Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
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Machtvolle Akteure?
Entwicklungsländer in
internationalen Klimaverhandlungen
Jens Marquardt
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
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Machtvolle Akteure?
Entwicklungsländer in internationalen
Klimaverhandlungen
Druckpotentiale und Durchsetzungsdefizite
der G 77 bei den internationalen
Klimaverhandlungen der UNFCCC im
Spiegel gruppeninterner Konfliktlinien
Autor: Jens Marquardt
Druck: Dezember 2011
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
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Inhalt
1 Einleitung 2
1.1 Problemdefinition, Fragestellung und Relevanz 2
1.2 Aufbau, Methodik und Ziel der Arbeit 3
2 Hauptteil 5
2.1 Entwicklungsländer in globalen Umweltverhandlungen 5
2.1.1 Einflussnahme in internationalen Umweltverhandlungen 5
2.1.2 Identität, Interessen & Institutionalisierung der EL 7
2.1.3 Durchsetzungsdefizite der Entwicklungsländer 9
2.1.4 Druckpotentiale der Entwicklungsländer 11
2.2 Theoretische Vorüberlegungen 12
2.2.1 Entstehung und Bedeutung internationaler Institutionen 14
2.2.2 Regimebildung zum internationalen Klimaschutz 17
2.2.3 Konfliktlinien und Kooperation innerhalb der G 77 18
2.3 Die G 77 als Akteur der UNFCCC Klimaverhandlungen 21
2.3.1 Einbindung der Entwicklungsländer 22
2.3.1.1 Die UNFCCC als internationaler Verhandlungsrahmen 22
2.3.1.2 Regime zum Technologietransfer als Anliegen der Entwicklungsländer 25
2.3.1.3 Akteure und Interessenkonstellation 26
2.3.1.4 Identität, Interessen und Institutionalisierung der Entwicklungsländer 31
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2.3.2 Die G 77 als Sprachrohr der Entwicklungsländer? 33
2.3.2.1 Hintergrund, Organisation und politische Bedeutung der G 77 33
2.3.2.2 Akteure, Konflikte und Kooperation innerhalb der G 77 35
2.3.2.3 Konfliktlinien zwischen den Entwicklungsländern 40
2.3.3 Die G 77 als Akteur bei den Klimaverhandlungen 41
2.3.3.1 Wahrnehmung der G 77 auf der 14. Weltklimakonferenz 42
2.3.3.2 Assoziierung der Entwicklungsländer mit der G 77 44
2.4 Vergleich: Die G 77 im Rahmen der UNCTAD 46
3 Schlussbetrachtung 51
3.1 Zusammenfassung 51
3.2 Druckpotentiale und Durchsetzungsdefizite der G 77 52
3.3 Konklusion: Entwicklungsländer zwischen Theorie und Praxis 54
4 Literaturliste 57
5 Abkürzungsverzeichnis 61
6 Anhang 62
6.1 Länderauswahl und Indikatoren der empirischen Datenanalyse 66
6.2 Untersuchung der Statements aus der Stichprobe auf der COP 14 71
6.3 Umfrage auf der COP 14 zur Rolle der G 77 78
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1 Einleitung
1.1 Problemdefinition, Fragestellung und Relevanz
Auch mehrere Jahrzehnte nach dem Ende der Kolonialzeit spielen Entwicklungsländern in
internationalen Verhandlungen nur eine untergeordnete Rolle. Zwar haben sie etwa im
System der Vereinten Nationen nach dem Prinzip „one state – one vote“ dasselbe
Stimmrecht wie jeder andere Staat auch, doch sieht die Wahrnehmung dieses Rechts in
der Praxis internationaler Verhandlungen oft anders aus: In den Entwicklungsländern
selbst schwächen politische, wirtschaftliche und Wissensdefizite die
Verhandlungsposition, während weiter entwickelte Staaten Koalitionen formen und
Bedingungen formulieren, mit denen sie das Optimum ihrer Interessen durchsetzen.
Gleichzeitig lässt sich aber auch ein gegenläufiger Trend feststellen: Das Scheitern der
Doha-Runde zur Reformierung des Weltwirtschaftssystems und das Auftreten der
Entwicklungs- und Transformationsländer in den internationalen Klimaverhandlungen
innerhalb der UNFCCC zeugen von einem neuen Selbstbewusstsein der einst
unterrepräsentierten Staaten.
Doch lässt sich dieser Wandel auch am konkreten Beispiel belegen? Wo lassen sich
strukturelle Durchsetzungsdefizite und Druckpotentiale konstatieren? Diese Arbeit wird
sich diesen Fragen widmen und dabei die Rolle der G 77 als losem Zusammenschluss der
EL und Akteur in den internationalen Klimaverhandlungen im Spiegel des neoliberalen
Institutionalismus und unter besonderer Berücksichtigung der gruppeninternen
Konfliktlinien reflektieren. Dabei wird es um die Positionierung der Gruppe auf den
Klimaverhandlungen in Posen gehen, die es auf verschiedenen Analyseebenen zu
untersuchen gilt - sowohl die internen Konfliktlinien, als auch die Positionierung der
Gruppe als solcher in den Verhandlungen sowie die Außenwahrnehmung werden
untersucht.
Die Verhandlungen um ein Nachfolgeabkommen für die Zeit nach 2012 sind in ihre
entscheidende Phase getreten – und die Rolle der EL ist weiter ungewiss. Einigkeit
herrscht lediglich darüber, dass ihre Einbindung in ein post-2012-Klimaschutzregime nur
mit finanziellen und technologischen Anreizen wird gelingen können. Andernfalls wird es
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keine Zustimmung der Entwicklungsländer zu eigenen Verpflichtungen geben. Die G 77
vertritt dabei insgesamt 133 Entwicklungs- und Transformationsländer. Die Vereinigung
wurde 1964 im Verlauf der ersten Welthandelskonferenz gegründet und ist als loser
Zusammenschluss nur schwach institutionalisiert. Hauptziel der G 77 ist es, die Position
der Entwicklungsländer auf dem Weltmarkt zu verbessern und durch gemeinsames
Auftreten eine stärke Verhandlungsposition in internationalen Verhandlungen zu erzielen.
Doch wie sieht das Auftreten der Gruppe konkret aus? Auf welchem Wege werden
Druckpotentiale aufgebaut? Wo sind deutliche Durchsetzungsdefizite zu erkennen? Die
Arbeit soll die Einbindung der G77 in die Klimaverhandlungen untersuchen und dabei
wesentliche Druckpotentiale und Durchsetzungsdefizite herausarbeiten. Daraus sollen
auch Rückschlüsse darauf gezogen werden, warum die G 77 bisher aus einer in der
Literatur dargestellten Position der Schwäche heraus agiert. Im Mittelpunkt der
Erörterung wird die Beantwortung der folgenden Fragestellung stehen:
Welche Rolle spielt die „Gruppe der 77“ unter besonderer Berücksichtigung interner
Gruppendynamiken bei der Artikulation und Durchsetzung der Interessen der
Entwicklungs- und Transformationsländer beim Technologietransfer im Rahmen der
internationalen Verhandlungen um ein Folgeabkommen für das Kyoto-Protokoll?
Hierbei steht auch eine weitergehende Frage im Hintergrund: Warum gelingt es der
Gruppe der G77 nicht, bei den internationalen Klimaverhandlungen um ein post-2012-
Klimaschutzabkommen als Akteur mit einer gemeinsamen Position der Entwicklungsländer
durchzusetzen, obschon ein internationales Regime nur mit ihnen möglich ist?
Daraus ergeben sich auch die diese Arbeit leitenden Hypothesen:
(1) Auch im Zusammenschluss bleiben die 133 Entwicklungs- und Transformationsländer
ein zu schwacher und vor allem heterogener Akteur, der sich trotz starker Mitglieder
wie China, Brasilien & Südafrika und stärkerer Einbindung als bei den Verhandlungen
um das Kyoto-Protokoll nicht gegen andere Positionen durchsetzen kann.
(2) Eine Einigung etwa beim Technologietransfer ist dennoch ein alle Entwicklungsländer
übergreifendes Interesse, das sowohl OPEC- als auch AOSIS-Staaten in weiten Teilen
trotz differierender Partikularinteressen gemeinsam formulieren können.
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(3) Die Verhandlungsführung der G77 ist weniger vom Interesse der Mehrheit der
Entwicklungsländer, als vielmehr von den Interessen der wirtschaftlichen starken
Transformations- und OPEC-Staaten getrieben.
Die Untersuchung wird dabei auf zwei Ebenen stattfinden. Einerseits soll untersucht
werden, wie die Gruppe der 77 in internationalen Verhandlungen mit anderen Akteuren
um ein effektives Klimaschutzregime agiert. Den theoretischen Hintergrund hierfür
liefert die Theorie des neoliberalen Institutionalismus. Sie liefert erklärende Variablen
und das im Rahmen dieser Arbeit notwendige Handwerkszeug zur Untersuchung von
Kommunikation und länderübergreifender Kooperation im internationalen System. Die
Analyse zu den Handlungsoptionen der Gruppe wäre jedoch ohne die Betrachtung der
Verhältnisse innerhalb der G 77 unvollständig. Zur Darstellung der internen Konfliktlinien
wird der Ansatz der Cleavages zum Einsatz kommen.
Weitere theoretische Paradigma, Alternativen und Erklärungsansätze können im Rahmen
dieser Arbeit – wenn überhaupt – nur angedeutet werden. Ziel ist es letztlich nicht, ein
allumfassendes Bild zu den Verhandlungen der G 77 zu zeichnen. Vielmehr soll ein
Analyserahmen zu den Druckpotentialen und Durchsetzungsdefiziten der
Entwicklungsländer erarbeitet, dieser auf den konkreten Fall der Verhandlungen um den
Technologietransfer angewandt und dies im Spiegel des neoliberalen Institutionalismus
reflektiert werden.
1.2 Aufbau, Methodik und Ziel der Arbeit
Die Bedeutung der G 77 wurde im internationalen Kontext bereits mehrfach untersucht.
Als Vereinigung einer großen Anzahl von Staaten birgt sie bei internationalen
Verhandlungen zumindest das Potential, eine wichtige Rolle zu spielen. Dies soll in dieser
Arbeit nun am konkreten Beispiel der Verhandlungen um eine Ausweitung des
Technologietransfers im Rahmen der Klimaverhandlungen kritisch untersucht werden.
Dazu sollen in einem ersten Teil der Arbeit die Rolle der Entwicklungsländer rekapituliert
und die zentralen Durchsetzungsdefizite und möglichen Druckpotentiale dargestellt
werden. Hieraus ergibt sich dann auch das Analyseschema für das konkrete Fallbeispiel.
In einem zweiten Part wird es darum gehen, den theoretischen Rahmen dieser
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Ausarbeitung abzustecken, um im folgenden Kapitel auf das empirische Beispiel
einzugehen. Hierbei wird es erneut um die Analyse der Durchsetzungsdefizite und
Druckpotentiale und deren potentielle Überwindung durch den Zusammenschluss in der G
77 gehen. Abbildung 1 gibt dieses Vorgehen noch einmal grafisch wieder. Darüber hinaus
soll durch einen Vergleich die Anwendbarkeit und Verallgemeinerbarkeit der hier
getroffenen Aussagen diskutiert werden, bevor in einem abschließenden Part des
Hauptteils noch einmal Erfahrungen aus einem anderen Bereich, dem der UNCTAD,
dargestellt werden. In einer Konklusion schließlich werden die hier getroffenen Aussagen
bewertet, noch einmal kritisch reflektiert und über den Rahmen dieser Arbeit
hinausgehende Forschungsthemen angestoßen.
Zur Anwendung kommt im Rahmen dieser Arbeit ein Methodenmix – vor allem bei der
Untersuchung der G 77 in den Klimaverhandlungen von Posen auf der 14.
Vertragsstaatenkonferenz (COP 14). Hierbei werden auch eine Umfrage und Interviews
durchgeführt. Über das intensive Studium von Sekundärliteratur insbesondere zu den
theoretischen Grundlagen hinaus werden Dokumente der G 77 und der UNFCCC als
Grundlage für das Forschungsvorhaben dienen.
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2 Hauptteil
2.1 Entwicklungsländer in globalen Umweltverhandlungen
“Allgemein wird davon ausgegangen, dass Entwicklungsländer bei
internationalen Verhandlungen sich wenig Gehör für ihre Interessen
verschaffen können. Wissenschaftliche Untersuchungen zur Partizipation
von Entwicklungsländern in internationalen Verhandlungen zeichnen
jedoch ein differenzierteres Bild: Entwicklungsländer haben bewiesen, dass
sie Ergebnisse zu ihren Gunsten beeinflussen, Abkommen blockieren und
ihre eigenen Anliegen initiieren können”1
Warum kooperieren Staaten? Warum haben sich die Entwicklungsländer in der G 77
zusammengeschlossen, um gemeinsame Interessen bei den Klimaverhandlungen zu
vertreten? Welche Rolle spielt die Gruppe der 77 bei der Positionierung der
Entwicklungsländer zum Technologietransfer in den internationalen Klimaverhandlungen
und warum gelang es der Vereinigung bisher nicht, sich mit der Forderung zur Errichtung
eines Regimes in diesem Bereich durchzusetzen? Darum wird es in der nun folgenden
Ausarbeitung gehen. Doch welchen Einfluss können Entwicklungsländer in diesen
Verhandlungen überhaupt geltend machen? Wie effektiv partizipieren sie tatsächlich an
den internationalen Aushandlungsprozessen? In dieser Ausarbeitung sollen zunächst
allgemeine Feststellungen zur Einbindung der Entwicklungsländer bei der Aushandlung
internationaler (Umwelt-)Regime gemacht werden, bevor in einem zweiten Schritt auf
die G 77 und deren Rolle bei der Katalysierung der Interessen der Entwicklungsländer
eingegangen wird.
2.1.1 Einflussnahme in internationalen Umweltverhandlungen
Wollen wir die Bedeutung der G 77 als „Sprachrohr der Entwicklungsländer“ bei den
internationalen Klimaverhandlungen untersuchen und verstehen, so muss zunächst einmal
als Analyserahmen eine klare Vorstellung davon herrschen, inwieweit die Unterscheidung
1 Winter, Thomas von: 2007, S. 3.
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in Industrie- und Entwicklungsländer in internationalen Umweltverhandlungen sinnvoll
erscheint und inwieweit ein Block von Entwicklungsländern überhaupt existiert.
Der Einfluss der Entwicklungsländer auf Verhandlungsrunden innerhalb internationaler
Organisationen wird von verschiedenen Autoren als sehr gering eingeschätzt.2 Zu groß
sind die Hürden, Hindernisse und Asymmetrien im globalen Mächtegefüge. Gleichzeitig
lassen sich jedoch auch Erfolge bei der Durchsetzung von Interessen aus Sicht der
Entwicklungsländer aufzeigen. Dieses einleitende Kapitel soll einen Überblick darüber
verschaffen und verschiedene Durchsetzungsdefizite und Druckpotentiale der
Entwicklungsländer aufzeigen, um ein aus dieser Untersuchung gewonnenes
Analyseschema auf das spätere Fallbeispiel anwenden zu können. Beschränken wir uns
bei der Betrachtung globaler Verhandlungsrunden auf die Vereinten Nationen und die
Welthandelsorganisation (WTO), so lassen sich zum Teil gegenläufige Aussagen
festhalten. Das Verhandlungssystem der VN wird von meist aus Länder- und
Regionalgruppen bestehenden Verhandlungsblöcken bestimmt. Dabei schließen sich auch
die Entwicklungsländer bei gemeinsamen Interessenlagen zusammen, um mit einer
Stimme aufzutreten. Während das vor allem zu Fragen der Weltwirtschaft und dem
Zugang zu Märkten gelingt, ist dies in Bereichen des Umweltschutzes sowie der sozialen
und kulturellen Rechte eher seltener.3 Innerhalb der VN werden Regionalgruppen damit
als „vorübergehende Zweckbündnisse [verstanden], die vorwiegend der Organisation der
Sitz- und Ämterverteilung dienen.“4 Im Kontext dieser Ausarbeitung jedoch findet die
wissenschaftliche Kategorisierung der Regionalgruppen als „themen- und sachorientierte
politische Zusammenschlüsse“5 Anwendung. In diesem Sinne ist auch die Gruppe der 77
zu verstehen. Der Einfluss der Gruppierung von Entwicklungsländern - in Form der G 77
oder der Bewegung der Blockfreien (Non-Aligned Movement, NAM)6 jedoch wird als sehr
gering eingeschätzt. „Sofern Entwicklungsländer […] überhaupt über kollektiven
politischen Einfluss bei den Vereinten Nationen verfügen, so hat dieser kontinuierlich
abgenommen.“7 Dies werde insbesondere mit der machtpolitischen Etablierung der USA
und der EU begründet. Darin spiegelt sich auch der in der VN zu beobachtende
2 Vgl. z.B. Malone / Hagman 2002; Schorlemer von, S. 2005. 3 Vgl. hierzu Luchsinger, Gretchen 2004. 4 Schorlemer 2005, S. 27; zitiert nach Winter / Merai 2007: S. 4. 5 Winter / Merai 2007: S. 4. 6 Non-Aligned Movement. 7 Deen 2000: S. 6.
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Interessengegensatz zwischen Industrie- und Entwicklungsländern wieder, der einen
entscheidenden Einfluss auf den Willensbildungsprozess innerhalb der Organisation
ausübt. „Politische Willensbildungsprozesse bei den Vereinten Nationen sind heute
vielfach geprägt von Nord-Süd-Konflikten.“8 Der Einfluss der Entwicklungsländer
gegenüber anderen Akteuren wie den USA oder der EU habe dabei kontinuierlich
abgenommen.9
In der WTO stellt sich der Einfluss der Entwicklungsländer auf die Willensbildungsprozesse
in der Tat anders dar. In gewisser Weise lassen sich hier sogar zu den Erfahrungen aus der
VN gegenläufige Prozesse feststellen. „Den Ländern des Südens ist es hier in weit
stärkerem Maße gelungen, eine Gegenmacht zum Norden aufzubauen.“10 Allerdings soll
es an dieser Stelle zunächst genügen, zumindest auf die komplexen und sich aus vielerlei
formellen und informellen Verfahren zusammensetzenden Willens- und
Entscheidungsfindungsprozessen hinzuweisen, bei deren Zustandekommen eine Großzahl
an Akteuren beteiligt ist.11 Insgesamt ist das VN-System etwa nach Ansicht von
Malone/Hagman durch ein vor allem nach dem Ende des Kalten Krieges entstandenen
Nord-Süd-Gegensatz gekennzeichnet – einer diametralen Gegenüberstellung der
Interessen von Industrie- und Entwicklungsländern.12
“[I]n its institutional culture, the North-South divide remains the main organizing principle
for delegations, which threatens the UN with irrelevance and redundancy.” 13
Marian Miller14 entwickelte aufbauend auf diesem Gegensatz ihr Konzept der „Third
World“ und verfolgt in ihren Arbeiten den Ansatz einer durch prägende Merkmale
gekennzeichneten Gruppe der EL, die durch die gemeinsame Erfahrung des Kolonialismus
und vergleichbare sozioökonomische Rahmenbedingungen ähnliche und vor allem
gemeinsame Strategien im Rahmen von Umweltverhandlungen entwickelt hätten. In
diesem Kontext ist die Gruppe der EL zu verstehen als „coalition of countries seeking to
8 Winter / Merai 2007: S. 7. 9 Vgl. Deen 2000. 10 Winter / Merai 2007: S. 10. 11 Vgl. Tietje 2005: S. 18ff. 12 Vgl. Malone/Hagman 2002. 13 Malone/Hagman 2002. 14 Vgl. Miller 1992, 1995(a), 1995(b) und 1998 zu den Ausführungen dieses Abschnitts.
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advance certain norms and interests in world politics.“15 Zwei Argumente sprechen
jedoch gegen diese These:
(1) Geopolitische Veränderungen im internationalen System16 und das Ende des Kalten
Krieges hätten zu einer Zersplitterung der EL geführt, die sich infolgedessen nicht mehr
über gemeinsame Interessen definieren könnten. Gleichzeitig sei diese Vielfalt nach
Williams jedoch auch Identitätsstiftendes Merkmal der blockfreien Staaten (NAM).
“Diversity, in other words, is an inescapable feature of the Third World and the strength of
solidarity cannot remain constant but will instead reflect the changing geopolitical
situation.”17
(2) Die Folgen der Globalisierung18
hätten zu einer ökonomischen Differenzierung der
Entwicklungsländer geführt. Zwar mag auch dies nach Williams korrekt sein, doch war die
Gruppe bereits nach der Globalisierung und zwischen 1955 und dem Zusammenbruch der
Sowjetunion alles andere als homogen.
“The global division of labor and the uneven flow of capital has widened already existing
disparities between more advanced developing countries and poor, debt ridden states.
[…]The countries that were identified as members of the Third World coalition were never
economically homogenous.”19
Trotz dieser weltpolitischen Veränderungen finden sich Entwicklungsländer zu den
verschiedensten Themenbereichen zu Koalitionen zusammen – etwa beim Schutz der
Ozonschicht, dem Umgang mit gefährlichem Abfall und Biodiversität.20
Grund sei hierfür
nach Williams schlicht die Absicht dieser Länder ihren Einfluss in Verhandlungen zu
erhöhen.
“While strength in numbers may not contribute decisively to the ability to set the
agenda, decide outcomes or ensure implementation, an aggregation of diplomatic
resources in order to improve access to decision-making is seen to be in the self-interest of
15 Williams 2005: S. 51. 16 Vgl. Williams 2005: S. 50. 17 Williams 2005: S. 51f. 18 Vgl. Hoogvelt 1997 für eine Einführung in die Diskussion um den Einfluss und die Bedeutung der Globalisierung. 19 Williams 2005: S. 52. 20 Miller hat die Verhandlungsführung der EL speziell in diesen drei Bereichen untersucht. Im Ergebnis
wurde der Nord-Süd-Unterschied in unterschiedlicher Stärke als integraler Bestandteil der
Verhandlungsführung betrachtet. Waren die Schnittmengen beim Schutz der Ozonschicht noch relativ
gering, gelang es den EL das Thema der Abfallentsorgung als Nord-Süd-Thema zu deklarieren und den
Artenschutz mit Forderungen zum Technologietransfer zu verbinden (vgl. Miller 1995).
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large and small developing countries. In this sense, the Third World coalition is a reaction
to the dominance of the industrialized states in world politics.”21
Die Hintergründe hierzu sollen im folgenden Kapitel genauer ausgeführt werden.
2.1.2 Identität, Interessen & Institutionalisierung der EL
Williams entwickelt - basierend auf den wissenschaftlichen Arbeiten von Miller - in
seinem Aufsatz einen Analyserahmen zur Bedeutung der Entwicklungsländer, das in
diesem Kapitel kurz dargestellt werden soll.22
Voraussetzung zur Formierung einer
Koalition der Entwicklungsländer sind die vorherrschenden Machtstrukturen des
internationalen Systems.
“The global power structure creates conditions conducive to the formation of an identity
based on lack of access to meaningful participation in decision-making. Developing
countries […] create and recreate a fragile unity in opposition to existing structures of
power.”23
Darauf aufbauend konnte sich eine gewisse Form der Institutionalisierung der Interessen
herausbilden – etwa durch die G 77, die insbesondere auch im Bereich der
Umweltverhandlungen die Interessen der Entwicklungsländer bündelt.
“In the context of global environmental politics the G77 is the relevant institutional nexus
of Third World cooperation. As a negotiating group, the G77 makes negotiations more
manageable for its members.”24
Zwar ist damit nicht zwangsläufig die Bestimmung der politischen Agenda verbunden,
doch können andernfalls oft marginalisierte Entwicklungsländer gerade in diesem Rahmen
eher ihre Interessen formulieren und es erhöht sich für sie die Wahrscheinlichkeit Gehör
zu finden. Entwicklungsländer müssen dabei nicht zwangsläufig die gleichen Interessen
verfolgen – ganz im Gegenteil. Die Solidarität innerhalb der Gruppe der
Entwicklungsländer hatte seit Anbeginn dieser Typologisierung ihre Höhen und Tiefen und
befindet sich stets in einem Spannungsverhältnis zwischen Einheit und Vielfalt.
21 Najam 2005: S. 113 (Zitiert nach Williams 2005: S. 53). 22 Vgl. zu den Ausführungen Williams, M. 2005: S. 55ff. 23 Williams 2005: S. 54. 24 Williams 2005: S. 54.
