme aus, daß das offensichtliche Pro-blemverhalten eines Kindes den einzigen Wegdarstellt, die interpersonalen Funktionen (Nä-he, Distanz, Unterstützung) zwischen den Fa-milienmitgliedern aufrechtzuerhalten (Morris,Alexander & Wandron, 1988). So kann die so-ziale Unsicherheit des Kindes in einem Fami-liensystem die Funktion besitzen, den Wunschder Mutter nach Nähe zu ihrem Kind zu befrie-digen. Ziel der funktionalen Familientherapieist eine Veränderung der Interaktions- und Kom-munikationsmuster in der Familie, um ange-messenere Beziehungen zu fördern. So kann diesoziale Unsicherheit bei einem Kind dadurchabgebaut werden, daß sich die Beziehung derEltern verbessert und auf diese Weise die Mut-ter dem Kind mehr Freiraum und Verantwor-tung läßt. Nicht in jedem Fall geht man dasoffensichtliche Verhalten an, um therapeutischauf eine Familie einzuwirken. Bei der Planungeiner Intervention stehen die komplexen fami-liären Verknüpfungen im Mittelpunkt, wobeidie spezifischen Behandlungsstrategien auslerntheoretischen Studien zur Familieninter-aktion und deren Beeinflußbarkeit abgeleitetwurden (vgl. Patterson et al., 1990).

Die funktionale Familientherapie erfordertes, daß die gesamte Familie die Funktionen er-kennt, die ein Verhaltensproblem innerhalb derFamilie aufrechterhalten. Der Therapeut hebtdabei die Wechselwirkungen und Kontingen-zen zwischen den Familienmitgliedern in ih-rem täglichen Umgang miteinander hervor. Erberücksichtigt jedoch immer das Problem be-sonders, das den Anlaß zur Therapie bildet.Wenn die Familie alternative Wege in der Be-trachtung des Problems gefunden hat, wird einkonstruktiver Umgang mit ihm möglich. Einverbesserter Austausch zwischen den Familien-mitgliedern und eine häufigere wechselseitigepositive Verstärkung sind grundlegende Ziele;weiterhin werden

– klarere Kommunikationsmuster in der Fami-lie angestrebt,

– das Äußern von Bedürfnissen gefordert,– konstruktive Gespräche gefördert und– Alternativen und Lösungen für Verhaltens-

probleme erarbeitet.

Empirische Studien belegen, daß der Erfolg einerfunktionalen Familientherapie von der Struk-turiertheit des Vorgehens und der Beziehung desTherapeuten abhängt, die er zu den Familien-mitgliedern aufbaut (vgl. Morris et al., 1988). Ineinem Therapievergleich zeigt sich das Vorge-hen klientenzentrierten und psychodynami-schen Verfahren als überlegen (vgl. Kazdin, 1988).

8. Pharmakotherapie8.1 Grundlagen und Ziele

Der Einsatz von Pharmakotherapie zur Behand-lung von Verhaltensstörungen wurde lange Zeitvor allem wegen der oft nur kurzfristigen, indi-viduell oft verschiedenen Wirkweisen ohnevorhersagbare Langzeiteffekte, kritisiert (vgl.Henker & Wahlen, 1989). Folgende gravieren-de Nachteile der pharmakologischen Behand-lung von Kindern werden genannt:

– die massive Suchtgefahr, bzw. das Streben,Verhaltensprobleme mit Medikamenten lö-sen zu wollen;

– die gravierenden Probleme der Therapie-mitarbeit (bis zu Zweidrittel der Kinder neh-

Page 24: 1-B-39

97539. Verhaltens- und Entwicklungsstörungen bei Kindern und Jugendlichen

men Medikamente nur unregelmäßig ein,vgl. Henker & Wahlen, 1989; Perrez & Burck-hardt, 1987) und

– das häufigere Auftreten paradoxer Effekte alsbei Erwachsenen.

Eine medikamentöse Behandlung von Kindernund Jugendlichen sollte daher sorgfältig ge-plant und immer verbunden mit einer psycho-therapeutischen Maßnahme (z.B. einer Kinder-verhaltenstherapie) eingesetzt werden. Einesolche Kombination verhaltenstherapeutischerMaßnahmen mit der Pharmakotherapie kanndie therapeutische Wirksamkeit maximieren.Nach Schmidt und Brink (1995) dient die zu-sätzliche Pharmakotherapie in vielen Fällen derVorbereitung einer Verhaltenstherapie, ihrer Un-terstützung oder der Stabilisierung ihrer Effekte(s. Tab. 5). So kann beispielsweise ein an beson-ders ausgeprägter Trennungsangst leidendesKind durch eine medikamentöse Behandlungzur Angst- und Spannungsreduktion auf denEinsatz systematischer Desensibilisierung undSelbstkontrolltechniken vorbereitet werden.Um die Wirksamkeit verhaltenstherapeutischerProgramme bei autistischen Kindern zu unter-stützen, können Medikamente zur Verminde-rung stark autoaggressiven oder stereotypenVerhaltens eingesetzt werden. Langfristig kön-nen Therapieerfolge bei hyperaktiven Kindernstabilisiert werden, indem das Ausmaß derSelbstkontrolle und -wirksamkeit durch dieKombination kognitiver Verfahren mit der Sti-mulantientherapie erhöht wird.

