Top Banner
Der Aufstand in Hamburg (Siehe Skizze 2) Die allgemeine Lage in Deutschland im Jahre 1923 Die wirtschaftliche und politische Lage Deutschlands im Jahre 1923 war durch folgende Hauptmomente gekenn- t zeichnet:
15

WU^TU ?Qe`d] ]U^dU WU[U^^( jUYSX^Ud5 - ciml.250x.comciml.250x.com/archive/comintern/german/hamburger_aufstand_kom... · UbV_\WdU 9UcUdje^W TUc IeXbWURYUdUc e^T TUc IXUY^\Q^TUc XQd

May 03, 2018

Download

Documents

leque
Welcome message from author
This document is posted to help you gain knowledge. Please leave a comment to let me know what you think about it! Share it to your friends and learn new things together.
Transcript
Page 1: WU^TU ?Qe`d] ]U^dU WU[U^^( jUYSX^Ud5 - ciml.250x.comciml.250x.com/archive/comintern/german/hamburger_aufstand_kom... · UbV_\WdU 9UcUdje^W TUc IeXbWURYUdUc e^T TUc IXUY^\Q^TUc XQd

Der Aufstand in Hamburg(Siehe Skizze 2)

Die allgemeine Lage in Deutschland im Jahre1923

Die wirtschaftliche und politische Lage Deutschlands imJahre 1923 war durch folgende Hauptmomente gekenn-t zeichnet:

Page 2: WU^TU ?Qe`d] ]U^dU WU[U^^( jUYSX^Ud5 - ciml.250x.comciml.250x.com/archive/comintern/german/hamburger_aufstand_kom... · UbV_\WdU 9UcUdje^W TUc IeXbWURYUdUc e^T TUc IXUY^\Q^TUc XQd

Die (im Januar 1923) erfolgte Besetzung des Ruhrgebietesund des Rheinlandes hat Deutschland der hauptsächlichstenlebenswichtigsten Grundlagen seiner Wirtschaft beraubt:80 Prozent der Eisen- und Stahlerzeugung und 71 Prozentder Kohlenförderung gingen verloren. Im Zusammenhangdamit brach über die deutsche Industrie und' die gesamteVolkswirtschaft des Landes eine schwere Wirtschaftskriseherein, die ihren Tiefstand am Ende des "passiven Wider-standes" der deutschen Regierung gegen die Alliierten(Oktober/November) inden vondhnen besetzten GebietenDeutschlands erreichte. '

Die katastrophale Lage der deutschen Wirtschaft wurdegekennzeichnet durch drei Momente des staatlichen undwirtschaftlichen Lebens: das Erliegen der Industrie und dieZunahme der Erwerbslosigkeit, den Zusammenbruch der ,Staatsfinanzen und die Geldentwertung.

Das prozentuale Verhältnis der Erwerbslosen zur Zahl der'gewerkschaftlich organisierten Arbeiter in ganz Deutschlandergab nach den offiziellen Angaben folgendes Bild:'

Jahr Monats- 1923 Erwerbs- ' Kurz- Insgesamt:durchschnitt: lose arbeiter1913 2,9% Januar 4,2% 12,6% 16,8%1918 1,2% April 7,0% 28,5% 35,5%1919 3,7% September 9,9% 39,7% 49,6%1920 3,8% Oktober . 19,1% 47,3% 66,4%1921 2,8% November .23,4% 47,3% 70,3%1922 1,5% Dezember .28,9% 39,9% 62,2%

Insgesamt betrug die Zahl der Erwerbslosen und der Kurz-arbeiter (die entweder nur einige Tage in der Woche odernur einige Stunden am Tage beschäftigt waren) im, letztenQuartal des Jahres 1923 in Deutschland z i r k a a c h t M i l-I ion e n, d. h. m ehr als die H ä lf ted erg a n zenAr bei t e r k las s e D e u t s c h l a n d s.

Die ungeheuren Staatsmittel, die zur Durchführung derPolitik des "Zuschauens mit verschränkten Armen" im Ruhr-gebiet und im Rheinland taufgewandt werden mußten (ge-naue Angaben liegen nicht vor, jedoch beliefen sich dieseAusgaben im Durchschnitt auf zirka 200-300 Millionen Gold-mark monatlich), ebenso wie die völlige Steuerbefreiung derbesitzenden Klassen (als eine Folge des Zerfalls des Geld- undWährungssystems) führten zu einer .raschen und unaufhör-lichen Zunahme des Defizits im Staatsbudget. So betrugz. B. der Deckungssatz der Staatsausgaben durch Einnahmenim August 1923 1,8 Prozent, während die nichtfundierte

Page 3: WU^TU ?Qe`d] ]U^dU WU[U^^( jUYSX^Ud5 - ciml.250x.comciml.250x.com/archive/comintern/german/hamburger_aufstand_kom... · UbV_\WdU 9UcUdje^W TUc IeXbWURYUdUc e^T TUc IXUY^\Q^TUc XQd

Staatsschuld gegen Ende dieses Monats 1 666677 MilliardenMark ·betrug. Die Staatseinnahmen im November dagegenmachten nur noch 12,3 Millionen Goldmark aus.

Die Deckung fast sämtlicher Staatsausgaben erfolgte durchneue und immer neue Papiergeldemissionen, <1,. h. vermittels .der Inflationssteuer, die mit ihr erg a n zen S c h wer eauf den Schultern der Arbeiterklasse unddes Mit tel s ta n de s las t e t e.

Der Prozeß der Markentwertung schlug ein geradezuschwindelerregendes Tempo ein. So z. B. wurde der amerika-nische Dollar' nach dem offiziellen Kurs an den Börsen inBerlin, Harnburg und Frankfurt am 18. Oktober mit 4-6 Mil-liarden Mark (am Morgen mit 4 und am Abend mit 6 Milliar-den) notiert, am 20. Oktober mit ~5-19 Milliarden Mark, am22. Oktober - mit 46 Milliarden Mark und am 23. Oktober -mit 75 Milliarden Mark.

