Chemistry my way Lernhilfe Chemie · PDF file5 Chemistry – my way 1. Kapitel: Grundlagen Atome: Historische Betrachtung: Wenn man einen Stein zertrümmert, entstehen immer kleinere
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Statt eines Vorworts
Chemie ist für viele ein Hassfach. Das muss aber nicht sein. Es reicht, einige wenige
Grundlagen zu beherrschen, die aber gründlich(!), um die meisten Fragestellungen
bearbeiten zu können. Dazu ist es aber wichtig, mit Spaß und Verstand an die Sache
heranzugehen.
Was mich an fast allen Chemiebüchern für die Gymnasien gestört hat, ist die
Tatsache, dass die Bedeutung der Elektronen, der Elektronegativität und dem
durchaus menschlichen Verhalten des Habenwollens, des Behaltenwollens und des
Teilens viel zu wenig Beachtung geschenkt wird. Und weil ich das anders machen
will, ist der Titel entstanden: „Chemistry – my way!“
Um unseren Schülern die Chance zu geben, an Chemie Spaß und Erfolg zu haben
und sie gleichzeitig zu animieren, durch eigenes Nachdenken Herausforderungen zu
meistern, ist diese Lernhilfe entstanden. Sie ist (noch) nicht perfekt, auch nicht
vollständig. Aber um es mit Karl Valentin zu sagen: „a bißl was is aa!“
Deshalb widme ich diese Lernhilfe unseren Schülern, besonders denen am
Obermenzinger Gymnasium, dem Gymnasium Dr. Florian Überreiter und dem
Privatgymnasium Holzkirchen.
Grado, Bad Wiessee, in den Sommerferien 2013.
Dr. Bernhard Bayerl
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Inhaltsverzeichnis:
Rot geschriebene Begriffe sind im Glossar definiert und erklärt.
1. Kapitel: Grundlagen
Atome
Elemente
Isotope
Elektronen
Das Bohr‘sche Atommodell
Das Periodensystem der Elemente
Schreibweise chemischer Verbindungen (Lewis-Schreibweise)
Das Prinzip der ungepaarten Elektronen
Elektronegativität
Die Natur chemischer Bindungen
2. Kapitel: Wasser
3. Kapitel: Säuren und Basen
4. Kapitel: Organische Chemie
Aufenthaltsräume der Elektronen
Basiswissen Aliphaten
Alkane
Alkene und Alkine
Alkohole
Aldehyde und Ketone
Carbonsäuren
Ester
Aminosäuren und Proteine
Chemie der Aromaten
Benzol
5. Kapitel: Praktischer Teil
6. Kapitel: Glossar
7. Kapitel: Anhang
8. Kapitel: Übungsaufgaben
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Chemistry – my way
1. Kapitel: Grundlagen
Atome:
Historische Betrachtung:
Wenn man einen Stein zertrümmert, entstehen immer kleinere Teilchen. Demokrit
kam zu dem philosophischen Schluss, dass irgendwann ein Teilchen entstehen
müsste, das nicht mehr teilbar sein würde (atomos = unteilbar).
Für das Verständnis der Chemie genügt es zu wissen, dass Atome aus einem Kern
und einer Hülle bestehen. Jedes Atom hat einen dichten, positiv geladenen Kern, um
den sich ein oder mehrere negativ geladene Elektronen bewegen. Dabei entspricht
die Zahl der Protonen der der Elektronen, Atome sind also elektrisch neutral.
Der Kern besteht aus einem oder mehreren Protonen und kann ein oder mehrere
Neutronen besitzen.
Diese beiden Teilchen machen praktisch die gesamte Masse des Atoms aus. Je mehr
Teilchen im Kern, desto höher die Masse. Jedes Proton und jedes Neutron besitzt die
Masse von 1,7 x 10-24
Gramm, ein Elektron 9 x 10-28
Gramm. Die Masse der
Elektronen kann vernachlässigt werden.
Um diese lästigen Zahlen los zu werden, hat man die Masse eines Protons (und des
Neutrons) als 1U molekulare Einheit (oder 1 Da(lton)) definiert.
Elemente:
Ein Element ist ein Reinstoff, der nur einen Typ von Atomen enthält. So enthält das
Element Wasserstoff nur Atome mit einem Proton im Kern, Sauerstoff dagegen
Atome mit 8 Protonen.
Jetzt wissen wir aber, dass sich gleichnamige Ladungen gegenseitig abstoßen.
Bereits ein Kern mit 2 Protonen sollte also auseinander fliegen. Helium, das Element
mit zwei Protonen im Kern, ist aber besonders stabil. Das liegt zum Einen daran,
dass Helium im Kern neben den beiden Protonen auch zwei Neutronen enthält.
Neutronen wirken also wie ein Klebstoff, der den Kern zusammen hält.
Merke: Jedes Element wird durch zwei Kenngrößen bestimmt: 1. die Anzahl der
Protonen (Ordnungszahl) und 2. die Massenzahl (Zahl der Protonen + Zahl der
Neutronen).
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Isotope:
Elemente bestehen zwar immer aus Atomen mit der gleichen Anzahl an Protonen
(und Elektronen), können sich aber in der Zahl der Neutronen unterscheiden. Genügt
bei Elementen mit einer niedrigen Ordnungszahl meist eine entsprechende Anzahl
an Neutronen, so verschiebt sich das Verhältnis Protonen / Neutronen bei größeren
Kernen zu Gunsten der Neutronen. Ein Beispiel: Der Heliumkern enthält 2 Protonen
und zwei Neutronen, das Element Uran hat aber bei 92 Protonen bereits 146
Neutronen!
Ordnet man die Elemente nach der Anzahl ihrer Protonen an, so ergibt sich eine
Tabelle, wie sie ausschnittsweise in Abb. 1im Anhang wiedergegeben ist.
Wasserstoff steht immer an der ersten Stelle, da er nur ein Proton im Kern hat. An
letzter Stelle der Tabelle natürlich vorkommender Elemente steht das Uran.
Elektronen:
Diese negativen Ladungsträger bewegen sich um den Kern. Um sich eine Vorstellung
von der Entfernung von Kern und Elektronenhülle machen zu können, kann man
sich die Allianzarena als Modell heranziehen: Nimmt man den Anstoßpunkt als Kern
an, würden sich die Elektronen auf der Außenseite des Stadions bewegen.
Merke: Alle chemischen Reaktionen werden durch Wechselwirkungen der Elektronen
bedingt. Der Atomkern als solcher hat mit Chemie nichts zu tun!
Bohr’sches Atommodell:
Erste Hinweise, dass Elektronen nicht ungeordnet und in beliebigen Abständen den
Kern „umkreisen“ lieferten die Spektren der Elemente. Es zeigte sich, dass beim
Übergang von einem höheren auf ein niedrigeres Energieniveau Licht einer
spezifischen Wellenlänge beobachtet werden konnte.
Abb. 1: Wasserstoffspektrum
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Das führte Niels Bohr zu der Annahme, Elektronen bewegten sich auf genau
definierten „Schalen“, die, je höher die Anzahl der Elektronen (und der Protonen)
war, sich wie die einzelnen Schichten einer Zwiebel um den Kern lagern sollten.