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“Unity is always fragile; and solidarity has had peaks and troughs; highs and lows. […] From
its inception the Third World has been characterized by unity and diversity. Differentiation
and divergence did not arise in the 1990s but were a feature of the group from the
beginning.”25
Die Durchsetzungsfähigkeit der EL hängt damit weniger von der Homogenität der Gruppe
als vielmehr von drei Variablen ab: (1) dem Vorhandensein und der Artikulation
gemeinsamer Interessen, (2) einem Bewusstsein gemeinsamer grundlegender
Überzeugungen und (3) der gemeinsamen politischen Vertretung dieser Interessen in
internationalen Verhandlungen.
(1) Williams identifiziert fünf Interessen, die von Thema zu Thema unterschiedlich stark
sein können26
, die jedoch alle EL in internationalen Klimaverhandlungen miteinander
verbinden.
1. Entwicklungsländer setzen seit 1972 und insbesondere seit 1992 auf die
Verbindung von Umwelt-Themen mit der Frage der nachhaltigen Entwicklung.
Gemeinsames Interesse ist es dabei, das Recht auf Entwicklung nicht durch
Maßnahmen für mehr Umweltschutz zu gefährden.
2. Nach Ansicht der Entwicklungsländer werden zusätzliche finanzielle Mittel zur
Implementierung von Umweltschutzmaßnahmen benötigt. Diese werden
ergänzend zu den allgemeinen Zahlungen im Rahmen der ODA gefordert.
3. Entwicklungsländer argumentieren darüber hinaus, dass sie zum großen Teil
grenzüberschreitende Umweltprobleme nicht ohne technologische Unterstützung
der Industrieländer bewältigen können. Gefordert wird daher der Transfer von
Technologien zur Minderung von Emissionen und zur Anpassung an den
Klimawandel.
4. Damit verbunden ist die gemeinsame Forderung nach einer weitreichenderen
Unterstützung der Industrieländer beim Capacity Building – für die
Verhandlungen selbst sowie die Implementierung politischer Entscheidungen.
25 Williams 2005: S. 55. 26 Williams 2005: S. 59: „[D]eveloping countries do not all possess the same interests and thus the
strength of the coalition will vary, over time, depending on the issues. These interests are not
constructed in a vacuum and crucial to the maintenance of Third World positions on environmental
issues is the discursive construction of a North-South divide on environmental issues, and bargaining
processes that replicate this division.“
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5. Ein fünftes gemeinsames Interesse umfasst die Zeitspanne, in der politische
Maßnahmen umgesetzt werden sollen. Entwicklungsländer setzen hier in den
Verhandlungen auf langfristige Zielsetzungen, wenn es um eigene Beiträge geht.
(2) Bereits die gemeinsamen Interessen können als erklärende Variablen für die (Nicht-
)Kooperation der Entwicklungsländer im Bereich internationaler Umweltverhandlungen
betrachtet werden. Doch existieren in diesem Bereich darüber hinaus Vorstellungen über
gemeinsame Leitlinien, ein „set of ideas“, das auch eine in sich heterogene Gruppe der
EL eint. Das bereits dargestellte Nord/Süd-Gefälle steht auch im Kontext von
Umweltverhandlungen im Vordergrund.27
(3) Die auf Basis einer gemeinsamen Identität entwickelten Interessen wiederum werden
in Verhandlungen durch das Auftreten als Entität gebündelt – etwa in Form der G 77.
“The theory and practice of global environmental negotiations constructs a specific
bargaining space for developing countries. This is accentuated by the role of the G77 as
the spokesperson for the South on a number of issues in the negotiating process.”28
Abbildung 2 spiegelt den Zusammenhang aller drei Faktoren noch einmal wieder.
27 Vgl. Hierzu Williams 2005: S. 58: “[D]eveloping as well as industrialized countries have tended to
view environment in particular as very much a North-South issue.” 28 Williams 2005: S. 57.
Institutionalisierung
Gemeinsame Interessen der EL
Internationale Umweltverhandlungen
Gemeinsame Identität / „set of ideas“
Eigene Darstellung nach den Aussagen von Williams 2005.
Abb. 2: Interessen, Identität & Institutionalisierung der Entwicklungsländer
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Damit liegt uns nun ein allgemeiner Analyserahmen zu Interessen und Institutionalisierung
der Entwicklungsländer vor, der sich auch auf das konkrete Fallbeispiel anwenden lässt.
2.1.3 Durchsetzungsdefizite der Entwicklungsländer
Internationale Konferenzen bieten den zum Teil nur schwach institutionalisierten
Entwicklungsländern die Möglichkeit zur Formulierung und Durchsetzung gemeinsamer
Interessen über den Rahmen bilateraler Vereinbarungen hinaus. Das Bestreben der USA
und anderer industrialisierter Länder, eine Pause bei der Abhaltung internationaler
Konferenzen zu erzielen, läuft diesem Potential jedoch deutlich entgegen. „Erstes Opfer
dieses Moratoriums wurde das von der G-77 betriebene Projekt einer Konferenz über
internationale Wanderungsbewegungen und Entwicklung.“29
Darüber hinaus wurde auch
die jährliche Beitragsankündigungskonferenz zu den Unterstützungsleistungen für die mit
sozialen und wirtschaftlichen Belangen der Entwicklung beschäftigten Programme und
Organe der VN seitens der Industriestaaten abgeschafft.30
Doch auch die Gruppe der Entwicklungsländer selbst kann ihre potentielle Machtposition
in der Praxis kaum umfassend darstellen. „Restriktionen für den politischen Einfluss der
Entwicklungsländer bei den Vereinten Nationen ergeben sich […] auch aus interner
Uneinigkeit.“31
Darüber hinaus spielen auch die wirtschaftlichen und sozialen
Rahmenbedingungen der einzelnen Länder im Kontext der Willensbildung und
Entscheidungsfindung innerhalb der G 77 eine entscheidende Rolle. Ergebnis der zum Teil
großen Differenzen ist eine Verschärfung der „[…] Koordinationsprobleme zwischen den
Ländern des Südens.“32
Oftmals fehlt es schlicht auch an einer konstruktiven und
intensiven Teilhabe an den Willensbildungsprozessen der VN – eine Grundvoraussetzung
für die Artikulation, Verhandlung und Durchsetzung ihrer Interessen.
„Bis heute haben die Länder des Südens allenfalls erste Schritte auf dem Weg zu einer
effektiveren Interessenvertretung in internationalen Organisationen unternommen.
Weitere Fortschritte hängen zunächst von der Fähigkeit und der Bereitschaft einzelner
Länder zur Partizipation in deren Gremien ab. So sehen viele Entwicklungsländer noch
29 Deen 2000: S. 7. 30 Vgl. Deen 2000: S. 9. 31 Winter / Merai 2007: S. 9. 32 Ebd.
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nicht die Notwendigkeit, an internationalen Verhandlungsrunden teilzunehmen. Dies liegt
auch an den überkommenen Strukturen der entsprechenden Organisationen, die wenig
geeignet sind, die Partizipationschancen von immer mehr Ländern […] zu verbessern.“33
Darüber hinaus mindern weitere strukturelle Defizite die Durchsetzungschancen der EL.
„Bei internationalen Verhandlungen sind viele Entwicklungsländern dadurch benachteiligt,
dass sie nur über kleine Delegationen verfügen, deren Mitglieder zudem oft unerfahren in
der Verhandlungsführung sind, und dass es ihnen an wissenschaftlicher Unterstützung
mangelt.“34
Schließlich hängt der Einfluss eines Landes entscheidend von dessen Möglichkeiten ab,
mit qualifiziertem Personal und konstruktiven Programmen an der jeweiligen Konferenz
teilzunehmen - sowohl in Verhandlungen zum globalen Handel, als auch beim
Klimaschutz.
“The disadvantages mentioned by countries are the same as in trade: small and
inexperienced delegations, lack of national research support, lack of familiarity with how
negotiations are done. Many countries have still not identified a strong interest in
the outcome of climate change negotiations, and therefore choose to devote few
resources to them, while there is little pressure on them to meet climate objectives […]”35
Verglichen mit den Delegationen der Industrieländer sind die Entwicklungsländer auf
internationalen Verhandlungen und Konferenzen deutlich schwächer vertreten. Darunter
leidet schließlich die gesamte Verhandlungsführung dieser benachteiligten Länder. Ein im
Rahmen dieser Arbeit relevantes Hindernis liegt auch in der mangelnden
Selbstorganisationsfähigkeit der Entwicklungsländer.
„Bis heute bilden die Länder des Südens trotz zunehmender Selbstorganisierungsprozesse
noch keinen einheitlichen Block. […] Partielle Süd-Süd-Bündnissen reichen als Grundlage
für die Gewinnung von politischem Einfluss mit strategischer Perspektive nicht aus. […]
Allerdings sind einzelne Formationen des Südens wie die G 77/China oder regionale
Gruppen mittlerweile in der Lage, in einzelnen Verhandlungsrunden ein durchaus
effektives Gegengewicht zu den Ländern des Nordens zu bilden.“36
Damit hängt die Durchsetzungsfähigkeit der Entwicklungsländer in internationalen
Organisationen auch davon ab, inwieweit sie ihre unterschiedlichen Interessen bündeln
33 Winter / Merai 2007: S. 13; vgl. hierzu auch Page 2003. 34 Ebd. 35 Page 2003: S. 7. 36 Winter / Merai 2007: S. 13.
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und gemeinsame Positionen formulieren können. Schließlich ist auch eine Zunahme in der
Komplexität der Sachthemen und Verhandlungsrunden zu verzeichnen, die auch eine
Ausdifferenzierung der Positionen einzelner Länder und innerhalb von Ländergruppen zur
Folge hat.37
2.1.4 Druckpotentiale der Entwicklungsländer
Die Erfahrungen aus den vergangenen Jahren zeigen, dass Entwicklungsländer trotz der
aufgezeigten Defizite bei ihrer Durchsetzungsfähigkeit durchaus auch dazu in der Lage
sind, Druckpotentiale zu entwickeln und ihre Bedeutung insbesondere bei
wirtschaftsrelevanten Themen deutlich zu machen. Auf der Konferenz von Doha konnten
die Länder des Südens eigene Themen wie der Wechselwirkung zwischen Verschuldung
und Welthandel und der Struktur der Rohstoffmärkte auf die Agenda setzen. Ähnliches
gilt für die WTO-Ministerkonferenz von Cancun 2003, auf der Ergebnisse erzielt wurden,
„die die Verhandlungsmacht des Südens deutlich stärken und die die Dominanz des
Nordens […] deutlich einschränken.“38
Insgesamt lässt sich entgegen der Beobachtung
innerhalb der VN sogar ein gegenläufiger Trend feststellen. Innerhalb der WTO hätten es
die Entwicklungsländer verstanden, „ihre Verhandlungsposition von Verhandlungsrunde zu
Verhandlungsrunde schrittweise zu verbessern.“39
Page kommt bei ihrer Untersuchung zu einem ähnlichen Ergebnis: „Developing countries
have proved first that they can modify the outcome, then that they can block a
settlement, and finally that they can initiate their own issues.“40
Dies sei insbesondere in
Verhandlungen zum Welthandel immer wieder deutlich geworden – etwa als die
Entwicklungsländer 1999 nicht nur mitverhandelten, sondern diese Verhandlungen auch
erfolgreich blockierten oder 2001, als es ihnen gelang, eigene Themen auf die
Tagesordnung setzten.
“Developing country group and country positions included not only the issues of traditional
concern to them (agriculture, non-tariff barriers, tariff discrimination and escalation), and
opposition to the new ‘developed country issues’ (investment, competition policy, labour),
37 Vgl. Page 2003: S. 9. 38 Wahl 2005: S. 12. 39 Winter / Merai 2007: S. 13. 40 Page 2007: S. 4.
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
- 18 -
but also new subjects for the agenda: the importance of infrastructure for trade, linkages
between debt and trade, and the nature of commodity markets.”41
Die Frage ist nun, wie es den Entwicklungsländern gelingen konnte, diese Fortschritte
über die Zeit zu realisieren und sich gegenüber den Interessen der Industrieländer
durchzusetzen. Page argumentiert, dass der Verhandlungsspielraum der an sich stärksten
Partei dadurch limitiert wird, dass es eher überhaupt ein Ergebnis benötigt. Über die Zeit
hätten es die Entwicklungsländer auch verstanden, konkrete Positionen zu formulieren
und überhaupt ihre eigenen Interessen gegenüber den industrialisierten Ländern
darzustellen. Sie wurden damit von einem passiven zu einem aktiven Teil des
Verhandlungsgeschehens.42
41 Page 2007: S. 5. 42 Vgl. hierzu Page 2007: S. 5f.
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
- 19 -
2.2 Theoretische Vorüberlegungen
„International Institutions have the potential to facilitate cooperation, and
without cooperation […] the prospects for our species would be very poor
indeed. Cooperation is not always benign; but without cooperation, we will
be lost. Without institutions there will be little cooperation. And without a
knowledge of how institutions work – and what makes them work well –
there are likely to be fewer, and worse, institutions than if such knowledge is
widespread.“43
Das Verhalten von Staaten und deren Ambivalenz zwischen Kooperation und
Konfrontation im internationalen System wird von verschiedenen Schulen der
Internationalen Beziehungen oft sehr unterschiedlich beschrieben und wird auf
verschiedene Grundsätze und Bedingungen zurückgeführt. Auch der neoliberale
Institutionalismus erklärt Kooperation im internationalen System und das (Nicht-
)Zustandekommen von Regimen. Dabei stehen sich Staaten und Koalitionen mit ihren
Interessen gegenüber, die sie in Aushandlungsprozessen miteinander in Einklang bringen.
Die Implementierung eines internationalen Klimaschutzregimes kann nur durch die
Einbindung der EL und ihrer Zustimmung gelingen. Hierfür bietet das theoretische
Konzept des neoliberalen Institutionalismus zentrale Lösungsansätze. Aus dessen
Grundannahmen lassen sich Schlüsse auf die (Nicht-)Entstehung und Wirkung von Regimen
ziehen. Dies soll auf den folgenden Seiten geschehen, wobei nach einem kurzen Einblick
in die Theorie des neoliberalen Institutionalismus die im Rahmen dieser Arbeit relevanten
Punkte herausgearbeitet werden.
Dies beschreibt jedoch nur die Meta-Ebene dieser Arbeit. Denn gleichzeitig spielen sich
auch innerhalb der G 77 Entscheidungsfindungsprozesse ab, die das Auftreten und die
Verhandlungsführung der Gruppe entscheidend beeinflussen. Hierzu liefert der
Institutionalismus nur ungenügende Erklärungsvariablen. Schließlich reicht es nicht aus,
allein den Block der Entwicklungsländer als solchen zu untersuchen, ohne einen Blick auf
die internen Verhältnisse zu werfen. Wie im vorherigen Abschnitt dargelegt wurde,
besteht einer der Hauptgründe für die Durchsetzungsschwäche der Entwicklungsländer im
Allgemeinen und der G 77 im Speziellen nach Ansicht verschiedener Autoren darin, dass
43 Keohane 1989, S. 2.
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
- 20 -
eine solche Gruppe bedingt durch die enorme Heterogenität kaum zu kollektiven
Entscheidungen kommt, auf deren Basis verhandelt werden könnte. Dieses Argument soll
mithilfe einer Untersuchung der internen Konfliktlinien nach dem Cleavages-Ansatz
überprüft werden.
Die zentrale Frage des neoliberalen Institutionalismus lautet: „Under what conditions will
cooperation emerge in a world with egoistics without central authority?“44 Wir
formulieren diese Frage um und stellen uns im anschließenden empirischen Teil dem
Phänomen, dass 133 souveräne Staaten mit zum Teil erheblich unterschiedlichen
Positionen dennoch beim Klimaschutz zusammenarbeiten, um ein international
institutionalisiertes Regime zum Transfer klimafreundlicher Technologien durchzusetzen?
2.2.1 Entstehung und Bedeutung internationaler Institutionen
Die Wurzeln des neoliberalen Institutionalismus liegen in den Ideen und Annahmen des
Niederländers Hugo de Groot (Grotius). Er argumentierte gegen die seinerzeit starke
realistische Schule, dass sich die Staaten nicht in einem einzigen Überlebenskampf aller
gegen alle befänden, sondern auch im internationalen System Normen, Regeln und
Institutionen existieren, an die sich die Staaten als die zentralen Akteure gebunden
fühlen. „Wie der Realismus geht auch der Institutionalismus von ‚Anarchie’ im
internationalen System aus, aber diese Anarchie enthält Elemente der
Vergesellschaftung.“45
Dies bedeutet ganz konkret, dass die Staaten, die wie im
Realismus Haupt-Handlungsträger der internationalen Politik bleiben, auch in einem
System ohne Gewaltmonopol und ohne eine übergeordnete sanktionsbewährte
Zentralgewalt ihr gemeinsames Zusammenleben zu organisieren und ihre kollektiven
Grundziele zu erreichen versuchen, wie es Hedley Bulls bereits in seinem Standardwerk
von 1977 formuliert.46
Der Begriff der Institution47
ist dabei nicht mit dem der
44 Axelrod 1984, S. 3 45 Vgl. hierzu Krell 2007: S. 65 46 Vgl. hierzu Bulls 1995, S. 42: „The element of international society has always been present in the
modern international system because at no stage can it be said that the conception of the common
interests of states, of common rules accepted and common institutions worked by them has ceased to
exert an influence. Most states at most times pay some respect to the basic rules of coexistence in
international society, such as mutual for sovereignty, the rule that agreements should be kept, and
rules limiting resort to violence.“
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
- 21 -
internationalen Organisation gleichzusetzen, sondern bedeutet vielmehr ein „Satz von
Gewohnheiten und Praktiken, die auf die Verwirklichung gemeinsamer Ziele ausgerichtet
sind.“48
Als Makroinstitutionen definiert Bull das Völkerrecht, die Souveränität und die
Diplomatie. Regime beziehen sich dem Gegenüber auf einzelne Politikbereiche wie den
Klimaschutz und werden im Unterschied zu den Makroinstitutionen auch als
„Mikroinstitutionen“ bezeichnet, die eine Grundlage für Kommunikation und damit auch
Kooperation der Staaten untereinander schaffen „The ability to communicate and to
cooperate depends on human-constructed institutions.“49
Die Frage, warum nun internationale Institutionen und Regime entstehen, lässt sich von
Fall zu Fall unterschiedlich bewerten. Grundsätzlich jedoch wird von der Grundannahme
ausgegangenen, wonach die Staaten in der „international society“ in ein Verhalten
sozialisiert werden, „das über rein rationalistische Interessenkalküle hinausgeht“50
,
moralische Werte, Recht und Gesetz also ihr eigenes Gewicht gewinnen. Diese Wertebasis
reicht mitunter jedoch nicht aus, um die Ordnung vollends zu garantieren.
Ohne derartige Sozialisationsleistungen des internationalen Systems kommt die
Regimetheorie aus, die auch als rationalistische oder utilitaristische51
Variante des
Institutionalismus bezeichnet wird. „Hier kooperieren die Staaten allein auf Grundlage
von Interessenkalkülen.“52
– diese Aussage ist auch für die Betrachtung des konkreten
Beispiels in dieser Arbeit von zentraler Bedeutung. „Kooperation setzt […] eine
Schnittmenge gemeinsamer Interessen voraus.“53
Voraussetzung für ein Regime ist damit
zumindest ein Nicht-Nullsummenspiel und ein gewisser Grundbestand an gemeinsamen
Interessen. Mögliche Gefahren und negativen Auswirkungen nicht-kooperativen
Verhaltens in der Zukunft erhöhen die Wahrscheinlichkeit kooperativen Verhaltens in der
Gegenwart.
47 Czada, R. 2004 (S. 363) definiert Institutionen als „verhaltensregulierende und Erwartungssicherheit
erzeugende soziale Regelsysteme.“ 48 Ebd. S. 71 (freie Übersetzung nach Krell, G. 2007, S. 66). 49 Keohane 1989: S. 2. 50 Krell, G. 2007: S. 66. 51 Utilitaristen gehen im Gegensatz zu normativistischen Ansätzen davon aus, dass das menschliche
Verhalten im Wesentlichen auf der Verfolgung von Eigeninteressen beruht. 52 Krell, G. 2007: S. 66. 53 Woyke, W. 2000, S. 449.
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
- 22 -
Entstanden in den Siebziger Jahren in den USA gewann die Regimeanalyse vor dem
Hintergrund der zunehmenden weltweiten wirtschaftlichen Verflechtung und der
Ausweitung grenzüberschreitender globaler Umweltprobleme in den Folgejahren
zunehmend an Bedeutung.54
Der rationalistische Institutionalismus55
geht zwar ebenso
wie der Realismus von der Grundannahme aus, wonach Staaten egoistische
Eigeninteressen verfolgen, unterstellt den Staaten jedoch gleichzeitig auch das
ernsthafte Interesse zu Kooperation, da egoistische Machtausübung unter Umständen zu
suboptimalen Ergebnissen führen würde und globale Probleme, von denen alle betroffen
sind, nicht mehr auf nationalstaatlicher Ebene und ohne Zusammenarbeit zu lösen sind.
Das Problem hierbei besteht nun jedoch darin, dass selbst parallele Interessen noch nicht
zwangsläufig zu kollektivem Handeln führen. „Selbst bei identischen Interessen kann es
passieren, dass Akteure nicht zur Kooperation finden.“56
Dies wird im Institutionalismus
mit einem strukturellen Kooperationsdilemma erklärt, dem die Staaten im
internationalen System permanent ausgesetzt sind. Der Kooperation stehen dabei
verschiedene Faktoren entgegen57
:
1. Erwartungsunsicherheit über Verpflichtungskonsequenzen der anderen Akteure,
2. die Frage der Kosten- und Nutzenverteilung aus der Kooperation sowie
3. die Attraktivität der Rolle der Nichtteilnahme an der Kooperation.
Damit sehen sich die Staaten im internationalen System zwei Alternativen gegenüber:
Entweder setzen sie auf eine langfristig gewinnbringende, aber insgesamt unsichere
Kooperation, oder aber sie wählen den Weg der kurzfristig Gewinn bringenden
unilateralen Vorteilssuche. Der rationalistische Institutionalismus behauptet nun, dass
solche Dilemma-Situationen überwunden werden können, und zwar durch „internationale
Regime“. Diese setzen von den beteiligten Akteuren voraus, „momentane Eigeninteressen
um des längerfristigen Vorteils willen den Normen und Regeln des Regimes
unterzuordnen.“58
Regime werden dabei als „Konstrukt aus Verabredungen und
Erwartungen“ definiert, „die das Verhalten der Beteiligten in einem Problemfeld
54 Vgl. zu den Grundlagen der Regimetheorie Keohane / Nye 1977 oder Keohane 1984. 55 Vgl. zu den Aussagen hierzu Krell, G. 2007: S. 67. 56 Krell, G. 2007, S. 67. 57 nach Krell, G. 2007, S. 67f. 58 Woyke 2000: S. 456.
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
- 23 -
regulieren.“59
Mit zunehmender Institutionalisierung eines Problemfeldes wächst auch die
Wahrscheinlichkeit eines Regimes.
„Die Wahrscheinlichkeit der Kooperation wächst, wenn ein Interaktionsrahmen vorhanden
ist, der den Interaktionen in einem bestimmten Problemfeld eine gewisse Dauerhaftigkeit
verleihen kann.“60
Die Kooperation innerhalb von Regimen wird durch vier miteinander verbundene
Mechanismen institutionalisiert61
: Prinzipien, Normen, Regeln und Verfahren.62
Doch
warum kommt es überhaupt zu Kooperation? In der Literatur finden sich hierzu
verschiedene Hypothesen. Drei dieser Aussagen sollen in dieser Arbeit im Mittelpunkt
stehen63
:
1. Akteure kooperieren, um für sich selbst absolute Gewinne zu erzielen.
2. Die Kooperationsfähigkeit wird gefördert durch bereits existierende Regime, die
die Chance auf gegenseitige Kooperationsgewinne durch regimekonformes
Verhalten und das Maß an Erwartungsverlässlichkeit erhöhen.
3. Macht-Asymmetrien wirken zumindest dann förderlich, wenn durch die stärkeren
Akteure den schwächeren Gewinne und Belohnungen in Aussicht gestellt werden.
Kurzum: Institutionen spielen im internationalen System und der Koordinierung
grenzüberschreitender Kooperation eine entscheidende Rolle. Die Grundannahmen
ähneln denen des Realismus – mit einer Ausnahme: Im Vordergrund des Institutionalismus
stehen nicht die relativen, sondern die absoluten Gewinne und die Aussicht auf weitere
Zusammenarbeit. Nach Auffassung neoliberaler Institutionalisten herrschen im
internationalen System Kräfte, die das allgemeine Konfliktpotential minimieren und
Kooperation fördern.
