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Wieder Daheim „ Willkommen in Atlanta!“, ertönte die tiefe Stimme meines Vaters, lange bevor ich seinen Kopf in der Menschenmenge ausfindig machen konnte. „Willkommen in meinem Albtraum würde es wohl besser treffen“, schoss es mir durch den Kopf, aber ich setzte eine glückliche Miene auf und schlängelte mich mit meinem riesigen Koffer, der gefühlte 50 Kilo wog, durch den Flughafen. Als ich endlich vor meinem Vater stand, ließ er mir keine Zeit zum Verschnaufen, sondern schlang seine Arme um mich und wirbelte mich herum. Dabei schrie er mir immer wieder „Du bist da, du bist wirklich da“ ins Ohr, dass ich dachte, mein Trommelfell würde jeden Augenblick platzen. „ Dad! Die Leute gucken schon!“ Tatsachlich hatten sich einige Personen nach uns umgedreht und schauten uns verdutzt oder belustigt an. Ich hätte schwören können, dass ich aus dem Augenwinkel einen kleinen Jungen sehen konnte, der an der Jacke seiner Mutter zog und mit dem Finger auf uns zeigte. Endlich ließ mich mein Vater los und so konnte ich mir in Ruhe sein Gesicht ansehen. Das letzte Mal hatte ich das vor 2 Jahren getan und nun erschrak ich über sein Äußeres, welches sich so stark verändert hatte. Es war unmöglich, seine Sorgenfalten zu übersehen, die sich deutlich auf seiner Stirn abzeichneten und auch die Augenringe ließen sich nicht verbergen. Er hatte deutlich abgenommen und sein Haar war auch nicht mehr so dicht wie früher. Na ja, wenigstens rasierte er sich noch regelmäßig. Jetzt, wo ich ihm gegenüberstand, war meine schlechte Laune verflogen und ich freute mich wirklich ihn zu sehen. Alan, mein Dad Alan. Ich war mächtig stolz auf ihn. Als ich noch klein war und er mich immer auf seine Schultern setzte, um ein Lächeln auf mein Gesicht zu zaubern, drehten sich alle Frauen zu ihm um und schauten ihm hinterher. Ich fragte mich, ob das heute immer noch so war. Ich war auch stolz, dass er es bis an die Spitze eines großen Versicherungsunternehmens geschafft hatte, allerdings vermutete ich, dass genau das der Grund für seine Augenringe war. „Michelle, hast du vor, mich noch sehr lange anzustarren? Ich steh draußen im Parkverbot und ich habe keine Lust, heute noch einen Strafzettel zu bekommen. Komm, ich nehm deinen Koffer“ Ich senkte etwas beschämt den Blick und schaute ihm zu, wie er meinen Koffer hob, unter dem Gewicht ätzte und sich dann entschied, doch Gebrauch von den Rollen zu machen. Aha, also doch schon erste Alterserscheinungen. Wir verließen den Flughafen und stiegen in den großen, schwarzen Cheep, den ich so liebte. Auch ihm konnte man ansehen, dass er schon einige Jahre hinter sich hatte und die Reifen mussten mal wieder ersetzt werden, aber das war mir reichlich egal, ich fühlte mich trotzdem sicher darin.
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Wenn Das Schicksal Mit Dir Spielt

Aug 05, 2015

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Judith H.
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Wieder Daheim „ Willkommen in Atlanta!“, ertönte die tiefe Stimme meines Vaters, lange bevor ich seinen Kopf in der Menschenmenge ausfindig machen konnte. „Willkommen in meinem Albtraum würde es wohl besser treffen“, schoss es mir durch den Kopf, aber ich setzte eine glückliche Miene auf und schlängelte mich mit meinem riesigen Koffer, der gefühlte 50 Kilo wog, durch den Flughafen. Als ich endlich vor meinem Vater stand, ließ er mir keine Zeit zum Verschnaufen, sondern schlang seine Arme um mich und wirbelte mich herum. Dabei schrie er mir immer wieder „Du bist da, du bist wirklich da“ ins Ohr, dass ich dachte, mein Trommelfell würde jeden Augenblick platzen. „ Dad! Die Leute gucken schon!“ Tatsachlich hatten sich einige Personen nach uns umgedreht und schauten uns verdutzt oder belustigt an. Ich hätte schwören können, dass ich aus dem Augenwinkel einen kleinen Jungen sehen konnte, der an der Jacke seiner Mutter zog und mit dem Finger auf uns zeigte. Endlich ließ mich mein Vater los und so konnte ich mir in Ruhe sein Gesicht ansehen. Das letzte Mal hatte ich das vor 2 Jahren getan und nun erschrak ich über sein Äußeres, welches sich so stark verändert hatte. Es war unmöglich, seine Sorgenfalten zu übersehen, die sich deutlich auf seiner Stirn abzeichneten und auch die Augenringe ließen sich nicht verbergen. Er hatte deutlich abgenommen und sein Haar war auch nicht mehr so dicht wie früher. Na ja, wenigstens rasierte er sich noch regelmäßig. Jetzt, wo ich ihm gegenüberstand, war meine schlechte Laune verflogen und ich freute mich wirklich ihn zu sehen. Alan, mein Dad Alan. Ich war mächtig stolz auf ihn. Als ich noch klein war und er mich immer auf seine Schultern setzte, um ein Lächeln auf mein Gesicht zu zaubern, drehten sich alle Frauen zu ihm um und schauten ihm hinterher. Ich fragte mich, ob das heute immer noch so war. Ich war auch stolz, dass er es bis an die Spitze eines großen Versicherungsunternehmens geschafft hatte, allerdings vermutete ich, dass genau das der Grund für seine Augenringe war. „Michelle, hast du vor, mich noch sehr lange anzustarren? Ich steh draußen im Parkverbot und ich habe keine Lust, heute noch einen Strafzettel zu bekommen. Komm, ich nehm deinen Koffer“ Ich senkte etwas beschämt den Blick und schaute ihm zu, wie er meinen Koffer hob, unter dem Gewicht ätzte und sich dann entschied, doch Gebrauch von den Rollen zu machen. Aha, also doch schon erste Alterserscheinungen. Wir verließen den Flughafen und stiegen in den großen, schwarzen Cheep, den ich so liebte. Auch ihm konnte man ansehen, dass er schon einige Jahre hinter sich hatte und die Reifen mussten mal wieder ersetzt werden, aber das war mir reichlich egal, ich fühlte mich trotzdem sicher darin.

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Wir fuhren gerade auf dem Highway, als Alan sich räusperte und auf seinem Sitz unruhig zappelte. Als er merkte, dass ich ihn beobachtete, sagte er mit leicht zitternder Stimme: „Also…wie geht es dir? Freust du dich, hier zu sein? Ich meine, kannst du es akzeptieren? Ich weiß, es war dein Wunsch, in Chicago zu bleiben, aber ich vermisse dich und ich möchte dich bei mir haben.“ Das war unerwartet. Ich wusste natürlich, dass dieses Gespräch kommen würde, aber musste mein Vater jetzt schon damit anfangen? Konnte das nicht warten, bis ich wenigstens 24 Stunden in meinem neuen Heimatstaat verbracht hatte? Ich verspannte mich und seufzte. Ich erinnerte mich an die dunkelste Zeit meines bisherigen Lebens zurück. Vor genau 3 Jahren war meine Mutter gestorben. „Die herzensgute Wendy“, so wurde sie immer von allen Nachbarn und Freunden genannt. Sie war die Liebe in Person und es gab keinen, der sie nicht auf Anhieb mochte. Sie sah stets das Gute in den Menschen, auch wenn sie noch so schlimme Dinge getan haben. Natürlich war sie auch bei den Männern hoch angesehen. Ihre langen braunen Locken und ihre makellose Figur hatten auch ihren Teil dazu beigetragen. Es war schon öfter vorgekommen, dass mein Vater vor Eifersucht schäumte, aber dann lachte meine Mutter ihr unwiderstehliches Lachen und nahm ihm schnell die Angst. Überhaupt waren meine Eltern ein wunderschönes Paar gewesen. Sie waren überglücklich miteinander und als ich dann kam, ging für sie, das sagte zumindest mein Vater, ein Traum in Erfüllung und das Glück war vollkommen. Doch schon 13 Jahre später endete dieses Glück jäh. Eines Abends kam sie nicht aus der Anwaltskanzlei, in der sie arbeitete nach Hause. Man fand sie 4 Stunden später in einem abgelegenen Waldstück. Die Polizei ging davon aus, dass sie jemand nach der Arbeit verfolgt hatte und dann überfiel. Ihr lebloser Körper war über und über mit Blutergüssen übersät gewesen und die Ärzte fanden Einstichwunden. Das hatte mein Vater mir aber erst viele Monate nach ihrem Tod erzählt. Er wollte seine kleine Tochter nicht erschrecken und erzählte mir, sie hätte einen Autounfall gehabt und wäre ohne Schmerzen gestorben. Nach Mom’s Tod fiel Alan in ein tiefes Loch. Er wollte nicht mehr arbeiten, nichts essen und redete mit niemandem. Wir machten uns alle unbeschreibliche Sorgen um ihn. Nur mit psychologischer Hilfe konnte er sich wieder aufraffen und langsam wieder anfangen zu leben. Aber seine Trauer hat tiefe Spuren hinterlassen und er würde nie wieder vollends glücklich sein. Nach der Beerdigung wohnte ich bei meiner Tante Jodie, die Schwester meiner Mutter. Solang sich mein Vater nicht um mich kümmern konnte, sollte ich bei ihr bleiben, bis es besser wurde. Aber aus Wochen wurden Monate, aus Monaten wurden Jahre. Und jetzt saß ich hier neben Alan und hatte schon wieder Gewissensbisse. Ich riss mich zusammen. „ Dad, glaube mir, ich freu mich so sehr, wieder Zeit

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mit dir verbringen zu können. Du musst mir nur etwas Zeit lassen, um mich einzugewöhnen. Es passiert so viel Neues und es wird dauern, bis ich den Vorort von Atlanta als meine Heimat ansehe, aber ich schaff das. Ich hab dich lieb!“ „ ich dich auch mein Schatz“ Er schien zufrieden. Vermutlich hatte er mit einem Wutausbruch gerechnet. Wir fuhren in die Einfahrt und parkten und hielten vor der Garage. Es war ein kleines aber gemütliches Holzhaus. Die Sorte Haus, in dem man nachts alle Dielen knarren hörte. Früher hatte mir das beim Einschlafen geholfen, wenn es Mom’s Gute-Nacht-Geschichten nicht taten. Ich war müde vom Flug und draußen wurde es schon dunkel. Alan wünschte mir eine gute Nacht und umarmte mich länger, als es nötig wäre. Mit einem Lächeln ging ich in mein altes Zimmer. Ich stöhnte, als ich eintrat und die alten Erinnerungen auf mich einbrachen wie eine Welle, die auf einen Fels prescht. Die alten Bilder, dich ich zusammen mit Mom gemalt hatte, hingen immer noch an der giftgrünen Wand .Auch der Schrank war noch derselbe. Ich würde Probleme haben, dort meine gesamten Klamotten hineinzubekommen. Der Schreibtisch stand in der Ecke, noch genauso alt und robust wie früher. Nur das Bett war neu, welches jetzt mitten im Zimmer stand. In mein altes Kinderbett hätte ich niemals gepasst. Ich machte mich ans Auspacken (wie erwartet hatte ich mehr Kleider, als es der Schrank zuließ und so landete die Hälfte auf dem leergeräumten Regal daneben). Ich ging ins Bad, um mich fertig zu machen, dabei schaute ich in den großen Spiegel über dem Waschbecken. Man sah mir an, dass ich lange nicht mehr geschlafen hatte, ich betrachtete mich näher. Ich liebte meine superkurzen, hellblonden Haare. Vor einem halben Jahr noch waren sie braun. Als ich sie mir aus einer Laune heraus strohblond färben ließ, zeigten sich meine Freunde nicht gerade begeistert. Doch mittlerweile mochten sie es genauso sehr wie ich. Ich war ca. 1,75 groß, meiner Meinung zu groß für ein Mädchen von 16 Jahren. Meine Augen. Dad und Jodie sagten immer, ich hätte meine braun-grünen Augen von Mami, das einzige, was ich von ihrer Schönheit geerbt hatte. Ich putzte mir schnell die Zähne und legte mich dann in mein Bett, die Bettwäsche kratzte unangenehm, morgen würde ich mir eine andere aussuchen. Morgen. Alan erzählte mir, dass wir mich am nächsten Tag in der High-School anmelden würden und er wollte mich ein paar Freunden vorstellen. Zwar kannte ich schon einige, aber es scheint sich viel verändert zu haben, seit ich weg gewesen war. Ich seufzte und fiel in einen unruhigen Schlaf. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich

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noch nicht, welchen Herausforderungen ich morgen gegenüberstehen sollte oder besser gesagt, wem ich mich gegenüberstellen würde… Von Vorne beginnen? Mein Wecker klingelte früh am nächsten Morgen. Ich hatte mir vorgenommen, meinem Vater ein erstklassiges Frühstück zu machen, quasi als Dankeschön. Aber als ich mit einem Gähnen aus dem Bett stieg und mich ins Badezimmer schleppte, bereute ich meine Idee schon. Um Himmels willen, draußen war es noch nicht mal hell. Aber Alan war schon immer ein Frühaufsteher gewesen und hatte mir schon früher damit das Leben zur Hölle gemacht. Ich sprang unter die Dusche, um wach zu werden. Das heiße Wasser auf meinem Körper tat meiner Haut ungewöhnlich gut und so war ich guter Dinge, als ich die Treppe hinunterging, um meinem Dad ein Omlett zu zaubern. Ich war zwar noch nie eine besonders gute Köchin gewesen (ich konnte mich noch gut an ein ziemlich brenzliges Weihnachten erinnern, als ich den Truthahn zu lange im Backofen gelassen hatte), aber ein Frühstück müsste ich gerade noch hinbekommen. In der Küche brauchte ich etwas Zeit, um alle Dinge zu finden, die ich benötigte. Ich war einfach zu lange nicht mehr hier gewesen. Als die Eier in der Pfanne brutzelten, hörte ich, wie oben der Holzfußboden knarrte und sich jemand in Richtung Badezimmer bewegte. Ich kümmerte mich nicht darum und deckte den Tisch, als die Schritte plötzlich schneller erklangen und Türen lautstark aufgerissen wurden. „ Michelle! Michelle! Wo bist du?!“, schrie mein Vater mit panischer Stimme durch das Haus. Er kam die Treppe runter gerannt und als er mich dort in einer Kochschütze stehen sah, sah er erleichtert aus. Doch in den nächsten Moment schaute er mich argwöhnisch an. „ Dad, was ist denn los? Willst du die ganze Nachbarschaft aufwecken? Warum machst du so ein Theater?“ „ Ich…Ähm...“, fing er an zu stottern. „ ich hab mich erschrocken, weil du nicht in deinem Bett gelegen hast. Ich dachte schon, du hättest genug von mir und würdest kurzerhand Reißaus nehmen“ Jetzt war ich wirklich gekränkt. Traute er mir wirklich so wenig? Ich überspielte meine Enttäuschung und antwortete mit aufmunternden Ton: „ Keine Sorge Dad, so schnell wirst du mich nicht los. Es ist schön, wieder in diesem Haus zu sein“ Wir setzten uns und aßen schweigend unsere Portionen. Mano man, so schlecht schmeckte das Essen gar nicht, ich hatte nur eine Spur zu viel Pfeffer

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reingetan. Ich sah meinen Vater an, der in diesem Moment einen Hustanfall bekam und dessen Kopf purpurrot wurde. Ok, vielleicht hatte ich es mit dem Pfeffer wirklich übertrieben. „ Schatz, ich wollte dir noch was erzählen. Es gibt Neuigkeiten“, sagte er immer noch japsend. Nachdem er etwas Saft getrunken hatte, ging es wieder. „ Ich hab bei deiner Schule angerufen. Du brauchst nicht persönlich vorbei zukommen, um dich anzumelden. Es reicht, wenn du am Montag kurz ins Sekretariat kommst und deine Stundenpläne abholst. Das heißt, dass wir heute mehr Zeit als geplant haben, um dich den Leuten zu zeigen.“ Mich den Leuten zu zeigen?! War ich etwa ein Museumstück, was stolz von Mensch zu Mensch getragen wird, damit sie mich anglotzen können? „ Daddy…“ Er hörte meinen Missmut und grinste. „ Ach Michelle, es wird schon nicht so schlimm werden. Alle werden froh sein, dich wiederzusehen“ Ungefähr 2 ½ Stunden später brummte mir der Kopf von den vielen alten und neuen Gesichtern, in die ich heute geblickt hatte. Da waren Joana und David gewesen, die ich kaum erkannt hatte. Wir haben früher manchmal zusammen Baseball im Park gespielt, aber das musste Jahre her sein. Die beiden waren Zwillinge und im gleichen Alter wie ich. Joana erzählte mir, dass sie auf dieselbe Schule gingen wie ich und mir am ersten Schultag alles zeigen wollten. Ich seufzte erleichtert, als ich das hörte. Wenigstens musste ich nicht planlos durch das Schulgebäude rennen, wie ein Kind, was man im Kaufhaus abgesetzt hatte. David hingegen war sehr schweigsam und zurückhaltend, ganz anders als seine Schwester, aber ich glaubte mich zu erinnern, dass er das schon früher war. Als nächste stellte Alan mich seinen Angestellten in der Firma vor. Reiche, gebildete Herren in schwarzen Anzügen, von denen ich nicht mal versuchte, mir die Namen zu merken. Ich hoffte, so wenig wie möglich mit ihnen zu tun haben zu müssen, denn sie waren alle ziemlich einschüchternd. Unsere Nachbarn kannte ich alle schon, aber es war trotzdem eine Freude, sie alle wieder zu sehen. Emma und John waren ein älteres Ehepaar, die gegenüber von uns wohnten. Ihre grauen Haare erinnerten mich mal wieder daran, wie viel Zeit vergangen war. Ich hatte sie sehr vermisst, die beiden waren immer sehr hilfsberiet und aufmerksam gewesen. „ Ist das wirklich deine Tochter, Alan? Sie ist so groß geworden. Mein Mädchen, du musst etwas zunehmen sonst hält man dich noch für eine Bohnenstange!“ war der erste Satz von Emma gewesen. Ich lächelte darüber, wie sehr alte Menschen immer übertreiben mussten. Ich war zwar normal gebaut, aber ich hätte nichts

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dagegen gehabt, wenn das bisschen Babyspeck noch verschwinden würde. Die beiden wünschten mir noch einen guten Neustart und dann verabschiedeten wir uns. Einen Neustart? Ging das denn? Konnte ich einfach von vorne anfangen, obwohl so viel passiert war? Joey, Susan und ihr Sohn Derek, die am Ende der Straße wohnten, konnten wir nicht antreffen, sie waren ausgeflogen. Puh, hatte ich ein Glück. Noch mehr neugierige Blicke hätte ich nicht ausgehalten. Doch zu früh gefreut! „ Ok, die Jacksons sind also nicht daheim. Dann bleiben nur noch Sam Uley und seine Freunde übrig, die ich dir gerne vorstellen würde. Sie hängen meistens im Park ab, in der Nähe des Angelladens“ Sam Uley? Warum sagte mir der Name nichts? Ich durchforstete mein Gehirn um rauszufinden, ob ich ihn irgendwo einordnen konnte, doch vergebens. Alan musste meinen fragenden Blick bemerkt haben und sagte lächelnd: „ Du kannst ihn nicht kennen, Michelle. Er wohnt erst seit ein paar Jahren hier. Er und Billy Black haben mir geholfen, als es mir….sehr schlecht ging. Nach dem Tod deiner Mutter haben sie sich um mich gekümmert und ich verdanke ihnen viel.“ Mein Herz zog sich unangenehm zusammen. Jemand Fremdes, jemand der nicht aus der Familie kam, musste ihm helfen, als ich es nicht konnte. Also hatte ich diesem Sam einiges zu verdanken. Als ich an den zweiten Mann dachte, der meinen Dad aufgepäppelt hatte, ging mir ein Licht auf. Ich kannte Billy Black, zumindest flüchtig. Ich meinte, mich zu erinnern, dass er eins, zwei Mal bei uns daheim gewesen war, um mit meinem Vater Backfisch zu essen. Er war mir sehr sympathisch gewesen. Wir hielten vor dem Laden, der für begeisterte Angler ein Paradies gewesen wäre. Ich löste gerade meinen Anschnallgurt, als ich lautes Gelächter hörte. Ich schaute an meinem Vater vorbei aus dem Fenster. Etwa 30 Meter entfernt, standen 5 großgewachsene Männer. Sie hatten allesamt kurzes, rabenschwarzes Haar und waren braun gebrannt. Ich schaute auf meinen blassen Arm. Wenn ich neben einem der riesenhaften Kerle stehen würde, sähe ich bestimmt wie eine wandelnde Leiche aus. Zwei der Männer, bei näherem Hinschauen stellte ich fest, dass es trotz der Größe und Muskeln immer noch Jungs sein mussten, rauften sich auf spielerischer Art. Immer diese Draufgänger. Die drei anderen unterhielten sich angeregt. Gerade spürte ich einen Anflug von schlechter Laune. Mussten diese Kerle hier rumlungern? Ich wollte endlich diesen Sam kennenlernen und ungestört aussteigen, doch diese Typen sahen aus, als warteten sie nur auf eine

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Gelegenheit, Streit anzuzetteln. Ich wollte Alan gerade bitten, weiterzufahren, als er ausstieg und dem größten Mann zuwinkte und rief: „ Hey, Uley, und ihr anderen auch! Kommt doch mal her, ich würde euch gerne meine Tochter vorstellen!“ Ummpf, mein Herz war mir soeben in die Hose gerutscht. Das konnte doch nicht war sein. Der große Dunkelhaarige, der so bedrohlich aussah, sollte Sam sein? Man, hatte ich ein Glück. Sam winkte meinem Vater und kam auf unseren Wagen zu. Die anderen 4 dackelten ihm wie kleine Hunde hinterher, wobei zwei von ihnen sich immer noch rauften. Alan drehte sich zu mir um: „Komm schon, Michelle, die Jungs beißen schon nicht.“ „ Bist du dir da sicher“,fragte ich ihn, allerdings nur in Gedanken. Ich stieg langsam aus dem Auto aus und lief zögernd um die Motorhaube herum. Ich blieb neben meinem Vater stehen und behielt absichtlich genug Abstand zwischen mir und dem Riesen. „ Sam, Quil, Embry: Das ist meine Tochter Michelle. Ich hab euch doch erzählt, dass sie wieder zu mir zieht“ Die 3 sahen mich neugierig an. Ich spürte, wie mir heiß wurde. Ich hasste es, wenn man mich so anstarrte. Ich brachte kaum mehr als ein gehauchtes „ Hallo“ hervor. Der linke Junge, Quil lächelte verschmitzt. „ Na, du bist also die Kleine aus dem Hause Hawkins“ Ich knurrte innerlich. Erstens war ich nicht die Kleine und zweitens mochte ich nicht, wie er meinen Nachnamen aussprach. „ Paul, Jacob, hört endlich auf zu zanken und kommt her! Alan hat uns seine Tochter mitgebracht!“ rief Sam zu den anderen. Grrr…das hörte sich ja an, als wäre ich der Hauptgang, der nur darauf wartete, verspeist zu werden! Der Junge, der anscheinend Paul hieß, schaute mich an, lächelte und nickte kurz, dann stellte er sich neben Quil. Der letzte, etwa 1,90 m große, muskelbepackte Junge kam näher und begrüßte, ohne mich eines Blickes zu würdigen, kurz meinen Vater, erst dann schaute er mir in die Augen. Ich erschrak fast zu Tode, als sich seine dunkelbraunen Pupillen weiteten und sein Blick sich in meinen bohrte. Warum starrte er mich so an? Sofort hatte ich das Gefühl, dass irgendwas nicht mit mir stimmte und schaut an mir herunter, um rauszufinden, was es sein könnte. Irgendetwas peinliches, vielleicht war mein Hosenstall offen. Nein, alles war in dem Zustand, wie es sein sollte. Als ich den Kopf hob, sah mich dieser Jacob immer noch mit durchdringendem Blick an. Auf solch eine Weise hatte mich noch nie auch nur irgendjemand angeschaut, als wollte er direkt in mein Herz blicken. Es war zwar unangenehm, unter seinem sengenden Blick zu stehen, aber mein Herz machte einen, wenn auch nur kleinen, Hüpfer.

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Als ob das nicht schon verwirrend genug gewesen wäre, versteifte sich sein Körper nun auch noch. Und…herrje, zitterte er etwa? Also entweder hatte es einen drastischen Temperaturumschwung gegeben oder dieser Kerl war einfach verrückt. Da ich unnatürlich schwitzte, schloss ich die erste Möglichkeit aus. Ich konnte mir das einfach nicht erklären. Aber so langsam ärgerte ich mich darüber. Konnte er nicht jemand anderen so anstarren, musste ausgerechnet ich das Opfer des Tages sein? Ich wandte mich von ihm ab und sah in die Gesichter der anderen Jungen. Auch sie starrten ihren Freund an, doch nur einen Augenblick später grinsten sie, wobei sie ihre makellos weißen Zähne zeigten. Mir wurde alles zu viel und wandte mich hilfesuchend an Alan. Er schien von dem ganzen Theater eben nichts mitbekommen zu haben, vermutlich hatte er immer wieder sehnsüchtig in das Schaufenster des Ladens geguckt, in dem ein nagelneues Angel-Set stand. „ Dad, es wird langsam Zeit, dass wir nach Hause gehen. Ich würde gerne nachschauen, ob die Jacksons jetzt daheim sind.“ Natürlich war das nur eine Ausrede, um dieser unrealen Situation zu entkommen. Alan verabschiedete sich freundlich von allen(ich hatte nur ein Nicken für sie übrig) und wir gingen zurück zum Cheep. Kurz bevor ich einstieg, sah ich noch einmal zu dem seltsamen Jungen. Sein Blick suchte immer noch meinen, doch jetzt schaute er wehleidig, und als ich einstieg, Dad losfuhr und ich noch einmal in den Rückspiegel blickte, schaute er gerade zu verzweifelt. Na super, kaum bin ich einen Tag in Atlanta und schon vergifte ich meinen Vater beinahe mit einem Omlett, werde für magersüchtig gehalten und ich begegne einem Irren, der mich offensichtlich umbringen will. Was konnte denn noch alles schief gehen? „ Und du bist also die Neue?“ Mein erster Schultag brach heran und ich hätte am liebsten so getan, als wäre ich ein Murmeltier im Winterschlaf und mich einfach nur im Bett verkrochen. Doch ich wusste, dass es sich nicht vermeiden ließ. Ich musste in die High School gehen, wenn ich nicht in ferner Zukunft irgendwo unter einer Brücke leben wollte, und so gab ich mir einen Ruck und stand auf. Nachdem ich mich allerdings geduscht, angezogen und gefrühstückt hatte und dann mit mulmigem Gefühl im Auto saß, suchte ich in Gedanken schon nach

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meiner persönlichen Traumbrücke. Alan bekam für die nächsten Wochen einen Firmenwagen bereitgestellt, bis ich mir ein eigenes Auto kaufen konnte, um damit zur Schule zu fahren. Meine Hände zitterten leicht am Lenkrad, so nervös war ich. Ich war eigentlich ein selbstbewusstes Mädchen, aber davor, an eine neue Schule zu gehen, wo dich niemand kennt und du in jegliche Fettnäpfchen treten kannst, hätte sogar Superman Angst gehabt. Die „Pope High School“ in Atlanta beherbergte mehr als 1000 Schüler und besaß einen guten Ruf. Drei Schulgebäude, alle in einem gewöhnungsbedürftigen Gelb gestrichen, tauchten nun vor mir auf. Der Parkplatz davor war groß genug und ich fand schnell eine Lücke, in die ich den riesigen Cheep hineinmanövrieren konnte. Als ich ausstieg, fühlten sich meine Beine an wie Butter. Die kalte Morgenluft half mir aber, einen freien Kopf zu bekommen und ich schaute mich um. Es waren noch nicht viele Schüler da, aber die bereits anwesenden sahen mich mit großen Augen an. Wann würde das denn endlich aufhören? Vermutlich nie. Ab sofort war ich „die Neue“. Es grauste mir vor diesem Titel. An unserer Schule gab es auch mal einen Neuen und nach einem Jahr musste er immer noch auf der Toilette essen, anstatt in der Cafeteria. Plötzlich schämte ich mich, ihm nicht geholfen zu haben. Tja, jetzt würde ich wohl die Strafe dafür bekommen. Ich hatte mit Joana ausgemacht, dass wir uns vor dem Sekretariat treffen würden, nachdem ich meine Stundenpläne bekommen hätte. Dabei hatte mein grandioses Denkvermögen leider nicht bedacht, dass eine High School etwa 150 Klassensäle besaß und an den meisten Schulen keine großen Hinweisschilder mit den Worten „ hier geht es zum Sekretariat“ an jeder Ecke hängten. Wenigstens war es kein Problem für mich, den Haupteingang zu finden. So einen ausgeprägten Orientierungsinn hatte ich dann doch noch. Als ich dann

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aber in dem großen Foyer, in welches mein Zimmer 8 Mal hineingepasst hätte, stand, sank mein Mut wieder und ich war kurz davor loszuheulen wie ein kleines Mädchen, was das heißersehnte Puppenhaus unter dem Tannenbaum nicht fand. „ Hey, kann ich dir helfen? Du siehst nämlich ziemlich verloren aus, wenn ich das so sagen darf“. Ich drehte mich um und musste nach oben gucken, um den Jungen zu sehen, der mich eben angesprochen hatte. Seine Haare waren von einem hellen Braun und waren gerade so lang, wie es bei einem Jungen attraktiv wirkte. In seinem Gesicht zeigten bilden sich Grübchen, als er mich anlächelte. Er war sehr schlank und seine Hände hatte er lässig in die Hosentaschen gesteckt. Ich runzelte die Stirn. „Sieht man mir so sehr an, wie verzweifelt ich bin? Ich suche das Sekretariat, kannst du mir vielleicht sagen, wo ich es finde...Bitte?!“ Das letzte Wort kam etwas zu spät über meine Lippen. Ich musste wirklich unter hohem Stress stehen, wenn ich meine guten Manieren vergaß. Der hilfsbereite Junge antworte freundlich: „ Ja klar, kein Problem, du nimmst jetzt einfach den zweiten Gang links und dann den nächsten rechts. Dann gehst du einfach geradeaus, bis du bei den Toiletten vorbeikommst. Dann einfach noch mal rechts und den dritten Gang links und schon bist du da. Alles klar?!“ Meine Miene schien ihm Antwort genug, um los zu kichern. „ Ok, ich kann dich hinbringen, wenn du willst, Es dauert eh noch, bis der Unterricht anfängt.“ Ich dankte ihm und wir machten uns auf den Weg. Er schlenderte locker neben mir her, als machte es ihm Spaß, den Fremdenführer zu spielen. Ich rechnete ihm das hoch an und er bekam direkt einen Pluspunkt von mir. „ Ach ja, ich heiße übrigens Brian. Und du bist also die Neue?!“ Und Zack, schon hatte er seinen ersten Minuspunkt bei mir verdient, jetzt stand es unentschieden. Ich war ihm aber trotzdem dankbar und antwortete knapp, aber nicht unfreundlich: „ Ja, die bin ich. Ich heiße Michelle“. Wir kamen vor dem Sekretariat an und Brian schlug vor, auf mich zu warten, um mir die Säle zu zeigen, die in meinen Stundenplänen verzeichnet sein würden. Ich bedankte mich dafür aber erklärte ihm, dass er das nicht bräuchte, da meine alte Freundin das übernehmen würde. Dann zog er ab.

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„Mhm…vielleicht war das etwas unfreundlich von mir“ Egal, es würde sich noch eine Gelegenheit bieten , bei der ich mich nochmal ausdrücklich bei ihm bedanken könnte. Ich holte tief Luft und trat ein. Ein Geruch von einer gehörigen Portion Putzmittel schlug mir so stark entgegen, dass es in der Nase brannte. An der Decke hing nur eine schwach belichtete Lampe und so war es vergleichsweise dunkel hier drin. Drinnen war der Raum mit grünem Teppich ausgelegt und mehrere Schreibtische standen schön geordnet nebeneinander, an denen im Moment 2 Personen saßen. Ich vertraute meinem weiblichen, und damit angeborenem Instinkt und entschied mich für die etwa 40-jährige rothaarige, nett aussehende Frau und ging nervös zu ihr hinüber. Sie blickte hoch und musterte mich eine Sekunde lang und fragte nur mit genervtem Ton: „ Name und Grund für die Störung?“. Zum Teufel mit meinem Instinkt. „ Michelle Hawkins. Ich werde ab heute diese Schule besuchen und hätte gerne meine Stundenpläne, wenn es keine Umstände macht“ Die Rothaarige beachtete mich kaum, kramte nur ein paar Zettel aus der Schublade, welche sie mir in die Hand drückte, und schon stand ich wieder draußen. Also, das ging einfach. „ Michelle! Da bist du ja. Hat Martha dir erst mal einen schönen Willkommensempfang bereitet? Mach dir nichts draus, sie ist schon seit über 15 Jahren hier und hasst mittlerweile jeden, der einen Schulrucksack trägt!“ Joana umarmte mich kurz und riss mir sofort meinen Stundenplan aus der Hand. Während sie ihn studierte, betrachtete ich ihr Gesicht genauer. Sie war schon immer außergewöhnlich hübsch gewesen. Ihre strahlend blauen Augen harmonierten perfekt mit dem Türkis-blauen Pulli, den sie heute trug. Ihre schulterlangen, schwarzen Haare hatte sie zu einem strengen Pferdeschwanz zurückgebunden, was ihre Gesichtszüge noch besser

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hervorbrachte. Das Einzige, was an ihrem Gesicht negativ auffiel, war ihre viel zu hohe Stirn. Joana war genau so groß wie ich, aber etwas kräftiger, sie liebte Leichtathletik und das konnte man sehen. Ich machte zwar auch gerne Sport, doch mir lagen eher Sachen wie Tennis, Volleyball oder Turnen. Aber einfach sinnlos von A nach B zu rennen, hatte mich noch gereizt. In diesem Moment stieß Joana einen freudigen Schrei aus: „ Super, wir haben fast jeden Kurs zusammen, nur in Physik musst du ohne mich gehen. Gut komm, ich zeig dir, wo wir Englisch haben.“ Gut, in einem Fach mit lauter fremden Menschen zu sitzen, würde ich schon schaffen. Mr. Crosby, ein überaus vollschlanker, bärtiger Mann begrüßte mich höflich, als wir in die Englischstunde kamen. Er stellte mich kurz der Klasse vor und dann konnte ich mich setzen. Gut, wenigstens verzichtete er auf das „ willst-du-der-Klasse-nicht-etwas-über-dich-erzählen-Ritual“ wie ich es von meiner Schule kannte. Der halbe Schultag ging erstaunlich schnell rum. Ich hatte keinerlei Probleme mit dem Stoff, außer vielleicht in Mathe, da musste ich noch einiges wiederholen. Physik, die einzige Schulstunde, die ich nicht mit Joana verbrachte, verlief auch reibungslos. Was ich aber nicht bedacht hatte, war, dass diese Stunde direkt vor der großen Mittagspause stattfand. Und so war Joana noch nicht bei mir, als ich dem Albtraum jeden neuen Schülers gegenüberstand: Der Cafeteria. Es gab 4 einfache Regeln, die man beachten musste, wenn man nicht gleich am ersten Tag zum Außenseiter werden wollte. Regel 1: Setze dich niemals zu den Austauschschülern, dann bist du direkt bei den wichtigen Leuten unten durch. Regel 2: Halt dich von den Footballern fern. Sonst denken die anderen, du

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hältst dich für etwas Besonderes, weil du mit den Großen essen möchtest. Regel3: Finger weg von den Strebern, jeder weiß, warum. Regel Nummer 4: Setz dich niemals, und wirklich niemals zu den Cheerleadern, so kickst du dich an deinem ersten Tag direkt ins Aus. Das Problem bei diesen Regeln war nur, dass es nicht mehr viele Auswahlmöglichkeiten gab. Ich holte mir erst etwas zu essen(nur einen kleinen Salat, mein Magen spielte noch immer etwas verrückt), um Zeit zu schinden. Als ich zur Tür blickte, entflieh mir ein glückseeliger Seufzer. Joana kam auf mich zu, schnappte sich ein Apfel von der Theke und grinste mich an. „ Du hättest eben dein Gesicht sehen sollen, als ich reingekommen bin. Als wäre ich ein Engel in Person, der hinabgestiegen ist zu dir.“ „ In gewisser Weise stimmt das ja auch. Ohne dich wäre ich heute schon schreiend aus dem Schulgebäude gerannt“. Sie führte mich zu einem Tisch weiter hinten in der Cafeteria. Dort saßen bereits zwei Jungen und ein Mädchen. Einer von ihnen war Brian, der mich sofort erkannte und hektisch winkte. „ Michelle, und, hast du den Tag bisher gut überstanden? Ich antwortete mit einem gequälten „ Ja, bis jetzt schon“. Die anderen beiden Schüler hießen Toby und Rachel. Rachel war eher von schweigsamer Natur. Um höflich zu sein, fragte sich mich ein paar Dinge über meine frühere Schule und ob ich mit der Umstellung gut klar kam. Ich merkte, dass es ihr unangenehm war, die Neue um sich zu haben. Mit ihr würde ich Probleme haben, mich anzufreunden. Im Gegensatz zu Toby. Er redete und redete ohne Punkt und Komma, fragte mich nach meiner Lieblingsmusik, ob ich genauso auf Horrorfilme stehen würde wie er und er war ganz heiß darauf, mit mir über das angebliche Toupet von Mr. Crosby zu reden. „ Was denn?“, fragte er, als die anderen drei ihn genervt anschauten. " Michelle wird mir bestimmt Recht geben, dass dieses Fellbüschel auf seinem Kopf nicht echt sein kann. Er hält es bestimmt wie eine Art Haustier“ Ich

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verschluckte mich, so sehr musste ich lachen. Mit Toby würde ich bestimmt Spaß haben. Zwar störten mich sein Lippenpiercing und seine kurzgeschorenen, braunen Haare etwas, aber er wirkte trotzdem sehr sympathisch. Der Rest des Schultages verlief auch recht gut. Als ich mich von Joana, Brian, Rachel und Toby verabschiedete, war ich gut gelaunt, als mir noch etwas einfiel. „ Sag mal, Joana, wo ist eigentlich dein Bruder? Geht er hier nicht zur Schule?“ „ Doch, doch. Er ist nur krank und liegt im Bett. Spätestens in zwei Tagen sollte er wieder fit sein“ Ich antwortete besorgt: „ Dann pass auf, dass du dich nicht ansteckst. Sag David einen schönen Gruß von mir und gute Besserung.“ Ich fuhr nach Hause, wobei ich lauthals mitsang, als im Radio ein Popsong lief. So was tat ich nur, wenn es mir wirklich richtig gut ging. Ich könnte die ganze Welt umarmen. Die Lehrer und Schüler waren alle nett zu mir gewesen. Mit Rachel musste ich einfach ein wenig Geduld haben. Ich parkte in der Einfahrt zum Haus, stieg aus und legte gerade meine Hand um den Türknauf, als ich drinnen Stimmen hörte. Mhm, Dad hatte nichts davon erzählt, dass wir Besuch erwarteten. Ich machte die Tür auf und trat in den kleinen Flur. Die Stimmen im Wohnzimmer verstummten, man konnte für kurze Zeit nur noch die Jubelschreie der Basketballspieler im Fernseh hören. „ Michelle, bist du das? Ich hoffe, du hattest nicht vor, heute irgendetwas Außergewöhnliches zu Abend zu essen. Wir haben uns Pizza bestellt und dir was übrig gelassen.“ Hörte ich meinen Vater rufen. „ Wer ist wir?“, fragte ich neugierig, während ich noch immer im Flur stand und die Jacke auszog. „ Oh. Hatte ich dir gestern Abend etwa vergessen zu sagen, dass er heute vorbeikommen möchte?“ sagte mein Dad laut, um den Fernseher zu übertönen, anstatt ihn einfach leiser zustellen. „ Jacob ist hier.“

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Um den Finger gewickelt Vor lauter Schreck fiel mir meine Jacke aus den Händen. Ich hob sie langsam auf und hängte sie an die Garderobe. Und jetzt? Mein Hirn sagte mir, dass ich in das Wohnzimmer gehen sollte und unseren Gast begrüßen musste. Nur leider sahen das meine Beine ganz anders. Ich konnte hören, wie sich jemand aus unserem alten, laut ächzenden Sessel erhob. Jetzt musste ich schnell handeln. Wegrennen oder lieber gleich die Polizei rufen? Während ich diese beiden Möglichkeiten gegeneinander abwog, hörte ich ein Räuspern. Mist, ich war zu langsam gewesen. Jacob lehnte sich an die Wand und sah mich neugierig an. Ich sah demonstrativ an ihm vorbei, als versuchte ich, noch einen Blick auf das Basketballspiel zu erhaschen. Er sollte ruhig merken, dass ich sauer war. Das wäre jeder gewesen, wenn man ihn wie ein Monster auf zwei Beinen angestarrt hätte. Doch schließlich musste ich ihn doch angucken, als er plötzlich anfing, zu kichern. „ Jaja, ich weiß. Tut mir Leid, ich bin gestern nicht dazu gekommen, mich vorzustellen: Ich bin Jacob Black“ Jetzt horchte ich auf. „ Black? Du bist Billys Sohn?“, er nickte kurz, wobei sein Blick immer noch drängend auf mich gerichtet war. „ Dad, warum hast du mir nie erzählt, dass Billy einen Sohn hat? Er war doch sooft hier.“, rief ich Richtung Wohnzimmer. Endlich kam Alan auf die Idee, den Fernseher leiser zu stellen und antwortete mit nervösem Ton in der Stimme: „ Ähm, ehrlich gesagt, hab ich das immer vergessen. Aber jetzt weißt du es ja“ Er stellte den Ton wieder lauter.

