Erluterungen zum Neuen Testament
von Dr. A. Schlatter
Matthus
[[@Bible: Matthew 1: 1-25]]
Mt 1 Woher Jesus stammt
Mt 1,1: Buch vom Ursprung Jesu, des Christus, des Sohnes Davids,
des Sohnes Abrahams.
Durch die Namen, die Matthus hier Jesus gibt, macht er uns
sofort deutlich, dass er an die Verheiung Gottes denkt. Abraham
waren Kinder versprochen, die Gott segnen werde, und David ein
Sohn, der durch Gottes Geist als der Gesalbte das Regiment fhren
solle; durch seine Herrschaft sollte die Herrlichkeit Gottes an
seinem Volke offenbar werden. Daran heit uns Matthus denken, wenn
er uns die Geschichte Jesu erzhlt. Denn diese ist deshalb
geschehen, weil Gottes Verheiung bei Israel war. Buch vom Ursprung
Adams lautet 1 Mose 5: 1 in der griechischen Bibel die berschrift
zur Geschichte der Menschheit; mit denselben Worten fngt Matthus
an: Buch vom Ursprung Jesu, des Christus. Matthus schreibt die
Fortsetzung zum Alten Testament; er stellt die Erschaffung Adams
und die Sendung des Christus nebeneinander als die beiden groen
Werke Gottes, die alles brige, was auf Erden geschehen ist,
berragen. Dass Gott den Menschen schuf und dass er Jesus sandte,
das sind seine groen Werke, aus denen unser Leben stammt.
Mt 1,2-16: Abraham zeugte Isaak, Isaak Jakob, Jakob Juda und
seine Brder. Juda zeugte Phares und Zara mit der Thamar. Phares
zeugte Esrom, Esrom Aram, Aram Aminadab, Aminadab Naasson, Naasson
Salmon, Salmon Boas mit der Rahab. Boas zeugte Obed mit der Ruth.
Obed zeugte Jesse, Jesse David, den Knig. David zeugte Salomo mit
der Frau des Uria. Salomo zeugte Rehabeam, Rehabeam Abia, Abia Asa,
Asa Josaphat, Josaphat Joram, Joram Usia, Usia Jotham, Jotham Ahas,
Ahas Hiskija, Hiskija Manasse, Manasse Amon, Amon Josias, Josias
Jechonia und seine Brder bei der Wegfhrung nach Babylon. Nach der
Wegfhrung nach Babylon zeugte Jechonia Salathiel, Salathiel
Serubabel, Serubabel Abihud, Abihud Eljakim, Eljakim Azor, Azor
Sadok, Sadok Achim, Achim Elihud, Elihud Eleazar, Eleazar Matthan,
Matthan Jakob, Jakob Joseph, den Mann der Maria, von der Jesus
geboren ward, dessen Name Christus ist.
Die Vorbereitung fr die Sendung des Christus beginnt bei
Abraham; er hat die Verheiung Gottes fr sein Geschlecht empfangen,
so dass mit ihm die zu Gott berufene Gemeinde beginnt. Darum gibt
Matthus der Liste der Vter Jesu den Anfang bei Abraham und fhrt sie
von dort zu Joseph herab. Dabei heit er uns auf die drei Perioden
achten, in die sich diese Geschichte teilt. Die Wendepunkte liegen
bei David, dem ersten Knig aus Juda, und in der babylonischen
Gefangenschaft, mit der Davids Geschlecht wieder erniedrigt wird.
Aus der Niedrigkeit steigt nun der zweite David zum himmlischen
Thron empor, den Gott ihm bereitet hat.
Auch die Zahl der Geschlechter war dem Evangelisten wichtig:
Mt 1,17: Die Summe der Geschlechter ist somit: von Abraham bis
David vierzehn Geschlechter und von David bis zur Wegfhrung nach
Babylon vierzehn Geschlechter und von der Wegfhrung muh Babylon bis
zum Christus vierzehn Geschlechter.
Die Gleichheit der Zahl ist ihm das Zeichen fr Gottes Regieren,
das den Lauf der Geschichte nach seinem festen Plan zum Reich des
Christus hinleitet. Solche Berechnungen, die weite Zeitrume
zusammenfassen, leiden aber leicht durch die Lcken unseres Wissens;
das gilt auch von der Berechnung, die der Evangelist hier vorgelegt
hat. Die ersten vierzehn Namen von Abraham bis David hat er
vollstndig dem Alten Testament entnommen; dagegen hat die
Knigsreihe von David bis zur Gefangenschaft eine Lcke: Nach Joram
fehlen Ahasja, {2 Knige 8: 24-25} Joas {2 Knige 11: 2; 11: 1-12: 1}
und Amazja, {2 Knige 14: 1} dessen Sohn dann Usia (Asarja) ist. {2
Knige 15: 1} (Vielleicht entstand der Irrtum dadurch, dass in der
griechischen Bibel die beiden Namen Ahasja und Usia einander hnlich
sind: Ochozias und Ozias.) Fr die dritte Periode zwischen dem Exil
und Joseph werden die Angaben des Evangelisten aus der Familie Jesu
stammen. Daran aber, dass Lukas einen anderen Stammbaum Jesu
erhalten hat, wird sichtbar, dass zur Zeit der Apostel verschiedene
Listen ber die Herkunft der damals noch vorhandenen Reste des
davidischen Hauses vorhanden waren. Gottes Regierung ber Israel hat
sich somit nicht so augenscheinlich in der gleichmigen Zahl der
Geschlechter kundgetan. Dadurch wird aber die berzeugung des
Matthus nicht widerlegt, dass alle Erlebnisse Israels dem Rat der
gttlichen Gnade und dem Reich Jesu dienen sollten; wir sollen es
vom Evangelisten lernen, Gottes Wunder in der Fhrung der
Judenschaft zu bedenken und darauf zu achten, wie er durch die
Schpfung und Regierung Israels Jesus den Weg bereitet und die
Gemeinde fr ihn zubereitet hat. Fr Matthus ist die alte Geschichte
Israels das groe Werk der gttlichen Weisheit, auf dem Jesu ganzes
Wort und Werk beruht. Jesus vollendet es mit seinem Kommen und fhrt
die neue Zeit herauf, die neue gttliche Kraft empfangen hat.
Unter den Frauen der alten Zeit hat Matthus nicht die Mtter
Israels, Sara, Rebekka usf. , genannt, sondern Thamar, mit der Juda
in sndlicher Ehe seine Shne zeugte, {1 Mose 38: 12-17} Rahab, die
Dirne aus Jericho, die allein gerettet und zu Israel hinzugetan
worden ist (Dass Rahab die Mutter des Boas gewesen sei, sagt das
Alte Testament nicht; man erzhlte dies wohl in den Schulen), {Josua
2: 1-6; 6: 22-25} Ruth, die Moabitin, von der David abstammt, {Rut
4: 13-16} und die Frau Urias, die durch den Fall Davids die Mutter
Salomos und des ganzen kniglichen Geschlechts geworden ist. {2
Samuel 11$} Matthus macht sichtbar, wie tief menschliche Snde in
die Geschichte Israels und des davidischen Hauses verwoben und wie
reich Gottes vergebende Gnade an ihm offenbar geworden ist; sie
wendet den Fall der Menschen um und vollbringt trotz ihm, ja durch
ihn ihr Werk. So hat Gott auch jetzt durch den Fall der Judenschaft
sein Reich geoffenbart.
Matthus hat uns aber ber die Herkunft Jesu noch etwas anderes zu
sagen: Er ist nicht nur nach Gottes Verheiung aus Israel und Davids
Geschlecht hervorgegangen, sondern ist schon im ersten Anfang
seines Lebens das Werk des Heiligen Geistes.
Mt 1,18: Der Ursprung Jesu, des Christus, geschah so. Nachdem
seine Mutter Maria mit Joseph verlobt war, bevor sie zusammenkamen,
ergab es sich, dass sie durch den heiligen Geist schwanger war.
Maria empfing ihr Kind durch Gottes wunderbares Wirken. Dies
geschah aber nicht, ehe sie die Braut Josephs geworden war. Jesus
sollte von Anfang an auch einen menschlichen Vater haben, damit das
Wunder Gottes in der Stille bleibe und dadurch gegen die unglubigen
Lsterungen der Menschen geschtzt sei. Sodann sollte er durch seinen
Vater dem Hause Davids zugeteilt sein. Josephs Vaterrecht an Jesus
war dadurch, dass er bei seiner Geburt nicht nach der Weise der
Natur mitwirksam war, nicht geschwcht. Das Kind war nicht weniger
das von Gott ihm anvertraute Eigentum, als unsere Kinder uns von
Gott bergeben sind; nur werden sie uns auf dem geheimnisvollen Weg
der Natur geschenkt, whrend Jesus durch ein Wunder der gttlichen
Schpfermacht Joseph gegeben war, um der Verheiung willen, weil er
zu Davids Haus gehrte.
Alle Boten Gottes empfingen ihre Ausrstung durch Gottes Geist;
weil sie aber nur zu einem besonderen Zweck gesendet sind, waren es
auch nur besondere Gaben des Geistes, durch die sie zum Dienst
Gottes geheiligt waren. Er wirkte in ihnen einzelne Erkenntnisse
und gab ihnen den Antrieb zu dieser oder jener besonderen Tat.
Jesus ist dagegen nach seiner ganzen Person vom ersten Anfang an
durch den Geist geschaffen, denn bei ihm ist das Amt von der Person
nicht zu trennen; es besteht nicht nur in einzelnen Worten und
Werken, sondern darin, dass er bei uns ist und fr uns lebt. Matthus
schliet das Evangelium mit der Zusage Jesu: Ich bin alle Tage bei
euch . Wir sollen die Gabe der gttlichen Gnade darin erkennen, dass
Jesus bei uns ist. Diesem Ende entspricht der Anfang: Schon die
Weise seiner Geburt macht offenbar, dass er nicht erst im Verlauf
seines Lebens einzelne Gaben von oben empfing, sondern selbst die
eine groe Gabe Gottes ist, durch die seine Gnade zu uns kommt.
Damit, dass Jesus schon den Anfang seines Lebens durch den Geist
empfangen hat, ist von seiner Menschheit nichts abgebrochen. Ein
menschliches Kindlein wurde im Scho der Maria erzeugt; erzeugt
wurde es aber durch den Geist. Deshalb war es freilich ein neuer
Mensch, vom Bsen geschieden, frei von Befleckung, mit Gott
geeint.
Wie Maria ber das Wunder Gottes, das an ihr geschehen ist,
unterrichtet wurde, sagt uns Matthus nicht. Sein ganzer Bericht
spricht von Gottes Wundern mit groer Zurckhaltung. Das ist bei
seiner Ostergeschichte nicht anders als bei seiner
Weihnachtsgechichte und wiederholt sich auch bei den hilfreichen
Taten Jesu stets. Er leitet uns nicht an, uns neugierig mit den
Wundern Gottes zu beschftigen. Nur das eine hebt er hervor, dass
Joseph einen bestimmten Befehl Gottes erhielt, der ihn zum Vater
Jesu bestellte. Das Auge des Evangelisten ist auf die Verborgenheit
Jesu gerichtet; er zeigt, wie es kam, dass Jesus jedermann als der
Sohn Josephs galt und das Werk des Geistes fr alle ein Geheimnis
blieb. Wir sollen wissen, dass dies nach der ausdrcklichen Weisung
Gottes geschehen ist, die deshalb ntig wurde, weil Joseph vor dem
Beruf, den Gott ihm zugedacht hatte, erschrak.
Mt 1,19: Aber Joseph, ihr Mann, entschloss sich, da er gerecht
war und sie nicht der Schande preisgeben wollte, sie heimlich zu
entlassen.
Daran, dass der Christus in seinem Hause aufwachsen werde, hatte
Joseph nicht von ferne gedacht. Gottes Werk hat ihn vllig
berrascht; es kam ihm vor, nun sei es ganzunmglich, dass Maria noch
seine Frau bleibe. Unsere Gedanken, sagt Matthus, hat das, was Gott
durch Jesus tat, von Anfang an umgestoen. Wir haben nicht nach
unseren eigenen Wnschen an seinem Werk Anteil bekommen; wir alle
mussten uns selbst verleugnen und im Gehorsam, der sich dem
gttlichen Befehl unterwirft, handeln. Damit aber niemand auf
boshafte Vermutungen gerate und Joseph schlimmen Argwohn zutraue,
sagt Matthus, Joseph habe seinen Entschluss deshalb gefasst, weil
er gerecht war; er wollte nichts tun, was gegen den Willen Gottes
war. Darum wollte er in aller Stille, ohne dass es jemand erfuhr,
auf Maria verzichten. Wenn einer Braut die Ehe wieder gekndigt
wurde, war sie dem boshaften Gerede der Leute ausgesetzt. Darum
wollte Joseph nicht bekannt werden lassen, dass Maria ihm gehrt
habe und jetzt von ihm verlassen sei.
Da hat der Engel Gottes Maria ihm angetraut, ihn durch einen
deutlichen Befehl zum Vater Jesu bestellt und Jesus dadurch dem
Hause Davids zugeteilt.
Mt 1,20-21: Als er aber diese Absicht hatte, steh! da erschien
ihm ein Engel des Herrn im Traum und sagte ihm: Joseph, Sohn
Davids, frchte dich nicht, Maria, deine Frau, zu dir zu nehmen!
Denn was in ihr erzeugt worden ist, das stammt vom heiligen Geist.
Sie wird aber einen Sohn gebren, und du sollst seinen Namen Jesus
heien; denn er wird sein Volk von seinen Snden retten.