Die sozialen Folgen des Bankrotts der deutschen Volks-wirtschaft waren ganz unverkennbar und hat t end i eä u ß e r s t e Ver e l e n dun g der A rb e i t e r k 1ass eund des Mit i e l s t a n des (Kleinbürgertum, Angestellte,Pensionäre USW.)l) nach sich gezogen.

Gleichzeitig betrieben Banken, Konzerne und Spekulantenunerhörte Schiebergeschäfte durch die sogenannte Mark-flucht, durch die das Volksvermögen in ausländischer Wäh-rung angelegt wurde. Gerade in dieser Periode entfaltete derberüchtigte Hugo Stinnes eine hemmungslose Tätigkeit, umsich vermittels der Flucht in die Sachwerte immer neue undneue Reichtümer auf Kosten der Verelendung der Nation zu-sammenzuraffen. Die Krautjunker liquidierten ihre Schuldendurch Bezahlung in entwerteter Papiermark. Die. innereStaatsschuld wurde auf Kosten der Verelendung der breite-sten Bevölkerungsschichten liquidiert. Nachdem der "passiveWiderstand" im Ruhrgebiet aufgegeben worden war, stelltedie Regierung die Gewährung von Erwerbslosenunterstützung

1) Für den Betrag der wöchentlichen staatlichen Erwerbslosen-Unterstützung konnte sich ein Erwerbsloser einen Liter Milchoder ein Pfund Brot kaufen. Die Monatspension eines Rentnersoder Invaliden reichte gerade aus, um ein Exemplar einer Zeitungoder eine Schachtel Streichhölzer zu kaufen. Nicht besser wares um die noch 1m Betriebe stehenden Arbeiter bestellt. Die vonden Arbeitern erzwungene. Konzession der zweimaligen wöchent-lichen Lohnauszahlung brachte ihnen keinerlei Erleichterung,' dadas rasche Tempo der Markentwertung und die Zunahme derTeuerung den Lohn des Arbeiters völlig entwerteten und ihn derbrutalsten Ausbeutung auslieferten.

Page 4: WU^TU ?Qe`d] ]U^dU WU[U^^( jUYSX^Ud5 - ciml.250x.comciml.250x.com/archive/comintern/german/hamburger_aufstand_kom... · UbV_\WdU 9UcUdje^W TUc IeXbWURYUdUc e^T TUc IXUY^\Q^TUc XQd

in den besetzten Gebieten ein, während sie gleichzeitig fort-fuhr, den Ruhrindustriellen Subsidien für die angeblich vonihnen durch die Ruhrbesetzungerlittenen Verluste zukommenzu lassen.

Die Wirtschaftskrise des Landes zog die pol i t i s eheK I' i se nach sich. Anfang August kam es zum Generalstreik,der von den unter dem Einfluß der Kommunistischen Parteistehenden Betriebsräten organisiert worden war und die(deutschnationale) Regierung Cuno stürzte. Stresemann, dender Präsident der Republik, der Sozialdemokrat Ebert, mitder Bildung der neuen Regierung beauftragte, erklärte, daßer "die letzte bürgerliche Regierung" bilde. Er war über-zeugt, daß diese Regierung gestürzt und in Deutschland dieDiktatur des Proletariats errichtet werden würde.

Unter dem Einfluß der wirtschaftlichen Not machte dieRevolutionierung der Arbeiterklasse in der Tat rascheFortschritte. Das Kleinbürgertum erwartete die Rettungvon der Aktion des Proletariats und orientierte sich aufdie Revolution. Der Einfluß der Kommunistischen Parteiunter den Arbeitern begann rasch anzusteigen, währendgleichzeitig der Einfluß der Sozialdemokratie unaufhörlichzurückging. Im ganzen Lande. kam es zu sogenannten"Lebensmittelunruhen", die Arbeiter beschlagnahmten kur-zerhand die Lebensmittel in den Läden und verteilten sie.Die Arbeiterklasse bildete spontan proletarische Kampf-hundertschaften und bereitete sich auf die Entscheidungs-kämpfe vor. Im Oktober waren nahezu 250000 Menschen inden proletarischen Hundertschaften organisiert, die zum Teilbewaffnet waren. '

Im Oktober kam es in Sachsen und Thüringen zur' Bildungvon Arbeiterregierungen (aus Kommunlsten und linkenSozialdemokraten), die in der Folge von den Reichswehr-truppen auseinandergejagt wurden. Die Macht ging über indie Hand des Reichswehrbefehlshabers (General Seekt), derden Belagerungszustand über das Land verhängte. Währenddas+Reichswehrkommando im übrigen Deutschland, damitbeschäftigt war, "Ordnung" zu schaffen, ,organisierte dieKonterrevolution in Bayern faschistische Banden zum Marschauf Berlin und zur Errichtung einer starken (diktatorischen)Zentralgewalt. In Westdeutschland schlugen die von den Be-satzungsbehörden unterstutzten Separatisten los. Am 20. Ok-tober gelang es ihnen, in Aachen, Triel', Koblenz und einerReihe anderer Städte des Rheinlandes die "UnabhängigeRheinische Republik" auszurufen.