Er erkannte, dass die innerste „Schale“ nur zwei Elektronen aufnehmen konnte. Die
zweite, also die etwas weiter vom Kern befindliche, dagegen schon 8; die dritte dann
18.
Abb. 2: Bohrs Vorstellung der Elektronenschalen
Das Periodensystem der Elemente:
Aus Experimenten, die teilweise schon viel früher durchgeführt worden waren,
wusste man, dass sich unterschiedliche Elemente in ihren chemischen Eigenschaften
ähnelten. Deshalb hatten Mendelejeff und Meyer bereits 1869 erkannt, dass sich
diese Verwandtschaften periodisch wiederholten. Unabhängig voneinander ordneten
sie die damals bekannten „verwandten“ Elemente untereinander an.
Ausschlaggebend war zunächst deren molekulare Masse. Zur Zeit der Entwicklung
des „Periodischen Systems der Elemente“ war nur eine begrenzte Zahl an Elementen
bekannt. Tabelle 1(Anhang) zeigt die damals bekannten Elemente und – soweit
bekannt – das Jahr ihrer Entdeckung.
Abbildung 3 zeigt die Urform des PSE, wie sie von Meyer und Mendelejeff
veröffentlicht wurde.
8
Positionen, an denen sie ein Element vermuteten, aber noch nicht kannten, ließen
sie frei. Vergleicht man das ursprüngliche mit einem derzeit aktuellen PSE, so fällt
auf, dass eine ganze Gruppe fehlt.
Es sind die Edelgase. Sie waren schlicht noch nicht entdeckt. Erst mit der Erfindung
der Luftverflüssigung durch Carl von Linde 1893 war es möglich die Luft in ihre
Bestandteile zu trennen.
Machen wir uns noch eines klar. Erst durch die Experimente von Ernest Rutherford
und Henry Becquerel 1911 begann man den Bau der Atome zu verstehen.
Was ist also das Besondere am Bohrschen Atommodell?
Es ist die Erkenntnis, dass die Schalen eine unterschiedliche, aber genau definierte
Anzahl an Elektronen aufnehmen können.
Abb. 4: Die Elektronenverteilung der Elemente der 1. und 2. Periode.
Diese Darstellungsweise ist aber in der Praxis zu unbequem. Hinzu kommt, dass
manche Elemente in verschiedenen Sprachen unterschiedliche Namen tragen (im
Englischen bezeichnet man z. B. Natrium als Sodium, Kalium als Potassium). Zudem
nutzen viele Länder andere Schriftzeichen (z. B. Kyrillisch, Arabisch). Deshalb hat
sich die internationale Gemeinschaft darauf geeinigt Kürzel für jedes Element
einzuführen, die aus 1 oder 2 (bei synthetisch hergestellten Elementen auch 3)
Buchstaben bestehen. Tabelle 2 (Anhang) listet die deutschen und englischen
Bezeichnungen der Elemente der Hauptgruppen auf.
Schreibweise chemischer Verbindungen (Lewis-Schreibweise):
Lewis hat hier eine gute Lösung gefunden, indem er eine Symbolschreibweise
einführte, die den Aufbau eines Moleküls beschreibt. Bei der Lewisformel werden die
einzelnen Atome und Valenzelektronen dargestellt.
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Dabei gelten folgende Regeln:
1. Chemische Reaktionen finden nur zwischen den Elektronen der äußeren Schale
statt, alle abgeschlossenen Orbitale können also vernachlässigt werden.
2. Einzelne Elektronen werden mit einem Punkt ( · ) dargestellt, je zwei durch einen
Strich ( – ).
3. Elektronenpaare, die nicht an der Bindung beteiligt sind, werden als Strich am
jeweiligen Element dargestellt.
Abbildung 5 verdeutlicht diese Aussage an einigen Beispielen.
Abb. 5: Darstellung von Elektronen nach Lewis
Im Periodensystem sehen wir, dass die Elemente Wasserstoff, Lithium und Natrium
ebenso untereinander angeordnet sind wie Fluor und Chlor. Aus Experimenten ist
bekannt, dass diese Elemente besonders reaktiv sind. Während die Elemente der
ersten Hauptgruppe auf der äußersten Schale lediglich ein Elektron zeigen, fehlt den
Elementen der 7. Hauptgruppe ein Elektron um die Schale komplett zu füllen.
Schauen wir auf die Elemente der 8. Hauptgruppe, so sehen wir, dass bei ihnen die
Schalen komplett gefüllt sind. Diese Elemente sind alle gasförmig und können
praktisch nicht zu einer Reaktion mit anderen Elementen gezwungen werden.1
Deshalb nennt man sie Edelgase. Da sie alle jeweils 8 Elektronen in der Außenschale
tragen und dieser Zustand sehr stabil ist, hat man daraus eine fundamentale Regel
abgeleitet: die Oktettregel.
Nehmen wir dem Natrium das eine Elektron auf der dritten Schale weg, so bleibt ein
Teilchen über, das die Elektronenkonstellation des Neons zeigt. Dieses Teilchen ist
positiv geladen, da ihm eine negative Ladung (ein Elektron) fehlt. Wir nennen dieses
Teilchen ein Natriumion.
Betrachten wir nun das Element Chlor. Ihm fehlt ein Elektron um den
Elektronenzustand des Edelgases Argon zu erreichen. Was liegt näher als die
Annahme, dass Chlor bestrebt sein wird, einem anderen Atom dieses Elektron zu
entreißen. Dabei entsteht ein negativ geladenes Ion, das Chloridion.
1
Erst im Jahr 1962 gelang es zumindest das Xenon unter drastischen Bedingungen zu einer
Reaktion zu zwingen.
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Während wir Natrium als Elektronendonator bezeichnen (da es das einsame Elektron
auf der dritten Schale recht leicht abgibt), ist Chlor ein Elektronenakzeptor.
Wie verhalten sich nun die anderen Elemente der dritten Periode? Magnesium mit 2
Elektronen auf der äußeren Schale und Aluminium mit drei geben auch diese recht
bereitwillig ab. Sie sind aber deutlich weniger reaktiv als das Natrium. Phosphor,
Schwefel und Chlor dagegen tendieren dahin Elektronen zum Erreichen der
Edelgaskonfiguration des Argons aufzunehmen. Dabei nimmt die Reaktivität von
links nach rechts zu.
Was aber ist mit dem Silizium los? Vier Elektronen abgeben? Oder vier Elektronen
aufnehmen? Zum Ersten hängt Silizium viel zu stark an seinen Außenelektronen,
zum Zweiten ist es zu schwach, um vier zusätzliche Elektronen an sich zu binden.
Was tun sprach Zeus? Teilen ist die richtige Antwort! Dies trifft nicht nur auf das
Silizium zu, sondern auch – und in einem noch viel stärkeren Sinn – für sein
niedrigeres Homologes, den Kohlenstoff. Die gesamte organische Chemie, wie auch
die Biochemie beruht auf der Eigenschaft Elektronen zu teilen.