Dadurch war Joseph das Geheimnis in der Erzeugung Jesu erlutert,
damit er wisse, wie Groes ihm von Gott bergeben war. Das Kindlein,
das in Maria zum Leben kam, ist ein heiliges Wesen, weil es aus
Gottes heiligem Geist sein Leben hat.
Hier ist alles rein und heilig und herrlich. Joseph darf sich
nicht frchten, wenn der Heilige Geist seine Werke schafft; er darf
die Mutter und das Kindlein nicht in Schande bringen, nachdem sie
Gott geheiligt hat.
Zugleich gab ihm der Engel die Vorschrift fr das erste vterliche
Werk, das er an dem Kindlein zu ben hatte: er musste ihm einen
Namen geben, und dieser Name sollte Jesus sein. Jesus soll seinen
Namen tragen als von Gott, nicht als von Menschen ihm gegeben. Der
Name tut ihn als den kund, der die Hilfe gegen die Snden
bringt.
Maria wurde vom Engel gesagt, dass das Kindlein der verheiene
Sohn Davids sei, den Gott fr immer zum Knig ber sein Volk setzen
wird, das wird Joseph nicht mehr ausdrcklich verkndigt. Er wei mit
dem ganzen Israel durch die Schrift, was aus dem Kindlein werden
soll: Es ist der verheiene Herr und Knig und Israel sein Eigentum;
ja, ihm wird alles von Gott untergeben, und sein Reich umfasst
alle, die die Herrlichkeit Gottes schauen werden. Dagegen wird
Joseph darber unterwiesen, was Jesu Herrschaft bringen wird: Er ist
seinem Volk zum Erlser von seinen Snden gegeben. Dadurch ist die
Absicht Gottes bei der Sendung Jesu im Gegensatz zu allem trben und
trumerischen Hoffen deutlich ausgesprochen. Was uns verdirbt, sind
unsere Snden; sie sind die einzige Gefahr, die uns wirklich
schdigen kann, mit der wir selbst nicht fertig zu werden vermgen.
Aber dieses Kindlein ist dazu durch den Geist Gottes erzeugt
worden, damit es in Gottes Gnade und Macht allem Bsen berlegen sei;
damit unsere Snden weggetan seien und uns nicht von Gott und nicht
vom Leben scheiden; damit Gottes Gnade freie Bahn habe, uns in sein
Reich zu erhhen. Deshalb soll dieses Kind Jesus heien, jedermann
zur Erinnerung, was bei ihm zu suchen ist: Es bringt uns diejenige
Hilfe, die uns unserer Snden wegen ntig ist.
Dadurch war Gottes Weg Joseph um vieles deutlicher gemacht. Nun
mochte er begreifen, warum sein geringes Huschen zur Heimat des
Christus bestimmt worden ist. Wozu brauchte der, der von den Snden
erlsen soll, irdische Herrlichkeit? Wohl aber bedurfte er hierzu
den Geist Gottes, und dass dieser in ihm ist, das wusste Joseph
durch das Geheimnis seiner Geburt.
Matthus holt einen Spruch aus dem Alten Testament und sagt: Dort
knnt ihr sehen, warum dies so geschehen ist.
Mt 1,22-23: Dies alles ist aber dazu geschehen, damit erfllt
werde, was vom Herrn durch den Propheten gesagt ist in dem Spruch:
Sieh! die Jungfrau wird schwanger werden und einen Sohn gebren, und
man wird seinen Namen Immanuel heien; {Jesaja 7: 14} das heit
bersetzt: Mit uns ist Gott.
Matthus sagt nicht nur: Wie es im Alten Testament steht, so ist
es geschehen, sondern: Weil es dort steht, darum ist es so
geschehen. Ein gttliches Wort gilt ihm als eine Macht: es schafft,
was es sagt.
Gott hatte Jesaja angewiesen, dem unglubigen Knig dies zum
Zeichen zu setzen, dass die Jungfrau ein Kind gebren werde, dessen
Name Immanuel sein wird. Wann und wie die Frau schwanger werde, ob
durch eines Mannes Zutun oder durch ein Schpferwerk Gottes, und in
welchem Sinn das Kind ein Immanuel sein werde, durch den Gott bei
uns ist, stand in den Worten des Propheten noch nicht. Matthus
sagt: Jetzt wisst ihr das; jetzt seht ihr, wie die Jungfrau
schwanger ward, und seht an dem, der sein Volk von seinen Snden
retten wird, was es bedeutet: Gott ist bei uns.
Auch dem, was in Gottes Worten und Werken zuerst dunkel ist und
darum unntz scheint, kommt sicher seine Zeit, in der sich ein Strom
von Segen daraus ergiet. Das Wort von der Jungfrau und ihrem Kind
blieb, als es Jesaja sprach, eine dunkle Rede, die von Ahas
verachtet wurde. Jetzt ist ihm seine Zeit gekommen. Wer mag
ermessen, wieviel Trost und Gewissheit der gttlichen Fhrung Maria
aus diesem einen Wort empfangen hat!
Nachdem Joseph ber Gottes Rat unterwiesen war, hat er seine
eigene Meinung beiseite gestellt und im Gehorsam gehandelt.
Mt 1,24-25: Joseph aber erwachte vom Schlaf und tat, wie ihm der
Engel des Herrn befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich; und er
erkannte sie nicht, bis sie einen Sohn geboren hatte, und er nannte
seinen Namen Jesus.
Zum Gehorsam gehrte fr Joseph beides, sowohl dass er den
besonderen Beruf Marias ehrte und sie nicht berhrte, bis Jesus
geboren war, wie auch dass er hernach mit ihr lebte, wie ein Mann
mit seinem Weibe leben soll. So hatte nun das Kindlein Vater und
Mutter und war in das Haus Davids eingepflanzt.
[[@Bible: Matthew 2: 1-23]]
Mt 2 Wie Jesus nach Nazareth kam
Mt 2,1: Als aber Jesus in Bethlehem in Juda in den Tagen des
Knigs Herodes geboren war.
Bethlehem nennt er der Verheiung wegen; {Micha 5: 2} an Herodes
erinnert er teils, um uns einigermaen die Zeit anzugeben, in der
sich diese Dinge zutrugen, teils um durch diesen Namen an die tiefe
Not zu erinnern, in der sich Israel befand. Als Jesus geboren
wurde, hatte Israel schon einen Knig; aber dieser hatte sich selbst
mit ehrgeiziger Leidenschaft durch die Hilfe der Rmer die Macht
errungen und fhrte sein Regiment so, dass er sich selbst versndigte
und das Volk verdarb. Das war ein ganz anderer Herrscher als der,
der aus dem Geist geboren ist und auf dem Weg des Gehorsams aus
Gottes Hand das Reich empfangen soll. Dadurch aber, dass Israel
damals einen solchen Herrscher hatte und ertrug, war es von Anfang
an gewiss und unvermeidlich, dass Jesu Weg ihn in das Leiden fhren
und seine Arbeit zu einem Kampf mit Israel werden wird.
Von den gttlichen Zeichen, die Jesu Geburt begleiteten, erzhlt
Matthus nur eines, dasjenige, das den schlimmen Zustand Israels
offenbart. Die unerwartete Wendung im Werk Jesu, die fr ein
jdisches Herz so schmerzlich war, beginnt sogleich bei seiner
Geburt: Heiden wurden von Gott zu Jesus geleitet und beteten ihn
an; Israel fand ihn nicht, und sein Knig suchte ihn umzubringen.
Deshalb musste er aus Juda nach gypten fliehen und in Nazareth in
der Verborgenheit aufwachsen. Schon bei Jesu Geburt wurden Erste
Letzte und Letzte Erste. {Matthus 19: 30 20: 16 Lukas 13: 30}
Mt 2,2: Sieh! da trafen Sterndeuter vom Osten her in Jerusalem
ein und sagten: Wo ist der Knig der Juden, der geborenworden ist?
Denn wir sahen im Osten seinen Stern und kamen, um ihn
anzubeten.
Nicht Israel verkndigt den Heiden die frohe Botschaft von der
Geburt des Christus, sondern Heiden werden von Gott bentzt, um sie
Jerusalem kundzutun. Und dazu waren es noch Sterndeuter, die das
Geschick der Menschen in den Sternen lesen wollten und allerlei
dunkle Knste trieben das unreine Gegenstck zu den durch Gottes
Geist erleuchteten Propheten. Diesmal aber kamen Magier Israel, das
das helle prophetische Wort besa, zuvor. (Dadurch, dass wir in
Bildern und Liedern die im Mittelalter verdorbene Gestalt dieser
Geschichte fortpflanzen, als wren es drei Knige gewesen, wird ihr
tiefer Ernst verdeckt. Das ganze Evangelium wrde anders, wenn es
damit begnne, dass Gott Knige zu Christus fhrte. Vielmehr hat er in
der Finsternis Irrende, die nichts von ihm wussten, als was die
stummen Sterne sagen, zu ihm gebracht, und dies vor denen, die die
Bibel besaen.)
Gott hat sich zu ihrer Weise herabgelassen und durch einen Stern
mit ihnen geredet. Was es fr eine Himmelserscheinung gewesen ist,
lsst sich nur vermuten. Auch ist es unmglich, dass der Stern allein
sie auf die Wanderschaft getrieben hat; sie haben vielmehr von der
Hoffnung Israels gehrt, da damals weithin durch Asien zahlreiche
jdische Gemeinden verbreitet waren. Und auch so wre das uere
Zeichen fr sie stumm geblieben, wre ihnen nicht ein inwendiges
Verstndnis als Gottes Gabe ins Herz gelegt worden. Ohne die htte
sie auch der wunderbarste Stern nicht bewogen, zum Knig der Juden
zu gehen.
Hier soll Israel lernen, wie es Gottes Verheiung schtzen sollte.
Obschon der Knig der Juden fern von diesen Heiden und nicht zuerst
fr sie geboren wurde, sahen sie doch darin, dass ihnen ein Stern
den von Gott Verheienen ankndigte, ein unvergleichlich groes
Ereignis; Israel aber blieb dafr stumpf.
Man wartete allerdings in Jerusalem mit groer Spannung darauf,
wann und wie Gott wohl den heiligen Knig senden werde. Das
unheilige Regiment des Herodes machte die Sehnsucht nach dem Knig
vom Himmel besonders dringend. Im Volk besprach man sich ber die
Verheiung oder trstete sich mit ihr, je nachdem man das gttliche
Wort im Herzen trug oder nur im Kopf. Eiferer wollten gewaltsam mit
dem Schwert das Himmelreich herbeizwingen. Der Knig berwachte
ngstlich jede Regung der Hoffnung und zertrat alle, die seiner
Herrschaft htten gefhrlich werden knnen. Deshalb brachte die
Ankunft dieser Magier aus dem Osten in der Stadt eine groe
Aufregung hervor.
Mt 2,3-6: Als es aber der Knig Herodes hrte, wurde er erschttert
und ganz Jerusalem mit ihm, und er versammelte alle Hohenpriester
und Schriftgelehrten des Volks und befragte sie, wo der Christus
geboren werde. Sie aber sagten ihm: In Bethlehem in Juda. Denn so
ist durch den Propheten geschrieben: Und du, Bethlehem, Land Judas,
bist mitnichten die geringste unter den Frsten Judas. Denn aus dir
wird ein Frst hervorgehen, der mein Volk Israel weiden wird. {Micha
5: 2}
Israels geistliche Fhrer waren mit der Bibel genau bekannt;
darum wussten sie sofort, was die Magier nicht wussten, dass Micha
Bethlehem als die Stadt des neuen Knigs beschrieben hat. Dieser
Bescheid war aber auch alles, was die Magier von den Fhrern Israels
empfingen. Niemand schien ihre Botschaft glaubwrdig; der Stolz
Israels strubte sich, durch den Mund der Heiden sich weisen zu
lassen.
Mt 2,7-8: Da rief Hemdes die Sterndeuter heimlich und erkundigte
sich bei ihnen genau nach der Zeit, wie lange der Stern scheine,
und schickte sie nach Bethlehem und sagte: Geht und forscht genau
nach dem Kindlein; wenn ihr es aber gefunden habt, so meldet es
mir, damit auch ich komme und es anbete
Der Knig nahm den Kampf gegen Gottes Regierung auf. Er hat sein
ganzes Glck und Leben dem Durst nach Macht geopfert. Zuerst war es
sein Anliegen, sie zu erringen, dann, sie sich zu erhalten und auf
seine Shne zu bringen. Ein Kind, das man als den verheienen Sohn
Davids ehrte, brachte seinen ganzen Bau ins Wanken. Weil er aber
mit der entzndlichen Leidenschaft des Volks rechnete, gedachte er,
recht klug zu verfahren. Solange nur Fremde von ihm sprachen, war
die Gefahr noch nicht dringend. Darum lie er es darauf ankommen, ob
sie wirklich ein solches Kindlein fnden, um es alsdann durch ihre
eigene Anzeige in seine Gewalt zu bringen.
Mt 2,9-11: Sie aber hrten den Knig an und zogen weg, und sieh!
der Stern, den sie irrt Osten gesehen hatten, ging ihnen voran, bis
er an den Ort kam und ber ihm stillstand, wo das Kindlein war. Sie
aber freuten sich, als sie den Stern sahen, beraus mit groer
Freude. Und als sie in das Haus traten, sahen sie das Kindlein bei
Maria, seiner Mutter, fielen nieder und beteten es an, ffneten ihre
Schtze und brachten ihm Gaben dar, Gold, Weihrauch und Myrrhe.