59 Krell 2007: S. 67. Regime werden dabei als normen- und regelgeleitete Formen der Kooperation
zwischen Staaten definiert, zur politischen Bearbeitung von Konfliktfeldern oder Problemen in den internationalen Beziehungen. 60 Woyke 2000: S. 456. 61 nach Krell 2007: S. 68. 62 Prinzipien formulieren ein gemeinsames Problem und eine kollektive Zielvorstellung, Normen, legen
die Verhaltensstandards auf dem Weg zum Erreichen des Ziels fest, Regeln konkretisieren diese
Normen und Verfahren schreiben schließlich den Umgang mit den Regeln fest. 63 Vgl. hierzu Woyke 2000: S. 451.
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
- 24 -
Robert Keohane hat den neoliberalen Institutionalismus wie kaum ein anderer geprägt
und nach Ansätzen zur Erklärung von Kooperation von Staaten im Verhandlungsprozess
gesucht. Dabei macht er auch auf die Restriktionen von Theorie im Allgemeinen
aufmerksam.
„[W]e must understand that we can aspire only to formulate conditional, context-specific
generalizations rather than to discover universal laws, and that our understanding of world
politics will always be incomplete.“64
Ausgehend von dieser Feststellung untersucht Keohane Ursprung und Wandel von
Institutionen im internationalen System. Dabei stellt sich die Frage, was unter einer
Institution überhaupt zu verstehen ist. In der Literatur herrscht eine Breite an
Definitionen vor, die im Rahmen dieser Arbeit kaum zu fassen ist.65
Die Reichweite reicht
von losen Zusammenschlüssen gemeinsamer Interessen über komplexe Regelsysteme bis
hin zu streng formalisierten Gebilden des internationalen Systems.
„It may help out in sorting out some of these troubling confusions to point out that
‚institution’ may refer to a general pattern or categorization of activity or to a particular
human-constructed arrangement, formally or informally organized.“66
Eine Institution besteht dann, wenn bestimmte Akteure von dem Verhalten abweichen,
das ohne die Institution zu erwarten wäre. Fragen wir danach, ob es sich bei einem
Phänomen X um eine Institution handelt, so suchen wir konkret nach Regeln, die die
Aktivität von Akteuren beeinflussen, Erwartungshaltungen kanalisieren und in gewissem
Umfang Rollen vorgeben. Neben der bereits oben angedeuteten sehr weiten Definition
des Institutionen-Begriffs setzt Keohane seinen Fokus auf „spezifische“ Institutionen.
„Specific institutions can be defined in the first instance in terms of rules; but we must
recognize that specific institutions are embedded in practices. In modern world politics,
the most important practice is that of sovereignty.“67
Der Grad der Institutionalisierung ist dabei nicht zwangsläufig ausschlaggebend für die
Qualität der Institutionalisierung – vielmehr ist es der Grad an Kooperation, die eine
„Institution“ bereitstellen kann.
64 Keohane 1988: S. 380. 65 Vgl. hierzu Keohane 1988: S. 382ff. 66 Keohane 1988: S. 383. 67 Ebd. S. 386.
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
- 25 -
„To understand cooperation and discord better, we need to investigate the sources and
nature of international institutions, and how institutional change takes place. […] We can
evaluate the impact of cooperation by measuring the difference between the actual
outcome and the situation that would have obtained in the absence of coordination: that
is, the myopic self-enforcing equilibrium of the game.“68
Hierbei existieren rationalistische und soziologisch-reflektive Erklärungsansätze, die
Keohane in seiner Ausarbeitung von 1988 betrachtet und zusammenführt.69
Der
rationalistische Ansatz sieht die Entstehung von Institutionen und Regimen dabei vor
allem unter der Prämisse des Kosten-Nutzen-Kalküls der beteiligten Akteure.
Institutionen minimieren Kosten, liefern Informationen und stabilisieren Erwartungen.
„Rationalistic theories of institutions view institutions as affecting patterns of costs.
Specifically, institutions reduce certain forms of uncertainty and alter transaction costs.“70
Demgegenüber verweisen reflektive Ansätze auf die soziologische Dimension von
Institutionen – hierzu gehören Werte, Normen und Praktiken, die kulturelle Unterschiede
aufweisen können und die Arbeitsweise einer Institution beeinflussen. Das
Zustandekommen von Institutionen geht damit weit über einen bloßen Vertrag zwischen
Individuen zur Rationalisierung bestimmter Prozesse und Funktionen hinaus und
reflektiert gewissermaßen soziale, historische und individuelle Aspekte sowie
fundamentale Lernprozesse. Daran schließt sich auch die Kritik am rationalistischen
Ansatz an.
„Rationalistic theory accounts better for shifts in the strength of institutions than in the
value they serve to promote. Cultural variations create anomalies for the theory. It does
not take into account the impact of social processes of reflection or learning on the
preferences of individuals or on the organizations that they direct.“71
2.2.3 Regimebildung zum internationalen Klimaschutz
„Entscheidendes Merkmal internationaler Regime ist, [dass sie] das Verhalten der
Regime-Akteure binden und an Kriterien einer kollektiven Rationalität orientieren.“72
Im
68 Ebd. S. 380. 69 Vgl. hierzu Keohane, R. 2005: S. 381ff. 70 Keohane 1988: S. 386. 71 Keohane, R. 1988: S. 391. 72 Woyke 2000: S. 455.
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
- 26 -
Idealfall stellen Regime „Mikroinstitutionen“ dar, mit denen das Verhalten anderer
Akteure vertraglich garantiert, der Informationsfluss verbessert wird und die Kosten für
Kommunikation und Kooperation minimiert werden. Zu Kooperation kommt es
insbesondere dann, wenn Nicht-Kooperation zu suboptimalen Ergebnissen für alle
Beteiligten führen würde und mit zunehmender wirtschaftlicher und gesellschaftlicher
Verflechtung der Staaten untereinander. Dies ist gerade für nur schwach ausgestattete
und kaum mit den nötigen Verhandlungskapazitäten ausgestattete EL von zentraler
Bedeutung.
Im Bereich der Klimapolitik hat sich in den letzten Jahren auch mit Abschluss und
Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls ein robustes Klimaregime etabliert. Dabei liegt die
Besonderheit darin, dass die Kooperation weniger in einem dezentralen internationalen
Milieu stattfindet, als vielmehr als „Antwort auf einen aus Interdependenz- und
Verflechtungsproblemen resultierenden internationalen Problemlösungsbedarf“ zu
verstehen ist, „dem nur durch wachsende Institutionalisierung der kollektiven
Problembearbeitung gerecht zu werden ist […].“73
Seit den 1970er Jahren nimmt die Bedeutung internationaler Umweltpolitik immer mehr
zu. Die Erkenntnis, dass Umweltprobleme häufig nicht mehr allein im nationalen Rahmen
zu regeln sind, „obwohl sie in der Regel durch das Handeln von Menschen und Firmen
innerhalb nationalstaatlicher Grenzen verursacht werden“74
, führt dazu, dass im
internationalen System eine Form der Kooperation im Politikfeld Umwelt gefunden
werden muss, die möglichst viele Staaten einbezieht. Das Problem hierbei ist, dass -
anders als bei Nationalstaaten - keine zentrale Herrschaftsinstanz vorhanden ist, „die in
der Lage wäre, verbindlich Normen zu setzen und sie gegenüber widerstrebenden
Akteuren durchzusetzen“75
. Wie also kommt es in Abwesenheit einer solchen
Herrschaftsinstanz im internationalen System zu Kooperation? Dafür liefert die
Regimetheorie auch und gerade im Umweltsektor Erklärungsansätze. In der vorliegenden
Ausarbeitung sollen die theoretischen Annahmen im Spiegel der praktischen Ergebnisse
und Beobachten reflektiert werden.
73 Beide Zitate: Woyke 2000, S. 449f. 74 Oberthür 1997: S. 9. 75 Ebd.
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
- 27 -
2.2.4 Konfliktlinien und Kooperation innerhalb der G 77
Konflikt76
und Kooperation können nach Williams77
als die beiden Pole
intergovernmentaler Beziehungen betrachtet werden – vollständige Kooperation bzw. ein
absoluter Konflikt sind dabei die theoretischen Idealzustände. In der Praxis jedoch
bewegen sich zwischenstaatliche Beziehungen stets auf einem Kontinuum dazwischen.
„In pursuance of their various aims and objectives, states may either find themselves in
conflict with other states or may discover that they share similar or compatible goals and
decide to cooperate in order to maximise individual gains.“78
Die G 77 tritt in den internationalen Verhandlungen zum Klimaschutz sowohl als Koalition
verschiedener Entwicklungsländer mit dem Ziel einer Stärkung ihrer Position in den
Verhandlungen durch gemeinsames Auftreten, als auch als Pressure Group auf, die Druck
auf andere Verhandlungsteilnehmer ausübt, um kollektive Ziele zu erreichen
(Technologietransfer, Ausweitung finanzieller Unterstützung zur Anpassung etc.).
„A pressure group can be thought of as a collection of states (individuals etc.) applying
pressure as a political device to secure a change (or the maintenance of the status quo) on
a particular set of issues. […] As a coalition the G77 represents a temporary conjoining of
interests between more the one hundred states who can increase their bargaining power
through joint action.“79
Dabei gibt es zwei Verhandlungsebenen, die es zu untersuchen gilt: Zunächst müssen
Verhandlungen innerhalb der G 77 zu einer gemeinsamen Verhandlungsstrategie führen,
bevor die Gruppe als Akteur in Verhandlungen mit anderen Staaten und Ländergruppen
treten kann. Ein Kontinuum zwischen Konflikt und Kooperation findet sich abgewandelt
auch in der Art der Verhandlungsführung wieder. Midgaards80
Konzept eines Kontinuums
zwischen strikt kooperativem Verhandeln und bloßen Tausch- und Handelprozessen kann
dabei auch auf die Verhandlungsführung der G 77 angewandt werden. Laut Williams81
sind die Verhandlungen innerhalb der Gruppe eher am kooperativen Ende des Kontinuums
76 Konflikt wird im Rahmen dieser Ausarbeitung und im Kontext internationaler Verhandlungen definiert als die Existenz miteinander unvereinbarer Interessengegensätze zwischen zwei oder mehr
Akteuren. 77 Vgl. Williams 1991. 78 Williams 1991: S. 4. 79 Ebd. S. 8. 80 Vgl. Midgaard 1976. 81 Vgl. Williams 1991: S. 6.
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
- 28 -
anzusiedeln, während die Verhandlungen zwischen G 77 und anderen Akteuren eher
einem bloßen Tauschhandel gleichen.
Konflikte und Kooperation innerhalb der G 77 lassen sich mithilfe des Cleavages-Ansatzes
an konkreten Konfliktlinien innerhalb der Gruppe nachzeichnen. Dabei muss auch
zwischen tatsächlich beobachtbaren und latenten Konflikten differenziert werden.
Letzterer Form des Konflikts mag von externen Beobachtern wahrgenommen werden,
wird jedoch nichts zwangsläufig von den handelnden Akteuren selbst als solcher
definiert.
„Cleavages are the criteria which divide the members of a community or subcommunity
into groups, and the relevant cleavages are those which divide members into groups with
important political differences at specific times and places.“82
Mithilfe von Cleavages, also Konfliktlinien, können somit Aussagen über die
Heterogenität, bzw. Homogenität einer spezifischen Gruppe getroffen werden. Sie
beschreiben den Dissens, bzw. Konsens innerhalb einer wie auch immer gearteten
Gemeinschaft und beschreiben Fraktionierung bzw. Kohäsion einer Gruppe. Cleavages
führen jedoch nicht zwangsläufig zu trennscharf unterscheidbaren singulären exklusiven
Gruppen – vielmehr kann ein und dasselbe Mitglied einer Gemeinschaft gleichzeitig in
verschiedenen Gruppen verortet sein.
Cleavages unterteilen Mitglieder einer Gemeinschaft in bestimmte Gruppen, die durch
voneinander unterscheidbare Auffassungen, Meinungen etc. gekennzeichnet sind. Rae
und Taylor beschreiben den Grad der dabei entstehenden Fragmentierung als
„Cristallization“, definiert als „the proportion of a community which belongs to the set
of persons crystallized by a cleavage.“83
Eine extreme Form der Fragmentierung würde
darüber hinaus bedeuten, dass keines der Mitglieder zueinander passt, da jedes
Individuum seiner eigenen, sich von anderen abgrenzenden nominalen Gruppe zugehört.
In der Realität bewegt sich die Fragmentierung einer Gruppe unterhalb dieser totalen
Form der Unterschiedlichkeit. Das Konzept als solches ließe sich indes auf jede eindeutig
definierte Gruppe anwenden.
82 Rae / Taylor 1970: S. 1. 83 Rae / Taylor 1970: S. 24.
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
- 29 -
„The concept may be applied to any kind of cleavage in any kind of community once that
community and the nominal groups comprising the cleavage are defined.“84
Problematisch bleiben bei der Anwendung der Theorie vor allem zwei Aspekte: Die
Messung und Darstellung der Intensität – und damit die Relevanz - einer bestimmten
Konfliktlinie bei den einzelnen Mitgliedern und der Entscheidungsfindung innerhalb einer
Gruppe sowie die Bedeutung sich überschneidener Cleavages. Ob und in welchem Maße
die Fragmentierung einer Gruppe eine bestimmte Entscheidung beeinflusst hat, lässt sich
letztlich nur schwer untersuchen. Ebenso schwierig ist es, ein oft komplexes Gefüge von
Interessen Hintergründen und sich überlagender Cleavages zu entwirren. Dieses als
„Cross-Cutting“ bezeichnete Phänomen sich überlappender Konfliktlinien definieren Rae
und Taylor als „the proportion of the number of people crystallized by either cleavage
who are crystallized on both cleavages.“85
Damit ergeben sich für die Untersuchung
potentieller Konfliktlinien innerhalb einer bestimmten Gruppe drei verschiedene Ebenen,
auf denen eine Analyse stattfinden kann:
die Fragmentierung und damit die Unterschiede innerhalb einer Gruppe,
die Intensität der Fragmentierung und damit die Relevanz des Cleavages bei
konkreten Entscheidungen und dessen Einfluss auf kooperatives, bzw.
konfliktreiches Handeln sowie
die Überlappung verschiedener miteinander nicht zwangsläufig verbundener,
aber doch für die Positionierung und Entscheidungsfindung relevanter Cleavages.
Auf Grundlage der theoretischen Ausarbeitung von Rae und Taylor 197086
soll die
Bedeutung der Konfliktlinien innerhalb der G 77 für die Verhandlungsposition der Gruppe
aufgezeigt werden.
„The G 77 is a heterogeneous grouping and the political analysis of cleavages, with its
focus on the effect of attribute and behavioural differences on outcomes, is a relevant
analytic tool.“87
84 Rae / Taylor 1970: S. 44. 85 Rae / Taylor 1970: S. 90. 86 Vgl. Rae / Taylor 1970. 87 Williams 1991: S. 7.
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Dabei können drei Formen der Konfliktlinien identifiziert werden: (1) Zuschreibung
(ascriptive), (2) Einstellung (attitudinal) und (3) das Verhalten betreffend
(behavioural).88
Dies bedeutet bezogen auf die G 77 potentiell die folgenden
Konfliktlinien:
1. Askriptiv lassen sich ein unterschiedlicher Grad an Entwicklung und Unterschiede
in der Wirtschaftsstruktur der Länder erkennen.
2. Unterschiede gibt es auch bei der Einschätzung einer Regierung zu den politisch-
ökonomischen Verhältnissen, der ideologischen Orientierung und zu den
erwarteten Gewinnen eines bestimmten Verhandlungsergebnisses.
3. Verhaltens-Cleavages sind das Ergebnis von Zuschreibung und Einstellung und
drücken sich konkret bei abweichendem Abstimmungsverhalten aus.
Die bloße Existenz dieser Konfliktlinien allein bestimmt jedoch noch nicht zwangsläufig
die politische Dynamik der Ländergruppe und die Auswirkungen von
Interessengegensätzen.
„It is the intensity of the relevant cleavage, i.e. the strength of the actor’s beliefs, which determine the homogeneity or heterogeneity of the group (ascriptive cleavage), the existence of consensus or dissensus (attitudinal cleavage) and cohesion or fractionalisation (behavioural cleavage).“89
Regimewandel und Veränderungen im internationalen System können oft nur auf
multilateralem Wege erreicht werden – insbesondere seitens der wirtschaftlich wie
politisch schwachen Entwicklungsländer. Daher ist es die Aufgabe der G 77 auf Grundlage
gemeinsamer Interessen auf andere am Verhandlungstisch sitzende Akteure auszuüben.
Gleichzeitig besteht die Gruppe selbst aus Staaten mit unterschiedlichen Interessen und
Bedürfnissen, bedingt durch die Heterogenität ihrer sozialen, wirtschaftlichen und
politischen Rahmenbedingungen.
„Given the occasional non-coincidence or non-congruence between individual interests and
common interests, the coalition had to devise procedures whereby the common interest
88 Vgl. Williams 1991: S. 7. 89 Ebd. S. 7.
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
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could be determined and in which the conflicting interests of various members could be
reconciled.“90
Als Gruppe verfolgt die G 77 kollektive Ziele, die sie in internationalen Verhandlungen
mit der Verhandlungsmacht als Vertreterin von 133 Staaten formuliert. Die Größe und
damit verbunden die Heterogenität der Gruppe führt gleichzeitig zu Konflikten,
integrativen und desintegrativen Prozessen innerhalb der G 77. Die einzelnen Mitglieder
verfolgen bestimmte gemeinsame Interessen, die nur mithilfe der G 77 Aussichten auf
Erfolg haben. Zur selben Zeit ist eine so diversifizierte Koalition anfällig für Abspaltungen
und Blockaden einzelner Positionen. Die Stabilität und der Erfolg der G 77 hängt damit
auch von den Prozessen innerhalb der Gruppe ab und dem Vermögen, individuelle
Interessen zu bündeln.
Es erscheint utopisch, die Vor- und Nachteile einer Mitgliedschaft in der G 77 numerisch
darzustellen und die Bedeutung konkreter individueller und kollektiver Interessen für das
Verhandlungsergebnis zu quantifizieren. Die folgende Analyse wird daher nicht das Ziel
verfolgen, quantifizierbare Aussagen zu treffen - zu den Kosten und Nutzen einzelner
Staaten für deren Zugehörigkeit zur G 77, oder zur Wahrscheinlichkeit des Durchsetzens
der Gruppe. Vielmehr wird es darum gehen, die Vielschichtigkeit der Problematik zu
untersuchen und die Wirkungsweise komplexer Mehrebenen-Verhandlungsprozesse
aufzuzeigen.
2.3 Die G 77 als Akteur in den UNFCCC Klimaverhandlungen
„In den siebziger Jahren schien es, als würde sich die G 77/China zu einer
schlagkräftigen, auf Entwicklungsfragen spezialisierten „pressure group“
entwickeln. Aus heutiger Sicht fällt die politische Erfolgsbilanz der G
77/China jedoch wenig beeindruckend aus – und das, obwohl sie mehr als
zwei Drittel aller Staaten repräsentiert“
Der Block der Entwicklungsländer spielt in den internationalen Verhandlungen nach dem
Ende des Kolonialismus eine oft sehr unterschiedliche Rolle. Vor dem Hintergrund der
Stärkung der Verhandlungsposition durch die Bündelung von Interessen entstand die
90 Ebd. S. 9.
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
- 32 -
Gruppe der 77, die auch in den Verhandlungen um ein internationales Klimaregime die
Interessen der Entwicklungsländer vertritt und sich als Akteur am Verhandlungstisch
etabliert hart. „Central to the construction and maintenance of the coalition has been a
normative dimension, and the relevance of institutional factors.“91
Gleichzeitig wird die
G 77 als nur schwach institutionalisiert beschrieben, als Organisation ohne ein für die
Koordination von Positionen vor und während Konferenzen notwendiges Sekretariat. „The
G77 is clearly an organisation of developing countries with an institutional structure but
without any formal centralized machinery […].“92
In der wissenschaftlichen Literatur wird dem Zusammenschluss der Entwicklungsländer
nur eine marginale Position in den internationalen Klimaverhandlungen zugeschrieben.
Gleichzeitig tritt sie auf und zwischen den Konferenzen als starkes Sprachrohr der
Entwicklungsländer auf. Wie ist dieser offensichtliche Widerspruch zwischen Theorie und
Praxis zu erklären? Welche Druckpotentiale kann die Gruppe der 77 in den
internationalen Klimaverhandlungen tatsächlich entwickeln und wo liegen ihre
Durchsetzungsdefizite? Diese und weitere Fragen gilt es im nun folgenden Fallbeispiel zu
beantworten. Dazu wird nach einer kurzen Rekapitulierung zum Rahmen der
Klimaverhandlungen unter der UNFCCC zunächst das Analysemuster aus dem ersten
Kapitel erneut aufgegriffen, um Identität, Interessen und Institutionalisierung der EL in
den aktuellen Klimaverhandlungen darzustellen. Die Institutionalisierung der Interessen
stellt dabei zweifelsohne die Gruppe der 77 dar, zu der in einem weiteren Abschnitt
einige im Rahmen dieser Ausarbeitung relevante Hintergrundinformationen gegeben
werden sollen. Dies bedeutet vor allem auch die Anwendung der theoretischen
Erkenntnisse auf das konkrete Fallbeispiel: Dabei werden zunächst die Konfliktlinien und
Kooperationspotentiale innerhalb der G 77 beleuchtet, bevor in einem weiteren Schritt
das Auftreten und die Positionierung der G 77 auf der Metaebene, also den
internationalen Klimaverhandlungen, anhand von Beobachtungen, Interviews und einer
Umfrage untersucht wird. In der Konklusion werden die daraus erarbeiteten
Druckpotentiale und Durchsetzungsdefizite der G 77 dargestellt.
91 Williams 2005: S. 50. 92 Williams 1991: S. 7.
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2.3.1 Einbindung der EL in die Klimaverhandlungen
Vor der Behandlung der konkreten Positionierung der G 77 als Gruppe in den Verhandlung
zum Transfer klimafreundlicher Technologien sollen zunächst drei grundsätzliche
Rahmenbedingungen geklärt werden: die UNFCCC als im Rahmen der Thematik dieser
Ausarbeitung fundamentaler Verhandlungsrahmen (2.3.1.1), die Anwendung der im
Theorieteil erarbeiteten Grundlagen zur Regimebildung auf den Transfers
klimafreundlicher Technologien (2.3.1.2 und 2.3.1.3) sowie die grundsätzliche
Konstellation der Entwicklungsländer bezogen auf ihre Identität, Interessen und
Institutionalisierung in den Klimaverhandlungen (2.3.1.4).
2.3.1.1 Die UNFCCC als internationaler Verhandlungsrahmen
Die Verhandlungen zum internationalen Klimaschutz können im Wesentlichen auf drei
Phasen heruntergebrochen werden: In der ersten Phase stand die Bewusstmachung über
die Bedeutung des Themas im Vordergrund, was letztlich zur Errichtung der UNFCCC als
weiterer Verhandlungsrahmen im Mai 1992 führte. Die zweite Phase umfasste die Zeit von
der Unterzeichnung der UNFCCC bis zur Einigung auf das Kyoto-Protokoll im Dezember
1997. Die dritte Phase – die derzeit laufenden Verhandlungen um ein
Nachfolgeabkommen für Kyoto - steht im Mittelpunkt dieser Arbeit. In ihr spiegeln sich
auch die Stärken und Schwächen der Verhandlungsführung und Kooperation der
Entwicklungsländer wieder. Eine Untersuchung zur Rolle der EL in den
Klimaverhandlungen soll deren Konstellation aufzeigen – zwischen Konfrontation und
Kooperation. Technologietransfer wurde dabei als ein alle Entwicklungsländer
betreffendes spezifisches Untersuchungsfeld ausgewählt.
„Climate change negotiations are illustrative of the strengths and weaknesses of the
Third World coalition. On the one hand, it shows the continued existence of common
interests, and attempts to form a joint bargaining position. On the other hand, it reveals
deep divisions among developing countries.“93
93 Williams 2005: S. 60.
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
- 34 -
Der Klimawandel wurde als globales Problem erstmals während der ersten World Climate
Conference of the World Meteorological Organization (WMO) 1979 auf die internationale
politische Agenda gesetzt. Zusammen mit dem Entwicklungsprogramm der VN (UNDP)
errichtete die WMO 1988 ein internationales wissenschaftliches Panel, das sich mit dem
Thema seither beschäftigt: das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC). Das
IPCC wiederum liefert mit der Erstellung von Szenarien und der Untersuchung möglicher
Folgen des Klimawandels wichtige Impulse zum Umgang mit dem Phänomen. Die
wissenschaftlichen Befunde des IPCC gelten als Grundlage für einen Großteil der
Argumentation in diesem Bereich – insbesondere bei den Entwicklungsländern.