Die meisten Erfahrungen in der Pharmako-therapie liegen bei der Behandlung hyper-

aktiver und autistischer Kinder vor, auf die wiruns im weiteren deshalb auch beschränkenwollen.

Besonders bei hyperaktiven Kindern wird ineiner Übersicht von Döpfner, Lehmkuhl undRoth (1996) von großen Behandlungserfolgenberichtet. Bei aggressiven und sozial unsiche-ren Kindern zeigen Studien bisher oft wider-sprüchliche und kurzfristige Effekte (vgl. Camp-bell & Spencer, 1988; Essau & Petermann,1998). Behandlungserfolge werden bei Kindernberichtet, die sowohl aggressiv als auch hyper-aktiv sind und bei denen psychologische Maß-nahmen ohne Erfolg angewandt wurden (vgl.Speltz, Varley, Peterson & Beilke, 1988). DerEinsatz pharmakologischer Wirkstoffe sollteverstärkt in einem neurologisch-psycholo-gischen Begründungszusammenhang betrach-tet werden. Die Behandlung mit chemischenWirkstoffen erscheint nur dort angebracht, wo– ausgehend von einer spezifischen neurolo-gischen Hypothese – identifizierbare psychischeEffekte erzielt werden können. Für den Bereichder Hyperaktivität und des Autismus gibt Tabelle 6neurologische Hypothesen, chemische Wirk-stoffe und psychische Effekte an.

Bei der Hyperaktivität vermutet man eine Über-tragungsstörung von neurologischen Informa-tionen an Synapsen (= Fehlregulation des Neuro-transmitter-Systems), wobei diese Übertragungüber bestimmte Substanzen, sogenannte bio-gene Amine, erfolgt. Man glaubt durch eine(Über)-Stimulation dieser Schaltstellen auch dieSchulleistungen und das Sozialverhalten hyper-aktiver Kinder verbessern zu können. Eine ähn-liche Annahme liegt auch der pharmakolo-

Tabelle 5: Übersicht über die Wirkmechanismen kombinierter Verhaltens- und Pharmakotherapie (mod. nachSchmidt & Brink, 1995)

Vorbereitung vonVerhaltenstherapie

• Verminderung der Verhaltens-intensität

• Verbesserung der Verhaltenssteu-erung und Selbstkontrolle

• Angst- oder Spannungsreduktion

Unterstützung vonVerhaltenstherapie

• Verminderung der Verhaltens-intensität

• Verminderung der Verhaltens-frequenz

• Angst- oder Spannungsreduktion

Stabilisierung verhaltens-therapeutischer Effekte

• Verbesserung der Verhal-tenssteuerung und Selbst-kontrolle

• Verminderung der Verhal-tensfrequenz/Rückfallprophylaxe

• Stärkung der Selbstwirksamkeit

Page 25: 1-B-39

976 B. Störungsbezogener Teil VII: Störungen von Funktionsmustern

gischen Behandlung autistischer Kinder zu-grunde, wobei man zwei Ziele unterscheidenmuß:

– die Reduktion der primären, autismusspezi-fischen Symptomatik, die vor allem in einerFörderung des sozialen und sprachlichen Be-reiches besteht; und

– die Behandlung der sekundären Sympto-matik, wie z.B. der Epilepsien, Stereotypienund Autoaggression.

Man geht auch hier von einer neurologischenÜbertragungsstörung aus, die durch biogeneAmine (eine erhöhte dopaminerge Funktion)entsteht. Durch Neuroleptika, vor allem Halo-peridol, erwartet man entscheidende Effekte aufdie Primär- und Sekundärsymptomatik des Au-tismus.

8.2 Konkretes Vorgehen

8.2.1 PharmakologischeHyperaktivitätsbehandlung

Schon seit den sechziger Jahren ist bekannt,daß Psychostimulantien, also das Zentralner-vensystem aktivierende Substanzen, eine para-doxe Wirkung auf Verhaltensstörungen besit-zen. Paradox nennt man den Effekt deshalb,weil Stimulantien (z.B. hauptsächlich Methyl-phenidat, Handelsname: Ritalin) entgegen ih-rer eigentlichen Wirkung bei hyperaktiven Kin-dern einen beruhigenden Effekt ausüben.Neueren Studien zufolge sprechen etwa 70 bis90 Prozent der Jugendlichen auf die Behand-lung mit Stimulantien positiv an, wobei vor al-lem die Kernsymptome wie motorische Unru-