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Das war ja mal wieder typisch Alan. Er konnte sich Namen von jeglichen Sportlern merken und auf welcher Position sie spielten, aber daran zu denken, mir zu sagen, dass sein bester Freund einen Sohn in meinem Alter hatte, brachte er nicht zustande. „ Hast du Hunger? Komm mit ins Wohnzimmer, ich hab extra etwas für dich übrig gelassen“ Verlangte er etwa einen Orden dafür? Ich folgte ihm ins Wohnzimmer, wo mein Vater auf der Couch saß. Ich drückte ihm einen kurzen Begrüßungskuss auf die Wange und setzte mich neben ihm ans andere Ende, um so viel Platz wie möglich zwischen mir und Jacob zu lassen. Ich schnappte mir einen Teller und ein Stückt Pizza vom Tisch, biss hinein, während ich das Spiel verfolgte. Obwohl es so aussah, als ob es mich fesselte, konnte ich aus den Augenwinkeln Jacob ganz genau beobachten. „Kollektives Sehen“ hatte es mein Theaterlehrer an meiner alten Schule immer genannt. Nun machte sich das wochenlange Training im stickigen Theatersaal also bezahlt. Seine schwarzen Haare waren genauso kurzgeschnitten wie die von Sam und den anderen Riesen. Er hatte ein sehr markantes Kinn, aber trotzdem wirkten seine Gesichtszüge weich. Seine vollen Lippen waren aufeinander gepresst, als verfolge er angestrengt das Spiel. Sein dunkelrotes T-Shirt schmiegte sich eng an seine rostbraune Haut. Wieder staunte ich, wie muskulös gebaut er für sein Alter war. Rannte er etwa jeden Tag ins Fitnessstudio? Etwas änderte sich. Jacob schenkte dem Geschehen auf dem Bildschirm keine Beachtung mehr, sondern hatte nun einen neues Objekt gefunden, auf welches er seine Aufmerksamkeit richten konnte: Mich! Sein Blick schien an mir zu heften, wie eine Fliege an einem Spinnennetz, wartend, bis es vom Feind verschlungen wurde. Ich war die Fliege.

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Er betrachtete mich so lange, bis ich rot wurde und mein Kollektives Sehen seinen Geist aufgab, sodass ich ihm in die Augen schaute. Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, wobei ich seine übernatürlich weißen Zähne sehen konnte. Ich war zu verwirrt, um zurückzulächeln. Zum Glück unterbrach mein Vater in dem Moment meine Gedanken. „ Also Michelle, wie war dein erster Tag in der Schule? Hast du dich gut eingelebt?“ Ich drehte mich zu ihm. „ Es lief großartig. Joana hat mir alles gezeigt und ich hab viele nette Leute kennengelernt. Die Lehrer sind auch alle freundlich und im Unterricht kann ich ohne Probleme mithalten.“ Dass ich in Mathe gehörig Probleme haben würde, verschwieg ich ganz bewusst, dass sagte mir zumindest mein Instinkt. Noch einmal würde er mich sicher nicht enttäuschen. „ Das ist schön. Es freut mich, dass du so gut zurechtkamst. Als du weggefahren bist, hatte ich ein schlechtes Gewissen, weil ich dich nicht doch lieber in die Schule gebracht habe“ Oh ja, das wäre mir wirklich eine große Hilfe gewesen. Wenn ich mit Daddy an der Hand von Saal zu Saal gegangen wäre, hätte man mich bestimmt zur Abschlussballkönigin gewählt. Mit Dad als Ballkönig. Ich stand auf, um den Tisch abzuräumen und ging in die Küche. Ich hörte, wie mir jemand folgte. Oh man, dieser Junge hatte echt Mumm. Wusste er nicht, dass sich in einer Küche unzählige Messer befanden, mit denen verängstigte Mädchen auf unhöfliche Jungs losgehen konnten? Ich beachtete ihn nicht, sondern fing an, abzuspülen. „ Du gehst also auf die Pope High School? Von ihr hört man nur Gutes“, sagte Jacob und versuchte damit, eine Konversation in Gang zu bringen. Er sollte sehen, was er davon hat. „ Ja stimmt. Wo gehst du zur Schule? Ich hab dich nirgends gesehen.“ Das stimmte. Ich hatte mich heute selbst ein paar Mal ertappt, als ich in der Mittagspause nach ihm Ausschau gehalten hatte.

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„ Meine Freunde und ich gehen auf eine Schule im Reservat, genauso wie alle vom Stamm der Quileute.“ Ich war angenehm überrascht. Ein Indianer also. Ich war als Kind am Karneval immer als der große Häuptling verkleidet gewesen. Ich grinste, als ich darüber nachdachte .Das schien auch Jacob bemerkt zu haben, denn er zog eine Augenbraue hoch und fragte: „ Was denn?“ „ Ach nichts, ich musste nur gerade daran denken, wie peinlich mein Verhalten am ersten Schultag war“ Ich erzählte ihm von meiner Suchaktion nach dem Sekretariat und wie ich nach zwei Sekunden schon wieder draußen gewesen war. Auch mein Dilemma in der Cafeteria ließ ich nicht aus. Ich stockte. Warum zum Teufel erzählte ich ihm das? Ich wusste natürlich warum: Ich war verrückt. Doch als ich mich umdrehte und Jacob ansah, der an der Küchentheke stand, schien er wirklich interessiert zu sein. Er fragte mich über Rachel, Joana, Brian und Toby aus und wollte Näheres über meine neue Schule erfahren. Während des Gesprächs wendete er nicht einmal seinen Blick von mir ab. Ich dagegen umso öfter. Nach fünf Minuten war ich mir sicher, dass die hellblauen Fliesen nicht zum Rest der Möbel passten. „ Wie geht es Billy?“, fragte ich, um ein anderes Thema als meine Wenigkeit anzuschneiden. „ Ihm geht es gut, viel besser als noch vor einiger Zeit. Er wird sich sicher freuen, dich wiederzusehen“ Mein Gesicht verfinsterte sich. Billy hatte vor vielen Jahren einen schlimmen Autounfall gehabt und war seitdem querschnittsgelähmt. Das Leben in einem Rollstuhl konnte er lange Zeit nicht akzeptieren, doch wie es aussah, hatte er sich damit abgefunden. Ich beschloss, ihn mal besuchen zu gehen, wenn Jacob nicht da war oder wenigstens mit Alan als Beschützer. Jacob lenkte das Gesprächsthema wieder in eine Richtung, die mir nicht gefiel. „Dein Dad hat mir erzählt, dass du bald einen neuen Wagen brauchen wirst. Seiner Meinung nach reicht ein verlässlicher und solider Gebrauchtwagen völlig aus. Wenn du mich fragst, ist das Wichtigste bei einem Auto, wie viele

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Pferdestärken es unter der Haube hat. Wenn du also eins hast, kannst du mal vorbeikommen und ich kann schauen, was ich an ihm noch verbessern kann. Ich bin Hobbymechaniker und hab schon einiges zusammengebaut.“ „ Danke, ich komme darauf zurück“. Ich würde definitiv und mit hundertprozentiger Sicherheit nicht darauf zurückkommen. Da fiel mir noch etwas ein: „Wo ist eigentlich dein Auto, draußen steht keins. Wie bist du vom Reservat hierhergekommen?“ Diese Frage schien ihn völlig aus der Bahn zu werfen. Das freute mich. Er verlagerte unruhig das Gewicht von einem Bein auf das andere. „ Och, ich bin gelaufen. Ist ja nicht weit“, antwortete er nervös „ Nicht weit? Du brauchst bis hierher etwa eine Stunde zu Fuß!“, erwiderte ich mit Spott in der Stimme. „ Ich bin gejoggt, musste mal wieder etwas trainieren“ „Ach so.“ Ich glaubte ihm kein Wort. „ Hör mal“, sagte er leise und machte ein paar Schritte auf mich zu. Sofort läuteten meine Alarmglocken, doch ich konnte nicht ausweichen. „ Wenn du willst, kann ich dir die Gegend zeigen. Es hat sich einiges verändert, seitdem du weggegangen bist. Du brauchst doch bestimmt ein paar Dinge für die Schule. Ich kann dir zeigen, wo du sie herbekommst“ Leider hatte er Recht, ich brauchte wirklich noch ein paar Sachen und des Weiteren konnte ich mich überhaupt nicht mehr daran erinnern, wo ich einen Supermarkt fand. Trotzdem war ich unsicher. Konnte ich Jacob vertrauen? Auf der einen Seite mochte ich den Gedanken, mehr von ihm zu erfahren aber die Tatsache, dass er mich immer noch wie ein Irrer anstarrte, hatte mehr Gewicht. Allerdings war er bei unserem Gespräch sehr nett gewesen und hatte

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keinerlei Anzeichen eines Stalkers aufgewiesen. Aber der Anblick seiner muskelösen Arme, die mir im Handumdrehen die Rippen brechen konnten, brachte alles wieder ins Wanken. Jacob bemerkte mein Zögern und kam noch einen Schritt näher. Jetzt sprach er etwas lauter: „Michelle, ich bin mir sicher, du würdest Alan damit eine große Freude machen. Es ist wichtig für ihn, dass du hier Anschluss findest und am liebsten wäre es ihm natürlich, wenn es sich dabei um jemanden handelt, den er kennt. Er kann mich ziemlich gut leiden“ Jetzt ging er zu weit. Die Gefühle meines Vaters als Erpressungsmittel zu benutzen und mir damit ein schlechtes Gewissen einzureden, überschritt eine Grenze. Das war einfach nur unfair. Wütend schritt ich auf ihn zu, schubste ihn mit solch einer Wucht an die Wand, dass ein splitterndes Geräusch zu hören war, als das danebenhängende Bild zu Boden fiel. Er schaute mich erschrocken an, als ich ihn anschrie und von ihm verlangte, sofort das Haus zu verlassen. Doch leider tat ich das alles nur in meinen Gedanken. „ Was würde mir eine große Freude machen?“ hörte ich meinen Dad rufen und schon hallten seine Schritte über den Fußboden. Ich funkelte Jacob böse an, der nur selbstgefällig grinste. Er hatte mit Absicht so laut gesprochen, damit mein Vater davon mitbekam. Für einen kurzen Moment nahm der Plan mit den Küchenmessern in meinem Kopf Gestalt an. Mein Vater gesellte sich zu uns und wendete sich fragend an Jacob. Dieser sagte: „ Ich hab deiner Tochter gerade angeboten, ihr die Stadt zu zeigen und sie in Sachen Autos zu beraten“ In diesem Moment fing mein Vater bis über

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beide Ohren an zu strahlen. Mist, Jacob hatte ihn wirklich schon um den kleinen Finger gewickelt. „ Na, das ist doch eine super Idee, oder etwa nicht, Michelle? Macht das doch gleich morgen nach der Schule. Da du ja eh einen Vorsprung mit dem Schulstoff hast, und noch nicht mal dein Schwachpunkt Mathe ein Problem darstellt, hast du morgen doch sicher Zeit“ Und schon wieder könnte ich meinem Instinkt in den Hintern treten. „ Cool, ich hol dich dann morgen gegen 5 ab“, sagte Jacob mit selbstbewusstem Ton zu mir. Er wusste, dass er gewonnen hatte und dass ich meinem Vater nichts abschlagen konnte. Wo waren verdammt nochmal die Küchenmesser, wenn man sie brauchte? Ich brachte mit gewissem Widerwillen Jacob noch in den Flur. Er verabschiedete sich mit einem Grinsen und ich öffnete die Tür. Ich wusste nicht, ob es Absicht war, doch er streifte beim Hinausgehen mit seiner Hand unauffällig meine, die auf dem Türknauf lag. Es fühlte sich an, als hätte ich meine Hand soeben auf einen Heizkörper gelegt. Als er weg war, wünschte ich Charlie eine gute Nacht, wobei er mir noch hinterherrief: „ Jacob ist wirklich in Ordnung. Sei bitte nett zu ihm.“ Ich seufzte. Wenn Alan ihn so sehr mochte, war er vielleicht hinter seiner selbstgefälligen Fassade doch ganz freundlich. Ich würde ihm eine Chance geben. Dennoch war ich sauer, dass er mich mit solch einer List dazu gebracht hatte, ihm seinen Willen zu geben.

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Ich lernte noch ein wenig und legte mich dann müde ins Bett. Ich musste morgen ausgeschlafen sein. Es würde ein ereignisreicher Tag werden. „ Zum Glück hatte ich Jacob“ Ich kam mir vor wie in einem dieser schlechten Teenie-Filme. Ich stand ratlos vor meinem Kleiderschrank und versuchte etwas Passendes für den heutigen Tag zu finden. Ich fasste alles nochmal in meinen Gedanken zusammen: Ich würde heute mit Jacob einfach nur einkaufen gehen, also galt das nicht als Date. Wir würden weder einen kitschigen Film sehen, noch bei romantischem Kerzenlicht etwas essen, aber trotzdem konnte ich nicht einfach irgendwas anziehen. Das nächste Problem stellte dar, dass Jacob mir immer noch nicht ganz genauer war, auch wenn mein Vater, der für gewöhnlich eine gute Menschenkenntnis besaß, von ihm hellauf begeistert war. Es war schön, sich mit ihm zu unterhalten, denn er war ein aufmerksamer Zuhörer. Aber waren nicht alle Stalker zunächst freundlich zu ihren Opfern, um sie in Sicherheit zu wiegen, um dann im richtigen Moment zuzuschnappen? Ich ärgerte mich über meine Gedanken. Jacob hatte mir seine Hilfe bei der Auswahl eines neuen Autos angeboten und versuchte mir, meinen neuen, fremden Alltag etwas zu erleichtern. Ich ließ die Schultern hängen. Tief in mir wusste ich, dass auf meiner imaginären Pro- und Kontraliste Jacob besser dastand, als ich es mir eingestehen wollte. Sein makelloses Aussehen hatte vielleicht auch ein klein wenig damit zu tun.

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Ich entschied mich für eine dunkelblaue Jeans und mein Lieblings T-Shirt, welches mit seiner orangenen Farbe meine hellen Haare perfekt in Szene setzte. Ich war zufrieden mit meinem Outfit, so konnte ich auch noch zur Schule gehen. Der zweite Schultag verlief ähnlich wie der erste, nur dass ich mir jetzt sicher war, dass Rachel nichts mit mir zu tun haben wollte. Sie saß in der Mittagspause nicht an unserem Tisch, sondern zog die Cheerleader-Clique mir vor. Wow, dann musste sie mich wirklich abstoßend finden. Toby und ich fanden heraus, dass wir beide eine Abneigung gegen Mathe hegten und so wurde er mir noch sympathischer. Brian versuchte ein paar Mal, meine Aufmerksamkeit auf ihn zu lenken, in dem er mich fragte, ob ich ihm bei den Biohausaufgaben helfen könne. Ich seufzte. Ich wusste nämlich zufällig, dass er Kursbester in Biologie war. Dennoch half ich ihm, um ihn nicht zu kränken. Er war wirklich nett und schien mich zu mögen, doch ich konnte ihn mir nur als einen Kumpel vorstellen. Also musste ich darauf achten, nicht die falschen Signale auszusenden. Als Brian mich jedoch plötzlich fragte, ob ich mit ihm heute einen Film ansehen wollte, ahnte ich, dass ich darin wohl nicht gerade die Beste war. Meine Güte, er kannte mich gerade mal zwei Tage und er wollte schon etwas mit mir unternehmen. Er kannte mich noch nicht einmal richtig und schon rechnete er sich Chancen bei mir aus. ich erschrak und ließ die Gabel fallen, als ich bemerkte, dass das genau bei Jacob und mir der Fall war, und ich mich trotzdem darauf eingelassen hatte.

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Brian entging meine Reaktion natürlich nicht und sagte sichtlich nervös: „ Ok, wenn du nicht willst, ist das in Ordnung. Ich dachte nur, dass du vielleicht Lust dazu hättest“ Jetzt war er verletzt. „ Nein Brian, natürlich hätte ich Lust, aber ich hab heute leider schon was anderes vor“ „ Nämlich eine völlige Dummheit begehen.“, fügte ich in Gedanken noch dazu. Brian schien nicht sonderlich überzeugt zu sein. Vermutlich dachte er, ich wolle ihm nur schonend einen Korb geben. Na ja, wollte ich ja auch eigentlich, aber ich brachte es nicht übers Herz. „ Wirklich Brian. Ich treff mich heute mit einem Freund der Familie, der mir ein bisschen die Gegend zeigen möchte. Aber wenn du willst, können wir das nachholen, sobald ich mich etwas eingelebt habe.“ Das war kein Korb, nur ein Aufschub. Brian nickte und beendete so unser Gespräch. Die Lehrer hatten uns nicht viel aufgegeben. An jedem anderen Tag des Schuljahres hätte ich Freudensprünge deswegen gemacht, doch heute wünschte ich mir Berge voller Hausaufgaben. Dann hätte ich wenigstens eine Ausrede gehabt, nicht mit Jacob weggehen zu müssen. Mein zuversichtliches Gefühl von heute Morgen ließ mich im Stich. Dass ich heute das erste Mal mi ihm alleine sein würde, machte mich nervös . Daheim aß ich eine Kleinigkeit und machte die Wäsche. Alan hatte den Haushalt bisher wirklich gut geführt, aber durch meine zusätzlichen Klamotten (etwa dreifach so viele), überlastete ihn etwas. Als ich den überfüllten Wäschekorb sah, schüttelte ich nur den Kopf und machte mich an die Arbeit. Das Geräusch der Türklingel ließ mich auffahren. Ich schaute auf die Uhr. Es

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war punkt 5. Das konnte doch nicht sein, war ich etwa beim Waschen eingeschlafen? Panik machte sich in mir breit. Ich wollte mir doch noch eine Taktik zusammentüfteln, falls Jacob zu aufdringlich wurde oder gar auf mich losging. Es klingelte ein zweites Mal, doch diesmal hielt er seinen Finger länger auf der Klingel und so klang es fordernd und hartnäckig. Indianer waren also nicht geduldig. Ich ging zur Tür, atmete einmal tief durch und öffnete sie dann. Er stand vor mir, in dunklen Jeans, einem grünen T-Shirt, mit einer schwarzen Lederjacke darüber. Er sah unbeschreiblich gut aus. Ich hätte mich ohrfeigen können, als er meinen Blick bemerkte und sein selbstgefälliges Grinsen aufsetzte. „ Hi, wie geht’s?“. Überrascht stellte ich fest, dass ich diejenige war, die zuerst sprach. „ Hey. Jetzt geht es mir gut, danke der Nachfrage.“ Ich tat so, als hätte ich seine Anspielung nicht bemerkt. „ Also, wo möchtest du zuerst hin?“ fragte er und schaute mich neugierig an. „ Am besten wäre es, wenn du mir zeigst, wie ich zur Bank komme. Mein Vater hat früher immer Geld für mich abgehoben und langsam wird es Zeit, dass ich das selbst mache. Warte hier, ich hol meine Tasche, dann können wir los.“ Ich lief ins Haus, um meine kleine schwarze Umhängetasche zu suchen, als ich Jacob von draußen rufen hörte: „ Wenn du willst, können wir auch noch etwas hier bleiben, wir haben ja genug Zeit“ Oh nein, bloß nicht. Lieber mit ihm irgendwo hingehen, wo noch andere Menschen waren, und nicht in einem Haus mit Wänden, die so dick waren, dass keine Schreie durchdringen konnten.

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Wieder ärgerte ich mich über mich selbst. Es war gemein, so etwas von Jacob zu denken, ich hatte mir gestern Abend geschworen, ihm eine Chance zu geben. „ Nein, nicht nötig. Ich bin startklar. Außerdem muss ich ja noch zum Supermarkt, um etwas zu essen zu holen. In unserem Kühlschrank herrscht total Ebbe.“ Jacob schien meine Zurückweisung nicht zu bemerken, das glaubte ich zumindest, und zuckte nur mit seinen Schultern. Vor unserem Haus stand ein silberner Kombi, in den Jacob einstieg. Ich rätselte kurz darüber, wie er wohl reagieren würde, wenn ich mich wie ein kleines Mädchen hinten reinsäße und musste darüber grinsrn. Er wäre wahrscheinlich völlig perplex und ich würde nur zu gern seinen Gesichtsausdruck sehen, auch wenn ich dann nicht neben ihm sitzen konnte. 2 Sekunden später saß ich auf dem Beifahrersitz. Während wir Richtung Bank fuhren, huschte Jacobs Blick immer wieder zu mir hinüber, während ich aus dem Fenster sah. Wenn das nicht die peinlichste Autofahrt meines Lebens werden sollte, musste ich langsam mal ein Gespräch ins Rollen bringen. Ich würde es ganz behutsam angehen lassen. Bloß nicht mit etwas anfangen, was den Eindruck vermitteln könnte, ich fände ihn wahnsinnig interessant und ich wolle alles über ihn wissen. Ich würde mit einem ganz belanglosen Thema anfangen, wie das Wetter. Ja, über das Wetter zu reden war immer gut, überhaupt nicht aufdringlich. „ Also. Erzähl mir etwas über dich“

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Verdammt noch mal! Konnte ich nicht einmal einen guten Vorsatz von mir einhalten? Sobald ich daheim wäre, würde ich mir im Internet einen psychologischen Test suchen, um herauszufinden, ob ich ein tief verborgenes Verlangen befriedigen musste, in jegliches Fettnäpfchen zu treten. Jacob schien überrascht. „ Was willst du denn wissen?“, fragte er. Jetzt musste ich aufpassen. Mit meiner wichtigsten Frage, warum er sich bei unserem ersten Treffen so merkwürdig aufgeführt hatte, konnte ich nicht rausrücken. Ich wollte seinen Zorn lieber nicht heraufbeschwören, wenn ich mit ihm zusammen in einem Auto saß, wo es keine Fluchtmöglichkeiten gab. Stattdessen fragte ich: „Trainierst du eigentlich viel? Gestern hat es sich danach angehört“ Jacob runzelte die Stirn. „ Ja, ich gehe ständig ins Studio Gewichte heben, eigentlich jeden zweiten Tag. In Form zu bleiben ist mir wichtig“ Sobald ich den Psychotest gemacht hätte, würde ich googlen, ob es hier in der Nähe ein Fitnessstudio gab. Wir kamen an der Bank an und ich ging schnell hinein, um etwas Geld für die nächste Woche abzuheben, während Jacob draußen wartete. Als ich wieder hinausging, lehnte er mit verschränkten Armen gegen das Auto und fragte mich mit einem belustigtem Ton in der Stimme: „ Wohin jetzt, werte Lady?“ Ich wurde rot wie eine Tomate und bat ihn, mich zu einem Schreibwarengeschäft zu fahren. Dort ließ er sich nicht überzeugen, im Auto zu warten, sondern ging mit hinein.

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Während ich mit einem Einkaufskorb unter dem Arm durch die Gänge ging, lief er stets an meiner Seite, als hätte er Angst, mich nur für eine Sekunde alleinzulassen. Ich fühlte mich zwar geschmeichelt, aber trotzdem etwas unbehaglich, weil ich den Grund für sein Benehmen nicht verstand. Ich beeilte mich mit meinen Einkäufen und ließ eine beträchtliche Summe an der Kasse zurück. Als wir im Auto saßen, blickte Jacob mich fragend an, als erwartete er meinen Befehl. „ Ähm, jetzt müsste ich nur noch in einen Supermarkt, bevor mein Vater an einem Hungertod stirbt. Also, natürlich nur, wenn es dir nichts ausmacht, noch eine Zeit lang den Chauffeur zu spielen.“ Zur Antwort ließ er den Motor aufheulen. „ Ich hab noch eine Frage an dich, Jacob, wenn es dich nicht nervt“ begann ich als wir eine Zeit lang auf einer Schnellstraße gefahren waren. „ Keine Angst, du nervst mich nicht, im Gegenteil“ Ich überging sein Kommentar und fragte: „ Wie sind deine Freunde so? Du weißt schon, die, die Alan mir vorgestellt hat, auf dem Parkplatz. Verbringst du viel Zeit mit ihnen?“ Jacobs Haltung veränderte sich plötzlich und sein zuvor weicher Blich verhärtete sich. Seine Finger krallten sich in das Lenkrad. Ich bekam Panik. „ Tut mir Leid. Das geht mich nichts an. Tu einfach so, als hätte ich nichts

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gesagt“, versuchte ich es hinunter zuspielen. „ Ach Quatsch, ist doch nicht schlimm. Alan hat mir schon erzählt dass du ziemlich neugierig bist“ Er sah zu mir hinüber und sein Gesichtsausdruck war wieder entspannt. Ich fragte mich, was er wohl in meinem lesen konnte. Ich würde mit Alan ein Hühnchen rupfen müssen, und zwar ein gewaltiges. „ Mit Paul, Embry und Quil gehe ich zusammen auf die Schule und so hat sich das eben entwickelt. Sam kam dann irgendwann einfach dazu.“ Ich bohrte nicht weiter, auch wenn ich wusste, dass das noch nicht alles gewesen war. Der Supermarkt war riesig und mir wurde schwindelig, weil ich nicht wusste, wie ich jemals die Dinge finden sollte, die ich benötigte. Zum Glück hatte ich Jacob. Er half mir, alle Sachen zu finden, um mal wieder etwas Richtiges zu Essen auf den Tisch zu bringen. Doch ich merkte, dass er nicht ganz bei der Sache war. Er schien abwesend zu sein, weil sein Blick immer wieder ins Leere glitt. Es sah so aus, als würde er sich über irgendetwas den Kopf zerbrechen. Ich ahnte, dass es irgendetwas war, was mit Sam Uley und den anderen zu tun hatte. Ich hatte fast alles, was ich brauchte, nun fehlten nur noch Nudeln und die Hollandaise-Sauce. Während Jacob sich aufmachte, um sich um die Nudeln zu kümmern, stand ich vor dem riesigen Regal, was bis oben hin vollgestopft war mit kleinen Tütchen.

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Rahmsoße, Sauce á l’Orange, Rotwein-Schalotten Sauce, Quattro Formaggi Sauce, doch nirgends konnte ich Sauce Hollandaise finden. Ich suchte und suchte und blieb trotzdem erfolglos. Nach einer gefühlten viertel Stunde stellte sich Jacob neben mich. „ Was suchst du denn so lange?“ „Ich kann die Sauce Hollendaise einfach nicht finden, ich wette du kannst es auch nicht“ Nach 2 Sekunden ertönte Jacobs schallendes Gelächter. „ Miss Hawkins, brauchen wir vielleicht eine Brille? Sie steht direkt vor deinen Augen!“ Tatsächlich. Keine 20 cm vor mir befand sich auf meiner Augenhöhe dieses verdammte Päckchen. Na super, wieder bis auf die Knochen blamiert. Auf der Heimfahrt fragte mich Jacob danach, was ich für mich und meinen Vater kochen wollte. „ Na ja, ich fürchte, mehr als Spaghetti Bolognese bekomm ich nicht hin, ohne dass die Feuerwehr anrücken muss“ Jacob lachte und ich stellte fest, wie angenehm sein Lachen in meinen Ohren klang. „ Was für ein Zufall, das ist genau mein Leibgericht“ Ja klar. Wenn ich jetzt behauptet hätte, ich würde Alan ekligen Haferschleim vorsetzen, würde er auch behaupten, dass das das Leckerste sei, was er je gegessen hatte. Ich runzelte die Stirn. Schon wieder würde er seinen Willen bekommen. „ Wenn das so ist, warum kommst du dann nicht einfach noch mit rein und isst

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mit uns zusammen. Wir haben genug für drei Personen eingekauft.“ Ich hegte den Verdacht, dass er mit Absicht so viel Nudeln in den Einkaufswagen gelegt hatte, weil er sich sowas schon gedacht haben musste. Gerissener Kerl! Kurze Zeit später saßen Jacob, Alan und ich am Küchentisch und genossen mein 5- Sterne- Essen. In der Tat schmeckten die Tomatensoße und die Spaghetti gar nicht mal so schlecht. „ Und ihr zwei, wie war euer Tag? Hattet ihr Spaß?“, fragte mein Dad zwischen 2 Bissen. Ich verschluckte mich so sehr, dass mir Jacob auf den Rücken klopfen musste. Es war das erste Mal, dass wir uns heute berührt hatten, zumindest glaubte ich das. Jacob musste für mich antworten, weil mein Gesicht immer noch feuerrot war. „ Jap. Es war wirklich witzig, den Kutscher zu spielen. Michelle hat alles bekommen, was sie gebraucht hatte und ich hatte auch meinen Spaß dabei.“ Er hatte doch nicht etwa vor…? Natürlich tat er es. Er erzählte meinem Vater von meiner peinlichen Aktion im Supermarkt und Alan konnte sich vor lauter Lachen gar nicht mehr beruhigen. Den ganzen Tag über war es eine Freude für mich gewesen, mit Jacob unterwegs zu sein und mich mit ihm zu unterhalten. Doch jetzt richtete ich meinen Blick auf die Schublade, in denen sich die Messer befanden. Nach dem Essen brachte ich Jacob wieder zur Tür. Herrje, hoffentlich wurde

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das nicht zu einem Ritual. Es war nicht wie letztes Mal, als ich unbedingt wollte, dass er verschwindet. Jetzt konnte ich den Gedanken, dass er gehen musste, gar nicht leiden. Jacob schien meine Miene zu verstehen, schaute, ob Alan außer Hörweite war und sagte sanft: „ Hey, du machst ja ein Gesicht wie 7 Tage Regenwetter. Wenn du willst, kann ich bald wieder vorbeikommen, dann können wir uns der Angelegenheit deines neuen Autos zuwenden“ Während er sprach, betrachteten seine Augen meine ganz genau und seine Hand legte er vorsichtig und behutsam auf meinen Arm. Mein Herz setzte für einen kurzen Moment aus. „ Ja klar, das wäre klasse von dir. Aber nur unter einer Bedingung“ Jacob hob eine Augenbraue und sah mich verwundert und etwas ängstlich an.“ Und die wäre?“ Jetzt war es an mir, eine selbstgefällige Miene aufzusetzen. „ Ich darf mich revanchieren. Ich hätte ein schlechtes Gewissen, wenn du mir bei so vielen Sachen hilfst und ich dabei nichts für dich tun kann. Samstagabend? Ich hoffe, du magst chinesisches Essen.“ Wir grinsten beide um die Wette. Ausreden Ich lag abends völlig erschöpft in meinem Bett und meine Gedanken drehten

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sich um die letzten 4 Wochen, die seit meinem ersten Ausflug mit Jacob vergangen waren. Wir hatten sehr viel Zeit miteinander verbracht und trotzdem kam es mir nach jedem Treffen so vor, ihn schnellstmöglich wiedersehen zu müssen. Es war noch etwas zu früh, um uns als beste Freunde zu bezeichnen, aber wir waren auf dem Weg dorthin. Meistens kam er zu mir oder wir machten einen kleinen Spaziergang durchs Ort. Die Zeit verging immer wie im Flug, doch nur eine Sache kam mir merkwürdig vor. Ich hatte Jacob mehrmals vorgeschlagen in den Wald zu gehen, weil es, wenn meine Erinnerung mich nicht täuschte, dort tolle Lichtungen gab. Er war früher mein Lieblingsort gewesen und Alan war mit mir öfters wandern gegangen. Doch Jacob gefiel die Idee, mich in den Wald zu lassen, gar nicht, denn er ließ sich immer wieder neue Ausreden einfallen. Ich wunderte mich jedes Mal aufs Neue darüber, doch ich hakte nicht nach, weil ich die schöne Stimmung nicht vermiesen wollte. Der Wald konnte warten. Ich drehte mich auf meinem Bett um und schloss die Augen. Ich erinnerte mich an den Nachmittag zurück, als ich das erste Mal bei Jacob Daheim gewesen war… „ Dad, bist du dir sicher, dass du mir die richtige Wegbeschreibung gegeben hast?“. Ich saß im Cheep und drückte mein Handy gegen das Ohr, während ich fuhr. Wenn mich jetzt ein Polizist anhalten und erwischen würde, könnte Alan mich in ein paar Stunden vom Revier abholen. Na, das wär doch mal eine Schlagzeile wert.