“There will always be uncertainty in understanding a system as complex as the world’s
climate. However, there is now strong evidence that significant global warming is
occurring. […] The scientific understanding of climate change is now sufficiently clear to
justify nations taking prompt action."94
Der erste Bericht des IPCC95
beschrieb den Klimawandel als ein vor allem anthropogen
verursachtes Phänomen, mit verheerenden Folgen für die Menschheit und das
Zusammenleben auf dem Planeten. Die Aufforderung des IPCC zu einer globalen Antwort
auf den Klimawandel hatte schließlich die Errichtung des internationalen
Verhandlungsrahmens zum Klimaschutz zur Folge, die United Nations Comvention on
Climate Change (UNFCCC).
Unterzeichnet 1992 auf der Weltkonferenz im brasilianischen Rio de Janeiro trat die
Konvention zum Klimawandel im März 1994 in Kraft.96
Doch bereits kurz darauf stellte
sich der nicht-bindende Charakter dieses Abkommens als unzureichend heraus, um das
Ziel einer Stabilisierung der THG-Emissionen in der Atmosphäre zu erreichen, “at a level
that would prevent dangerous anthropogenic interference with the climate system.”97
Auf der COP I in Berlin einigten sich die Vertragsstaaten daher 1995 auf die Stärkung der
94 Joint academies' statement: Global response to climate change, Academia Brasiliera de Ciencias-
Brazil, Royal Society of Canada, Chinese Academy of Sciences, Academie des Sciences-France, Deutsche Akademie der Naturforscher-Germany, Indian National Science Academy, Accademia dei
Lincei-Italy, Science Council of Japan, Russian Academiy of Sciences, Royal Society-UK, National
Academy of Sciences-USA, July 2005.
< http://nationalacademies.org/onpi/06072005.pdf [2.3.2009] > 95 s. IPCC Website http://www.ipcc.org 96 Vgl. Gómez-Echeverri, L. 2000: S. 50f. 97 Artikel 2, Erklärung von Rio (United Nations 1992).
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
- 35 -
UNFCCC und die Aushandlung konkreter bindender Reduktionsziele.98
Die
Entwicklungsländer setzten sich letztlich damit durch, quantifizierbare Verringerungen
und Begrenzung der THG-Emissionen innerhalb eines konkreten Rahmens in den
Industrieländern zu erreichen.99
“Contrary to the history of typical developing country engagement in international
environmental affairs, their participation in climate negotiations was quite spirited and
constructive.”100
Die UNFCCC wurde nicht nur mit dem Mandat ausgestattet, Verhandlungsziele zu
verfolgen, die Konzentration von THG-Emissionen in der Atmosphäre auf einem für das
menschliche Zusammenleben sicheren Niveau zu stabilisieren, sondern teilte die Länder
auch in zwei sehr unterschiedliche Gruppen ein: industrialisierte Staaten mit der
historischen Verantwortung für den Klimawandel (Annex 1) und eine große Gruppe vor
allem aus Entwicklungsländern (nicht-Annex 1). Darin spiegelt sich auch der bereits im
ersten Kapitel dieser Arbeit konstatierte Nord-Süd-Gegensatz wieder. Nach dem Prinzip
der “common but differentiated responsibilities” liegt es in der Verantwortung der
Industrieländer, eine Führungsrolle bei der Verminderung von THG-Emissionen zu
erzielen. Die Verhandlungen wurden letztlich 1997 auf der COP 3 mit dem
Zustandekommen des Kyoto-Protokolls zu einem vorerst erfolgreichen Abschluss
gebracht, in dem die Annex-1-Länder sich innerhalb der ersten Verpflichtungsperiode
zwischen 2008 und 2012 zu messbaren, und bindenden Reduktionszielen verpflichten.101
Das Kyoto-Protokoll trat am 16. Februar 2005 mit der Unterzeichnung der dafür
notwendigen Staaten in Kraft und nachdem man sich in Marrakesh auch auf die konkreten
Mechanismen einigen konnte (“Marrakesh Accords”) – beschrieben als „break through for
implementation of the Kyoto Protocol and the flexibility mechanisms.”102
Zwar verständigten sich die Vertragsstaaten in Bali auf einen Fahrplan hin zu einem
Nachfolgeabkommen 2009 in Kopenhagen (Bali Action Plan, BAP), doch war auch das
98 Müller-Pelzer 2004, S.8. 99 Siehe Berlin-Mandat als Ergebnis der COP 1 1995. 100 Gómez-Echeverri 2000: S. 50. 101 Insgesamt einigte man sich auf eine Reduktion der THG von durchschnittlich 5.2% im Vergleich
zum Basisjahr 1990. Das bezieht sich auf die sechs so ngenannten „Kyoto-Gase“: carbon dioxide
(CO2), methane (CH4), nitrous oxide (N20), hydroflourcarbons (HFCs), perflourcarbons (PFCs), sulphur
hexafluoride. (Annex A, Kyoto Protokoll). 102 Müller-Pelzer, F. 2004, p.11.
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
- 36 -
Treffen 2008 in Posen noch von grundsätzlichen Differenzen zwischen Industrie- und
Entwicklungsländern geprägt. Wurden die EL im Rahmen von Kyoto bisher nur mit
freiwilligen Verpflichtungen in das Klimaabkommen integriert, ist die Frage nach
konkreten Verpflichtungen dieser Länder nun zentral:
“But the questions of fairness, and how they are addressed within the framework of the
evolving climate change regime, will determine the stage at which developing countries
will join the industrialized countries.”103
Nach Angaben des IPCC sind Emissionsreduktionen zwischen 25 und 40 Prozent in
Industrieländern und zusätzlich eine substantielle Verringerung des Anstiegs der THG-
Emissionen in Entwicklungsländern nötig, um gefährliche Folgen des Klimawandels zu
vermeiden.104
Dabei steht auch die Frage einer gerechten Verteilung der Lasten im
Vordergrund der Verhandlungen – eingebettet in einen zum Teil polarisierten Nord-Süd-
Gegensatz und die Gegenüberstellung von Entwicklungs- und Industrieländern. „The
global debate on equity in climate change policy has been engaged since the UNFCCC was
crafted.”105
Der Transfer von Technologien ist dabei ein Hauptanliegen der EL. Sie
machen in den Verhandlungen immer wieder darauf aufmerksam, dass sie diese als am
stärksten von den Folgen des Klimawandels betroffenen Staaten sowohl für die Anpassung
an den Klimawandel, als auch zur Verringerung ihrer THG-Emissionen benötigen.106
“[D]eveloping countries need international assistance to support adaptation in the context
of national planning for sustainable development, more capacity building and transfer of
technology and funds.”107
Im Folgenden soll es darum gehen, das konkrete Fallbeispiel in den Kontext der
theoretischen Vorüberlegungen zu stellen und das im ersten Teil dargestellte
Analysemuster auf die Verhandlungen zum Klimaschutz anzuwenden und die Identität,
Interessenlagen und Institutionalisierung der Entwicklungsländer zu identifizieren.
103 Gómez-Echeverri, L. 2000: p. 61. 104 4th Assessment Report des IPCC < http://www.ipcc.org [2.4.2009] > 105 Silayan, A. 2005, p.19. 106 Laut UNFCCC erwartet die Menschen in Entwicklungsländern “shortages of water and food and
greater risks to health and life as a result of climate change. […] By 2030 developing countries will
require USD 28-67 billion in funds to enable adaptation to climate change. […] Developing countries
are the most vulnerable to climate change impacts because they have fewer resources to adapt:
socially, technologically and financially.” (UNFCCC 2008: S. 5) 107 UNFCCC 2008: S. 6.
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
- 37 -
2.3.1.2 Regime zum Technologietransfer als Anliegen der EL
Kooperation steht im Mittelpunkt internationaler Regime. Betrachten wir die
Möglichkeiten zur Etablierung eines internationalen Regimes zum Technologietransfer, so
lassen sich aus den allgemeinen Anmerkungen im theoretischen Teil dieser Arbeit
folgende Thesen ableiten.
1. Akteure kooperieren, um für sich selbst absolute Gewinne zu erzielen. Ein
funktionierendes Regime zum Technologietransfer von Industrie- in
Entwicklungsländer bedeutet zumindest die Möglichkeit zur vorteilhaften
Teilhabe aller EL in diesem Regime. Die Erfahrungen beim Clean Development
Mechanism zur regionalen Verteilung der Projekte zeigen allerdings auch, dass
ein für alle Entwicklungsländer potentiell möglicher Technologietransfer auch
nicht zwangsläufig in allen Ländern erfolgreich verlaufen muss.
2. Die Kooperationsfähigkeit wird gefördert durch bereits existierende Regime, die
die Chance auf gegenseitige Kooperationsgewinne durch regimekonformes
Verhalten und das Maß an Erwartungsverlässlichkeit erhöhen. Dies trifft auf ein
mögliches Regime zum Technologietransfer auf zweierlei Ebenen zu. Einerseits
existiert mit der UNFCCC ein robuster und von der Mehrzahl der verhandelnden
Staaten akzeptierter Verhandlungsrahmen, der dem Thema des
Technologietransfers ein Forum bietet, es in den Aushandlungsprozess um ein
Klimaschutzabkommen integriert und mit anderen Themengebieten verknüpft.
Darüber hinaus wurden im Rahmen des CDM bereits jetzt Erfahrungen
dahingehend gemacht, wie und in welchem Maße klimafreundliche Technologien
in Entwicklungsländern implementiert werden können, mit welchen Hindernissen
sie dabei konfrontiert sind und welche Chancen sie bieten.
Macht-Asymmetrien wirken zumindest dann förderlich, wenn durch die stärkeren Akteure
den schwächeren Gewinne und Belohnungen in Aussicht gestellt werden. Innerhalb der G
77 herrschen starke Machtasymmetrien, da Transformationsländer wie China oder
Südafrika die Verhandlungsführung dominieren, ein gemeinsames Abkommen zum
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
- 38 -
Technologietransfer jedoch auch den weniger und am wenigsten entwickelten Ländern
zugute kommt, die ein solches Abkommen aus ihrer schwachen Verhandlungsposition
heraus nicht hätten durchsetzen können.
Damit sind zumindest theoretisch die Grundbedingungen für eine Kooperation der
Entwicklungsländer untereinander gegeben, um das Ziel eines internationalen Regimes
zum Technologietransfer gemeinsam voranzutreiben. Der Transfer und die Diffusion von
Technologien sind für die Entwicklungsländer nicht nur im Rahmen der
Klimaverhandlungen von Relevanz. Zu Gebieten wie der Trinkwasserversorgung und
Biotechnologie werden seitens der G 77 Konferenzen abgehalten, um die Kooperation
untereinander zu stärken und Forderungen an die entwickelten Länder zu formulieren.108
“The Group of 77 is fully conscious of the importance of science and technology for the
advancement of developing nations — and particularly the least developed countries (LDC),
mostly from Africa. […]We in the developing world cannot afford to be left behind in the
race for technology.”109
Auf den Verhandlungen treten die EL zunehmend selbstbewusst mit der Forderung auf,
Transfer und Diffusion klimafreundlicher Technologien zu erleichtern – etwa 2007 in Bali:
„In der engagiert geführten Debatte brachte es die ugandische Umweltministerin deutlich
auf den Punkt. Sie sieht in ihrem Land gerade in der Nutzung von Solarenergie eine riesige
Chance, hält sie bei den derzeitigen Preisen aber für unmöglich. […] Die Ministerin von
Barbados pflichtete ihr bei und unterstrich, der Aufbau von Produktionskapazitäten in
diesen Ländern sei essentiell. Hierzu müssen die Industrieländer bereit sein Technologien
und Lizenzen zu gewähren, damit das Know How bereitgestellt werden kann.“110
Im Folgenden werden die relevanten Akteure und Interessen untersucht.
2.3.1.3 Akteure und Interessenkonstellation
Um Aussagen zu den Durchsetzungsdefiziten und Druckpotentialen der G 77 als Akteur in
den internationalen Klimaverhandlungen treffen zu können, soll zunächst deren
108 Vgl. Journal of the Group of 77, Vol. 15/2 2002 < g77.org/nc/journal/G77-April-July-2002.pdf
[7.3.2009] > 109 Nassir Abdulaziz Al-Nasser, Vorsitzender der G 77 2004 in: Journal of the Group of 77, Vol. 17/2
2004 < http://g77.org/nc/journal/G77-Fall-2004.pdf [7.3.2009] > 110 Vgl. Dobelmann, Jan Kai 2007: UN Klimakonfrenz Bali: Vierter Tag der Berichterstattung.
< http://www.energieportal24.de/artikel_2638.htm [7.3.2009] >
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
- 39 -
Positionierung im konkreten Fall des Technologietransfers herausgearbeitet werden.
Hierbei wird insbesondere auf die allgemeine Akteurskonstellation mit den dabei
vorherrschenden Interessengegensätzen sowie auf die Integration des Problemfeldes in
die allgemeinen Klimaschutzverhandlungen eingegangen. Technologietransfer spielt mit
seiner Bedeutung für die Entwicklung eines Landes für die EL nicht nur beim Klimaschutz
eine zentrale Rolle.
“The acquisition and diffusion of knowledge or technology are of great importance for
economic development, as the adoption of new techniques, machines and production
processes is a key determinant of productivity growth.”111
Im Kontext der internationalen Klimaschutzverhandlungen stellt der Technologietransfer
kein neues Thema dar – seit 1991 stellt es für die EL eines der zentralen Themen der
Verhandlungen dar.112
Zwar sind die industrialisierten Staaten historisch noch immer für
den Großteil der THG-Emissionen verantwortlich, doch tragen auch Entwicklungsländer
mehr und mehr zum Klimawandel bei. „The rapid development and deployment of low-
carbon technologies is vital to climate change mitigation.”113
Eine Möglichkeit zur
Minderung der Emissionen in den EL bietet der Transfer klimafreundlicher
Technologien.114
“Access to existing technologies and technological innovations is commonly seen as a
prerequisite for the reduction of emissions in developing countries.”115
Nachhaltiges wirtschaftliches Wachstum wird klimafreundlich in den Entwicklungsländern
nur möglich sein, wenn sie dabei durch entsprechende Technologien unterstützt
werden.116
Dieser Argumentation folgen zum großen Teil auch die industrialisierten
Staaten, die die Bedeutung klimafreundlicher Technologien anerkennen.117
Während die Verhandlungen im Rahmen der UNFCCC von den Staaten geführt werden, ist
klar, dass der tatsächliche Beitrag zum Technologietransfer vom privaten Sektor kommen
111 Hoekman#n / Javorcik 2006: S. 1. 112 Vgl. Gómez-Echeverri, L. 2000. 113 UNDP 2007: S. 12. 114Vgl. IEA 2008. 115 Schneider/Holzer/Hoffmann 2008: p. 2920. 116 Vgl. PCC 2000, Summary for Policymakers: p. 3. 117 The EU comes to the conclusion, that “deep emission reductions can be achieved by employing a
broad range of currently available technologies and technologies that are expected to be
commercialised in coming decades.” (EU Climate Change Expert Group 2008: p. 4.)
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
- 40 -
wird – als wichtigste Quelle neuer und klimafreundlicher Technologien.118
Dabei gibt es
verschiedene Formen des Technologietransfers, auf die im Rahmen dieser Ausarbeitung
nicht näher eingegangen wird.119
Eine Form stellt die schlichte Übertragung der
Technologien dar, eine weitere die Lizenzierung und Ermöglichung zur Produktion dieser
Technologien in den Entwicklungsländern selbst. Die dritte und weitreichendste Form
bedeutet die Unterstützung der EL dabei, die Technologien selbst und unabhängig von
anderen Rechteinhabern zu entwickeln und herzustellen. Der IPCC hat in seinem Special
Report on Methodological and Technological Issues in Technology Transfer den
Technologietransfer definiert als
“a broad set of processes covering the flows of know-how, experience and equipment for
mitigating and adapting to climate change amongst different stakeholders such as
governments, private sector entities, financial institutions, non-governmental
organizations (NGOs) and research/education institutions. [Technology transfer] comprises
the process of learning to understand, utilize and replicate the technology, including the
capacity to choose it and adapt it to local conditions and integravvvte it with indigenous
technologies.”120
Die im Rahmen der UNFCCC verhandelten und diskutierten Positionen zum
Technologietransfer sind komplex, vielschichtig und oft sehr unterschiedlich. Sie in ihrer
Breite wiedergeben zu wollen, würde den Rahmen dieser Ausarbeitung sprengen. Daher
soll an dieser Stelle nur auf die wesentlichen Konfliktlinien und Standpunkte eingegangen
werden. Deutlich wurden die elementaren Unterschiede vor allem zwischen
Entwicklungs- und Industrie auch bei der Diskussion zu einer „Shared Vision“ auf der COP
14 in Posen.121
Die Entwicklungsländer haben ihre Vorstellung eines Regimes zum Technologietransfer
als G 77 in einem Vorschlag zur COP 14 Ende 2008 in Posen vorgelegt.122
Darin wird
deutlich, dass der Transfer klimafreundlicher Technologien als Grundbedingung für eine
nachhaltige Entwicklung gesehen wird, für effektive Anpassungsmaßnahmen unabdingbar
118 Stern, Nicholas 2006: The Economics of Climate Change: Stern-Review. < http://www.hm-treasury.gov.uk/stern_review_final_report.htm [7.3.2009]> 119 Vgl. UNDP 2007. 120 IPCC 2000, Summary for Policymakers, S. 3. 121 Reden und Dokumente unter
http://copportal1.man.Posen.pl/Archive.aspx?EventID=26&Lang=english 122 Vgl. Proposal by the G77 & China for A Technology Mechanism under the UNFCCC (2008) im
Anhang.
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
- 41 -
ist und nur dadurch Minderungen bei den THG-Emissionen erreicht werden können. Die G
77 drängt auf eine stark institutionalisierte Form des Technologietransfers im Rahmen
der UNFCCC und geht dabei von einem umfassenden Begriff aus, der über Forschung,
Entwicklung und Demonstration hinaus ebenso die Herstellung, Kommerzialisierung,
Verbreitung und Diffusion der Technologien umfasst. Ein neues und gegenüber der COP
verantwortliches „Executive Board on Technology“ soll einen starken institutionellen
Rahmen bieten. Maßnahmen zum Technologietransfer sollen durch einen „Multilateral
Climate Technology Fund“ finanziert werden.123
Für die Entwicklungsländer spielt die
Ausweitung und Vertiefung des Technologietransfers im Rahmen der Klimaverhandlungen
damit eine zentrale Rolle – darauf wird im Rahmen dieser Ausarbeitung noch genauer
einzugehen sein. Im Verhandlungsgefüge stehen sie jedoch den Interessen der
Industriestaaten gegenüber. Ebenso spielen der private Sektor als Hauptquelle für
klimafreundliche Technologien sowie Nichtregierungsorganisationen in den
Verhandlungen eine Rolle.
Im Fokus der Argumentation der Industrienationen stehen insbesondere die Hindernisse
zum Technologietransfer und die nationalen politischen, ökonomischen und sozialen
Hürden innerhalb der Entwicklungsländer. Diese werden auch vom IPCC identifiziert.
“These barriers range from lack of information; insufficient human capabilities; political
and economic barriers such as lack of capital, high transaction costs, lack of full cost
pricing, and trade and policy barriers; lack of understanding of local needs; business
limitations, such as risk aversion in financial institutions; and institutional limitations such
as insufficient legal protection, and inadequate environmental codes and standards.” 124
Schneider et al. 2008 haben im Wesentlichen drei Hindernisse zum Technologeitransfer
herausgearbeitet, die stark mit den institutionellen Rahmenbedingungen des
entsprechenden Landes verbunden sind125
: hohe Investitionskosten in den
Entwicklungsländern, fehlende Informationen zur Anwendbarkeit sowie ein mangelhafter
Zugang zu Kapitalquellen. Für die Industriestaaten steht darüber hinaus die Frage nach
dem Schutz von Urheberrechten (IPR) im Mittelpunkt der Verhandlungen. “The
intellectual property (IP) system provides the regularity framework where most
123 Zur Ausgestaltung des Regimes s. auch das Papier der G 77 / China im Anhang dieser
Ausarbeitung. 124 IPCC 2000, Summary for Policymakers, S. 3. 125 Schneider et al. 2008: S. 2921f.
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
- 42 -
commercially valuable technologies work and get developed.”126 Nach einer ICTSD spielt
IPR dabei eine je nach Sektor und betroffener Technologie unterschiedliche Rolle und
kann den Prozess des Transfers von Technologien sogar unterstützen, wenn es klare
Rahmenbedingungen liefert.
“Absent intellectual property rights, firms would be less willing to engage in technology
transactions. Patents and trade secrets provide a legal basis for revealing the proprietary
characteristics of technologies to subsidiaries and licensees, supporting the formation of
licensing contracts.”127
Die EU drängt ebenso wie die USA darauf, auch Anstrengungen zur Förderung
klimafreundlicher Technologien auch außerhalb des Rahmens der UNFCCC zu
berücksichtigen und setzt dabei insbesondere auf freiwillige Abkommen zur Kooperation
beim Technologietransfer.128 Im Gegenzug werden die Entwicklungsländer dazu
verpflichtet, investitionsfreundliche Rahmenbedingungen zu schaffen, nationale
Hemmnisse abzubauen und die rechtlichen Grundlagen zum Schutz geistigen Eigentums
zu schaffen. Transformationsländer müssen angesichts ihrer wirtschaftlichen Stärke
darüber hinaus auch selbst einen Beitrag zum Technologietransfer leisten.
Auf die Rolle nichtstaatlicher Akteure kann in diesem Zusammenhang nur marginal
eingegangen werden. Sie spielen dennoch eine gerade für die Position der nur schwach in
die Verhandlungen integrierten Entwicklungsländer eine bedeutende Rolle.129 Sie üben
sowohl innerhalb, als auch außerhalb der Konferenzen Druck auf die
verhandlungsführenden Parteien aus und stehen in engem Austausch mit den
Entwicklungsländern, wenn es um die Verbreitung von Informationen und Abstimmung
von Verhandlungspositionen geht. Dabei werden Umweltschutz und Entwicklung oft als
miteinander verbundene Themen betrachtet.
Development NGOs often share goals and cooperate with environmental NGOs, while still
others bridge environment and development issues and view the missions of environmental
protection, poverty alleviation and sustainable development as interdependent.130
126 Ricardo Miléndez-Ortiz in Barton, J. 2007: S. vii. 127 Hoekmann / Javorcik 2006: S. 18. 128 Vgl. Equitywatch 2008 (http://www.cseindia.org/equitywatch/technology_transfer.html [2.4.2009]) 129 Vgl. zur Bedeutung der NGOs Raustiala / Bridgeman 2007. 130 Raustiala / Bridgeman 2007: S. 7.
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
- 43 -
Darüber hinaus spielen auch Business-NGOs (BINGOs) eine Rolle, in denen sich auch die
Interessen des privaten Sektors widerspiegeln.
Für die Akteure des privaten Sektors sind der Schutz ihres geistigen Eigentums und
sowohl politisch, als auch wirtschaftlich gesicherte und planbare Rahmenbedingungen,
Rechtssicherheit und der Zugang zu den entsprechenden Märkten entscheidende Faktoren
zum erfolgreichen Technologietransfer.131
„Most transfer of technology occurs in the
private sector.”132
Die Wege können dabei sowohl marktbasierend (trade, foreign direct
investment, technology licensing) als auch informell informal (Imitation und Mobilität
technischen Personals) sein.
Sowohl Industrie- als auch Entwicklungsländer sind sich der großen Bedeutung des
Technologietransfers beim Zustandekommen eines Nachfolgeabkommens für Kyoto
bewusst. Damit nimmt das Thema eine Schlüsselposition in den Verhandlungen ein. Im
Bali Action Plan wird der Technologietransfer als einer von vier zentralen Blöcken eines
zukünftigen Klimaschutzregimes definiert. Demnach sollen die nationalen Anstrengungen
der Entwicklungsländer durch den Transfer entsprechender Technologien ermöglicht und
unterstützt werden (paragraph 1 (b) (ii) sowie 1 (d)).
Der Clean Development Mechanism stellt eine bereits jetzt implementierte und bis zu
einem gewissen Maße institutionalisierte Form des Technologietransfers dar.