he und Aufmerksamkeitsstörungen vermindertwerden konnten. Rapport et al. (1994) berich-ten sogar über eine Normalisierung der Auf-merksamkeit und des Verhaltens in der Schulebei 78 Prozent der behandelten Kinder. Bei Kin-dern unter fünf Jahren liegt die Responder-Ratebei etwa 50 Prozent. Eine umfassende Übersichtüber die Ergebnisse finden sich bei Barkley(1990) sowie Döpfner, Lehmkuhl und Roth(1996). Über das Ausmaß der Nebenwirkungengibt es kontroverse Annahmen: Während Per-rez und Burkhard (1987) nachdrücklich vor denNebenwirkungen, wie Schlafstörungen, Appe-titverlust und Kopfschmerzen, die vor allem beiDauermedikation und hohen Dosen auftretenkönnen, warnen, sind diese nach Döpfner et al.(1996) eher als gering zu beurteilen. Das Vorlie-gen einer Tic-Störung, die durch die Stimulan-tiengabe verschlimmert werden kann, sollteeine Kontraindikation darstellen. Bedenkens-wert in diesem Zusammenhang ist auch ein Er-gebnis von Brown, Borden, Wynne, Spunt undClingerman (1987), nach dem man bei einerPharmakotherapie von einer viel geringeren The-rapiebereitschaft des Kindes ausgehen muß alsman sie bei psychologischen Maßnahmen auf-grund des intensiven persönlichen Kontakteszwischen Therapeut und Kind erwarten kann.

Als positive Effekte der Pharmakotherapiewerden vor allem die Verbesserung der Kon-zentrationsfähigkeit, die Verminderung derImpulsivität aber auch die Verbesserung schu-lischer Leistungen und die Verminderung hy-perkinetischen und impulsiven Verhaltenssowie die verbesserte soziale Interaktionen ge-nannt (Henker & Wahlen, 1989; Rapport,Denney, DuPaul & Gardner, 1994).

Vergleichsstudien zwischen Pharmakotherapieund psychologischen Maßnahmen bei Hyper-

Tabelle 6: Grundlagen und Ziele der Pharmakotherapie bei hyperaktiven und autistischen Kindern

Neurologische Hypothese

Chemische Wirkstoffe

Psychologische Effekte

Hyperaktivität

Fehlregulation des monoaminenNeurotransmitter-Systems

Psychostimulantien (Methylphenidat,Dextroamphetamine)

Verminderung hyperkinetischenVerhaltens in Schule und Familie;Verbesserungen in Schulleistungenund Sozialverhalten

Autismus

Erhöhte dopaminerge Funktion

Neuroleptika (Haloperidol)

Primäre Symptomatik (Entwicklungs-störung) und sekundäre Symptome(Epilepsie, Stereotypien, Autoaggression)

Page 26: 1-B-39

97739. Verhaltens- und Entwicklungsstörungen bei Kindern und Jugendlichen

aktivität zeigen, daß die Schulleistung nichtverbessert werden, aber günstige Voraussetzun-gen für verbesserte Lernleistung geschaffenwerden, indem sich Ausdauer und Genauigkeiterhöhen (vgl. Douglas, 1989). Stimulantien be-einflussen einige grundlegende kognitive Pro-zesse, wie die Aufmerksamkeit und Gedächtnis-leistung, sie verändern jedoch weder kurz- nochlangfristig die Motivation und Einstellung zumLernen und können fehlende Fertigkeiten nichtkompensieren (Henker & Wahlen, 1989). So istdie Pharmakotherapie bei hyperaktiven Kin-dern zwar wirksam, problematisch ist aber, daßdie erzielten Effekte eher kurzfristig sind; so z.B.30 Minuten bis maximal 5 Stunden nach derGabe einer geringen Dosis Methylphenidat.

Daher werden heute von der multimodalenBehandlung also der Kombination der Stimu-lantien – mit der Verhaltenstherapie große Be-handlungserfolge erwartet. In mehreren Studienkonnte aber eine gegenüber der ausschließ-lichen Stimulantientherapie nur geringfügig er-höhte Wirksamkeit multimodaler Interventionnachgewiesen werden (Gittelman-Klein &Abikoff, 1989; Ialongo et al., 1993). Betrachtetman die Langzeitwirksamkeit, zeichnet sichallerdings eine Überlegenheit einer multi-modalen Intervention ab. Döpfner (1998)schlägt vor, in Zukunft verschiedene Therapie-strategien sukzessiv, dem Einzelfall entspre-chend einzusetzen, um so die therapeutischeWirksamkeit zu maximieren. Je nachdem, wiestark das Problemverhalten des Kindes genera-lisiert ist, ob es auch in der Familie auftritt undwie rasch eine Symptomminderung erzielt wer-den muß, um z.B. den Schulbesuch nicht zugefährden, sollen Selbstinstruktionstraining,Stimulantientherapie und/oder Elterntrainingdifferentiell eingesetzt werden. Eine primäreStimulantientherapie ist nach Döpfner et al.(1996) indiziert, wenn eine massive, situations-übergreifende Symptomatik vorliegt und dieUmstände eine möglichst rasche Symptom-verminderung erfordern. Stabile Verhaltens-änderungen sind aber nur dann zu bewirken,wenn zusätzlich neues Verhalten beim Kindaufgebaut, fehlende Fertigkeiten trainiert unddie Umgebungsbedingungen im Elternhausund der Schule verändert werden. Bei Vor-schulkindern sollen Elterntrainings, Interven-tionen im Kindergarten und Spieltrainings imVordergrund der Behandlung stehen (Döpfner