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„ Michelle, natürlich bin ich mir sicher. Ich bin die Strecke doch selbst ein dutzend Male gefahren. Du musst dir nur meine Zeichnung genau angucken. Ich muss jetzt los. Melde dich bitte kurz, sobald du angekommen bist.“ Er legte auf. Ich hielt kurz am Straßenrand, um mir Alans Skizze noch mal anzusehen, falls man das so nennen konnte. Ich wurde aus seinen Kritzeleien auf der Rückseite seiner Visitenkarte nicht schlau. Ich konnte weder die Straßennamen entziffern noch feststellen, ob diese dargestellte Stadt sich überhaupt in den Vereinigten Staaten von Amerika befand. Ich grübelte darüber nach, was ich jetzt tun sollte. Jacob anzurufen (er war auf meiner Kurzwahlliste mittlerweile vor Alan gerückt), war mir zu peinlich und so schied diese Möglichkeit aus. Ich ließ meinen Kopf auf das Lenkrad sinken. Ich wollte doch nur zu Jacob, war das etwa zu viel verlangt?! „ Kann ich dir vielleicht irgendwie helfen?“ Ich erschrak so sehr, dass ich zusammenzuckte und beinahe auf den Beifahrersitz gesprungen wäre. Ich sah aus dem Autofenster und erkannte Quil, der den Kopf schief legte und mich fragend ansah. Ich wollte ihn gerade verbal zunichte machen und fragen, wie er es wagen konnte, sich so anzuschleichen, da bemerkte ich, dass er ohne Oberteil vor mir stand. Automatisch lehnte ich mich näher zu ihm hin, um seinen Körper zu betrachten. Ich war beeindruckt, er hatte fast so viele Muskeln wie Jacob, allerdings konnte ich das nicht ganz so gut beurteilen, ich hatte ihn noch nie oben ohne gesehen. Ich fragte mich, warum um Himmels Willen dieser Kerl nicht fror. Es war Mitte Herbst und selbst in meiner dicken Jacke zitterte ich noch leicht. Und noch viel wichtiger: Was brachte einen Jungen dazu, halbnackt durch die Gegend zu

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laufen? Ich ahnte den Grund: Es lag an dem verfluchten Y-Chromosom. „Michelle?“ Er sah mich immer noch mit fragender Miene an. „ Hey, Quil, wie geht’s dir? Lange her, als wir uns das letzte Mal gesehen haben“ Ich konnte mich noch gut daran erinnern. Ich hätte ihm eine Backpfeife verpassen können, als er mich „die Kleine“ nannte. „ Stimmt. Ich hoffe, du hast dich gut eingelebt hier. Du hattest ja genug Hilfe dabei!“ Er grinste bis über beide Ohren. Ich starrte ihn mit offenem Mund an. Was hatte Jacob alles über mich erzählt und wer wusste außer Quil noch Bescheid? Ich hoffte Inständig, dass nicht auch die anderen von Sams Gruppe davon wußten. Jetzt hieß es einfach Nerven bewahren und sich nicht provozieren lassen. „ Könntest du mir vielleicht helfen?“ Alles in meinem Inneren sträubte sich zwar dagegen, aber was Solls. „ Ich würde gern Jac…ich meine Billy besuchen, aber ich kann sein Haus einfach nicht finden“ Sein dämliches Grinsen von eben war gar nichts im Vergleich zu seinem gewinnenden Lächeln, welches er jetzt zeigte. Mist, er hatte mich durchschaut. „ Klar, also wenn du zu Billy willst“, er sah mich an und verdrehte die Augen, „ dann musst du einfach dieser Straße folgen und dann die zweite links einbiegen. Sein Haus ist ganz am Ende“ Ich verabschiedete mich von ihm und startete den Motor. Ich drehte mich nochmal zum Fenster, um ihm noch Danke zu sagen, doch er war

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verschwunden. Ich starrte ungläubig auf den Fleck, wo er eben gestanden hatte. Ich suchte mit meinen Augen die Straße ab, doch ich konnte Quil nirgends entdecken. Ich wurde wirklich langsam paranoid. Es war einfach, Jacobs Haus zu finden. Hätte Dad sauberer gezeichnet, hätte ich schon vor einer Stunde hier sein können. Ich stieg aus und da hörte ich schon, wie eine Tür aufgerissen wurde. Ich sah wie Jacob die Treppe hinuntersprang und auf mich zu rannte. Seine Begrüßung war genau stürmisch wie immer. Er umarmte mich so fest, dass er mir beinahe die Knochen brach und schwenkte mich leicht hin und her, fast wie ein Baby. Dabei flüsterte er mir ins Ohr: „ Ich freu mich, dass du da bist“. Bei seinen Worten kroch mir eine Gänsehaut über den Rücken. Ich befreite mich vorsichtig aus seinen Armen, da sie sich nach einer Weile so glühend heiß anfühlten, dass ich ein Gefühl bekam als wäre ich in einer Sauna. Ich hatte mich schon sooft gefragt, warum seine Haut so warm war, hatte ihn aber niemals darauf angesprochen. Ich legte mir die Erklärung zurecht, dass das bei Indianern einfach so sein musste. Jacob brachte mich hinein und begleitete mich in eine winzige Küche, an dessen Tisch Billy Black saß. Seine Veränderung erschreckte mich noch mehr als Quil’s Anschleichaktion vorhin. Sein schwarzes Haar war gewachsen, es reichte ihm jetzt fast bis zur Taille. Genau, wie bei meinem Vater war sein Gesicht von Falten übersät. Das Einzige, was sich nicht geändert hatten, waren seine grünen Augen, in denen ein Ausdruck von dermaßen viel Würde lag, das ein Fremder zurückweichen würde. „Michelle! Du meine Güte“. Er hob die Hände und lächelte verschmitzt. „Billy“, rief ich freudig und eilte auf ihn zu. Ich bückte mich zu ihm hinunter und umarmte ihn lange. „Es freut mich so dich zu sehen. Wie geht es dir?“ Er sah zu mir hoch und antwortete: „ Es könnte nicht besser gehen. Alan hat mir zwar erzählt, wie sehr du dich verändert hast aber mit so etwas hätt ich nicht gerechnet. Kind, du musst mal ordentlich zulangen, sonst fällst du uns noch von den Rippen“

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Ich drehte mich zu Jacob um und verdrehte übertrieben dramatisch die Augen. An einem unserer vielen Spaziergänge hatte ich ihn von Emma und ihrer Haltung gegenüber einem gesunden Körper erzählt. Billy war auch nicht besser. Jacob seufzte und zuckte mit den Achseln, als wollte er sagen: „ Du kannst eh nichts dran ändern“ Billy und ich plauderten noch ein wenig und dann ging ich mit Jacob in sein Zimmer. Es war deutlich kleiner als meins, doch es war dennoch gemütlich. Ein schmales Bett stand in der Ecke und sein Schreibtisch war über und über mit Schulheften überhäuft. Die Wandfarbe war von einem warmen gelb und ich spürte den weichen, schwarzen Teppich unter meinen Füßen. Jacob beobachte mich ganz genau, als ich durch sein Zimmer ging und mir alles anschaute. Schon bald machte mich das nervös und ich wandte mich ihm zu. Sein Gesichtsausdruck verängstigte mich. Er schaute mich voller Schmerz an und in seinem Blick lag so viel Leid, dass es mir selbst wehtat. Als er sah, dass ich es bemerkt hatte, glättete sich sein Ausdruck wieder und er lächelte mich an. Trotzdem: er konnte mich nicht täuschen. Ich ging zu ihm hinüber und stellte mich vor ihn. Um ihm in seine braunen Augen schauen zu können, musste ich in einer Genickstarre verharren. Das konnte ich in Kauf nehmen. „ Jacob, was ist los mit dir? Ich merke doch, dass etwas nicht stimmt“ „ Es ist nichts, glaub mir. Alles ist in bester Ordnung, du bist ja hier“ Trotz seines Komplimentes wollte ich mich noch nicht geschlagen geben. „ Ich kenn dich jetzt schon lange genug, um zu wissen, wann es dir schlecht geht. Also?“ Er ließ die Schultern hängen und blickte zu Boden. „ Es ist nur…Alan hatte mich gebeten, dir bei der Suche nach einem Auto zu helfen, und wir haben immer noch nicht angefangen. Ich hab ein schlechtes Gewissen ihm gegenüber“

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Er wollte also nicht darüber reden und die Tatsache, dass er so eine schwache Ausrede benutzen musste, war Beweis genug dafür. Gut, daran konnte ich nichts ändern. Noch nicht. In der Tat hatten wir noch nicht mal angefangen, uns um die Angelegenheit Auto zu kümmern. Wenn wir zusammen waren, stand die Zeit einfach still und wir dachten überhaupt nicht darüber nach, zu einem Autohändler zu fahren. Ich stieß ein leichtes Brummen aus, um Jacob meine Meinung zu diesem Thema klarzumachen. Nach diesem Zwischenfall war alles wieder normal gewesen und wir verbrachten einen wundervollen Tag zusammen, der damit endete, dass ich auf dem Beifahrersitz einschlief und Jacob mich mit meinem Wagen zurückfuhr. Ich wusste nicht, ob Jacob mich ins Haus hineingetragen hatte, ich konnte mich nur noch daran erinnern, dass ich am nächsten Morgen in meinem Bett aufwachte. Ich löste mich von dieser Erinnerung und richtete mich auf. Ich überlegte, was es noch zu tun gab. Der Haushalt war gemacht und meine Hausaufgaben waren auch erledigt. Zwar musste ich noch ein paar knifflige Matheaufgaben lösen, doch ich drückte mich ganz bewusst davor. Ich schaltete meinen Fernseher ein, den Alan mir kurz nach meiner Ankunft als eine Art Willkommensgeschenk mitgebracht hatte. Es lief nichts Interessantes im Fernsehen und so legte ich mal wieder meine Lieblings DVD ein, deren Hülle abgenutzt war, weil sie schon so oft in Anspruch genommen wurde. „Plötzlich Prinzessin 2“ begann zu laufen und mal wieder konnte ich die Dialoge auswendig mitsprechen. Als meine Lieblingsszene kam, kuschelte ich mich gemütlich unter meine Decke: Prinzessin Mia befindet sich in ihrem Schlafgemach, als Sir Nicholas Kieselsteine gegen ihr Fenster wirft, um ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Mia

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wünscht sich nichts mehr, als den Abend mit ihrem Traumprinzen zu verbringen und klettert mühsam zu ihm hinunter. Ihr Herz schlägt nur noch für diesen einen Menschen und das bringt sie dazu, alle Regeln zu brechen. Sie weiß, dass andere Mädchen sie um ihre Liebe beneiden, einschließlich mir. In diesem Moment hörte ich, wie jemand in regelmäßigen Abständen Steine gegen mein Fenster warf. Zuerst dachte ich, ich hätte mir das nur eingebildet, aber als das Geräusch einfach nicht nachließ, ging ich zum Fenster und öffnete es. Unten in der Dunkelheit stand Jacob und schaute zu mir hoch. „ Michelle, kannst du runter kommen? Ich will Alan nicht aufregen, es ist ja schon ziemlich spät“ 10 Sekunden später war ich bei ihm vor der Tür. Ich hatte mir nicht einmal die Zeit genommen, mir meine Jacke zu schnappen und so zitterte ich jetzt wie verrückt. Jacob legte seinen Kopf schief und setzte einen besorgten Blick auf. Dann kam er auf mich zu und nahm sich in seine Arme. Sofort wurde mir wollig warm, doch das lag nicht nur an der Hitze, die seinen Körper ausstrahlte. Ich wusste nicht, wie lange wir so da standen, aber wenn es nach mir ginge, könnte dieser Moment ewig andauern. „ Was gibt es, Jake?“, fragte ich ihn. Ihm war es lieber, wenn ich ihn so nannte. „ Ich wollte dich nur sehen und in die Arme schließen“ Bei seinen Worten begann ich wieder zu zittern und das Blut rauschte in meinen Ohren. „ Und ich hatte vor dich zu fragen, ob du mit mir übermorgen ins Kino gehen möchtest.“ Er löste sich von mir, um mir in die Augen zu schauen. Mein Körper protestierte heftig dagegen, aber mit meiner lausigen Kraft hätte ich eh nichts daran ändern können. „ Klar, möchte ich das. Wann holst du mich ab?“ Sein Grinsen, welches mich vor ein paar Wochen noch so wütend gemacht hatte und ich jetzt umso mehr mochte, breitete sich auf seinem Gesicht aus. „ Sei um 8 fertig. Er umarmte

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mich kurz und dann tat er etwas, was er noch nie getan hatte und mir den Atem raubte: Er küsste mich aufs Haar. Und schon war er in der Dunkelheit verschwunden. Völlig benommen und mit weichen Knien ging ich wieder auf mein Zimmer. Dabei fiel mein Blick auf die Szene im Film, bei der ich vorhin auf Pause gedrückt hatte. Mia schaute gerade ihren Prinzen verliebt an. Plötzlich war ich nicht länger neidisch auf sie. Denn nun wusste ich, wie sie sich fühlte. Mein Herz schlug ebenfalls nur noch für einen Menschen. Für Jacob Black. Ein Kinoabend der besonderen Art „ Michelle, du bist jetzt schon seit zwei Stunden im Bad! Das ist doch nicht normal. Muss ich mir Sorgen um dich machen?“ „Nein, Dad, es ist alles in Ordnung, ich bin gleich fertig“ Ich stand vor dem großen Wandspiegel und schminkte mich, zumindest versuchte ich das. Für die Schule benutzte ich immer nur ein Mattpuder und etwas Wimperntusche, das wars dann aber auch. Und genau das wurde mir nun zum Verhängnis. Ich gab es schließlich auf, mir einen Lidstrich ziehen zu wollen, ich hatte einfach zu zittrige Hände dafür. Der Grund, warum sie so zitterten, war immer noch derselbe: Jacob.

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Seit mir klargeworden war, dass ich mich in ihn verliebt hatte, lief ich nur noch grinsend durchs Haus und nichts konnte meine Stimmung trüben, noch nicht mal der Mathetest, den ich so gründlich vermasselt hatte. Sobald ich nur an seinen Namen dachte, verursachte das schon eine Gänsehaut bei mir uns mein Herz machte dann einen Riesenhüpfer. Ich hatte ewig gebraucht, um mir ein passendes Outfit für einen Kinoabend zusammenzusuchen. Nachdem ich fast den kompletten Schrank ausgeräumt hatte, fand ich schließlich etwas. Jetzt trug ich ein kurzes lilanes Kleid mit Leggins untendrunter. Ich musste zugeben, dass das etwas zu kalt für diese Jahreszeit war, aber Jacob wurde mich mit seinem Körper warm halten. Das hoffte ich zumindest. Von unten konnte ich meinen Dad rufen hören: „ Beeil dich lieber etwas, Jacob müsste jeden Moment kommen“ Da! Schon wieder! Mein Herz schlug mir bis zum Halse. Ich warf noch einen letzten zufriedenen Blick in den Spiegel und ging dann die Treppe hinunter, wo Alan auf mich wartete. Ich lächelte, als ich daran dachte, wie er auf meine Verabredung mit Jacob reagiert hatte. Ich kam am nächsten Morgen, nachdem Jacob mein Fenster attackiert hatte, ins Wohnzimmer wo ich meinen Dad auf der Couch fand. Ich überlegte, wie ich das Thema am besten anschneiden konnte doch ich hielt es für das Beste, es einfach kurz und bündig zu sagen. „ Daddy?“ Alan drehte sich sofort zu mir um und schaute mir aufmerksam ins Gesicht. Vermutlich ließ mein zittriger Ton ihn Schlimmes erahnen. „Was gibt es Schatz?“, fragte er mit nervöser Stimme. „ Ich wollte dir nur sagen, dass ich morgen mit Jacob ausgehe. Wir wollen ins Kino“ Für eine Sekunde lang starrte mein Vater mich nur fassungslos an. Dann fing er an zu strahlen und war mit einem Satz bei mir. Er legte seine Arme um mich und wirbelte mich gerade zu durch die Gegend.

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„ Ich wusste es! Ich wusste, du würdest ihn mögen. Dein alter Herr irrt sich nie“ Er ließ mich los und hüpfte vor mir auf und ab wie ein kleiner Junge, der gerade erfahren hatte, dass er ein Fahrrad zum Geburtstag bekommt. „ Du siehst absolut hinreißend aus!“, stieß er nun hervor, als ich im Flur ankam. In seinem Blick lag Stolz und er drehte mich im Kreis herum, damit er mich genauer begutachten konnte. „Ja, sehr schön. So kannst du mit Jacob ausgehen.“ „ Danke Dad“, sagte ich knapp und einige wenige Augenblicke später klingelte es an der Tür. Noch ehe Jacob den Finger von der Klingel genommen hatte, riss ich sie Tür auf. Seine Augen weiteten sich, als er mich in dem Kleid sah und er schaute mich von Kopf bis Fuß an, wobei sein Mund die ganze Zeit offen stand. Von drinnen kam ein Räuspern. Jacob fing sich wieder und drückte kurz meine Hand, bevor er zu meinem Vater ging. Ich folgte ihm unauffällig, ich war gespannt, was Alan jetzt tun würde. Ich erschrak, als ich seinen Gesichtsausdruck sah und auch Jacob schien sich unwohl zu fühlen. Mein Dad sah ihn finster an und sein Mund war zu einem schmalen Strich geworden. Dass er dazu noch die Arme verschränkte, zerstörte seine ausgelassene Art von vorhin. Was war mit ihm los. Hatte er gestern nicht noch so laut gejubelt, als hätte er im Lotto gewonnen? „ Hey, Alan. Wie geht’s?“, wendete sich Jacob an ihn und er schaute ihn nervös an. Um Alans Mundwinkel zuckte es, als müsse er sich zusammenreißen. In dem Moment kam der große Ausbruch. Dad grinste bis über beide Ohren und fing lauthals an zu lachen und Jacob fiel ebenfalls mit ein. Männer.

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„ Ach Jacob. Ich kenn dich schon seit du klein bist, also werd ich dich jetzt nicht foltern. Pass einfach nur auf meine Tochter auf. Habt einen schönen Abend!“ Er küsste mich auf die Wange und wir konnten gehen. Viel zu schnell kamen wir am Kino an, ich hätte gerne noch etwas Zeit mit ihm alleine im Auto verbracht. Wir stiegen aus, und ich fragte ihn, welchen Film er sich ausgesucht habe. Ich hatte ihm ganz bewusst die Wahl gelassen, denn ich hatte absolut keine Ahnung, was gerade so lief. „ Eine romantische Komödie mit Jennifer Aniston. Sie heißt `Love Happens`“ Wie passend. Wir holten uns etwas Popcorn und dann gingen in den Saal. Da es in Atlanta freie Platzwahl gab, schlug ich vor, weiter hinten zu sitzen. Ich ging voran. Dann überfiel mich ein neues Problem, bei dem ich in Panik verfiel. Normale Plätze oder doch Kuschelplätze? Ich wollte ja nichts kaputtmachen. Ich war total hilflos und wandte mich mit hochrotem Kopf an Jacob: „ Ähh…wo willst du denn sitzen“ Er schien mein Dilemma zu bemerken, denn er lächelte, ging voran und deutete auf zwei Plätze in der Mitte der Reihe. „ Die hier sind doch perfekt, meinst du nicht?!“ Ich jubelte innerlich! Es waren Kuschelplätze! Die Vorschau begann und ich fing an, meiner Lieblingsbeschäftigung nachzugehen: Jacob anzuschauen. Selbst im Halbdunkel konnte ich sein wunderschönes Gesicht genau erkennen. Er drehte sich zu mir um und ich wandte mich peinlich berührt von ihm ab. Der Film war wirklich gut. An manchen Stellen war er so witzig, dass Jacob und ich uns kaum auf den Sitzen halten konnten.

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Etwa in der Mitte des Films veränderte Jacob seine Haltung. Er lehnte sich zurück, kratzte sich am Ohr, währende er seinen Ellenbogen unauffällig auf die weiche Rückenlehne legte. Ah, jetzt sollte also dieser Trick kommen. Jacob schaute weiter auf die Leinwand. Ich grinste innerlich und wartete gespannt ab. Ich musste nicht lange warten. J etzt streckte er seinen ganzen Arm aus und legte ihn auf die Lehne, sodass er sich nun auf meiner Seite des Sitzes befand, aber mich noch nicht berührte. Dass sollte offenbar mein Zeichen sein. Ich griff in die Popcorn und dabei rutschte „aus Versehen“ meine kleine Handtasche zu Boden, welche die ganze Zeit auf meinem Schoß gelegen hatte. Während ich mich bückte, um sie aufzuheben, rutschte ich unauffällig etwas weiter zu Jacob hinüber. Nur wenige Zentimeter, aber ich hoffte, es würde ihn ermutigen. Und tatsächlich. Als ich mich wieder in den Sitz kuschelte, kam er noch etwas näher und legte seinen Arm vorsichtig um mich und seine Hand schloss sich sanft um meinen Oberarm. Er lächelte triumphierend in sich hinein. Ich hätte tanzen können vor Glück. Ich wollte mein Glück zwar nicht herausfordern, aber es interessierte mich, wie weit ich gehen konnte. Ganz langsam legte ich meinen Kopf an seine kräftigen Schultern, sodass mein Gesicht seinem ganz nah war. Er reagierte sofort darauf und legte seine glühend heiße Wange an mein Haar. Ich hätte stundenlang so dasitzen können. Sein ganzer Körper strahlte so eine Wärme aus, dass ich froh war, mich zu dem Kleid entschieden zu haben. Mein Herz wollte sich einfach nicht beruhigen und als ich Jacobs wunderbaren Duft einatmete, raste es geradezu.

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Plötzlich bekam ich Angst, weil ich Bedenken hatte, dass vielleicht nur ich so empfand aber er leider nicht. Doch als Jacob mir mit seinem Daumen zärtlich über den Arm strich, waren diese Gedanken wie weggewischt. Im Film startete das große Finale und wie ich solche Romantische Streifen kannte, kam gleich die große Kuzzszene. Ich schluckte. Ich wusste von dem Klischee, dass viele Paare ihren ersten Kuss im Kino erlebten, doch ich wollte nicht dazugehören. Ich hoffte inständig, dass Jacob nicht auf die Idee kam, mir in einem vollen Kinosaal näher kommen zu wollen. Das wäre mir unangenehm gewesen. Doch so wie ich mich kannte, würde ich ihn trotzdem nicht aufhalten. Doch als die Schauspieler sich ihrer Liebe hingaben, verstärkte Jacob seinen Griff nur und lächelte. Puh, nochmal Glück gehabt. Der Film war zuende, doch wir blieben noch weiter sitzen. Ich gehörte zu den Menschen, die immer noch die Musik beim Abspann genießten. Dies war oft der schönste Teil eines Kinoabends. So waren wir die letzten, als wir aus dem Kinosaal raus und in den mit Teppich ausgestatteten Flur gingen. Ich wunderte mich, dass es so leer war. Selbst die Verkäufer standen nicht mehr hinter der Essenstheke. Es musste wirklich schon spät sein. In dem Moment räusperte sich Jacob und gewann so wieder meine volle Aufmerksamkeit. „ Machts dir was aus, hier kurz zu warten? Ich müsste mal auf die Toilette.“ „ Klar, kein Problem“ Er zwinkerte und machte sich dann auf die Suche nach einer Toilette. Ich setzte mich auf die breite Treppe, um auf ihn zu warten. Es war so ruhig hier.

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„ Na Süße, was machst du denn noch so spät alleine hier?“ Ich hatte mich getäuscht, der Flur war nicht ganz leer gewesen. Drei großgewachsene Kerle kamen um die Ecke und beäugten mich. 2 von ihnen waren blond und etwas schmächtig. Einer von ihnen etwas kleiner und mit vielen Muskeln. Unter seinem Kurzarmligen T-Shirt konnte ich ein Drachentattoo erkennen. Ich tat so, als hätte ich nichts gehört. Diese Typen sahen gefährlich aus, und ich verspürte keinerlei Drang, sie zu provozieren. Doch nicht zu antworten, war bei diesem Vorhaben genau das falsche. Die drei stellten sich nebeneinander vor mich, aber ließen noch einen gewissen Abstand zwischen uns. „ Hey, wir reden mit dir, Kleines!“, sagte einer der Blonden mit schroffem Ton. Ich hob den Kopf, schaute ihn kurz an und sagte “Hi“ mit einer brüchigen Stimme. Ein höhnisches Grinsen breitete sich auf allen drei Gesichtern aus. „ Na, du scheinst ja richtig schüchtern zu sein. Das gefällt mir. Hast du nicht Lust, etwas mit uns trinken zu gehen, und danach…wer weiß?!“ sprach der Tattoo-Typ mit Entzückung in der Stimme und machte einen Schritt auf mich zu. Meine Alarmglocken läuteten lauter als je zuvor. Ich stand auf, um nicht wie ein völlig wehrloses Opfer dazusitzen und hielt mich an dem Geländer fest. Am liebsten würde ich einfach wegrennen, aber das konnte ich Jacob nicht antun. Er würde sich bestimmt fragen, was er gemacht hatte, um mich zu vergraulen. Ich versuchte, einen selbstbewussten Ton anzuschlagen: „ Nein Danke. Es ist

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schon spät und warte noch auf meine Verabredung, er müsste gleich hier sein“ Es sollte wie eine kleine Drohung klingen. Die Typen merkten das auch und mochten das gar nicht. „ Och komm schon, dein Macker wird schon nichts dagegen haben. Er hat doch so ein leckeres Mädchen wie dich gar nicht verdient. Komm mit uns. Wir stellen dir unsere Freunde vor“, sagte der andere Blonde und griff sich bei der Bemerkung in den Schritt. Ich bekam einen üblen Brechreiz. Jetzt standen die Typen nah bei mir und ich versuchte, einen Schritt rückwärts zu gehen. Vergeblich. Sie hatten mir schon den Weg abgeschnitten und fingen an, mich zu umzingeln. Oh nein, oh nein. Ich sah, wie einer von ihnen mit seinen ekligen Fingern näher kam, mit denen er sich gerade an seinem edelsten Teil gekratzt hatte. „ HEY! Was ist denn hier los???!!!“ hörte ich Jacob schreien. Er rannte auf uns zu, schubste die drei überraschten Männer zu Seite und schob mich beschützend hinter seinen Rücken. In Jacobs Blick lag so eine Wut, dass mir vor lauter Schreck das Atmen schwerfiel. Er funkelte die böse anderen an. Die jedoch lachten sich nur schlapp und schienen unbeeindruckt. Ich bekam plötzlich Panik. Jacob war zwar ungeheuer stark und groß für sein Altern, aber mit 3 ausgewachsenen Männern konnte er es sicher nicht aufnehmen. „ Hey, Kurzer, reg dich ab! Wir haben uns nur ein wenig mit der Süßen unterhalten. Ein richtiges Schmuckstück, wenn du mich fragst. Wir haben ihr gerade angeboten, den restlichen Abend mit uns zu verbringen und sie war sichtlich angetan“ Ich stieß einen empörenden Ton aus. Jacob schaute mich schnell an und ich schüttelte nur den Kopf. Hoffentlich sah er nicht, was für eine fürchterliche Angst ich hatte. Er drehte sich wieder zu den anderen rum und sagte mit beherrschter Stimme: „ Ich denke, meine Freundin hat euch deutlich gemacht, was sie von dieser Idee

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hält, und jetzt zischt gefälligst ab!“ Auch wenn wir uns in dieser brenzligen Situation befanden, konnte ich nicht ohnehin, zu merken, dass mein Herz einen kleinen, freudigen Hüpfer machte. Er hatte mich seine Freundin genannt. Der Tattoo-Mann stieß ein gefährliches Fauchen aus. Ich trat neben Jacob und sagte voller Panik: „Bitte Jacob, lass es. Komm, wir gehen einfach. Ich glaub, sie haben verstanden.“ Ich sah seinen Missmut. Zu gerne hätte er sich mit ihnen gemessen, doch schließlich drehte er sich um und wir wollten gehen. Plötzlich ertönte hinter uns wieder Gelächter und einer von ihnen rief (ich konnte nicht genau sagen, wer es war): „ Ja, verschwinde nur, du kleiner Feigling. Mit deiner Tusse könnte man eh keinen Spaß haben. Um ehrlich zu sein, sieht sie sogar wie eine durchtriebene Schlampe aus. Pass auf, dass sie dich nicht im nächsten Moment betrügt und mit einem Anderen in die Kiste springt.“ In diesem Augenblick holte Jacob zum Schlag aus. Seine Faust traf einen der Blonden mitten im Gesicht. Dieser schrie und glitt zugleich zu Boden. Die beiden anderen gingen mit wütendem Gebrüll auf Jacob los. Ein lauter Schrei kam aus meinem Mund. Jacob stürzte sich ebenfalls auf sie und schon ringte er mit beiden gleichzeitig. Einer zog ihm so fest an seinem Haar, dass er einen Schmerzensschrei ausstieß. Ich wollte ihm zu Hilfe eilen, vielleicht konnte ich ja versuchen, einen von ihnen mit meiner Handtasche zu verprügeln. Doch schon in der nächsten Sekunde schleuderte Jacob den Mann mit dem Drachentattoo mit solch einer Wucht durch den Flur, sodass er mit einem

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ohrenbetäubenden Geräusch von gebrochen Rippen gegen die Essenstheke knallte. Nun blieb nur noch einer übrig. Dieser starrte Jacob mit angstgeweiteten Augen an und machte sich vom Acker, ohne sich auch nur einmal nach seinen verletzten Freunden um zu sehen. Jacob stand mit dem Rücken zu mir, schwer atmend und sein Körper zitterte. Ich ging mit weichen Knien zu ihm und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Augenblicklich beruhigte er sich. „ Komm, lass uns gehen, die Security kann sich um sie kümmern.“ Jacob fasste mich am Arm und rannte mit ihm aus dem Kino. Ich verstand nicht ganz, warum, die Gefahr war doch vorüber. Vor seinem Auto hielten wir endlich an. Er schaute mir tief in die Augen: „Michelle, ist alles in Ordnung mit dir? Haben dich diese widerlichen Kerle angefasst? Denn wenn ja, dann schwör ich dir, geh ich zurück und…“ Er ließ den Rest des Satzes in der Luft hängen. „ Es ist alles ok, Jacob, mach dir keine Sorgen“ In Wirklichkeit war ich kurz davor, loszuheulen, aber ich musste mich zusammenreißen. Jake nahm mich in seine Arme und eine Weile lang verharrten wir so. „ Vielen Dank Jacob. Wenn du nicht gewesen wärst, wer weiß, was dann passiert wäre“ flüsterte ich. Sein Körper verkrampfte sich wieder und er sagte: „ Ich musste doch etwas tun. Hauptsache, du bist in Sicherheit. Es wird wohl besser sein, wir sagen Alan nichts davon“ Ich nickte. Auf der Heimfahrt sagte keiner von uns ein Wort. Ich ärgerte mich. Der Abend hatte so schön begonnen, warum mussten diese Typen auftauchen und alles verderben? Er hielt vor meinem Haus und ich fasste einen Entschluss. Ich wollte nicht, dass er ging. „ Hey, ich weiß, es ist spät. Aber willst du noch mit reinkommen? Wir können uns noch einen Film reinlegen, was meinst du?“ Jacob schaute mich zweifelnd an. „ Bitte!“ flüsterte ich drängend. Jacob lächelte: „Wenn du unbedingt möchtest. Hast du einen Horrorfilm?“

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Wir saßen auf dem Bett und redeten, während im Hintergrund ein Zombiefilm lief. Alan war schon schlafen gegangen, als wir heimkamen. „ Hör mal Michelle, es tut mir Leid.“ Ich starrte ihn verwirrt an: „ Was tut dir Leid, dass du mich vor diesen schmierigen Kerlen gerettet hast? „ Nein, dass ich dich erst überhaupt alleingelassen habe. Auch wenn es nur 5 Minuten waren. Ein hübsches Mädchen nachts allein im Kinoflur sitzen lassen…Ich könnte mich umbringen“ Ich verdrehte die Augen und machte ihm klar, dass seine Gewissenbisse völlig unbegründet waren. In dem Moment fiel mir etwas ein. Ich stand auf und betrachtete mich im Spiegel. „ Jetzt mal ganz ehrlich. Seh ich heut wirklich wie eine, eine...“ Ich konnte den Satz nicht beenden. Jacob verstand was ich meinte und stand sofort neben mir „ Mach dir nichts aus dem, was diese Idioten gesagt haben, du siehst toll aus. Du warst heute das schönste Mädchen in diesem Kino“ Ich wurde rot. Er fragte mich“ Hast du Lust, den Film weiterzugucken?“ Zur Antwort bekam er von mir ein herzhaftes Gähnen zu hören. Er lachte. „ Ok, Miss Hawkins, ab ins Bett mit Ihnen“ Er selbst schaute in meinen Fernseher, während ich mich ins Bett legte, seinen Hinterkopf weiterbetrachtete und dann immer schläfriger wurde. Irgendwann fielen mir die Augen zu. Meine Träume waren sehr, sehr lebhaft. Ich träumte von dem letzen Monat, den ich meiner neuen alten Heimat verbracht hatte. Jacobs Gesicht kam öfter als alles andere vor. Ich sah uns bei unseren vielen Spaziergängen und bei unserem ersten Besuch bei Billy. Ich träumte davon, wie er mein Haar und meine Wangen küsste und wie ich ihm „ Ich liebe dich“ ins Ohr flüsterte, immer und immer wieder, bis ich aufwachte.

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Die Sonne strahlte mir hell ins Gesicht. Ich war gestern nicht dazu gekommen, den Rollladen runterzumachen. Ich rieb mir die Augen und streckte meinen gesamten Körper. Ich drehte mich um. Jacob war weg. Ich schaute auf meinen Wecker. 11 Uhr. Du meine Güte, er war bestimmt schon ewig fort. Ich fragte mich, ob er gegangen war, als der Film zu ende ging oder ob er länger geblieben war. Aber warum sollte er?! Ich setzte meine nackten Füße auf den Fußboden und wollte zu meinem Schrank laufen. Dabei trat ich auf etwas. Ich sah verschlafen hinunter. Jemand hatte aus meinem Drucker ein weißes Blatt genommen und darauf eine Nachricht geschrieben. Ich hob den Zettel auf und als ich ihn las, war ich plötzlich hellwach. Michelle, tut mir Leid, dass ich weg bin, wenn du aufwachst. Billy braucht mich daheim. Es ist wirklich interessant, dir beim Träumen zuzusehen. Hast du gewusst, dass du im Schlaf redest? Es war wirklich faszinierend für mich, dein Zuhörer zu sein. Ich melde mich bei dir, sobald ich kann. Bis dann. Jacob P.S.: Ich liebe dich auch! Können Wunder wahr werden? Der Zettel fiel mir aus der Hand und ich musste mich auf mein Bett setzen, damit ich nicht umkippte. Konnten denn wirklich Wunder geschehen? Konnte es wirklich sein, dass der umwerfendste Junge der ganzen Stadt, nein, der ganzen Welt das Gleiche für mich empfand wie ich für ihn? An meinem ganzen Körper kribbelte es und ich musste mich selbst daran

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erinnern, zu atmen. Ich las mir die Nachricht immer und immer wieder durch, um mich von den Worten zu überzeugen. Ja, da stand ganz deutlich „ Ich liebe dich“, ohne wenn und aber. Jetzt konnte ich mich nicht mehr zurückhalten. Ich sprang in meinem Zimmer auf und ab, warf die Hände in die Luft und stieß Freudenschreie aus. Ungefähr 10 Minuten lang hüpfte ich hin und her und Glücksgefühle überschwemmten mich gerade zu. Ich war wirklich reif für die Klapse. Nachdem ich mich einigermaßen beruhigt hatte, zog ich mich in Rekordgeschwindigkeit um und ging zügig die Treppe hinunter, um mich den bohrenden Fragen meines Vaters zu stellen. Bestimmt drehte er vor Neugier vollkommen durch. Ich hatte mich nicht geirrt, denn sobald ich die Küche betrat, legte er seine Zeitung zur Seite und beäugte mich misstrauisch. „Guten Morgen, Dad“, begrüßte ich ihn mit freudigem Ton. Alan hob eine Augenbraue. „ Na, da hat aber jemand gute Laune. Dann gehe ich davon aus, dass der gestrige Abend ein Erfolg für dich war?“ „Und wie er das war“, rief ich euphorisch. Huch, warum erzählte ich ihm das alles? Sollte man so etwas nicht vor seinen Vätern geheim halten? Ich zuckte die Achseln. Alan war noch nie ein „normaler“ Vater gewesen. Er räusperte sich und ich sah ihm an, dass er sich plötzlich unwohl in seiner Haut fühlte. „ Ähm, ich weiß, du willst mit deinem alten Herrn bestimmt nicht darüber reden, aber es würde mich wirklich interessieren. Aber wenn du nicht willst, dann brauchst du nicht darauf zu antworten, Michelle“ „ Nun rück schon damit raus“ „ Ok…also…seid ihr jetzt richtig zusammen? Ich meine, seid ihr jetzt offiziell ein Paar?“

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Das war wirklich eine sehr gute Frage! Waren wir das? Ein richtiges Paar? Bei dem Gedanken wurde mir warm ums Herz und mein Kreislauf spielte verrückt. Es war wunderschön, sich vorzustellen, dass Jacke und ich ein zusammen wären und Hand in Hand durch die Stadt schlenderten. Aber es war zu früh, um das mit Gewissheit sagen zu können. Immerhin hatte ich die magischen drei Worte nur im Schlaf vor mich hingemurmelt und Jacob hatte sie auf ein Stück Papier geschrieben. Bei der Überlegung wurde mir übel. Vielleicht war ich vorhin etwas zu voreilig gewesen mit meiner Begeisterung. „Ähm, Dad, das ist nicht so einfach zu erklären. Frag mich in ein paar Tagen nochmal, ja? Dann kann ich dir eine sichere Antwort darauf geben“ Alan schien nicht zufrieden zu sein, doch ich ignorierte ihn und schleppte mich die Treppe hinauf. Vorhin war ich voller Zuversicht gewesen, doch jetzt plagte mich nur noch die Unsicherheit. Jacob meldete sich den ganzen Tag nicht, sondern rief erst am späten Abend wieder an. Als ich seinen Namen auf meinem Handydisplay sah, wurde ich nervös. Wie sollte ich mich nun verhalten? Jake wusste mit Sicherheit, dass ich den Brief gelesen hatte, es hätte überhaupt keine Möglichkeit gegeben, ihn zu übersehen. Ich entschied mich dazu, erst mal abzuwarten, was er mir überhaupt zu sagen hatte. Ich drückte auf Annahme. „Hi Jake, wie geht’s?“ Meine Stimme klang etwas zu hoch. „Hey, mir geht’s gut. Was ist mit dir? Schön ausgeschlafen?“ Ich gluckste vor Aufregung. „ Ja danke, hab ich. Sorry nochmal deswegen. Einfach einzupennen, während du nebendran sitzt. Unmöglich“ „ Ach Quatsch, mach dir nichts draus. Es war ja auch ein anstrengender Tag.