Was die Magier in Jerusalem fanden, entsprach ihrer Erwartung
nicht; aber Gottes Zeichen blieb ihnen treu und fhrte sie zum Ziel
ihrer Wanderschaft; es half ihnen, sich an der Armut der Mutter und
des Kindleins nicht zu stoen, sondern in ihm etwas Greres zu sehen,
als was die Sterne ihnen geben konnten. Ihre Ankunft und die Gaben,
mit denen sie es ehrten, waren fr Maria eine krftige Hilfe, sich
glubig in ihre Verborgenheit und Armut zu finden; sie musste sie
nicht als einen harten Zwang empfinden, sondern konnte darin den
offenkundigen Weg Gottes erkennen, der Mittel hat, sie zu wenden,
wann und wie er will.
Mt 2,12-15: Und da sie im Traum den Befehl erhielten, nicht zu
Herodes zurckzukehren, zogen sie auf einem anderen Weg in ihr Land
weg. Als sie aber weggezogen waren, sieh! da erscheint ein Engel
des Herrn Joseph im Traum und sagt: Wach auf und nimm das Kindlein
und seine Mutter zu dir und flieh nach gypten und bleibe dort, bis
ich es dir sage. Denn Herodes wird das Kindlein suchen, um es
umzubringen. Er aber erwachte, nahm in der Nacht das Kindlein und
seine Mutter und zog fort nach gypten und blieb dort bis zum Tode
des Herodes, damit erfllt werde, was vom Herrndurch den Propheten
gesagt wurde in dem Spruch: Aus gypten berief ich meinen Sohn.
{Hosea 11: 1}
Herodes hatte die Botschaft der Sterndeuter geringgeschtzt, bis
sie beglaubigt sei; so ging wohl der Wunsch der Sterndeuter, Jesus
zu sehen, aber nicht sein Wunsch, ihn zu tten, in Erfllung. Gott
gab den Sterndeutern die Weisung, nicht nach Jerusalem
zurckzukehren; Joseph aber sandte er mit dem Kinde nach gypten.
Matthus deutet auch hier das Walten Gottes durch ein Bibelwort.
Bei Hosea ist von der Errettung Israels aus gypten gesagt, dass
Gott sich Israel als seinen Sohn aus gypten berufen habe. Israel
heit Sohn Gottes, weil Gott es geschaffen hat, damit es ihm gehre,
wie er denn auch fortwhrend wie ein Vater an ihm handelte. Nun
schaut Matthus zum einigen Sohn Gottes empor und sagt: Das Wort des
Propheten hat ihm gegolten; Gott hat wieder wie in der Zeit der
Patriarchen seinen Sohn nach gypten ziehen lassen und ihn von dort
heimgeholt, so dass auch er das Siegel wunderbarer Errettung an
sich trug. Diesmal war aber der verfolgende Knig kein Pharao,
sondern der Knig der heiligen Stadt.
Mt 2,16-18: Da wurde Herodes sehr zornig, da er sah, dass er von
den Sterndeutern verlacht worden war, und sandte Diener und lie
alle Kinder in Bethlehem und in allen ihren Grenzen tten von den
Zweijhrigen an nach unten, der Zeit wegen, die er von den
Sterndeutern erforscht hatte. Da wurde erfllt, was durch den
Propheten Jeremia gesagt ist in dem Spruch: Eine Stimme wurde in
Rama gehrt, viel Klage und Jammer, Rahel, die um ihre Kinder weint,
und sie wollte sich nicht trsten lassen; denn sie sind dahin.
{Jeremia 31: 15}
Weil die Sterndeuter ausblieben, wurde der Verdacht des Knigs
stark; darum lie er alle Kinder Bethlehems umbringen. So versetzte
Jesu Geburt Bethlehem in tiefes Leid. Matthus holt aus der
Weissagung Trost und Licht. Sie sprach nicht nur von Friede und
Freude in den Tagen des Christus, sondern auch von bitterem Weinen.
Er fhrt das Wort Jeremias an, nach dem Rahel, die Mutter des
Stammes Joseph, deren Grab nahe bei Bethlehem gezeigt wurde, um
ihre Kinder weint, weil sie vernichtet sind. Nun ertnte wieder wie
in den Tilgen des Jeremia um das Grab der Rahel her bitterer Jammer
der getteten Kinder wegen. Auch das Wort des Propheten vom Schmerz,
der ber Israel seiner Snden wegen kommt, steht fr Matthaus als
gltiger, gttlicher Spruch in der Schrift; er soll Israel geigen,
dass Gott das Widerstreben seines Volkes gegen ihn kennt und ihm
tue schwere Not, die es sich damit bereitet, angesagt hat. Daran
soll es erkennen, weshalb ihm der Christus gegeben ist: Er soll den
Aufruhr gegen Gott beenden, wie ihn hier der Knig Jerusalems
unternimmt, und das Elend, das daraus entsteht, heilen. Deshalb
sollte sich aber Israel auch nicht daran stoen, dass Jesu Weg durch
Verfolgung und Sterben fhrt. Denn das ist die Frucht seiner Snde;
Gott aber vollfhrt dennoch seinen gndigen Rat.
Mt 2,19-23: Als aber Herodes gestorben war, sieh! da erscheint
ein Engel des Herrn Joseph im Traum in gypten und sagt: Wach auf,
nimm das Kindlein und seine Mutter und geh in das Land Israels.
Denn sie sind gestorben, die nach dem Leben des Kindleins
trachteten. Er aber erwachte, nahm das Kindlein und seine Mutter zu
sich und ging in das Land Israels. Als er aber hrte, dass Archelaus
ber Juda an der Stelle seines Vaters Herodes Knig sei, frchtete er
sich, dorthin zu ziehen, und da er im I rum einen Befehl erhielt,
entwich er in den Bezirk von Galila, und als er dorthin gekommen
war, nahm er Wohnung in einer Stadt, die Nazareth beisst, damit
erfllt werde, was durch die Propheten gesagt ist: Er wird Nazarener
heien.
Als Herodes starb, bergab er in seinem Testament Jerusalem und
Juda seinem Sohn Archelaus. Sofort aber brachen heftige Kmpfe in
der Stadt aus, und ein rmisches Heer musste mit Gewalt das Volk zur
Ruhe bringen. Nach langen Verhandlungen in Rom vor dem Kaiser
Augustus ber die neue Ordnung der Regierung besttigte dieser
schlielich das Testament des Herodes, so dass Archelaus als Frst in
Jerusalem regieren durfte. Wir wissen von seinen Taten nicht viel
mehr, als dass er es schlimm getrieben und sein Volk bel geqult
hat, so dass Augustus es nach neun Jahren fr ntig hielt, Jerusalem
von diesem Wterich zu befreien.
Joseph empfing nach dem Tod des Herodes in gypten die Weisung,
heimzukehren; als er sich wieder auf dem Boden Israels befand und
das, was von Archelaus zu erwarten war, ihn ngstigte, erhielt er
eine zweite Weisung, die ihn nach Galila gehen hie. Die Wahl des
Orts, in dem Jesus aufwuchs, war schon deshalb nicht unwichtig,
weil er wie jedermann nach seiner Heimat genannt wurde; von daher
erwuchs aber sofort ein Vorurteil gegen ihn. Darum hat Joseph
zuerst an Juda, wohl an Bethlehem oder an Jerusalem gedacht. Dieser
Gedanke lag menschlicher Frsorge nahe; es schien der richtige Weg,
dass Jesus nicht abseits, sondern in der heiligen Stadt oder nahe
bei ihr aufwachse. Der Evangelist erkennt darin, dass er der
Nazarener geworden ist, den besonderen Willen Gottes nach der
Schrift; allerdings kann man nicht mehr sicher sagen, an welche
prophetischen Worte er dachte. Er sagt nur, durch die Propheten sei
geweiagt, dass Jesus Nazarener heien solle. Vielleicht blickt er
auf Jesaja 11: 1, wo der Christus ein Scho (nezer) heit, der aus
Isais Wurzel aufgehen wird; damit sind die Worte bei Jeremia und
Sacharja zu verbinden, die ihn (mit einem anderen hebrischen Wort)
ebenfalls Scho nennen, den der Herr Israel erwachsen lsst .
{Jeremia 23: 5 33: 15 Sacharja 3: 8 6: 12} Vielleicht hat der
Evangelist den Namen Nazarener, womit der jdische Unglaube Jesus
gern bezeichnete, mit jenem Ausdruck der Schrift verbunden wegen
des hnlichen Lautes und zugleich mit einem tiefen Blick in Jesu
Gang. Der Nazarenername bildete ein hervorstechendes Zeichen der
Niedrigkeit Jesu. Der Prophet hat sie dadurch geweiagt, dass er
Jesus nicht mit einem hohen Baum vergleicht, sondern wie einen
frischen Scho aus einer Wurzel, deren Stamm abgehauen ist,
aufwachsen lsst . Jedenfalls gehrt fr den Evangelisten auch dieses
Stck der Niedrigkeit Jesu zu Gottes Weg, auf den er Israel schon
durch die Schrift vorbereitet sieht. Die Bosheit des Herodes und
der Unglaube Jerusalems haben Gottes Rat nicht durchkreuzt, sondern
erfllt. Jesu Niedrigkeit ist darum fr seine Gemeinde keine
Schwierigkeit, die ihr den Glauben schwer machen musste, sie wird
ihr umgekehrt wegen ihrer deutlichen bereinstimmung mit Gottes
Willen zum Glaubensgrund.
[[@Bible: Matthew 3: 1-17]]
Mt 3,1-12 Wie Jesus der Weg bereitet wurde
In Nazareth hat niemand in Jesus den Christus erkannt; auch hat
er selbst nichts mit eigenem Willen getan, um sich als der Knig
Israels zu erweisen; er wartete still, wie Gott ihn aus Nazareth
herausfhren und in die Mitte Israels stellen werde. Dies geschah
dadurch, dass Johannes sein Werk begann.
Mt 3,1-2: In jenen Tagen tritt Johannes der Tufer auf und
verkndet in der Wste Judas: Tut Bue; denn die Herrschaft der Himmel
ist nahe.
Johannes tat seine Arbeit nicht im Tempel oder in den Schulen,
sondern in der Wste, abseits von den alten Heiligtmern und dem
jetzigen Gottesdienst des Volkes. Nicht als Lehrer trat er vor die
Gemeinde, um ihr zur Mehrung ihrer Erkenntnis in gttlichen Dingen
tue Schrill auszulesen, sondern wie ein Herold oder Ausrufer, der
jedermann zum Aufmerken auf eine unbekannte Sache bringen will.
Sein Beiname der Tufer, den er bei Juden und Christen erhielt,
sagt, wie er das Volk zum Aufmerken zwang.
Das Taufen war in der Judenschaft ein eifrig gepflegter Brauch.
Weil das Gesetz zwischen unreinen und reinen Menschen oder Dingen
unterschied und den Unreinen das Bad auferlegte, damit sie wieder
rein wrden, taufte mau sich in Israel oft. Je eifriger jemand Gott
dienen wollte, umso hufiger taufte er sich, um jede Befleckung
durch unreine Dinge abzutun. Die Phariser betrieben das Taufen an
ihrer Person und an allen ihren Gerten eifriger als die gewhnlichen
Juden, und jede Gruppe im Volk, die einen besonderen Frmmigkeitsweg
erfand, bildete eine noch strengere Taufregel aus. Diesem Volke,
das sich so eifrig wusch, damit es Gott gefalle, sagte Johannes
noch einmal: Waschet euch! Mit allen euren Bemhungen seid ihr doch
von der Unreinheit nicht frei geworden; durch bsen Makel seid ihr
noch vor Gott geschndet. Das sagte er ihnen aber nicht, damit sie
verzagten; vielmehr bereitete er ihnen ein neues Bad, das sie von
ihrer bsen Last befreien kann.
Die Absicht seiner Taufe machte er ihnen durch seine Botschaft
klar, die sie zur reuigen Umkehr berief. Er bat die ganze Gemeinde,
ihren alten Weg nicht fortzusetzen, weil er ein bser Weg sei, der
sie von Gott und seinen Gnadengaben trenne. Er forderte sie auf,
ihr Denken und Trachten zu wenden und einen neuen Willen zu fassen,
weil ihr Gottesdienst nichtig, ihre Erfllung des Gesetzes lgenhaft
und ihr Stolz vor Gott bsartig sei. Jetzt ist es dazu die hchste
Zeit; jetzt gilt es, dass sie vor dem, was sie tun, erschrecken;
denn die hchste, herrliche Offenbarung Gottes ist jetzt nahe.
Johannes zeigt zum Himmel empor, zu dem, der im Himmel regiert
und vom Himmel her auch die Menschheit sich unterwirft. Gottes
Herrschaft bricht an. Er wird mit einem kniglichen Werk Israels
Stand neu machen und sich die Gemeinde bereiten, die als sein Reich
ihm gehorsam ergeben ist; an ihr wird er seine Herrlichkeit
offenbaren.
Wenn aber Gottes Regiment anbricht, rafft es den Bsen dahin und
vollzieht an ihm das Gericht. Deshalb hat der Tufer durch Wort und
Taufe Israel gemahnt, sich selbst reuig zu richten, ehe es von Gott
gerichtet wird, und seine Bosheit zu lassen, ehe Gott sie mit
seiner kniglichen Macht aus seinem Reich entfernen wird.
Das ist aber nur die eine Seite der Sache; sie trifft den
trotzigen Snder. Fr die Reuigen lag im Wort des Tufers zugleich die
grte aller Verheiung en. Unser Hoffen kann nichts Greres fr uns
ersinnen, als dass wir Glieder des Reiches werden, ber das Gott
Herr ist. In ihm geschieht der Wille Gottes, in ihm teilt Gott
seine Gaben aus, in ihm haben wir teil an Gottes Sieg und
Herrlichkeit. Jetzt, sagte der Tufer zu Israel, erlebt ihr die
hchste Gnade Gottes; jetzt vollfhrt er seinen gndigen Willen und
erfllt er seine Verheiung , damit ihr seiner Herrschaft untergeben
und mit ihm zu ewigem Leben vereint seid. Er grndet die Bue auf die
Gre der Gnade, die Gott ihnen jetzt erweisen wird. Wollen sie diese
ihrer Bosheit wegen verscherzen? Sollte Gottes Reich, auf das sie
warteten und um das sie beteten, kommen, und sie doch nicht
hineingehen drfen? Deshalb bat Johannes: Nehmet die Vergebung reuig
an, durch die euch Gott zu seinem Reiche einldt!