Die von uns angeführten einzelnen Momente der politischen •

Page 5: WU^TU ?Qe`d] ]U^dU WU[U^^( jUYSX^Ud5 - ciml.250x.comciml.250x.com/archive/comintern/german/hamburger_aufstand_kom... · UbV_\WdU 9UcUdje^W TUc IeXbWURYUdUc e^T TUc IXUY^\Q^TUc XQd

und wrrtschaftllchen Lage Deutschlands in der zweiten Hälfte1923 zeugen mit einwandfreier Klarheit davon, daß inDeutschland zu jener Zeiteine a ku t v r e v ol u-:ti 0 n ä r e Si! u a t i o n g e gebe n w a r, Wäre eine starkeund ideologisch festgeschlossene bolschewistische Partei vor-handen gewesen, hätte sie geschickt und energisch die revo-lutionäre Mobilisierung der Massen betrieben und ihren.Kampf geführt, wäre von unserer Partei eine intensive, ziel-bewußte politische und organisatorische Arbeit zur Vor-bereitung der Massen und der Partei selbst auf den bewaffne-ten Aufstand betrieben worden - so wäre der Erfolg derRevolution im Jahre 1923gesichert gewesen.

Gerade dieser subjektive Faktor, ohne den ein Sieg derRevolution undenkbar ist, war aber in Deutschland nicht vor-handen.

Der Kurs auf die Vorbereitung des bewaffneten Aufstandeswurde vom ZK der KPD erst eingeschlagen-nach demdrei-tägigen Generalstreik im August. Es fehlte der FührungderPartei aber an klarem, Blick sowie an festem Willen hin-sichtlich der Vorbereitung und Durchführung des Aufstandes.

Die kommunistischen Minister, die in Sachsen und Thü-ringen in der Regierung saßen, haben, anstatt aus allenKräften den Regierungsapparat zur Organisierung, Mobilisie-rung und Bewaffnung der Massen für die Zwecke der revo-lutionären Aktion und der Machteroberung auszunützen, eineTätigkeit entfaltet, die sich, im Grunde genommen, in nichtsvon der Tätigkeit der linken Sozialdemokraten unterschied.In der Frage der sächsischen Regierung sowie in einerganzen Reihe anderer Fragen hat das von Brandler geleiteteund von Radek unterstützte Zentralkomitee der Kommunisti-schen Partei Deutschlands ein e ä u ß e r s tun e n t -sc h los sen e, vom 8. Par te i tag de r K P Dun d vomV..K 0 n g r e ß der Kom i nt ern aufs sch ä r f s t e ver-u r t eilt e 0 p p 0 r tun i s ti s c h e P 0 l i ti k b e tri e ben.

Die Partei schenkte der Organisierung der Erwerbslosen,dieses revolutionärsten Elementes in der deutschen Arbeiter-klasse, wenig Aufmerksamkeit und kümmerte sich nur wenigum die Gewinnung der städtischen Kleinbürgerschichten fürdie revolutionäre Front, sie übersah fast gänzlich die Bauern-schaft und u n t e r I i e ß fa s t j e deo r g a n i s a tor i s c heArbeit zur Zersetzung der Armee und der Polizei. Die Ein-heitsfronttaktik wurde dort, wo sie angewandt wurde, inopportunistischem Geiste (Sachsen und Thüringen) durchge-führt und entsprach absolut nicht den in dieser Frage von

I der Komintern erteilten Direktiven. Die revolutionäre Arbeit

Page 6: WU^TU ?Qe`d] ]U^dU WU[U^^( jUYSX^Ud5 - ciml.250x.comciml.250x.com/archive/comintern/german/hamburger_aufstand_kom... · UbV_\WdU 9UcUdje^W TUc IeXbWURYUdUc e^T TUc IXUY^\Q^TUc XQd

in den Gewerkschaften, an diesem entscheidenden Frontab-schnitt des revolutionären Kampfes, hatte infolge des Aus-'tritts der Kommunisten aus den Gewerkschaften außerordent-lich nachgelassen. -

Diese opportunistischen .Fehler der damaligen Führungunserer Partei führten trotz der Iür die Revolution gün-stigen. Umstände und der Kampfbereitschaft der ausschlag-gebenden Schichten des deutschen Proletariats zur Nieder-lage der deutschen Revolution im Jahre 1923,ja sie konntengar nicht umhin, diese Niederlage herbeizuführen.

Die politische Lage in Hamburg

Am 21. Oktober wurde auf Initiative der KommunistischenPartei nach Chemnitz ein Betriebsrätekongreß einberufen.Nach dem Plan des ZK der KPD sollte dieser Kongreß denGeneralstreik proklamieren, der in der Folge, nach dem Plander Kommunistischen Partei, in den bewaffneten Kampf desProletariats um die Macht umschlagen sollte. Nach derUeberzeugung der Hamburger Parteiorganisation ließ dieSituation in Mitteldeutschland erwarten, daß von dort aus inden allernächsten Tagen (im Zusammenhang mit dem Kon-greß in Chemnitz) das Signal zum Aufstand gegeben und daßdieser ganz Deutschland erfassen wird. Diese Meinung wurdenoch verstärkt durch den Umstand, daß unmittelbar vor demHamburger Aufstand aus Nordwestdeutschland Reichswehr-

! truppen zur Niederschlagung der revolutionären Bewegung: nach Mitteldeutschland gesandt worden waren .. Diese Trup-pentransporte haben die Kampfstimmung des HamburgerProletariats außerordentlich gehoben.

Die Voraussetzungen für eine revolutio-näre Massenaktion waren in Hamburg un-zweifelhaft gegeben. Noch eine Woche vor demChemnitzer Kongreß waren in Harnburg die Werft- undTransportarbeiter sowie eine Reihe anderer Betriebe undFabriken in den Streik! getreten. Zum Generalstreik wares nur deshalb nicht gekommen, weil die KommunistischePartei, im Hinblick auf die unmittelbar bevorstehendenEntscheidungskampfe in ganz Deutschland, die auf dieDirektive desZK der KPD hin einsetzen sollten, dieMassen nicht zurrCGeneralstreik-aufrief. Die Konferenz derArbeiter der Seeschiffswerften Norddeutschlands, . die inHamburg tagte, sandte am 21. Oktober eine Delegation nachChemnitz, um die Direktiven zum Losschlagen zu holen. Eine