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Hör mal Michelle…“ Ich wartete. „ Wir müssen reden“ Mein Herz zog sich unangenehm zusammen und ich ließ die Schultern hängen. Also doch! Es wäre auch zu schön gewesen, um wahr zu sein. „ Ähm, ja klar. Soll ich vorbeikommen?“, fragte ich nervös. „ Nein. Können wir uns in einer halben Stunde im Park treffen? Unter der großen Kastanie?“ „Geht klar, bis gleich“ Er legte ohne Abschiedsgruß auf. Das war ein schlechtes Omen. Mit dunklen Vorahnungen setzte ich mich ins Auto und fuhr los. Dabei hielt ich das Tempo recht langsam, denn ich hatte keine Eile, mich mit diesem Gespräch auseinanderzusetzen. Im Park angekommen, brauchte ich nicht lange, um die Kastanie zu finden, von der Jacob gesprochen hatte. Er stand schon da und starrte nachdenklich zu Boden. Ich ging zu ihm. „ Hey“ versuchte ich mit aufmunterndem Ton zu sagen. Jacob schaute hoch und es dauerte etwas bis er antwortete. „ Hi“ Die Andeutung eines Lächelns huschte über sein Gesicht, was mir neuen Mut gab. „ Also, was gibt es denn so wichtiges?“ Es sollte ganz locker klingen aber es hörte sich so an, als wartete ich auf mein Todesurteil. „ Es geht so um ziemlich alles. Der gestrige Abend mit dir war wunderschön, abgesehen von der Aktion mit diesen widerwertigen Typen. Ich hab mit dir so gelacht, wie ich es seit langem mit keinem tat“ Sein Kompliment rührte mich. Also hatte es sich nicht nur für mich so angefühlt.

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„Aber?!“ „ Aber es gibt etwas, was im Weg steht.“ Ich schaute ihn nur verständnislos an und antwortete nicht. Er holte tief Luft und sprach weiter: „ Es ist nicht leicht zu erklären. Ich verheimliche etwas vor dir und das bringt mich um!“ I ch erstarrte. „ Gibt es etwa ein...ein anderes Mädchen?“ Jetzt schaute Jake mich verständnislos an. „ Nein, um Gottes Willen. Michelle, die letzten Wochen mit dir waren die besten in meinem bisherigen Leben. Ich denke nur noch an dich, Tag aus, Tag ein. Sogar nachts träume ich nur noch von dir! Aber…es geht darum, was ich bin und dass ich einfach nicht den Mumm habe, es dir zu sagen und das macht mich fertig!“ „ Hat diese Sache etwas mit Sam Uley und deinen anderen Freunden zu tun?“ Ich hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. Jacob nickte traurig. „ Jake, du weißt, dass du mir alles sagen kannst. Egal, was es ist“ „ Aber was ist, wenn diese Sache so vollkommen verrückt ist, dass du es nicht verstehen würdest oder Angst davor hast?“ Er kam näher. „ Michelle, bitte lass mir etwas Zeit. Bevor du es nicht weißt und ich erkenne, wie du dazu stehst, kann ich mich auf das hier nicht einlassen. Wie gerne ich es auch täte“ dabei zeigte er mit dem Finger abwechselnd auf mich und ihn „Bitte verzeih mir. Ich werde mein Bestes geben“ Er umarmte mich kurz und dann war er weg. Ich stand völlig perplex im Schatten des Baumes und versuchte zu verstehen, was er gerade gesagt hatte. Hoffnungslos. Mein Gehirn war nicht im Stande, es zu verstehen.

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Verwirrt stieg ich in den Wagen und fuhr nach Hause. Dabei ließ ich das ganze Gespräch nochmal Revue passieren. Meinte er das ernst, was er gesagt hatte? Lag es wirklich nicht an mir, sondern an ihm? Vielleicht sollte ich Sam anrufen. Aber sobald ich diesen Einfall hatte, verwarf ich ihn auch schon sofort. Das wäre keine gute Idee gewesen. Ich musste warten, bis Jacob bereit war, mir sein Geheimnis anzuvertrauen. Das war ich ihm schuldig. Ich schlief sehr unruhig in dieser Nacht. Die nächsten zwei Tage meldete sich Jacob nicht und das machte mich verrückt. Ich versuchte mich mit allen möglichen Mitteln abzulenken, doch es gelang mir nicht. Freitagabend saß ich an meinem Schreibtisch und versuchte mich auf Mathe zu konzentrieren. Die Zahlen im Mathebuch hüpften vor meinen Augen aber nur hin und her und ich hatte keine Chance, auch nur eine Aufgabe zu lösen. Ich grübelte wieder über die ganze Sache mit Jake nach. Es musste etwas Ernstes sein, was er mir sagen wollte. Ich erinnerte mich an seinen leidenden Blick, als wir in seinem Zimmer waren und mir lief es eiskalt den Rücken hinunter. Es musste etwas furchtbar Schlimmes sein, wenn es ihn so fertigmachte und er mich damit nicht belasten wollte. Aber er musste sich keine Sorgen machen. Was immer es war, sein Geheimnis wäre bei mir sicher aufgehoben. Ich erschrak so dermaßen, dass ich fast vom Stuhl fiel und meine Knie nachgaben. Sein Geheimnis wäre gut bei mir aufgehoben… Aber was war mit meinem? Mein Geheimnis, was schon unzählige Menschen in Gefahr gebracht hatte. Das Geheimnis, über das Alan und ich niemals redeten, niemals! Es war verbannt worden aus unseren Gesprächen und unseren Gedanken. Niemand durfte es

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jemals erfahren, auch nicht Jacob. Ich schaute verzweifelt zu der kleinen Holzkiste, die in der dunkelsten Ecke meines Zimmers stand. Zu der Kiste, in der sich alle Sachen aus meinem früheren und geheimen Leben befanden. Die Sachen, die ich vor 3 Jahren, als meine Mom starb für immer in diese Kiste gesperrt hatte mit dem Vorhaben, sie nie wieder zu öffnen, nie wieder! Der Schmerz wäre einfach zu groß gewesen. Die Vergangenheit musste ruhen. Während ich diesen düsteren Gedanken nachhing, klopfte es an meiner Tür. Ich fuhr zusammen und versuchte, mich wieder zu fangen. Sicher war das Alan, der mich zum Essen rief. Ausnahmsweise wollte er einmal kochen. Doch ich irrte mich. „Michelle?“ Ich fuhr herum. Jacob stand im Türrahmen und schaute mich zögernd an. Eigentlich müsste ich sauer sein, dass er sich ganze zwei Tage nicht gemeldet hatte und mich im Dunkeln ließ, richtig, richtig sauer. Ich fiel ihm um den Hals. Er erwiderte meine Umarmung und wuschelte mit seiner Hand durch mein kurzes Haar. „ Nicht so stürmisch, ich bin ja da.“ Ja, das war er und das war das Wichtigste. „ Hast du über alles nachgedacht? Sagst du es mir jetzt? fragte ich ihn neugierig und ängstlich zugleich. Würde ich jetzt gleich alles erfahren? Statt mir zu antworten, schloss Jacob die Tür, drehte sich zu mir um und kam auf mich zu. Was hatte er vor? Er kam immer näher, bis er so nah vor mir stand, dass ich seinen Atem auf

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meiner Haut spüren konnte. Ich schaute ihm ins Gesicht. Sein Blick war begierig und vorsichtig zu gleich. Ich wusste nicht, wie er das anstellte, doch ich hätte schwören können, dass meine Beine in diesem Moment die Konsistenz von Butter besaßen. Keiner von uns sagte etwas. Er legte seinen starken Arm um meine Taille und zog mich noch näher an sich, falls das überhaupt möglich war. Meine Hände lagen jetzt auf seiner breiten Brust, die sich regelmäßig auf und absenkte. Im Gegensatz zu meiner. Ich atmete so schnell, dass sich bestimmt jeder Notarzt Sorgen um meine Gesundheit gemacht hätte. Jake nahm mein Gesicht in seine beiden, warmen Hände und kam mit seinem näher. Mein Herz drohte, aus meiner Brust zu springen und meine Nackenhaare stellten sich auf. Ich ließ alle Vorsicht fallen und stellte mich leicht auf die Zehenspitzen, um mich ihm entgegen zu recken. Ich sah ein Lächeln auf seinen vollen Lippen, mit denen er meinen immer näher kam. Seine Fingerspitzen liebkosten meine Wangen, während sein heißer Atem mir entgegen strömte und unsere Lippen nur noch Millimeter voneinander entfernt waren. In diesem Moment stoppte er und befreite sich ruckartig aus meinen Armen. Vor lauter Schreck wäre ich fast vornübergefallen, wenn Jake es nicht verhindert hätte und mich aufgefangen hätte. Er flüsterte mir ins Ohr: „ Michelle, es tut mir so wahnsinnig Leid. Ich dachte, ich könnte es. Aber es frisst mich von innen auf, dass du nicht Bescheid weißt und ich nicht den Mut habe, es dir zu sagen. Ich habe Angst, wie du reagierst und auch Angst davor, dass du mich für ein Monster hältst!“ Jacob ein Monster? Das war unmöglich. Er machte einige Schritte rückwärts und schaute mich wehleidig an. „Hast du

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dich denn nie gefragt, warum mein Körper so ungewöhnlich warm ist, wärmer als von jedem anderen Menschen? Oder warum ich viel zu stark für meine 17 Jahre bin?!“ Ich blickte ihn nur achselzuckend an und sagte. „ Es hat für mich keine Rolle gespielt. Und ich wollte mich nicht aufdrängen!“ Jake stammelte nur „ Ich…ich kann das einfach nicht.“ Dann rannte er aus meinem Zimmer und ließ mich mit nur noch mehr Fragen zurück. Endlich die Wahrheit Ich war gerade bestimmt der Mittelpunkt einer billigen Freakshow. Ich wartete nur darauf, dass ein Filmteam in mein Zimmer platzte, um mir zu sagen, dass sie mich auf Strich und Faden reingelegt hatten und mir die versteckten Kameras im Haus zeigten. Zuerst begegnete ich Jacob, der mich im ersten Moment offenbar auffressen will, dann verliebe ich mich in ihn, er rettet mich vor drei Irren und er gesteht mir ebenfalls seine Gefühle für mich. Und dann fällt ihm leider kurz vor unserem ersten Kuss ein, dass wir nicht zusammen sein können, weil ihn ein dunkles und gefährliches Geheimnis umgibt und lässt mich wie einen begossenen Pudel alleine zurück. Wie schon gesagt: eine vollkommene Freakshow. Ich war einfach nur wütend. Wütend auf mich selbst, wütend auf Jacob und erst recht wütend auf dieses blöde Geheimnis. Ich stampfte mit voller Wucht

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auf und in meiner Hysterie trat ich mit all meiner Kraft gegen meinen Bettpfosten. Ich stieß einen markerschütternden Schmerzensschrei aus. Von unten vernahm ich das Geräusch eines Stuhles, der ruckartig über die Küchenfliesen schabte. Dann hörte ich ein Poltern, wie jemand die Treppe hochgerannt kam. Wenige Sekunden später stand mein Vater atemlos im Raum. „ Michelle, was in Gottes Namen ist passiert? Bist du ok?“ „ Ja Dad, alles in Ordnung, Dad. Ich hab nur…ich hab mich nur am Bett gestoßen. Der Schmerz lässt bestimmt gleich nach“, beantwortete ich seine Frage, während ich meinen Fuß umklammert hielt und durch die Gegend hüpfte, um die Balance zu halten. Alan schaute skeptisch von mir zu dem Pfosten, der keine bleibenden Schäden von meinem Angriff davontragen würde. Im Gegensatz zu meinem Fuß. „ Ach Michi. Ich hab ja schon von vielen Leuten gehört, dass in deinem Alter die Hormone verrückt spielen sollen, aber könntest du dich mit deinen Ausbrüchen etwas zurückhalten? Oder vermeide nächstes Mal bitte wenigstens, die Möbel zu missbrauchen. Ich hab dein Bett erst neu gekauft und ich kann es mir leider nicht leisten, deine Inneneinrichtung alle paar Wochen zu erneuern“ Er schüttelte den Kopf. Ich sah ihn schuldbewusst an und dann verließ er das Zimmer und verschwand im Bad. Na super. Jetzt war dieses blöde Geheimnis auch noch daran schuld, dass meine Zehen als übergroße blaue Flecken durchgehen konnten. Ich rieb meinen Fuß und setzte ihn vorsichtig auf. Ich hinkte zwar etwas, aber er müsste in ein paar Tagen wieder voll aktionstüchtig sein.

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Wieder meldete sich Jacob ganze zwei Tage nicht. Ich würde bestimmt bald zu einer dieser Freundinnen werden, die verrückt wurden und ihrem Freund hinterher spionierten. Aber ich war nicht Jacobs Freundin und das störte mich gewaltig. Ich überlegte ernsthaft, ob ich nicht ein paar Nachforschungen anstellen sollte, auf eigene Faust. Wenn Jacob mir nichts erzählen konnte, musste ich es eben selbst rausbekommen. Genau genommen, würde ich ihm damit einen Gefallen tun. Ich rätselte, wie ich es am besten angehen sollte. Schließlich fand ich eine Lösung. Alan hatte schon oft erwähnt, dass er Sam gerne mal wieder einladen würde, um sich mit ihm ein Baseballspiel anzusehen. Ich könnte ihn ja im Namen meines Vaters einladen und einfach ein wenig mit ihm plaudern. Das war kein Spionieren, nur ein wenig gepflegte Konversation betreiben. Ich ging in die Küche, um mir im Telefonbuch seine Nummer rauszusuchen. Dann schaute ich in Alans Kalender um nachzuschauen, wann er frei hatte. Es wäre bestimmt eine freudige Überraschung für ihn, wenn sein alter Freund auf der Matte stand. Doch als ich den Telefonhörer in die Hand nahm, Sams Nummer wählte und ich seine tiefe Stimme mit einem gehauchten „ Hallo?“ vernahm, überkamen mich Zweifel. Wenn Sam hier wäre und ich würde das Gespräch auch nur andeutungsweise Richtung Jacob führen, würde Sam es ihm sofort sagen. Und das würde das reinste Donnerwetter geben. Ich legte hastig auf, ohne ein Wort zu sagen. Vor lauter Frust machte ich mich ans Abspülen und das sollte schon etwas heißen. Dabei hing ich meinen

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Gedanken so lange nach, dass ich Kopfschmerzen bekam. Ich musste dringend an die frische Luft. Da hatte ich eine Idee und sofort besserte sich meine Laune. Ich war nun schon längere Zeit hier, ohne meinen Lieblingsort aus alten Kindertagen zu besuchen. Und Jacob redete eh nicht mehr mit mir, also konnte er mich auch nicht aufhalten. Also hieß mein oberster Tagesordnungspunkt also: der Wald. Ich ging eilig in mein Zimmer, um meinen Schrank nach warmen Sachen zu durchsuchen. Meinem Fuß ging es zwar immer noch nicht wieder perfekt aber ich würde heute ja nicht unbedingt rennen müssen. Beim Hinausgehen fiel mein Blick auf die verstaubte Holztruhe in der Ecke. Ich zuckte die Achseln. Heute trübte noch nicht mal das meine Stimmung. Als ich unten meine festen Wanderschuhe anzog, kam Alan gerade zur Tür hinein, da heute sein kurzer Arbeitstag war. Mist. Ich war nicht gerade scharf darauf, ihm zu sagen, wo mich mein Weg heute hinführte. „ Huch. Na wo willst du denn heute hin? Etwa ne kleine Wanderung machen?“ Ich zögerte. „ Ähm…ja Dad. Ich bin noch gar nicht dazu gekommen, in den Wald zu gehen. Du weißt, wie ich ihn früher geliebt habe.“ Alans Blick wurde etwas trüb. Er war sich den Erinnerungen bewusst. Erinnerungen aus glücklicheren Zeiten. Erinnerungen an ein Leben, als es Mom noch gab. „ Ich weiß nicht Michelle. Mir ist nicht wohl bei dem Gedanken, dich da allein hineinzulassen. Soll ich nicht mitkommen?“ „Ach Dad, ich seh doch, wie müde du bist und du willst das doch gar nicht. Leg dich etwas hin, du siehst nämlich echt fertig aus.“ Er grummelte etwas, aber ließ mich trotzdem gehen. Ich brauchte etwa 10 Minuten, um an den Rand des Waldes zu gelangen. Ich roch schon die frischen Nadeln der Bäume und hörte das Zwitschern der Vögel

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und so trieb ich meine Beine noch mehr an, soweit das mein Fuß zuließ. Eine halbe Stunde später befand ich mich schon zwischen meterhohen Bäumen und berührte deren Rinde. Obwohl ich so lange nicht mehr hier gewesen war, kam es mir trotzdem so vor, als wäre es gestern gewesen, dass ich als kleines Mädchen hier gespielt hatte. Der Wald hatte für mich immer etwas Mysteriöses an sich gehabt und war doch zugleich ein Zufluchtsort gewesen. Ich lehnte mich gegen einen breiten Baumstamm und dachte an die schöne Zeit, die ich hier mit meiner Familie verbracht hatte. Dad hatte mir die verschiedensten Arten von Pilzen gezeigt und mir genau erklärt, welche man essen durfte und welche nicht. Auch hatte er mir vieles über die verschiedensten Tiere erzählt, die in einem Wald lebten. Ich hatte ihm immer mit großen Augen angeschaut und mit offenen Ohren zugehört, denn er hatte mit solch einer Leidenschaft gesprochen, als sei der Wald sein Revier. Besonders die kleinsten Lebewesen hatten es ihm immer angetan. Ich musste grinsen, als ich mich daran erinnerte, wie er sich einmal aus Versehen in einen Ameisenhaufen gesetzt hatte und danach herumtanzte wie ein Hippie, der zu viel Gras geraucht hat. Ja, der große, atemberaubende Wald war immer ein besonderer Ort für mich gewesen. In diesem Moment hörte ich hinter mir ein Knacken. Ich drehte mich nur langsam um, weil ich erwartete, dass vielleicht ein Eichhörnchen auf einen Ast getreten war. Diese kleinen Racker konnten ganz schön laut sein. Umso mehr erschrak ich mich, als ich einem deutlich größeren Tier als einem Eichhörnchen gegenenüberstand. Etwa 20 Meter entfernt stand auf einem kleinen Hügel ein riesiger Bär. Sein Fell

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war von einem dunklen Braun, fast schwarz. Ich konnte nicht zuordnen, welche Art Bär es war und das war mir in diesem Moment auch reichlich egal. Mein Blick heftete an seiner großen Schnauze, die eine Reihe von spitzen Zähnen entblößte, die mit Sicherheit ohne weiteres Menschenfleisch zerreißen konnten. Seine langen Krallen, die nur dazu geschaffen waren, Knochen zu zerschmettern, scharten nervös auf dem Waldboden. Am Furchteinflößendsten waren jedoch seine Augen. Sie waren neugierig auf mich gerichtet und aus seinem gierigen Blick konnte man schließen, dass der Bär noch kein Nachmittagessen gehabt hatte. Ich war wie gelähmt vor Angst. Ich konnte nur ganz starr stillstehen und zusehen, wie mich der Bär fixierte. Ich hatte irgendwo einmal gelesen, wie man sich in solch einer Situation verhalten musste aber natürlich fiel es mir jetzt nicht ein. Ich hielt dem Blick des Bären stand. Er sollte mich nicht für eine leichte Beute halten, obwohl ich definitiv die leichteste seines bisherigen Bärenlebens darstellte. Ich machte einen kleinen Schritt rückwärts und stolperte dabei über die Wurzel eines Baumes. Ich fiel hin und mein Fuß verhedderte sich im Dickicht. Sofort schaute ich zu dem Bären und musste entsetzt feststellen, dass er sich auf seine Hinterbeine gestellt hatte und einen lautes Gebrüll von sich hören ließ. Ich versuchte rückwärts zu kriechen, doch ich bekam meinen Fuß nicht befreit. In diesem Moment ließ sich der Bär wieder auf alle vieren fallen und begann, sich selbst leicht hin und her zu wiegen, während tief aus seiner Brust ein Brummen erklang. Ich wusste, was das zu bedeuten hatte. Er machte sich bereit für den Angriff. Ich blickte auf den Waldboden, um nicht mit ansehen zu müssen, wie mein tödlicher Angreifer auf mich zu rannte. Jetzt war es also vorbei. Der Bär würde mit einem einzigen Biss oder Hieb meinem Leben ein Ende setzen. Ich würde niemals den Abschlussball erleben. Ich würde Alan nie wieder sehen. Jacob würde nie erfahren, wie sehr ich ihn liebte und wie viel er

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mir bedeutete. Ich würde von dieser Welt gehen, ohne Mamis Grab zuvor nochmal besucht zu haben. Ich weiß auch nicht, warum ich gerade jetzt in den letzten Sekunden meines Daseins daran dachte, doch ich musste plötzlich an Albert Schweitzer denken, ein großer deutscher Philosoph, der mit seinen Lehren eine ganze Ära geprägt hatte und damit sogar den Friedensnobelpreis verliehen bekam. Ich hatte mir ein Zitat von ihm im Kopf behalten: „ Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren der Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir gehen.“ Ich hoffte von ganzem Herzen, dass ich viele Spuren hinterlassen würde. Das mein Leben nicht völlig sinnlos gewesen war und ich meiner Familie und meinen Freunden soviel Liebe geschenkt hatte, die sie verdienten. Es gab einen Gedanken, der mich tröstete. Mami, bald bin ich wieder bei dir. Ich schloss die Augen und wartete auf den Tod. Doch er kam und kam nicht. Stadtdessen hörte ich ein Heulen und das Aufeinanderprallen mehrerer Körper. Ich öffnete überrascht die Augen. Vor mir konnte ich nur ein Knäul erkennen, was sich auf dem Boden wälzte. Der Bär kämpfte mit etwas, doch ich konnte nicht ausmachen, mit was. Nur dass es zwei Tiere sein mussten, eines schwarz wie die Nacht, das andere rostbraun. Ich löste mich von der Szene und versuchte panisch, meinen Fuß aus dem

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ganzen Wirrwarr zu befreien. Ganz gleich, was da gerade den Bären erledigte, es würde bald fertig sein und sich mir zuwenden. Nach einigen Sekunden hatte ich es endlich geschafft und ich richtete mich auf. Ich stöhnte vor Schmerz auf. Mein Fuß tat höllisch weh und ich keuchte schon unter der Anstrengung, gerade zu stehen. Der Kampf vor mir war beendet. Ich starrte auf den Bären, der regungslos am Boden lag und keinen Mucks mehr von sich gab. Und jetzt erkannte ich auch, was ihn getötet hatte. Neben dem leblosem Körper des Bären standen schnaufend zwei riesige Wölfe. Aber es konnten keine sein, sie waren viel zu groß, kein Wolf konnte die Größe eines Pferdes erreichen. Ihr Fell war zottelig und ich konnte messerscharfe Zähne in ihren Mäulern erkennen. Ich wünschte, der Bär hätte mich getötet. Lieber von ihm, als von zwei ausgewachsenen Wölfen, die sich vermutlich noch um die Beute streiten würden. Doch als ich sie nochmal anblickte, konnte ich keinerlei Anzeichen eines bevorstehenden Angriffes erkennen. Die rabenschwarze Kreatur setzte sich hin und schaute mich mit einem interessierten Blick an. Der andere, der rostbraune, machte allerdings zwei Schritte auf mich zu. Voller Panik stolperte ich wieder rückwärts, fiel aber nicht hin. Die Augen des Wolfes waren nicht wie die eines gewöhnlichen Tieres. Ich konnte nicht genau sagen, was an ihnen so menschlisch war. Doch der Wolf schaute mich mit einem Blick an…ich konnte einfach keine Worte dafür finden. Wenn dieses dunkelbraune Paar Augen zu einem Mensch gehört hätten, würde ich sein Blick als wehleidig und entschuldigend beschreiben. Ich drehte mich schnell um und versuchte, zu rennen. Diesmal würde ich nicht einfach dastehen und warten, bis etwas mich auffraß. Mein verletzter Fuß erschwerte das Rennen zwar, aber wenn man Todesängste ausstand, war der

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Mensch zu unglaublichen Dingen imstande. Ich betete, dass die Wölfe mir nicht nachkamen, ich hätte keine Chance gehabt. Wie durch ein Wunder kam ich lebend aus dem Wald heraus. Die Kreaturen waren mir nicht nachgelaufen, vermutlich hatten sie schon gegessen und dafür dankte ich Gott. Ich betrat keuchend und zitternd das Haus und schaute in den Spiegel im Flur. Ich erschrak über mich selbst. Mein Haar war total zerzaust und es hingen kleine Äste darin. Mein Gesicht war voller kleiner Kratzer und hatte eine gehörige Portion Schmutz abbekommen. So konnte ich niemals Alan unter die Augen treten. Doch ich hatte Glück, denn er befand sich unten im Keller und war offensichtlich am Wäsche waschen. Ich ging zügig die Treppe hoch und stieg unter die Dusche. Das warme Wasser war eine Wohltat und ich stand fast eine Viertelstunde lang darunter. Ich zog direkt meinen Schlafanzug an und legte mich unter meine Bettdecke. Ich schlang die Arme um meine Beine und zitterte am ganzen Leib. Ich war heute nur knapp dem Tod entkommen. Diese Tatsache ließ mir einen kalten Schauer über den Rücken laufen. Bevor ich einschlief, kullerten mir ein paar Tränen über die Wangen. Es war einfach so knapp gewesen. Wie erwartet plagten mich Albträume. Am nächsten Morgen hatte ich einen Entschluss gefasst. Ich würde sofort nach dem Frühstück zu Jacob fahren. Ich würde ihm ins Gesicht sagen, wie sehr ich mich in ihn verliebt hatte und dass mir egal war, dass er mir sein Geheimnis nicht anvertrauen konnte. Ich könnte damit leben, wenn wir nur zusammen wären. Der gestrige Tag hatte mir klar gemacht, dass es jederzeit vorbei sein kann und man alles auf eine Karte setzen musste.

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Ich hinterließ Alan eine Nachricht und machte mich auf dem Weg. Ich hoffte, dass Jacob schon wach war. Es wäre mir unangenehm gewesen, ihm meine Liebe zu gestehen, wenn er im Bett lag. Doch als ich den Motor ausstellte, konnte ich schon ein Rumpeln aus Jacobs kleiner Werkstatt hören, welche sich neben dem Haus befand. Dort bastelte er für gewöhnlich an seinem Auto herum. Ich stieg aus und ging mit flatterndem Herzen zur Tür. Es würde alles gut werden, da war ich mir sicher. Ich klopfte und als ich Jakes Stimme „ Ja?“ sagen hörte, ging ich hinein. Ich hatte Recht behalten, er war über die Motorhaube seines Kombis gebeugt und hielt einen Schraubenschlüssel in der Hand. Als er mich sah, schaute er zuerst überrascht, dann veränderte sich seine Miene wieder und ich erkannte wieder das Leid in seinen Augen, was ich schon sooft gesehen hatte. Was ich schon so oft gesehen hatte??? Alles drehte sich um mich herum. Meine Kinnlade fiel hinunter, als ich Jacobs Blick erwiderte. Mein Körper fühlte sich völlig taub an. Das konnte einfach nicht sein! Mit schnellen Schritten ging ich zielstrebig auf Jake zu, der sich auf einmal heftig auf das Auto vor sich konzentrierte. Ich griff mit meiner Hand an sein Kinn und drehte sein Gesicht etwas grob zu mir. Jetzt war ich ihm ganz nah und seine dunkelbraunen Augen trafen meine. Jetzt gab es keinen Zweifel mehr. Ich hatte erst gestern in diese Augen geblickt. Im Wald. Es waren eindeutig dieselben. „ Nein!“, stieß ich hervor und schrak vor Jake zurück. Sein Körper fing an zu zittern und er biss sich auf die Lippe. Sein Gesicht war gezeichnet von Angst und Panik.

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„ Michelle, hör mir zu!“ brachte er hervor und streckte die Arme nach mir aus. „ NEIN!“, wiederholte ich und schrie fast dabei. Ich machte einige Schritte rückwärts und entfernte mich von dem Jungen, den ich liebte. Und der ein Monster war. „ Du musst es aber tun! Für mich! Es ist nicht so, wie du denkst. Bitte! Hör mir zu!“ Seine Stimme war flehend und darin lag so viel Verzweiflung, dass ich mit den Tränen kämpfte. Jacob machte noch ein paar Schritte auf mich zu. „ Halt dich fern von mir!!!“ schrie ich ihn an und rannte aus der Werkstatt zu meinem Auto. Ich sprang auf den Sitz und steckte den Schlüssel ins Zündschloss. Jacob war mir nachgerannt und hielt die Autotür fest umklammert, die ich gerade zumachen wollte. „ Das kann ich nicht. Ich kann dir nicht fern bleiben. Du bist alles für mich! Ich kann dir alles erklären!“ „ Was genau willst du mir erklären? Ich weiß ja wohl schon alles. Du, Sam, Quil, Embry und Paul seid eine Horde von blutrünstigen, riesigen…“ Ich konnte das Wort einfach nicht aussprechen. Jake wollte wiedersprechen, doch ich startete den Motor und schnitt ihm somit das Wort ab. Sein Griff umklammerte zwar immer noch meine Autotür, doch notfalls musste ich eben ohne sie losfahren. Aber Jacob ließ sie los und ich wendete schnell den Wagen. In meinen Ohren rauschte das Blut und verstand die Welt nicht mehr. Doch jetzt musste ich erst mal von hier fort. Fort von dem ganzen Irrsinn. Ich schaute nochmal in den Rückspiegel und was ich dort sah, brach mir das

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Herz, ließ mich verzweifeln und brachte mich dazu, das Gaspedal durchzutreten: Auf Jacobs engelsgleichem Gesicht glitzerten Tränen. Funkstille „ Hallo?! Erde an Michelle. Bist du geistig anwesend?“ , fragte Toby mich und fuchtelte dabei mit seinen Händen vor meinem Gesicht herum. Wir saßen an unserem gewohnten Platz in der Cafeteria und ich stach nur lustlos in meinen Nudeln herum. „ Ist alles in Ordnung mit dir?“, fügte Joana noch hinzu. Ob alles in Ordnung war? Was für eine Frage. Zwei Wochen waren nun seit meiner Entdeckung von Jacobs Geheimnis vergangen. Es waren die längsten zwei Wochen meines Lebens gewesen. Die ersten paar Tage hatte ich mich in meinem Zimmer eingesperrt, um meine Ruhe zu haben. Ich versuchte, die Neuigkeit zu verdauen, dass Jake ein Werwolf war. Es fiel mir noch immer schwer, dieses Wort zu denken, denn dann tauchten in meinem Kopf automatisch Bilder von haarigen Monstern auf, die sogar ihren besten Freund töteten. Alan hatte sich große Sorgen um mich gemacht und schließlich voller Verzweiflung mein Türschloss geknackt. Er hatte mich besorgt gefragt, was denn los sei und warum ich nicht mehr zu Jacob fuhr. Vor lauter Wut hatte ich meinen Wecker nach ihm geworfen. Jake hatte tausend Mal versucht, mich zu erreichen, doch ich brauchte Abstand und ließ ihn nicht in meine Nähe. Allerdings konnte ich immer nachts, wenn ich mal wieder aus einem meiner Albträume aufwachte, draußen das Heulen eines Wolfes hören, eines Monsters, für das mein Herz dennoch schlug.

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Es war absolut nichts in Ordnung. „ Ja, alles ok mit mir. Ich denk nur daran, dass ich meine Englisch-Hausaufgaben schon wieder nicht gemacht habe“ log ich. „Achso“, sagte Joana und schien nicht sonderlich überzeugt. Um ihrem prüfendem Blick zu entkommen, wandte ich mich an David, der wieder vollends genesen war. In den letzten Wochen hatte ich ihn lieb gewonnen und er war wirklich ein toller Freund, der gut zuhören konnte. Sein blondes, zerzaustes Haar passte gut zu seinen blauen Augen, welche genau dieselben waren wie Joanas. Das war aber auch schon ihre einzige Gemeinsamkeit. „ Hey David. Hast du Englisch gemacht? Könntest du mir eine kurze Zusammenfassung von Goethes‘ ‚Iphigenie auf Tauris‘ geben? Ich habs immer noch nicht gelesen“ Ich hatte wahrlich mit anderen Sachen zu tun. „ Na ja, wenn du es genau wissen willst, ist dieser Text einer der langweiligsten, die ich je gelesen habe. Es geht einfach um eine Priesterin, die auf einer Insel unter der Herrschaft eines Königs lebt, der sie heiraten möchte. Sie hofft aber immer noch, dass ihr Bruder sie von dieser Insel holt und in ihre Heimat Griechenland zurückbringt. Ziemlich trockener Stoff, wenn du mich fragst“ Ich seufzte, das klang wirklich langweilig. David erläuterte mir noch Kleinigkeiten des Stücks, bis die Schulglocke läutete und wir in den Englisch-Saal gingen. Meine letzte Stunde war Mathematik und ich setzte mich auf meinen gewohnten Platz hinten am Fenster. Während des gesamten Unterrichts

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schaute ich raus und dachte mal wieder an alles Mögliche, nur nicht an Ableitungsfunktionen. „ Miss Hawkins. Wollen Sie uns nicht an ihren Tagträumen teilhaben lassen? Oder wäre es Ihnen lieber, der Klasse nochmal die letzte Teilaufgabe zu erklären?“ Ich zuckte zusammen, als Herr Abberline, oder wie ich ihn nannte: Herr Vollglatze, mich aufrief. Mit weichen Knien stellte ich mich vor die Tafel und versuchte, aus den Diagrammen und Merksätzen mit Variablen schlau zu werden. Es hätte genauso gut chinesisch sein können. Als Herr Vollglatze merkte, dass ich keine Ahnung vom aktuellen Thema hatte, schikanierte er mich vor der ganzen Klasse und erlöste mich erst nach einer Viertelstunde. Als ich mich wieder hinsetzte, schaute Joana mich mitfühlend an. Daheim machte ich mich sofort an die Hausaufgaben, um mich abzulenken. All zu schnell waren diese erledigt und ich hatte nichts mehr zu tun. Also setzte ich mich im Schneidersitz auf mein Bett und begann, Goethe zu lesen. Es wurde höchste Zeit, dass ich damit anfing. Aber nach einer halben Stunde, als der Babarenkönig Thoas seiner Iphigenie seine unwiderrufliche Liebe gestand, pfefferte ich die Lektüre in die Ecke. Das war wirklich nicht das richtige Thema für mich. Sofort musste ich wieder an Jacob denken und stellte fest, dass ich ihn mehr vermisste und brauchte wie das Atmen. Doch ich konnte einfach nicht vergessen, was sich im Wald ereignet hatte. Natürlich war ich Jake dankbar, dass er mir das Leben rettete. Ohne ihn hätte der Bär mich getötet und gefressen. Aber er und der andere Wolf waren so brutal gewesen.