So enthielt seine Taufe in unlslicher Verbindung mit dem Gericht
ber die menschliche Bosheit zugleich die ganze Zusage der gttlichen
Gnade. Die Vergebung, durch die Gott auch dem Snder, der sie reuig
und bufertig sucht, sein Reich ffnet, ist in die Taufe gefasst.
Himmelreich hie der Tufer das Reich Gottes nach der Weise, wie
die Juden damals von ihm redeten. Das Reich der Himmel ist nichts
anderes als das Reich Gottes; es liegt aber in jenem Namen eine
Erinnerung an den Gegensatz, in dem dieses Reich zum gegenwrtigen
Lebensstand steht. Es unterscheidet sich von diesem wie der Himmel
von der Erde. Im Himmel lebt Gott nicht einsam, sondern bei seinen
herrlichen Geschpfen, in denen weder Snde noch Sterblichkeit ist.
Dort strahlt die Herrlichkeit Gottes in der Flle ewigen Lebens. Auf
Erden dagegen tun wir Menschen unseren eigenen bsen Willen und
bereiten uns Elend und Tod. Darum ist es Gottes Ziel, Verheiung und
Werk, dass dem, was vom Himmel ist, die Macht und der Sieg zufalle,
nicht dem, was auf der Erde ist. Darum schafft seine Offenbarung
ein Himmelreich, das aus Engeln und Menschen, aus Himmel und Erde
ein einiges, verklrtes, in ihm verbundenes Reich herstellt.
Nachdem der Tufer mit dieser Botschaft zu Israel gekommen war,
waren fr Jesus die Wege offen. Nun war Israel unterrichtet, dass es
vor der wichtigsten Entscheidung in seiner Geschichte steht, weil
sich Gottes wunderbares Werk anbahnt. Die Erwartung des Volkes
wurde geweckt und zugleich geheiligt. Gegen die Bosheit und
Unlauterkeit mit der Israel sich selbst betrog, war ein starker Sto
gefhrt, seine Verhrtung in Trotz und Hoffart erschttert. Weil aber
die Bupredigt des Tufers nicht aus menschlicher Leidenschaft
stammte, sondern ihm von oben gegeben war, war sie voll von Gnade;
sie brachte den Reuigen Gottes Vergebung. Das war ein guter Grund,
auf dem Jesus weiterbauen konnte. Jetzt war ihm die Tr
aufgetan.
Auch in diesem Punkt bewhrte es sich, dass der Weg Jesu mit der
Weissagung bereinstimmte.
Mt 3,3: Denn dieser ist der, den Jesaja, der Prophet, angekndigt
hat in dem Spruch: Die Stimme eines Rufers den in der Wste:
Bereitet den Weg des Herrn; macht gerade seine Pfade. {Jesaja 40:
3}
Gott der Herr kommt zu seinem Volk in der Sendung des Christus!
Als er kam, fehlte die Stimme nicht, die ihn schon angesagt hatte.
Das war geschehen durch die Verheiung des Propheten, die dieses
Volk antrieb, in Reue und Glauben sich fr Gottes Gabe
bereitzumachen. Das Wort, das Matthus anfhrt, ist dasselbe, in dem
schon der Tufer selbst das gttliche Zeugnis fr seinen Beruf
gefunden hatte; vgl. Johannes 1: 23. Johannes wollte fr Israel
nichts anderes sein als eben, diese Stimme, die der Prophet
beschrieben hatte.
Auch in seiner eigenen Haltung hat der Tufer die Wahrheit und
Hoheit seiner Sendung bewhrt.
Mt 3,4: Er selbst aber, Johannes, hatte ein Kleid aus
Kamelhaaren und um seine Hfte einen ledernen Gurt; die Nahrung
waren fr ihn Heuschrecken und wilder Honig.
Die Gter der Erde begehrte und besa er nicht. Er trug als
einziges Gewand ein hrenes Tuch, das er sich mit einem ledernen
Riemen umband, und nahm zur Nahrung, was ihm die Wste gab:
Heuschrecken und den Honig, den er in den Waben der Bienenschwrme
in der Wildnis fand. So machte er dem Volk deutlich, dass jetzt
keine Zeit mit Eitelkeiten und vergnglichem Genuss zu verlieren
sei. Er stand vor ihm von allem los, worein sich dessen Trachten
verfing und woran es sich versndigte, allem verschlossen, nur
seinem Beruf ergeben, ins Fasten gebeugt im Blick auf Israels Snde
und vllig nach oben zu Gottes Reich gekehrt. Ein Werk wie das des
Tufers richtet man nur betend aus; in Israel waren die Beter
zugleich Fastende.
Es wurde Johannes Macht gegeben, mit seiner Botschaft das Volk
zu ergreifen und es zum Jordan zu ziehen. Dazu hat auch die runde
Entschiedenheit, mit der er alles Irdische von sich abstreifte,
krftig mitgewirkt. Dem Buwort des Mannes im hrenen Kleid erwies das
Volk Vertrauen; durch seine starke Scheidung von allem Irdischen
und Sndlichen wurde es in seinem Gewissen erfasst.
Mt 3,5-6: Da ging heraus zu ihm Jerusalem und das ganze Juda und
der ganze Bezirk des Jordans, und sie wurden von ihm im Fluss
Jordan getauft, da sie ihre Snde bekannten.
So kam ans Licht, dass Gottes Wort nicht umsonst bei Israel
gewesen war. Das Volk war zwar schlimm verirrt, verleitet von
blinden Fhrern, die seine bsen Triebe reizten. Gleichwohl war in
ihm ein dringendes Verlangen nach dem Anbruch des gttlichen Reichs.
Viele innere und uere Not hatte es nach Gottes Hilfe begierig
gemacht; darum wurde ihm die Botschaft vom Himmelreich nicht
umsonst gesagt. Auch fr die Bupredigt war es durch die Zucht des
Gesetzes empfnglich gemacht. Es wurde in Israel viel ber die Snden
geklagt und von der Notwendigkeit der Bue geredet. An Antrieben zur
Reue fehlte es dem Volk nicht. Darum zogen Scharen aus Jerusalem
und aus den Drfern der jdischen Landschaft zum Tufer hinaus und
nahmen die Taufe von ihm an.
Am Bekenntnis der Snde wird sichtbar, weshalb der Tufer nicht
blo mir Worten die Snde des Volkes bestritt, sondern ihr die Taufe
entgegengestellt hat. Mit dem Wort htte er zwar bufertige Gedanken
in den Leuten geweckt; diese zergehen jedoch leicht in nichts. Er
trieb aber das Volk zu einem bestimmten Entschluss, zu einer Tat,
die das, was in den Herzen sich regte, in ein deutliches Ergebnis
zusammenfasste und dadurch fest machte. Indem der Jude in den
Jordan hin erstieg, gab er seinen Ruhm, gerecht zu sein, auf und
stellte sich offenkundig vor Gott und Menschen als Snder dar. Nun
ging ihm der Mund auf, dass er auszusprechen wagte, was in seinem
Leben Bses war.
Weil sich alles Sndliche bestndig mit Lgen verwebt, durch die es
sich schtzen will, darum ist bei der Abwendung vom Bsen das
Gestndnis eine wichtige Hauptsache. Wir werden in ihm aufrichtig,
und, in der Wahrhaftigkeit liegt ein starker Schutz gegen das Bse.
Im Gestndnis erleiden wir etwas davon, was unsere Taten wert sind.
Es mindert unsere Ehre; deshalb tut es weh. So bewhrt sich in ihm
der Ernst der Reue, mit der wir uns wirklich schuldig geben und uns
selbst verurteilen; der damit verbundene Schmerz dmpft die Lust an
der Begier.
Nur im Griff nach Gottes Gnade wird das Bse berwunden. Der Tufer
brachte die Leute dazu, ihre Sunden zu gestehen, weil er ihnen in
der Taufe die Vergebung gab. Indem der Jude in den Jordan
hinunterstieg, empfing er mit dem Gestndnis seiner Snde zugleich
Gottes Antwort: Vor mir bist du rein und in mein ewiges Reich
versetzt!
Wir tun deshalb der Taufe des Johannes unrecht, wenn wir sie nur
ein Symbol oder ein Zeichen heien. Jesus hat nicht so von ihr
geredet, sondern gesagt, dass sie aus dem Himmel und eine Gabe
Gottes sei. {Matthus 21: 25} Sie war nicht nur ein Zeichen, sondern
eine Tat: eine Tat des Tufers, der das Volk dazu trieb, jetzt mit
seinem bsen Weg abzuschlieen, und eine Tat derer, die ihm gehorsam
wurden und ihren bisherigen Weg verwarfen. Sie war aber noch mehr;
denn ber dem, was der Mensch bei der Taufe tut, steht das, was Gott
durch sie am Menschen tut: Er hlt ihm durch sie nicht blo seine
Botschaft vor, sondern schenkt ihm seine Gnade, verzeiht ihm alle
Snden und nimmt ihn in sein Reich auf.
Schon damals kamen aber auch die bsen Hindernisse zutage, die
hernach das Werk Jesu vergeblich machten und ihm das Kreuz
bereiteten. Schon Johannes musste mit den verkehrten Hirten des
Volkes den schweren Kampf aufnehmen. Dadurch wird es besonders
deutlich, wie ernst es ihm mit der Forderung war, Israel msse
umkehren. Die anderen Lehrer des Volkes klagten auch ber die
bertretungen des Gesetzes und hielten die Gerechtigkeit der
Gemeinde fr mangelhaft; aber sie hatten doch immer die Meinung, der
Weg, den man gehe, sei im Grund richtig, er sei nur noch eifriger
fortzusetzen, und die Gerechtigkeit, die man habe, sei nur noch
vollstndiger zu machen. Jeder suchte deshalb die anderen durch
besondere Leistungen der Frmmigkeit zu berbieten. Weil es aber dem
Tufer an einer grndlichen Wendung lag, daran, dass Israel seinen
alten Weg ganz aufgebe, hatte er an den frommen Meistern des Volks
am wenigsten Freude; ihnen galt vielmehr sein Buwort mit besonderem
Ernst.
Mt 3,7a: Als er aber sah, dass viele der Phariser und Sadduzer
zur Taufe kamen, sagte er zu ihnen: Schlangenbrut!
Auch die Phariser und Sadduzer wollten in das Himmelreich und
hatten nicht Lust, als die Unbufertigen dazustehen, whrend das
brige Volk sich reuig zeigte; auch sie sprten den prophetischen
Beruf des Tufers und wollten dem Boten Gottes recht geben, wenn er
das Volk zur Taufe berief. Der Evangelist nennt die beiden Parteien
nebeneinander, obwohl sie sich leidenschaftlich um die geistliche
Macht stritten. In der Erklrung des Gesetzes und in der der
Weissagung standen sie vielfach gegeneinander und stritten
miteinander in bitterer Leidenschaft. Aber diese Unterschiede
brachten weder die einen noch die andern dem Tufer und dem
Himmelreich nher. Johannes hat von allen Fhrern Israels, zu welcher
Farbe sie sich bekennen mochten, die Umkehr verlangt.
Als die ersten Mnner kamen, die als Phariser oder Sadduzer einen
Namen hatten, taufte er sie wie alles Volk. Er mochte sich freuen,
dass das Wort Gottes, das ihm bergeben war, sich so mchtig erwies,
dass es auch diese stolzen und krummen Geister berwand. Aber als er
viele von ihnen kommen sah, als es Brauch wurde, dass auch die
Phariser und Sadduzer zur Taufe gingen, da wurde es ihm bange. Er
lie sich durch diesen scheinbaren Erfolg nicht blenden und
verhtete, dass aus seiner ernsten Predigt ein Scherz wurde.
Schlangenbrut hie er diese regierenden Priester, die in Gottes
Tempel die Ehrenmter verwalteten, und diese gelehrten
Schriftforscher, die ihr ganzes Leben der Auslegung der Bibel
widmeten, und diese ehrwrdigen Eiferer, von denen jedermann wusste:
Das sind Phariser, abgesonderte Mnner, die sich vor jeder
bertretung des Gesetzes frchten und lieber das Leben lassen als von
den gttlichen Geboten weichen. Johannes aber verehrte diese
Heiligen nicht; er blickte mit Abscheu und Schrecken auf sie wie
auf ein Schlangennest, sagte ihnen alle Gemeinschaft auf und
kndigte ihnen den Zorn Gottes an. Ein Schlangennest meidet und ttet
man.
So sprach der Tufer, damit die Bue Bue bleibe und nicht ein
Spiel werde, bei dem der Mensch sich aus dem Schmerz ber seine
Bosheit einen Grund zum Stolz macht. Johannes hielt ihnen die Gre
ihrer Bosheit ohne Schonung vor, damit es sich zeige, ob ihre
Freude an sich selbst gebrochen sei. Wer unter ihnen wirklich reuig
war, lie sich schelten, gab Johannes recht und trug Leid darber,
dass sein inwendiges Wesen ein solches Urteil verdiene.
Mt 3,7b: Wer hat euch gezeigt, vor dem kommenden Zorn zu
fliehen?