Industriestaaten haben dadurch die Möglichkeit durch die Minderung von THG-Emissionen
in Transformations- und Entwicklungsländern einen Beitrag zu den eigenen
Verpflichtungszielen zu leisten. Dabei wird ein konkreter Preis pro eingesparter Tonne
CO2(-Eqivalent) gezahlt, wodurch der CDM zu einem Marktmechanismus wird, der
Technologien vor allem dort fördert, wo große Mengen an THG ausgestoßen werden.
Erfahrungen aus dem CDM spielen auch in den jetzigen Verhandlungen eine Rolle.
“It is imperative to focus on strengthening the CDM mechanism on the basis of hard-
learned lessons. Discarding it at this stage to start a new learning process from scratch
would first require that the parties be brought on common starting line, and then, they re-
negotiate the whole process. This will take time which is nothing short of a luxury
now.”133
131 Vgl. zur Bedeutung des privaten Sektors ICTSD 2008. 132 ICTSD 2008: S. 2. 133 TERI 2008: S. 9.
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
- 44 -
Die abschließende Darstellung gibt noch einmal die Einbindung des Themas
Technologietransfer in die Verhandlungen um ein post-2012-Klimaschutzabkommen sowie
die Interessengegensätzen in diesem Bereich wieder.
Sowohl in der Abschlusserklärung zur UNFCCC, als auch im Kyoto-Protokoll wird die
Bedeutung des Technologietransfers als wirkungsvolle Maßnahme zur Bekämpfung des
Klimawandels deutlich. Artikel 4.1 der Konvention fordert alle Vertragsparteien dazu auf,
“to promote and cooperate in the development, application and diffusion, including
transfer, of technologies, practices and processes that control, reduce or prevent
Schutz geistigen Eigentums, IPR THG-Minderung in EL
Bedeutung politischer, sozialer, wirtschaftlicher Strukturen in EL
Freiwillige Kooperation
Technologietransfer
Institutionalisierung TT in UNFCCC Recht auf Entwicklung
THG-Minderung + Anpassung in EL Capacitiy Building in EL gefordert
Emissions-
handel
Joint Imple-
mentation Compliance /
Verification
Konkrete Verpflichtungen
der EL
Nationale
Besonderheiten Maßnahmen
zur Anpassung
Finanzielle
Unterstützung
Gemeinsame, aber differenzierte Verantwortung
Prioritäten der Industrieländer
Prioritäten der Entwicklungsländer
Unternehmen
NGOs
Abb. 3: Akteurskonstellation und Interessen zum Technologietransfer
Eigene Darstellung
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
- 45 -
anthropogenic emissions of greenhouse gases not controlled by the Montreal Protocol in all
relevant sectors, including the energy, transport, industry, agriculture, forestry and waste
management sectors […]”134
Artikel 4.5 des Kyoto-Protokolls ruft darüber hinaus dazu auf, dass Industriestaaten
“shall take all practicable steps to promote, facilitate and finance, as appropriate, the
transfer of, or access to, environmentally sound technologies and know-how to other
Parties, particularly developing country Parties, to enable them to implement the
provisions of the Convention.”135
2.3.1.4 Identität, Interessen und Institutionalisierung der EL
Aufbauend auf dem im ersten Kapitel dieser Arbeit dargestellten Analyserahmen zur
gemeinsamen Interessenlage der Entwicklungsländer in internationalen Verhandlungen
wird nun auf die Klimaverhandlungen der post-Kyoto-Phase eingegangen. Dabei werden
erneut Interessen (1), Identität (2) und Institutionalisierung (3) der EL in diesem Feld
untersucht.
(1) Geleitet werden die Verhandlungen aus Perspektive der Entwicklungsländer durch vier
zum Teil normativ ausgerichtete Interessen136
:
1. EL machen die entwickelten Staaten mit der Betonung der historische Dimension
ihrer Treibhausgasemissionen für den Klimawandel hauptverantwortlich. Mit
dem Verweis auf die Asymmetrie ökologischer Interdependenz fordern die EL
stärkere Verpflichtungen seitens der IL (gemeinsame, aber unterschiedliche
Verantwortung).
2. Maßnahmen gegen den Klimawandel dürfen aus Sicht der EL nicht das Recht auf
Entwicklung gefährden. Um dies möglichst umweltverträglich zu gestalten
benötigen sie Unterstützung durch die IL (nachhaltige Entwicklung).
3. Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel und zur Minderung von
Treibhausgasemissionen können in den EL nur implementiert werden, wenn
diese finanziell unterstützt werden (zusätzliche Finanzierungsmechanismen).
134 UNFCCC, Artikel 4. 135 Kyoto Protokoll, Artikel 4. 136 Vgl. zu den Interessen der EL: Gómez-Echeverri, L. 2000
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
- 46 -
4. Die EL fordern die Unterstützung durch die IL beim Auf- und Ausbau
klimafreundlicher Technologien im eigenen Land (Technologietransfer).
(2) EL setzen auch in den Klimaverhandlungen auf eine gemeinsame Positionierung
gegenüber den Industrieländern. Unter dem Leitgedanken der Gleichheit verteidigen sie
ihr Recht auf Entwicklung. Damit verbunden sind dann auch die sich in den Interessen
artikulierenden Forderungen nach stärkeren Verpflichtungen seitens der Industrieländer,
die die historische Verantwortung für den Klimawandel tragen. Als zweites Prinzip gilt die
extreme und überproportionale Verwundbarkeit oder Anfälligkeit der EL gegenüber den
Folgen des Klimawandels. „Within the scientific community there is consensus that
developing countries are more vulnerable than developed countries to changing climate
conditions.“137
Dies wurde auch durch den vierten Assessment Report des IPCC bestätigt.
(3) Im Verhandlungsgefüge der UNFCCC kommt der Gruppe der 77 eine die Positionen
der Entwicklungsländer koordinierende Rolle zu. Als zentrales Element zur Formulierung
einer gemeinsamen Position tritt die Gruppe in den Verhandlungen auf.138
In ihr spiegeln
sich die oben dargestellten Interessen der Entwicklungsländer bei den
Klimaverhandlungen wieder.
„G-77 unity is seen to be a function of the shared goals of all countries, which include: a
development-centered approach to climate change; the recognition of common but
differentiated responsibility as a guiding principle; an equal voice in all aspects of
international affairs; technology transfer; and additional resources for environmental
programs.“139
Die G 77 verfolg als Koalition per Definition den Zugang zu kollektiven Güter für die
einzelnen Mitgliedsstaaten – dieses kollektive Gut besitzt dabei zwei Charakteristika:
„First, if the common goal is achieved all who share the goal automatically benefit; and,
secondly, if the goal is made available to any one member of the group it can be made
available to others at little or no marginal cost.“140
Die abschließende Abbildung zeigt noch einmal die Dimensionen der Identität,
Interessenlage und Institutionalisierung der EL in den Klimaverhandlungen der UNFCCC.
137 Williams, M. 2005: S. 61. 138 Vgl. Oberthür und Ott 1999, S. 24. 139 Barnett 2008: S. 5. 140 Williams 1991: S. 8 / Vgl. Olson 1968: The Logic of Collective Action. Schoken Books, New York.
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
- 47 -
Welche internen Aushandlungsprozesse und Positionen innerhalb der G 77 dabei eine
Rolle spielen soll im nächsten Kapitel genauer untersucht werden. Die hier dargestellten
gemeinsamen Interessen sollen jedoch nicht über das Konfliktpotential innerhalb der G
77 hinwegtäuschen. Die Konfliktlinien zeichnen sich vor allem entlang des Grades der
Entwicklung, dem Zugang zu bestimmten Energiequellen und der Anfälligkeit für die
Folgen des Klimawandels ab. Auch darauf wird bei der Untersuchung der Konstellationen
innerhalb der G 77 einzugehen sein.
2.3.2 Die G 77 als Sprachrohr der Entwicklungsländer?
Vor einer Betrachtung der G 77 als eigenständiger Akteur in den internationalen
Klimaverhandlungen soll ein Blick auf die gruppeninternen Dynamiken geworfen und
sollen Konfliktlinien innerhalb dieses losen Zusammenschlusses der Entwicklungsländer
Verhandlungen innerhalb der UNFCCC
Institutionalisierung
Verhandlung als Gruppe der 77
Gemeinsame Interessen der EL
historische Verantwortung der IL nachhaltige Entwicklung
zusätzliche Finanzierungsmechanismen Technologietransfer
Gemeinsame Identität / „set of ideas“
Gleichheit und Abgrenzung gegenüber den IL hohe Anfälligkeit gegenüber dem Klimawandel
Abb. 4: Interessen, Identität und Institutionalisierung der EL
Eigene Darstellung
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
- 48 -
aufgezeigt werden. Die allgemeinen Aussagen werden dabei durch die Ergebnisse einer
aus 33 Ländern bestehenden Stichprobe ergänzt, die das breite Spektrum der G 77
abzudecken versucht.
2.3.2.1 Hintergrund, Organisation & polit. Bedeutung der G 77
Die Gruppe der G 77 entstand 1964 auf der Genfer Konferenz zu Handel und Entwicklung
(UNCTAD).141
Sie ist die größte Gruppe der Entwicklungsländer im System der Vereinten
Nationen und dient der Bündelung von Kapazitäten in internationalen Verhandlungen, der
Artikulation der vor allem wirtschaftspolitischen Interessen ihrer Mitgliedsstaaten sowie
der Förderung von Süd-Süd-Kooperationen. Benannt nach der anfänglichen Anzahl ihrer
Mitglieder hat sie sich in der Zwischenzeit als Vertreterin der Positionen von mehr als 133
Entwicklungs- und Transformationsländern entwickelt und als Sprachrohr dieser Länder
insbesondere in Fragen der wirtschaftlichen Entwicklung etabliert. Ein jährlich nach den
Regionen Afrika, Lateinamerika und Asien wechselnder Koordinator steht als höchste
politische Institution der G 77 als Sprecher der Gruppe vor, die von einem
Lenkungsausschuss der „Gruppe der 27“ koordiniert wird. Daneben existieren weitere
Unterausschüsse.142
„Zu den Mitgliedern der Gruppe der 77 zählen Länder mit unterschiedlicher Größe,
Bevölkerung und unterschiedlichem Bruttoinlandsprodukt, doch eint sie zumeist eine
gewisse Skepsis, z.T. auch Gegnerschaft, zu den Positionen der entwickelten Welt des
‚Nordens’.“143
Im Verhandlungssystem der VN stellt die G 77 eine regionale Gruppierung im weiteren
Sinne dar, da sie einen politischen Zusammenschluss aus Ländern mit weitgehend
gleichgerichteten Interessen darstellt, „denen an einem gemeinsamen Auftreten
innerhalb der Vereinten Nationen gelegen ist.“144
Als Regionalgruppen im engeren, bzw.
im eigentlichen Sinne werden hingegen Zweckbündnisse zur Organisation der Sitz- und
Ämterverteilung verstanden, die sich je nach ihrer geographischen Lage
141 United Nations Conference on Trade and Development. Diese Organisation ist ein ständiges Organ
der Generalversammlung der VN. Ihr Ziel ist es, Impulse für die Zusammenarbeit zwischen Industrie-
und Entwicklungs- bzw. Transformationsländern zu geben (vgl. www.unctad.org). 142 Vgl. hierzu Winter / Merai 2007: S. 4. 143 Schorlemer 2005: S. 28. 144 Schorlemer 2005: S. 27.
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
- 49 -
zusammenschließen.145
Ziel und Hintergrund der G 77 ist ihr Anliegen zur grundlegenden
Reformierung des Weltwirtschaftssystems und der Bekämpfung weltweiter Armut. Dies
wird bereits aus der Gründungserklärung des Zusammenschlusses vom 25. Juni 1964
deutlich:
„The United Nations Conference on Trade and Development marks the beginning of a new
era of the evolution of international cooperation in the field of trade and development.
Such cooperation must serve as a decisive instrument for ending the division of the world
into areas of affluence and intolerable poverty. This task is the outstanding challenge of
our times. The injustice and neglect of centuries need to be redressed. The developing
countries are united in their resolve to continue the quest for such redress and look to the
entire international community for understanding and support in this endeavour.“146
Die Gruppe der 77 konzentriert sich insbesondere auf fünf sozio-ökonomische
Themenfelder147
: die Bekämpfung der Armut, den Erlass von Schulden für
Entwicklungsländer, den Ausbau der Entwicklungszusammenarbeit, Umweltschutz und die
Neustrukturierung des internationalen Wirtschafts- und Finanzsystems. Seit ihrer
Gründung nimmt die G 77 „eine aktive Rolle im Hinblick auf die Wirtschaftsinteressen der
Entwicklungsländer ein.“148
Die Ergebnisse des Weltgipfels von Rio 1992 mit dem
Aktionsplan einer „Agenda 21“ werden auch als Verhandlungserfolg der G 77 betrachtet.
Die fundamentale Funktion der Bündnisbildung in den VN ist die Stärkung der politischen
Einflussnahme und die gemeinsame Koordination bei Abstimmungen.149
„This group has remained the main advocate of developing countries within the UN system
[…], and is together with the non-aligned movement (NAM) the most important
institutional expression of the interests and views of the ‘‘South’’ in the current
international system.”150
Darin liegt auch die Hauptaufgabe der G 77. Aus ihrem Selbstverständnis heraus
übernimmt sie eine Koordinierungsfunktion für die Entwicklungsländer,
145 Hierzu zählen die Gruppe der afrikanischen (53), der asiatischen (54), der lateinamerikanischen
und karibischen (33), der osteuropäischen (21) und der westeuropäischen Staaten (28). Vgl. hierzu auch Schorlemer 2005. 146 Genesis of the Group of 77, B. Joint Declaration at conclusion of UNCTAD I, Artikel 10, 15 Juni
1964. 147 Vgl. hierzu Deen 2000: S. 6. 148 Deen 2000: S, 7. 149 Vgl. Winter / Merai 2007. 150 Kasa et. al 2007: S. 115.
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
- 50 -
„[…] to provide the means for the developing world to articulate and promote its
collective economic interests and enhance its joint negotiating capacity on all major
international economic issues in the United Nations system […].“151
Erfolge konnte die G 77 damit vor allem innerhalb der WTO und bei Konferenzen mit
sozioökonomischen Themen erzielen.152
Vergleichend soll darauf noch einmal in einem
abschließenden Kapitels dieser Arbeit eingegangen werden.
In den Klimaverhandlungen fungiert die G 77 seit Initiierung der Aushandlungen in diesem
Bereich zu Beginn der 90er Jahre als Koordinierungsinstrument zur Positionierung der
EL.153
Dabei versucht die G 77 immer wieder auch mit eigenen Initiativen Druck
aufzubauen und den Aushandlungsprozess aktiv mitzugestalten – etwa 2007 auf der COP
13 in Bali, als man die eigenen Hauptthemen auch in das Abschlussdokument, den BAP,
integrieren konnte (Technologietransfer, finanzielle Unterstützung der EL,
Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel).154
Darüber hinaus orientiert sich die
Argumentation an der historischen Verantwortung der Industrieländer und den damit
verbundenen Schlussfolgerungen des IPCC. Demnach müssen die Industrieländer ihre
THG-Emissionen bis 2020 um 25 bis 40 Prozent senken – und die Entwicklungsländer bei
ihren Anstrengungen unterstützen.155
Dieses gemeinsame Auftreten und die kollektive Positionierung gegenüber den
Industriestaaten täuscht jedoch auch nicht darüber hinweg, dass der Klimawandel als
solcher für viele EL nicht an oberster Stelle der Agenda steht. „Climate change is
regarded as a longer-term question, and there are several other urgent issues considered
to be more important — particularly poverty eradication.“156
Dies zeigt sich auch bei
einer empirischen Auswertung verschiedener Umweltminister und hoher Repräsentanten
auf der COP 14 im polnischen Posen, auf die im späteren Verlauf dieser Ausarbeitung
noch genauer eingegangen werden soll. Während einige Regierungsvertreter
selbstbewusst die Interessen des eigenen Landes in den Vordergrund stellten, assoziierten
sich andere Staaten deutlich mit den Positionen der G 77. Wiederum andere Nationen wie
151 Internetseite der G 77 < http://www.g77.org [2.4.2009] > 152 Vgl. Winter / Merai 2007: S. 7. 153 Vgl. Kasa et. al 2007: S. 116. 154 Vgl. Dobelmann, Jan Kai 2007: UN Klimakonfrenz Bali: Vierter Tag der Berichterstattung.
< http://www.energieportal24.de/artikel_2638.htm [2.2.2009] 155 IPCC 2007. 156 Kasa et. al 2007: S. 116.
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
- 51 -
Burundi oder Kuwait gaben überhaupt kein Statement ab – und wurden damit
ausschließlich von der G 77 vertreten. Die Wahrnehmung der Stärke der G 77 kann je
nach Perspektive sehr unterschiedlich sein. Obschon konkrete Erfolge der Gruppe bis
heute nur schwer zu konstatieren sind, kommen einige Autoren zu einer geradezu
euphorischen Bilanz der G 77.
„The Group of 77, representing the greatest coalition of humanity, remains today a vital
negotiating instrument to represent the interest of the South in economic multilateral
diplomacy and for ensuring international peace and justice through international
cooperation for development within the framework of the United Nations. […]The history
of the Group of 77 is identified by landmark achievements in every aspect of the United
Nations system.“157
Andere Autoren konstatieren eine sehr schwache Position der Gruppe in internationalen
Verhandlungssystemen. Die von den G 77 selbstgesteckten hohen Ziele konnte die
Organisation nicht durchsetzen.158
Die soll im Folgenden genauer am Beispiel der
Klimaverhandlungen untersucht werden. Zuvor jedoch wollen wir noch einmal einen Blick
in das Innere der Black Box G 77 werfen.
2.3.2.2 Akteure, Konflikte und Kooperation innerhalb der G 77
Die Gruppe der 77 – und dies wird nicht selten als eine Schwäche des Zusammenschlusses
interpretiert – ist auch dadurch gekennzeichnet, dass sie „kein monolithischer Block,
sondern ein ausdifferenziertes System unterschiedlicher Interessenwahrnehmung“
repräsentiert.159
In ihr spiegeln sich etwa die Interessen sowohl der verhältnismäßig
wohlhabenden OPEC-Staaten, als auch die der Least Developed Countries (LDCs) wieder.
Dies wurde auch bereits beim Zustandekommen des Kyoto-Protokolls mehr als deutlich.
„The tensions within the developing world over the topic [of the Kyoto Protocol] were
obvious. On the one hand, there were the oil producing countries, concerned about the
impact of actions to limit carbon dioxide on their economies; and on the other were the
island nations, vulnerable to sea level rise and storm surges. The sub-Saharan African
countries saw their interests as tied closely with the island nations because they, too, are
vulnerable to damaging impacts of global warming. The large developing countries such as
China, India, and Brazil felt that it would be unfair to expect them to take on any legally
157 P. J. Patterson, Jamaica, Vorsitz G 77; 2005. < http://mouradahmia.g77.org/foreword.html > 158 Vgl. zu dieser Position Schorlemer 2005. 159 Schorlemer 2005: S. 29.
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
- 52 -
binding commitments to limit their GHG emissions unless the industrialized countries, led
by the United States, took the initiative.”160
Die offensichtliche Heterogenität lässt die gleichzeitige Einheit der Gruppe im Kontext
der Klimaverhandlungen gewissermaßen irrational und paradox erscheinen. Dies lässt sich
unter anderem damit erklären, dass die G 77 auch in anderen Verhandlungen geschlossen
die Interessen der EL zu vertreten sucht und sich Uneinigkeiten im Rahmen der
Klimaverhandlungen nicht leisten kann.161
Dennoch existieren deutliche Konfliktlinien.
Das Spannungsverhältnis zwischen LDCs und den Transformationsländern innerhalb der G
77 wurde auch bei der Diskussion um das Abschlussdokument der Klimaverhandlungen von
Bali 2007 mehr als deutlich. Zwar wurde ein Text angenommen, der freiwillige
Reduktionsverpflichtungen auch seitens der EL fordert, doch scheiterte der Vorstoß
Bangladeschs, im Namen der Gruppe der LDCs eine Differenzierung innerhalb der EL in
den Text zu implementieren, am Widerstand von China und Indien.162
Hier werden
diametral gegensätzliche Interessen deutlich: Während die Transformationsländer ihre
wirtschaftliche Entwicklung im Vordergrund sehen, fordern LDCs stärkere Anstrengungen
zur Minderung der THG-Emissionen, um die Folgen des für sie gefährlichen Klimawandels
zu minimieren. Darüber finden sich in der Literatur jedoch kaum Informationen.
„Surprisingly little has been written about the internal dynamics of the G-77 given that it
is very heterogeneous, and that the politics of the negotiations is almost always
understood as being fundamentally driven by the North-South divide. What happens within
the G-77 is critical for the progress or otherwise of the climate regime, yet there is as yet
no totally convincing explanation of why the G-77 has been so unified for so long despite
widely and increasingly divergent interests among its members.“163
Die allgemein zu konstatierende Heterogenität der Entwicklungsländer wird immer
wieder als ausschlaggebend für die Schwäche dieser Länder in internationalen
Verhandlungen genannt. Doch ist im Kontext dieser Ausarbeitung nicht allein der Fakt
relativer Heterogenität von Relevanz, sondern inwieweit es der Gruppe gelingt,
gemeinsame Interessen zu formulieren und in die Verhandlungen einzubringen. „The
crucial issue concerns the determination of preferences.“164
Innerhalb der G 77 spiegeln
160 Gómez-Echeverri 2000: S 60. 161 Vgl. Najam 2005. 162 Vgl. Shamsuddoha / Chowdhury 2007. 163 Barnett 2008: S. 4. 164 Williams 2005: S. 55.
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
- 53 -
sich sehr unterschiedliche Positionen zum Klimawandel und zur Ausgestaltung eines
internationalen Klimaschutzregimes ab - etwa zwischen den am wenigsten entwickelten
Ländern und den Öl exportierenden Staaten.
„In the climate change negotiations, different positions are also starting to emerge. OPEC
want no mitigation of climate change; the small islands want strong action; countries like
Bolivia, with serious climatic concerns, but a possibility of obtaining payments in the Clean
Development Mechanism Market (CDM-CER) have mixed interests.“
Die Heterogenität der Gruppe wird ganz besonders bei der Betrachtung der
wirtschaftlichen Stärke und der Treibhausgasemissionen der Mitgliedsstaaten deutlich.
Während Länder wie Südafrika, Argentinien, Saudi-Arabien und andere OPEC-Staaten
sowie einige AOSIS-Staaten hohe Treibhausgasemissionen bei wirtschaftlicher Stärke
aufweisen, stellt sich die Situation auf pro-Kopf-Basis für die meisten LDCs, aber auch
Indien und China deutlich anders dar. Gleichzeitig sind Länder in der Gruppe die bei
hohen pro-Kopf-Emissionen eine geringe wirtschaftliche Entwicklung aufweisen und vice
versa.165
Dennoch bleibt die G 77 als Block gemeinsamer politischer Interessen bestehen,
da die Forderung nach Recht auf Entwicklung und die Achtung der Souveränität zwei alle
Mitglieder der G 77 einende Elemente darstellen.
„[W]hile common considerations for economic underdevelopment undoubtedly plays an
important role in keeping the G77 together, a main general source of solidarity within this
group is also to be found in their motivation to gain development and sovereignty
advantages from the international community expressed through their reliance on the
United Nations.“166
Innerhalb der G 77 lassen sich verschiedene Gruppen identifizieren, die im Folgenden
kurz dargestellt werden sollen. Die Gruppe der Transformationsländer (bestehend vor
allem aus China, Indien, Brasilien, Mexiko und Südafrika) eint ihr zunehmender
wirtschaftlicher und politischer Einfluss im internationalen System.167
Die Länder weisen
ein konstant hohes wirtschaftliches Wachstum auf und sind kaum noch auf bi- und
multilaterale Entwicklungszusammenarbeit angewiesen. Im Rahmen der UNFCCC hat die
Stärke dieser Länder zur Folge, dass diese zum Teil bilateral mit anderen Parteien
verhandeln und Absprachen treffen – unabhängig von den gemeinsamen Interessen der G
165 Vgl. Kasa et. al 2007: S. 117. 166 Kasa et. al 2007: S. 118. 167 Vgl. Kasa et. al 2007: S. 118f.
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
- 54 -
77.168
Dadurch verliert auch der Block der G 77 an Gewicht, wenn wirtschaftlich
entwickelte Länder mit relevanten THG-Emissionen außerhalb der G 77 verhandeln und
Abkommen schließen.