Das Prinzip der ungepaarten Elektronen:
Ungepaarte Elektronen in einem Atom stellen einen instabilen, stark
reaktionsfreudigen Zustand dar. So existiert Wasserstoff nur in molekularer Form.
Lediglich unmittelbar nach der Reaktion einer Säure mit einem Metall entsteht
Wasserstoff in atomarer Form, die aber extrem kurzlebig ist. Man spricht vom
Wasserstoff in statu nascendi (im Zustand des Entstehens).
Dieser molekulare Zustand gilt generell, besonders aber bei gasförmigen Elementen.
Um zu zeigen, dass wir ein Wasserstoffmolekül vor uns haben benutzen wir die
Schreibweise H2
. Dies zeigt uns, dass zwei Wasserstoffatome zu einem
Wasserstoffmolekül verbunden sind. Steht die Zahl aber vor dem Symbol z. B. 3 H2
,
so bedeutet das drei Moleküle Wasserstoff. Es sind also 6 Atome gemeint, die aber
als drei H2
–Moleküle vorliegen.
Der Begriff der Elektronegativität:
Wir wissen, dass die Elemente der ersten Hauptgruppe das eine Elektron auf der
Außenschale leicht abgeben können. Je größer das Element, desto weiter ist die
Außenschale vom Kern entfernt. Somit wird die Kraft, die das Elektron bindet immer
schwächer. Zeigen kann man das mit einem einfachen Experiment. Gibt man gleich
große Stückchen Natrium und Kalium in ein halb mit Wasser gefülltes Becherglas so
reagieren beide Metalle heftig mit dem Wasser. Dabei werden erhebliche Mengen
Energie frei. Setzt man Kalium ein, ist diese Energie so hoch, dass sich der gebildete
Wasserstoff entzündet. Beim Experiment mit Natrium ist das meist nicht der Fall.
Noch drastischer verlaufen die Reaktionen mit Rubidium und Cäsium.
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Den Elementen der siebten Hauptgruppe fehlt zur Füllung der Außenschale ein
Elektron. Je kleiner das Element, umso stärker die Kraft sich dieses Elektron zu
„besorgen“. Diese Eigenschaft wurde von Linus Pauling experimentell bestimmt und
in einer dimensionslosen Größe zusammengefasst: der Elektronegativität.
Abb. 6: Die Hauptgruppen des Periodensystems der Elemente mit Angaben der
Elektronegativität
Hauptgruppen
Periode I. II. III. IV. V. VI. VII. VIII.
1 H 2,20 He
2 Li 0,98
Be 1,57
B 2,04
C 2,55
N 3,04
O 3,44
F 3,98 Ne
3 Na 0,93
Mg 1,31
Al 2,75
Si 1,90
P 2,19
S 2,58
Cl 3,16 Ar
4 K 0,82
Ca 1,00
Ga 1,81
Ge 2,01
As 2,18
Se 2,55
Br 2,96 Kr
5 Rb 0,82
Sr 0,95
In 1,78
Sn 1,94
Sb 2,05
Te 2,10
I 2,7 Xe
6 Cs 0,79
Ba 0,89
Tl 1,8
Pb 1,80
Bi 1,90
Po 2,00
At 2,20 Rn
Bedeutung für die Bindungen in einem Molekül
Betrachtet man die Werte der EN (Elektronegativität) von Natrium und Chlor, so fällt
auf, dass diese stark unterschiedlich sind. Die Differenz beträgt 2,23.
Im Gegensatz dazu beträgt EN bei einem Molekül Wasserstoff = 0. Zwischen
diesen „Extremen“ steht das Molekül HCl mit einem EN = 0,96.
Die Natur chemischer Bindungen:
„Eine chemische Bindung ist die Anziehungskraft, die zwei Atome miteinander
verbindet“. (Purvis)
Wie wir wissen, befinden sich ungepaarte Elektronen in einem sehr instabilen
Zustand. Können aber zwei solche Atome miteinander in Wechselwirkung treten,
werden beide Elektronen in ein gemeinsames Orbital übertreten und so die Bindung
dieser Atome zum Molekül bewirken. Diese Art der Bindung, bei der die Elektronen
sich ergänzen, nennt man Elektronenpaar- oder kovalente Bindung. Dieser Typ
Bindung tritt dann auf, wenn die Differenz der Elektronegativitäten gering ist.
Beispiele sind die Moleküle H2
, O2
und CH4
.
Eine völlig andere Situation ergibt sich, wenn die Differenz der Elektronegativität
zwischen den Reaktionspartnern groß ist ( EN > 1,7). In diesem Fall zieht das
elektronegativere Teilchen das einzelne Außenelektron immer weiter in seine
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Außenschale, bis es schließlich vollständig dort aufgenommen wird. Dabei werden
zwei Ionen gebildet: In unserem Beispiel (Abb. 7) ein positiv geladenes Natriumion
(es hat ja ein Elektron weniger) und ein negativ geladenes Chloridion (es hat ja ein
zusätzliche Elektron). Beide Ionen haben jetzt die Elektronenkonfiguration des
nächstliegenden Edelgases erreicht. Diese Situation ist für beide beteiligten
Reaktionspartner sehr günstig und stabil. Abbildung 7 zeigt diese
Elektronenkonfiguration als Bohrmodell.
Abb. 7: Der Elektronenübergang bei der Reaktion von Natrium und Chlor.
Betrachtet man diese Abbildung, wird klar, dass der Ionenradius des Natriums
deutlich kleiner sein muss als der des Natriumatoms. Im Gegensatz dazu muss der
Ionenradius des Chlorids größer sein als der des Chloratoms.
Natrium Chlor
Atomradius 1,86 x 10-10
m 0,99 x 10-10
m
Ionenradius 0,95 x 10-10
m 1,81 x 10-10
m
Um die Ladung der Ionen anzuzeigen benutzt man folgende Schreibweise:
Na -> Na+
+ e-
; Cl + e-
-> Cl-
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Bei den Elementen Wasserstoff und Chlor beträgt EN = 0,96. Reagieren beide
miteinander, sollten wir also Komponenten beider bisher besprochenen
Bindungstypen finden. Durch die hohe EN des Chlors zieht es das Elektron des
Wasserstoffs stark an, jedoch nicht so weit, dass es völlig in seine Außenschale
integriert wird. Dennoch bildet das Wasserstoffelektron mit dem ungepaarten
Elektron des Chlors eine Elektronenpaarbindung, wobei ein polarisiertes Molekül
entsteht. Um diese Situation zu beschreiben formuliert man so:
H+
Cl
Beachte: steht für eine Differenz; für eine teilweise Veränderung!
Merke: Bei einer Differenz der Elektronengativität von >1,7 gibt das Element mit der
niedrigeren Elektronegativität sein(e) Valenzelektron(en) ab. Es entsteht eine
Ionenbindung. Etwa zwischen EN 1,6 und 0,4 spricht man von einer polarisierten
Elektronenpaarbindung. Unter EN von 0,4 von einer kovalenten Bindung.