et al., 1996). Eine medikamentöse Therapie soll-te nur erwogen werden, wenn sich diese Ver-fahren als nicht wirksam erweisen.

8.2.2 PharmakologischeAutismusbehandlung

25 Prozent aller autistischen Kinder sowie 75Prozent der autistischen Jugendlichen werdeneiner Übersichtsarbeit von Kusch und Peter-mann (1991) zufolge pharmakologisch behan-delt, wobei die verschiedenartigsten Medika-mente zur Anwendung kommen. Aufgrund derKomplexität der Störung, der großen individu-ellen Unterschiede der Kinder und ihrer multi-plen neurologischen Beeinträchtigung gibt esnur ausgesprochen wenig Medikamente, die er-folgreich in der Behandlung autistischer Kin-der eingesetzt werden können. Einen Überblicküber den neuesten Erkenntnisstand bietet dieArbeit von McDougle, Price und Volkmar(1994). Während die Behandlung mit Sedativa,Stimulantien, Antidepressiva und bestimmtenVitaminen nicht wirksam, paradox oder nur beisehr wenigen Kindern wirksam ist, scheint vorallem die Behandlung mit Neuroleptika undSerotoninblockern (wie Clomipramine undFluvoxamin) vielversprechend (vgl. Lewis,1996; McDougle, Price & Volkmar, 1994).

Oft können nur einzelne Symptome und nurbei Untergruppen von autistischen Kinder wirk-sam behandelt werden. So kann mit Serotonin-blockern vor allem das zwanghafte und stereo-type Verhalten der Kinder vermindert werden.Autistische Erwachsene, die mit dem selektivenSerotoninblocker Fluvoxamine behandelt wur-den, zeigten einer neuen Studie zufolge weni-ger aggressives, impulsives und stereotypes Ver-halten (Sheman, 1995). Die Hoffnung, durchdie Behandlung mit Opiatantagonisten wieNaltrexon erfolgreich das selbstverletzende Ver-halten der Kinder reduzieren zu können, hatsich neueren Befunden zu folge nicht bestätigt(Lewis, 1996). Neuroleptika zeichnen sich da-durch aus, daß sie zugleich auf mehrere «psy-chotische» Symptome einwirken, ohne aller-dings deren Ursachen zu beeinflussen (vgl.Holm & Varley, 1989; Kusch & Petermann,1991). So verändert das Neuroleptika Haloperi-dol zwei wichtige Symptome Autistischer Stö-rungen, nämlich die Zurückgezogenheit und

Page 27: 1-B-39

978 B. Störungsbezogener Teil VII: Störungen von Funktionsmustern

Stereotypien. Eine Kombination von Halo-peridol und einem verhaltenstherapeutischenTraining zur Behandlung der Echolalie, derKommunikationsstörung und der reduziertensprachlichen Aktivität autistischer Kinder wareffektiver als Verhaltenstherapie oder Pharma-kotherapie jeweils alleine (vgl. Campbell &Spencer, 1988). Bei Langzeitmedikation mitHaloperidol treten positive Effekte in der Lei-stung im Intelligenztest ein. Allerdings mußman, um negative Effekte wie Dyskenisien beieiner Langzeitbehandlung zu vermeiden, dieDosierung gering halten.

Experimentelle Studien zur Indikation vonNeuroleptika zeigen, daß autistische Kinder mitSymptomen wie Hyperaktivität, Aggression, ge-ringer Frustrationstoleranz und kurzer Auf-merksamkeitsspanne besonders gut auf Halo-peridol ansprechen (vgl. Kusch & Petermann,1991). Am günstigsten sind kombinierte Be-handlungen aus medikamentöser und Verhal-tenstherapie, wie Campbell und Spencer (1988)herausfanden. Leider sind kontrollierte Studienzu Wirksamkeit von Psychopharmaka und ih-rer Interaktion mit therapeutischen Maßnah-men für die Behandlung autistischer Kinder rar!