“[F]ighting against commitments within Kyoto through the G77 […] and enjoying the fruits
of their increasing global influence by participating in other agreements linking energy and
climate outside the formal negotiations seems to be the chosen ‘‘opportunistic’’ strategy
of China, India and Brazil at the moment.”169
Eine herausgehobene Rolle spielt dabei mit den höchsten Gesamt-THG-Emissionen, der
Bedeutung als wirtschaftlicher Supermacht und einem ständigen Sitz im Sicherheitsrat
der VN vor allem China. Zwar hat das Land von Anfang an eine gemeinsame Front der
Entwicklungsländer in den Klimaverhandlungen unterstützt und sich aktiv als Vertreter
dieser Staaten profiliert, doch liegen die Prioritäten des Landes in der
Armutsbekämpfung, wirtschaftlicher Entwicklung und sozialer Stabilität.
“It is also possible to interpret China’s strategy as a combined effort to maximize gains
and minimize climate policy costs from its economic graduation: The G77 track has
traditionally been maintained to avoid being singled out in a category of developing
countries with rapidly growing economies and emissions.”170
China legt Wert auf die Kategorisierung als Entwicklungsland – trotz der relativen
wirtschaftlichen Stärke des Landes. Schließlich bedeutet auch die Einbindung Chinas in
die Gruppe der 77 Vorteile für beide Parteien. Während die G 77 von dem politischen
Gewicht Chinas profitiert, bedeuten die für Entwicklungsländer ausgehandelten Vorteile
in der finanziellen und technischen Zusammenarbeit auch positive Effekte für das
asiatische Land.
“[E]ven though China is no longer a poor developing country it would be politically
difficult to leave the G77. Membership there still provides many valuable benefits such
as a leadership role in the G77 and influence through the G77 on the negotiations.”171
168 Kasa et. al nennen hier als Beispiele die Asian-Pacific Partnership on Clean Development and
Climate oder die EU-China Partnership on Climate Change, die als multilaterale Abkommen parallel zu
den Verhandlungen im Rahmen der UNFCCC geschlossen werden und den Prozess der internationalen
Klimaverhandlungen zum Teil sogar konterkarieren. (vgl. Kasa et. al 2007: S. 120f.) 169 Kasa et al. 2007: S. 122. 170 Kasa et. al 2007: S. 121. 171 Heggelund 2005 : S. 18.
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
- 55 -
Eine weitere Gruppe, die innerhalb der G 77 und bei der Formulierung von Positionen im
Rahmen der Klimaschutzverhandlungen eine wichtige Rolle spielt ist die 13 Staaten
umfassende Gruppe der Erdöl exportierenden Staaten (OPEC).172
Diese Gruppe ist
bereits in sich durchaus heterogen – das Pro-Kopf-Einkommen reicht von 450 USD in
Nigeria bis zu 33.000 USD in Katar. Während vor allem Iran, Saudi-Arabien und Kuwait
noch über große Ölreserven verfügen, ist Indonesien inzwischen Netto-Importeur von
Rohöl geworden.173
Die OPEC spielt in den Klimaverhandlungen und innerhalb der G 77
eine multivalente Rolle. Noch auf der COP 1 in Berlin 1995 stand es dem Vorstoß der
AOSIS-Staaten zu messbaren Reduktionsverpflichtungen skeptisch gegenüber.174
Kompensationen für potentielle Ausfälle beim Rohölexport wurden von der OPEC
durchgesetzt und in die Position der G 77 integriert.
„[F]unds for financing response measures related to the vulnerability of fossil fuel
producers to mitigation measures have been at the heart of OPEC strategies. While OPEC
members have different degrees of such vulnerability, it has still become a major problem
in the post-Kyoto negotiations.“175
Die OPEC-Staaten können die Entscheidungsfindung innerhalb der G 77 auch dadurch
beeinflussen, dass sie anderen Entwicklungsländern in den komplexen
Klimaverhandlungen selbst ganz konkret – etwa mit der Bereitstellung von Informationen
- unterstützen.
„Almost all G-77 countries have small delegations relative to the developed countries. The
logic, rules, and language of the climate negotiations are arcane and require the kind of
full-time staffing that only the wealthiest developing countries can afford.“176
Die OPEC-Staaten verfügen hingegen über hervorragende Kapazitäten und nutzen dieses
Missverhältnis zur Durchsetzung ihrer eigenen Interessen aus, indem sie Informationen zu
ihren Gunsten verbreiten und andere Akteure im Sinne ihrer Partikularinteressen
beeinflussen. Damit untergraben sie auch die allgemeine Legitimität der G 77.
“As the OPEC country delegations […] are resourceful enough to dominate the smaller and
much poorer LDCs, they are able to influence G77 positions disproportionately in their own
172 Zwischen 1994 und 2004, einer in den Klimaverhandlungen bedeutenden Zeitspanne, hatte in
sechs Jahren jeweils ein in der OPEC organisiertes Mitglied den Vorsitz der G 77. 173 Vgl. Kasa et al. 2007 174 Vgl. Long et al. 2002. 175 Kasa et al. 2007: S. 123. 176 Barnett 2008: S. 6.
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
- 56 -
favour, and equally important, exploit the general legitimacy of the developing countries
in the negotiations.”177
Die OPEC nutzen die G 77 dabei auch als Verhandlungsinstrument, um ihre Position gegen
jegliche bindende Reduktionsverpflichtungen durchzusetzen. Damit verschärfen sie
explizit auch den Nord-Süd-Gegensatz und bringen sich selbst gegen die im Vergleich sehr
schwachen Entwicklungsländer der AOSIS und der LDCs in Position. Ziel der OPEC ist es,
hohe Ölpreise zu sichern und THG-Reduktionen möglichst zu vermeiden, da diese zu
Verringerungen der Ölexporte führen könnten.178
Insgesamt treten die OPEC-Staaten
damit als Blockierer in den Verhandlungen auf, verzögern Prozesse, machen Zweifel
gegenüber den Ergebnissen des IPCC deutlich und stellen bewusst die Position der G 77
falsch dar.179
Daher kommen Autoren wie Barnett auch nicht von ungefähr zu dem
Schluss, dass die Rolle der OPEC ausschlaggebend dafür ist, „why there is an impasse
between G-77 and the developed countries on so many issues in the climate regime.“180
Die größte Gruppe innerhalb der G 77 machen die Länder mit einer sehr schwachen
wirtschaftlichen Entwicklung und geringen THFG-Emissionen aus – die Least Developed
Countries (LDCs). Sie zeichnen sich durch eine hohe Abhängigkeit vom VN-System und
internationalen Geldern der Entwicklungszusammenarbeit aus. Die Anfälligkeit gegenüber
und Anpassungsfähigkeit an den Klimawandel variieren innerhalb dieser Gruppe
dramatisch, obschon die besondere Anfälligkeit insbesondere afrikanischer LDCs mehr
und mehr akzeptiert wird. 181
Eng mit der Ausrichtung, den Interessen und der Struktur der Mitglieder der LDCs
verbunden ist die 43 Staaten umfassende Allianz kleiner Inselstaaten (Alliance of Small
Island States / AOSIS), die als besonders von den Folgen und explizit vom zu erwartenden
Anstieg des Meeresspiegels bedroht gelten und daher sofortige Maßnahmen zur Minderung
der THG-Emissionen und zur Anpassung an den Klimawandel fordern.
177 Kasa et al. 2007: S. 124. 178 Barnett 2008, S. 1: „[The OPEC] seeks to maintain high oil prices and avoid reductions in the
emissions of greenhouse gases from the burning of oil. To do this they work very hard to block and
delay progress in the climate regime. Surprisingly, OPEC is often tacitly supported in this obstructive
role by the larger Group of 77 (G-77) coalition of developing countries.“ / Vgl. Auch Kasa et al. 2007. 179 Vgl. Barnett 2008: S. 4. 180 Barnett 2008: S. 6. 181 Vgl. Kasa et al. 2007: S. 124.
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
- 57 -
„These states are among the most vulnerable in the world, due to both rising sea level and
their poverty, and they are highly aware of their vulnerability. AOSIS does not have a
charter, secretariat, or regular budget, but has participated as an independent actor from
the very beginning of the international climate change negotiations.”182
Zwar steht auch für die AOSIS-Staaten die historische Verantwortung der Industriestaaten
im Vordergrund bei den weiteren konkreten Verpflichtungen zur weltweiten Minderung
der THG-Emissionen, doch sollen sich an diesen Maßnahmen nach Auffassung der AOSIS
auch die Entwicklungsländer beteiligen, um eine Minderung der THG-Konzentration in der
Atmosphäre zu erreichen. Damit findet eine Abgrenzung vor allem gegenüber
Transformationsländern und OPEC-Staaten statt, die zunehmend außerhalb der G 77
verhandeln.
“The present constellation of forces within the G77—with the ‘‘emerging powers’’ busily
building up their new role in the international system mainly outside the G77, and the
OPEC countries focusing their energy on decelerating the negotiation process—leaves the
increasingly powerless and institutionally fragile LDCs in a situation in which their present
and future vulnerabilities to climate change are not reflected fully in G77 positions.”183
Bei all den hier hervorgebrachten Argumenten muss jedoch stets beachtet werden, dass
die Quellen nicht immer zu erschließen sind. Schließlich gibt es auch einen deutlichen
Unterschied zwischen den offiziellen, formalen Verhandlungsrunden auf der einen und
den informellen Treffen und Absprachen auf der anderen Seite.
2.3.2.3 Konfliktlinien innerhalb einer ausgewählten Stichprobe
Das klassische Modell der Cleavages lässt sich auf die Gruppe der 77 anhand einiger im
Rahmen der internationalen Klimaschutzverhandlungen relevanter statistischer
Indikatoren nur bedingt anwenden. Im Rahmen dieser Ausarbeitung wurden dennoch
sechs Indikatoren bei einer Stichprobe aus insgesamt 33 Ländern, die alle Mitglied der G
77 sind, ermitteln und miteinander in Beziehung gesetzt. Die Stichprobe spiegelt dabei
das breite Spektrum der Gruppe wieder: Entwicklungs- und Transformationsländer aus
Asien, Afrika, Lateinamerika und Südosteuropa sowie Mitgliedsstaaten der OPEC, AOSIS-
Staaten und LDCs wurden ausgewählt. Drei Indikatorenpaare wurden in Diagrammen
182 Kasa et al. 2007: S. 124. 183 Kasa et al. 2007: S. 124f.
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
- 58 -
jeweils miteinander in Beziehung gesetzt: (1) die Wirtschaftskraft des Landes gemessen
an der Kaufkraft pro Kopf und die Anfälligkeit gegen die Folgen des Klimawandels, (2) die
Treibhausgasemissionen pro Kopf (CO2) und der Environmental Performance Index im
Bereich Klima, (3) die Abhängigkeit von bi- und multilateraler
Entwicklungszusammenarbeit und der Anteil erneuerbarer Energien in den untersuchten
Ländern. Im Ergebnis zeichnen sich auch bei der empirischen Untersuchung die
klassischen Konfliktlinien der G 77 ab, die auch grafisch im Anhang dieser Arbeit
aufbereitet wurden:
Wirtschaftlich schwache Staaten sind tendenziell stärker von den Folgen des
Klimawandels betroffen, als Länder mit einem hohen Pro-Kopf-Einkommen.
Besonders extrem ist dieses Verhältnis bei Ländern mit breiten Küstenlinien oder
Inselstaaten wie Bangladesch, Indonesien, Nepal oder Vietnam. Staaten wie
Saudi-Arabien, Singapur oder Kuwait weisen bei einem in der Gruppe der
Entwicklungs- und Transformationsländer relativ hohen Pro-Kopf-Einkommen
eine geringere Anfälligkeit gegen den Klimawandel auf. Im Durchschnitt jedoch
sind die Entwicklungsländer insgesamt stärker von den Folgen des Klimawandels
betroffen, als dies bei den industrialisierten Staaten der Fall ist.184
Weitere Konfliktlinien lassen sich bei den THG-Emissionen der einzelnen Länder
und den nationalen Aktivitäten gegen den Klimawandel erkennen. Zahlreiche
Entwicklungsländer haben Pro-Kopf-Emissionen zwischen einer und zwei Tonnen
CO2 (Burkina Faso und Nepal lediglich 0,1 / Burundi sogar nur 0,03), während
vor allem Erdöl exportierende Staaten wie Saudi-Arabien, Kuwait oder Katar im
(hohen) zweistelligen Bereich liegen. Differenzen zu den nationalen Aktivitäten
verlaufen quer durch dieses Spektrum. Zwar schneiden die Länder mit hohen
THG-Emissionen relativ schlechter ab beim klimaspezifischen Environmental
Performance Index (EPI), doch trifft dies auch auf Staaten mit geringeren Pro-
Kopf-Emissionen wie China, Indien und Indonesien zu.185
Insgesamt jedoch gibt
es bei beiden Indikatoren deutliche Differenzen innerhalb der Mitgliedsstaaten
184 Vgl. hierzu den Germanwatch Climate Risk Index in Harmeling, S. 2008. 185 Vgl. zur klimapolitischen Performance: 2008 ENVIRONMENTAL PERFORMANCE INDEX. Yale Center
for Environmental Law & Policy (Yale University) / Center for International Earth Science Information
Network (CIESIN)
(Columbia University).
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
- 59 -
der G 77 – Anzeichen auch dafür, dass der Klimawandel sehr verschieden
wahrgenommen wird und dessen Bedeutung unterschiedlich stark ausgeprägt ist.
Eine Korrelation zwischen beiden Indikatoren ist nur schwach ausgeprägt.
In einem dritten Paar wurden Indikatoren miteinander in Relation gesetzt, die
zunächst keine direkte gegenseitige Beeinflussung vermuten lassen – die
Abhängigkeit von internationaler Entwicklungszusammenarbeit und die
Förderung erneuerbarer Energien als Indikator einer klimafreundlichen
nationalen Politik. Eine Korrelation zwischen beiden Indikatoren ist allerdings –
wenn überhaupt – nur schwach ausgeprägt. Vielmehr zeigt die Betrachtung der
einzelnen Indikatoren, dass teilweise eine sehr hohe Abhängigkeit von
ausländischen Direktinvestitionen herrscht, insbesondere bei den schwach
entwickelten Staaten, die potentiell auch der Förderung regenerativer und
dezentraler Energiequellen offen gegenüberstehen. Vor allem die Erdöl
exportierenden Staaten profitieren kaum oder gar nicht von den internationalen
ODA-Geldern. Gleichzeitig zeigt ihre geringe Affinität zu erneuerbaren Energien
ihre potentiell zurückhaltende und skeptische Haltung gegenüber Maßnahmen
zum Klimaschutz und der Minderung von THG-Emissionen. Diese Länder agieren
gleichzeitig relativ frei, während Staaten mit einem hohen Anteil internationaler
Entwicklungszusammenarbeit am BNE teilweise auch der Beeinflussung durch die
Geldgeber ausgesetzt sind. Insgesamt wird innerhalb der G 77 damit die
Konfliktlinie zwischen potentiellen Skeptikern beim Klimaschutz und Ländern
mit nationalen Plänen zum Ausbau klimafreundlicher Maßnahmen erkennbar.
Damit zeichnen sich innerhalb der G 77 tatsächlich verschiedene Konfliktlinien ab, die im
Rahmen der Klimaverhandlungen und für das Auftreten der Gruppe von Bedeutung sind.
Im Folgenden soll es darum gehen, die Wahrnehmung und das Auftreten der Gruppe bei
den Klimaverhandlungen unter der UNFCCC darzustellen und zu analysieren.
2.3.3 Die G 77 als Akteur bei den Klimaverhandlungen
Mit der vorausgehenden Untersuchung wurden in der G 77 verschiedene Konfliktlinien
aufzeigen und große Dynamiken innerhalb der Gruppe identifiziert. In diesem Teil soll es
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
- 60 -
nun um den Akteur der G 77 als solchen in den Klimaverhandlungen gehen. Allerdings
wird es dabei nicht möglich sein, interne Verhandlungsmuster aufzuzeigen, hinter
verschlossenen Türen stattfindende Verhandlungen darzulegen oder informelle
Absprachen in die Analyse mit einzubinden. Vielmehr soll es darum gehen, die
Wahrnehmung der Gruppe in den Verhandlungen auf der COP 14 in Posen zu untersuchen,
die Positionierung in öffentlichen Foren zu beleuchten und darauf aufbauend
Druckpotentiale und Durchsetzungsdefizite der Gruppe abzuleiten.
2.3.3.1 Wahrnehmung der G 77 auf der 14. Weltklimakonferenz
Internationale Verhandlungen sind durch verschiedene offensichtliche und latente
Konfliktlinien und Machtkonstellationen gekennzeichnet. Die Relevanz psychologischer
Aspekte lässt sich dabei (politik-)wissenschaftlich nur schwer ermitteln. Bereits die
Frage, ob ein einzelner Faktor überhaupt relevant ist, wirft erhebliche methodologische
Probleme auf. Im Zusammenspiel mit weiteren (latenten) Faktoren erscheint eine genaue
Messung geradezu unmöglich. Dennoch soll sich dieses Kapitel auf eben jene nur schwer
greifbaren Faktoren konzentrieren, um anhand von Beobachtungen zum Auftreten der
Entwicklungsländer im Kontext der G 77 Rückschlüsse auf die machtpolitische
Konstellation der Gruppe zu ziehen. Die Untersuchung beschränkt sich dabei auf die
UNFCCC-Klimakonferenz im Dezember 2008 im polnischen Posen.
Allgemein nahmen die Interessen und Belange der Entwicklungsländer einen hohen
Stellenwert ein. Dies zeigt sich auch an den grundsätzlichen Diskussionen im Rahmen der
Klimaverhandlungen. So wurden bei den offiziellen Sitzungen vor allem Themen wie der
Technologietransfer und die Finanzierung von Anpassungsmaßnahmen diskutiert.
Während bisherige Vorreiter im Klimaschutz wie die EU kaum noch Druck ausübten und
die Zusage zu konkreten Reduktionszielen seitens der Industriestaaten eher in den
Hintergrund rückte, ging es vor allem darum, die Entwicklungsländer in ein mögliches
Nachfolgeabkommen zum Kyoto-Protokoll zu integrieren. Die Entwicklungsländer jedoch
machten im Gegenzug deutlich, dass dies nicht ohne ein Entgegenkommen zu realisieren
sei.
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
- 61 -
Die heterogene und auch in der Interessenlage oft diffuse Gruppe der Entwicklungsländer
erhielt dabei durch ein starkes Auftreten der G 77 ein ganz konkretes Gesicht. Trotz ihres
informellen Charakters trat die G 77 mit einer eigenständigen Delegation in den
Verhandlungen auf. Mehrmals am Tag fanden Koordinierungstreffen aller Mitglieder statt.
Im Gegensatz zu fast allen Entwicklungsländern war die G 77 auch mit einem
Delegationsbüro direkt auf der Konferenz vertreten. Damit setzte die G 77 zumindest
nach außen auf deutliche Präsenz auf der Klimakonferenz – als Vorreiter und Stimme der
Interessen der Entwicklungsländer. Dieser Rolle versuchte die Gruppe auch inhaltlich
gerecht zu werden – etwa mit der gemeinsamen Position zum Technologietransfer. Die G
77 lieferte darüber hinaus vor allem für die nur schwach vertretenen Staaten eine
wichtige Anlaufstelle zur Formulierung und Bündelung ihrer Verhandlungspositionen und
Forderungen.
Die Bedeutung der G 77 in der Außenwahrnehmung konnte zum Teil auch mit einer
während der ersten Woche der Konferenz unter den verschiedensten TeilnehmerInnen
durchgeführten Umfrage untermauert werden (s. im Anhang dieser Arbeit). Der Aussage,
dass die Gruppe als Organisation aus mehr als 130 Entwicklungs- und
Transformationsländern ein hohes Druckpotential aufbauen könne, stimmten 24 von 53
Befragten voll zu, weitere 13 stimmten eher zu, zehn waren unentschieden. Einer in
gewisser Weite gegensätzlichen Aussage, wonach der lose Verband der G 77 zu heterogen
sei und sich folglich durch hohe Durchsetzungsdefizite auszeichne, stimmten 10 nicht zu,
12 eher nicht zu und 19 zeigten sich unentschieden. Ein gemischtes Bild zeigt sich bei der
Frage, ob und inwieweit die G 77 vor allem die Interessen der weiter entwickelten
Länder, nicht jedoch die der LDCs vertritt. 22 der 53 Befragten stimmen dieser Aussage
voll oder eher zu, 16 stimmten nicht oder eher nicht zu und 14 Befragte zeigten sich
unentschieden. Ein eindeutigeres Bild zeigt sich bei der Wahrnehmung zur Rolle der
Gruppe in den Verhandlungen um den Technologietransfer. Der Aussage, dass die G 77 in
den Verhandlungen zum Technologietransfer eine entscheidende Rolle spielt, stimmten
32 voll oder eher zu, vier waren unentschieden, insgesamt 16 stimmten eher nicht oder
nicht zu.
Die nicht repräsentative, jedoch direkt am Ort und unter den Teilnehmern der
Klimakonferenz gezeichnete Bild der G 77 mag verzerrt sein und die tatsächliche Stärke
bzw. Schwäche der Gruppe in den Verhandlungen nicht richtig widerspiegeln. Dennoch
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
- 62 -
gibt es ein allgemeines Stimmungsbild wider, dass die Bedeutung der Gruppe der
Entwicklungsländer weit höher ansiedelt, als dies in der wissenschaftlichen Literatur der
Fall ist. Zumindest in der Außenwahrnehmung werden den EL also durchaus
Druckpotentiale zugeschrieben, die sie in den Verhandlungen für ihre Interessen nutzen
können. Dieser Eindruck manifestiert sich auch in drei während der ersten Woche der
Klimakonferenz in Posen gemachten Interviews.186
Dabei standen die folgenden zentralen
Aussagen der Interviewpartner im Vordergrund:
Allen Verhandlungsparteien ist klar, dass ein Nachfolgeabkommen für Kyoto nur
erfolgreich im Sinne der Ziele des IPCC zur Vermeidung eines gefährlichen
Klimawandels sein kann, wenn die Entwicklungsländer aktiv eingebunden
werden. Dies bedarf auch größerer finanzieller und technologischer
Unterstützung seitens der industrialisierten Staaten.
Als eigenständiger Verhandlungsblock besitzt die G 77 ein hohes Machtpotential
am Verhandlungstisch. Die schwache Institutionalisierung und der lose Charakter
dieses Zusammenschlosses verhindern jedoch ein deutlicheres Auftreten mit
noch klarer erkennbaren Verhandlungserfolgen für die Entwicklungsländer. Die
Strategien anderer Staaten zielen daher auch darauf ab, einzelne Länder aus
dem Verbund der G 77 zu lösen und somit die kollektive Stärke zu brechen.
Die großen Transformationsländer wie China oder Südafrika nutzen die Gruppe
als Mittel zum Zweck der Durchsetzung ihrer Interessen. Sie vermeiden durch
eine Assoziierung mit der G 77 und damit mit der Gruppe der
Entwicklungsländer, dass sie selbst zu stärkeren Verpflichtungszielen gedrängt
werden.
Inwieweit vor allem auch die letzte Aussage empirisch belegt werden kann, stand im
Mittelpunkt der folgenden Untersuchung einer Stichprobe an Mitgliedsstaaten der G 77.
186 Im Folgenden werden zusammenfassend die wichtigsten Punkte dieser zum Teil auf wenige
Leitfragen gestützten, zum Großteil jedoch offen geführten Interviews wiedergegeben, über die bei
allen drei Interviewpartnern auch weitestgehend Konsens herrschte. Befragt wurden ein
südafrikanischer Vertreter des WWF, ein Mitglied von Germanwatch und ein deutsches
Delegationsmitglied der Europäischen Kommission.
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
- 63 -
2.3.3.2 Assoziierung der Entwicklungsländer mit der G 77
Wie dargestellt, lässt sich auf der Ebene der Beobachtung eine relativ starke Position der
G 77 erkennen, wenn es darum geht, die Interessen der Entwicklungsländer in den
internationalen Klimaverhandlungen zu repräsentieren. Was dies für die tatsächlichen
Verhandlungen bedeutet, kann wahrlich nur schwer beurteilt werden. Auch können nicht
ohne weiteres die internen Verhandlungsabläufe und Abstimmungsprozesse beobachtet
und analysiert werden. Eine Möglichkeit der empirischen Datenerhebung zur Bedeutung
der G 77 für die Verhandlungen insgesamt und die Gruppe der 77 besteht dennoch: die
Auswertung der einzelnen Reden aller 33 in dieser Arbeit ausgewählten Länder während
des High-Level-Segments zum Ende der Konferenz. Daraus sollen Rückschlüsse auf die
Kohärenz und Konfliktlinien innerhalb der Gruppe und das gemeinsame Auftreten gezogen
werden. Bereits im Vorfeld der Konferenz veröffentlichte die Gruppe der 77 ihre
allgemeine Position zum Technologietransfer, die als Leitlinie der Argumentation der
Mitgliedsstaaten in diesem Bereich gelten kann.187
Die G 77 hatte – vertreten durch Antigua und Barbuda – als erste Gruppe das Recht zur
Aussprache während des High-Level-Segments auf der COP 13 in Posen. Darin bekräftigte
sie die bereits aus ihrem Papier zum Technologietransfer bekannte Argumentation der
Gruppe:
Die Verursachung des Klimawandels und damit auch dessen Bekämpfung liegen
in der Verantwortung der industrialisierten Länder. Sie sind daher auch in der
Pflicht, Technologien zur Anpassung an den Klimawandel sowie zur Minderung
der THG-Emissionen zur Verfügung zu stellen.