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2. Kapitel: Wasser
So ein einfaches Molekül, aber ohne es gäbe es kein Leben. Was macht das Wasser
so besonders? Auf den ersten Blick würde man annehmen, dass H2
O unter
Standardbedingungen gasförmig sein müsste. Die Regel besagt, dass höhere
Homologe höhere Schmelz- und Siedepunkte haben. Das würde bedeuten, dass H2
S
erst recht flüssig sein müsste.
Tab.1: Schmelz- und Siedepunkte höherer Homologe von H2
O unter
Standardbedingungen.
Schmelzpunkt Siedepunkt
H2
O 0°C 100°C
H2
S -85,7°C -60,2°C
H2
Se -66°C -41°C
H2
Te -49°C -1,25°C
H2
Po -35,3°C 36,1°C
Wie die Tabelle zeigt, haben alle Wasserstoffverbindungen der höheren Homologen
einen niedrigeren Schmelz- und Siedepunkt als Wasser. An was liegt das?
Betrachten wir dazu die Elektronegativitätswerte der Homologen:
Tabelle 2: Elektronegativität der Hauptgruppenelemente
Hauptgruppen
Periode I. II. III. IV. V. VI. VII. VIII.
1
H
2,20 He
2
Li
0,98
Be
1,57
B
2,04
C
2,55
N
3,04
O
3,44
F
3,98 Ne
3
Na
0,93
Mg
1,31
Al
2,75
Si
1,90
P
2,19
S
2,58
Cl
3,16 Ar
4
K
0,82
Ca
1,00
Ga
1,81
Ge
2,01
As
2,18
Se
2,55
Br
2,96 Kr
5
Rb
0,82
Sr
0,95
In
1,78
Sn
1,94
Sb
2,05
Te
2,10
I
2,7 Xe
6
Cs
0,79
Ba
0,89
Tl
1,8
Pb
1,80
Bi
1,90
Po
2,00
At
2,20 Rn
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Es fällt auf, dass nur die Elemente Stickstoff, Sauerstoff, Fluor und Chlor Werte über
3,0 aufweisen. Dies bedeutet, dass diese Elemente besonders stark an den
Elektronen ihrer Reaktionspartner „zerren“. Daraus resultiert eine Polarisierung des
Moleküls. Im Fall des Wassers ergibt sich folgendes Bild:
Die Elektronendichte ist also in der Nähe des Sauerstoffs besonders hoch. Da sich
ungleichnamige Ladungen anziehen, entsteht eine Wechselwirkung zwischen
Wasserstoff und Sauerstoff unterschiedlicher Moleküle: die Wasserstoffbrücken-
bindung. Diese Bindung hat zwar mit einer Energie von 3 – 7 kcal/mol nur etwa 10%
der Stärke einer kovalenten Bindung (50 – 110 kcal/mol), erklärt aber den
Aggregatszustand des Wassers. Da die höheren Homologen auf Grund ihrer deutlich
niedrigeren Elektronegativität Wasserstoffbrücken nicht ausbilden können, sind sie
gasförmig.
Gefrorenes Wasser ist kristallin aufgebaut. Die einzelnen Moleküle sind dabei mit je
4 anderen über Wasserstoffbrücken verbunden. Die dabei entstehende Struktur ist
weniger dicht als flüssiges Wasser, deshalb schwimmt Eis auf. Zwar nimmt die
Dichte von Wasser bei abnehmender Temperatur zu, die höchste Dichte wird aber
bei 4°C erreicht. Dieses Phänomen nennt man die Dichteanomalie des Wassers.
Oberflächenspannung:
In jeder Flüssigkeit beeinflussen sich die Moleküle gegenseitig. Da innerhalb der
Flüssigkeit die Teilchen ringsum von anderen Teilchen umgeben sind, heben sich
die Kräfte gegenseitig auf. An der Oberfläche fehlen aber die nach oben gerichteten
Kräfte. Somit werden diese Moleküle „festgehalten“. Im Fall des Wassers ist die
wirksame Kraft besonders hoch (Wasserstoffbrücken). Deshalb kann hier eine
besonders große Oberflächenspannung gemessen werden.
16
Abb. 1: Kräfteverteilung an der Oberfläche von Flüssigkeiten.
Merke: Es gibt eine Flüssigkeit, die eine noch viel höhere Oberflächenspannung als
Wasser zeigt: das Quecksilber (Wasser 20°C: 72,75 mN/m, Quecksilber 20°C:
476,0 mN/m). Kleine Quecksilbertropfen sind fast kugelförmig. Die Ursache liegt
darin, dass eine Kugel der geometrische Körper ist, der bei gegebenem Volumen die
kleinste Oberfläche aller möglichen Körper besitzt. Die hohe Oberflächenspannung
erzwingt daher die Kugelform.
Abb.2:
Amphoterer Charakter:
Amphotere Verbindungen sind Substanzen, die sowohl Protonen aufnehmen als auch
abgeben können.
Wie wir wissen, besitzt der Sauerstoff im Wassermolekül zwei nicht bindende (freie)
Elektronenpaare. Diese deutliche Partialladung ist zum einen für die Ausbildung der
Wasserstoffbrücken verantwortlich, kann aber in seltenen Fällen dazu führen, dass
aus zwei Wassermolekülen sowohl ein H3
O+
- als auch ein OH-
-Ion entstehen. Selten
ist vielleicht ein zu schwachen Ausdruck: bei 20°C ist nur eines von 107
Molekülen
dissoziiert. Dieses Verhalten des Wassers nennt man Autoprotolyse.
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3. Kapitel: Säuren und Basen
Wir erinnern uns an das Molekül HCl. Zwischen den beiden Atomen ist eine stark
polarisierte Elektronenpaarbindung ausgebildet. Durch die hohe Elektronegativität
des Chlors wird das Elektron des Wasserstoffs stark angezogen. Dennoch kommt es
im HCl-Gas nicht zu einem Elektronenübergang, da ein isoliertes Proton nicht
existieren kann.
Völlig anders ist die Situation, wenn HCl-Gas in Wasser eingeleitet wird. Betrachten
wir dazu die Lewisformel.
Abb. 1: Lewisformel eines Wassermoleküls.
Der Sauerstoff mit seinen 6 Außenelektronen benötigt nur zwei Elektronen zum
Oktett. Dies bedeutet, dass 2 Elektronenpaare nichtbindend sind und für andere
„Scherze“ zur Verfügung stehen. In unserem Fall kann sich das Proton aus dem HCl-
Molekül lösen, da es durch die freien Elektronenpaare des Sauerstoffs stabilisiert
wird. Es entstehen zwei neue Moleküle: das H3
O+
-Ion und ein Chlorid-Ion (Cl-
).
Als Gleichung formuliert:
HCl (g) + H2
O (l) => H3
O+
(aq) + Cl-
(aq)
Die wässrige Lösung von HCl-Gas zeigt alle Eigenschaften einer Säure. Gehen wir
davon aus, dass die Ursache für die Eigenschaft „sauer“ ein abspaltbares Proton ist,
so müssten auch andere uns bekannte Säuren über mindestens ein solches Proton
im Molekül verfügen.