9. Generalisierung derErgebnisse

• Probleme der Autismusbehandlung. Bereits imAbschnitt Autismus gingen wir auf die grundle-genden Generalisierungsprobleme ein. Bei denbesonders großen Schwierigkeiten im Rahmender Autismusbehandlung wurden die BegriffeReizgeneralisierung (= Übertragung auf andere,therapiefremde Situationen) und die Stabilitätder Ergebnisse diskutiert. Die Wirksamkeit ei-ner Behandlung läßt sich danach beurteilen, inwelchem Umfang sich ein neuerworbenes Ver-halten in verschiedenen Umweltbedingungenund Verhaltenszusammenhängen zeigt und obes stabil bleibt. Koegel und Koegel (1987) emp-fehlen u.a. zwei Wege, wie man die Generali-sierung erhöhen kann:

• Sequentielle Modifikation. In diesem Fall wirdgezielt an den Verhaltensweisen angesetzt, beidenen bislang keine Generalisierung erfolgte.Geübt wird dann in möglichst allen Umwelt-

bereichen des Kindes und so lange, bis es zurspontanen Generalisierung kommt. Bei einemsolchen Vorgehen werden wichtige Bezugsper-sonen des autistischen Kindes als Co-Trainereingesetzt.

• Training in der natürlichen Umgebung. Es wirdangenommen, daß die natürliche Umwelt desKindes geeignet ist, korrekte Reaktionen her-vorzurufen und dadurch die Wahrscheinlich-keit der spontanen Generalisierung auf ähn-liches Verhalten und ähnliche Situationenerhöht wird. Der Reizgebundenheit des autisti-schen Kindes wird dadurch begegnet, daß mannatürliche Verstärker verwendet, die die unmit-telbaren Bezugspersonen des Kindes einsetzen.

• Schritte zur verbesserten Generalisierung. Selbst-verständlich liegen bei jedem kindlichen Pro-blemverhalten spezifische Gründe vor, warumdie Generalisierung der Ergebnisse erschwertist. Goldstein und Keller (1987) geben diesbe-züglich praktische Hilfen für psychologischeMaßnahmen mit aggressiven Kindern. Goetzund Sailor (1988) gelang es darüber hinaus, all-gemeine Richtlinien anzugeben (s. Tab. 7).

Goetz und Sailor (1988) entwickeln auchkonkrete Schritte, wie man Kinder dazu moti-viert, neues Verhalten zu erlernen, einzusetzenund längerfristig beizubehalten. Sie gehen auf-grund von entwicklungspsychologischen An-nahmen davon aus, daß dann Fertigkeiten ge-neralisieren, wenn sie für das Kind erkennbarnützlich sind. Die zu erlernende Verhaltenswei-se sollte erwünscht sein und in einem sozialenKontext erworben werden, der sich aus einerInteraktion zwischen Personen bildet. Eine Fer-tigkeit ist in einem aktuellen Kontext zu ver-mitteln, der diese Fertigkeit vom Kind verlangt(z.B. Kochen in der Küche). Das Kind muß dieFertigkeit häufig benötigen; sie sollte entwick-lungs- und altersentsprechend sein sowie dasKind unabhängiger machen. Die Fertigkeit mußadaptierbar sein, d.h. konkret genug, um alssolche erkannt zu werden, allgemein genug, uman unterschiedliche Anforderungen angepaßtwerden zu können.

Page 28: 1-B-39

97939. Verhaltens- und Entwicklungsstörungen bei Kindern und Jugendlichen

Tabelle 7: Schritte zur verbesserten Generalisierung

• Unterstützung von Verhaltensweisen, die in der natürlichen Umgebung erforderlich und erwünscht sind sowiegeförder t werden;

• Lockeres Training unter verschiedenen Bedingungen;

• Einbezug verschiedener Bezugspersonen und der dazugehörenden Umgebung (Schule, Elternhaus);

• Ausblenden von therapeutisch induzierten Konsequenzen zugunsten natürlicherweise auftretender Konsequenzen;

• Verstärkung von Selbstbewertungen, die angemessenes Verhalten zur Folge haben;

• Unterstützung neuer angemessener Verhaltensweisen und

• Einbezug von Gleichaltrigen als realistische Modelle.

10. LiteraturAsher, S.R. & Hymel, S. (1986). Coaching in social skills

for children who lack friends in school. Social Worksin Education, 8, 205–218.

Barkley, R.A. (1990). Attention deficit hyperactivity disorder.A handbook for diagnosis and treatment. Hove, EastSussex: Guilford.

Barkley, R.A., Fischer, M., Edelbrock, C.S. & Smallish, L.(1990). The adolescent outcome of hyperactive chil-dren diagnosed by research criteria: an 8-year pro-spective follow-up study. Journal of the American Aca-demy of Child and Adolescent Psychiatry, 29, 546–557.

Brown, R.T., Borden, K.A., Wynne, M.E., Spunt, A.L. &Clingerman, S.R. (1987). Compliance with pharma-cological and cognitive treatments for attentiondeficit disorders. Journal of Academy of Child andAdolescent Psychiatry, 26, 521–526.