Es ist eine verstärkte Kooperation zwischen Industrie- und Entwicklungsländern
in den Bereichen Forschung und Entwicklung notwendig, um an die regionalen
Gegebenheiten angepasste Technologien zu entwickeln und direkt zu
implementieren.
Der Transfer klimafreundlicher Technologien birgt auch das Potential in sich,
andere entwicklungspolitische Ziele und ganz konkret die Millenium
187 „Proposal by the G77 and China for a Technology Mechanism under the UNFCCC“ (2008)
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
- 64 -
Development Goals (MDGs) zu erreichen. Dabei wurde auch an die
entsprechende Verpflichtung der Industrieländer erinnert.
Als Grundlage ihrer Argumentation nennt die G 77 immer wieder die wissenschaftlichen
Daten des IPCC-Berichts von 2007 mit den damit verbundenen Verpflichtungen der
industrialisierten Länder sowie den 2007 in Bali beschlossenen Bali Action Plan (BAP).188
Letzterer wird auch von zahlreichen Entwicklungsländern immer wieder aufgegriffen. Die
Vertreter der Least Developed Countries (vertreten durch die Malediven), der Alliance of
Small Island States (Grenada), sowie der African Group (Algerien) fanden in ihren
Statements noch drastischere Worte, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen und
weitergehende Maßnahmen im Bereich des Technologietransfers zu fordern. Während
Technologietransfer für den Vertreter der African Group als Mittel betrachtet wurde, um
ein nachhaltiges wirtschaftliches Wachstum auf dem afrikanischen Kontinent ohne den
entsprechenden Anstieg der THG-Emissionen zu ermöglichen, ging es dem Vertreter der
LDCs vor allem um Anpassungsmaßnahmen gegen den Klimawandel. Anpassung stand auch
im Mittelpunkt des Statements der AOSIS, die sich enttäuscht über den bisherigen Verlauf
der Verhandlungen und den Stand der Ergebnisse zeigten: „The world cannot ask the
AOSIS to sign a suicide agreement that causes our homes to disappear.“189
Erstaunlich
erscheint bei der Rede der AOSIS vor allem, dass Technologietransfer als solcher in keiner
Weise erwähnt wird. Vielmehr geht es vor allem um Finanzierungsmechanismen für die
Anpassung gegen den Klimawandel. Bereits darin zeigt sich die Gruppendynamik der G
77, deren Position in Posen immer auch als Kompromiss zwischen den einzelnen
Mitgliedsstaaten gesehen werden muss. Im Ergebnis werden vage Zielvorstellungen
genannt und diffuse Maßnahmen angeregt. In ihren Forderungen wird die G 77 folglich oft
nur wenig konkret.
Dem Statement der G 77 schlossen sich elf der insgesamt 33 in der Stichprobe
untersuchten Länder ganz explizit an (sechs gaben überhaupt kein Statement ab).
Weitaus mehr identifizieren sich mit der Gruppe der Entwicklungsländer im Allgemeinen
und präsentieren sich als ein Fürsprecher für die Belange dieser Gruppe. Deutlich wird
bei der Stichprobe, dass vor allem die großen und wirtschaftlich weiterentwickelten
188 UNFCCC 2007. 189 Vertreter Grenadas im Namen der AOSIS auf der COP 13 in Posen.
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
- 65 -
Länder den offenen Schulterschluss mit der G 77 suchen. Und deutlich wird auch, dass
insbesondere Erdöl exportierende Länder wie Katar oder Kuwait vollständig auf ein
Statement verzichten – trotz Unterzeichnung der UNFCCC und des Kyoto-Protokolls.
Die allgemeinen Präferenzen und Prioritäten der Entwicklungsländer bei den
internationalen Verhandlungen zum Klimaschutz spiegeln sich auch in den Aussagen der
Minister und Repräsentanten wider. Zahlreiche Länder orientieren sich dabei vor allem
am Bali Action Plan und stellten die grundsätzlichen Prioritäten der Entwicklungsländer190
in ihren nationalen Kontext und in den Mittelpunkt ihrer Argumentation.
Die Untersuchung der Stichprobe hinsichtlich der Relevanz dieser Punkte ergab einen
weitgehenden Konsens darüber, dass diese Themen bei fast allen Entwicklungsländern
auf der Agenda stehen. Der Technologietransfer wurde explizit als solcher in 23 der
abgegebenen Statements erwähnt – etwas weniger als die Bedeutung finanzieller
Unterstützung und Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel. Nun sagt diese
allgemeine Feststellung allerdings noch nicht viel über die tatsächliche Qualität der
Aussagen aus. Hierzu lassen sich hinsichtlich der Etablierung eines Regimes zum Transfer
klimafreundlicher Technologien zusammenfassend die folgenden Schlussfolgerungen
ziehen:
Vor allem die weiter entwickelten Transformationsländer wie Indien oder
Südafrika setzen das Thema präsent auf die Tagesordnung und machen ganz
konkrete Vorschläge zur Ausgestaltung eines solchen Regimes, während weniger
und die am wenigsten entwickelten Länder in ihren Aussagen eher vage bleiben.
Es wird Unterstützung sowohl bei Maßnahmen zur Anpassung, als auch zur
Minderung von THG-Emissionen gefordert. Erstere vor allem von den
Inselstaaten, letztere vor allem von afrikanischen Staaten, die darin die einzige
Möglichkeit sehen, wirtschaftliches Wachstum bei gleichzeitiger Minderung ihrer
Emissionen zu garantieren.
Das Hemmnis der IPR für eine Ausweitung des Technologietransfers wird
lediglich von vier Staaten angesprochen (Burkina Faso, Brasilien, Indien und
190 Gómez-Echeverri, L. 2000 sind diese Prioritäten: Technologietransfer, Chancengleichheit,
Anpassungsmaßnahmen, finanzielle Unterstützung, Berücksichtigung nationaler Umstände, „common
but differentiated responsibilities“.
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
- 66 -
Marokko). Es bleibt seitens der Entwicklungsländer ansonsten eher
vernachlässigt.
Der bisherige Mechanismus zur Verbreitung klimafreundlicher Technologien in
Entwicklungsländern, der CDM, wird innerhalb der Stichprobe nur von Ägypten
explizit angesprochen, das eine Reformierung, Vereinfachung und Ausweitung
des Mechanismus fordert.
Die im BAP festgeschriebenen Leitlinien spielen für die Entwicklungsländer auch
bezüglich des Technologietransfers eine wichtige Rolle – von zahlreichen
Ländern wird auf die darin gemachten Verpflichtungserklärungen der
industrialisierten Länder verwiesen.
2.4 Vergleich: Die Gruppe der G 77 im Rahmen der UNCTAD
„With a narrow functional agenda, and broad cross-continental
membership linked by a common sense of deprivation and
inequality, this Group of 77 (G77) was expected to make a strong
case to the industrial countries for reform of the international
economic system. However, the G77 has had mixed success as a
negotiating body.“191
Im Bereich des internationalen Umwelt- und Klimaschutzes steht zwar auch im
wissenschaftlichen Diskurs immer wieder die Rolle der Entwicklungs- und
Transformationsländer im Fokus des Interesses, doch ist es kaum möglich, fundamentale
Determinanten für den Erfolg, bzw. die Erfolglosigkeit der Gruppe der 77 bei
internationalen Verhandlungen in diesem Bereich zu ermitteln. Selbst das als Erfolg für
die Entwicklungsländer im Allgemeinen und die Gruppe der 77 im Speziellen gefeierte
Bonn Agreement der sechsten Vertragsstaatenkonferenz der UNFCCC 2001 in Bonn192,
191 Braveboy-Wagner, J. 2009: S. 30. 192 Die Entscheidungen in Bonn zur Unterstützung der Entwicklungsländer werten die Vertreter der G
77 als ihren Erfolg. Die drei geschaffenen Klimaschutzfonds waren der Preis für die Zustimmung der
G77 zum Kompromisspapier. („Special Climate Change Fund“, „Least Developed Countries Fund“,
„Adaptation Fund“). (Vgl. BMU 2001.)
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
- 67 -
der Durchbruch in Marrakesch193 oder die Einigung im mexikanischen Monterrey
(Monterrey Consensus 2002) sind als tatsächliche Erfolge der G 77 umstritten.
Abschließend soll im Rahmen dieser Ausarbeitung daher noch einmal ein anderes
Themenfeld betrachtet werden, das auch mit dem Transfer von Technologien von
Industrie- in Entwicklungsländer zusammenhängt – jedoch nicht allein im Rahmen
klimapolitischer Maßnahmen. Es bringt uns zu dem zurück, wo wir bereits im ersten
Kapitel bei der allgemeinen Untersuchung der Druckpotentiale und Durchsetzungsdefizite
der Entwicklungsländer in internationalen Verhandlungen eine relative Stärke dieser
Staaten konstatieren konnten: der Rolle der Entwicklungsländer im Bereich der
internationalen Wirtschaftsordnung und speziell im Rahmen der United Nations
Conference on Trade and Development (UNCTAD). Schließlich spielen Abkommen zum
Welthandel für die Interessen der Entwicklungsländer eine entscheidende Rolle:
“Multilateral trade negotiations have existed since the foundation of GATT in 1947, but
these negotiations have become more complex and important for developing countries.
Trade between developed and developing countries, previously largely regulated by
unilateral concessions, is increasingly being moved into negotiated agreements. […]
Environmental issues are now being regulated and negotiated upon at the world level
through conventions like the Framework Convention on Climate Change.”194
Die Ausgestaltung des internationalen Wirtschaftssystems gehört zu den obersten
Prioritäten staatlicher Politik – verstärkt noch durch zunehmende Verflechtungen und
Abhängigkeiten und in Zeiten der Globalisierung und Internationalisierung
sozioökonomischer Strukturen. Die Koordinierung und Harmonisierung internationaler
Wirtschaftsbeziehungen, Abbau von Handelshemmnissen und Zugangsmöglichkeiten zu
Märkten sind damit fundamentales Interesse nicht nur der Industrie-, sondern auch der
Entwicklungs- und Transformationsländer, die vor allem im Rahmen der UNCTAD eine
Reformierung des globalem Wirtschaftssystems fordern und sich aus diesem Grund auch
1964 zur G 77 zusammenschlossen, um vereint institutionelle und strukturelle Reformen
durchzusetzen.
193 Vgl. Suraje, Dessai 2001. 194 Page 2003, S. 3.
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
- 68 -
„International pressure group politics for fundamental changes in world trading patterns
and institutions was first institutionalized in 1964 when […] the United Nations Conference
on Trade and Development (UNCTAD) was born.“195
Dabei formulierten die Entwicklungsländer im Rahmen der UNCTAD ihre Vorstellungen
einer neuen internationalen Wirtschaftsordnung196 und forderten in diesem
Zusammenhang den Abbau künstlicher Handelsschranken, eine stärkere Regulierung
restriktiver Praktiken sowie den Transfer notwendiger Technologien. Im Schlussdokument
der UNCTAD I jedoch wurde Technologietransfer durch keine konkreten Maßnahmen
implementiert, sondern lediglich als politische Forderung formuliert und deren
Vereinfachung gefordert.197
„[The] attempt to reform existing norms, rules and institutions could only be prosecuted
on a collective basis since developing countries lack the necessary power to the institute
change on an individual basis.“198
Williams hat sich in diesem Zusammenhang intensiver mit der Formierung der
Entwicklungsländer beschäftigt und ist dabei drei zentralen Fragen nachgegangen, die wir
uns auch im Rahmen der vorliegenden Ausarbeitung gestellt haben und noch immer
stellen: Warum fanden sich die weniger entwickelten Länder überhaupt zu einer Koalition
als Gegenpol zu den Interessen der Industriestaaten zusammen? Inwieweit beeinflusste
der institutionelle Rahmen die Arbeitsweise der Gruppe? Und: welche Bedeutung nahmen
die inneren Konfliktlinien bei der Entscheidungsfindung der G 77 ein? Williams sieht in
den Strukturen der Weltwirtschaft eine Voraussetzung für die Formierung der G 77: „The
institutional lacunae in world trade and payments presented the developing countries
with a concrete issue around which they could coalesce.“199
Die Institutionalisierung im Rahmen der UNCTAD bedeutete auch die Vereinfachung der
Süd-Süd-Kooperation untereinander und die Aufteilung in Regionalgruppen verstärkten
den Gegensatz zwischen Industrieländern und der G 77. Die Einheit innerhalb der
Entwicklungsländer wurde zudem dadurch gestärkt, dass zahlreiche Entwicklungsländer in
der Zusammenführung ihrer Verhandlungspositionen schlicht überhaupt den einzig
195 Hussein 1981: S. 146. 196 Vgl. hierzu auch die allgemeine Erklärung einer „New International Economic Order“ von 1974. 197 Vgl. Hussein 1981: S. 262 u. S. 157. 198 Williams 1991: S. 164. 199 Williams 1991: S. 165.
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
- 69 -
möglichen Weg zur Artikulation ihrer Interessen sahen und ein Scheitern der Kooperation
im Rahmen der UNCTAD auch die Schwächung der Position der Entwicklungsländern in
anderen Politikbereichen zur Folge gehabt hätte. Die Gruppe der G 77 erreichte damit
trotz ihres informellen Charakters einen hohen Grad auch formaler Institutionisierung.200
Mehr noch: Historisch sind ein stärkeres Engagement der Mitgliedsstaaten innerhalb der
Gruppe und ein zunehmend kooperatives Verhalten zu beobachten:
„The reproduction of the regional group, the basic organisational unit of the G 77, at all
levels of G 77 structure and decision-making provides both an element of continuity and a
base upon which innovations can be launched.“201
Die Gleichbehandlung der einzelnen Mitgliedsstaaten habe dabei auch zur Beibehaltung
dieser Form der Kooperation geführt.
„The consensus method of decision making in preserving the autonomy of member states
provides the sole basis upon which continued support for the organisation’s goals can be
maintained. Any form of majoritarianism would most likely lead disaffected minorities to
withdraw from the coalition.“202
Im Laufe der 80er Jahre jedoch verlor die UNCTAD als Verhandlungsrahmen für eine neue
internationale Wirtschaftsordnung deutlich an Gewicht. Sie stand im Widerspruch zur
Politik der US-Amerikanischen Reagan-Administration und konnte nicht die zu einer
Reformierung des Wirtschaftssystems notwendigen organisatorischen Ressourcen
bereitstellen.203 Damit spielte die UNCTAD auch als Mittel zur Bewältigung der
sozioökonomischen Probleme der Entwicklungsländer nur noch eine marginale Rolle. Und
dies hat letztlich auch Auswirkungen auf die Bedeutung der G 77 bei der Formulierung
und Durchsetzung von Interessen der Entwicklungsländer. Williams hält als Ergebnis fest,
dass:
die G 77 im Rahmen der UNCTAD eine diplomatische Einheit der
Entwicklungsländer mit klar erkennbaren Grenzen darstellt,
die Rahmenbedingungen für die Aktivitäten dieser Gruppen von den
internationalen Verhältnissen vorbestimmt werden,
200 Vgl. Williams 1991: S. 165f. 201 Williams 1999: S. 165. 202 Williams 1999: S. 165. 203 Vgl. Williams 1999: S. 167
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
- 70 -
die Stärke der Koalition weniger darin liegt, eigene politische Interessen
durchzusetzen, als vielmehr die Themen der politischen Agenda zu bestimmen
und
der Erfolg der Gruppe vor allem dadurch erwächst, das in ihr die Interessen
einer großen Anzahl von Ländern gebündelt werden, gleichzeitig aber auch die
Unterschiedlichkeit akzeptiert und respektiert wird.204
Die neu gewonnene Stärke der vereint auftretenden Entwicklungsländer wurde darüber
hinaus deutlich bei der Durchsetzung zur Gründung eines Komitees zu Wissenschaft und
Technologie für Entwicklung (United Nations Conference on Science and Technology for
Development; UNCSTD) im Rahmen der Vereinten Nationen gegen den Widerstand
insbesondere der USA.205 1979 gelang der G 77 damit die Errichtung eines Komitees, in
dessen Rahmen auch Fortschritte zu einem „Code of Conduct for Technology Transfer“
und einem „Code of Conduct for Transnational Cooperations“ gemacht werden
konnten.206 Nichtsdestotrotz blieben die Ergebnisse des Komitees in den Augen der
Entwicklungsländer mehr als unbefriedigend.
„The creation in 1964 of an Intergovernmental Committee to deal with issues of
international science and technology policy and its subsequent activities were found to be
unsatisfactory by the developing countries.“207
Auch blieb die Implementierung eines internationalen Verhandlungsrahmens zur
Ausweitung des Technologietransfers deutlich beschränkt – dies trifft auch auf andere
Initiativen im System der VN zu.
„In a sense, the U.N. resolutions and “Action Plans” amount to consolidating and
legitimizing international patterns of inequality, dominance and dependence. They offer a
few crumbs without changing the ingredients of the cake. Even if they were to be
implemented seriously it is most unlikely that the forms and patterns of technological
power would alter and, in deed, quite likely that inequalities within and between
countries would be accentuated.“208
204 Vgl. Williams 1991: S. 167f. 205 Vgl. Hussein 1981: S. 266. 206 Vgl. Hussein 1981: S. 276. 207 Hussein 1981: S. 275. 208 Hussein 1981: S. 270.
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
- 71 -
Die Funktion der G 77 bestünde im Rahmen der UNCTAD letztlich vor allem darin, die
wirtschaftspolitischen Interessen ihrer Mitglieder zu bündeln und Veränderungen der
internationalen Wirtschaftsordnung im Sinne der Entwicklungsländer durchzusetzen.
„The G 77 is not a coalition founded on individual self-interest, neither is it a group of
states characterized by international and domestic weakness seeking power and control in
the international system. It is an anti-hegemonic coalition seeking regime change. It is an
outgrowth of international politics and the functioning of the postwar international
organisational network.“209
Zu einem ähnlichen Schluss kommt auch Hussein in seiner Dissertation:
„The emergence and consolidation of the Group of 77 as an effective pressure group in
international politics helped elevate technology trade issues high on the agendas of various
U.N. bodies.“210
Der kurze Einblick in den Ursprung der G 77 und deren Wirkung im Rahmen der UNCTAD
konnte sowohl Differenzen, als auch Parallelen zrm Einbindung der Entwicklungsländer in
die internationalen Klimaverhandlungen unter der UNFCCC aufzeigen. So prägte das
Selbstverständnis der G 77 in der UNCTAD die universelle Kategorisierung der
Mitgliedsstaaten als Entwicklungsländer, die alle mit ähnlichen Probleme, Armut,
wirtschaftlicher und politischer Unterentwicklung zu kämpfen hatten. In den letzten
Jahren jedoch wurde dies durch eine zunehmende Heterogenität innerhalb der G 77
ersetzt – mit großen Unterschieden zwischen den einzelnen Staaten innerhalb der
Gruppe. Dies führt letztlich auch zu skeptischen Schlussfolgerungen zur zukünftigen
Bedeutung der G 77.
„the G77 will most likely persist as an important player in the post-Kyoto negotiations, but
it is difficult to see how it can become more of a driver or facilitator in the process in spite
of the increasing wealth and international influence of the group’s biggest emitters and
the increasing recognition of the vulnerability of many of the poorest developing
countries.“211
209 Williams 1991: S. 168. 210 Hussein 1981: S. 275. 211 Kasa et al. 2007: S. 125.
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
- 72 -
3 Schlussbetrachtung
3.1 Zusammenfassung
Fassen wir die Ergebnisse an dieser Stelle noch einmal zusammen. Im ersten Kapitel
dieser Ausarbeitung ging es darum, die allgemeine Rolle der Entwicklungsländer in
internationalen Umweltverhandlungen zu verorten. Dabei wurde deutlich, dass im
Rahmen der Klimaverhandlungen ein relevanter Block von Entwicklungsländern existiert,
auch wenn dieser in sich sehr heterogen sein mag. Der Einfluss dieser Länder auf
internationale Verhandlungen wird im Allgemeinen als sehr gering eingeschätzt.
Gleichzeitig konnten neben Durchsetzungsdefiziten auch Druckpotentiale aufgezeigt
werden, die vor allem auf deren Zusammenschluss zu Gruppen beruhen – insbesondere im
Rahmen der VN und bei wirtschafts- und handelspolitischen Themen.
Willensbildungsprozesse sind dabei stark vom Nord-Süd-Gegensatz geprägt.
Über den im ersten Teil der Arbeit dargestellten Analyserahmen hinaus ging es im
zweiten Abschnitt darum, das theoretische Gerüst für die Untersuchung des Fallbeispiels
zu erarbeiten. Dieser Part widmete sich der Tatsache, dass 133 souveräne Staaten mit
zum Teil erheblich unterschiedlichen Positionen dennoch beim Klimaschutz
zusammenarbeiten, um ein international institutionalisiertes Regime zum Transfer
klimafreundlicher Technologien durchzusetzen. Hierzu wurden zunächst theoretische
Aussagen auf der Metaebene zur Entstehung internationaler Regime gemacht und die
Grundlagen des neoliberalen Institutionalismus dargestellt. In einem zweiten Schritt
wurden dann mit dem Cleavages-Ansatz die theoretischen Grundlagen zur Bearbeitung
der Konfliktlinien innerhalb der G 77 gelegt.
Der umfangreichste Teil dieser Ausarbeitung befasste sich dann mit der Bearbeitung des
konkreten Fallbeispiels: der Rolle der G 77 als Akteur der internationalen
Klimaverhandlungen. Dabei wurde in einem ersten Part deutlich, dass die Betrachtung
des Fallbeispiels im Spiegel der erarbeiteten theoretischen Grundlagen durchaus hohes
Potential zur Entstehung eines Regimes besitzt. Eine Kooperation im Bereich
Technologietransfer würde Gewinne für alle Beteiligten bedeuten, die UNFCCC bieten
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
- 73 -
einen robusten Verhandlungsrahmen; und starke Akteure innerhalb der G 77 können der
Problematik mehr Gewicht verleihen. Geleitet werden die Verhandlungen der Gruppe
dabei von den Forderungen nach einer Institutionalisierung des Technologietransfers
innerhalb der UNFCCC und Capacity Building, dem Recht auf Entwicklung sowie dem
Prinzip der „common but differentiated responsibility“ – dies spiegelte sich auch bei der
Anwendung des im ersten Teil erarbeiteten Analyseschemas auf die Identität, Interessen
und Institutionalisierung der Entwicklungsländern in den Klimaverhandlungen wieder.
Innerhalb der G 77 konnten schließlich auf verschiedenen Ebenen Konfliktlinien
aufgezeigt werden – sowohl historisch-konzeptionell mit Dynamiken zwischen
Transformationsländern, LDCs, OPEC-Staaten und anderen Akteuren, als auch empirisch
durch die Betrachtung einer aus 33 Mitgliedern der G 77 bestehenden Stichprobe. Trotz
der dabei festgestellten Heterogenität wird die G 77 aber auch als starker Akteur in den
Klimaverhandlungen wahrgenommen, obschon sich nicht alle Staaten konkret mit der
Gruppe assoziieren. Die abschließende Betrachtung zur Rolle der G 77 im Rahmen der
UNCTAD konnte darüber hinaus eine stärkere Position der Gruppe innerhalb dieser
wirtschaftspolitisch geprägten Verhandlungen feststellen.