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Wer war überhaupt der andere, schwarze Wolf? Über diese Frage hatte ich auch schon des Öfteren gegrübelt. War es Sam, Quil, Paul oder Embry gewesen, dem ich zu Dank verpflichtet war? Ein Gedanke kam mir in den Sinn, der mich erschauern ließ. Jacob und mein anderer Lebensretter hatten mich vermutlich nur nicht angegriffen, weil sie mich kannten. Jacob würde mir doch niemals wehtun, oder? Aber wenn ich ein Jäger oder Förster gewesen wäre, was hätten die Werwölfe dann gemacht. Nach allem, was ich über diese Wesen wusste, waren sie geschaffen, um zu töten. Wie viele unschuldige Menschen hatte Jacob schon umgebracht? Ich stand auf und schaltete mein Handy ein, welches ich während des Schultages immer ausgeschaltet ließ. 8 Anrufe in Abwesenheit, alle von derselben Person. Ich klappte mein Handy zu und knallte es auf den Schreibtisch. Warum wollte Jake einfach nicht kapieren, dass ich Zeit brauchte?! Zeit, um alles zu durchdenken und eine Entscheidung zu fällen. Zwei Mal hatte Jacob bei uns geklingelt und wollte mich sehen. Doch ich hatte Alan zuvor gebeten, ihn nicht hineinzulassen, da ich ihn nicht sehen wolle. Er respektierte das und ließ Jake trotz seinem Quengeln und Flehen nicht hinein. Ich hatte geahnt, dass er das nicht auf sich sitzen ließ und noch am selben Abend sollte ich das zu spüren bekommen. Wieder hatte er meine Fensterscheibe mit Steinen beworfen, damit ich ihn hineinließ oder selbst hinunterkam. Ich hatte das Fenster mit einem kleinen Schlüssel abgeschlossen, den Rollladen hinunter gelassen und zusätzlich noch die Vorhänge zugezogen, ohne zu ihm hinunterzuschauen. Der Samstagmorgen brach heran und ich staubsaugte das Wohnzimmer. Alan hatte viel Arbeit mit nach Hause gebracht und saß am Küchentisch. Wie immer waren meine Gedanken bei Jacob. Vielleicht sollte ich ihm erlauben, mir alles nochmal genauer zu erklären. Falls er lügen sollte, würde ich das

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merken. Trotzdem hatte ich Angst davor, mit ihm zu reden. Bei unserem letzten Gespräch hatte ich ihn zum Weinen gebracht. Bei dieser Erinnerung lief mir selbst eine Träne über die Wange. Es war alles zum verrückt werden. Warum konnte die Welt nicht einfach ganz rational sein? Doch dann dachte ich wieder an die alte Holztruhe oben in meinem Zimmer und gestand mir ein, dass sie noch nie rational gewesen war. Letzte Nacht hatte ich von dem riesigen Bären geträumt, der mein Leben beinahe beendet hätte. Ich musste wieder daran denken, dass ich damals mit meinem Dasein schon abgeschlossen hatte und gehofft hatte, ich würde nicht eine zu große Lücke zurücklassen. Da fiel mir etwas ein und ich schaltete sofort den Staubsauger aus. Ich eilte in die Küche und setzte mich meinem Vater gegenüber, der mit seiner Lesebrille wie ein Professor aussah. „ Dad, kann ich dich was fragen?“ Alan schaute von seinen Unterlagen auf und schaute mir neugierig ins Gesicht. „ Was gibt es denn, Michelle?“ Ich holte noch einmal tief Luft, bevor ich die nächsten Worte aussprach. „ Ich würde gerne Mamas Grab besuchen. Willst du mitkommen?“ Dad's Körper verkrampfte sich und seine Augen wurden trüb. Mit schwacher Stimme antwortete er mir: „ Macht es dir was aus, alleine hinzugehen? Ich war erst gestern dort.“ Ich schaute ihn verblüfft an. „ Du warst gestern dort?“ „ Ja, ich besuche sehr oft ihr Grab. Ich wollte, dass du dich erst mal hier eingewöhnst, bevor ich dich dorthin mitnehme und dir damit vielleicht zu viel abverlange“ Ich nickte. Das war wirklich sehr taktvoll von ihm gewesen. Er erklärte mir noch den Weg zum Friedhof und dann fuhr ich mit mulmigem Gefühl los. Dort angekommen, schritt ich durch das große Eisentor, was sich

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quietschend hinter mir schloss. Der Friedhof war sehr groß und im Moment menschenleer. Das lag vielleicht am heutigen Wetter. Es nieselte und der dunkle Himmel ließ erahnen, dass es heute noch ein Gewitter geben würde. Ich versuchte mich daran zu erinnern, wo ich Moms Grab finden konnte. Ich wusste nur noch, dass es sich im hinteren Teil des Friedhofes befand und so stapfte ich los. In der Hand hielt ich ein paar Rosen, die ich zuvor noch bei einem Blumenhändler gekauft hatte. Rosen waren Wendy‘s Lieblingsblumen gewesen. Nach einer Weile fand ich die Grabstelle und mit zitternden Knien ging ich darauf zu. Mein Vater hatte sich für einen weißen, glatten Mormorgrabstein entschieden und musste dafür viel Geld hinlegen. Ich stellte mit großer Bewunderung fest, dass er es auch mit der Grabpflege sehr genau nahm. Das Lichtlein brennte und die Pflanzen waren in einem guten Zustand. Ich schaute auf den Grabstein, wo ich Mamas Lebensdaten las und die Grabinschrift darunter, die Alan und Jodie zusammen ausgesucht hatten: „ Mit der Zeit wird der Schmerz geringer, aber die Erinnerungen werden größer und wertvoller“ Das war zu viel für mich. Ich sank auch die Knie und ließ meinen Tränen freien Lauf. Hier, an diesem Ort konnte ich der Realität nicht davonlaufen. Vor mir unter der Erde lag meine tote Mutter, die ich mir jetzt mehr als alles andere an meiner Seite wünschte. Warum nur musste sie gehen? Erinnerungen reichten mir nicht aus, ich wollte sie hier bei mir haben. Ich schluchzte und legte die Rosen auf die feuchte Erde. Ich flüsterte: „ Mama, ich wünsche mir so sehr, du wärst hier. Alan und ich brauchen dich so sehr. Du warst eine tolle Mom, die beste, die sich ein Kind

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wünschen könnte. Du hast mir immer mit meinen Problemen geholfen. Könntest du das nur jetzt auch noch. Ich brauche so dringend deinen Rat! Ich hab dich lieb!“ Dann stand ich langsam auf und atmete tief durch. Ich konnte keine Hilfe erwarten, ich musste meine Entscheidung selbst treffen. Doch könnte ich nicht irgendein Zeichen bekommen? In diesem Moment trat jemand hinter mich. Ich drehte mich abrupt um und sah Jacob, wie er mit hängenden Schultern und zerfetzten Jeans vor mir stand und mich voller Mitgefühl anschaute. Das war mein Zeichen. Jetzt wusste ich, was ich zu tun hatte. Ich würde Jacob anhören, egal, was er mir zu sagen hatte und ich würde es akzeptieren, weil ich ihn liebte. Und wie ich das tat. Ich wischte mir mit den Ärmeln die Tränen aus dem Gesicht und fragte ihn mit beherrschter Stimme: „ Was machst du hier, Jacob?“ Er sah mich immer noch mitleidig und mit Schmerz im Blick an. Hoffentlich hatte er die Szene eben am Grab nicht komplett beobachtet. „ Na ja, du antwortest mir nicht auf meine Anrufe, Alan lässt mich nicht ins Haus und du verrammelst dein Zimmer mit allen Mitteln. Und du verlässt das Haus nur noch, um zur Schule zu fahren, also bin ich dir heute gefolgt, damit ich endlich mit dir reden kann. Egal, ob du willst oder nicht.“ Ich nickte und erwiderte nur: „ Dann schieß los. Ich hör zu“ Jacob schien überrascht über meine Reaktion, schüttelte aber den Kopf. „ Nein, nicht hier. Lass uns in den Wald gehen. Dir kann nichts passieren, wenn ich bei dir bin“

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Ich hoffte von ganzem Herzen, dass er Recht hatte. Er ging vor und ich folgte ihm mit einigem Abstand. Mein Auto ließ ich vor dem Friedhof stehen, obwohl ich später einen langen Fußmarsch zurücklegen müsste, um ihn zu holen. Keiner von uns beiden sagte ein Wort, bis wir tief im Wald waren. Ich zog die Jacke enger um mich, so kalt war es mittlerweile geworden. Jake blieb plötzlich stehen und erst dann sah ich mich um. Wir befanden uns auf der kleinen Lichtung, wo mich vor zwei Wochen der Bär fast getötet hätte. Toll. Hätte er nicht einen anderen Platz für unser Gespräch aussuchen können? Er drehte sich zu mir um, während ich die Arme verschränkte und ihn abwartend ansah. „ Ich weiß nicht so recht, wo ich anfangen soll“, begann er. „ Vielleicht wäre es ein guter Anfang, mir zu erklären, warum du überhaupt ein Werwolf bist.“, fragte ich bissig. Mist, das klang etwas zu hart. Ich ließ meine verschränkten Arme sinken und nahm eine offenere Haltung ein. J acob nickte und fuhr fort: „ Nun, du weißt ja bereits, dass Sam, Quil, Embry, Paul und ich von den Quileuten abstammen. Über ihren Stamm gibt es viele Legenden, die wir früher eher für Ammenmärchen hielten, doch sie sind wahr. Unsere Urgroßväter waren Werwölfe. In den ganzen Horrorfilmen wird immer behauptet, man muss gebissen werden, um zu einem zu werden, doch das ist purer Unsinn. Direkte Nachfahren der Stammesältesten werden irgendwann zu Werwölfen, man könnte sagen, es ist genetisch bedingt.“ Ich schaute ihn verblüfft an. So viele Fragen schwirrten in meinem Kopf herum.

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„ Wie lang bist du schon ein Werwolf und gibt es noch viele andere deiner Art?“ „ Seit etwa einem Jahr bin ich nun so. Am Anfang dachte ich, ich wäre verrückt und ein Fall für die Klapse. Doch dann hat Sam mich unter seine Fittische genommen. Er ist sozusagen der Rudelführer. Wir haben seinen Gedanken zu gehorchen.“ „ Seinen Gedanken zu gehorchen?“ Jetzt verstand ich gar nichts mehr. „ Oh ja. Wenn wir in Wolfsgestalt sind, können wir die Gedanken des Rudels hören, selbst wenn wir kilometerweit voneinander entfernt sind. Das kann ziemlich praktisch sein aber es ist leider auch lästig, wenn du einfach nichts vor den anderen verbergen kannst“ „Cool!“ Mehr brachte mein Wortschatz im Moment nicht zustande. „ Zu deiner Frage zur Größe des Rudels: Im Moment sind es nur wir fünf, doch wir vermuten, dass es bei Jared bald passieren wird.“ Ich kannte Jared, er jobbte im Gemüseladen in der Nähe meiner Schule. Ein schlaksiger und höflicher Junge. Ich wollte endlich meine wichtigste Frage beantwortet haben, aber wie sollte ich sie stellen, ohne Jacob zu verletzen? „ Ähm, und was macht ihr den ganzen Tag so?“ Er hob fragend eine Augenbraue. „ Ich meine, wenn ihr durch den Wald streift. Was ich mich die ganze Zeit gefragt habe ist, ob ihr…na ja…ob ihr Menschen verletzt“. „ Oder tötet“ führte ich den Satz in meinem Kopf zu ende. Jake schüttelte energisch den Kopf und machte ein paar Schritte auf mich zu. „ Nein, Michelle, du hast ein völlig falsches Bild von uns. Wir tun den Menschen

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nichts, wir beschützen sie vor…vor Gefahren. Das ist unsere Aufgabe. Wir haben noch keinem Menschen auch nur ein Haar gekrümmt. Weißt du eigentlich, dass ich beinahe an einem Herzinfarkt gestorben wäre, als ich dich hier mit diesem Bären sah?! Ich hab den Schock meines Lebens erlitten. Du musstest dir ja auch unbedingt den größten Grizzlybären von allen aussuchen. Aber das war kein Problem für uns. Ein Kinderspiel“ Er grinste, doch dann wurde sein Blick wieder ernst und er stellte sich direkt vor mich, sodass mein Herz laut anfing, zu klopfen. „ Also, kannst du es jetzt verstehen? Wir sind keine Monster und werden es auch nie sein. Könntest du damit leben, einen Werwolf als Freund und Beschützer zu haben? Kannst du mir verzeihen, dass ich dich so lange im Dunkeln gelassen habe?“ Ich hatte meine Entscheidung schon längst getroffen, doch vielleicht sollte ich ihn noch etwas zappeln lassen. Ich entfernte mich von ihm und setzte mich auf einen großen, glatten Felsen. „ Mhm, kommt drauf an. Du sagst, der Bär war ein Kinderspiel? Dann zeig mal, was du draufhast“ Jacob stand da wie ein begossener Pudel und das freute mich. Doch er schien zu verstehen, denn er lächelte sein schiefes Lächeln. Dann tat er etwas, mit dem ich absolut und definitiv nicht gerechnet hatte. Er zog sein T-Shirt aus. Mir fiel die Kinnlade hinunter, doch ich fing mich schnell wieder, obwohl es mir schwerfiel. Quils Körper war ja schon beeindruckend gewesen, doch im Vergleich zu Jacobs war das gar nichts. Seine starken Arme vermittelten den Eindruck, als wären sie kräftiger als der Griff einer Anakonda. Seine Brust war

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breit und seine Bauchmuskeln hätten jeden Bodybuilder neidisch gemacht. Ich konnte kein Gramm Fett an seinem Körper entdecken. Jake zuckte mit den Schultern und sagte: „ Nun ja, ich hab keine große Lust, mein Lieblings-T-Shirt kaputtzumachen. Das mit der Hose klappt mittlerweile. Ich hab gelernt, mich zu verwandeln, ohne dass sie in Fetzen gerissen wird“ Ohne auf eine Antwort von mir zu warten, machte er einen Satz in die Lüfte und kam mit vier Riesenpfoten wieder auf. Er sah genauso aus wie in meiner Erinnerung. Er schüttelte sein rostbraunes Fell und spitzte seine Wolfsohren. Er überlegte vermutlich, wie er mich mit seiner Kraft beeindrucken konnte. Er schien etwas gefunden zu haben, denn er rannte auf einen kleineren Baum zu, blieb kurz davor stehen, und hob lässig seine Tatze. Er drückte sie auf die Rinde und ich konnte sehen, dass er nur mit minimaler Kraft dagegen drückte. Der Baum fiel mit einem lauten Knacken um. Mir fielen fast die Augen aus dem Kopf. Jake kam, mit sich selbst zufrieden, auf mich zu und setzte sich vor mich. Ich saß immer noch auf dem Felsen und so überragte er mich ganz schön. Er legte seinen Kopf schief und schaute mich neugierig an. Ich schluckte. Ich hob langsam meine Hand und berührte sein Fell, was ganz weich war. Ich fing langsam an, ihn hinter seinen Ohren zu graulen und er stieß einen wolligen Ton aus. Ihm gefiel es. Mein Gesicht war seiner Schnauze nun ganz nah, doch ich verspürte nicht mal einen Hauch von Angst. „ Mhm, als Kind hab ich mir immer einen Hund gewünscht, doch als noch nicht mal ein Goldfisch bei mir überlebte, hatten meine Eltern mir diesen Wunsch nie erfüllt.“

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Der Wolf vor mir verdrehte die Augen und ich wusste, dass er sich über mich amüsierte. Ich lächelte in mich hinein, als ich einen Einfall hatte. Meine Miene wurde ernst und ich schaute ihn verzweifelt an. „ Jake, könntest du dich bitte zurückverwandeln? BITTE?“ fragte ich ihn mit ängstlicher Stimme. Jacob schaute mich verwundert an, dann ließ er den großen Wolfskopf sinken. Ich konnte ihm ansehen, dass er enttäuscht war. Er hatte gehofft, dass ich keine Angst vor ihm haben würde und sich gewünscht, ich würde mich nicht unbehaglich fühlen, wenn er in der Gestalt eines Wolfes war. All seine Hoffnungen wurden zerstört. Das glaubte er zumindest! Ich griff mit meiner Hand unter seine Schnauze und hob seinen Kopf an, sodass er mir direkt in die Augen sah. Ich schaute ihn mit bedauerndem Blick an und sagte die nächsten Worte mit gespieltem Leid. „ Nun ja, Jacob. Ich würde dich wirklich, wirklich nur sehr ungern in dieser Gestalt küssen“ Der Wolf starrte mich ungläubig an und machte ein paar Schritte rückwärts. Zwei Sekunden später stand Jake wieder in Menschengestalt vor mir und sah mich erwartungsvoll und doch misstrauisch an, um rauszufinden, ob das eben ein Scherz von mir gewesen war. Ich lächelte und stand auf. Zwei Puzzleteile

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Jacob stand immer noch unschlüssig da und wusste nicht, was er tun sollte, während ich auf ihn zulief. Ich jedoch war entschlossen, mein Vorhaben in die Tat umzusetzen. Dieses Mal würde er mir nicht davonkommen. Ich stellte mich direkt vor ihn, legte meine rechte Hand auf seine Hüfte und schaute zu ihm hoch. Sein Blick war weich und er nahm meine andere Hand, um leicht meine Fingerspitzen zu küssen. Bei seiner Berührung veranstalteten die Schmetterlinge in meinem Bauch einen Freudentanz. Mein Mund wurde ganz trocken und ich versuchte, die richtigen Worte zu finden. "Jake…“, flüsterte ich und er sah mich wieder auf eine Art an, die meine Beine zu Butter machten. „ Jake, es tut mir Leid. Ich hätte dir von Anfang an zuhören müssen, dann wären uns diese letzten zwei Wochen erspart geblieben. Ich bin froh, dass ich nun die Wahrheit kenne und mir ist es egal, was du bist. Denn es ändert nichts daran, dass ich…dass ich dich liebe.“ So, jetzt war es raus. Und dieses Mal war es nicht nur sinnloses Gemurmel im Schlaf. In Jacobs Augen änderte sich etwas. Sein Blick wurde so liebevoll, dass mir die Luft wegblieb. Auch schien er erleichtert zu sein und es sah fast so aus, als müsste er mit den Tränen kämpfen. Er zog mich näher an sich, sodass ich ihm beinahe auf den Füßen stand. Er strich mir mein Haar aus dem Gesicht und mit dem Handrücken über meine Wange. Mein Herz klopfte so heftig, dass ich Angst hatte, es könnte jeden

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Moment den Geist aufgeben. Jake ließ seine Hand an meinem Hals liegen und antwortete mit leiser Stimme: „ Ich liebe dich auch“ Somit wurden die Worte, die er auf ein Blatt Papier geschrieben hatte, wirklich wahr. Es waren nicht mehr bloß Buchstaben, sondern die Wahrheit. Im Gegensatz zum letzten Mal, als wir uns in meinem Zimmer befanden, war ich diejenige, die sein Gesicht in meine beiden Hände nahm. Wieder versuchte ich, mich größer zu machen, um ihn leichter erreichen zu können. Dann schloss ich die Augen und legte meine Lippen auf seine. Es war nicht so, wie ich es mir in meinen Tagträumen manchmal vorgestellt hatte, sondern viel besser. Seine Lippen waren so warm und weich, wie ich es nie erwartet hätte. Jacob erwiderte den Kuss ganz sanft und vorsichtig, als wolle er mich nicht verletzen. Seine Lippen bewegten sich langsam auf meinen, sodass ich alles andere um mich herum vergaß. Das Zwitschern der Vögel, das Rascheln der Büsche, wenn der Wind durch sie fuhr, und die Kälte existierten nicht mehr. Ich konnte nur noch Jacob und die Wärme seines Körpers spüren. Der Kuss veränderte sich. Jake schloss seinen linken Arm enger um mich und mit der anderen Hand griff er in mein kurzes Haar, was bei mir eine Gänsehaut auslöste. Meine Hände schlossen sich ebenfalls um seinen Hals, wobei ich mit meinem Zeige-und Mittelfinger leicht an seinem Nacken hinunterfuhr. Jacob stöhnte leise und seine Lippen wurden drängender. Sein heißer Atem strömte mir entgegen und benebelte mich geradezu. Auch meine Lippen wollten mehr und so wurde aus dem zunächst vorsichtigen, zurückhaltenden Kuss ein leidenschaftlicher.

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Unsere Nasenspitzen berührten sich, während ich meinen Körper eng an seinen presste. Jacob wagte es nun, noch einen Schritt weiter zu gehen, mit was ich nur all zu einverstanden war. Er kroch mit seiner Hand unter meine dicke Daunenjacke und zeichnete sanft mit seinen Fingern eine lange Linie über meinen Pullover, vom Nacken bis zur Hüfte. Meine Schmetterlinge gerieten völlig außer Kontrolle und das Blut rauschte in meinen Ohren. Die Hitze durchströmte mich, während der Werwolf immer noch nicht genug bekam und mich noch fester hielt, als wolle er mich nie wieder loslassen. Damit könnte ich leben. Ich wusste nicht, wie lange wir dort standen, denn die Zeit war für uns stehen geblieben. Ich wusste nur, dass ich den Wunsch hatte, es würde niemals enden. Jacob und ich gehörten zusammen, das war eine Tatsache und dieser atemberaubende Kuss war nur ein Beweis dafür. Wir waren wie zwei Puzzleteile, die nun endlich zusammengefügt wurden und die man niemals von einander trennen durfte. Mein Körper schien von allen Kräften verlassen worden zu sein, denn ich konnte mich kaum noch auf den Beinen halten. Langsam lösten sich unsere Lippen voneinander und ich umarmte Jacob, so fest es nur ging. Er erwiderte meine Umarmung und drückte seine Lippen ganz leicht und zärtlich auf meinen Hals. Wieder bildete sich eine Gänsehaut an meinem gesamten Körper. Ich schaute ihm ins Gesicht und sah, wie glücklich er war. Er beugte sich vor und berührte mit seiner Stirn meine, sodass ich die Hitze wieder spürte. „ Wow!“, brachte ich nur atemlos hervor, während ich versuchte, die Schmetterlinge in meinem Bauch zu beruhigen. „ Du sprichst mir aus der Seele“, antwortete er auch etwas atemlos, wenn auch

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nicht so sehr wie ich. Ich war eindeutig im Himmel. Wir lächelten uns an und in Jakes Gesicht bildete sich ein Grinsen. „ Alan wird begeistert sein“ Da hatte er allerdings recht, ich sah die Miene meines Vaters schon vor mir. Jake legte seine Arme um meine Taille und fragte mich: „ Sollen wir es ihm gleich sagen oder möchtest du lieber noch etwas warten?“ Ich überlegte eine Weile und zuckte dann mit den Schultern. „ Warum warten? Besser er erfährt es von mir als von irgendjemand sonst. Aber unter einer Bedingung“ Jake sah mich nur verwirrt an. „ Zieh bitte dein T-Shirt wieder an. Wir wollen Alan nicht gleich überfordern“ ------------------------------------------------------------- --------------------------------------- Nervös fummelte ich an meinem Schlüsselbund herum und meine Hände zitterten so sehr, dass ich ihn nicht richtig ins Schloss bekam. Jacobs Hand schloss sich um meine und so konnte ich den Hausschlüssel ohne Probleme ins Schlüsselloch bekommen. Er küsste mich auf die Wange und versuchte, mich zu beruhigen. Ich konnte in seiner Stimme hinaus hören, wie amüsant er mein ängstliches Verhalten fand: "Hey, es wird schon alles gut gehen. Vertrau mir“. Wir traten in den Flur und ich rief nach meinem Vater. Er schien in der Küche zu sein, denn ich hörte das Klappern von Geschirr. „ Hey, Michelle. Warte, ich bin gerade beim Spülen, ich trockne mir kurz die Hände ab. Wie war dein Tag?“ antwortete er mit lauter Stimme. „Hallo Alan, ich bin es, Jacob. Es gibt Neuigkeiten, die dich vielleicht

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interessieren“, rief Jake mit entzücktem Ton und nahm dabei meine Hand. Ich verschränkte unsere Finger und drückte vor Nervosität fest zu. Jake zuckte nicht mal mit der Wimper. Ich hörte, wie eine Pfanne in die Spüle fiel und Alan mit schnellen Schritten in den Flur kam. Er schaute abwechselnd von Jacob zu mir und setzte einen völlig verwirrten Gesichtsausdruck auf. Als er unsere verschränkten Hände sah, fiel der Groschen bei ihm. Na, das wurde aber auch Zeit. Seine Miene hellte sich auf und er klatschte in die Hände. „ Na endlich! Ich dachte schon, das wird nie was“ Jetzt war ich wirklich überrascht und ich starrte meinen Vater an. Er ging auf Jacob zu und umarmte ihn, sodass ich seine Hand loslassen musste. Über Alans Schulter hinweg schaute mich Jacob genauso verblüfft an. Als nächstes war ich dran und nachdem Dad mich losgelassen hatte, sagte er freudig: „ Ich freu mich so für euch. Nachdem sich Michelle zwei Wochen in ihrem Zimmer eingesperrt hatte, gab ich schon alle Hoffnungen auf. Aber jetzt…Ich finds klasse. Das muss gefeiert werden!“ Eine Stunde später saßen wir in Dad’s Lieblingsrestaurant, im“ Rathbun’s“. Zur Feier des Tages lud Alan uns zum Essen ein und er und Jacob plauderten die ganze Zeit. Zwischendurch sah Jake immer wieder zu mir. Er wollte genauso sehr wie ich, dass dieses Essen bald endete, das konnte ich ihm ansehen. Obwohl er meinen Vater sehr mochte, wollte er lieber noch etwas Zeit mit mir alleine verbringen. Ich stocherte in meinem Salat herum, als Dad ein neues Gesprächsthema anschnitt.

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„ Sag mal Jacob. Jetzt ganz ehrlich: wie hast du es geschafft, dass Michelle wieder das Haus verlässt? Ich hab es ewig versucht, aber sie ist einfach so ein Dickkopf“ Ich funkelte meinen Vater böse an. Am liebsten hätte ich mein Messer nach ihm geworfen. Ich kicherte, als ich daran dachte, dass ich das auch mal bei Jacob machen wollte. Die beiden sahen mich irritiert und fragend an. „ Was ist?“, fragte Jake. „ Ähm, nichts. Hab wohl ein paar Kichererbsen gegessen“, antwortete ich ihm. Kichererbsen? Oh mein Gott, bin ich bescheuert! Nachdem wir mit unseren Portionen fertig waren, räusperte Jake sich und wandte sich an Dad. „ Alan, macht es dir was aus, wenn Michelle und ich nochmal kurz weggehen? Ich bring sie früh genug nach Hause, das verspreche ich!“ Dad nickte und wünschte uns noch einen schönen Abend. Wir entschieden uns dazu, noch ein wenig im Park spazieren zu gehen. Hand in Hand schlenderten wir über das nasse Gras. Ich konnte nicht weit von uns entfernt die große Kastanie erkennen, unter der Jake mir versucht hatte, sein Geheimnis zu erzählen. Es kam mir vor, als wäre das schon eine Ewigkeit her. Ich war froh, dass sich alles zum Guten gewendet hatte und sah hoch zu Jake. Sein Blick war auf mich gerichtet, vermutlich beobachtete er mich schon eine ganze Weile. Ich versuchte, ein Gesprächsthema zu finden und fand auch schließlich eins. „ Ich hab da mal eine Frage.“ Jake blieb stehen und sah mich neugierig an. „ Ja?“ „ Ich bin mir sicher, dass Quil dir schon erzählt hat, dass ich ihm begegnet bin, als ich das erste Mal zu dir fuhr. Dabei ist er ohne Oberteil rumgerannt, obwohl es an dem Tag bestimmt Minusgrade waren. Ist das bei Wölfen so? Friert ihr nie?“ Jacob legte den Kopf schief und grinste.

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„ Um genau zu sein, hat er es mir nicht gesagt sondern gezeigt. Wie schon gesagt: wir können alles sehen, woran ein anderer Wolf gerade denkt. Es schien so, als ob du von Quils Körper ganz schön beeindruckt gewesen warst.“ Ich wurde rot wie eine Tomate und Jacob lachte. „ Ihm hat das gefallen. Das war gut für sein Ego. Aber du hast Recht, wir frieren nicht, egal wie kalt es ist. Wir wissen auch nicht, woran das liegt.“ Ich nickte und wir gingen weiter. Ich sah rauf zum Himmel. Es wurde allmählich dunkel, und das hieß, dass Jake mich bald heimbringen musste. Ich seufzte. Er schien zu merken, was mich bedrückte und schlang seine Arme um mich . „ Mir geht’s genauso, Schatz. Aber wir sehen uns morgen wieder, versprochen“. Mein Herz pochte, als er ‚Schatz‘ sagte. Ich hätte es immer und immer wieder hören können. Jake fuhr mich heim und hielt seine Wagen absichtlich mit einigem Abstand vor dem Haus an. Ich sah ihn fragend an. „ Du kennst doch deinen Vater. Er ist genauso neugierig wie du. Vermutlich sitzt er gerade am Fenster und beobachtet die Straße, um einen Blick auf uns erhaschen zu können.“ Ich lächelte. Ja, das war typisch Dad. Ich schnallte mich ab und rückte näher an Jacob heran. Er lächelte und legte seinen Arm um mich. „ Ich vermiss dich jetzt schon“, sagte ich zu ihm und meinte das ernst. „ Ich dich auch. Dabei kann ich froh sein, dass alles überhaupt so gekommen ist. Ich liebe dich!“

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„ Ich liebe dich noch viel mehr!“, flüsterte ich. Jacob verdrehte die Augen und nuschelte ein „ Wohl kaum“ vor sich hin. Ich tat so, als hätte ich es nicht gehört. Ich beugte mich zu ihm hin und gab ihm einen kurzen, aber zärtlichen Kuss. Dann wollte ich die Autotür öffnen, doch Jacob hielt mich am Arm fest. „ Hey! Du glaubst doch nicht etwa, dass mir das reicht?!“, sagte er mit gespieltem Entsetzen. Ich lächelte und knallte die halboffene Tür wieder zu. Jake grinste triumphierend und zog mich an sich. Er hielt mich ganz fest, während wir uns lange küssten. Ich wusste nicht, wie lange, aber als mir schwindelig wurde, wusste ich, dass ich aufhören musste. Ich löste mich von ihm und knuffte ihn leicht in den Oberarm, während ich frech sagte: „ Sei morgen ja pünktlich, sonst gibt’s Ärger!“ Als ich in meinem Bett lag, ließ ich alles noch einmal Revue passieren. Dieser Tag hatte so schrecklich begonnen, als ich an Moms Grab gestanden hatte und endete so fantastisch, dass ich vor Glück gar nicht wusste, wohin damit. Jacob und ich waren zusammen. Er war mein Freund. Das klang in meinen Ohren wie pure Musik. Mein Freund, der Werwolf! Jake wollte, dass ich das Rudel, also seine Familie bald näher kennenlernte. Ich hatte zwar ein mulmiges Gefühl dabei, aber das würde schon gut gehen. Wenn Jacob an meiner Seite war, konnte es nur klappen. Auch sollte ich bald Sams Verlobte, Emily, kennenlernen und darauf freute ich mich. Alan hatte in den höchsten Tönen von ihr gesprochen. Ich kuschelte mich in meine Bettdecke und dachte daran, wie glücklich ich war und dass niemand dieses Glück gefährden konnte.

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Wie sehr ich mich doch irrte! „Jetzt wurde ich eines Besseren belehrt“ Am nächsten Morgen stand ich früh auf, da ich mir genug Zeit fürs Fertigmachen und Frühstücken nehmen wollte. Alan hatte heute frei und wollte etwas mit seinen Arbeitskollegen unternehmen, also brauchte ich kein schlechtes Gewissen seinetwegen zu haben, wie ich es immer hatte, wenn ich ihn daheim alleinließ. Wir saßen gerade gemeinsam am Essenstisch und unterhielten uns, als Dad mich fragte, was ich heute mit Jacob unternehmen würde. „ Ich weiß es nicht Dad, wir haben noch nicht darüber geredet. Wir machen das ganz spontan.“ Mein Dad sah, wie meine Augen leuchteten, lächelte und fragte mich: „Michelle, bist du glücklich? Bist du froh, wieder nach Atlanta gekommen zu sein, auch wenn du am Anfang deine Zweifel hattest?“ „ Ja, Dad, das bin ich“ Es stimmte, ich war so glücklich wie noch nie zuvor. Jacob war in mein Leben getreten und hatte es gehörig durcheinander gebracht, aber auch auf seltsame Weise geordnet und heil gemacht. Mein Dad wechselte das Thema. „ Wird ziemlich kalt heute, zieh dich bitte warm an.“ Ich nickte, fing an abzuräumen und schaute aus dem Fenster. Es war Mitte Dezember und der Wind war eisig. Mir fiel ein, dass ich mich bald um Weihnachtsgeschenke kümmern musste. Ich grübelte gerade darüber, was man wohl einem Werwolf schenken könne, der im Stande war, mit einer einzigen unbedachten Bewegung fast alles kaputtzumachen, als es an der Tür klingelte.

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Ich wäre am liebsten sofort in den Flur gerannt, hätte ihm aufgemacht und ihn in meine Arme geschlossen. Allerdings hielt ich gerade massenhaft teures Geschirr in meinen Händen, an dem mein Vater wirklich hing. Er hatte nämlich nur dieses eine Geschirr. Also fragte ich ihn: „Daddy, könntest du Jacob bitte mal aufmachen?“ „Klar“, bekam ich zur Antwort und Alan verschwand. Kurze Zeit später hörte ich Jacobs fröhliche Stimme und die Schmetterlinge in meinem Bauch wurden ganz nervös. Ich beeilte mich, die Teller in die Spülmaschine zu stellen und ging dann in den Flur. Jake hatte sich gegen die Wand gelehnt, während er sich mit meinem Vater unterhielt. Ich konnte es einfach nicht vermeiden, ihn anzustarren. Es müsste wirklich verboten sein, so gut auszusehen. Er trug nur ein weißes T-Shirt und seine schwarze Lederjacke darüber, während ich zwei meiner dicksten Winterpullover angezogen hatte, um nicht zu frieren. Werwölfe hatten es so gut. Jacobs Blick fand meinen und sofort breitete sich auf seinem Gesicht das Lächeln aus, was ich so liebte. Alan folgte seinem Blick und als er mich dort stehen sah, verdrehte er übertrieben die Augen. „ Was habt ihr heute denn vor?“ „ Das wird nicht verraten, soll eine Überraschung für Michelle sein.“ Mein Herz schlug einen Salto und ich wollte Jake endlich so begrüßen, wie es sich für ein Paar im Teenager Alter gehörte, aber Alan machte keine Anstalten, sich vom Fleck zu rühren. Immer diese begriffsstutzigen Erziehungsberechtigten.

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Als Alan meine genervte Miene sah, schien es endlich bei ihm Klick gemacht zu haben, denn er setzte sich in Bewegung. „ Ähm. Ich mach mich dann langsam mal fertig für später. Ich wünsch euch heute viel Spaß. Michelle, du hast deinen Hausschlüssel?“ Ich nickte und dann war er endlich nach oben verschwunden. Ich wollte mich gerade glücklich zu Jacob umdrehen, da umarmte er mich schon. Er drückte mir einen Kuss auf die Stirn und legte seine starken Arme zärtlich um meine Mitte. Ich blickte in sein wunderschönes Gesicht und musste mich wieder unangenehm strecken, um ihn erreichen zu können. Es würde wirklich bald lästig werden, dass er so groß war und ich „nur“ 1,75. Jacob stutzte, als würde er mein Dilemma bemerken. Ich sah, wie ein Funkeln in seine Augen trat und er verschmitzt grinste. Was hatte er vor? Zwei Sekunden später wusste ich es und meine Schmetterlinge flatterten um die Wette. Jacob hob mich ohne weiteres hoch, als wäre ich so leicht wie eine Feder, und trug mich in die Küche. Dort setzte er mich behutsam auf die Küchenanrichte und lächelte triumphierend. Ja, so war das wirklich angenehmer für mich. Ich griff ihm in sein Haar und zog ihn sanft zu mir. Seine Lippen fanden meine und ein Feuerwerk explodierte in mir. Mit der einen Hand hielt Jake mein Kinn fest und mit der anderen stützte er sich auf dem Tisch ab. Meine Fingerspitzen lagen nun an seinen Schläfen, während ich meine Augen immer noch geschlossen hielt. Ich begann, ganz zärtlich mit meinen Fingern seine Gesichtskonturen nachzufahren. Zur Belohnung dafür wanderten Jacobs Lippen langsam zu meinem Ohrläppchen und küssten es. Ich drohte, ohnmächtig zu werden, doch ich hatte noch nicht genug.