Auch diese verwunderte Frage sollte den Pharisern und Sadduzern
fhlbar machen, wie gro ihre Bosheit ist. Johannes hat nicht
erwartet, dass auch sie sich vor dem Zorn flchten werden. Er treibt
sie nicht weg, verbietet ihnen die Taufe nicht und spricht nicht
das verdammende Urteil, dass ihnen nur der Zorn Gottes gelte. Aber
er erklrt ihnen unverhohlen, dass er nicht glauben kann, dass auch
sie sich helfen lassen. Er hlt sie fr unbufertig und verloren und
ist erstaunt, dass auch sie sich zur Taufe einfinden. Wie ist es
mit ihnen zu dieser Vernderung gekommen? Wer hat ihnen das
beigebracht?
Auf die Flucht vor dem gttlichen Zorn begaben sie sich dadurch,
dass sie die Taufe begehrten und sich wenigstens fr einen
Augenblick aus ihrem bsen Treiben aufschrecken lieen. Aber das
Erstaunen des Tufers soll sie bewegen, sich zu prfen, ob es ihnen
mit ihrer Reue ernst ist. Auf die Zllner und Snder hat er gerechnet
und sich nicht verwundert, wenn sie bufertig wurden; wohl aber hat
er gezweifelt, ob sich die Phariser und Sadduzer zur Umkehr bringen
lassen. Waren sie doch geltende Mnner und die Macht betubt den
Menschen, so dass er schwer aus einem Lehrenden ein Lernender und
aus einem Inhaber hoher Ehren ein ber seine Snde Leidtragender
wird. Mehr noch: Gerade mit ihrem Gottesdienst hatten diese
Phariser und Sadduzer sich ihre Ehre verschafft. Ihnen waren die
heiligen Dinge bekannt, aber sie hatten sie mit selbstschtiger
Begier entweiht; sie hatten Gott zum Mittel gebraucht, um sich
selbst zu erhhen, sein Gesetz benutzt, um sich damit zu
verherrlichen, und seine Wahrheit, um damit fr sich Macht und
Vorteil zu erraffen. So hatten sie sich in die Lge und in den
leeren Schein hineinverirrt. Sie hatten Gottes Majestt in ihrem
Herzen erniedrigt; denn sie hatten aus dem Heiligen sich den Anlass
zur Snde gemacht. Die Diebe und Hurer im Volk hatten Gott vergessen
und waren dem Trieb ihrer verdorbenen Natur gefolgt. Auch sie waren
Snder; eben deshalb wusch sie der Tufer im Jordan. Aber ihre Snde
war nicht ihre Ehre, sondern ihre Schande. Darum war diesen
unfrommen Menschen die Umkehr leichter als denen, die wohl fromm
waren, aber nicht zu Gottes Ehre, sondern zu ihrer eigenen
Verherrlichung, und darum nicht zu ihrem Heil, sondern zu ihrem
Fall.
Der Tufer hat das Himmelreich verkndigt; hier aber predigt er
den bevorstehenden Zorn. Das sind nicht zwei Worte, die sich
gegenseitig verdrngen. Das Walten des gttlichen Zorns, das die
Bosheit schlgt, ist ein Mittel, nicht das einzige, aber ein
wesentliches und ntiges, durch das Gott seiner Gnade den Weg ffnet,
damit sie die Menschheit heilige und vollende. Israel war bereit,
sich an der Verheiung Gottes zu ergtzen, in der er ihm die
Offenbarung seiner Herrlichkeit zugesagt hat. Aber der Tufer lie es
ihnen nicht zu, nur auf die Verheiung Gottes zu hren, dagegen seine
Drohung zu begraben. Er hielt ihnen vor, dass Gott, wenn er
handelt, auch als Richter handelt und ans Licht bringt, wie
grndlich er jede Bosheit hasst. Johannes hat Israel den ganzen Gott
verkndigt: seinen glhenden Eifer, die Bsen zu verderben, und seine
leuchtende Gnade, die aus Sndern reine und gerechte Glieder seines
ewigen Reiches schaffen will.
Mt 3,8: Darum weil ihr ja die Taufe begehrt und tut, als ob ihr
vor Gottes Zorn flieht und eure Snde bereut bringt Frucht, die der
Bue wrdig ist.
Johannes hat nicht erst verlangt, dass sie Bue tun; nicht stolz,
sondern mit gebeugter Miene standen sie ja vor ihm und begehrten
nach der Taufe. Nun denn, sagt er ihnen, aus eurer Bue muss Frucht
entstehen. Die Bue allein hilft nichts, wenn sie alles lsst , wie
es vorher war, und keine Wirkung hat. So wre sie nur ein Schein,
mit dem ihr Gott, euch selbst und die Menschen betrgt. Was jetzt in
eurer Seele vor sich geht, msst ihr zu seinem Ende kommen lassen;
zu einem Ende, das dem Anfang, den ihr jetzt in der Taufe gewinnt,
entspricht. Sagt ihr, eure Snde sei euch leid, so bleibt nun dabei
und bewhrt das mit der Tat! Ihr habt euren Stolz gebeugt; so gilt
es denn, dass ihr euch nicht mehr mit der alten Hoffart ber das
brige Volk erhebt. Ihr habt gestanden, dass euer Gottesdienst
voller Versndigungen an Gottes Majestt gewesen ist; so habt ihr nun
fr immer vor Gott zu stehen in der Furcht, die sich auf seine Gnade
angewiesen wei.
Diese Mnner verdarben sich aber die Bue durch eine falsche
Zuversicht.
Mt 3,9a: Und habt nicht etwa Lust, bei euch zu sagen: Wir haben
Abraham zum Vater.
Sie sttzen sich auf Gottes Bund mit Israel in dem Gedanken dass
seine Erwhlung unwandelbar sei. War es nicht Glaube, wenn sie sich
als Kinder Abrahams die Zusage Gottes aneigneten und sich so als
Glieder des Himmelreichs betrachteten? Eine Art Glaube war es
freilich, aber eine verdorbene Art, entstellt durch bermut. Sie
frchten sich nicht mehr vor Gott, sondern tun, als wre Gott jetzt
an sie gebunden und msse auch an ihrer Bosheit Wohlgefallen haben;
als wre es ihm verboten, ihnen seinen Zorn zu zeigen, der ihrer
Bosheit gibt, was sie verdient. Sie halten sich um Abrahams willen
fr Gottes Lieblinge, denen nichts Schlimmes widerfahren wird; sie
meinen, es nicht mehr ntig zu haben, ihre Reue zur rechtschaffenen
Frucht zu vollenden. So aber wird Gottes Gte nicht mehr geschtzt,
sondern entweiht. Das ist nicht mehr Glaube, sondern bermut.
Mt 3,9b: Denn ich sage euch; Gott vermag aus diesen Steinen
Abraham Kinder zu erwecken.
Von der Verheiung Gottes bricht Johannes nichts ab; an ihrer
Erfllung wird ihn kein Phariser mit seiner Bosheit hindern. Gott
wird Kinder Abrahams schaffen, die in sein Reich eingehen. Dazu
dient ihm aber eine unbegrenzte Macht, ohne dass er hierzu
verstockte Juden ntig htte. Ihre stolze Zuversicht wird mit
Beschmung sehen mssen, wie Gott anderen Kindern Abrahams sein Erbe
zuteilt, ihnen dagegen seinen Zorn zu spren gibt.
Um sie von ihrer Einbildung zu befreien, erlutert er ihnen den
Ernst der Zeit.
Mt 3,10: Schon liegt die Axt an der Wurzel der Bume. Nun wird
jeder Baum, der nicht gute Frucht bringt, umgehauen und ins Feuer
geworfen.
Jetzt reinigt Gott seine Gemeinde; er vollfhrt an ihr das Recht
nach der einfachen Regel seiner Gerechtigkeit. Bume, die keine gute
Frucht tragen, lsst er nicht stehen. Will ein Baum sich vor der Axt
retten, so bringe er gute Frucht! Gottes Zorn ist nicht grundlose
Leidenschaft, die von der Gerechtigkeit losgelst wre, sowenig
Gottes Gnade parteiische Gunst ist, der auch die Bosheit der
Erwhlten wohlgefiele. Vielmehr ist der Zorn nichts anderes als
Gottes Gerechtigkeit, wie sie ihr Werk an denen bt, die
unfruchtbaren Bumen gleichen.
Nun waren freilich die Zuhrer des Johannes geneigt, ihn zu
fragen, warum denn die jetzige Zeit ihnen die ernste Entscheidung
bringe. Sie selbst sahen von der Axt, von der Johannes sprach, noch
nichts. Es mochte ihnen scheinen, was Johannes vollbringe, gebe ihm
zu solchen Reden keinen Grund. Er hat aber bei seinen groen Worten
nicht an sich selbst gedacht, als wrde er selbst das Gericht
halten. Sein Beruf ist viel bescheidener.
Mt 3,11a: Ich zwar taufe euch mit Wasser, damit ihr Bue tut.
So ist die Axt, um die drren Bume zu fllen, nicht ihm bergeben.
Gegen sein Taufen knnen sie sich verhrten und ihre Bosheit im
Herzen behalten, ohne dass er es ihnen wehren kann; Gottes Hand
fasst sie nicht schon durch seinen Dienst.
Dass Johannes sie taufen und ihnen ein Bad der Reinigung
bereiten darf, in dem ihnen die Vergebung Gottes fr ihre Schuld
zuteilwird, das ist das Gttliche und Heilige in seinem Beruf.
Dagegen ergibt sich die Schwachheit seines Dienstes daraus, dass er
hierzu Wasser verwenden muss, das blo den Leib subert, whrend die
wirksame Erneuerung des menschlichen Wesens nicht aus dem Wasser,
sondern aus dem Geist kommt. Deshalb hat auch das Taufen des
Johannes in der Bue seinen Zweck. Weil Gott in seiner Geduld Israel
noch eine Frist gegeben hat, bemht er sich, es durch das Wasserbad
zur Umkehr zu bewegen. Darum ist freilich jetzt vom Gericht noch
nichts zu sehen, so dass die Phariser spotten knnen: Wo ist denn
die Axt? Dennoch ist das Himmelreich nahe, und der Zorn stellt
bevor.
Mt 3,11b: Der aber, der nach mir kommt, ist strker als ich; ich
bin nicht tchtig, ihm die Schuhe abzunehmen.
Der Tufer geht wie ein Bote dem Knig voran und sagt dessen
Kommen an. Dass er kommen wird, bezeugt er hier nicht noch einmal;
das hat er schon lngst ffentlich gesagt mit dem Wort: Die
Herrschaft Gottes ist nahe. Denn der Anbruch des Himmelreichs und
die Ankunft des Christus sind beisammen. Gott richtet sein Reich
auf der Erde dadurch auf, dass er den Christus sendet.
Christus drfen wir uns aber nicht nach dem Bild des Tufers
vorstellen, als vermchte er nicht mehr als das, was dieser kann. Er
hat grere Macht. Er steht so hoch ber dem Tufer, dass dieser ihm
nicht einmal die Sandalen abnehmen kann.
Im Morgenland trug man die Schuhe nur unterwegs; im Hause legte
man sie ab. Dabei band sich ein reicher Mann nicht selbst die
Sandalen an oder ab, sondern lie sich diesen Dienst von einem
Knecht leisten. Es war ein geringer Dienst, der wenig
Geschicklichkeit erforderte. Nicht einmal dazu, sagt der Tufer, bin
ich tchtig. Er will sagen: Wenn der Christus an sein Werk geht,
braucht er mich nicht mehr. Ich kann ihm keine Hilfe sein, sondern
nur zusehen, wie er die Herrschaft bernimmt und mit seiner hheren
Macht Gottes Reich verwaltet. Nur bis Christus selbst kommt, whrt
des Tufers Beruf; bis dahin sucht er durch sein Wasserbad Israels
Herz zu seinem Gott umzuwenden. Wenn aber Christus erscheint, tritt
er ab; zwischen ihm und Christus besteht keine hnlichkeit.
Denn Christus fhrt sein Amt mit anderen Krften, als sie dem
Tufer gegeben sind.
Mt 3,11c: Er wird euch mit heiligem Geist und Feuer taufen.
Auf den heiligen Geist hat Johannes gehofft; er wird die
Gemeinde in Wahrheit vom Bsen erlsen. Und Johannes war gewiss, dass
Christus mit der Flle des Geistes kommen wird. Vom Geist
erzeugt, trat Jesus ins Leben; er regiert durch den Geist so
wird er vom Tufer verkndigt. Das, was Christus durch seinen
heiligen Geist am Menschen tut, ergibt fr diesen erst die rechte
Taufe. Dadurch erlebt er wirklich die vergebende Gnade Gottes, und
es wird ein neuer Mensch geboren, der in das Reich Gottes zum
ewigen Leben gelangt.
Christus verwaltet aber nicht blo den Geist, der das neue Leben
gibt, sondern auch das Feuer, das das Bse verzehrt; denn er
vollstreckt auch das gttliche Gericht. Mit beiden Worten wiederholt
der Tufer die Verheiung des Alten Testaments. Dort war die
Ausgieung des Geistes fr die letzten Tage versprochen; {Jesaja 44:
3 Hesekiel 39: 29 Joel 2: 28} zugleich wird mannigfach auch vom
Feuer geredet, in das Gott Israel bringen wird, wie ein Schmelzer
das Metall ins Feuer bringt. {Jeremia 9: 7 Hesekiel 22: 20 Maleachi
3: 3} Darum erwartete es auch die Judenschaft nicht anders, als,
dass der Tag des Herrn mit Feuer anbreche. Ja, sagt der Tufer,
Christus hat in der Tat ein Feuer bei sich, mit dem er alles bse
Wesen wegbrennen wird. Aus seinem Feuer geht die verklrte Gemeinde
hervor, die von allen Flecken gereinigt und fr Gottes Gegenwart
geheiligt ist.