Page 7: WU^TU ?Qe`d] ]U^dU WU[U^^( jUYSX^Ud5 - ciml.250x.comciml.250x.com/archive/comintern/german/hamburger_aufstand_kom... · UbV_\WdU 9UcUdje^W TUc IeXbWURYUdUc e^T TUc IXUY^\Q^TUc XQd

andere Delegation, unter Führung des bekannten Urhahns,wurde vom Aktionsausschuß der Hamburger Hafenarbeiterebenfalls dorthin gesandt. Die M ass e n f 0 r der t e n einoff e n e s Vor geh e nun d w a rt e t end a r a u f, d a ßs ie von der Kommunistischen Partei auf ge-ruf e n w er den. Am 20. Oktober kam es in den Straßenvon Harnburg zu zahlreichen Zusammenstößen zwischenArbeitern und Polizei. Trotz des herrschenden Ausnahme-zustandes (Belagerungszustand) und des Versammlungs- undDemonstrationsverbotes führten die Massen energisch denKampf.um das Recht auf die Straße. In dieser aufs äußerstegespannten Situation machten sich deutlich die Sympathiender kleinbürgerlichen Elemente für die demonstrierendenArbeiter bemerkbar. Sogar die Schutzpolizei machte ineinigen Fällen kein Hehl aus ihrer Sympathie für diehungernden Massen. Einige Polizeiwachen' stellten auf Be"fehl des Polizeipräsidiums am Eingang des Wach raums spa-nische Reiter auf, stellten Doppelposten aus, die Patrouillenwurden verschärft und mit Maschinenpistolen versehen. Diegesamte Polizei wurde in Bereitschaftsstufe 3, d. h. in diehöchste Stufe der Kampfbereitschaft versetzt.

Gleichzeitig betrieben die Funktionäre der Hamburger So-zialdemokratie eine verstärkte Agitation gegen die Kommu-nisten und warnten 'Vor dem Programm der Kommunisten,das direkt zum Bürgerkrieg und zur Verblutung der Arbeiter-klasse führe. Sie versuchten, den Arbeitern den Gedankendes Kampfes gegen die Polizei und den staatlichen Militär-apparat auszureden und sie zu veranlassen, von der Vorbe-reitung zum Generalstreik und von der Bildung gemeinsamerAktionsausschüsse mit den Kommunisten Abstand zu nehmen.

Sonntag, 21. Oktober: Lebhaftes Treiben auf den Straßen,jedoch nimmt der Feiertag einen verhältnismäßig ruhig euVeFlauf..••Montag, 22. Oktober: DeJ;Streik greift weiter um sich. Inverschiedenen Stadtteilen kommt es zu neuen Zusammen-stößen der Arbeiter mit der Polizei.

Die Lage in Hamburg, besonders in Barmbek, kennzeich-net folgender Artikel, der von einem Hamburger Arbeiter füreine illegale Zeitung unmittelbar nach dem Aufstand ge-schrieben wurde:

"Am 22. Oktober 1923 herrschte ziemliche Erregung. DasStraßenbild: des Arbeiterviertels Barmbek war äußerlich keinbesonders lebhaftes. Man sah Frauen zu zweit und zu dritt mitleeren Marktkörben herumstehen, die einen schweigend, dieanderen in 'lautem Gespräch, wobei sie heftig mit den Händen

Page 8: WU^TU ?Qe`d] ]U^dU WU[U^^( jUYSX^Ud5 - ciml.250x.comciml.250x.com/archive/comintern/german/hamburger_aufstand_kom... · UbV_\WdU 9UcUdje^W TUc IeXbWURYUdUc e^T TUc IXUY^\Q^TUc XQd

gestikulierten. Was soll man kaufen? Was soll man essen? DiePreise stiegen von Stunde zu Stunde.

Am Sonnabend wurden mehrere Läden, in der HauptsacheBäckerläden geplündert. Die Ortspolizei machte von der WaffeGebrauch. Davon wurde niemand satt.

Am Montag nachmittag war es bedeutend ruhiger. Innerlichjedoch kochte es in allen. nie Männer ballten die Fäuste. DieFrauen standen müßig herum. Die Kinder hörten auf zu spielen.Es schien, als würden alle auf etwas warten. Auf was?

Ein Genosse, den ich traf, sagte: .Nun, morgen werden wirnicht 'so ruhig spazierenlauf'en'. Daraufhin ging er weg, umirgendwo vein Stück Brot für sich aufzutreiben. Ein andererG~nosse, der vor einem Fleischerladen die Fleischpreise studierte,faßte mich an der Hand und sagte: ,Wenn die Kommunistenmorgen nichts unternehmen werden, so ist es aus mit der Partei'.Am Abend fand in Barmbek eine Frauenversammlung statt.Thema: .Der Hunger'. Der Saal war überfüllt. Viele der' An-wesenden waren gekommen, nachdem sie vorher vergeblich 'Ver-sucht hatten, irgendetwas zu erstehen und brachten eine nervöseStimmung mit sich. Die Referentin sprach leise. Die Zwischenrufeder Anwesenden hörten sich wie Peitschenhiebe an. In den Bei-

. faUsrufen nach dem Referat lag etwas von den Tönen, eines Haß-geschreis, Die Generallosung war für al1e die Losung ,Kampf'.Auf der Straße standen die Männer in dichtgedrängten schwarzenGruppen umher. Es kamen immer neue Leute hinzu. Die Nachtwar längst angebrochen.

Die Hamburger Hauptstraßen sind voll von zahlreichenMenschenmassen. Die Polizei greift wieder zur Waffe. Herz-zerreißende Schreie hunderter Frauen. Fluche der den Hiebender Polizei auswelchenden Männer. Ueberall sammeln rsich diezerstreuten Massen erneut an den Straßenkreuzungen. Und zwarviel lebhafter als damals, als die Massen den Rücktritt derRegierung forderten.