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Ich schlang meine Beine um seine Mitte, sodass er mir noch näher war. Ich hielt ihn so fest umklammert, dass er jetzt beide Hände zum Abstützen brauchte, damit er mich nicht erdrücken konnte. Aus Jakes Mund vernahm ich ein leises Stöhnen und er legte ihn wieder verlangend auf meinen. Jetzt hieß es: Alles oder nichts. Während seine warmen Lippen immer noch auf meinen lagen, fasste ich meinen gesamten Mut zusammen und berührte mit meiner Zungenspitze ganz leicht seine Unterlippe. Sofort zog ich sie wieder zurück, um zu prüfen, ob ich zu weit gegangen war. Jacobs Kiefer verharrte kurz ganz still, doch dann schien er sich entschieden zu haben und begann selbst, damit weiterzumachen. Yippie, Mission geglückt! Meine Freundinnen in Chicago hatten immer davon geschwärmt, wie schön Küssen sein konnte, aber ich hatte ihnen nie geglaubt. Jetzt wurde ich eines Besseren belehrt. Jacob löste sich von mir, aber nur, um mir noch einen kleinen Kuss auf die Nasenspitze zu geben. Dort, wo er sie berührte, kribbelte es angenehm. „ Na, das nenn ich doch mal eine Begrüßung“ sagte er und grinste dabei frech. „Also, wenn es nach mir ginge, würde das den ganzen Tag so laufen“, antwortete ich und schon zog ich ihn wieder zu mir. Meine Güte, ich war wirklich verrückt nach ihm. Jacob erwiderte den Kuss zwar, löste sich aber schnell wieder von mir: „ Na na. Wenn das so weitergeht, kommen wir überhaupt nicht mehr aus dem Haus. Dabei hab ich so eine schöne Überraschung für dich!“ „ Und was für eine?“, versuchte ich, aus ihm hinaus zu kitzeln. Jake seufzte absichtlich völlig übertrieben: „ Du musst wirklich etwas gegen deine Neugier tun. Das ist eine schlechte Angewohnheit von dir“ Aus Trotz verschränkte ich die Arme und zog einen kleinen Schmollmund. Sofort war Jake

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wieder bei mir, hob mich hoch und trug mich bis zur Haustür. Bevor er mich absetzte, schaute er mir tief in die Augen und gab mir einen Kuss auf die Wange. „ Aber das ist auch des einzige Makel an dir. Sonst bist du absolut großartig. Viel zu gut für mich“ Mist, auf ihn konnte man wirklich nie lange sauer sein. Im Auto löcherte ich trotzdem weiter, wo es denn hinginge. Aber anstatt mir richtige Antworten zu geben, sagte er nur so Sachen wie: „ das wirst du schon sehen“ oder“ „Einen Werwolf durchschaust du nie“. Eigentlich sollte ich sauer sein, dass der mich so zappeln ließ, doch stadtdessen legte ich meine Hand auf seine, mit der er die Kupplung umgriff. Als wir endlich hielten, schaute ich aus dem Fenster und versuchte, rauszufinden, wo wir waren. Ich erkannte von weitem eine große Halle, vor der auf einem Parkplatz ein paar Autos standen. Ich erkannte, was die Halle darstellte und schaute Jake überrascht und liebevoll an. „ Wir gehen Schlittschuh fahren?“ Er zwinkerte mir zu und lächelte. Das deutete ich als Ja. Ich hatte noch nie auf dem Eis gestanden und jetzt konnte mich nichts mehr halten. Ich sprang aus dem Wagen und stürmte auf den Eingang zu. Hinter mir hörte ich das laute Lachen eines Werwolfes. Zehn Minuten später war uns beiden klar, dass aus mir zu hundertprozentiger Sicherheit keine Eiskunstkäuferin werden würde. Ich stellte mich total blöd an und gefrorenes Wasser war wohl nicht eine meiner Stärken. Jacob kugelte sich vor Lachen, als ich sofort auf den Hintern plumpste, obwohl ich gerade erst die Fläche betreten hatte und noch nicht losgefahren war. Ich sah in bitterböse an und das brachte ihn dadurch nur noch mehr zum Lachen.

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„ Du kannst das auch nicht besser. Na los! Oder traust du dich etwa nicht, Wolf?“ forderte ich ihn auf, während ich immer noch auf dem Eis saß. Jake wuschelte mir durchs Haar und fuhr los. Ich beobachtete ungläubig, wie er geradezu über das Eis tanzte. Er war die Eleganz in Person und offenbar kostete es ihn keinerlei Konzentration, den anderen Läufern auszuweichen. Gab es irgendetwas, was dieser Kerl nicht konnte? Ich hatte mich inzwischen wieder aufgerappelt und klammerte mich am Rand fest. Jake kam auf mich zugeschlittert und kam direkt vor mir zum Stehen. Ich schaute ihn etwas eingeschnappt, aber doch bewundernd an. „ Ok, eins zu null für dich.“ Jake nahm meine Hände und sah mich an. „ Mach dir nichts draus. Nicht jeder ist dazu geboren. Ich brings dir bei. Alles nur eine Frage des Gleichgewichts.“ Gleichgewicht? Na super. Das würde viele blaue Flecken geben. Doch ich irrte mich. Denn jedes Mal, wenn ich drohte hinzufallen, und das kam oft vor, fing mich Jake im richtigen Moment auf. Ihm war es egal, in welchem Schneckentempo ich fuhr und es kümmerte ihn auch nicht, wie lange ich brauchte, um zu lernen. Und dafür liebte ich ihn noch mehr, als ich es ohnehin schon tat. Nur einmal konnte er mich nicht rechtzeitig auffangen, weil er seinen Schlittschuh enger schnallen musste. Ich landete voller Wucht auf meinem Steißbein und blieb vor Schreck ganz still sitzen. In dem Moment kam ein kleines, etwa 10-jähriges Mädchen vorbeigefahren und drehte vor mir eine perfekte Pirouette. Ok, jetzt kam ich mir wirklich wie der letzte Dorftrampel vor.

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Jacob ging in die Knie und wollte mir helfen aufzustehen, doch da kam mir eine bessere Idee. Ich zog an seiner Jacke und er plumpste neben mich. Verdattert schaute er mich an und ich lachte mich nur schlapp. Jetzt saßen wir beide mitten auf der Eisfläche, während andere Menschen an uns vorbeischlitterten, doch das war uns egal. Es gab nur noch uns. Jake nahm meine eisige Hand und wärmte sie. Wir sahen uns beide lange an und sagten im selben Augenblick: „ Ich liebe dich“. Wir lächelten und er gab mir einen zärtlichen Kuss, sodass mein ganzer Körper jetzt wieder warm war. Nachdem wir uns voneinander gelöst hatten, erhaschte ich einen Blick auf die anderen Leute auf der Bahn. Sie alle schauten uns mit solch einem Unglauben an, als hätte es ein Paar wie uns noch nie gegeben. ---------------------------------------------------------------------- -------------------------------------------------------------------------------- -------------------------------------------------- „ Hat es dir gefallen?“, fragte Jake mich, als wir wieder im Auto saßen. Was für eine Frage! Als Antwort umarmte ich ihn und lehnte meinen Kopf an seine Brust, so dass ich sein Herz klopfen hören konnte. „ Es war absolut perfekt! Und ich hab noch nicht mal halb so viele blaue Flecke, wie ich gedacht hätte. Dank dir.“ Eine Weile saßen wir so da, ohne uns zu bewegen. „ Über was denkst du gerade nach“, fragte mich Jacob plötzlich. Ich lächelte in mich hinein. „ Ich habe gerade überlegt, ob es dir gefallen würde, wenn ich dich mit Spitznamen anrede, so wie in den ganzen Daily-Soaps. Sowas wie „ Knuddelbärchen“, „Mauseschwänzchen“ oder „ sexy Lover“.“ Jake verzog angewidert sein Gesicht, hatte sich aber schnell wieder unter Kontrolle. Dann beugte er sich zu mir hinunter und flüsterte mir ins Ohr: „ Du darfst mir so viele Namen geben wie du willst, wenn ich dich nur mein Eigen nennen darf“ Zur Antwort bekam er einen Kuss von mir, der uns zehn Minuten lang daran

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hinderte, loszufahren. Ich war irritiert, als Jacob nicht in meine Straße abbog und stadtdessen weiterfuhr. Wollte er noch, dass ich mit zu ihm kam? Ich zappelte vor Vorfreude auf dem Sitz herum. Aber als er auch an seinem Haus vorbeifuhr, war ich nur noch verwirrt und beobachtete Jake misstrauisch. „ Schau mich nicht so an! Du guckst ja so, als ob ich dich entführen würde. Ich will dir nur Emily vorstellen.“ Meine Miene hellte sich auf und das freute Jake. Ich freute mich darüber, endlich Sams' Verlobte kennenzulernen. Wir hielten vor einem kleinen, aber hübschen Holzhaus mit einer großen Veranda. Als ich gerade aussteigen wollte, hielt Jake mich am Arm fest und bat mich noch, kurz sitzen zu bleiben. „ Hör mal, Schatz, bevor wir reingehen, solltest du etwas wissen. Emily ist…nun ja, sagen wir einfach, nicht mehr so hübsch, wie sie früher mal war. Ihr Gesicht ist von schlimmen Narben bedeckt. Ich bitte dich, sie nicht anzustarren, das bringt Sam außer Rage.“ Ich sah ihn geschockt an: „ Was ist mit ihr geschehen?“ Jakes Miene wurde leidend und er ließ die Schultern hängen. „ Sam hat das getan. Er hatte sich einmal nicht unter Kontrolle und hat sich verwandelt. Dabei stand Emily einfach zu nah und er hat sie erwischt. In der Stadt glauben alle, ein Bär hätte sie so entstellt, doch unsere Familien kennen die Wahrheit. Sam wird sich niemals verzeihen können, was er Emily angetan hat. Jeden Tag sieht er ihre Narben und jeden Tag hasst er sich mehr dafür.“ Ich verstand es immer noch nicht ganz. „ Aber was hat Sam denn so zur Weißglut gebracht, dass er sich in Emilys' unmittelbarer Nähe nicht unter Kontrolle halten konnte?“ Sein nächster Satz ließ mir einen kalten Schauer über den Rücken kriechen.

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„ Das, was ihn so ausrasten ließ, sind diejenigen, gegen die wir Werwölfe einen Gräuel hegen. Unsere einzigen Feinde. Todfeinde, könnte man sagen.“ Ohne ein weiteres Kommentar stieg er aus. Ich krallte mich an den Autositz, damit ich nicht losschrie. Langte es denn nicht, dass ich mit einem Werwolf zusammen war? Musste es auch noch irgendwas geben, was meinem Freund am liebsten tot sah? Verzweiflung machte sich in mir breit. Ich hatte bereits einige Einfälle, die mir im Kopf rumschwirrten. Einige unerklärliche Dinge, die Werwölfen gefährlich werden konnten. Aber nein, das konnte nicht sein. In dieser Welt konnte es sowas nicht geben. Ich sah ein, dass dieses ernste Gespräch mit Jacob warten musste und ich hatte nun die Aufgabe, es zu verdrängen, bis ich den Besuch bei Emily hinter mir hatte. Eine Stunde später hatte ich Jakes Bemerkung im Auto schon fast vergessen, denn ich fiel vor Lachen fast von einem der Stühle in Emilys’ Küche. Sie war so humorvoll, dass ich Bauchschmerzen vor Lachkrämpfen bekam. Wir lagen genau auf einer Wellenlänge und ich hatte das Gefühl, sie mochte mich auch. Zwar hatte ich mich im ersten Moment wirklich erschrocken, als ich ihr vernarbtes Gesicht gesehen hatte, doch nach ein paar Minuten nahm ich diese gar nicht mehr war. Mit Emilys' brauner Haut, dem langem schwarzem Haar und ihrer Modelfigur war sie bestimmt mal wunderhübsch gewesen. „ Und dann hat Paul mich doch wirklich nach einer Pinzette gefragt, um eine Zecke aus Quil’s Wolfspelz zu bekommen!“, brachte sie gerade einen Witz zu Ende. Jacob, der neben mir saß und die ganze Zeit meine Hand hielt, lachte laut. „ Echt genial. Jacob, solche Geschichten erzählst du mir nie! So werden Werwölfe ja richtig süß!“ Er lächelte leicht gequält und ich gab ihm zur

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Aufmunterung einen kurzen Kuss. Wir wurden unterbrochen, als wir draußen Schritte hörten. Die Tür ging auf und das komplette Rudel stand im Raum. Um genau zu sein, füllten diese Kerle die gesamte Küche aus. Ich wollte ihnen gerade freudig Hallo sagen, als ich ihre Mienen sah und erstarrte. Sie alle schauten, als wäre soeben die Welt untergegangen. Doch ich konnte in ihren Gesichtsausdruck auch Wut erkennen. Sofort waren Emily, Jake und ich auf den Beinen, Jake hielt immer noch meine Hand. „ Was ist passiert?“ fragte er mit nervösem Ton in der Stimme. Emily und ich traten beunruhigt von einem Bein auf das andere. Was konnte passiert sein, dass ein gesamtes Werwolfrudel so außer sich war. Sams‘ nächste Worte lösten bei Jacob eine für mich völlig überrachende Reaktion aus. Er ließ meine Hand los und ballte seine zu Fäusten. Er schaute Sam und die anderen finster an und jetzt sah er genauso aufgebracht aus wie der Rest vom Rudel. Ich fragte mich, ob Sams’ Worte etwas damit zu tun hatten, was Jacob mir vorhin im Auto erzählt hatte. Ja, das musste es. Es musste etwas mit den Todfeinden von Werwölfen zu tun haben. Sams‘ Worte hatten einen seltsamen und beängstigenden Nachklang in meinen Ohren: „ Die Cullens sind wieder da.“ Achtung, die Vampire kommen! Kapitel 13 hat mir einige Probleme bereitet. und warum? Weil ich unbedingt wollte, dass diese starrsinningen Vampire mit Michelle auf die High school gingen. und was war das Problem? Richtig: Renesmee. Es wäre blöd gewesen, sie einfach wegzulassen, aber ich wollte sie auch nicht

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in den mittelpunkt stellen. ich hielt es für unrealistisch, dass edward und bella sie infach daheim ließen und in die schule gingen...außerdem ist bella ja noch nicht lange ein vampir! Kurzum, renesmee ist noch ein kleinkind und bleibt daheim bei esme. edward und bella gehen noch ein jahr in die high school. zwar klappt das nicht so ganz mit dem, was in den büchern steht, aber das war mir egel. ich wollt unbedingt, dass die alle auf eine schule gehen, also nicht wundern!. Viel Spaß! ........................................................................ ................................................................................ ................................................ Auf die Folter gespannt Im ganzen Raum herrschte Stille, bis ich endlich mit meiner wichtigsten Frage rausrückte: „ Wer sind die Cullens?“ Alle Augenpaare waren nun auf mich gerichtet, sodass ich mich ganz klein fühlte. Sam sah erst mich, dann Jacob an und setzte eine irritierte Miene auf. „ Du hast es ihr noch nicht erzählt? Ich dachte, sie wüsste alles?“ Ja, das hatte ich auch gedacht. So kann man sich täuschen. Jake kratzte sich am Hinterkopf und blickte ziemlich schuldbewusst drein. „ Weißt du, Sam, Michelle hat mir vor zwei Tagen erst verziehen und da wollte ich sie nicht gleich wieder mit etwas konfrontieren, wobei sie austicken würde. Ich wollte das noch etwas hinauszögern.“ Ich starrte ihn an. „ Nun ja, Jake, da muss ich dich jetzt leider enttäuschen. Sie muss eingeweiht werden, damit sie weiß, worauf sie sich einlässt, wenn sie mit dir zusammen ist. Eigentlich wollten wir jetzt Rat halten, aber wir haben noch etwas Zeit, bis die Cullens aufkreuzen. Soweit ich weiß, wollen sie morgen wieder in ihr altes Haus ziehen. Außerdem sieht Michelle so aus, als würde sie jeden Moment platzen.

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Du solltest dich also um sie kümmern“ Tatsächlich hielt ich den Atem schon eine ganze Weile an, sodass ich bestimmt einen hochroten Kopf bekam. Jake nickte und führte mich raus. Ich kam nicht mal dazu, meiner neuen Freundin Emily auf Wiedersehen zu sagen und ich konnte nur noch sehen, wie sich die Wölfe griesgrämig um den Tisch setzten. Mein Körper fühlte sich taub an, als Jake mich zum Wagen brachte und wir losfuhren. Ich war so sehr in meine verrückten Gedanken vertieft, dass ich nicht merkte, wo es hinging. Erst als wir standen, schaute ich hoch. Wir hatten die Stadt verlassen und befanden uns am Rande eines verlassenen Wanderweges. Jacob stieg aus, ging um die Motorhaube herum und öffnete mir die Autotür. Mit zitternden Knien stieg ich aus. Es war so kalt, dass ich meine Arme um Jacobs Körper schlang und mich an ihn klammerte. Meine Nerven lagen blank. „ Bitte Jacob, sag mir endlich, was hier passiert. Ich halte es nicht mehr aus! Muss ich Angst um dich haben? Sei bitte ehrlich!“ Er streichelte mein Haar und versuchte, mir die Panik zu nehmen. „ Nein. Das brauchst du nicht. Die Cullens selbst sind nicht das eigentliche Problem, sondern eher diejenigen, die sie anlocken werden.“ „ Aber WAS sind sie denn nun?“ rief ich hysterisch. Jake schien darüber zu grübeln, wie er es mir schonend beibringen könne, denn ich konnte Sorgenfalten auf seiner Stirn erkennen. „ Die Cullens sind eine Familie von…von Vampiren.“

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Ich entriss ihm meine Hände und meine Beine gaben nach. Ich ging zu Boden, während mein Herz unregelmäßig schlug. Ich war so geschockt und verzweifelt, dass ich nichts sagen konnte. Als ich vorhin vor dem Besuch bei Emily Überlegungen angestellt hatte, was es für Wesen sein könnten, die gefährlich für meinen Freund und sein Rudel waren, hatte ich auch an Vampire gedacht. Allerdings hatte ich diese Idee direkt wieder verworfen, denn auf der Liste der gefährlichsten Kreaturen der Welt, standen sie bei mir ganz oben. Ich hielt es für ausgeschlossen, dass es Vampire auch in dieser Welt geben sollte. In meiner Welt, in meinem früheren Leben, ja, da gab es sie. Aber hier? In Atlanta? Mir stockte der Atem, als mir klarwurde, was das hieß. Ich kannte alle Geschichten und Mythen über Vampire und einst war ich selbst einem begegnet. Bei dieser Begegnung, die viele Jahre zurücklag, war ich nur knapp dem Tod entronnen. Aber das konnte ich Jacob natürlich nicht erzählen. Wie konnte er nur so tun, als ob diese Cullens keine Bedrohung wären?! Jacob sah mich entsetzt an und ging vor mir in die Knie. Er hob mein Kinn leicht an und sah mir in meine Augen. Ich wich seinem Blick aus, weil er nicht sehen sollte, dass ich mit den Tränen kämpfte. Natürlich war es absurd, zu denken, er würde mich nicht sofort durchschauen. Er legte seine Arme um mich und zog mich hoch. Dann hielt er mich ganz fest, sodass ich mich langsam wieder beruhigte. „ Ich glaube, ich muss dir einiges erklären“ flüsterte er entschuldigend. „ Ja, das glaube ich auch“. Jacob nahm meine Hand und führte mich zu einer

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kleinen Bank am Rande des Wanderweges. Hätte er mir beim Gehen nicht geholfen, wäre ich vermutlich zusammengeklappt. Als wir saßen, fing er an zu reden, wobei er mir ernst in die Augen blickte, als hätte er Angst, dass ich wieder einen Zusammenbruch erleiden würde. „ Die Cullens haben früher schon einmal hier gelebt. Sie sind anders als die Vampire, die du vielleicht aus Horrorgeschichten und Filmen kennst. Sie trinken nur Tierblut und tun den Menschen nichts. Sie versuchen, so gut wie es eben geht, sich wie Menschen zu verhalten.“ Ich sah ihn verwirrt und stirnrunzelnd an. „ Also sind sie keine brutalen und erbarmungslosen Blutsauger?“ Ich war überrascht, als Jake anfing zu kichern. „ Weißt du, genau dieselben Worte hab ich früher auch benutzt, um sie zu beschreiben, aber heute sehe ich sie in einem anderen Licht. Das Verhältnis zwischen dem Rudel und ihrer Familie hat sich verbessert. Als sie vor vielen Jahren das allererste Mal in diese Gegend kamen, war ich noch gar nicht auf der Welt. Unsere Urgroßväter haben aber gemerkt, dass diese Vampire anders sind und so schlossen sie einen Vertrag mit ihnen. Solang jeder auf seinem Territorium blieb, sollte es keine Probleme geben. Tja, und dann kam unsere Generation. Dadurch, dass die Cullens hier ihren festen Wohnsitz hatten, hat das irgendwann andere Vampire angezogen, die neugierig waren. Diese Vampire waren so, wie man sie aus Geschichten kennt und das hieß mehr Arbeit für uns. Irgendwann wurden es aber zu viele und so ist etwas geschehen, was niemand gedacht hätte: Wir verbündeten uns mit der Familie Cullen und bekämpften sie gemeinsam. Gegen ihre Familie haben wir nichts. Ich persönlich freue mich sogar ein wenig, sie wieder zu sehen. Aber da kommt wieder viel Arbeit auf uns zu und das bedeutet, dass ich nicht mehr so viel Zeit für dich habe“

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Also, wenn das alles war, um was er sich Sorgen machte. Kämpfe gegen grausame Vampire zu führen, würde mir ja auch überhaupt nichts ausmachen. Ich hatte immer noch ein paar Fragen und so sagte ich: „ Du redest immer zu von einer Familie, wie viele sind es denn?“ „ Nun ja. Es sind 8. Um genauer zu sein, sind es 8 ½. Zwei von ihnen sehen sich selbst als eine Art Adoptiveltern und die anderen haben sich ihnen angeschlossen. Die „ Adoptivkinder“ wirst du sicher bald kennenlernen. Ich wollte dich nur vorwarnen, dass du nicht ohnmächtig wirst und schreiend davonläufst, wenn du sie übermorgen in der Schule siehst.“ „ Moment mal! Vampire gehen auf die High School?“ Jacob setzte ein Grinsen auf „ Wie schon gesagt, sie wollen als ganz normale Menschen durchgehen, Ich weiß nicht, wie oft sie den Schulabschluss schon gemacht haben, aber es scheint ihnen nie langweilig zu werden. Ich bin mir relativ sicher, dass du sie mögen wirst. Aber vielleicht sollte ich dich noch über ihre Talente in Kenntnis setzen.“ „ Ihre Talente?“ So langsam schwirrte mir der Kopf von diesen ganzen Neuigkeiten. „ Ja, ich muss zugeben, dass mich das am meisten an ihnen stört. Da wären zunächst Carlisle und Esme, die „Eltern“. Sie besitzen keine besonderen Fähigkeiten wie die anderen, doch Dr. Cullen, der Arzt ist, besitzt ein großes Mitgefühl, sogar für uns Werwölfe. Mit Esme hatte ich nie viel zu tun, aber sie ist sehr zuvorkommend. Da gibt es dann noch Jasper und seine kleine Freundin Alice. Wenn du mich fragst, sind sie das seltsamste Paar, was ich je gesehen hab. Dieser Jasper kann Gefühle beeinflussen, was ziemlich gruselig ist. Alice besitzt ein Talent, was, wie ich zugeben muss, ziemlich beeindruckend ist. Sie kann die Zukunft sehen. Um genauer zu sein, sieht sie das, was jemand im Begriff ist, zu tun. Sobald jemand eine Entscheidung fällt, etwas in der Zukunft zu tun, sieht sie es. Aber jetzt kommt das Coolste. Uns Wölfe kann sie nicht

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sehen, wir wissen nicht genau, warum, aber das ist nur gut für uns.“ Er grinste. „ Als nächstes gibt es da Emmet, ein ziemlicher Bulle, muss ich sagen. Soweit ich weiß, besteht sein Talent darin, dass er mehr Kraft als sie anderen Vampire zusammen hat. Emmet war damals ganz wild darauf, zu kämpfen. Er nimmt, glaube ich, nichts richtig ernst. Ach ja, und dann wären da noch Edward und Rosalie“ Während Jacob diese zwei Namen aussprach, verzog er das Gesicht zu einer Grimasse und rümpfte die Nase. „ Edward Cullen und ich hatten so unsere Differenzen. Er ist ein ziemlich aufgeblasener Typ und nervt uns mit seinem Talent zu Tode. Vor seinem sollte ich dich vermutlich am meisten warnen. Er kann von jedem die Gedanken lesen und das ist wirklich lästig. Leider sind wir davor nicht verschont geblieben wie bei Alices' Talent. Pass also auf, was du denkst, wenn du in seiner Nähe bist.“ Mein Körper war nur im Stande, zu nicken. Mehr konnte er nicht. „ Rosalie ist aber die Schlimmste von allen. Ich hätte ihr schon ein paar Mal die Gurgel umdrehen können. Sie ist mit Emmet zusammen und meiner Meinung nach hat dieser Vampir überhaupt keine Talente. Sie ist einfach nur lästig. Zum Schluss wäre da noch…“ In diesem Moment klingelte Jacobs Handy. Er nahm es aus seiner Hosentasche und ging ran. Während der Anrufer am

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anderen Ende der Leitung sprach, verfinsterte Jacobs Gesicht sich etwas und er schaute mich besorgt an. Was war denn nun schon wieder? Ich wusste überhaupt nicht mehr, was ich fühlen sollte. Angst um Jacob? Neugierde über die Cullens? Sorgen, dass mein Geheimnis durch die heutigen Ereignisse bald ans Licht kam? Ich würde meine Gedanken im Zaum halten müssen, wenn ich diesem Edward begegnen würde. Ich war froh, dass Jake mich vorgewarnt hatte, sonst wäre vermutlich alles verloren gewesen. Während Jake noch immer am Handy hing, grübelte ich etwas.Alle Familienmitglieder der Cullens hatten einen Partner, doch ob dieser Edward eine Partnerin hatte, hatte Jake nicht erzählt. Allerdings wurde er auch unterbrochen. In diesem Moment fing Jake an, seinem Gesprächspartner zu antworten. „ Meinst du wirklich, ich soll sie mitnehmen?“ Er wartete kurz ab. „ Mhm, vermutlich hast du Recht. Ok, wir treffen uns in einer halben Stunde auf der Lichtung.“ Dann legte er auf. Ich sah ihn nur verdattert an und er stand auf, wobei er mich mit hochzog. „ Das war Sam. Die Cullens sind doch schon da und wollen mit uns reden. Wir müssen den Vertrag erneuern und darüber sprechen, wie es jetzt weitergeht. Sam meint, ich sollte dich mithin nehmen“ Panik machte sich in mir breit. „ Aber warum sollte ich das? Reicht es denn nicht, dass ich übermorgen mit Vampiren im Matheunterricht sitzen werde? Das ist doch so eine Werwolf-Vampir-Sache, warum sollte ich also mit?“ Jake zuckte mit den Schultern. „ Sie kennen unser gesamtes Rudel, mitsamt unseren Freundinnen. Sie sollten wissen, wer alles über sie Bescheid weiß.“ Als er sah, wie ich mir auf die

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Unterlippe biss, nahm er mein Gesicht in beide Hände. „ Michelle, vertrau mir. Wenn ich bei dir bin, kann dir niemand etwas antun. Ich werde dich immer beschützen, solange ich lebe. Das verspreche ich dir!“ Mit diesen Worten legte er seine Lippen sanft auf meine. Es sollte wohl so eine Art Beruhigungs-Kuss sein, der auch funktionierte. Sobald ich seine Wärme auf meinem Körper spürte, beruhigten sich meine Nerven merkwürdigerweise. Ja, mit Jacob an meiner Seite würde mir nichts zustoßen. Da konnten ein Haufen Vampire mir noch nicht mal etwas anhaben. ---------------------------------------------------------------------- ------------------------------ Wir stiegen in den Wagen und fuhren los. Jake fuhr einen Weg entlang, den ich nicht kannte. Er führte durch ein kurzes Waldstück und mündete in einer gigantischen Lichtung. In der Ferne konnte ich ein riesiges Haus erkennen, jedoch hielt Jake mit großem Abstand dazu an. Als wir ausstiegen, konnte ich erkennen, dass das Wolfsrudel schon auf uns wartete. Ich war überrascht, denn ich hatte erwartet, dass sie in Wolfgestalt kämen, doch stattdessen waren sie allesamt in Menschengestalt, und sogar angezogen. Also mussten sie diesem Gespräch mit einer Gruppe von Vampiren wirklich gelassen entgegen sehen. Wir gesellten uns zu ihnen und die Wölfe begrüßten mich. Quil grinste und fragte mich mit neckendem Ton in der Stimme: „ Und Michelle, wie hast du es aufgenommen? Bereit, ein paar Vampiren zu begegnen? Ich wette, du hättest nie gedacht, dass du mal welchen gegenüberstehen würdest!“ Wenn der wüsste! Ich versuchte zu scherzen und antwortete ihm: „Nein, hätte ich nicht. Aber du hättest bestimmt auch nie gedacht, dass Zecken so unangenehm sein können. Pass gut auf dein Fell auf und wälz dich nicht sooft im Dreck!“

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Die anderen prusteten los und Quil wurde rot wie eine Tomate. Ha! Ich hatte einen Werwolf in Verlegenheit gebracht. Ich lernte schnell. Da fiel mir wieder ein, warum wir hier waren und ich stellte mich näher zu Jacob. Er schaute mich aufmunternd an und gab mir einen Kuss aufs Haar. Sam wandte sich an das Rudel. „ Ok, hört zu. Sie wissen natürlich schon längst, dass wir da sind und warten nur darauf, bis ich mein OK gebe, dass sie rauskommen können. Ihr benehmt euch, ist das klar? Vor allem du Paul, mach ja keinen Stress. Jacob, du bleibst bei Michelle, um auf Nummer sicher zu gehen.“ Dann drehte er sich zum Haus, was bestimmt noch 200 Meter entfernt war und flüsterte: „ Wir sind bereit.“ Das konnten sie doch unmöglich hören, oder? Doch ich irrte mich, denn ich sah, wie sich etwas hinter den Fenstern des Hauses regte. Die Körper der Wölfe versteiften sich, als sich die Tür des Hauses öffnete. Mein Herz raste und ich musste die Augen zusammenkneifen, um etwas zu erkennen. Zwei Personen liefen schnell auf uns zu. Nein, sie schwebten gerade zu. Es schien, als würden sie den Boden noch nicht einmal berühren. Als sie näher kamen, stellte ich fest, dass das Dr. Cullen und seine Frau Esme sein mussten, denn sie waren zu alt, um als Teenager durch zu gehen. Dr. Cullen hatte wasserstoffblondes Haar und er trug einen geschmackvollen Pullover und eine elegante Jeans. Die Frau, Esme, besaß langes, glattes braunes Haar und trug trotz dieser Temperaturen ein Sommerkleid. Sie sah wunderschön aus. Ich staunte nicht schlecht. Vampire schienen einen guten Geschmack zu haben. Insgeheim hatte ich mit schwarzen Umhängen gerechnet.

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Die beiden stellten sich, mit ein paar Metern Abstand, vor uns und lächelten über das ganze Gesicht. Embry und Quil lächelten ebenfalls, die anderen Wölfe waren noch unsicher. Während ich immer noch von der Schönheit dieser zwei Vampire fasziniert war, kamen wieder zwei Personen aus dem Haus. Diesmal waren es Jüngere und ich erkannte sofort, dass das Jasper und Alice sein mussten. Denn sobald ich in Jaspers Augen sah, die wie die der anderen von einem satten Gold waren, beruhigte ich mich sofort und meine Panik war verflogen. Sein Talent war wirklich beeindruckend. Er war blond, die junge Frau neben ihm hatte kurze dunkelbraune Haare. Etwa die Farbe, die ich vor einem halben Jahr noch hatte. Sie hüpfte neben dem großen blonden hin und her und taxierte mich mit neugierigem Blick. Sie stellten sich zu Dr. Cullen und Esme. Das kleine verrückte Mädchen, Alice, rief freudig „ Hallo“ und winkte uns zu. Ihre Stimme klang wie ein Glockenspiel und mir fiel die Kinnlade hinunter. Schon wieder hatte ich keine Zeit, sie genauer zu betrachten, denn schon kamen die nächsten zwei Personen aus dem Haus. Du meine Güte, konnten sie denn nicht alle auf einmal kommen? Mussten sie mich so auf die Folter spannen? Nach Jacobs Erklärungen zufolge, musste der große, bullige Junge mit kurzen braunen Haaren Emmet sein. Ich schluckte, als ich seine Muskeln sah. Mit denen konnte er sogar Jake Konkurrenz machen. Neben ihn erkannte ich seine Freundin, da sie seine Hand hielt. Das musste also Rosalie sein. Ich ärgerte mich etwas. Jacob hatte mit keinem Ton erwähnt, dass sie die wunderschönste Frau auf dieser Welt war.

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Ihre langen blonden Locken ließen mich sehnsuchtsvoll seufzen. Sie hatte markante Gesichtszüge und volle Lippen, die sie dezent geschminkt hatte. Auch sie stellten sich zu dem Rest ihrer Familie. Ich schaute zu Jacob hoch, der Rosalie nur finster anstarrte. Diese schien sich darüber zu amüsieren, denn als Antwort streckte sie ihm frech die Zunge raus. Eine tolle Begrüßung. Genau wie Alice betrachtete der große, Emmet, mich ganz genau und ein Grinsen huschte über sein Gesicht. Jacob fing an zu knurren und zog mich näher zu ihm. Das war Emmet deutlich genug und er wandte den Blick von uns ab. Ich machte mich bereit für die nächsten zwei Vampire, doch es kam nur einer. Es war ein großer, schlaksiger Junge. Er hatte verwuscheltes, bronzefarbenes Haar. Ich zählte schnell im Kopf nach und stellte fest, dass das Edward sein musste. Jetzt hieß es, sich zu konzentrieren. Ich versuchte, alle meine Gedanken hinter Gitter zu sperren und machte meinen Kopf leer. Ich stellte mir vor, dass in meinem Kopf jetzt nur eine Dunkelheit herrschte, in die keiner blicken konnte. Ich war überrascht, wie einfach es mir fiel. Diese Kunst hatte mir vor vielen Jahren ein Lehrer an meiner alten Schule beigebracht und trotzdem stellte das kein Problem für mich dar. Ich schaute auf und war irritiert, als Edward plötzlich stehenblieb und mich misstrauisch anguckte. In seinem Blick konnte ich Verwirrung erkennen. Gut, es funktionierte also. Dem Rudel war es natürlich nicht entgangen, dass etwas nicht stimmte und

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schauten mich ratlos an. Jacob und, was mich überraschte, Quil stellten sich beide schützend vor mich, sodass ich um sie herum schauen musste. Doch dieser Edward rührte sich wieder und gesellte sich zu den anderen. „ Hallo. Es freut mich, euch wieder zu sehen. Jacob, du kannst aufhören, mich so wütend anzustarren. Ich werde deinem Mädchen nichts tun.“ Dabei schien er mich mit seinen Blicken zu röntgen und legte den Kopf schief, als würde er eine imaginäre Checkliste durchgehen, um zu schauen, wie viel ich wert war. Ok, dieser Kerl war mir jetzt schon unsympathisch! „ Wo ist deine Frau?“, fragte Dr. Cullen ihn. Seine Stimme klang genauso unnatürlich schön, wie die der anderen. Edward antwortete ihm: „ Sie kommt jede Sekunde, sie kümmert sich noch um die Kleine“ Ich verstand gar nichts von dem, was er eben gesagt hatte. Dieser Junge, den ich vielleicht auf 17 schätzte, sollte verheiratet sein? Und wen meinte er mit „ der Kleinen“? Ich schaute zu Jacob hoch, der nur mit ausdruckslosem Gesicht die Vampire vor ihm betrachtete. Er hatte vorhin gesagt, es würden 8 ½ Vampire in dieser Familie geben. Was hatte er damit gemeint? Dieser Edward grinste mich auf einmal an. Sofort verschloss ich meine Gedanken wieder vor ihm und er guckte wieder grimmig. Das Mädchen, was nun die Treppe des Hauses hinunterkam, war schneller bei uns als die anderen, also hatte ich nicht sonderlich viel Zeit, um ihr umwerfendes Aussehen zu begutachten. Ich konnte nur eine braune Lockenmähne erkennen, die ihr bis zur Hüfte ging. Sie bewegte sich eleganter als die anderen und stellte sich neben Edward, vermutlich ihr Mann. Unsere Blicke trafen sich und mir fielen fast die Augen aus dem Kopf. Die

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Mauer, die ich in meinem Kopf gebaut hatte, brach zusammen und ich schaute die Braunhaarige vor mir nur entgeistert an. Das konnte doch nicht wahr sein! Nein! Ich weigerte mich, das zu glauben! In diesem Moment erkannte Bella mich. Wieder vereint „ Michelle, bist das wirklich du?“ fragte Bella mit unsicherem Ton in der Stimme. Ich konnte nur nicken, während mein Herz vor Aufregung raste. „Bella…“ flüsterte ich. Sie schlug die Hände entgeistert vor den Mund und machte einen Schritt auf mich zu. Ich entriss mich Jacobs Griff, der nur verdattert da stand und nicht wusste, was er von der Situation halten sollte. Auch ich machte mit zitternden Beinen ein paar Schritte auf sie zu. Im nächsten Moment fielen wir uns beide in die Arme. Ich versuchte sie so fest zu halten, wie es ging. Ich schreckte noch nicht einmal vor ihrer eiskalten Haut zurück, die so einen großen Kontrast zu Jacobs Körper darstellte. „Michelle…“ erklang Bellas Stimme, als ich mein Gesicht in ihren, nach Rosen duftenden, Haaren verbarg. Jetzt konnte ich es nicht mehr zurückhalten und die Tränen liefen mir über die Wangen. Ich schluchzte, was das Zeig hielt und konnte mich vor lauter Weinen nicht mehr einkriegen. Bella, meine Bella. Ich hatte die Hoffnung schon aufgegeben, dass ich sie jemals wiedersehen würde. Ich löste mich von ihr, sodass ich in ihr wunderschönes Gesicht sehen konnte.