Wir kennen Schwefelsäure (H2
SO4
), Salpetersäure (HNO3
) Essigsäure (CH3
COOH) und
die Blausäure (HCN). Alle diese Säuren haben mindestens ein Wasserstoffatom in der
Summenformel. Gehen wir davon aus, dass mindestens ein Proton abgespalten
werden kann, können wir von Protonendonatoren sprechen.
Wem „schenken“ (lat. donare) diese Stoffe nun das Proton? Einem der es annimmt –
einem Protonenakzeptor (lat. accipere annehmen). Wir kennen bereits einen solchen
Stoff: das Wasser. Hier haben wir festgestellt, dass sich das Proton an ein
nichtbindendes Elektronenpaar anlagert.
Wenn wir nun das Gas NH3
in Wasser einleiten erhalten wir eine Substanz, die
basisch reagiert. Da aber nur Ammoniak und Wasser miteinander reagiert haben,
muss das Proton, das sich an das nichtbindende Elektronenpaar anlagert von Wasser
kommen. Spalten wir vom Molekül H2
O ein Proton ab, bleibt ein OH-
-Ion über.
Die Eigenschaft „Base“ gilt aber nicht nur für Ammoniumhydroxid, sondern auch für
andere Basen, wie z. B. die Natronlauge (NaOH).
18
Wenn unsere Annahme stimmt, dass wir bei Säuren H3
O+
-Ionen und in Basen OH—
-
Ionen im Überschuss vorfinden, sollten sich, wenn wir gleiche Mengen Salzsäure und
Natronlauge zusammengeben, sowohl die Eigenschaft „sauer“ als auch „basisch“
ausgleichen (neutralisieren). Gehen wir mit unserem Experiment noch einen Schritt
weiter und verdampfen wir das Wasser aus unserer Lösung, bleiben nur Natrium-
und Chloridionen über, die sich zu dem Stoff NaCl verbinden (ungleichnamige
Ladungen). Tatsächlich erhalten wir einen kristallinen Feststoff, der salzig schmeckt.
Kein Wunder, denn das ist Kochsalz!
Merke: Säuren und Laugen reagieren zu Salz und Wasser!
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4. Kapitel: Organische Chemie
Aufenthaltsräume der Elektronen:
Während zum Verständnis der Reaktionen im Bereich der anorganischen Chemie das
Bohr‘sche Atommodell ausreicht, brauchen wir für die organische Chemie, speziell
die Chemie der Aromaten, ein verfeinertes Modell.
Elektronen bewegen sich in Aufenthaltsräumen um den Kern. Diese Orbitale sind so
definiert, dass sich die Elektronen zu 90% darin aufhalten. Ort und Geschwindigkeit
(Energie) sind nicht gleichzeitig exakt zu bestimmen (Heisenberg‘sche
Unschärferelation).
Der innerste Aufenthaltsraum (K-Schale oder 1s-Orbital kann nur 2 Elektronen
aufnehmen und ist, ähnlich wie ein Tischtennisball, kugelförmig.
Mit dem Element Lithium und den anderen Elementen der 2. Periode kommt ein
weiterer Aufenthaltsraum dazu, weiter vom Kern entfernt liegt (L-Schale, im
genaueren Orbitalmodell als 2s, 2px
, 2py
und 2pz
bezeichnet). Hier können maximal
8 Elektronen Platz finden (je 2 in 2s und in jedem 2p). Mit dem Edelgas Neon ist die
maximale Besetzung und damit der Edelgaszustand erreicht.
S- und p-Orbitale unterscheiden sich in ihrer Form und somit in ihrem
Energieniveau. P-Orbitale gleichen Hanteln, die sich in x, y und z-Richtung
erstrecken. (Es ist leichter immer im Kreis zu laufen, als in einer 8er-Bewegung, p-
Orbitale liegen also energetisch höher). Dennoch können sich s-und p-Orbitale einer
Periode überlagern (hybridisieren). Tun dies alle, wie beim Methan, bilden diese
Hybridorbitale einen Tetraeder, da hierbei die Elektronenwolken den weitest
möglichen Abstand voneinander haben.
Abb.1: Tetraeder (sp3
-Hybrid)
Angewandt auf das einfachste organische Molekül, das Methan (CH4
), zeigt sich,
dass alle Kohlenstoff- Wasserstoff-Bindungen gleichwertig sind. Dies gilt auch für
alle längerkettigen Alkane.
20
Überlagern sich die Energieniveaus von nur 2 p-Orbitalen mit dem s-Orbital ist der
ideale Bindungswinkel zwischen den Hybridorbitalen 120°. Senkrecht dazu steht das
nicht hybridisierte p-Orbital.
Durch den geringen Abstand der Kohlenstoffatome in der Bindung überlappen aber
nicht nur die hybridisierten Orbitale sondern auch die nicht hybridisierten. Es
existieren somit zwei unterschiedliche Bindungstypen. Wichtig dabei ist, dass diese
Bindungen nicht gleichwertig sind. Der Anteil der nichthybriden Bindung ist
wesentlich reaktionsfreudiger, was sich bei Experimenten mit Alkenen leicht zeigen
lässt. (Unterschiedliche Reaktionsmechanismen bei der Bromierung von Alkanen und
Alkenen.)
Noch etwas: während die Atome bei Einfachbindungen frei drehbar sind, haben wir
bei Doppelbindungen planare Gebilde vor uns, die im Bereich der Doppelbindung
starr sind.
Abb. 2: sp2
-Hybrid am Beispiel von Ethen
21
Basiswissen Aliphaten:
Alkane sind gesättigte Verbindungen von Kohlenstoff und Wasserstoff. Sie enthalten
nur Einfachbindungen zwischen Kohlenstoff und Wasserstoff bzw. Kohlenstoff und
Kohlenstoff. Sie haben weder Doppel- noch Dreifachbindungen. Ihre Endung ist –an.
Homologe Reihe der Alkane:
Methan CH4
Ethan C2
H6
Propan C3
H8
Butan C4
H10
Pentan C5
H12
Hexan C6
H14
Die allgemeine Formel lautet: Cn
H2n + 2
Neben den linearen (kettenförmigen) Alkanen gibt es auch cyclische (ringförmige)
und verzweigte Alkane. (z. B. Cyclohexan). Die Molekularformel lautet C6
H12
.
Alkene sind ungesättigte Verbindungen von Kohlenstoff und Wasserstoff. Sie
enthalten mindestens eine Doppelbindung. Ihre Endung ist –en.
Alkine sind ungesättigte Verbindungen von Kohlenstoff und Wasserstoff. Sie
enthalten mindestens eine Dreifachbindung. Ihre Endung ist –in.
Die Reaktion von Alkanen mit Brom läuft nur unter Einfluss von Sonnenlicht oder
einer starken Lichtquelle ab (radikalische Substitution).
Alkene und Alkine werden auch im Dunkeln bromiert. Daraus folgt:
1. Die Reaktion läuft nach einem anderen Mechanismus ab.
2. Die Doppel- bzw. Dreifachbindung unterscheidet sich signifikant von einer
Einfachbindung.
22
Alkohole
Man unterscheidet primäre, sekundäre und tertiäre Alkohole.