Solche berwindung des Bsen in der Macht des Heiligen Geistes ist
Christi heilsame Gabe; er bringt sie uns deshalb, weil ihn die
Gnade Gottes zu uns schickt. Sie in ihrer ganzen Gre bot der Tufer
auch den Pharisern an. Euch, die ihr der Schlangenbrut gleicht,
will der Christus durch seinen heiligen Geist von eurer Snde
reinigen, damit Gott sein knigliches Werk, euch zum Leben und zur
Herrlichkeit, an euch tue. Weil er aber hier Gottes Gnade stolzen,
trotzigen Frommen anzubieten hatte, beschrieb er ihnen nochmals
Christi Gericht
Mt 3,12: Er hat die Worfschaufel in seiner Hand und wird seine
Tenne reinigen und seinen Weizen in die Scheune sammeln, die Spreu
aber mit Feuer verbrennen, das niemand lschen kann.
Auf der Tenne liegt das gedroschene Getreide, ein Gemenge von
Krnern und Stroh. Das ist das Abbild Israels und der gesamten Welt;
Gutes und Bses, Gttliches und Teuflisches, echte Kinder Abrahams
und solche, die es nur nach der ueren Herkunft sind, sind
durcheinandergemischt. Das Volk war Gottes Volk und hatte doch so
viel Ungttliches in sich. Kein Mensch konnte das scheiden. Die
Worfschaufel liegt in Christi Hand. Er wird das inwendig
Verschiedene, das jetzt noch in derselben Gemeinde unter demselben
Namen beisammensteht, trennen. Das gute Korn lsst er nicht
verderben; denn es ist sein Eigentum. Er nimmt es zu sich in seine
Scheunen; er fhrt es mit sich ins ewige Leben. Aber die Spreu
berweist er dem Feuer. Und der Tufer bezeugt, dass niemand es
lsche; denn niemand hat die Macht, sich aus dem Gericht zu retten,
mit dem der himmlische Richter die von ihm verstoene Bosheit
straft.
Diese weiagenden Worte des Tufers unterscheiden noch nicht
zwischen dem, was Jesus auf Erden tun, und dem, was er in der
himmlischen Herrlichkeit vollbringen wird. Johannes umfasst das
ganze Werk des Christus ungeteilt mit demselben Blick. Er hat durch
seine Weissagung in wunderbarer Weise Jesus den Weg bereitet; denn
sie hat seine knigliche Herrlichkeit dem Volk verkndigt und ihm
zugleich deutlich gemacht, wozu er sie brauchen wird: Er ist
gesandt, um die Welt durch Gnade und Gericht von der Macht des Bsen
zu erlsen.
Mt 3,13-17 Gottes Zeugnis fr Jesus
Das Auftreten des Johannes brachte Jesus die Berufung zu seiner
ersten Heilandstat. Diese bestand darin, dass auch er zu Johannes
ging.
Mt 3,13: Da trifft Jesus von Galila her am Jordan bei Johannes
ein, um von ihm getauft zu werden.
Damit bekannte sich Jesus zu Johannes als einem wahrhaften
Propheten Gottes und besttigte dessen Buwort und Verheiung als
Gottes Wort. Er kam nicht blo als Zuschauer, um aus der Ferne zu
betrachten, wie Johannes die Snder bekehrte und die Reuigen
aufrichtete; er trat selbst unter sie. Er berlie es den Pharisern,
sich von der Taufe abseits zu halten, damit die eigene Heiligkeit
nicht durch die Gemeinschaft mit den Sndern verdunkelt werde; er
hat sich selbst unter sie gestellt.
Matthus heit uns bedenken, wie wunderbar dieser Anfang Jesu ist.
Er beginnt sein Heilandswerk damit, dass er sich den Schuldigen
gleichstellt, die des reinigenden Bades bedrfen. Darum erzhlt er,
wie auch Johannes an Jesu Tat Ansto nahm. Wie Joseph sich zuerst
gegen den Beruf strubte, den Gott ihm zugedacht hat, so widersetzte
sich auch der Tufer dem ihm unverstndlichen Weg, den Jesus sich
gewiesen sieht.
Mt 3,14: Er aber wehrte ihm und sagte: Ich habe es ntig, von dir
getauft zu werden, und du kommst zu mir!
Nicht du, sagt Johannes zu Jesus, bist der Snder; ich selbst bin
es; du bedarfst es nicht, dass ich dir Gottes vergebende Gnade
erteile; dagegen bist du der rechte Mann, mir Gottes Vergebung zu
bringen. Wenn du mir verzeihst, bin ich entlastet und zu Gottes
Eigentum gemacht.
Johannes hat nicht blo die anderen gestraft, sich selbst dagegen
nicht fr sndig gehalten; er hat sein Strafamt mit dem offenen Blick
fr seine eigene Sndhaftigkeit ausgerichtet. Sonst wre er ein
Schwtzer, ein Phariser in vergrertem Ma gewesen. Er htte nicht nach
der Taufe im Geist verlangen und sein eigenes Taufen mit Wasser fr
ein schwaches Ding halten knnen, wenn er nicht mit hellem Blick die
Macht des Bsen auch in seinem eigenen Wesen erfasst htte.
Die Beugung des Tufers vor Jesus setzt voraus, dass ihm Jesu
heiliges Wesen nicht verborgen war. Das sagt Matthus, ohne zu
berichten, wie Johannes den Blick in Jesu Heilandsamt gewann. Beide
Mnner waren aber nicht blo fr wenige Augenblicke beisammen; Jesus
selbst hat nie verleugnet, dass er vor Gott wie der Sohn vor dem
Vater steht, sowenig er je mit seiner Sohnschaft Gottes geprahlt
hat. Hunderte waren vor dem Tufer reuig gestanden und hatten ihm
ihre Not enthllt. Immer war es dieselbe Menschenart und
Menschennot. Nun stand der vor ihm, der den Vater kennt, und der
Tufer beugte sich.
Und doch erscheint ihm Jesu Verhalten rtselhaft. Beugt er sich
nicht zu tief hinab, wenn er in eine solche Gemeinschaft mit den
Sndern tritt? Wer kann ihn in dieser Gestalt noch als den erkennen,
der die Axt und die Worfschaufel handhabt und im heiligen Geist die
reine Gemeinde schafft?
Mt 3,15: Aber Jesus antwortete und sagte ihm: lass mich jetzt!
Denn so gebhrt es uns, Gerechtigkeit ganz zu vollbringen. Da lie er
ihn.
Der Tufer hatte recht, wenn er sich wegen seines Anteils an der
menschlichen Sndigkeit tief vor Jesus beugte; der Sndigende gehrt
unter den Reinen und nicht ber ihn. Soweit tadelt Jesus die Einrede
des Tufers nicht. Aber jetzt, sagt er ihm, nachdem du dein Bedenken
ausgesprochen hast, jetzt gib dich zufrieden und beharre nicht auf
deinem Widerstand! Sonst blieben wir auf halbem Wege stehen und
tten nicht ganz, was recht ist vor Gott.
Gerechtigkeit war es, wenn der Tufer von jedermann verlangte,
dass ihm die Snde wehe tue. Nun soll er auch den letzten Schritt
tun und es Jesus nicht verwehren, dass auch er sich zu denen
stellt, die Israels Schuld nicht verleugnen, sondern bekennen und
tragen. Gerechtigkeit war es, wenn der Tufer das ganze Israel
demtigte; er wrde aber vor dem Ziel innehalten, wenn er sich an der
Demut stiee, mit der Jesus in die vollstndige Gemeinschaft mit
seinem Volk tritt. Johannes macht die Gerechtigkeit dadurch voll,
dass er vom Herrn des Himmelreichs keinen Stolz verlangt, sowenig
als von dessen anderen Erben, sondern der gedemtigten Gemeinde
ihren von Herzen demtigen Hirten gibt. {Matthus 11: 29}
Gerechtigkeit war es, wenn der Tufer als Frucht der Bue den Eingang
ins Himmelreich verhie, er wrde sie aber unvollendet lassen, wenn
er dieselbe Regel nicht auch auf Jesus ausdehnte; auch fr ihn
sollte das Tragen der Snde die Grundlage seiner Herrschaft werden;
denn die knigliche Gnade Gottes wird durch die Beugung unter sein
Recht frei gemacht.
Gerechtigkeit war es fr Jesus, wenn er sich an der Arbeit des
Tufers freute, in dessen Wort Gottes Stimme vernahm und mit ihm in
der Bue die Zubereitung zur Herrschaft Gottes sah. Aber seine
Gerechtigkeit wre nicht voll, wenn er dies nur den anderen auflegte
und seine eigene Person beiseite hielte. Voll ist seine
Gerechtigkeit erst dann, wenn er den Willen Gottes, der vom Volk
die Umkehr fordert, und die Verheiung Gottes, die dem Volk seine
Herrschaft anzeigt, dadurch ehrt, dass er ihr mit der Tat gehorsam
wird.
Dieses Wort Jesu, wonach es recht, ja die Vollendung seiner
Gerechtigkeit ist, dass er mit den Reuigen Gemeinschaft halt, drfen
wir fr seine ganze Arbeit nicht vergessen. Ihr spterer Verlauf
setzt diesen Anfang in gerader Linie fort.
So hat Jesu Liebe bestndig den Verlorenen gehrt, ist er der
Freund der Zllner und Snder geblieben, hat er es gemacht wie der
Hirte, der dem einen entlaufenen Schaf nachluft, und hat sich nicht
geweigert, auch im Tode in der Reihe der Snder zu stehen. Dies
alles tat er, weil er es fr gerecht hielt, keinen Vorzug vor den
Menschen zu haben, sondern an ihrer Snde teilzunehmen mit der
Liebe, mit der der Gerechte sich selbst an die Stelle der
Ungerechten setzt.
So war die Erwartung des Tufers weit ber sein Verstehen
bertroffen. Er hatte gesagt, nicht einmal die Sandalen knne er dem
Christus losbinden und ihm keinerlei Dienst erweisen; nun aber
gehrte es mit zu seinem Dienst, ihm die Taufe zu geben. Auch vor
Jesus stand er als der Zeuge fr die Verdammlichkeit der
menschlichen Snde und zugleich als der Zeuge fr die gttliche Gnade,
die alles neu macht.
Die Zuversicht Jesu, dass die Taufe der rechte Weg fr ihn sei,
ist von Gott besttigt worden. Weil er sich in die Reihe der Snder
gestellt hat, hat ihn Gott als den Heiligen bezeichnet und ihn, der
sich mit uns verband, ber uns erhht und mit sich verbunden.
Mt 3,16-17: Als aber Jesus getauft war, sowie er aus dem Wasser
stieg, sieh! da wurden die Himmel auf getan, und er sah Gottes
Geist wie eine Taube herabfahren und auf ihn kommen. Und sieh, eine
Stimme aus den Himmeln sagte: Dieser ist mein geliebter Sohn, an
dem ich mein Wohlgefallen habe.
Als sich fr Jesus die Himmel ffneten, kamen nicht Engel, um ihn
mit gttlichem Schutz zu begleiten, nicht Lichtglanz der
Herrlichkeit, um ihn von auen zu berstrahlen; vielmehr kam der
Geist Gottes in ihn hinein, durch den sein inwendiges Leben zu
Gottes Werk und Gabe wurde, und das Wort Gottes kam, das ihm Gottes
Wohlgefallen bezeugte; beides aber kam so, dass es auch das Sehen
und Hren umfasste. Es sollte nicht Geheimnis bleiben. Sie sahen den
Geist in der Gestalt einer Taube und hrten das gttliche Wort wie
eine Stimme vom Himmel her. Durch den Geist Gottes hatte Jesus
schon sein frheres Leben empfangen; jetzt macht er bei ihm Wohnung,
um sein Licht und seine Kraft fr seine Arbeit unter den Menschen zu
sein.
Johannes hatte geweiagt, dass Heiliger Geist die Ausrstung und
Gabe dessen sei, der nach ihm kommen wird. Seine Weissagung war nun
erfllt. Der, der vor ihm stand, war als der Empfnger des Geistes
gekennzeichnet; in der Weise aber, wie er zu ihm kam, wurde dieser
Geist als der Geist der Gnade offenbar.
Johannes hatte zum Volk von der gewaltigen Macht des Christus
geredet, dem die Axt und die Worfschaufel bergeben sei. Als sich
aber die Himmel ffneten und der Geist sich ein sichtbares Zeichen
gab, brauchte er dazu den stillen, wehrlosen, freundlichen Vogel,
den Friedensboten von den Tagen Noahs her. {1 Mose 8: 10-11} Das
war fr den Tufer eine neue Offenbarung, und doch war er auf sie
vorbereitet; denn er hatte Jesus zur Vollendung der Gerechtigkeit
in den Jordan gehen sehen.
Die Stimme vom Himmel nannte Jesus den Sohn Gottes. Sie redete
rieht von seinem Werk, das er unter den Menschen ausrichten soll,
sondern wandte seinen Blick einzig nach oben und machte ihn darber
gewiss, wie Gott sich zu ihm hlt. Gott aber bekennt sich zu ihm,
dass er sein Vater ist, der ihn gemacht hat, der bei ihm ist und
sein Wohlgefallen an ihm hat; er macht ihn zum Diener seines
Willens, auch bezeugt er ihm, dass er sich verhalten hat, wie es
dem Sohn geziemt, und in seiner Liebe geblieben ist. Das ist die
groe Hauptsache, ber die Jesus und der Tufer gewiss gemacht worden
sind. Auf diesem Grunde steht Jesu Macht. Er hat das Knigtum im
Reich Gottes, weil er der Sohn Gottes ist, dem das Wohlgefallen
Gottes gilt.