Einzeln geht ein Flüstern von Ohr zu Ohr: ,Jetzt wird los-geschlagen!' .Wann?' ,Heute Nacht?' ,Morgen?' ,Wann?' Niemandkonnte etwas Bestimmtes sagen." .

Zur Zeit des 20. Oktober war die Stimmung unter denArbeitermassen Hamburgs revolutionärer als irgendwo in·anderen Gebieten Deutschlands. Mit Rücksicht hierauf, so-wie auf den .Umstand, daß im Hamburger Bezirk keine Trup-pen standen, gab das ZK der KPD, das mit einem günstigen.Ausgang des Chemnitzer Kongresses rechnete, der Ham-burger Parteiorganisation die Weisung, den Aufstand inHamburg zu beginnen. Der Aufstand in Harnburg sollte dasSignal werden für den Generalaufstand.

Page 9: WU^TU ?Qe`d] ]U^dU WU[U^^( jUYSX^Ud5 - ciml.250x.comciml.250x.com/archive/comintern/german/hamburger_aufstand_kom... · UbV_\WdU 9UcUdje^W TUc IeXbWURYUdUc e^T TUc IXUY^\Q^TUc XQd

Die Vorbereitungen zum Aufstand

Hamburg ist ...,...zusammen mit Altona, das eng mit ihmverwachsen ist - eine große Industrie- und Hafenstadt. Eshat 1 20000G Einwohner, darunter zirka 600000· Proletarier.

Die Stadt gliedert sich in folgende Teile:a) Die Innenstadt, die durch den Vorort St. Pauli mit der

Innenstadt Altona zusammenhängt. Hier sind auchdie Re-gierungszentren konzentriert, die Post, der Telegraph, dieVerkehrsämter, die Banken, die Börse und die Hauptbürosder Handels- und Industrieunternehmungen.

b) Südlich der Innenstadt - liegt der riesige HamburgerHafen. Hier befinden sich die Handelsinstitutionen, das Zoll-,amt, die Schiffsbauwerften, die Docks, die Lagerhäuser usw.Die Verbindung der Stadt mit dem Hafen erfolgt zum.Teildurch einen Tunnel, der unter dem Hauptflußbett hindurch-führt, außerdem durch zahlreiche Hafenbarkassen, Fähr-boote und Motorboote.

c) Der nordöstliche Stadtteil (die Vororte St. Georg, Hohen-Ielde, Borgfelde, Hamm, Horn, Eilbek, Barmbek usw.) -die Fabrik- und Arbeiterviertel Hamburgs, an die die preußi-schen Gemeinden Schiffbek und Wandsbek grenzen.

d) Im Westen - die Stadt Altona mit ihren StadtteilenOttensen, Bahrenfeld u. a., und die Hamburger StadtteileEimsbüttel und Eppendorf, alles hauptsächlich Proletarier-viertel.

e) Im Norden der Innenstadt, zu beiden Seiten des Beckensder Außenalster, liegen die Bezirke Uhlenhorst, Harvestehude,Winterhude; hier wohnt vor allem die Hamburger Groß-bourgeoisie.

In Harnburg gab es keine Reichswehrtruppen. Die sonst inden' Standorten um Harnburg befindlichen Reichswehrtrup-pen waren auf dem Wege nach Mitteldeutschland. Schutz-polizei gab es in Harnburg ungefähr 5000 Mann, die mit Re-volvern und Maschinenpistolen bewaffnet waren. Auchstanden der Polizei Maschinengewehre, Karabiner und sechsPanzerautoszur Verfügung. Desgleichen verfügte sie übereine ziemlich bedeutende Menge von Waffenvorräten, die inder Hauptsache in den Polizeiwachen, deren es in Harnburg50 gab, und in verschiedenen Lagerhäusern aufbewahrt wur-den. Dieser Waffenvorrat war zur Bewaffnung der Faschistenbestimmt, die im Moment einer bewaffneten Aktion des Pro-letariats mobilisiert werden sollten. Die Panzerautos be-

I fanden sich in den Polizeikasernen und in Wandsbek,

Page 10: WU^TU ?Qe`d] ]U^dU WU[U^^( jUYSX^Ud5 - ciml.250x.comciml.250x.com/archive/comintern/german/hamburger_aufstand_kom... · UbV_\WdU 9UcUdje^W TUc IeXbWURYUdUc e^T TUc IXUY^\Q^TUc XQd

Eine systematische, organisatorische uud politische Arbeitunter der Schutzpolizei war seitens der KommunistischenPartei nicht betrieben worden. Die Schutzpolizei war in ihrerMasse bereit, dem Befehl des reaktionären Offizierkorps derPolizei im Kampfe gegen den Aufstand zu gehorchen.

Obwohl der Einfluß der Sozialdemokratie in den Massendes Hamburger Proletariats ein geringer war, zählte dieHamburger Organisation der· Sozialdemokratie dennoch inihren Reihen etwa 40000 Mitglieder, von denen ein Teil (dieim Apparat sitzenden Bonzen) zweifelsohne gegen eine revo-lutionäre Aktion und bereit waren, einer solchen Aktion mitallen Mitteln entgegenzuwirken.

Die Kommunistische Partei zählte in Harnburg ungefähr18000 Mitglieder. Die Kampforganisation der Partei in Ham-burg hatte nur 1300 Mitglieder. Die kommunistische Kampf-organisation, der sogenannte "Ordnerdienst",abgekürzt OD,war nach dem Wohnbezirksprinzip in Fünfer- und Zehner-gruppen organisiert und wurde von Militärorganisatoren ge-leitet, die den Parteileitungen der Stadtteile unterstanden,Während diese letzteren wiederum durch den Militärorga-nisator der ganzen Stadt geleitet wurden, der der Stadt-parteileitung unterstand. Kurz vor dem Aufstand hatte dieStruktur des OD folgende Formen angenommen: Die untersteZelle - 8 Stoßtruppler und der Führer bildeten eine Gruppe,4 Gruppen bildeten eine Abteilung und 4 Abteilungen wieder-um einen. Zug mit dem Zugführer an der Spitze. Zum Be-stande eines Zuges gehörten mehrere Radfahrer, Motorrad-fahrer, einige Sanitäter (aus dem proletarischen Samariter-bund) und eine Gruppe von Kundschaftern, in der HauptsacheFrauen.