Primärer sekundärer tertiärer Alkohol
Entscheidend ist dabei, wie viele weitere Kohlenstoffatome direkt mit dem
Kohlenstoffatom, welches die OH-Gruppe trägt, verbunden sind.
Während diese Alkohole nur jeweils eine OH-Gruppe tragen, tragen einwertige
Alkohole eine, zweiwertige zwei und dreiwertige drei OH-Gruppen.
Einwertig und primär
zweiwertig
dreiwertig
23
Aldehyde und Ketone
Durch Oxidation mit heißem Kupferoxid werden aus primären Alkoholen Aldehyde,
sekundäre reagieren zu Ketonen und tertiäre Alkohole können nicht oxidiert
werden, ohne die Struktur zu zerstören.
Bei Verwendung eines kräftigeren Oxidationsmittels entstehen aus den Aldehyden
die entsprechenden Carbonsäuren.
Carbonsäuren
Säuren in wässriger Lösung zeichnen sich dadurch aus, dass sie mindestens ein
Proton abspalten können. Bei Carbonsäuren (organische Säuren) wird immer nur
das Proton der Carboxylgruppe abgespalten.
Bitte beachten: Es gibt auch Carbonsäuren mit mehr als einer Carboxylgruppe!
24
Ester
Reagieren Alkohol und Carbonsäure in einer Gleichgewichtsreaktion miteinander,
entstehen Ester und Wasser.
Aminosäuren und Peptidbindung
Aminosäuren sind Carbonsäuren, bei denen ein Wasserstoffatom durch eine
Aminogruppe ersetzt ist.
Werden Aminosäuren unter Wasserabspaltung verknüpft, entsteht ein Dipeptid.
Diesen Bindungstyp nennt man Peptidbindung.
25
Chemie der Aromaten:
Die Geschichte der Chemie der Aromaten beginnt mit der Untersuchung des
Steinkohlenteers. Eine Substanz gab besondere Rätsel auf:
Sie ließ sich wie folgt beschreiben:
Summenformel: C6
H6
Schmelzpunkt: 5,5°C
Siedepunkt: 80,1°C
Dichte: 0,88 g/cm3
Farbe: farblos
Geruch: charakteristisch
Die Summenformel verlangt nach mehreren Doppelbindungen in der Struktur,
(Ausnahme die Diagonalformel von Claus) die Reaktionen der Substanz schlossen
sie aber aus. (Keine Reaktion mit Brom wie bei den Alkenen!)
Unter den 217 möglichen Strukturen erwies sich der Vorschlag Kekulés als
annähernd richtig. Ein Sechsring mit abwechselnden Einfach- und Doppelbindungen.
Abb.1: Strukturvorschag Kekulés:
Auch die Darstellungsweise mit ständig wechselnden (oszillierenden)
Doppelbindungen erklärt nicht die fehlende Reaktion mit Brom. Erinnern wir uns an
die Elektronenstruktur von Ethen: senkrecht zu den hybridisierten Orbitalen stehen
die nichthybridisierten. Der Doppelbindungsanteil entsteht durch deren
Überlappung. Angewandt auf das Molekül C6
H6
sollten sich alle nichthybridisierten
Orbitale überlappen. Damit verschwinden die isolierten Doppelbindungen
(mindestens ein weiteres Kohlenstoffatom zwischen den Doppelbindungen) und es
entstehen konjugierte Doppelbindungen.
26
Konsequenz daraus ist ein symmetrisch gebautes Molekül, bei dem die
Bindungslängen zwischen denen einer Einfach- und einer Doppelbindung liegen
müssen. Sowohl die Messungen der Bindungslängen als auch die
Rasterkraftmikroskopie bestätigen diese Annahme.
Abb. 2: Drei miteinander verbundene C6
H6
-Ringe (Lawrence Berkeley Lab)
Die Überlappung der Doppelbindungsanteile oberhalb und unterhalb der
Hauptebene ist energetisch günstiger als die Annahme dreier lokalisierter
Doppelbindungen. Darin liegt die Ursache für die mangelnde Reaktivität dieses
Moleküls.
Abb. 3: Mesomerie
Mesomerie der nichthybridisierten Elektronenwolken (delokalisiertes
Elektronensystem) in konjugierten Doppelbindungen ist das charakteristische
Merkmal der Chemie der Aromaten.
Wer hätte gedacht, dass ein so einfaches Molekül solche Probleme machen würde?
Und selbst beim Namen gibt es Konfliktstoff: Liebig schlug den Namen Benzol vor.
Die Endung –ol ist aber in der internationalen Nomenklatur der Stoffgruppe der
Alkohole vorbehalten. Nur Deutschland benutzt noch die Bezeichnung Benzol, im
wissenschaftlichen Jargon hat sich der Name Benzen durchgesetzt.
27
5. Kapitel: Praktischer Teil
Experimente, Methoden und Verfahren
Um herausfinden zu können, um welchen chemischen Stoff es sich handelt, ist es
erforderlich zu wissen, ob es sich um einen Reinstoff oder ein Stoffgemisch handelt.
Bei heterogenen Stoffgemischen ist die Entscheidung oft einfach. Ein genauer Blick
(manchmal auch durch ein Mikroskop) zeigt unterscheidbare Bereiche, die klar
voneinander abgegrenzt sind.
Schwieriger wird es bei homogenen Gemischen. Ihnen sieht man nicht an, ob sie
wirklich aus mehreren Stoffen bestehen.
Tabelle 1 zeigt mit welchen Arten an Stoffgemischen wir zu tun haben können.
Feststoff Flüssigkeit Gas Art des Gemisches
Feststoff z. B. Granit
Suspension, z. B. Schlamm
Rauch, z. B. rußender Dieselmotor
heterogen
Legierung, z. B. Messing, Weißgold
Lösung, z. B. Salzwasser -
homogen
Flüssigkeit Fest- flüssig-Gemisch, z. B. Bindemittel für Benzin Emulsion, z. B. Sahne
Nebel, z. B. Regenwolke
heterogen
- Lösung, z. B. Wein -
homogen
Gas poröser Stoff, z. B. Styropor Schaum Gasgemisch, z. B. Luft
heterogen
-
Lösung, z. B. Sprudelwasser
homogen
Zur Trennung dieser Gemische kann man die verschiedenen physikalischen
Eigenschaften ausnutzen.
Vielfach nutzt man die unterschiedliche Dichte der Gemischteile. Soll man
Holzspäne von Sand trennen, genügt es beide in Wasser zu geben. Will man Milch in
Magermilch und Sahne trennen, zentrifugiert man. Flüssigkeitsgemische kann man
durch Destillation trennen, es wird die Siedepunktsdifferenz ausgenutzt. Ist ein
Bestandteil des Gemisches magnetisch nutzt man diese Eigenschaft aus. Tabelle A
im Anhang listet die wesentlichen Trennmethoden auf.
Beachte: Durch diese Trennverfahren hat man zwar aus einem Stoffgemisch
Reinstoffe gewonnen, die Identifizierung erfolgt aber auf chemischen Weg!