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Wir waren zwar noch Kinder gewesen, als ich sie das letzte Mal sah, doch ich hatte sie sofort erkannt. Auch wenn ihre Haut schneeweiß und ihre Augen Gold waren, dieses Gesicht hätte ich immer erkannt. Auch Bella begutachtete mich und nach einer Weile fragte sie gespielt vorwurfsvoll: „ Könntest du mir mal bitte verraten, was du mit deinen Haaren angestellt hast?“ Ich gluckste und spielte ihr Spiel mit: „ Das sagt gerade die Richtige. Könntest du mir bitte verraten, was mit dir passiert ist? Ich weiß, wir haben uns lange nicht gesehen, aber mit so etwas hätte ich wirklich nicht gerechnet“ Wir lachten beide und umarmten uns wieder. Als wir uns umdrehten, sahen wir in zwölf verdutzte Augenpaare. Zehn Werwolfsaugen und vierzehn Vampiraugen. Da ich immer noch einen Kloß im Hals hatte, übernahm Bella die Aufgabe, den anderen alles zu erklären. „Michelle und ich waren als Kinder die besten Freundinnen. Meine Eltern waren noch verheiratet und mit ihren gut befreundet. Wir haben so gut wie jeden Tag zusammen verbracht. Dann wurden wir beide 13 Jahre alt und es passierte in unseren beiden Leben etwas, was alles verändern sollte. Michelles Mutter Wendy starb und meine Eltern trennten sich. Michelle ging nach Chicago, ich nach Arizona zu meiner Mutter. Wir haben uns nie wieder gesehen und auch nie mehr etwas voneinander gehört. Bis heute.“ Bella drehte sich zu mir und meinte leise: „ Und wie ich sehe, hat sich auch bei dir einiges getan“ Sie lächelte und sah von Jacob zu mir. Ich wurde etwas rot, als ich antwortete: „

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Na ja, bei dir aber auch oder?“Dabei ließ ich meinen Blick zu Edward schweifen, der immer noch neugierig zu uns hinüberblickte. Jetzt setzte sich Jacob in Bewegung und stellte sich zu uns. Er wandte sich an Bella und umarmte sie kurz. Ich staunte. Ich konnte mir vorstellen, was für eine Kraft ihn diese Geste kostete. „ Schön, dich wieder zu sehen, Bella. Ich sehe, es geht dir hervorragend mit deinem neuem…Dasein. Wie geht es Renesmee?“ „ Gut danke, sie macht sich“ Ich sah die beiden nur verwirrt an und als Bella meinen Gesichtsausdruck sah, lachte sie los. „ Ok, Jacob. Ich glaube, Michelle und ich haben uns einiges zu erzählen. Meinst du, ihr schafft das hier auch ohne uns? Dann könnte ich mit ihr inzwischen einen kleinen Spaziergang machen.“ Ich konnte Jacob ansehen, dass ihm das gar nicht gefiel. Als er gerade etwas sagen wollte, trat Sam vor. Ja, das lässt sich einrichten. Ich denke, dass es hier keine Probleme geben wird, oder?“, fragte er und schaute dabei Dr. Cullen an. Dieser trat ebenfalls vor und sagte freundlich: „ Natürlich wird es keine geben. Bella, du kannst ruhig gehen. Michelle, es hat mich gefreut, dich kennenzulernen“ Ich lächelte den sympathischen Arzt an und drehte mich glücklich zu Jake um. Er schien selbst noch nicht sonderlich überzeugt. Es ging ihm gegen den Strich, seine Freundin mit einem Vampir ungeschützt fortgehen zu lassen, auch wenn es ein friedlicher war. Ich nahm seine Hand und bat ihn: „ Bitte Jake, es wird schon nichts passieren, wenn Bella dabei ist. Und seien wir mal ehrlich: Es gibt wohl keinen besseren Beschützer für mich als einen

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Vampir.“ Jake schaute mich beleidigt und vorwurfsvoll an. Ich korrigierte mich schnell: „ Außer einem Werwolf natürlich“ Hinter uns fingen alle lauthals zu lachen an. Die hohen, glockenspielartigen Stimmen der Vampire vermischten sich mit den dunklen der Wölfe. Selbst Rosalie, die die ganze Zeit finster drein geblickt hatte, hielt sich den Bauch vor Lachen. Super Michelle, du blamierst dich vor Menschen, Werwölfen und jetzt auch noch vor Vampiren. Jacob schien eingesehen zu haben, dass es nichts nutzte, zu widersprechen und bat Bella, gut auf mich aufzupassen. „ Bring sie bitte nicht in Gefahr. Sie ist mein Leben“ Es kribbelte überall an meinem Körper und ich schaute ihn liebevoll an. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen, um ihm einen kurzen Abschiedskuss zu geben, als er mich mit einem Ruck an sich zog und seine Lippen auf meine presste. Ich war überrascht aber natürlich gab ich nach. Ich musste aber zugeben, dass es mir ziemlich unangenehm war, hier zwischen einer Horde Werwölfen und einer Gruppe von Vampiren mit meinem Freund intim zu werden. Ich konnte die Blicke der anderen im Rücken spüren. Ich behielt Recht. Als Jacob und ich uns voneinander lösten, verdrehten Paul und Quil die Augen, während Esme, Alice und Bella uns anlächelten. Mein Blick huschte zu Edward Cullen und sah, wie er uns geradezu anstrahlte. Als wäre er soeben Zeuge vom achten Weltwunder geworden. Aber warum? Was hatte dieser Kerl nur. Ich traute ihm immer weniger.

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Bella und ich verließen zusammen die Lichtung und betraten den Wald. Ich beobachtete sie, während wir zwischen den Bäumen entlang gingen. Man hätte meinen können, sie würde tanzen, so elegant sprang die über Baumstämme und tapste über den Waldboden. Prompt stolperte ich und fiel hin. Bella war im Handumdrehen bei mir und half mir hoch. „ Man, Michelle. Man könnte meinen, du wärst ich, als ich noch ein Mensch war“. Ich überging ihre Stichelei und stampfte weiter, während ich zu ihr sagte: „ Erklär mir mal, wie du zu einem Vampir geworden bist und erklär mir vor allem mal, warum dein Mann mich andauernd so seltsam anstarrt“ Bella stutze und erwiderte: „ Er schaut dich komisch an? Na ja, keine Ahnung, warum der das macht. Ich werd ihn später mal drauf ansprechen. Wie ich zu einem Vampir geworden bin, ist eine lange Geschichte.“ Ich setzte mich auf einen Baumstamm und sagte: „ Ich warte“ Sie lächelte und setzte sich zu mir. Ich fröstelte etwas, als sie mir so nah war und ich zog die Jacke unauffällig etwas enger. „ Bevor ich anfange, solltest du wissen, dass ich eine Tochter habe: Renesmee“ Und Plumps, schon war ich vom Baumstamm gerutscht und landete auf dem Boden. Ich sah Bella fassungslos an. „ Wie meinst du das, du hast eine Tochter, wie ist das denn möglich? Wann…wie…wo?“ Sie strich mir übers Haar. „ Ich hab Renesmee geboren, als ich noch ein Mensch war und bevor Edward mich verwandelt hat. Sie ist halb Mensch und halb Vampir. Sie wird entzückt sein, dich kennen zu lernen. Sie ist nicht so wie wir.

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Sie kann sich auch von normalem Essen ernähren, doch Blut ist ihr lieber. Im Gegensatz zu uns schlägt ihr Herz und sie wächst. Wir haben rausgefunden, dass sie in 7 Jahren ausgewachsen sein wird und dann wird sie so sein wie wir. Sie ist einfach bemerkenswert, du wirst schon sehen.“ Ich setzte mich wieder neben sie und sie erzählte mir alles über Edward und sie. Wie es sich entwickelt hat und dass ihr nach ein paar Wochen mit ihm schon klar war, dass sie ein Vampir werden wollte. „ Und wie ist das? Ich meine, ein Vampir zu sein?“ „ Nun, am Anfang ist alles schrecklich verwirrend. Du siehst alles so klar und du kannst meilenweit hören. Deine Bewegungen sind so rasend schnell und nichts ist mehr anstrengend für dich. Aber am Schlimmsten ist der Durst. Tierblut zu trinken hält uns bei Kräften aber es ist nichts im Vergleich zu Menschenblut. Aber das bekommt man unter Kontrolle. Meine Familie meint, ich wäre der geborene Vampir, weil ich so schnell gelernt habe.“ Jetzt schaute sie mich grinsend an. „ Und jetzt erzähl du mal. Jacob also. Ich kann mir vorstellen, dass das auch eine interessante Geschichte ist.“ „ Und was für eine!“ Dann fing ich an und ich erzählte ihr wirklich alles. Von unserer ersten Begegnung, als ich ihn noch für einen Amok-Läufer hielt und schließlich davon, wie ich es erfahren hatte, dass er ein Werwolf war. Bella stockte der Atem, als ich von dem Bären erzählte. „ Zum Glück war Jacob da“ Da hatte sie recht. Irgendwie wurde mir bei diesem Gespräch erst richtig klar, wie viel ich Jacob zu verdanken hatte und dass ich ihm nie genug zeigte, wie sehr ich ihn liebte. „ Wie geht es Alan?“, unterbrach Bella meine Gedanken. „ Ihm geht es viel besser, seit ich wieder hier bin. Ich glaube, das hilft ihm, wir reden kaum über Mom“ Bella schaute mich mitfühlend an.

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„ Was ist mit Charlie? Weiß er, dass du ein Vampir bist und das er eine Enkeltochter hat?“ „ Er weiß, dass ich nun anders bin, aber er weiß auch, dass diese Veränderung nötig war, damit ich erhalten blieb. Er möchte so wenig wie möglich mit diesen Mythen zu tun haben, aber er liebt mich immer noch. Er glaubt, Edward und ich hätten Renesmee adoptiert, aber ihm fällt ihre Ähnlichkeit mit mir auf.“ „ Ich bin so froh, dass wir uns wiedergefunden haben, Bella. Jetzt werden wir zusammen auf die High School gehen. Wahnsinn!“ sagte ich aufgeregt. „ Das kannst du laut sagen. Das wird ein Spaß! Michelle, ich glaube, wir müssen zurück gehen. Das Treffen ist jetzt bestimmt vorbei und Jacob wird bestimmt krank vor Sorge“ Sie verdrehte die Augen. Als wir Richtung Lichtung gingen, vibrierte etwas in Bellas Jackentasche. Ein modernes Handy erschien und Bella ging ran. “ Was gibt’s, Edward?“ Wir warteten beide ab. „ Ok, ist gut, ich bring sie heim.“ Nachdem sie aufgelegt hatte, meinte Bella zu mir: „ Jacob hat gesagt, ich soll dich nach Hause bringen, er würde dort auf dich warten. Anscheinend müssen die Wölfe noch ihre Schichten einteilen.“ „ Aber Bella, Jake hat mich mit meinem Auto hierher gefahren. Wie soll ich heimkommen?“ „ Mach dir darüber mal keine Sorgen“, zwinkerte sie mir zu. Als wir auf der Lichtung waren, konnte ich niemanden mehr sehen und wir gingen auf das gigantische Haus der Cullens zu. Dieses Anwesen musste ein Vermögen wert sein! Ich war sichtlich nervös, als Bella mit mir Richtung Garage ging. Gleich würde

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ich also das Haus von Vampiren betreten. OK, ich war nicht nervös, ich hatte Panik. Bella schob ganz lässig mit dem kleinen Finger das Garagentor hoch. Immer diese Superkräfte! Drinnen konnte ich fünf verschiede Wagen finden, eins moderner und schnittiger als der andere. Da gab es einen gelben Porsche, einen schwarzen Cheep, ähnlich wie unserer, nur viel neuer, einen silbernen Volvo, ein Cabrio und noch einen schwarzen BMW. Ich pfiff anerkennend durch die Zähne und betrachtete sie genauer. „ Ja ich weiß. Sie müssen immer übertreiben. Ich fahr am liebsten in Edwards Volvo. Komm, steig ein, ich bring dich nach Hause.“ Doch bevor ich dazu kam, öffnete sich eine große Tür hinter mir und Alice und Emmett kamen rein. Ich zappelte unruhig hin und her und mir rutschte das Herz in die Hose. Ich wusste auch nicht, warum die Gesellschaft von Vampiren mir unangenehmer war als von Werwölfen. Aber ich hatte eine Vermutung: Jacob war nicht bei mir. „ Hallo Michelle. Du bist also das kleine Wolfsmädchen. Wie geht es dir?“ Sie kam auf mich zugetänzelt und nahm mich in ihre Arme. Auch sie war eiskalt und ihre Haut war so hart wie Stein. Ich erwiderte die Umarmung und antwortete schüchtern. „ Mir geht es gut, danke. Im Moment ist alles nur etwas verwirrend für mich.“ Alice lächelte mich an und sagte aufmuntert: „ Das kann ich mir vorstellen. Weißt du, eigentlich hätte ich damit rechnen müssen, dass wir dich

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kennenlernen und dass Bella und du euch wieder findet. Nur leider kann ich nicht in die Zukunft von Werwölfen und Personen sehen, die sich in ihrer Nähe befinden. Aber als du mit Bella im Wald warst, konnte ich sehen, dass wir noch viel Spaß zusammen haben werden. Wir machen die High School unsicher! Ach ja, und was ich dir noch sagen wollte: Ich find dein t-Shirt total klasse.“ Bella stellte sich neben mich: „ Michelle, du musst dich wirklich geehrt fühlen, wenn Alice so etwas sagt. Sie ist die Styling-Queen schlechthin und hat jahrelang versucht, mich umzustylen. Ohne Erfolg!“ Wir lachten alle und ich bedankte mich bei Alice. Mhm, sie war wirklich freundlich, wenn auch etwas verrückt. Nun ergriff Emmett das Wort und seine tiefe Stimme ließ mich zusammenfahren. „Hey, Michelle. Jetzt, da du und Bella wieder die besten Freundinnen seid, werden wir uns wohl öfters sehen. Hättest du Lust, uns mal bei einem Baseballspiel zuzuschauen? Wenn Vampire das tun, ist es was ganz anderes als im Fernsehen.“ Ich wusste zwar nicht, ob Jacob damit einverstanden sein würde aber ich freute mich über die Einladung: „ Ja klar, das würde ich echt gerne. Dann kann ich mal sehen, ob ihr wirklich so schnell seid, wie man euch nachsagt.“ Alle drei Vampire lachten und ich fühlte mich wohl zwischen ihnen. Ich verabschiedete mich von den zwei und wandte mich an Bella: „ Bella, darf ich deine Tochter kennenlernen?“

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„ Natürlich darfst du. Aber macht es dir was aus, wenn wir das aufschieben? Sie ist noch sehr erschöpft von der langen Reise hierher und sie schläft gerade“ „ Ja klar“. Ich freute mich darüber, dass Bella mich bald wieder sehen wollte. Hatte ich meine beste Freundin wieder an meiner Seite? Wir saßen im Auto und fuhren zu meinem Haus. Als wir anhielten, sagte ich zu ihr: „ Bella, ich würde dich ja rein bitten, aber ich glaube, Alan würde in Ohnmacht fallen, wenn er dich so sähe, oder?“ Bella schaute mich traurig an: „ Ja, da hast du vermutlich Recht. Schlaf gut, Michelle. Wir sehen uns in der Schule.“ Ich stieg aus und sah noch die Rücklichter des Volvos. Ich ging hinein und wunderte mich, dass Alan nicht da war. Ich lief in die Küche und sah einen Zettel auf der Küchentheke liegen: „Hi Schatz, bin bei Billy. Ich hab ihn schon lange nicht mehr besucht. Es kann spät werden. Schlaf gut, mein Engel. Daddy“ Süß! Ich hielt den Zettel kurz an meine Brust und dann ging ich hinauf. Als ich die Tür meines Zimmers öffnete, sah ich Jacob, der hektisch im Raum auf und ab ging. Ich schloss die Tür und da bemerkte er mich. Er kam auf mich zugestürmt und wirbelte mich durch sie Gegend, sodass ich einen Drehwurm bekam. „ Hey, Jake, ist ja gut. Mir wird schwindelig“ Er ließ mich hinunter und sah mich mit strahlenden Augen an. „ Und, wie wars? Ist alles in Ordnung.“ Ich wuschelte ihm durchs Haar. „ Ja, natürlich ist alles in Ordnung. Ich hab Emmett und Alice näher kennengelernt. Sie waren echt freundlich zu mir.“ „ Das freut mich“, sagte er und meinte das völlig ernst. Ich dachte darüber nach, was mir in der Garage der Cullens klar geworden war und legte meine

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Hand auf Jacobs Brust. Ich führte ihn zum Schreibtisch und drückte ihn auf den Stuhl. Jake sah etwas verwirrt aus, weil er nicht wusste, was ich vor hatte. Ich selbst wusste es auch noch nicht so genau, aber ich hörte einfach auf mein Herz. Ich setzte mich auf Jacobs‘ Oberschenkel und schlang meine Arme um seinen Hals. Er beugte sich vor, um mich zu küssen, doch ich hielt ihn auf, indem ich meinen Zeigefinger auf seine warmen Lippen legte. „ Ich möchte dir gern etwas sagen, Jacob. Heute ist soviel passiert und es gehen mir im Moment soviel Dinge durch den Kopf. Mir wurde klar, wie sehr ich dir zu Dank verpflichtet bin und wie wenig ich dir das zeige“ Jacob wollte widersprechen doch mein Finger hinderte ihn daran. „ Nein, Jake, das stimmt. Du hast mir geholfen, mich hier einzuleben, was mir so schwerfiel. Du hast mich vor diesem Bären gerettet, ohne dich wäre ich jetzt nicht mehr am Leben. Und das Wichtigste: Durch dich bin ich so glücklich, wie ich es seit Moms Tod nie mehr war. Ich weiß nicht genau, warum du mich gewählt hast, denn du könntest jedes Mädchen in Atlanta bekommen. Ich weiß nur, dass ich dich niemals verlieren will und du das Wichtigste für mich bist. Ich liebe dich!“ Jetzt stützte ich mich auf seinen Beinen ab und wartete auf seine Reaktion. Er nahm mein Gesicht in seine beiden Hände und flüsterte ganz leise: „ Michelle, du gibst mir schon alles, indem du nur bei mir bist. Indem ich nur deine Stimme höre oder deine Hand berühre. Wir gehören zusammen und jeder, der auch nur darüber denkt, dir etwas anzutun, muss um sein Leben fürchten. Ich liebe dich mehr als alles andere auf der Welt und es ist zu meiner Aufgabe geworden, dich zu beschützen. Und jetzt komm her“ Das ließ ich mir nicht zweimal sagen und so schmiegte ich mich an ihn. Unsere Lippen fanden sich und wieder explodierte etwas in mir. Mein Herz ging immer

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schneller und die Härchen auf meinen Armen stellten sich auf. Während wir uns küssten, fuhr ich ihm durch sein Haar und meine andere Hand klammerte sich an seinen Oberarm. Jacobs Lippen bewegten sich sanft auf meinen und diesem Moment wurde mir etwas klar. Jacob und ich würden für immer zusammen sein. Es würde niemals ein schöneres Paar geben als uns. In meinen Gedanken sah ich schon unsere kleinen bezaubernden Kinder um uns herumspringen, während wir beide Arm in Arm auf der Veranda unseres kleinen, aber gemütlichen Hauses standen. Ja, so würde unsere Zukunft aussehen. Wir waren Eins. Zu diesem Zeitpunkt konnte ich noch nicht ahnen, dass sich bald andere Vampire auf den Weg zu uns begeben würden. Mit einem Vorhaben, welches mir einen eiskalten Schauer über den Rücken gejagt hätte. Ein ganz besonderes Weihnachtsfest „ Hey, Michelle, ich wette, das kannst du nicht!“, sagte Emmett zu mir, als wir in der Cafeteria saßen. Dieser Junge musste immer übertreiben und rieb es mir sooft wie nur möglich unter die Nase, dass Vampire geschickt in allem waren, während ich immer noch bei jeder Gelegenheit ins Fettnäpfchen trat . Er nahm drei Äpfel in die Hand, die er den anderen vom Tablett geklaut hatte, und fing an, mit ihnen zu jonglieren. Ha! Das konnte ich auch, da war ich mir ziemlich sicher, Dad hatte mir Jonglieren mal beigebracht, als ich noch ein kleines Kind war. „ Sei dir da mal nicht so sicher“, antwortete ich ihm keck und stibitzte ihm die Äpfel und nahm sogar noch eine Mandarine in die Hand. Ich konzentrierte mich. Wenn ich jetzt scheiterte, würde das mein Ruin bedeuten und Emmet würde mir das ewig nachhängen. Doch tatsächlich klappte es.

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Ganz locker warf ich das Obst durch die Luft und es fiel nicht eins hinunter. Als ich alles wieder elegant auffing und die anderen stolz anschaute, staunten sie nicht schlecht, so ein Geschick hätten sie wohl nicht von mir erwartet. „ Hab ich dir jetzt den Tag vermiest, Emmett?“, zwinkerte ich ihm frech zu. Dieser rümpfte die Nase und nuschelte irgendetwas von „ Beim nächsten Mal“ Ich seufzte. Trotz seiner Angeberei musste ich zugeben, dass er nach Bella mein absoluter Lieblingsvampir war, mit dem man Pferde stehlen konnte. Es waren zwei Wochen vergangen, seit ich die Cullens das erste Mal traf und meine Bella wieder gefunden hatte. Da Jacob durch ihre Ankunft jetzt immer öfter und länger als Wolf Wache halten musste, hatte er kaum noch Zeit für mich und das machte uns beide fertig. Denn wenn er von einem langen „ Arbeitstag“ nach Hause kam, hatten wir immer noch höchstens eine Stunde, dann schlief er völlig erschöpft in meinem Bett ein. Ich liebte es zwar, ihm beim Schlafen zuzusehen, doch ein wacher Jacob war mir dann doch lieber. Durch seine Abwesenheit hatte ich jetzt mehr Zeit für meinen Vater und wir waren sogar einmal zusammen shoppen. Wir brauchten unbedingt beide etwas zum Anziehen für den Weihnachtsabend, denn übermorgen war es schon soweit. Es war wirklich amüsant, mit Dad shoppen zu gehen. Es erwies sich zwar als äußerst schwierig, ein Kleid für mich zu finden, was seiner Meinung nach nicht zu aufreizend war, doch schließlich hatte ich ein schlichtes, rosa Kleid gefunden. Für Dad war die Sache nicht ganz so schwierig. Er musste gerade mal zwei Anzüge anprobieren und schon hatte er sich entschieden.

Ich schaute zum anderen Ende der Cafeteria, wo Toby, Brian, David und Joana saßen und bekam wieder ein schlechtes Gewissen. Ich hatte es ihnen erklärt. Dass Bella und ich alten Freundinnen waren und jetzt überglücklich sind, wieder zusammen zur Schule zu gehen. Sie hatten mich zwar verstanden und gesagt, es mache ihnen nichts aus, doch ich merkte, dass sie enttäuscht waren. Ich versuchte mich so gut es eben ging,

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zwischen sechs Gruppen aufzuteilen, was im Moment einfach unmöglich war. Gruppe A(höchste Priorität): Jacob Gruppe B: Die Cullens Gruppe C: Alan Gruppe D: Joana, David, Toby und Brian Gruppe E: Emily Gruppe F: Schule Dass Gruppe F bei mir den Kürzeren zog, war mir von vornerein klar gewesen. Ich nahm mir aber vor, mit meinen alten Freunden, die mir den Einstieg in mein neues High-School Leben erleichtert hatten, demnächst etwas zu unternehmen. Ich verbrachte viel Zeit mit Bella und ihrer Familie und sie hatten mich aufgenommen, als wäre ich eine längst verschollene Schwester. Oft zweifelte ich daran, dass sie das taten, weil sie mich wirklich mochten. Viel öfter glaubte ich, dass sie mir nur um Bellas Willen den Umgang mit ihnen erlaubten und das machte mich manchmal wirklich traurig. Ich schaute geistesabwesend zu Edward, der mich geschockt ansah und nur heftig mit dem Kopf schüttelte. Mist, er hatte mich gehört. Es war mir nach einiger Zeit einfach zu anstrengend geworden, meinen Schutzwall im Kopf aufrecht zu erhalten und so erlaubte ich ihm ab und zu in meinen Gedanken etwas rumzustöbern. Mit Alice hatte ich mich, was auch zu erwarten war, sehr schnell eng angefreundet und sie hatte mir sogar erlaubt, mir etwas aus ihrem gigantischen Kleiderschrank auszusuchen. Im Moment trug ich ihr figurbetontes, langärmliches Oberteil, was meine Lieblingsfarbe lila genau traf. Mit Rosalie kam ich auch gut klar, allerdings war sie viel schweigsamer als die anderen und war sich immer noch unsicher, ob ich nicht doch ein Störenfried war.

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Mit Jasper hatte ich auch so meine Starschwierigkeiten, weil er so gut wie nichts von sich erzählte. Doch wir hatten bei einem Nachmittag, den ich mal wieder im Hause Cullen verbrachte, festgestellt, dass wir beide große Fans des englischen Autors Patrick Redmond waren und so war das Eis gebrochen. Zu meiner Rechten saß mein Lieblingsvampir, Bella. In ihrem Wesen hat sie sich, trotz ihrer Verwandlung, nicht geändert. Sie war genauso witzig und dickköpfig wie früher, als sie immer im Sandkasten meine Burgen zermatscht hat, weil sie schöner waren als ihre. Vor einer Woche hatte ich auch ihre Tochter, die kleine Renesmee, kennengelernt und ich erinnerte mich gern daran zurück… „ Bella, glaubst du, sie wird mich mögen? Was ist, wenn nicht und sie irgendetwas nach mir wirft. Wenn sie wirklich so stark ist, wie du behauptest, dann könnte das gefährlich für mich werden“, fragte ich sie beunruhigt, als wir die Verandatreppe zu ihrem Haus hochstampften. Na ja, ich stampfte sie hoch, Bella berührte sie erst gar nicht. „ Ach Michelle, mach dir mal keine Sorgen, sie wird dich lieben. Und jetzt komm endlich rein.“ Mir stand der Mund offen, als ich in die große Eingangshalle trat. Alles war sehr hell und geschmackvoll eingerichtet. Als Bella meine Miene sah, lächelte sie: „ Ja, Esme liebt es, Häuser einzurichten. Das ist ihr größtes Hobby“ Ein Vampir als Inneneinrichterin, das gefiel mir. Nervös ging ich Bella hinterher, bis wir uns in einem großen Wohnzimmer befanden, in dem mich Emmett und Alice auch schon begrüßten. „ Und, Michelle, bereit, einem weiterem Gruselmonster in die Augen zu

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blicken?“, neckte Emmett mich, als er meine zitternden Hände sah. Ich streckte ihm zu Antwort die Zunge raus. „ Schlimmer als du kann sie nicht sein, Emmett!“ versuchte ich ihm entgegenzuwirken. Vergebens. Er lachte in sich hinein, sodass die ganze Couch bebte. „ Mama, bist du da? Ist sie hier? Zeig sie mir!“, hörte ich plötzlich eine kindliche und glockenspielartige Stimme im Nebenzimmer sagen. Mein Herzschlag verschnellerte sich, als Renesmee Cullen in den Raum kam. Sie hüpfte elegant durchs Zimmer und blieb dann vor uns stehen. Ihre langen dunkelbraunen Locken gingen ihr bis zur Hüfte. In ihrem Gesicht konnte ich sowohl Bellas, als auch Edwards Züge erkennen. Die Nase hatte sie von ihrem Vater, aber die braunen Augen hatte sie von ihrer Mutter vererbt bekommen. Ich staunte nicht schlecht. Bella hatte mir erzählt, dass sie gerade zwei Jahre alt war, doch ich hätte schwören können, dass vor mir ein Mädchen von mindestens 5 stand. Renesmees Augen wurden ganz groß, als sie mich sah und ich ging zögernd in die Knie, damit ich auf Augenhöhe mit ihr war. „ Hallo, Renesmee. Ich bin Michelle, eine gute Freundin von deiner Mutter. Wie geht es dir?“ Zur Antwort bekam ich ein herzerweichendes Lächeln geschenkt: „ Mir geht es super! Daddy bringt mir gerade bei, wie man Französisch spricht. Ich kann schon ganz viele Dinge sagen“ Ich war zutiefst beeindruckt: „ Du lernst Französisch? Was kannst du denn noch alles?“ Ihre Augen fingen an zu leuchten, als ich das fragte und dann fing sie stolz an, alles aufzuzählen: „Also, ich kann schon lesen, schreiben, das große ein mal eins, portugiesisch, spanisch und deutsch. Ich hab gelernt, wie man kocht, auch wenn ich die Einzige bin die hier etwas isst. Ach ja, und das tollste: Ich kann schneller einen Berglöwen erlegen als Onkel Emmett!“

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Ich prustete los, als ich das hörte und Emmett empört zu Renesmee schaute. Es war ihm anzusehen, dass er sich gewünscht hätte, sie hätte das für sich behalten, um seine Würde zu bewahren. „ Soso, das hat dem Onkel Emmet bestimmt gar nicht gefallen, oder?“, fragte ich sie interessiert. „Nein, das hat es wirklich nicht. Aus Trotz hat er den halben Wald abgeholzt“, kicherte sie. Ich fiel mit ein und meinte noch: „ Es ist wirklich bemerkenswert, was du alles kannst, kleine Renesmee“ Da kratzte sie sich am Kopf: „ Aber eine Sache hab ich vergessen“. Dann legte sie ihre kleine Hand an meine Wange. Bella hatte mich darauf vorbereitet, und so erschrak ich nicht zu sehr. In meinem Kopf sah ich Bilder, die Renesmee mir zeigte. Ich konnte jedes Familienmitglied sehen, die sie alle immer nur Nessy nannten“ Verblüfft nahm ich ihre Hand: „ Möchtest du, dass ich dich auch Nessy nenne?“ fragte ich sie neugierig. „ Ja, so nennen mich alle meine Freunde. Und wir sind doch jetzt Freundinnen, oder?“, fragte sie mich schüchtern. „ Natürlich sind wir das, Nessy. Und weißt du was: Du darfst mich Michi nennen, so nennen mich nämlich meine Freunde.“ Sie strahlte übers ganze Gesicht und ich ebenfalls. Da hörte ich auf einmal Emmett von der Couch rufen: „ Ok, wenn das so ist, Michi, dann haben wir ja jetzt eine neue Babysitterin.“ Ich knurrte ihn an, musste aber darüber selber lachen.

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Nach diesem Nachmittag schafften es Edward und Bella kaum, Nessy von mir loszubekommen, weil die sich hartnäckig an mich klammerte. „ Nein, Michi bleibt noch hier. Ich will noch mit Michi spielen“, hatte sie die ganze Zeit gerufen. Ich versprach ihr, dass ich bald wiederkommen würde und schließlich befreite sie mich aus ihrem eisernen Griff, gegen den ich keine Chance gehabt hätte. Ich lächelte in mich hinein, als ich daran dachte und stellte fest, dass Edward das ebenfalls tat, als er meine Gedanken las. Ich baute schnell die Mauer in meinem Kopf wieder auf. Edward hatte mich schon ein paar Mal gefragt, wie ich das machte, doch ich hatte mich immer rausgeredet. Ich wusste immer noch nicht, was ich von ihm halten sollte. Bella liebte ihn abgöttisch und das hieß, dass er etwas besonderes sein musste. Soweit ich weiß war Bella als Kind nie verknallt gewesen. Sie hatte immer gesagt, sie warte auf ihren Traumprinzen auf einem weißen Schimmel. Antwort hatte ich ihr immer meinen Sandkuchen ins Gesicht geschmissen. Doch Edward war ihr Traumprinz, das hatte ich nach zwei Wochen mehr als verstanden. Sie schauten sich auf eine Weise an, wie ich es bei den anderen Paaren in der Vampirfamilie nie bemerkt hatte. Trotzdem war ich mir sicher, dass das nicht an das heranreichte, was Jacob und ich hatten. Aber ich war auch wütend auf Edward. Ich schaute zu Bella rüber. Zwar hatte sich alles zum Guten gewendet, doch Edward hatte sich dazu entschieden, sie zu seinesgleichen zu machen und das konnte ich ihm nicht verzeihen. Ich kannte die Geschichten der anderen. Sie hatten nie eine Wahl und Carlisle hatte sie verwandelt, um sie zu retten. Doch Bella hatte eine Wahl gehabt, die ihr genommen wurde. Jetzt musste sie für immer ein Vampir bleiben, vom Durst getrieben bis in alle Ewigkeit. Ich erschrak, als Edward zusammenzuckte. Sein Körper versteifte sich und seine

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schneeweiße Hand klammerte sich um seine Kabel, die einfach zerbröselte. Oh Verdammt, ich hatte unbewusst die Mauer in meinem Kopf wieder niederreißen lassen. Er hatte alles gehört. Schnell sagte ich in Gedanken zu ihm: „ Es tut mir Leid, Edward. Es ist furchtbar von mir so zu denken. Aber ich kann es einfach nicht verstehen!“ Der Rest des Schultages schaute Edward mich noch nicht mal an, obwohl wir in English an einem Tisch saßen. Ich ärgerte mich über mich selbst. Ich hatte ihn wirklich verletzt. Als ich heimfuhr, plagte mich immer noch das schlechte Gewissen. Alan war noch bei der Arbeit, als ich daheim ankam. Kaum hatte ich meinen Schulrucksack abgestellt und etwas getrunken, da klingelte es an der Tür. Irritiert ging ich in den Flur und öffnete sie. Vor mir stand Edward. Oh mein Gott. Jetzt hatte mein letztes Stündlein geschlagen. Doch zu meiner Überraschung lächelte er und fragte freundlich: „ Machen wir einen kleinen Spaziergang zusammen? Ich würde gerne mit dir reden.“ Ich nickte, auch wenn ich mich bei dieser Sache unwohl fühlte. Was wollte er mit mir besprechen? Ich suchte nach Edwards Wagen, fand ihn aber nirgends, also musste er gelaufen sein. Er lief neben mir und steuerte auf Richtung Wald zu. Als wir ihn schließlich betraten, machte ich den Anfang, auch wenn es mir schwer fiel: „ Edward. Ich möchte mich für heute Morgen entschuldigen. Es ist unverzeihlich von mir, so über dich zu denken, wo du doch so ein guter Vater für Renesmee und Mann für Bella bist.“ Er schaute mich kurz an und zuckte dann mit den Schultern. „ Ich wusste, dass du irgendwann auf solche Gedanken kommen würdest. Ich kann es verstehen, denn ich habe lange Zeit selbst so von mir gedacht.“ Jetzt war ich überrascht und schaute ihn fragend an. Als er meinen Blick sah,

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wurde seiner trüb und er sagte: „ Ich habe mich selbst dafür gehasst, Bella zu einem Vampir gemacht zu haben. Als sie noch ein Mensch war, war sie so versessen darauf, dass ich sie verwandle, doch ich weigerte mich. Ich wollte nicht, dass zu dem wird, was ich bin. Ich hab ihr immer wieder versucht zu erklären, dass es ein nie endender Fluch ist, doch sie wollte nichts davon hören. Dann, als wir geheiratet hatten und in unseren Flitterwochen waren, wurde sie von mir schwanger. Ich hätte sie dabei beinahe verloren. Nessy wurde in ihrem Bauch immer stärker und hat dadurch irgendwann auch ihre Mutter verletzt. Ihr Becken und einige ihrer Rippen wurden dabei gebrochen. Irgendwann wurde es dann zu viel und wir mussten sofort entbinden. Ich konnte Renesmee nur mithilfe meiner scharfen Zähne aus dem Mutterlieb holen. Da Bella zu diesem Zeitpunkt noch ein Mensch war, stand sie auf der schmalen Grenze zwischen Leben und Tod. Die einzige Möglichkeit, dass sie diese Geburt überlebte, war es, sie zu verwandeln.“ „ Also hast du sie gerettet?“, fragte ich ihn ungläubig. Er nickte: „ Ja, aber zu einem hohen Preis. Doch jetzt bin ich froh, dass ich es getan habe, denn wir sind nun glücklicher denn je.“ Wir waren inzwischen tief im Wald und die erdige Luft stieg mir in die Nase. Ich blieb stehen und schaute in Edwards blasses Gesicht. „ Ok, ich glaube, es wird Zeit, dass ich mich bei dir entschuldige. Jetzt, da ich die Wahrheit weiß, bin ich dir auch zu Dank verpflichtet. Ohne dich wäre Bella gestorben und ich hätte sie nie wieder gesehen. Danke.“ Edward lächelte mich an und erwiderte: „ Ich muss mich aber auch bei dir bedanken. Bevor wir wieder hierher kamen, war Bella zwar glücklich, doch ich merkte, dass ihr etwas fehlte. Etwas aus ihrem menschlichen Leben. Und du hast es ihr wieder gebracht und jetzt ist sie vollends glücklich. Sie ist so froh, dich wieder gefunden zu haben und dass du uns so ohne weiteres akzeptierst. Und noch etwas: Was du da heute in der Cafeteria gedacht hast, ist völlig

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absurd. Unsere ganze Familie hat dich innerhalb dieser 2 Wochen in ihr Herz geschlossen. Du gehörst schon quasi zu uns. Vor allem meine Tochter ist hellauf von dir begeistert“ Ich wurde etwas rot, als er das sagte und antwortete: „ Na ja, jetzt übertreib mal nicht“ Edward kam auf mich zu und nahm mich plötzlich in seine Arme. Es war eine freundschaftliche Umarmung, die einfach nur „ Danke“ heißen sollte. Ich fröstelte, als er mit seiner eiskalten Haut meiner so nah war, doch ich freute mich trotzdem über diese kleine Geste. Plötzlich ertönte ein bedrohliches Knurren hinter uns. Ich erschrak so sehr, dass ich einen Satz nach oben machte, obwohl ich mich immer noch in Edwards Armen befand. Dieser löste sich blitzartig von mir und schaute in die Augen der beiden Werwölfe, die vor uns standen. Ich wusste nicht, welche Jungs aus dem Rudel es waren. Ich hatte erfahren, dass mein Lebensretter vor vielen Wochen Sam gewesen war. Doch nun waren es ein großer, grauer Wolf und ein etwas kleinerer, sandfarbener. „ Es sind Paul und Embry“, antwortete Edward auf meine Gedanken. Die beiden Wölfe standen uns in Angriffshaltung gegenüber und funkelten Edward böse an, was mich nur verwirrte. Was ging hier vor? Der graue Wolf, Paul, schaute mich mit solch einem vorwurfsvollen Blick an, dass ich zurück taumelte. Was war mit ihm los und warum war er so außer sich? Da schaute ich wieder von Edward, der ganz ruhig dastand, zu den Wölfen und dann verstand ich. Sie deuteten die Situation völlig falsch. Als ich in Edwards Armen gelegen hatte, mussten sie sich einen falschen Reim darauf gemacht haben. Ich war empört. Kannten sie mich denn gar nicht? Als ob ich für Edward Cullen, den Mann meiner besten Freundin, Gefühle hegen würde, wenn daheim der schönste,

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witzigste und wundervollste Junge auf mich wartete. Gerade wollte ich die Wölfe anschreien, da ergriff Edward das Wort. Mit freundlicher Stimme sagte er: „Hallo Embry, Hi Paul, schön euch zu sehen“. Die Wölfe funkelten ihn immer noch an und gaben ihre Angriffshaltung nicht auf. Ich fragte mich, warum sie ihm so misstrauten. Ich dachte, das Rudel und die Cullens würden sich gegenseitig vertrauen? Wieder antwortete Edward auf meine Frage, die ich in meinem Kopf gestellt hatte. „ Sie glauben, dass ich versuche, ein Keil zwischen dich und Jacob zu treiben, damit du vollends zu uns gehörst. Sie sehen dich als ein Familienmitglied und wollen dich nicht kampflos aufgeben. Außerdem stehen sie hinter Jacob und wollen nicht zulassen, dass…dass ich gefährlich für ihn werden könnte“ So, das reichte! Ich krempelte meine Ärmel hoch und schritt auf die Riesenwölfe zu. Edward hielt mich fest und wollte mich daran hindern. Als er mich berührte, knurrten die Wölfe wieder und machten ein paar Schritte auf uns zu. Ok, jetzt reichte es wirklich! Edward ließ mich los und ich stellte mich zwischen ihn und die zwei Wölfe. Ich schaute die beiden wütend an und begann, sie anzugiften: „Was fällt euch eigentlich ein? Meint ihr etwa, ihr wärt hier die Größten und hättet das Recht, darüber zu entscheiden, mit wem ich meine Zeit verbringe?! Edward und ich sind nur Freunde, klar? FREUNDE!“ Paul schien immer noch nicht überzeugt zu sein, denn er kam auf seinen Pfoten immer näher an mich heran. Ich blieb stark und machte nicht einen Schritt rückwärts. Wenn er dachte, ich hätte vor ihm Angst, da hatte er sich gehörig geschnitten!