Camp, B.W. & Bash, M.A.S. (1985). Think aloud: In-creasing social and cognitive skills – A problem solvingprogram for children. Champaign, IL: Research Press.

Campbell, M., Anderson, L.T. & Green, W.H. (1983).Behavior disordered and aggressive children: New ad-vances in pharmacotherapy. Journal of DevelopmentBehavioral Pediatrics, 4, 265–271.

Campbell, M. & Spencer, E.M. (1988). Psychopharma-cology in child and adolescent psychiatry: A review ofthe past five years. Journal of American Academy ofChild and Adolescent Psychiatry, 27, 269–279.

Cordes, H. & Dzikowski, S. (1991). Frühförderung autisti-scher Kinder. Bremen: Hilfe für das autistische Kind.

Döpfner, M. (1997). Verhaltenstherapie mit Kindern undJugendlichen – Konzepte, Ergebnisse und Perspekti-ven der Therapieforschung. In F. Petermann (Hrsg.),Kinderverhaltenstherapie, Grundlagen und Anwendungen(S. 331–366). Baltmannsweiler: Schneider.

Döpfner, M. (1998). Hyperkinetische Störungen. In F. Peter-mann (Hrsg.), Lehrbuch der Klinischen Kinderpsychologie(3. korr. Aufl., S. 165–217). Göttingen: Hogrefe.

Döpfner, M., Lehmkuhl, G. & Roth, N. (1996). Kombi-nationstherapien. Kindheit und Entwicklung, 5, 118–123.

Döpfner, M. & Sattel, H. (1992). Verhaltenstherapeu-tische Interventionen bei hyperkinetischen Störungen

im Vorschulalter. Zeitschrift für Kinder- und Jugend-psychiatrie, 19, 254–262.

Döpfner, M., Schürmann, S. & Frölich, J. (1998). DasTherapieprogramm für Kinder mit hyperkinetischem undoppositionellem Problemverhalten (THOP) (2. korrigierteAuflage). Weinheim: Psychologie Verlags Union.

Douglas, V.I. (1988). Cognitive deficits in children withattention deficit disorder with hyperactivity. In L.M.Bloomingdale & J.A. Sergeant (Eds.), Hyperactive chil-dren. The social ecology of identification and treatment(pp. 283–318). New York: Academic Press.

Duchan, J. F. (1987). Special education for the handi-capped: How to interact with those who are different.In P. Knobloch (Ed.), Book on special education (pp.127–149). New York: Wiley.

Durlak, J.A., Fuhrman, T. & Lampman, C. (1991). Effec-tiveness of cognitve-behavior therapy for maladapt-ing children: A meta-analysis. Psychological Bulletin,110, 204–214.

Essau, C.A. & Petermann, U. (1998). Angststörungen. InF. Petermann (Hrsg.), Lehrbuch der Klinischen Kinder-psychologie (3. korr. Aufl., S. 219–240). Göttingen: Ho-grefe.

Esser, G., Schmidt, M.H., Blanz, B., Fätkenheuer, B., Fritz,A., Koppe, T., Laucht, M., Rensch, B. & Rothenberger,W. (1992). Prävalenz und Verlauf psychischer Störun-gen im Kindes- und Jugendalter. Zeitschrift für Kinder-und Jugendpsychiatrie, 20, 232–242.

Etscheidt, S. (1991). Reducing aggressive behavior andimproving self-control: a cognitive-behavioral train-ing program for behaviorally disorderd adolescents.Behavioral Disorders, 16, 107–115.

Feindler, E. & Ecton, R. (1986). Anger control training.New York: Pergamon.

Forehand, R. & Long, N. (1988), Outpatient treatmentof the acting out child.: Procedures, long term follow-up data and clinical problems. Advances of BehaviorResearch and Therapy, 10, 129–177.

Gadow, K.D. (1985). Relative efficacy of pharmalogical,behavioral and combination treatments for enhanc-ing academic performance. Clinical Psychology Review,5, 513–533.

Gens, H. & Heimbürger, U. (1994). Video-Home-TrainingReader 1: Grundlagen zu Theorie und Praxis. Düsseldorf:SPIN Deutschland.

Page 29: 1-B-39

980 B. Störungsbezogener Teil VII: Störungen von Funktionsmustern

Gittelman-Klein, R. & Abikoff, H. (1989). The role ofpsychostimulants and psychosocial tratments in hyper-kinesis. In T. Saagvolden & T. Archer (Eds.), Attentiondeficit disorder (pp. 167–180). Hillsdale: Erlbaum.

Goetz, L. & Sailor, W. (1988). New Directions: Communi-cation development in persons with severe disabili-ties. Topics in Language Disorders, 8, 41–54.

Goldstein, A.P. & Keller, H. (1987). Aggressive behavior.Assessment and intervention. New York: Pergamon.