Der OD war anfänglich als Parteiversammlungs- und De-monstrationsschutz gedacht. Zu seinen Funktionen gehörte.auch der Nachtdienst in den Stadtteilleitungen der Partei, inden kommunistischen Druckereien, sowie das Kleben vonAufrufen und Plakaten. Der OD besaß in ganz Hamburg un-gefähr 80 Einheiten von Schußwaffen verschiedenen Kalibers,

. in der Hauptsache Revolver:Als im August auf Direktive des ZK der KPD hin die Bil-

dung proletarischer Hundertschaften begann, stellte der ODaus seinen Reihen die Kader dafür auf. Im Augenblick derOktoberaktion bestanden in Hamburg 15 militärisch organi-sierte proletarische Hundertschaften, die jedoch keineWaffen hatten. Jede Hundertschaft zählte 40-60 Mann inihren Reihen. Die proletarischen Hundertschaften sollteneine proletarische Massenkampforganisation - die Rote

Page 11: WU^TU ?Qe`d] ]U^dU WU[U^^( jUYSX^Ud5 - ciml.250x.comciml.250x.com/archive/comintern/german/hamburger_aufstand_kom... · UbV_\WdU 9UcUdje^W TUc IeXbWURYUdUc e^T TUc IXUY^\Q^TUc XQd

Garde darstellen, die, nachdem sie sich zu bewaffnen hatte,in Zukunft die Aufgabe besaß, den bewaffneten Kampf mitden bewaffneten Streitkräften der Konterrevolution imAugenblick des Generalaufstandes aufzunehmen. Die Auf-gabenstellurig für die- proletarischen Hundertschaften in derHamburger Parteiorganisation (in ihrer Masse) war jedochnicht klar. Das ZK erteilte in dieser Frage keinerlei konkreteDirektiven und tat. nichts, um Aufklärung zu schaffen. DieParteior-ganisation und in gewissem Grade auch der OD be-trachteten die proletarischen Hundertschaften als JIilfstruppedes OD, als Kampfeinsatz. Der Kern der Roten Garde da-gegen war der OD. Die Partei widmete der militärischenAusbildung der Mitglieder des OD, der Auftreibung von

.Waffen usw, größtmögliche Aufmerksamkeit. Es muß betontwerden, daß die m i I i t ä r i s c h e Aus b i I dun g desOD wirklich eine gute war. Der OD verstand es inseiner Masse, mit der Waffe umzugehen, kannte die erforder-lichen Elementarregeln des Straßenkampfes, führte den Er-kundungsdienst unter den Gegnern, in der Hauptsacheunter der Polizei, und hatte verschiedene Pläne zur Entwaff-nungdes Gegners, einen Aufstandsplan usw. ausgearbeitet,mit einem Wort: Der OD bereitete sich intensiv darauf vor,auf den Aufruf der Partei hin den energischen bewaffnetenKampf gegen die Polizei und die Faschisten aufzunehmen.

Am Sonntag, dem 21. Oktober, abends wurde in einerSitzung der verantwortlichen Funktionäre der HamburgerParteiorganisation beschlossen, loszuschlagen. Die Genossenmachten geltend, daß die Situation in Harnburg für eine be-waffnete Massenaktion günstig sei und daß Harnburg dasSignal geben müsse für die Generalaktion des Proletariats.Sein Beispiel würde dann auch 'die anderen Städte mitreißen.Man solle nicht erst die Erklärung des Generalstreiks ab-warten, sondern immer neue und neue Abteilungen des Prole-tariats in den in Harnburg um sich greifenden Streik hinein-ziehen, so daß der Streik auf diese Weise zum Generalstreikwerden würde. Die Situation in Harnburg sei so, daß maneine spontane, unorganisierte Aktion der Arbeiter zu er-warten habe, falls sich die Kommunistische Partei nicht an .die Spitze der Bewegung stelle und sie leite; Es sei selbst-verständlich, daß dies der Autorität der Partei in den Augender Arbeitermassen den allerstärksten Abbruch tun müßte.

Es wurde der Beschluß gefaßt, mit der Erklärung desEisenbahnerstreiks zu beginnen, um die Truppentransporte

I nach Sachsen zu verhindern.

Page 12: WU^TU ?Qe`d] ]U^dU WU[U^^( jUYSX^Ud5 - ciml.250x.comciml.250x.com/archive/comintern/german/hamburger_aufstand_kom... · UbV_\WdU 9UcUdje^W TUc IeXbWURYUdUc e^T TUc IXUY^\Q^TUc XQd

Mit der Annahme dieser Direktive wurde die Beratung ge-schlossen, wobei man am Montag, dem 22. Oktober, um 8 Uhr :abends zwecks endgültiger Entscheidung über die Frage desLosschlagens erneut zusammenkommen wollte.