28
Reinstoffe
Allein der Begriff Reinstoff bedarf einer näheren Betrachtung. Es stellt sich die Frage,
wann ein Reinstoff so genannt werden kann. Jede Chemikalie enthält neben der
Substanz, die auf dem Etikett angegeben ist, unterschiedliche Mengen an
Fremdsubstanz. Diese kann man zwar entfernen, je reiner aber der Reinstoff sein
soll, desto aufwändiger und damit teurer ist Entfernung der Fremdstoffe in der
Chemikalie. Trotzdem, eine 100%ige Reinheit ist nicht zu erreichen. Silizium ist die
Substanz, die bisher am reinsten hergestellt werden konnte. Silizium, wie es die
Solarindustrie benötigt, hat eine Reinheit von 99,9999999%, das bedeutet, dass auf
eine Milliarde Siliziumatome nur ein Fremdatom kommt.
Kenngrößen von Reinstoffen:
Um die Identität einer Substanz näher zu bestimmen, nutzt man ihre spezifischen
Eigenschaften aus. Die wichtigsten physikalischen Kenngrößen sind:
Schmelz- und Siedetemperatur
Dichte
Farbe, Geruch und Geschmack
Optische Eigenschaften
Härte
Aggregatszustand unter Normalbedingungen
Elektrische Leitfähigkeit
Wärmeleitfähigkeit
Löslichkeit
Wenn auch keine dieser Kenngrößen (vielleicht mit Ausnahmen von Schmelz- und
Siedetemperatur) eine Substanz eindeutig zu identifizieren vermag, geben sie doch
deutliche Hinweise auf die Natur des Stoffs.
Planung von Experimenten
Ehe ein Experiment durchgeführt wird, ist ein Versuchsprotokoll anzulegen.
29
Abb.1: Muster eines Versuchsprotokolls:
Versuchsprotokoll:
Experimentator: Datum:
Versuchsansatz:
Chemikalien:
Geräte:
Vorsichtsmaßnahmen:
Versuchsaufbau:
Geplanter Versuchsablauf:
Reaktionsgleichung:
Beobachtungen:
Auswertung:
Entsorgung:
30
Chemikalien sind in unterschiedlicher Weise gesundheitsschädlich, giftig oder
gefährlich. Deshalb muss für jede Reagenz eine Gefahrstoffanalyse vorgenommen
werden. Das gilt auch für die beim Experiment entstehenden Stoffe! Die
entsprechenden Angaben findet man auf der Verpackung oder in Tabellen. Um
unnötige Texte zu vermeiden, empfiehlt es sich, Piktogramme zu verwenden.
Abb.2: Piktogramme zur Gefährdungseinschätzung:
Stoffmengen
Reagieren Stoffe miteinander, so kann man beobachten, dass das Verhältnis der
Reaktanden immer gleich ist. Ein gutes Beispiel ist die Reaktion von Wasserstoff mit
Sauerstoff. 2 Teile Wasserstoff und ein Teil Sauerstoff reagieren zu einem Teil
Wasser. Legt man an Wasser eine elektrische Spannung an, entstehen wieder 2 Teile
Wasserstoff und ein Teil Sauerstoff. Dies hat man als das Gesetz der konstanten
Proportionen formuliert.
Um jetzt die richtigen Mengen zu finden hat man die Molekulargewichte der
einzelnen Substanzen definiert. Dabei hat man eine bestimmte Anzahl von Atomen
oder Molekülen bestimmt, die eine bestimmte Masse besitzen. Diese Menge nennt
man ein Mol. Ein Mol besteht aus 6,022 x 1023
Teilchen. Dies ist die Avogadro‘sche
Zahl. Als Referenzgröße wird das Kohlenstoffatom 12
C benutzt. Ein Mol 12
C wiegt
12g. Ein Mol Wasserstoff wiegt 2g (Wasserstoff liegt als H2
-Molekül vor!), ein Mol
31
Helium 4g (Helium als Edelgas atomar!). Nun sind Gase schwer zu wiegen, hier hilft
die Beobachtung, dass in 22,4 l eines (idealen) Gases unter Normalbedingungen ein
Mol Atome (Moleküle) enthalten sind.
32
6. Kapitel: Glossar
Orbital:
Aufenthaltsraum von Elektronen in dem sie sich mit einer Wahrscheinlichkeit von
90% aufhalten.
Oktettregel:
Homologe:
Partialladung:
Dissoziieren:
Gesetz der konstanten Proportionen:
Avogadrosche Zahl:
Sie gibt an, wie viele Teilchen in einer bestimmten Stoffmenge (nämlich einem Mol)
des jeweiligen Materials enthalten sind. Sie ist definiert als:
Mol:
Das Mol ist die Stoffmenge eines Systems, das aus ebenso vielen
Einzelteilchen besteht, wie Atome in 12 Gramm Kohlenstoff-12 (12
C) enthalten sind;
sein Symbol ist „mol“.
Normalbedingungen:
T= 298,15 K, p= 101300 Pa
33
7. Kapitel: Anhang
Tabelle 1: Die Elemente der ersten drei Perioden mit ihren Isotopen.
Ordnungszahl Name Isotope
1 Wasserstoff 1H, ²H, ³H
2 Helium ³He, 4He, 5He, 6He
3 Lithium 6Li, 7Li
4 Beryllium 9Be
5 Bor 10Be, 11Be
6 Kohlenstoff 12C, 13C
7 Stickstoff 14N, 15N
8 Sauerstoff 16O, 17O, 18O
9 Fluor 19F
10 Neon 20Ne, 21Ne, 22Ne
11 Natrium 23Na
12 Magnesium 24Mg, 25Mg, 26Mg
12 Aluminium 27Al
14 Silizium 28Si, 29Si, 30Si
15 Phosphor 31P
16 Schwefel 32S, 33S, 34S, 35S
17 Chlor 35Cl, 37Cl
18 Argon 36Ar, 38Ar, 40Ar
Tabelle 2: Die Elemente der Hauptgruppen des Periodensystems als Symbol, mit
deutschem und englischem Namen.
Ordnungszahl Symbol deutsche englische Bezeichnung
1 H Wasserstoff Hydrogen
2 He Helium
3 Li Lithium
4 Be Beryllium
5 B Bor Boron
6 C Kohlenstoff Carbon
7 N Stickstoff Nitrogen
8 O Sauerstoff Oxygen
9 F Fluor Fluorine
10 Ne Neon
34
11 Na Natrium Sodium
12 Mg Magnesium
13 Al Aluminium
14 Si Silicium Silicon
15 P Phosphor Phosphorus
16 S Schwefel Sulfur
17 Cl Chlor Chlorine
18 Ar Argon
19 K Kalium Potassium
20 Ca Calcium
31 Ga Gallium
32 Ge Germanium
33 As Arsen Arsenic
34 Se Selen Selenium
35 Br Brom Bromine
36 Kr Krypton
37 Rb Rubidium
38 Sr Strontium
49 In Indium
50 Sn Zinn Tin
51 Sb Antimon Antimony
52 Te Tellur Tellurium
53 I Jod Iodine
54 Xe Xenon
55 Cs Caesium
56 Ba Barium
81 Tl Thallium
82 Pb Blei Lead
83 Bi Wismut Bismuth
84 Po Polonium
85 At Astat Astatine
86 Rn Radon
87 Fr Francium
88 Ra Radium
35
Tabelle 3: Liste der Elemente, die bis 1869 bekannt waren.