Im zweiten Psalm, der fr die Hoffnung Israels auf seinen
kommenden Knig von besonderer Bedeutung war (auch der Name
Christus, der Gesalbte, stammt von dort), lautet Gottes Wort an
seinen Gesalbten: Du bist mein Sohn. {Psalmen 2: 7} Wenn der Tufer
nach dem Kommenden aussah, so hatte er die Frage im Herzen: Zu wem
wird Gott sprechen: Du bist mein Sohn? Wenn Jesus zu Gott aufsah,
so leitet auch ihn das Wort der Schrift: Du bist mein Sohn. Nun war
es nicht mehr blo eine Verheiung ; der Spruch Gottes, von dem die
Schrift redete, war Jesus offenkundig zugeteilt.
Wer sonst aus dem Taufbad heraufstieg, der musste es glauben,
dass Gott trotz seiner Snden um der gttlichen Vergebung willen
Wohlgefallen an ihm habe. Jesus durfte es hren, dass ihm Gottes
Liebe gehre, obgleich er in unserer irdischen Natur samt ihrer Enge
und Gebrechlichkeit stand, obgleich er bis jetzt nichts vollbracht
hatte, dass er sein menschliches Leben wie jeder andere Nazarener
fhrte, obgleich er eben jetzt als ein Glied der schuldbeladenen
Gemeinde vor Gott gestanden war. Gerade so handelte er nach dem
Sinn der gttlichen Liebe als der, der aus dem Geist geworden ist,
in dem der Geist darum auch wohnt.
Sowie der Wille Gottes ber Jesus offenbar geworden ist, schliet
der Evangelist seinen Bericht. Er beschreibt uns nicht, wie jetzt
der Tufer zur Anbetung niedersank, Gott fr das Kommen des Christus
pries und vor Jesus sich beugte; noch weniger redet er davon, wie
Jesu Herz in unausdenkbarer Bewegung nach oben wogte. Er sagt uns
nicht, was der Tufer oder Jesus empfanden, sondern was Gott getan
hat. Auf diese zarte Zurckhaltung des Evangelisten in seiner
Erzhlung sollen wir achten.
Nicht einmal davon spricht Matthus, wie der Tufer weiterhin die
Sendung Jesu verkndigte. Es ist ihm genug, dass Gott ihn
geoffenbart hat. Denn einzig an dieser Gewissheit hat der Glaube an
Jesus seinen festen Grund.
[[@Bible: Matthew 4: 1-25]]
Mt 4,1-11 Jesu Sieg ber den Satan
Die Einheit Jesu mit dem Vater ist sichtbar geworden: Er besitzt
die Liebe und den Geist Gottes. Dem entspricht, dass er sich gegen
die Geister der Tiefe verschloss. Er hat seinen Stand in Gottes
Liebe durch die berwindung der Versuchung behalten; er ist dadurch
unser Heiland geworden, dass er fr den Geist Gottes offen und fr
den satanischen Geist verschlossen war.
Jede Gabe ist von der Versuchung begleitet, ob wir sie zu
eigener Hoffart brauchen oder zur Verherrlichung dessen, der sie
uns gegeben hat. Erst bei dem, der die Versuchung bestanden hat,
bleibt die gttliche Gabe als sein Eigentum. Auch der Sohn Gottes
hat sich dadurch bewhrt, dass er mit klarem Wissen und Willen im
Vertrauen und Gehorsam gegen den Vater blieb.
Mt 4,1: Da wurde Jesus vom Geist in die Wste hinaufgefhrt, damit
er vom Verklger versucht werde.
Die Abwehr des Versuchers gehrt zu dem kniglichen Werk Jesu,
durch das er die Gemeinde Gottes fr sich erworben und geheiligt
hat; deshalb fhrt ihn der Geist selbst in den Kampf. Es war nicht
weniger eine Heilandstat als die gehorsame Beugung unter das Buwort
des Tufers.
Ein Verklger ist der Teufel, weil seine Macht auf unseren Snden
beruht. Diese macht er gro und offenbar, um uns zu verderben. So
trat er auch zu Jesus, um in ihm nach Bsem zu suchen; auch er
sollte unter das Urteil fallen, das die Snder vom heiligen Gott
trennt.
Mt 4,2: Und als er vierzig Tage und vierzig Nchte gefastet
hatte, hungerte ihn hernach.
Matthus sagt, dass damals im Leben Jesu ein hnlicher Vorgang wie
im Leben Moses geschah! Den vierzig Tagen, die Mose auf dem Sinai
vor Gott zubrachte, {2 Mose 24: 18} entsprechen die vierzig Tage
Jesu in der Abgeschiedenheit vom menschlichen Verkehr. Gott lie
weder Mose noch Jesus in der Zeit, da sie ohne menschliche Hilfe
sein Angesicht suchten, am Hunger sterben. Wie er sie erhalten hat,
das wissen wir nicht. Als Jesus am Ende dieser Tage das Gesetz der
irdischen Natur empfand, musste er durch die Versuchung
hindurch.
Mt 4,3: Und der Versucher trat zu ihm und sagte ihm: Wenn du
Gottes Sohn bist, so sage, dass diese Steine zu Broten werden.
Der Hunger mit seiner ununterdrckbaren Begierde nach Nahrung war
das Mittel, mit dem der Versucher den Bck Jesu zu Gott empor
verdunkeln wollte. Er hie ihn bedenken, wieviel Rechte ein Sohn
Gottes hat; er muss sich nicht vom Hunger peinigen lassen, sondern
darf die gttliche Schpfermacht getrost in Anspruch nehmen, um sich
gegen den Schmerz und die Bedrftigkeit zu helfen. Auch wenn er aus
Steinen Brot machen muss, ein Sohn Gottes kann das; denn Gott darf
ihn nicht leiden lassen, weil es der Liebe Gottes widersprche, ihn
dem Mangel preiszugeben. Der Sohn wrde ja in seinem Sohnesrecht
verkrzt, wenn ihm der Vater nicht gbe, wessen er bedarf.
Jesus hat diese Gedanken als teuflisch verdammt.
Mt 4,4: Er aber antwortete und sprach: Es ist geschrieben: Der
Mensch lebt nicht einzig vom Brot, sondern von jedem Wort, das von
Gottes Mund ausgeht. {5 Mose 8: 3}
Der Hunger schreit freilich in ihm: Brot! Brot! Aber das ist
nicht seine einzige Begehrung. Darber steht klar und fest ein
sicherer Wille, welcher spricht: Gott! Denn die Schrift sagt, dass
es Gott nicht an Macht gebricht, den Menschen am Leben zu erhalten,
ohne dass dazu das Brot fr ihn das einzige Mittel wre.
Vielmehr fhrt jeder Befehl Gottes zum Ziel, auch wenn er den Weg
des Menschen auf andere Weise als nach dem gewohnten Lauf der Natur
regelt. Denn Gott braucht blo zu sagen: Lebe!, so bleibt der Mensch
mit oder ohne Brot am Leben. Dieses Wort der Schrift wrde Jesus
verwerfen, wenn er sich jetzt stellte, als msste er notwendig Brote
haben. Er wrde verleugnen, dass er in Gottes Macht geborgen ist, so
dass nichts ihn schdigen kann, solange Gott ihn am Leben erhalten
will.
Der Versucher riet Jesus: Sorge fr die ntigen Lebensmittel!
Jesus antwortete: Der Grund meines Lebens ist Gott. Der Versucher
stellte es ihm als das Recht des Sohnes dar, nicht dulden und
warten zu mssen. Jesus sah, was den Sohn zum Sohn macht, darin,
dass er dem Vater untergeben ist.
Ob Jesus die Macht gehabt habe, Brote zu schaffen, ist eine
unntze Frage; denn er wre nicht erst dann der Versuchung
unterlegen, wenn ein Versuch gescheitert wre und er etwa gegen Gott
gemurrt htte. Er wre schon durch den Versuch gefallen, so
unschuldig der Rat des Teufels schien; denn er htte seine
Sohneswrde dazu gebraucht, um sich die Natur dienstbar zu machen,
aus der Welt sich das zu holen, was ihm ntzlich war, und die Plage
von sich abzuwehren. Statt dessen hat Jesus Gott als den geehrt,
der fr ihn all-genugsam ist. Es liegt eine wunderbare Einheit von
Demut und Erhabenheit in diesem Wort. Jesus fhrt hoch empor: Wozu
braucht er Brot? Er hat ja Gott fr sich. Gleichzeitig aber fgt er
sich willig in den Hunger; er verzichtet darauf, weil er der Sohn
ist, Ansprche an Gott zu machen. Er sagt nicht: Ich mag nicht
hungern, weil ich Gottes Sohn bin, sondern nimmt die Schranke und
den Druck der menschlichen Natur auf sich und ist willig, alles
hinzunehmen, was Gott ihm als seinen Weg bestimmt.
Der Versucher nahm ihn beim Wort.
Mt 4,5-6: Da nimmt ihn der Verklger in die heilige Stadt und
stellte ihn auf den Flgel des Tempels und sagt zu ihm: Wenn du
Gottes Sohn bist, wirf dich hinab; denn es ist geschrieben: Seinen
Engeln wird er deinetwegen Befehl geben, und sie werden dich auf
die Arme nehmen, damit du deinen Fu nicht an einen Stein stoest.
{Psalmen 91: 11-12}
Nachdem Jesus Gott dafr gepriesen hat, dass er unter seinem
Schutz sicher und der Natur berlegen ist, so dass er keines Brotes
bedarf, stellte ihn der Versucher auf den Balkon des Tempels oben
an der gewaltigen Mauer, unter dem tief unten der Talgrund lag.
Hier hielt er ihm vor, dass sich der Sohn Gottes nicht zu frchten
brauche, sondern sich getrost hinabstrzen knne. Er solle es denen,
die Gott nicht kennen, berlassen, sich zu frchten, von Gefahr zu
reden und auf dem natrlichen Weg von der Hhe herabzusteigen; fr ihn
passe das nicht, da er ja Gott unbedingten Glauben erweise und an
seinem allmchtigen Schutz nicht zweifle. Dieses Ansinnen bekrftigte
er ihm durch die Verheiung der Bibel, die dem, der sich auf Gott
verlsst , Gottes gndige Bewahrung zusagt. Hier am Rand des Abgrunds
erweise deinen Glauben, der die Furcht berwunden hat! Hier bewhre
es mit der Tat, dass du wirklich darauf zhlst, dass Gottes Engel
dich tragen und deinen Fu an keinen Stein stoen lassen! Zeige, dass
du dich nicht blo mit Worten auf Gottes Schutz verlassest!
Mt 4,7a: Jesus sagte ihm: Wiederum ist geschrieben.
Das Wort, auf das sich der Versucher beruft, hat Jesus als
Gottes Wort heiliggehalten und nichts von seiner Verheiung
abgezogen; es war ihm gewiss, dass Gottes Engel ihn auf ihren Armen
tragen werden, so dass ihn nichts verletzen darf. Aber das ist nur
eines aus den Worten der Schrift, die auerdem noch anderes sagt,
und ihre anderen Worte waren Jesus ebenso heilig und sein Gehorsam
gegen sie ebenso fest. Jesus will nicht so gegen das eine Wort
gehorsam werden, dass er das andere Wort derselben Schrift
zerbricht; er bewahrt die ganze Schrift.
Das Wort, das Jesus neben jene Verheiung setzt, lautet
Mt 4,7b: Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen. {5
Mose 6: 16}
Wenn er ber die Tempelmauer hinuntersprnge, stellte er Gott auf
die Probe, ob er zu seiner Verheiung stelle. Keine Weisung Gottes
fhrt Jesus hier in die Tiefe hinab. Es wre eine eigenmchtige Wahl,
wenn er diesen Weg einschlge; er wrde damit Gott seinen eigenen
Willen aufntigen mit dem Anspruch, dass Gott sich ihm fge. So
machte er einen Versuch mit Gott, wieviel man von seiner Gte
fordern drfe. Auch das wre wieder eine Verleugnung Gottes, zwar
nicht seiner Macht, aber seines Herrscherrechts. So wrde er Gottes
Majestt entehren, die fordert, dass sein Wille gelten muss, nicht
der menschliche. Gott bestimmt den Weg. Jesus bleibt auch jetzt in
der Unterordnung unter Gott und gibt neben dem Gehorsam unter
Gottes Willen keinem Eigenwillen Raum. {Johannes 5: 19,30}
Der Versucher sagt zu ihm: Du kannst alles. Jesus antwortet: Ich
kann nichts, als was mich Gott tun heit. Der Versucher sagt: Es
gibt fr dich keine Gefahr. Jesus fhrt fort: Solange ich mich nicht
an Gott versndige. Der Versucher sagt: Du sollst Gott unbedingt
vertrauen. Jesus fhrt fort: Und deshalb unbedingt gehorchen.
Der bse Sinn der beiden ersten Versuchungen war unter
unschuldigem Schein versteckt. Die erste verbarg sich unter dem
Recht des natrlichen Bedrfnisses, das gebieterisch nach Brot
verlangt; die zweite deckt sich mit der gttlichen Verheiung , die
den Glauben unbedingt macht, so dass er sich allen Gefahren
berlegen wei: die dritte griff Jesus bei seiner hchsten Gewissheit
an, daran, dass er zum Herrn ber die Menschheit berufen ist. Doch
wei er auch, dass der Satan seiner Herrschaft widersteht, so dass
er sie nur durch dessen berwindung erlangen kann. Nun stellt ihm
der Satan sein knigliches Ziel als leicht erreichbar dar; er wird
nicht nur seinen Widerstand gegen Jesus lassen, sondern ihm sogar
bei der Begrndung seiner Macht helfen. Wieviel sein Versprechen
bedeutet, machte er Jesus dadurch eindrcklich, dass er seinen Blick
auf den Glanz der Erde heftete.