Heekerens, H.P. (1993). Behavioral-systemische Ansätzebei der Behandlung von Verhaltensstörungen. In F. &U. Petermann (Hrsg.), Angst und Aggression bei Kindernund Jugendlichen (S. 77–90). München: Quintessenz.

Heekerens, H.P. (1997). Elterntraining und Familien-therapie – Gemeinsamkeiten trotz Unterschiedlich-keit. Kindheit und Entwicklung, 6, 84–89.

Henker, B. & Wahlen, C.K. (1989). Hyperactivity andattention deficits. American Psychologist, 44, 216–223.

Holm, V.A. & Varley, C.K. (1989). Pharmacological treat-ment of autistic children. In: G. Dawson (Ed.), Autism.Nature, diagnosis and treatment (pp. 386–404). NewYork: Guilford Press.

Ialongo, N.S., Horn, W.F., Pascoe, J.M., Greenberg, G.,Packard, T., Lopez, M., Wagner, A. & Puttler, L. (1993).The effect of a multimodal intervention withattention-deficit hyperactivity disorder in children: A9-month follow-up. Journal of the American Academyof Child and Adolescent Psychiatry, 32, 182–189.

Kazdin, A.E. (1988). Effective child psychotherapy. NewYork: Pergamon.

Kazdin, A.E. (1991). Effectiveness of psychotherapy withchildren and adolescents. Journal of Consulting andClinical Psychology, 59, 785–798.

Kendall, P.C. & Braswell, L. (1985). Cognitive-behavioraltherapy for impulsive children. New York: Guilford Press.

Koegel, R.L. & Koegel, K.L. (1987). Generalization issuesin the treatment of autism. Seminars in SpeechLanguage, 8, 241–256.

Koegel, R.L., O’Dell, M.C. & Koegel, K.L. (1987). A na-tural language teaching paradigm for nonverbalautistic children. Journal of Autism and DevelopmentalDisorders, 17, 187–200.

Kusch, M. & Petermann, F. (1991). Entwicklung autisti-scher Störungen (2. erw. Aufl.). Bern: Hans Huber.

Kusch, M. & Petermann, F. (1998). Tiefgreifende Ent-wicklungsstörungen. In F. Petermann (Hrsg.), Lehrbuchder Klinischen Kinderpsychologie (3. korr. Aufl., S. 325–350). Göttingen: Hogrefe.

Lewis, M.H. (1996). Psychopharmacology of autismspectrum disorders. Journal of Autism and Develop-mental Disorders, 26, 2, 231–235.

Lochman, J.E. (1992). Cognitiv-behavioral interventionwith aggressive boys: Three-year follow-up and pre-vention effects. Journal of Consulting and Clinical Psy-chology, 60, 426–432.

Lovaas, O. I. (1987). Behavioral treatment and non-educational and intellectual functioning in youngautistic children. Journal of Consulting and ClinicalPsychology, 55, 3–9.

Lowry, M.A. & Whitman, T.L. (1989). Generalization ofparent skills: An early intervention program. Child andFamily Therapy, 2, 45–65.

McDougle, C.J., Price, L.H. & Volkmar, F.R. (1994).Recent advances in the pharmacotherapy of autism

and related conditions. Child and Adolescent PsychiatricClinics of North America, 3, 71–89.

McEachin, J.J., Smith, T. & Lovaas, O. I. (1993). Long-term outcome for children with autism who receivedearly intensive behavioral treatment. American Journalon Mental Retardation, 97, 359–372.

Meichenbaum, D.H. & Asarnow, J. (1979). Cognitive-behavioral modification and metacognitive develop-ment: Implications for the classroom. In P. Kendall &S. Hoolon (Eds.), Cognitive-behavioral interventions:Theory, research and procedures (pp. 11–35). New York:Academic Press.

Michelson, L. & Mannarino, A. (1986). Social skills train-ings with children: Research and clinical application. InP.S. Strain, M.J. Guralnik & H.M. Walker (Eds.), Children’ssocial behavior (pp. 373–406). New York: Academic Press.

Morris, S.B., Alexander, I. F. & Wandron, H. (1988).Functional family therapy: Issues in clinical practice.In R.H. Falloon (Ed.), Handbook of behavioral familytherapy (pp. 107–127). London: Hutchinson.

Naumann, K. (1996). Verlaufsuntersuchungen und kova-rierende Störungsbilder. Kindheit und Entwicklung, 5,118–123.

Odem, S.L. & Deklyen, M. (1989). Social withdrawaland depression in childhood. In G. Adams (Ed.), Chil-dren’s behavior disorders (pp. 127–151). EngelwoodCliffs: Prentice-Hall.

Patterson, G.R., Reid, I.B. & Dishion, T.J. (1990). Anti-social boys. Eugene, O.R.: Castalia.

Perrez, M. (1988). Psychologische Intervention über Me-diatoren. Einführung in den Themenschwerpunkt.Heilpädagogische Forschung, 14, 133–134.