Jahr der Entdeckung Name des Elements Symbol Ordnungszahl
antik Schwefel S 16
antik Eisen Fe 26
antik Kupfer Cu 29
antik Arsen As 33
antik Silber Ag 47
antik Zinn Sn 50
antik Antimon Sb 51
antik Gold Au 79
antik Blei Pb 82
antik Quecksilber Hg 80
~ 1400 Wismut Bi 83
1669 Phosphor P 15
~ 1694 Kohlenstoff C 6
1735 Kobalt Co 27
1735 Platin Pt 78
1746 Zink Zn 30
1751 Nickel Ni 28
1755 Magnesium Mg 12
1772 Stickstoff N 7
1774 Sauerstoff O 8
1774 Chlor Cl 17
1774 Mangan Mn 25
1776 Wasserstoff H 1
1781 Molybdän Mo 42
1783 Tellur Te 52
1783 Wolfram W 74
1789 Zirkonium Zr 40
1789 Uran U 92
1790 Strontium Sr 38
1791 Titan Ti 22
1794 Yttrium Y 39
1797 Beryllium Be 4
1797 Chrom Cr 24
1801 Nobium Nb 41
1802 Tantal Ta 73
1803 Rhodium Rh 45
1803 Palladium Pd 46
1803 Cer Ce 58
1803 Osmium Os 76
1803 Iridium Ir 77
1807 Natrium Na 11
36
1807 Kalium K 19
1808 Bor B 5
1808 Kalzium Ca 20
1808 Barium Ba 56
1811 Jod I 53
1817 Lithium Li 3
1817 Selen Se 34
1817 Kadmium Cd 48
1824 Silizium Si 14
1825 Aluminum Al 13
1826 Brom Br 35
1829 Thorium Th 90
1830 Vanadium V 23
1839 Lanthan La 57
1842 Erbium Er 68
1843 Terbium Tb 65
1844 Ruthenium Ru 44
1860 Cäsium Cs 55
1861 Rubidium Rb 37
1861 Thallium Tl 81
1863 Indium In 49
1867 Holmium Ho 67
37
9. Kapitel: Übungsaufgaben
1. Farbstoffe verfügen über ein ausgedehntes delokalisiertes Elektronensystem. Wir
haben gesehen, dass sich die Farbe ändern kann, wenn Säure oder Lauge
zugesetzt wird.
a. Finde eine plausible Erklärung dafür, dass Methylorange in stark saurer Lösung
gelb erscheint, beim pH-Wert von etwa 3,5 die Farbe nach rot wechselt.
(3 BE)
b. An welcher Stelle des Moleküls findet eine Veränderung statt? Begründen Sie
Ihre Aussage! (3 BE)
2. Nylon wurde 1935 vom amerikanischen Chemiker Wallace Hume Carothers
erstmals hergestellt. Er ließ 1,6-Butandisäure mit 1,6-Hexandiamin reagieren. Das
Patent, das Nylon schützte, war für Deutschland nicht zugänglich. Deshalb
entwickelte der deutsche Chemiker Paul Schlack ein Verfahren, mit dem er die
amerikanischen Patentrechte umgehen konnte.
Als Ausgangsprodukt verwendete er 6-Aminohexansäure.
Formulieren Sie die Reaktionsgleichung (Skelett- oder Kurzformel)! (3 BE)
3. Sie bekommen im Labor einen weißen, wachsartigen Stoff vorgelegt. Er ist
brennbar, nicht wasserlöslich. Die Elementaranalyse ergab, dass nur die Elemente
Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff vorhanden sind. In einer Vorprobe
ermitteln Sie, dass keine ungesättigten Bindungen vorliegen.
a. Welche Reaktion haben Sie dazu nutzen können? (2 BE)
b. Sie haben den Schmelzpunkt bestimmt. Er liegt bei 55°C. Was schließen Sie
daraus? (1 BE)
c. Sie haben das Molekulargewicht der Substanz ermittelt.
Es beträgt 891.48 g/mol. Um welche Substanz könnte es sich handeln? (5 BE)
d. Um Ihre Vermutung zu bestätigen kochen Sie die Substanz in Natronlauge
(10%). Welche Produkte erwarten Sie? (2 BE)
38
4. a. Neutralfette zeigen beim Erwärmen keinen exakten Schmelzpunkt. Erklären sie
dieses Phänomen und vergleichen sie die zugrundeliegende Eigenart mit
Eigenschaften des Kunststoffs Polyethylen. (4 BE)
b. Erklären Sie den Einfluss der van der Waals-Kräfte auf die physikalischen
Eigenschaften von tierischen und pflanzlichen Fetten mit vergleichbar langen
Fettsäuren! (4 BE)
5. Die Geschwindigkeit, mit der chemische Reaktionen ablaufen, wird von mehreren
Faktoren bestimmt.
a. Erläutern Sie welche Parameter die Reaktionsgeschwindigkeit beeinflussen! (4 BE)
b. Setzen Sie diese Parameter zueinander in Beziehung und diskutieren Sie, wie
sich diese gegenseitig beeinflussen! (6 BE)
Sie versetzen 10 g Calzium mit Bromwasserstoffsäure im Überschuss. Sie
beobachten, dass sich das Calzium auflöst und ein Gas entweicht. Formulieren Sie
diese Reaktion in Einzelgleichungen und fassen sie zusammen! (4 BE)
Berechnen Sie, wie viel des entstehenden Gases Sie auffangen können! (4 BE)
6. Bei der Analyse der Bindungslängen der Peptidbindung stellt man fest, dass der
Abstand zwischen dem Kohlenstoff- und dem Stickstoffatom kleiner ist als
beispielweise bei einem Amin.
a. Stellen sie eine belastbare Hypothese auf, die diese Beobachtung erklärt!
b. Erklären Sie, welche Konsequenz dies für die Lage der Atome in der
Peptidbindung hat! (4 BE)
7. Viele Proteine werden erst durch ihre Tertiärstruktur zu einem funktionalen
Enzym. Die Primärstruktur spielt dabei eine ausschlaggebende Rolle.
a. Erklären Sie welche Kräfte die Ausbildung der Tertiärstruktur beeinflussen!
8. Die Ninhydrinreaktion weist durch eine Farbreaktion Proteine nach. Erklären Sie
mithilfe der Abbildung, warum es während der Reaktion zu einer Farbänderung
kommt! (4 BE)
39
9. Amylose ist der Anteil der Stärke, der beim Erwärmen wasserlöslich ist. Durch
Strukturanalysen lässt sich eine spiralige Raumstruktur nachweisen.
a. Erklären Sie, welche Kräfte diese Struktur stabilisieren! (2 BE)
b. Diese Struktur kann für den Nachweis von Amylose genutzt werden.
Beschreiben Sie welche Reagenzien benötigt werden und erklären Sie den
Mechanismus dieser Reaktion! (4 BE)
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