3.2 Druckpotentiale und Durchsetzungsdefizite der G 77
Die vorangegangene Untersuchung hat deutlich gemacht, dass es der Gruppe der 77 in
den internationalen Klimaverhandlungen durchaus gelingen kann, gegenüber den
industrialisierten Staaten Druckpotentiale aufzubauen und damit die Interessen der
Entwicklungsländer auf die Tagesordnung zu setzen, zu verhandeln und in geringem Maße
auch durchzusetzen. Dabei handelt es sich jedoch weniger um strukturelle, als vielmehr
um „weiche“ Faktoren, die im Verhandlungsprozess eine Rolle spielen. Sie sind in der
Regel nur schwer zu verifizieren oder empirisch nachzuprüfen, obschon deren Relevanz
kaum bestritten werden kann. Konkret ließen sich im Vorangegangenen Druckpotentiale
auf unterschiedlichen Ebenen feststellen:
Es existiert eine große Schnittmenge gemeinsamer Interessen in den
internationalen Klimaverhandlungen innerhalb der Entwicklungsländer
(historische Verantwortung für den Klimawandel liegt bei den Industriestaaten,
Technologietransfer und zusätzliche Finanzierungsmechanismen werden
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
- 74 -
gefordert, Klimaschutz wird nur im Einklang mit nachhaltiger Entwicklung und
Armutsbekämpfung unterstützt).
Eine Einheit der Entwicklungsländer in Abgrenzung zu den Industrienationen ist
erkennbar (etwa durch die hohe Anfälligkeit gegenüber dem Klimawandel) und
darüber hinaus in Form der G 77 innerhalb der Verhandlungen institutionalisiert.
Auf der COP 14 nahmen die Interessen und Themen der Entwicklungsländer
zumindest in der Außenwahrnehmung und bei den öffentlichen Aussprachen und
Verhandlungen eine zentrale Rolle ein – die Gruppe der 77 konnte sich dabei als
Sprachrohr der Entwicklungsländer profilieren und zumeist als geschlossener
Block auftreten. Offene Konflikte wurden vermieden.
Durch die G 77 gelang es den Entwicklungsländern, gemeinsame Interessen zu
formulieren und zu bündeln – dies erleichterte insbesondere den weniger
entwickelten Staaten deren Artikulation in den Verhandlungen.
Es findet zumindest bei den öffentlichen Aussprachen eine deutliche
Assoziierung vieler Entwicklungsländer mit den Positionen der G 77 statt –
allerdings fällt dabei auf, dass vor allem die weiter entwickelten
Transformationsländer die G 77 als Forum für ihre Interessen nutzen, während
Mitglieder der OPEC eine direkte Assoziierung mit der G 77 eher vermeiden und
zahlreiche LDCs und AOSIS-Staaten Forderungen aufstellen, die über die
gemeinsame Position der G 77 hinausgehen.
Trotz der hier konstatierten Druckpotentiale ist die Verhandlungsposition der Gruppe der
77 auch im internationalen Klimaschutz und im Rahmen der UNFCCC durch erhebliche
Durchsetzungsdefizite gekennzeichnet, die an dieser Stelle noch einmal
zusammenfassend dargestellt werden sollen. Bereits auf allgemeiner Ebene der G 77
lassen sich dabei verschiedene Durchsetzungsdefizite und Hindernisse bei der
Formulierung einer gemeinsamen Position erkennen:
So schwächen anhaltende Führungsrivalitäten innerhalb der G 77 – insbesondere
zwischen der asiatischen und der afrikanischen Gruppe - und das
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
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unterschiedliche Verhältnis zu den USA die Formulierung einer gemeinsamen
Position der Gruppe.212
Unterschiedliche Interessenschwerpunkte und Prioritäten der einzelnen Länder
innerhalb der Gruppe führen darüber hinaus zu relativ unkonkreten
Kompromissen, die damit bereits abgeschwächt in die Verhandlungen
eingebracht werden.
Damit verbunden sind unterschiedliche und je nach Problemlage divergierende
Konzepte und Wege zur Problemlösung.213
Letztlich stellt sich auch die große Divergenz beim Grad der wirtschaftlichen
Entwicklung der Mitgliedsstaaten und deren Ausstoß an THG-Emissionen als
Defizit der Gruppe heraus, da dies zu unterschiedlichen Auffassungen bei der
Forderung nach konkreten Reduktionsverpflichtungen führt.
Schorlemer konstatiert im zunehmenden Zeitverlauf und mit dem Wegfall von
Koordinierungsrunden im Vorfeld großer Konferenzen darüber hinaus sogar eine
abnehmende Geschlossenheit der G 77. „Die Kohärenz der G-77 und damit die
Geschlossenheit ihres Auftretens – so die Beobachtung – nimmt tendenziell ab.“214
Der
Einflussverlust sei unübersehbar. Und Winter stellt insgesamt fest: „Bei
Verhandlungsprozessen in den Vereinten Nationen ist die G-77/China zwar immer noch
ein wichtiger Akteur, tendenziell hat sie jedoch an politischem Einfluss verloren.“215
Letzteres lässt sich im Rahmen der Klimaverhandlungen nicht ohne Weiteres feststellen.
Im Gegenteil: Zwar gelten die hier dargestellten allgemeinen Durchsetzungsdefizite auch
bei der Aushandlung eines Nachfolgeabkommens für Kyoto, doch treten sie in erheblich
schwächerem Maße auf. Im Rahmen der Klimaverhandlungen wurden
Durchsetzungsdefizite darüber hinaus insbesondere im Spiegel folgender Konfliktpunkte
deutlich:
212 Vgl. hierzu Schorlemer, S. 2005: S. 29. 213 Auf dem Südgipfel in Doha 2005 etwa, der eigentlich das Ziel hat, eine einheitliche Position der
Entwicklungsländer zu wirtschafts- und entwicklungspolitischen Fragen zu entwickeln, präsentierten
Kuba und Katar zwei unterschiedliche Strategien zur Armutsbekämpfung. 214 Schorlemer, S. 2005: S. 30. 215 Winter / Merai 2007: S. 6.
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
- 76 -
Die Heterogenität der G 77 führt zu unterschiedlichen Auffassungen bei der
Bewertung und Bekämpfung des Klimawandels. Während die Reduktion der
Treibhausgasemissionen aller Länder für Vertreter der AOSIS nicht hoch genug
sein kann, stellen sich OPEC-Staaten gegen konkrete Verpflichtungen seitens der
Entwicklungsländer.
Innerhalb der G 77 existieren verschiedene Konfliktlinien, wie die empirische
Untersuchung im Vorangegangenen zeigen konnte (wirtschaftlich schwache
Staaten sind tendenziell stärker von den Folgen des Klimawandels betroffen, als
Länder mit einem hohen Pro-Kopf-Einkommen; vor allem Erdöl exportierende
Staaten haben einen hohen Ausstoß an THG-Emissionen; die Abhängigkeit von
internationaler Entwicklungszusammenarbeit variiert stark).
3.3 Konklusion
„[T]he climate change regime is a “core” site of learning about how to address climate change and has and can still be a key locus of action, so developing new theories and producing more evidence to better understand intra-G-77 dynamics remains an important task for researchers interested in global environmental politics.“216
Erinnern wir uns zum Abschluss dieser Ausarbeitung noch einmal an die zentrale
Fragestellung der vorangegangenen Untersuchung. Zu Beginn fragten wir uns,
welche Rolle die „Gruppe der 77“ unter besonderer Berücksichtigung interner
Gruppendynamiken bei der Artikulation und Durchsetzung der Interessen der
Entwicklungs- und Transformationsländer beim Technologietransfer im Rahmen
der internationalen Verhandlungen um ein Folgeabkommen für das Kyoto-
Protokoll spielt.
Wir haben festgestellt, dass die Beantwortung dieser Frage mit einer Untersuchung auf
zwei sehr unterschiedlichen Ebenen erfolgen muss: So muss die G 77 als eigenständiger
Akteur in den Klimaverhandlungen im Spiegel der dabei vorherrschenden
216 Barnett, J. 2008:
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
- 77 -
Machtkonstellationen und Interessengegensätze betrachtet werden. Dies reicht jedoch
nicht aus, um die Positionierung dieser Gruppe ausreichend zu verstehen. Hierzu müssen
darüber hinaus auch die internen Gruppendynamiken beachtet und analysiert werden,
was mit der Untersuchung der Stichprobe im Rahmen dieser Arbeit geschehen ist. Daraus
ließen sich dann auch Rückschlüsse auf das Verhalten der G 77 in den Verhandlungen
ziehen.
Welche Schlussfolgerungen lassen sich nun aus den theoretischen Vorüberlegungen mit
dem konkreten Fallbeispiel ableiten? Der neoliberale Institutionalismus erklärt angesichts
der vielschichtigen Faktoren, die in dem konkreten Fall beim Regime zum
Technologietransfer eine Rolle spielen, zwar nicht das bisherige Nichtzustandekommen
eines solchen Regimes, jedoch lassen sich auf Basis der theoretischen Vorüberlegungen
Aussagen zu den Faktoren für ein solches Regime und damit auch zur Kooperation der
Entwicklungsländer untereinander treffen.
So werden die Staaten auch mit dem Verhandlungsrahmen der UNFCCC und dem
bisherigen Zustandekommen des Kyoto-Protokolls in der Tat in einer
„international society“ sozialisiert, die über die individuellen Interessenkalküle
hinausgeht. Gleichzeitig reicht die damit geschaffene Wertebasis und der
Grundkonsens zur Bekämpfung des Klimawandels jedoch auch nicht aus, um ein
internationales Regimes zum Transfer klimafreundlicher und zur Anpassung an
den Klimawandel notwendiger Technologien zu implementieren.
Kooperation setzt darüber hinaus eine gewisse Schnittmenge an gemeinsamen
Interessen voraus. Inwieweit diese tatsächlich groß genug ist, wird in den
derzeit laufenden Verhandlungen erörtert. Dabei geht es auch darum, die
(langfristigen) Folgen nichtkooperativen Verhaltens für die einzelnen Staaten
deutlich zu machen.
Der Klimawandel stellt ein globales Problem dar, von dem alle Staaten auf
verschiedene Art und Weise betroffen sein werden. Die Verhandlungen im
Rahmen der UNFCCC und die Diskussionen zum Technologietransfer unterstellen
den Vertragsstaaten zumindest das ernsthafte Interesse an einer gemeinsamen
und kooperativen Lösung sowie der Einbindung der Entwicklungsländer in ein
internationales Klimaregime. Dieses gemeinsame Interesse reicht jedoch auch
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
- 78 -
nach Ansicht des neoliberalen Institutionalismus angesichts des strukturellen
Kooperationsdilemmas im internationalen System nicht aus, um in Form eines
Regimes zu einer konkreten Form der Kooperation zu gelangen.
Ein Regime zum Technologietransfer als Teil eines internationalen Klimaregimes
entspricht bisher insbesondere soziologisch-reflektiven Erklärungsansätzen,
basierend auf der historischen Verantwortung der Industrieländer bei dem
gleichzeitigen Bewusstsein aller für die globale Tragweite des Klimawandels,
dessen Bekämpfung eine alle Länder einschließende Aufgabe darstellt. Der CDM
zeigt darüber hinaus eine rationalistische Dimension auf, die der Prämisse des
Kosten-Nutzen-Kalküls entspricht.
Die ebenso wie die Fragestellung zu Beginn der Arbeit formulierten Arbeitshypothesen
bestätigten sich nur zum Teil. Im Spiegel der vorangegangenen Ergebnisse lassen sie sich
nun wie folgt formulieren:
1. Zwar bleiben die 133 Entwicklungs- und Transformationsländer auch im
Zusammenschluss als G 77 ein in sich heterogener Akteur, der sich nicht direkt
mit konkreten Forderungen gegen die Interessen der Industrieländer durchsetzen
kann, doch bedeutet die Größe und Vielschichtigkeit der Gruppe in
zunehmenden Maße auch eine Stärke, die sich auch in einem gewichtigeren
Auftreten der Gruppe im Rahmen der UNFCCC-Verhandlungen widerspiegelt.
2. Eine Einigung beim Technologietransfer stellt in der Tat ein alle
Entwicklungsländer übergreifendes Interesse dar, das sowohl OPEC- als auch
AOSIS-Staaten in weiten Teilen trotz differierender Partikularinteressen
gemeinsam formulieren können. Gleichzeitig beeinflussen die unterschiedlichen
Prioritäten der einzelnen Länder auch die Gewichtung dieser Thematik. Während
Vertreter der AOSIS-Staaten Technologien zur Anpassung an den Klimawandel als
eine ihrer wichtigsten Forderungen definieren, zeigen sich Mitgliedsstaaten der
OPEC eher zurückhaltend, wenn es um eigene Reduktionsverpflichtungen geht,
die durch den Transfer entsprechender klimafreundlicher Technologien erreicht
werden können.
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
- 79 -
3. Inwieweit die Verhandlungsführung der G77 empirisch und nachvollziehbar
tatsächlich weniger vom Interesse der Mehrheit der Entwicklungsländer, als
vielmehr von den Interessen der wirtschaftlich starken Transformations- und
OPEC-Staaten geleitet ist, ließ sich am konkreten Beispiel nur schwer
feststellen. Deutlich wurde allerdings, dass es gerade die Transformationsländer
sind, die sich durch eine direkte Assoziation mit der G 77 stark an die Positionen
der Gruppe binden und dass die Länder der OPEC verhandlungstaktisch aus ihren
Partikularinteressen heraus zum Teil gegenläufig zu den Forderungen der G 77
agieren.
Der Vergleich zur Rolle der G 77 im Rahmen der UNCTAD machte noch einmal die
grundsätzlichen Durchsetzungsdefizite der Entwicklungsländer in internationalen
Verhandlungen zur Stärkung des Technologietransfers deutlich. Ähnlich wie in den
Aushandlungsprozessen unter der UNFCCC zeichnet sich der Erfolg der G 77 zur
Reformierung des internationalen Welthandels weniger durch konkrete, messbare und
nachhaltige Maßnahmen im Bereich des Technologietransfers als vielmehr dadurch aus,
dieses Thema überhaupt auf die internationale Agenda gesetzt zu haben, es ernsthaft zu
verhandeln und eine schrittweise Institutionalisierung im System der Vereinten Nationen
durchzusetzen. Gleichzeitig setzt dies auch ein geschlossenes und starkes Auftreten der
Gruppe im Rahmen der UNCTAD voraus. Vor allem durch die Bündelung der verschiedenen
Interessen der Entwicklungsländer und die Artikulation gemeinsamer Interessen
gegenüber industrialisierten Staaten konnte die G 77 Verhandlungserfolge erzielen.
Dies hängt sicher auch damit zusammen, dass die Ausweitung des Technologietransfers
als solcher ein alle in der G 77 zusammengefassten Staaten vereinendes Interesse
darstellt, dass einzelne Länder auf sich allein gestellt nicht werden erreichen können. Im
Kontext der Klimaverhandlungen spielen jedoch andere Faktoren als bei
wirtschaftspolitischen Verhandlungen eine Rolle, die die Einigung auf eine gemeinsame
Position innerhalb der Gruppe erschweren. So verfolgen etwa die AOSIS- und die OPEC-
Staaten grundsätzlich unterschiedliche Strategien, sowohl was den allgemeinen Verlauf
der Klimaverhandlungen angeht, als auch bei der Bewertung zur Bedeutung von
Anpassungsmaßnahmen gegen den Klimawandel. Durch das hohe Maß an Heterogenität
unterschiedlicher klimarelevanter Indikatoren am Beispiel der in dieser Arbeit
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
- 80 -
untersuchten Stichprobe kann es der G 77 auch nicht gelingen, in den Verhandlungen mit
konkreten Forderungen zum Technologietransfer aufzutreten.
Bereits mit dem Abschlussbericht des IPCC 2007 wurde deutlich, dass ein im Sinne des
Klimaschutzes effektives Nachfolgeabkommen für das Kyoto-Protokoll und damit die
Vermeidung eines gefährlichen Klimawandels nur durch die Einbeziehung der
Entwicklungsländer möglich sein wird. Diese wiederum können Maßnahmen zur Minderung
von THG-Emissionen und zur Anpassung an den Klimawandel kaum allein und aus eigener
Kraft implementieren. Die G 77 stellt hier bei der Bündelung und Artikulation von
Interessen in der Tat einen entscheidenden Akteur dar. Sie besitzt zumindest das
Potential, als gemeinsame Interessenvertretung der Entwicklungsländer in den
Verhandlungen aufzutreten. Doch solange die internen Konfliktlinien zu großer
Uneinigkeit führen und fundamentale Konfliktlinien innerhalb der G 77 die Einigung auf
konkrete Verhandlungspositionen verhindern, solange wird auch die Gruppe weiterhin als
loser Zusammenschluss verschiedenster Länder nur begrenzt Druck aufbauen können.
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
- 81 -
4 Literaturliste
Die in den jeweiligen Fußnoten nur in verkürzter Schreibweise
wiedergegebenen Literaturangaben finden sich in der folgenden Liste in vollständiger Form wieder.
Alle in der Literatur aufgeführten Internetquellen wurden am 2. April 2009 auf ihre Aktualität hin überprüft.
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Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
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INTERVIEWPARTNER
Richard Vincent Worthington Organisation: WWF / South African Climate Action Network (Südafrika) Zeit und Ort: 5.12.2008, CoP 14, Poznan
Sven Harmeling Organisation: Germanwatch; Bereich Klima und Entwicklung (Deutschland) Zeit und Ort: 3.12.2008, CoP 14, Poznan
Lambert Wagner Organisation: Öko-Institut; CDM-Experte (Germany) Zeit und Ort: 5.12.2008, CoP 14, Poznan
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
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5 Abkürzungsverzeichnis
AOSIS Alliance of Small Island States
BAP Bali Action Plan
BMU Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
CDM Clean Development Mechanism
COP Conference of the Parties
EL Entwicklungsland / Entwicklungsländer
EPI Environmental Performance Index
G 77 / China Gruppe der 77 (zusammen mit China)
IL Industrieland / Industrieländer
IPCC Intergovernmental Panel on Climate Change
LDC Least Developed Countries
MDGs Millenium Development Goals
MOP Meeting of the Parties
NAM Non-Aligned Movement (Bewegung der Blockfreien Staaten)
ODA Official Development Assistance
OPEC Organization of Petrol Exporting Countries
UNCSTD Komitees zu Wissenschaft und Technologie für Entwicklung der VN
UNCTAD United Nations Conference on Trade and Development
UNDP United Nations Development Program
UNFCCC United Nations Framework Conference on Climate Change
VN /UN Vereinte Nationen / United Nations
WMO World Meteorological Organization
WTO World Trade Organization (Welthandelsorganisation)
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
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6 Anhang
6.1 Länderauswahl & Indikatoren der empirischen Datenanalyse
Die ausgewählte Stichprobe besteht aus Ländern aller Regionen und enthält Vertreter
aller in der Ausarbeitung aufgezeigten Konfliktlinien. Extreme und Mittelwerte aller sechs
ausgewählten Indikatoren (wirtschaftliche Entwicklung, Gefährdung durch den
Klimawandel, THG-Emissionen, Aktivitäten gegen den Klimawandel, Abhängigkeit von
multi- und bilateraler EZ, Förderung erneuerbarer Energien). Darüber hinaus sind Länder
der AOSIS, LDCs, OPEC-Staaten und Transformationsländer vertreten. Die Weltkarte zeigt
die regionale Verteilung der Länder der Stichprobe (blau):
1 Ägypten
2 Argentinien
3 Bangladesch
4 Brasilien
5 Burkina Faso
6 Burundi
7 Chile
8 China
9 Grenada
10 Indien
11 Indonesien
12 Katar
13 Kuwait
14 Malaysia
15 Malediven
16 Marokko
17 Mauritius
18 Mexiko
19 Mongolei
20 Namibia
21 Nepal
22 Nigeria
23 Peru
24 Philippinen
25 Saudi-Arabien
26 Seychellen
27 Singapur
28 Südafrika
29 Trinidad & Tobago
30 Tunesien
31 Tuvalu
32 Venezuela
33 Vietnam
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
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Wirtschaftl, Entwicklung
Gefährdung durch den
Klimawandel
THG-Emissionen
Aktivitäten gegen den
Klimawandel
Abhängigkeit multi- und
bilaterale EZ
Förderung erneuerbarer
Energien
(Pro-Kopf-Einkommen - purchasing
power parity in USD 2007)
(Global Climate Risk
Index 09)
(pro-Kopf-CO2-Emissionen
2004 in Mio T)
(EPI climate change)
(ODA Mittel 2007 in % des
BNE)
(Anteil EE an Primärenergie-
Produktion 2005)
Quelle HDI 2007 Germanwatch 2008
HDI 2007 EPI 2008 OECD 2008 HDI 2007
Ägypten 4.031,0 110,42 2,3 68,9 1,0 4,2
Argentinien 13.652,4 71,33 3,7 82,3 0,1 8,1
Bangladesch 1.916,2 3,00 0,3 77,1 2,2 34,8
Brasilien 7.825,8 70,00 1,8 83,3 0,017 40,4
Burkina Faso 1.213,0 34,50 0,1 77,6 10,5 ---
Burundi 629,8 64,33 0,03 81,5 45,6 ---
Chile 10.938,6 92,83 3,9 78,4 0,1 22,5
China 6.620,7 26,67 3,8 52,7 0,1 15,0
Costa Rica 10.180,0 39,42 1,5 98,3 0,1 48,1
Grenada 4.945,0 38,17 2,7 --- 6,2 ---
Indien 3.307,9 29,50 1,2 57,9 0,2 31,1
Indonesien 3.570,1 21,08 1,7 59,8 0,9 32,2
Katar 29.800,0 --- 79,3 --- 0,0 0,0
Kuwait 23.416,4 150,42* 37,1 38,6 0,0 0,0
Malaysia 10.091,0 75,00 7,5 61,9 0,024 5,3
Malediven 3.900,0 --- 2,5 --- 8,7 ---
Marokko 4.346,4 106,75 1,4 66,5 1,3 4,3
Mauritius 11.622,1 63,50 2,6 53,5 0,5 ---
Mexiko 9.967,3 31,08 4,2 71,5 0,024 9,6
Mongolei 2.034,0 82,33 3,1 57,5 11,3 1,7
Namibia 7.037,8 79,25 1,2 96,5 2,0 23,8
Nepal 1.379,1 29,42 0,1 98,1 5,8 88,9
Nigeria 1.008,1 65,50 0,9 85,5 6,5 78,7
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Peru 5.725,1 56,33 1,1 87,1 0,5 29,2
Philippinen 4.730,6 53,17 1,0 82,0 0,6 45,1
Saudi-Arabien 14.768,8 124,75* 13,6 50,5 0,008 0,0
Seychellen 15.105,4 70,92* 6,7 --- 2,7 ---
Singapur 28.305,4 125,50 12,3 71,8 0,0 0,0
Südafrika 10.337,8 46,58 9,8 51,4 0,3 10,7
Trinidad & Tobago
14.708,1 --- 24,9 28,7 -0,015 0,2
Tunesien 7.758,2 84,50 2,3 77,1 1,3 13,5
Venezuela 6.485,3 98,00 6,6 68,4 0,035 11,5
Vietnam 2.924,8 16,25 1,2 74,7 3,6 50,3
Entwicklungsländer
5.282,0 --- 2,4 0,9 20,9
LDCs 1.499,0 --- 0,2 9,3 ---
OECD 29.197 --- 11,5 --- 6,2
Welt insgesamt 9.543,0 --- 4,5 0,2 12,6
*1998 – 2007 akkumuliert
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Dargestellt als paarige Konfliktlinien ergeben sich drei graphische Darstellungen, die das
breite Spektrum der innerhalb der G 77 zusammengefassten Länder widerspiegeln.
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6.2
Statements
der Länder auf
der COP 14
(Stichprobe)
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Folgende Punkte standen im Zentrum der gemachten Aussagen
Die Folgen des Klimawandels werden gerade für die Entwicklungsländer
dramatisch sein
Industrieländer müssen die Führungsrolle bei den Reduktionsverflichtungen
einnehmen
Erfolgreiches Abkommen muss in Kopenhagen zustande kommen
Klimaschutz wird in Verbindung gesetzt mit anderen entwicklungspolitischen
Themen (MDGs, Armut)
Teilweise Assoziierung mit der G 77 – jedoch noch stärker: Sprechen im Namen
der Entwicklungsländer
Starker Bezug auf den Bali Action Plan (BAP)
Vor allem die größeren Länder wie Südafrika oder Ägypten assoziierten sich
direkt mit den Positionen der Entwicklungsländer
Nicht alle als Stichprobe ausgewählte Staaten gaben auf der Konferenz von
Posen ein Statement ab
Die Reden sind nachzuhören unter http://copportal1.man.Posen.pl/
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
- 101 -
6.3 Umfrage auf der COP 14 zur Rolle der G 77217
217 a=„stimme voll zu“ / b=„stimme eher zu“ / c=„unentschieden“ / d=„stimme eher nicht zu“ / e=„stimme nicht zu“ / n.a. = keine Angaben (58 Fragebogen ausgefüllt)
TEIL 1:
Technologietransfer
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
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TEIL 2:
Gruppe der 77
Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
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Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
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Machtvolle Akteure? Entwicklungsländer in internationalen Klimaverhandlungen
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