Perrez, M. & Burckhardt, R. (1987). Gebrauch und Miß-brauch von Psychopharmaka bei Kindern. In A.Kormann (Hrsg.), Beurteilen und Fördern in der Erzie-hung (S. 263–284). Salzburg: Otto Müller.

Petermann, F. (1987) Behavioral assessment and reduc-tion of children’s aggression. Journal of Human behaviorand Learning, 4, 48–54.

Petermann, F. (Hrsg.). (1996). Einzelfallanalyse (3. Aufl.).München: Oldenbourg.

Petermann, F. (Hrsg.). (1997). Kinderverhaltenstherapie, Grund-lagen und Anwendungen. Baltmannsweiler: Schneider.

Petermann, F. & Petermann, U. (1996a). Training mit Ju-gendlichen. Förderung von Arbeits- und Sozialverhalten(5. völlig veränd. Aufl.). Weinheim: Psychologie Ver-lags Union.

Petermann, U. & Petermann, F. (1996b). Training mitsozial unsicheren Kindern (6. erw. Aufl.). Weinheim:Psychologie Verlags Union.

Petermann, F. & Petermann, U. (1997). Training mit ag-gressiven Kindern (8. erg. Aufl.). Weinheim: Psycho-logie Verlags Union.

Petermann, F. & Walter, H.J. (1989). Wirkungsanalyseeines Verhaltenstrainings mit sozial unsicheren mehr-fach beeinträchtigten Kindern. Praxis der Kinderpsycho-logie und Kinderpsychiatrie, 38, 118–125.

Petermann, F. & Warschburger, P. (1998). Aggression. InF. Petermann (Hrsg.), Lehrbuch der Klinischen Kinder-psychologie (3. korr. Aufl.). Göttingen: Hogrefe.

Price, R.H., Cowen, E.L., Lorion, R.P. & Ramos-McKay, J.(1989). The search of effective prevention programs.What we learned along the way. American Journal ofOrthopsychiatry, 59, 49–58.

Page 30: 1-B-39

98139. Verhaltens- und Entwicklungsstörungen bei Kindern und Jugendlichen

Rapport, M.D., Denney, C., DuPaul, G. & Gardner, M. J.(1994). Attention deficit disorder and methyl-phenidate: Normalization rates, clinical effectiveness,and response prediction in 76 children. Journal of theAmerican Academy of Child and Adolescent Psychiatry,33, 882–893.

Rogers, S. (1996). Early intervention in autism. Journal ofAutism and Developmental Disorders, 26, 2, 243–246.

Saile, H. (1996). Zur Indikation von psychologischer Be-handlung bei Kindern mit Aktivitäts- und Aufmerk-samkeitsstörungen. Kindheit und Entwicklung, 5, 112–117.

Schmidt, M.H. & Brink, A. (1995). Verhaltenstherapieund Pharmakotherapie. Kindheit und Entwicklung, 4,236–239.

Schopler, E. & Olley, J.G. (1981). Comprehensive educa-tional services for autistic children: The TEACCHmodel. In C. Reynolds & T. Guthins (Eds.), Handbookfor school psychology (pp. 113–156). New York: Wiley.

Sheman, C. (1995). Fluvoxamine improves adult autism’score effects. Clinical Psychiatry News, 8, 13–15.

Shore, D.L., Silva, P.A. & Adler, C. J. (1987). Factorsassociated with reading plus spelling retardation andspecific spelling retardation. Development in MedicineChild Neurology, 29, 72–84.

Speltz, M.L., Varley, C.K., Peterson, K. & Beilke, R.L.(1988). Effects of Dextroamphetamine und contin-

gency management on a preschooler with ADHD anoppositional defiant disorder. Journal of AmericanAcademy of Child and Adolescent Psychiatry, 27, 175–178.

Tolan, P., Guerra, N. & Kendall, P. (1995). A develop-mental-ecological perspective on antisocial behaviorin children and adolescents: Toward a unified risk andintervention framework. Journal of Consulting andClinical Psychology, 63, 579–584.

Tuma, J.M. (1989). Mental health services for children.The state of the art. American Psychologist, 44, 188–199.

Warschburger, P. & Petermann, F. (1997). Kinderverhal-tenstherapie: Neue Trends am Beispiel der aggressivenStörung. In F. Petermann (Hrsg.), Kinderverhaltens-therapie, Grundlagen und Anwendungen (S. 86–126).Baltmannsweiler: Schneider.

Weissbourd, B. & Kagan, S.L. (1989). Family supportprograms: Catalysts for change. American Journal ofOrthopsychiatry, 59, 20–31.

Weisz, J.R., Weiss, B., Han, S. S., Granger, D.A. & Morton,T. (1995). Effects of psychotherapy with children andadolescents revisited: A meta-analysis of treatmentoutcome studies. Psychological Bulletin, 117, 450–468.