Mt 4,8-9: Nochmals nimmt ihn der Verklger auf einen sehr hohen
Berg und zeigt ihm alle Knigreiche der Welt und ihre Herrlichkeit
und sagte zu ihm: Dieses alles werde ich dir geben, wenn du
niederfllst und mich anbetest.
Der Versucher richtete Jesu Blick auf die Weltherrschaft mit
ihrer Macht, um derentwillen jedermann ihres Winks gewrtig ist, und
mit ihren Schtzen, die ihnen jeden Wunsch gewhren. Was war er, der
nichts besa, neben ihnen! Der Blick in den Abgrund beim Tempel
hatte Jesus vor die Frage gestellt: Gibt es fr dich eine Gefahr?
Jetzt gab ihm der weite Blick von einem hohen Berge in die Ferne
auch uerlich einen Eindruck von der Macht und dem Reichtum derer,
die ber die Erde herrschen, und stellte ihn vor die Frage: Was
kannst du, armer Mensch? Der Versucher verspricht ihm, dass er dies
alles haben soll. Er wird ihm nicht widerstehen, seine Herrschaft
nicht bestreiten, ihm den Platz rumen und die Erde berlassen wenn
er nur das eine tut, das, was er sonst Gott tut, wenn er einmal
sich anbetend auch vor ihm beugt. Das wre seine Freude, wenn Jesus
auch nur fr einen Augenblick ihn mit gleicher Ehre neben Gott
stellte, wenn er nicht nur vor Gott allein, sondern auch vor ihm
sich beugte. Fr diesen Schimpf, den er Gott antte, wrde er ihn
reichlich belohnen. Dann drfte er darauf zhlen, dass er seine ganze
Macht fr ihn einsetzte und die Welt ihm untertnig wrde. Er wei, wie
man die Menschen fasst und zur Unterwerfung willig macht. Wem er
zur Herrschaft hilft, der bleibt kein armer Mann. Die Seele Jesu
hielt diesen Sto aus. Er betrachtete den Glanz der Erde ungeblendet
und berhrte den bsen Zusatz nicht, mit dem die Verheiung des
Versuchers belastet war. Jesus kniet nur vor dem Einen. Seine
Seligkeit hat er darin, dass er sich vor Gottes Herrlichkeit beugt,
und sein Wille geht darauf, dass Gott von allen angebetet sei. Die
Aufforderung, die Hoheit Gottes zu verleugnen, und sei es auch nur
ein einziges Mal und um den Preis der ganzen Welt, ist die Stimme
des Emprers, der zum Widersacher Gottes geworden ist, ihn hasst und
seine Lust daran hat, wenn Gott vergessen und erniedrigt wird.
Mt 4,10: Da sagt Jesus zu ihm: Weg, Satan! Denn es ist
geschrieben: Den Herrn, deinen Gott, sollst du anbeten und ihm
allein dienen. {5 Mose 6: 13}
Nachdem der Hunger Jesus nicht verzagt, die Verheiung der
Schrift ihn nicht hoffrtig, die Herrlichkeit der Erde nicht
gottvergessen gemacht hatte, hatte der Teufel keine Waffe mehr.
Jesus frchtete keine Gefahr und verachtete sie doch nicht; er
begehrte keine Herrschaft und duldete auch keine solche ber sich.
Er lsst die Natur unter sich und fgt sich doch in ihr Gesetz; er
lsst die Herrlichkeit der Menschen unter sich und verzichtet doch
nicht auf sein Knigsrecht; denn sein Blick geht unverwandt auf
Gott. Darum sieht er sich nicht nach dem Brot um und verlangt
nicht, dass die Engel ihn tragen, und begehrt die Hilfe des Teufels
nicht.
Mt 4,11: Da verlie ihn der Verklger, und sieh! Engel traten
herzu und dienten ihm.
Wie Jesus mit dem Geist des Abgrunds anders als wir Menschen
gerungen hat, so traten auch die Geister der Hhe zu ihm anders als
zu uns herzu. Die Gemeinschaft mit der himmlischen Welt war der
Lohn seines Siegs ber den Versucher. Er hatte sich Gott ergeben,
dass Gottes Wort ihn erhalte; er war in der Furcht Gottes
geblieben, dass Gott allein ihn regiere; er hatte auf die
Herrlichkeit der Menschen und die Gaben des Teufels verzichtet,
damit er Gott allein anbete. Darum erwiesen ihm die Engel ihren
Dienst.
Er wurde versucht wie wir, doch ohne Snde. {Hebrer 4: 15} Alle
drei Versuchungen kehren auch in unserem Leben wieder; es wird hier
deutlich, worin unsere Versndigung besteht. Nur treten diese
Versuchungen in unserem Leben weit schwcher auf, whrend sie Jesus
entsprechend der besonderen Hoheit seiner Verbundenheit mit Gott
mit gewaltiger Macht bestrmten. Jede Notlage macht, dass wir uns
glaubenslos auf die natrlichen Dinge strzen, als hinge unser Leben
an ihnen; so vergessen wir Gott ber der natrlichen Gabe. Und aus
der Gte und Verheiung Gottes kommt uns die Versuchung, dass wir den
Glauben in bermut verkehren und wohl von Gott und allen Engeln
bedient sein, aber nicht gehorchen wollen. Und das Glck und die
Ehre, die man im Dienst des Teufels auf bsem Wege an sich ziehen
kann, locken uns, so dass jedermann sein Herz behten muss, dass es
nicht der Macht und der Ehre wegen Gott verachte und sich zur
Anbetung bser Gewalten erniedrige.
In der Abwehr dieser Versuchung handelt Jesus ebenso wie bei
seinem Gang zum Tufer. Er lsst sich von Gott leiten, er wartet auf
Gottes Gabe und versagt sich jeder eigenwilligen Regung; er will
nicht anders leben und nicht anders gro sein als durch Gott. Mit
diesem Sieg war es entschieden, dass er sich nicht, weil er Gottes
Sohn ist, vom Leiden frei machen wird; dass er sich in die
Schranken des menschlichen Lebens fgen wird; dass er sich nicht
selbst erhhen und von den vergnglichen Gtern nicht locken lassen
wird. Er wird stets Gott wahrhaft als seinen Gott ehren und in der
Anbetung Gottes seine Ehre und Seligkeit suchen. Was nunmehr die
Menschen mit ihren verkehrten Trumen und Wnschen von ihm erwarten
und fordern werden, wird ihn nicht mehr verwirren. Nun kann er sich
auch den Menschen als der Sohn Gottes offenbaren. Der Sieg ist
sein.
Die Weise, wie der Versucher sein Wort in die Seele Jesu legte
und eine gewisse Gewalt ber ihn besa, so dass Jesus die Versuchung
abwehren musste, beschreibt uns der Evangelist nicht. Er gibt
unserer Phantasie wenig Anlass, diese Dinge auszumalen. Wir sollten
nur die Quelle kennen, aus der Jesu ganzes Handeln strmt, und
erfassen, dass seine Herrlichkeit seine Liebe zum Vater ist, von
der erfllt und geleitet er ihm vllig traut und ganz gehorcht und
ihn allein anbetet.
Mt 4,12-25 Die Anfnge der Arbeit Jesu in Galila
Mt 4,12: Als er aber hrte, dass Johannes berantwortet war,
entwich er nach Galila.
Gott bergab Johannes der Gewalt des Frsten, des Herodes Antipas,
so dass dieser ihn in den Kerker seines Schlosses Machrus bringen
konnte. Der Blick Jesu und des Evangelisten haftet nicht am
Menschen und seinem bsen Werk, sondern am Willen Gottes, der das
Leiden und Sterben zum Beruf des Tufers machte. Als Jesus hrte,
dass Johannes das Volk am Jordan zum Himmelreich rstete, ging er
aus Nazareth fort; als er hrte, welches Ende Gott dem Wirken des
Tufers bereitete, ging er aus der Nhe Jerusalems weg nach Galila
zurck. Wir wissen schon aus der Weise, wie sich Jesus in seiner
Versuchung verhielt, dass er der Gewalt nicht Gewalt, der Macht der
Bosheit nicht die Macht Gottes entgegensetzte. Er wusste, dass sein
Weg ihn in die Geduld und zum Leiden fhrt; deshalb zog er sich aus
Juda zurck, wo seiner Arbeit die grte ffentlichkeit gegeben war.
Nicht vor Antipas floh er. Dieser hatte ber Jerusalem keine Gewalt,
sondern regierte blo ber die jdischen Drfer Galilas und des stlich
vom Jordan gelegenen Gebiets; Jesus begab sich also gerade dadurch,
dass er nach Galila ging, unter dessen Gewalt. Allein fr Jesu Auge
war das Geschick des Tufers nicht allein durch die Gottlosigkeit
des Frsten, sondern durch Israels Fall verschuldet. Diesem hatte
Gott seinen Boten gesandt, und ihm nahm er ihn wieder, weil er ihm
das gttliche Wort vergeblich gesagt hatte. Darin sah Jesus Gottes
Weisung, von der heiligen Stadt fort nach Galila in die
Verborgenheit zu gehen. Was hier vor sich ging, war lange nicht so
ffentlich wie das, was im Tempel geschah. Um des alten Herodes
willen war Joseph mit dem Knblein nach gypten geflohen, und als
sein Sohn dem Tufer tat, was sein Vater dem neugeborenen Kind gern
getan htte, mied Jesus Jerusalem und blieb auch whrend der Zeit, da
er an Israel seine Arbeit tat, in Galila.
Mt 4,13-16: Und er verlie Nazareth, kam und nahm Wohnung in
Kapernaum, das am See im Gebiet von Sebulon und Naphthali liegt,
damit erfllt werde, was durch den Propheten Jesaja gesagt ist in
dem Spruch: Das Land von Sebulon und das Land von Naphthali, an der
Strae zum Meer, was jenseits des Jordans liegt, Galila der Heiden,
das Volk, das in der Finsternis sitzt, sah ein groes Licht, und
denen, die im Land und Schatten des Todes sitzen, ging ein Licht.
{Jesaja 9: 1-3}
Nicht Nazareth, sondern Kapernaum hat Jesus zu seiner Stadt
gemacht. An das nordwestliche Ufer des Sees von Genezareth schliet
sich eine kleine, Genezareth genannte Ebene an mit reicher
Bewsserung und groer Fruchtbarkeit; sie war damals in den Besitz
der Judenschaft gekommen, und eine zahlreiche jdische Gemeinde
hatte sich dort in dichtem Gedrnge angesiedelt. Nrdlich von dieser
Ebene, gegen die Jordanmndung zu, lag Kapernaum. Dorthin, in die
uerste, an das heidnische Gebiet heranreichende Ecke des jdischen
Landes wusste sich Jesus durch ein Wort der Schrift gewiesen. Er
war auf der Flucht; Jerusalem musste er meiden; aus Nazareth war er
ausgestoen. Wo war ihm der Ort bereitet, an dem er sein irdisches
Werk ausrichten konnte? Die Schrift, die ihm ber seinen gesamten
Leidensweg Auskunft gab, gab ihm auch fr die Wahl dieses Orts die
Leitung. Jesaja hatte verkndigt, dass am nrdlichen Ende des Landes
auf dem Boden Naphthalis und Sebulons das helle Licht strahlen
werde, das Gott denen, die im Finstern sitzen, gewhren wird.
Jesus gab dem Volke dasselbe, was Johannes ihm gebracht
hatte.
Mt 4,17: Von da an begann Jesus zu verkndigen und zu sagen: Tut
Bue; denn die Herrschaft der Himmel ist nah!
In der Predigt des Tufers sah Jesus das Zeugnis Gottes an
Israel, durch das diesem Volk der Heilsweg vollkommen beschrieben
war. Daher konnte auch er selbst nichts anderes tun, als ihm dieses
Zeugnis zu wiederholen. Auch er kndigte Israel den Anbruch der
Heilszeit an und zeigte ihm den Weg, auf dem es sich fr sie
bereite. Es ist der Weg der Umkehr, in der es abtut, was an seinem
Handeln sndlich ist.
Zwar hatte der Tufer verkndigt, dass das Werk des Christus
unvergleichlich grer als das seinige sein wird: den drren Bumen
bringe er die Axt, der Spreu die Worfschaufel, dem Weizen die
Einsammlung in Gottes Scheune. An eine solche Machtbung dachte aber
Jesus vorerst noch nicht; er setzte vielmehr das Buwort des Tufers
an Israel fort und glich sich diesem in seiner Arbeit am Volke an.
Er handelte so, weil er wusste, dass er nicht zum Gericht gesandt,
sondern in den Dienst der Gnade gestellt war.
Jesus hat sich fr sein eigenes Werk sofort Gehilfen zugesellt,
die er in eigener Wahl berief. Die Berufung durch ihn bildete fr
die Jnger das Fundament, das ihre ganze sptere Arbeit trug. Nicht
sie hatten sich Jesus teuer und wertvoll gemacht, etwa dadurch,
dass sie ihn mit besonders heller Erkenntnis verstanden oder sich
mit ihm durch einen besonders krftigen Glauben verbunden htten.
Vielmehr war es der Ruf Jesu, {Johannes 15: 16} der sie in seine
Gemeinschaft gefhrt und zu seinen Boten gemacht hat.
Mt 4,18-20: Als er am See von Galila entlang ging, sah er zwei
Brder, Simon, der genannt wird Petrus, und Andreas, seinen Bruder,
die ein Netz in den See warfen; denn sie waren Fischer. Und er sagt
zu ihnen: Kommt, geht mir nach, so werde ich euch