Der angenommene Aufstandsplan war nach der Schilde-rung eines der Teilnehmer in der Hauptsache folgender:a) Der "Aufstand beginnt durch ein plötzliches Losschlagender bewaffneten Arbeiterabteilungen in den Arbeiterviertelnder Stadt, .wobei in erster Linie die Waffenlager zu besetzensind.

b) Entwaffnung der Polizei und Faschisten in den Arbeiter-vororten.

c) Gleichzeitige Zusammenziehung der bereits bewaffnetenArbeiterabteilungen, die durch Massendemonstrationen ausden Vororten nach der Innenstadt zu decken sind und Zu-rückdrängurig des Gegners (Polizei und Faschisten des Stadt-zentrums) nach Süden (an den Fluß), dessen Brückenüber-gänge schon vorher von den Aufständischen zu besetzen sindund hier endgültige Entwaffnung des Gegners.

d) Besetzung des Post- und Telegraphenamtes, der wich-tigsten Bahnhöfe des Stadt- und Fernverkehrs, des' Flug-platzes und der anderen wichtigsten Objekte, noch bevor dieAbteilungen aus den Vorstädten nach dem Stadtinnernziehen, durch die in diesen Vorstädten befindlichen Kräfteder Partei.

e) Um die Heranziehung von auswärtigen Verstärkungendurch den Gegner· zu unterbinden, war vorgesehen,· ihn aufden Hauptzugangsstraßen, die voraussichtlich für den Nach-schub von auswärtigen Verstärkungen des Gegners in Fragekommen würden, in einen Hinterhalt zu locken. Mit der Or-ganisierung des Angriffs aus dem Hinterhalt und der Ver-nichtung der Wege in der Umgebung von 25 km wurden dieKräfte der Ortsorganisationen der nächstliegenden Arbeiter-städtchen und Siedlungen beauftragt. Die. Organisationenvon. Harburg, Wilhelmsburg, Uetersen und Stade sollten denSchiffsverkehr auf der Elbesperren.

Dieser Aktionsplan wurde in der Sitzung der Leiter desAufstandes am Montag, dem 22. Oktober, um 8 Uhr abendsbestätigt. Zur gleichen Zeit erhielten alle militärischen Leiterder Stadtteile ihre Einzelbefehle zugeteilt. Es wurden dieVerbindungs stellen, der Sitz der Oberleitung usw. bekannt-gegeben. Der Zeitpunkt des Lossohlagens der Kampforgani-sation der Partei (OD) war auf. den 23. Oktober, 5 Uhrmorgens, festgesetzt worden. Das Losschlagen sollte in einer

Page 13: WU^TU ?Qe`d] ]U^dU WU[U^^( jUYSX^Ud5 - ciml.250x.comciml.250x.com/archive/comintern/german/hamburger_aufstand_kom... · UbV_\WdU 9UcUdje^W TUc IeXbWURYUdUc e^T TUc IXUY^\Q^TUc XQd

für den Gegner unerwarteten Weise organisiert erfolgen undder erste Erfolg der Kampforganisation zum Signal für dasLosschlagen der breiten Arbeitermassen zur Eroberung derMacht in Harnburg werden.

Das Fehlen von Unterlagen gestattet uns nicht, auf die vor-bereitenden Maßnahmen des Aufstandes nach der Annahmedes Beschlusses über das Losschlagen in allen Stadtteilenausführlicher einzugehen. Da Wir über den ziemlich um-fassenden Bericht des militärischen Leiters von Barmbekverfügen, dem in der bezeichneten Sitzung vom Montag um8 Uhr abends die militärischen Leiter von Uhlenhorst undWinterhude unterstellt wurden, werden wir uns im weiterenin der Hauptsache mit der Darlegung der Vorbereitung unddes Verlaufes des Aufstandes namentlich in den nordöstlichenArbeitervierteln Hamburgs befassen. Hier spielten sicheigentlich auch alle wichtigsten Ereignisse des HamburgerAufstandes ab.

Nach der Befehlszuteilung über das Losschlagen am23. Oktober um 5 Uhr morgens traf der militärische Leitervon Barmbek, - der selbst erst in der erwähnten Montags-sitzung für diesen Posten ernannt worden war (früher mili-tärischer Leiter von Barmbek, war er aber einige Monatevorher von diesem Posten abgesetzt worden) und sich imZusammenhang damit in einer für ihn schwierigen Situation(Unkenntnis der Leute, außerdem fehlte es überhaupt an In-formationen über den Zustand der Kampforganisation derPartei, über den Zustand des Gegners usw.) befand -, eineganze Reihe von Vorbereitungsmaßnahmen zur Organisie-rung des Losschlagens in den ihm unterstellten Stadtteilen.

Die hauptsächlichste und wichtigste Aufgabe desmilitäri-schen Leiters von Barmbeck bestand darin, die ihm unter-stellten Leiter der Kampforganisation zusammenzuholen, vonihnen Informationen über ihre Kräfte und über die Kräfteder Polizei zu erhalten und ihnen Teilaufgaben zu über-tragen. Außerdem mußte der Plan des Losschlagens derKampforganisation mit der Arbeit der Stadtteilparteileitun-gen zwecks Mobilisierung und Gewinnung der Arbeitermas-sen für den Kampf schon im ersten Augenblick des Losschla-gens der bewaffneten Abteilungen der Stoßtruppler verein-bart werden. Zeit hierzu war außerordentlich wenig vorhan-den.

In der erwähnten Arbeiterinnenversammlung beauftragteder Leiter von Barmbek die ihm bekannten Parteigenossen,die Leiter der Kampforganisationen zu einer Beratung um

I 11 Uhr abends zusammenzuholen (dabei wurde eine illegale

Page 14: WU^TU ?Qe`d] ]U^dU WU[U^^( jUYSX^Ud5 - ciml.250x.comciml.250x.com/archive/comintern/german/hamburger_aufstand_kom... · UbV_\WdU 9UcUdje^W TUc IeXbWURYUdUc e^T TUc IXUY^\Q^TUc XQd

Wohnung angegeben). Dortselbst traf er die Sekretäre derStadtteilorganisationen der Partei von Barmbek und Groß-Hamburg. Es stellte sich heraus, daß die letzteren aus irgendeinem Grunde von dem Beschluß der Partei, am 23. Okto-ber morgens loszuschlagen, nichts wußten. Der militärischeLeiter setzte ihnen in kurzen Zügen den Beschluß der Parteiauseinander, worauf man sich trennte, nachdem mit demSekretär der Parteileitung von Barmbek vereinbart wordenwar, sich im Laufe der Nacht nochmals zu treffen, um end-gültig den Aktionsplan auszuarbeiten.

Um 11 Uhr abends gelang es, sämtliche militärischen Lei-ter von Barmbek zusammenzuholen, jedoch gelang es nicht,die Leiter von Uhlenhorst und Winterhude aufzufinden. In-folgedessen wurde noch eine Beratung auf 1 Uhr morgensam 23. Oktober angesetzt.

Der Leiter von Barmbek erläuterte in der Sitzung um11 Uhr in erster Linie den Beschluß der Partei und gab Be-fehl, die Stoßtruppler nach bestimmten Wohnungen alsSammelstellen zu mobilisieren, wo sie warten sollten, bis sieihre Befehle erhalten. Jeder Stoßtruppler war verpflichtet,außer der in seinem Besitz befindlichen Waffe noch eineRation Brot und Verbandszeug mitzubringen.

Die Barmbeker Kampforganisation der Partei verfügte zu-sammen mit den Organisationen von Uhlenhorst und.Winter-hudeüber ungefähr 19 Gewehre und 27 Revolver; der Gegneraber hatte in diesen Stadtteilen 20 Polizeiwachen, darunter8 mit verstärkter Belegschaft. Außerdem befanden sich in denKasernen von Wandsbek 600 Mann Schutzpolizei und 6 mitje 2 schweren Maschinengewehren bestückte Panzerautos.Der Gegner hatte somit auf seiner Seite eine erdrückendeUebermacht der Kräfte.

Bei der Besprechung des Aktionsplanes kamen die Leiterder Kampforganisation zu dem Schluß, daß es zweckmäßigsei, ihre Hauptkräfte zu konzentrieren auf die plötzlicheUeberrumpelung der Polizeikasernen in Wandsbek und dieErbeutung der Waffen sowie der dort befindlichen 6 Panzer-'autos, außerdem sollte ein Teil ihrer Kräfte auf die Einnahme(oder schlimmstenfalls die Abriegelung) der acht Polizei-wachen mit verstärkter Belegschaft abkommandiert werden,wie das von der militärischen Leitung bei der HamburgerParteileitung befohlen worden war. Diese Erwägungen wur-den jedoch von der Aufstandsleitung in Harnburg nicht be-stätigt, und der Leiter von Barmbek erhielt nochmals Be-fehl zur Ausarbeitung eines Aktionsplanes, der von demgleichzeitigen Angriff auf alle 20 Polizeiwachen ausgehen

Page 15: WU^TU ?Qe`d] ]U^dU WU[U^^( jUYSX^Ud5 - ciml.250x.comciml.250x.com/archive/comintern/german/hamburger_aufstand_kom... · UbV_\WdU 9UcUdje^W TUc IeXbWURYUdUc e^T TUc IXUY^\Q^TUc XQd

sollte, wobei zunächst die Polizeikasernen in Wandsbekaußer Betracht zu lassen waren.

Zur Charakteristik der Vorbereitung des Aufstandes in derNacht vom 22. auf den 23. Oktober muß folgender bezeich-nender Umstand' angeführt werden. Der Sekretär der Partei-organisation von Barrnbek, der bereits von der HainburgerParteileitung von dem bevorstehenden Aufstand erfahrenhatte, teilte dem militärischen Leiter von Barmbek mit, daßer auf Grund von oben erhaltener Weisungen sämtliche Par-teimitglieder mobil zu machen und am 23. Oktober um 4 Uhrmorgens, zwecks Teilnahme am Aufstand und Gewinnungder- Arbeiter für den Kampf, auf die Straße zu führen habe.Als die militärische Leitung bei der Leitung in HarnburgHückfrage hielt, wie ein solcher Befehl mit dem befohlenenplötzlichen Losschlagen der Stoßtruppler zu vereinbarensei, da man doch bei der Aufstellung des ganzen Aktions-planes vom Element der Ueberraschung ausgegangen war,erhielt sie die Antwort,. daß dieser Befehl nicht so tragischzu nehmen sei, da er wohl kaum irgendweIche Bedeutunghabe. -

Wie vorgesehen, versammelten sich um 1 Uhr nachts sämt-liche militärischen Leiter, unter anderen auch die militä-rischen Leiter von Uhlenhorst und Winterhude, zur Beratung,In dieser Beratung umriß der militärische Leiter nochmalskurz die Lage in Deutschland, insbesondere in Hamburg, legteden Aktionsplan dar und gab die erforderlichen Teilbefehle.Es wurde folgende Kräfteverteilung vorgesehen: nach jederPolizeiwache sollten 1 bis 2 Gruppen der Stoßtruppler ge-sandt werden. Nach der Polizeiwache Nr. 46 (Essener Straße)und nach der Wache am Mundsburger Tor sollten angesichtsdessen, daß diese Wachen verstärkte Belegschaft aufwiesen,doppelt so starke Kräfte gesandt-werden, wie nach denanderen Wachen. Auf jede Stoßtruppe kamen zwei Revolveroder ein Gewehr und ein Revolver; Die Kasernen in Wands-bek sollten -erst gestürmt werden, nachdem die Polizei-wachen entwaffnet waren. Jede Gruppe mußte um 4 Uhr55 Minuten ihre Ausgangsstellung beziehen und pünktlich um5 Uhr den Sturm der bezeichneten Wache beginnen. Zwecksgrößtmöglichster 'Genauigkeit wurden die Uhren der Teil-nehmer einheitlich gestellt, um ein gleichzeitiges Beginnenzu ermöglichen.

Laut Meldung der Leiter sammelten sich die Stoßtrupplerin den bestimmten illegalen Wohnungen restlos und zur fest-gesetzten Zeit. Die Versammelten waren alle von Kampf-stimmung beseelt.