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Pauls Schnauze war jetzt genau auf meiner Augenhöhe und er funkelte mich wütend an. Er glaubte mir also immer noch nicht. War er zu blöd, um zu sehen, wie sehr ich Jacob liebte? Edward machte ein Schritt auf uns zu. Vermutlich hatte er etwas in Pauls Gedanken gehört, was ihm gar nicht gefiel und wollte eingreifen, falls es nötig sein würde. Die Wölfe reagierten darauf ganz schlecht, und ich sah, wie Paul sich vor mir zum Sprung bereitmachte. Im nächsten Moment rammte ich ihm mit voller Wucht meine Faust in sein Wolfsgesicht. Ich hielt mir meine Hand, die schmerzte,doch trotzdem war ich stolz, dass ich Paul geschlagen hatte und er mich mit seinen Wolfsaugen völlig perplex anstarrte. Natürlich hatte ich ihn nicht verletzt, aber ich hoffte, diese Demütigung würde ihm zu denken geben. Jetzt ging alles rasend schnell. Edward war innerhalb einer Millisekunde bei mir und stellte sich schützend vor mich, was mich verblüffte, aber gleichzeitig auch erschreckte. Es würde doch jetzt nicht zu einem Kampf kommen, oder? Wegen so einer Kleinigkeit. Doch die zwei Wölfe hatten ihre Angriffshalten aufgegeben, aber ihr rasender Blick war immer noch an Edward geheftet. „ Ich bringe Michelle jetzt heim, wenn es euch nichts ausmacht. Lasst uns einfach so tun, als wäre dieser Vorfall nie passiert. Ihr habt einfach etwas missverstanden und jetzt lasst das bitte nicht ein Grund sein, das freundschaftliche Band zwischen unseren Familien zu zerstören.“ Plötzlich zitterte Paul und wenige Sekunden später stand er in Menschengestalt vor uns. Embry, immer noch als Wolf, blieb dicht an seiner Seite, um ihn notfalls beschützen zu können. „ Wir bringen Michelle nach Hause. Sie gehört zu unserer Familie und bei uns ist sie sicher“ sagte er bestimmend. Edward sah mich fragend an. Ich wurde

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wieder rasend vor Wut und versuchte, mit ruhiger Stimme zu sprechen. „ Paul, ich glaube, du überschreitest gerade eine Grenze. Meine Familie ist Alan. Natürlich gehöre ich zu Jacob, aber das heißt nicht, dass ich mich auf die Seite des Rudels stelle und gegen die Cullens. Und genauso umgekehrt. Ihr seid mir alle genauso wichtig. Und ich werde mich bestimmt nicht zwingen lassen, mich zwischen Jacob und Bella entscheiden zu müssen! So! Und wenn ihr mich jetzt entschuldigt, ich gehe alleine nach Hause, ohne irgendjemanden als Begleitung. Tschüss, Edward.“ Mit diesen Worten machte ich kehrt und stampfte los. Keiner von ihnen folgte mir. Da ich keine Kampfgeräusche vernahm, war ich mir relativ sicher, dass sie sich nicht an die Gurgel gingen. Daheim angekommen breitete sich Panik in mir aus. Denn natürlich würden Paul und Embry Jacob alles erzählen. Ich ließ die Schultern hängen. Nein, sie würden es ihm nicht erzählen, sie würden es ihm zeigen. Ich machte mich auf ein Donnerwetter gefasst und verkroch mich in meinem Zimmer. Jacob würde bestimmt wahnsinnig werden. Ich überlegte, ob ich zu ihm fahren sollte, doch ich entschied mich, hier zu warten. Ich musste nicht sehr lange warten. Eine Stunde, nachdem ich daheim angekommen war, klopfte es an der Haustür. Ich hoffte inständig, dass das vielleicht Alan war, doch als ich die Tür öffnete, sah ich Jake vor mir. Er schaute mich so ernst an, dass ich schlucken musste. Er trug seine zerfetzten Jeans und das rote T-shirt, was er bei unserem ersten Treffen angehabt hatte. Seine Miene war hart, sodass ich Angst bekam. „ Willst du nicht reinkommen?“, fragte ich ihn. Ohne mir zu antworten oder in die Augen zu schauen, ging er an mir vorbei und betrat das Wohnzimmer.

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Oh je, jetzt kam es also zu unserem ersten Streit in unserer Beziehung. Mit weichen Knien folgte ich ihm und sah, wie er mit dem Rücken zu mir stand. Seine Hände hatte er zu Fäusten geballt, als er anfing, zu sprechen. „Also?!“, fragte er. Er schaute mich immer noch nicht an. „ Also…ähm…ich hoffe, mein Kinnhaken hat Paul nicht allzu verletzt“, versuchte ich es mit Humor zu nehmen und lachte nervös. Jake drehte sich jetzt endlich zu mir herum. „ Er war ziemlich baff. Aber könntest du mir jetzt bitte mal erklären, was du mit Edward Cullen allein im Wald gemacht hast?“, fragte er aufgebracht. Ich atmete einmal tief ein und erzählte ihm dann, wie es dazu gekommen war. Von dem Vorfall in der Cafeteria und dass Edward mir einfach alles erklären wollte. Jake sah mich skeptisch an, während er seine Arme verschränkte. „ Und um das zu tun, musste er dich liebevoll im Arm halten?“, fragte er bissig. Jetzt wurde ich wieder sauer, weil er alles komplett falsch verstand und antwortete aufgebracht: „Warum glaubt ihr denn alle, da hätte irgendwas dahinter gesteckt? Es war eine freundschaftliche Umarmung und wir haben sozusagen Friede geschlossen.“ Jake biss sich auf die Lippen, als würde er überlegen. Ich machte einen Schritt auf ihn zu. „ Sag mal Jacob, du bist doch nicht wirklich eifersüchtig? Würdest du mir zutrauen, dass ich dich so hintergehen könnte. Hab ich dir nicht erst letztens gesagt, wie sehr ich dich liebe?“, sagte ich verzweifelt und mir stiegen die Tränen in die Augen.

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Als Jake das sah, war der Damm gebrochen und er kam auf mich zu. „ Michelle, jetzt wein doch bitte nicht. Du hast Recht, ich hab da einfach zu viel rein interpretiert. Aber ich hab mir einfach Sorgen gemacht. Dass dir etwas passiert oder dass du mich vielleicht nicht mehr haben willst.“ Ich starrte ihn tränenüberströmt an und schluchzte. „ Aber warum denn nur? Warum sollte ich mich für irgendjemand anderen entscheiden? Du bist alles, für mich. Absolut alles!“ Jetzt schluckte auch Jacob und er schlang seine Arme um mich. „ Weil…weil ich denke, dass ich dich in letzter Zeit so viel vernachlässige. Ich bin kaum noch da und wenn doch, dann penn ich nach einer Stunde ein. Ich in echt ein miserabler Freund“ „Du bist der tollste Freund, den sich ein Mädchen nur wünschen kann“, protestierte ich. Er lächelte und drückte mir einen Kuss aufs Haar. „ Ich liebe dich. Lass uns nicht mehr darüber reden. Übermorgen ist schon Weihnachten. Wir stehen zwar gerade nicht unter einem Mistelzweig, aber was Solls“ Im nächsten Moment küsste er mich und alles war wieder in Ordnung. ---------------------------------------------------------------------- ----------------------------- „Jake, Jake, du kannst doch nicht einfach einschlafen!“, meckerte ich Jacob an und rüttelte ihn wach. Es war Heiligabend und er, Alan, Billy und ich saßen in der Kirche zur Abendmesse. Mein Freund rappelte sich auf und unterdrückte ein Gähnen. Der Gottesdienst langweilte ihn zu Tode, während ich ihn genoss. Ich fragte mich, wie er bei der lauten Orgelmusik überhaupt eingepennt sein konnte. Ich schüttelte den Kopf, als ich ihn tadelnd ansah. Er schaute mich entschuldigend an und daraufhin verfiel ich wieder in ein Grinsen. Er lächelte zurück und versuchte, um meiner Willen, der Predigt des Pfarrers aufmerksam

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zu zuhören. Ich fand das so süß von ihm, dass ich als Dank meine Hand auf sein Knie legte. Er schien das als eine Aufforderung zu sehen, denn er rückte näher zu mir und legte den Arm um mich. Ich sah ihn mir genauer an. Er trug heute einen edlen, schwarzen Anzug mit einem dunkelblauen Hemd darunter. Die dazu passende Krawatte hatten wir beide zusammen ausgesucht. In diesem Moment küsste mich Jake auf die Wange und legte seine Hand auf mein nacktes Knie, welches unter meinem kurzen Kleid hervorschaute. Ich war etwas irritiert und als er plötzlich anfing, an meinem Ohrläppchen zu knappern, stoppte ich ihn. Ich flüsterte ihn empört zu: „ Jake, hör auf damit. Wir sind hier in einer Kirche, die für Unschuld und Keuschheit steht!“ Er setzte sein verschmitztes Lächeln auf und flüsterte mir ins Ohr: „ Genau deswegen ist sie ja auch so langweilig. Mhm, ich wette der Pfarrer hat noch nie ein so hübsches Mädchen wie dich in seiner Kirche gesehen“ Mit diesen Worten küsste er mich nochmal auf mein Schlüsselbein, was bei mir eine Gänsehaut verursachte, und ließ von mir ab, als hätte er nun erreicht was er wollte. Und das hatte er auch. Na super, jetzt konnte ich mich gar nicht mehr auf die Weihnachtsgeschichte konzentrieren, sonder dachte nur an Jacobs Lippen. Ja, wirklich sehr keusch, Michelle! Ich drehte mich um, um zu prüfen, ob andere Menschen uns gerade beobachtet hatten. Und tatsächlich. Einige ältere Herren starrten uns fassungslos an und ihre Ehefrauen schüttelten nur den Kopf. Ich drehte mich mit hochroten Wangen wieder um, damit ich den restlichen Gottesdienst über

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mich ergehen lassen konnte. Wieder bei uns daheim, begannen Billy und Alan, dem Weihnachtsessen den letzten Schliff zu verleihen. Jake und ich gingen währenddessen schon einmal ins Wohnzimmer. Ich legte eine Weihnachts –CD ein und Jake machte die Lichterketten für den Tannenbaum an. Wir beide hatten diesen gestern mit sehr viel Liebe geschmückt. Ich kicherte, als ich daran dachte, dass Jake bei dem Versuch, die Lichterketten auseinander zu knoten, irgendwann selbst darin gehangen hatte und ich ihn befreien musste. Jake sah mich verblüfft an und sah mir in die Augen. „ Was ist denn so lustig?“, fragte er. „ Ach, ich denke nur gerade daran, wie du im Kampf gegen die Lichterketten den Kürzeren gezogen hast.“ Er lachte und legte seine vollen Lippen auf meine. Sofort vergaß ich wieder alles um mich herum und wir standen bestimmt fünf Minuten eng umschlungen dort. Ab und zu verschwanden Jacob und Dad abwechselnd nach oben und ich fragte mich, was das sollte. Doch als ich sie fragte, grinsten sie nur beide frech. Nachdem wir gegessen hatten(es gab Lachs mit Salat und Pinienkernen), setzten wir uns alle um den Tannenbaum und es wurde Zeit für die Bescherung. Ich nahm ein großes, schweres Päckchen und reichte es meinem Vater. Als er es aufmachte, begannen seine Augen zu leuchten. Ich hatte mein gesamtes Geld zusammen gekratzt, um ihm das Angel Set zu kaufen, was er an meinem ersten Tag in Atlanta so bewundert hatte. Billy bekam von mir ein Kochbuch. Jake hatte mir erzählt, dass Kochen seine heimliche Leidenschaft war und so freute sich Billy auch darüber. „ Vielen Dank, Michelle. Ich werde gleich daheim ein paar Rezepte ausprobieren“, bedankte er sich mit seiner tiefen Stimme.

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Ich war nervös, als ich mein Geschenk für Jake heraussuchte. Genau genommen, waren es zwei. „ Hier Schatz, es ist etwas selbst Gemachtes und etwas Gekauftes. Fröhliche Weihnachten!“ Er packte zuerst die Collage aus, die ich gebastelt hatte. Ich hatte viele verschiedene Fotos von uns zusammengestellt und mit Sprüchen versehen. Zum Beispiel gab es ein Bild von uns beiden unter der großen Kastanie im Park oder von mir an dem Abend, als wir beim Chinesen waren und ich verzweifelt versuchte, mit Stäbchen zu essen. Jacob lächelte und strich mit dem Finger über das Bild, auf dem ich in meinem lila Kleid von unserem ersten Kinoabend zu sehen war. Jake beugte sich vor, um sich bei mir zu bedanken, doch ich hielt ihn auf. „ Mach erst mal dein anderes Geschenk auf“ Ich hatte mit dem braunen Lederarmband, was sich in seinem zweiten Päckchen befand, genau seinen Geschmack getroffen und das beruhigte mich ungemein. Ich hatte David gesehen, als er mal so ein Ähnliches trug und er hatte mir verraten, wo ich so eins herbekam. „ Vielen Dank, Michelle“ sagte Jake liebevoll und zog mich zu sich. Unsere alten Herren klatschten, als wir uns küssten. Väter konnten so peinlich sein. Jetzt kam ich an die Reihe. Von Billy bekam ich ein Buch über die Legenden der Quileute. Mit großen Augen blätterte ich es durch. Ich bedankte mich vielmals bei hm. Ich sah unter den Tannenbaum und bemerkte, dass dort nur noch ein kleiner Umschlag mit meinem Namen darauf lag. Also musste das entweder von Alan oder Jacob sein. Doch ich irrte mich, als ich den Brief öffnete und eine geschnörkelte Schrift sah, die ich nicht kannte.

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Liebe Michelle, Wir wünschen euch allen frohe Weihnachten. Ich würde mich freuen, wenn du am 2. Weihnachtsfeiertag zu uns kommen würdest, damit du unsere Geschenke bekommst. Keine Angst, es sind nur kleine Aufmerksamkeiten. Alice hat schon gesehen, dass du dein ganzes Geld für Jacob und Alan ausgegeben hast und uns nichts mehr schenken kannst. Ich freue mich auf dich! Frohe Weihnachten! Bella P.S: Nessy zählt schon die Stunden, bis du kommst! Schon wieder kamen mir fast die Tränen, als ich die Worte las. Ich freute mich jetzt schon darauf, mit den Cullens Weihnachten zu feiern. Der zweite Weihnachtsfeiertag traf sich gut, denn morgen würde ich den Tag mit Emily und dem Rudel verbringen. Ich schaute Jake und Dad unsicher an, denn ich hatte noch nichts von ihnen bekommen. Bestimmt hatte mein Geschenk damit zu tun, warum die beiden vorhin andauernd nach oben verschwunden waren. „ So, Michelle, jetzt kommen wir zu deinem Geschenk. Jacob und ich haben uns entschieden, dir etwas gemeinsam zu schenken. Etwas, was du dir schon lange wünscht“ Mit diesen Worten ging mein Dad nach oben und ließ mich ungeduldig im Wohnzimmer zurück. Jake legte seinen Arm um mich und lächelte mich verschmitzt an. „ Sag schon, was ist es?“, fragte ich ihn bettelnd. „ Mal wieder deine Neugier!“, seufzte er nur.

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Da hörte ich die Schritte von Alan auf der Treppe. Er schien langsamer zu gehen, als ob er etwas Schweres tragen würde. Da kam er um die Ecke und ich sah mein Weihnachtsgeschenk in seinen Armen. Vor Entzückung stieß ich einen Schrei aus. Mein Vater trug einen kleinen süßen Welpen, der um seinen Hals eine rote Schleife trug. Soweit ich richtig sah, musste es ein Golden Retriever sein. Der kleine Hund zappelte und fiebste, als wollte er schnellstmöglich runter. Mein Dad setzte ihn lachend auf den Boden ab und schon rannte der kleine Racker mit tapsigen Schritten auf mich zu. Ich schloss ihn sofort in meine Arme und streichelte sein weiches Fell. Der niedliche Welpe schleckte mich mit seiner kleinen Zunge über das Gesicht und wackelte mit seinem Schwanz. In diesem Moment riefen Alan und Jacob gleichzeitig: „ Frohe Weihnachten!“ „ Das ist doch nicht euer Ernst“, gluckste ich glücklich und zu Tränen gerührt. An ihren Gesichtern konnte ich sehen, dass sie es ernst meinten. Plötzlich schien mein neuer Hund etwas anderes zu riechen. Mit seinen großen braunen Augen schaute er Jacob an und stürzte sich auf ihn. Er krabbelte auf seinen Schoß, hechelte was das Zeug hielt und schmiegte sich an seine Brust. Zuerst sah ich nur verblüfft zu, dann fingen Billy, Jacob und ich alle an zu lachen. Wir wussten, was hier gerade ablief. Der Welpe schien zu merken, dass Jake anders war und in gewisser Weise mit ihm verwandt war. Wolf und Hund, zusammen unter dem Tannenbaum. Mein Dad räusperte sich: „ Also, der Hund bräuchte noch einen Namen,

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Michelle. Es ist ein Rüde“ Ich grübelte lange darüber nach, während ich zusah, wie unser neues Familienmitglied mit Jacob spielte. Schließlich fand ich einen passenden Namen. „ Ok, ich habs. Darf ich euch vorstellen. Mein neuer kleiner Schatz: Cäsar!“ Die anderen applaudierten, während Cäsar seinen eigenen Schwanz jagte und sichtlich seinen Spaß dabei hatte. Ich kuschelte mich an Jacob und flüsterte ihm „ Danke“ ins Ohr. Er küsste mich und antwortete: „Das ist das schönste Weihnachtsfest, dass ich je hatte. Ich liebe dich“. „ Ich liebe dich auch“. Ich schloss die Augen, als ich daran dachte, dass dies wirklich ein ganz besonderes Weihnachtsfest war. Ich musste an meine Mutter denken. Wäre sie jetzt bei uns, wäre es wirklich das schönste Fest gewesen. Doch eigentlich war sie ja bei uns. Ich war mir sicher, dass sie in diesem Moment hier war. Hier in diesem Raum und mit uns feierte. Und in einer Sache war ich mir besonders sicher. Sie wachte über Jacob und mich. „ Ich war mir absolut sicher, dass ich Jacob verlieren würde“ Ich stieg die Verandatreppe der Cullens hinauf und klingelte Sturm. Ich freute mich wahnsinnig auf diesen Tag. Ich hatte es sogar noch geschafft, ein kleines Geschenk für die süße Renesmee zu zaubern: Ein Freundschaftsarmbändchen für sie und eins für mich. Ich hoffte, sie würde es mögen. Eigentlich wollte ich Cäsar mit zu den Cullens nehmen, doch Jake hatte mir davon abgeraten. Er hatte irgendetwas vor sich her gemurmelt, was sich nach „ beißender Geruch“ anhörte. Ich hatte keine Zeit darüber nachzugrübeln, denn

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da öffnete Esme mir schon die Tür. Sie lächelte und nahm mich liebevoll in den Arm. „ Ich freu mich so darüber, dass du unsere Einladung annimmst, Michelle. Nessy ist schon ganz ungeduldig. Ach, wo bleiben denn meine Manieren? Erst mal fröhliche Weihnachten, wünsch ich dir“ Sie küsste mich mit ihren eiskalten Lippen auf meine beide Wangen, dann ließ sie mich hinein. „Vielen Dank für die Einladung, Esme. Aber was riecht denn hier so gut?“, fragte ich sie neugierig. „Carlisle und ich haben gekocht, es gibt Lasagne und als Nachtisch selbstgemachten Apfelkuchen.“ Ich schaute sie verwirrt an: „ Aber ihr esst doch gar nichts?!“. Esme lachte und meinte: „ Glaubst du etwa, wir lassen dich heute verhungern?“ Ich fühlte mich geschmeichelt, aber auch etwas unwohl, weil sie sich so viel Mühe für mich machten. In diesem Moment schämte ich mich mehr denn je, dass ich keine Geschenke für sie alle hatte. „ Mach dir nichts draus, Michelle.“, hörte ich Edward sagen, der plötzlich im Raum stand. „Hauptsache, du bist hier. Das ist das schönste Geschenk für Bella.“ Ich begrüßte ihn und dann gingen wir ins große Wohnzimmer. Dort war die ganze Familie versammelt und ein riesiger Tannenbaum, der doppelt so groß war wie unserer, stand in der Ecke. Ich sah sofort, wie Nessy jubelnd auf mich zu gerannt kam und so nahm ich sie in die Arme. „ Michi. Da bist du ja! Komm mit, ich zeig dir, was ich schon für Geschenke bekommen habe“ Ich lächelte das kleine Mädchen in meinen Armen an und schaute in die Runde. Alle sahen mich glücklich an und alle kamen sie, um mich zu begrüßen. Sogar Rosalie drückte mich kurz und flüsterte: „ Frohe Weihnachten“. Während dieses Empfangs hielt ich Nessy die ganze Zeit in meinen Armen, bis

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Emmett auf mich zukam, sie nahm und auf den Boden setzte. Sie meckerte daraufhin und ich starrte ihn nur begriffsstutzig an und wusste nicht, warum er das tat. Doch da schlang dieser Riese seine starken Arme um mich, hob mich hoch, und wirbelte mich durch die Gegend. „ Frohe Weihnachten wünsch ich dir!“, rief er dabei laut. „ Emmet…kein Vampir…Mensch…keine Luft“, keuchte ich, während er mir beinahe die Rippen brach. Die anderen Vampire lachten, als er mich wieder absetzte. Daraufhin küsste er mich auf die Stirn, was mich ziemlich irritierte, und ich bedankte mich bei ihm. Nach dieser Begrüßungszeremonie zeigte mir Nessy die silberne Kette, die sie von ihren Eltern bekommen hatte und all die Spielsachen, die sich unter dem Baum tummelten. Die Cullens hatten bestimmt einen ganzen Spielwarenladen aufgekauft. Ich holte das kleine Kästchen aus meiner Jackentasche und reichte es Nessy. Ihre Augen fingen an zu leuchten, als sie das Bändchen sah. Ich sagte: „ Schau mal. Ich hab dasselbe um mein Handgelenk. Es sind Freundschaftsbändchen. Damit wir uns ja nicht aus den Augen verlieren!“ Sie klatschte in die Hände und fiel mir um den Hals.“ Danke! Binde es mir schnell um!“ Ich nahm das Bändchen und band es an ihr zartes Handgelenk. Sie hielt ihrs neben meins, um sich davon zu überzeugen, dass es auch wirklich dieselben Bändchen waren. „ Das führt uns eigentlich direkt zu Michelles Geschenk, meinst du nicht, Edward?“, fragte Bella in diesem Moment. Ich schaute die beiden gespannt an, als sie sich verschwörerisch etwas ins Ohr flüsterten. „ Ich möchte nicht, dass ihr mir etwas schenkt, Bella. Dann fühl ich mich nur noch mieser, dass ich nichts für euch habe“, erwiderte ich mit gesenktem Kopf. Da ergriff Edward das Wort: „ Keine Angst, es ist nichts Materielles. Wir wollten dich etwas fragen.“ Sie setzten sich neben mich auf den Teppichboden.

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Bella nahm meine Hand und sagte zögerlich: „ Michelle, würdest du uns die Ehre erweisen und…und Nessys‘ Patentante werden?“ Ich stieß einen freudigen Schrei aus und stürzte mich auf Bella und Edward gleichzeitig. Ich überhäufte sie mit Umarmungen und in meinem Übermut drückte ich sogar Edward einen dicken Schmatzer auf die steinharte Wange. „ JA! Natürlich will ich das! Ja, ja! Wo soll ich unterschreiben?“ schrie ich, während ich immer noch auf ihnen lag, und diese sich schlapplachten. Plötzlich spürte ich ein großes Gewicht auf meinem Rücken. Nessy war darauf gesprungen und freute sich mit uns. Der Rest der Vampirfamilie lachte, was das Zeug hielt, denn wir mussten wirklich ein ungewöhnliches Bild darstellen. Ich eingequetscht zwischen zwei Vampiren und einem kleinen Halbvampir. Schließlich lösten wir uns alle voneinander und ich sagte: „ Vielen Dank! Das ist das tollste Geschenk, was ihr mir hättet machen können. Hast du das gehört, Nessy, ich bin jetzt deine Patentante“ Wir drückten und lächelten uns an. Das Essen, was Esme und Carlisle für mich gekocht hatten, schmeckte einfach fantastisch, allerdings wäre davon das ganze Werwolfsrudel satt geworden und da verdrückte jeder mindestens drei Teller. Ich bot Emmett mal wieder einen neuen Grund, sich über mich schlapp zu lachen, indem ich mit vollem Bauch auf der Couch saß und mich kaum noch bewegen konnte. Den restlichen Tag unterhielten wir uns ungezwungen und hatten unseren Spaß. Alice forderte mich zu einer Partie Schach auf, was mich wunderte. Jasper klärte mich auf, dass es ihr langweilig mit den anderen wurde, weil sie deren Züge immer schon im Voraus wusste.

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Achso, jetzt verstand ich, was sie wollte. Ich stellte in meinem Kopf die Barriere auf, was mich ziemliche Konzentration kostete. Und dann zusätzlich noch meine Züge zu planen, verlangte mir einiges ab. Aber wie durch ein Wunder waren meine gerissener als Alices und ich gewann. „ Juhu, ich glaub es nicht, ich hab gewonnen“, jubelte ich. Daraufhin sprang Alice auf ihre Beine und starrte mich ungläubig an. „ Nein!“, brachte sie hervor. „Was? Natürlich. Mein Läufer hat deinen König geschlagen, guck doch“ klärte ich sie auf. Sie war ja nur sauer, weil sie gegen einen Menschen verloren hatte. Doch just im selben Moment merkte ich, dass etwas nicht stimmte. Die anderen Vampire waren ebenfalls aufgesprungen und sahen Alice mit Panik im Blick an. Ich verstand. Sie musste soeben eine Vision gehabt haben. Ich schluckte. So wie sie guckte, gab es schlimme Neuigkeiten. Das Schachbrett vor mir war vergessen und ich stand nun ebenfalls. „Nein“, zischte auf einmal Edward. Ich zuckte bei seinem Laut zusammen und wurde immer nervöser, bis ich es nicht mehr aushielt. „ Was ist denn? Alice, sag doch was“. Ihr Körper versteifte sich, während sie in eine andere Welt zu blicken schien. Aus dem Augenwinkel konnte ich sehen, dass Renesmee Bellas Hand nahm und ängstlich zu ihrer Mutter hochblickte. In diesem Moment begann Alice, zu reden. „ Sie kommen. Schon morgen Mittag. Sie wollen uns und die Wölfe endgültig ausschalten“ Ihre Wortfetzen drangen nicht bis an mein Ohr. Plötzlich schien Alice etwas wie einen Schwächeanfall zu bekommen, denn Jasper musste sie stützen, während sie zitternd zur Couch lief und sich setzte.

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Meine Hände waren taub, als ich in die anderen Gesichter der Cullen Familie schaute. Sie alle standen wie versteinert und schienen zu begreifen, im Gegensatz zu mir. Edward las meine Gedanken und erklärte mir: „ Andere Vampire. Nicht so welche wie wir. Es sind Nomaden aus dem Süden, die sich zusammengetan haben, um uns zu töten“ Er schien genau das zu beschreiben, was Alice gerade in ihrem Kopf sah. „ Aber warum? Warum wollen sie euch vernichten?“, fragte ich mit schriller Stimme. Diesmal ergriff Carlisle das Wort, der bereits alles zu durchschauen schien. „ Weißt du Michelle, unsere Verhaltensweisen sind nicht überall gerne gesehen. Wir sind schon vielen Vampiren begegnet, die uns verurteilen, weil wir uns mit Menschen einlassen und mit diesen friedlich leben wollen. Ihrer Meinung nach sind Menschen minderwertig und nur als Nahrungsmittel nützlich. Sie fühlen sich von uns verraten und behaupten, wir würden Unseresgleichen in den Dreck ziehen“ „ Aber das ist furchtbar“, sagte ich mit zitternder Stimme. Carlisle nickte und fuhr fort: „ Aber ich glaube, der Hauptgrund ist der, dass wir viele von ihren Gefährten getötet haben. Nomaden reisen für gewöhnlich in einem kleineren Zirkel. Als Bella noch ein Mensch war, wurde sie des Öfteren von Vampiren angegriffen und wir haben sie beschützt. Da gab es Laurent, Victoria und James, deren Existenz wir ein Ende setzen mussten. Und in dem großen Kampf, der jetzt schon lange Zeit her ist, haben wir noch mehr Vampire getötet, wobei wir niemanden verloren haben. Und dafür wollen nun die Gefährten der Toten Rache.“ Mein Verstand war völlig lahmgelegt, doch ich schaffte es noch, meine wichtigste Frage hervorzubringen:

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„ Aber was hat das mit dem Rudel zu tun?“ Edward ergriff wieder das Wort: „ Michelle, sie haben uns bei der letzten Schlacht zur Seite gestanden und waren uns dabei eine große Hilfe. Die Nomaden wollen sie ein für alle mal auslöschen. Sie wollen kein Risiko eingehen, dass sie sich verbreiten, denn Werwölfe sind die wohl einzigen Wesen, sie uns gefährlich werden können“ In meinem Kopf hämmerte es und ich schaute in die niedergeschlagenen Gesichter der anderen. Selbst Emmett, der immer guter Dinge war, setzte eine finstere Miene auf. Also musste die Situation wirklich ernst sein. Ich setzte mich vor Alice auf den Boden und legte meine Stirn auf ihre Knie. „ Ich dachte, du siehst sofort, wenn sich jemand entscheidet, etwas zu tun? Aber die Vampire werden sich wohl kaum heute entschieden haben, eure komplette Familie und die Wölfe umzubringen, oder?“ Jasper antwortete für Alice, die immer noch starr wie ein Eiszapfen saß: „ Sie müssen eine Lücke in Alice Gabe gefunden haben. Das hatte Victoria auch geschafft, als sie Bella etwas antun wollte. Dadurch kam sie ihr bedrohlich nah.“ Ich schlang meine Arme um meinen Körper und sah Edward ängstlich an. „ Wie viele?“, fragte ich ihn leise. „ Etwa dreißig werden es sein. Aber nur wenige von ihnen sind den Wölfen schon einmal begegnet. Die anderen haben sich entschlossen mitzukommen. Aber sobald die Lage gefährlich für sie werden wird, wollen sie abhauen. Das ist eine gute Nachricht.“ Ich zog eine Augenbraue hoch und schaute ihn zweifelnd an. Ich wusste, dass er mich nur beruhigen wollte. In diesem Moment spürte ich eine kalte Hand auf meiner Schulter. Als ich mich umdrehte, bemerkte ich, dass es Bellas war.

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„ Ich glaube, es ist das Beste, du rufst Jake an, damit er und sein Rudel hierher kommen.“ Ich nickte und stand mit zitternden Knien auf. Ich ging in die Küche, wo noch der Rest des köstlichen Essens stand. Dieser Tag hatte so schön begonnen, doch ich ahnte, dass er der Anfang eines Albtraums war. Ich wählte langsam Jacobs Nummer, während mein Mund ganz trocken wurde. Ich stand so unter Schock, dass ich das Handy kaum in der Hand halten konnte. Nach dem fünften Klingeln ging er endlich ran. „ Hey, Michelle! Was gibt es?“, fragte er fröhlich. „ Hi Jake“, antwortete ich mit beherrschter Stimme. „ Und, hat Nessy dein Armband gefallen? Bestimmt, oder? Was hast du von Bella bekommen?“ Jetzt konnte ich ein Schluchzen nicht unterdrücken. Als Jake das am anderen Ende der Leitung hörte, veränderte sich seine Stimme sofort und er fragte voller Panik: „ Was ist geschehen?“ „ Jacob, du musst sofort mit deinem gesamten Rudel hierherkommen! Es ist wichtig. Es ist etwas Furchtbares passiert“, brachte ich mit weinerlicher Stimme hervor. Jake legte ohne ein Wort auf. Ich ging wieder ins Wohnzimmer und war überrascht, dass alle Familienmitglieder plötzlich lächelten. „ Was ist, hab ich was verpasst?“, fragte ich Emmett. Er antwortete mir: „ Ja, eben sind drei Vampire von der Sache abgesprungen, also sind es nur noch 27“ Mich beruhigte das kein bisschen, denn mit den Wölfen waren sie immer noch nur 13. Sie waren in der Unterzahl und zwar deutlich. Ich sah Nessy, wie sie ihr Gesicht in Bellas Locken vergrub. Sie musste

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fürchterliche Angst haben. Sie konnte das hier alles noch nicht verstehen, allerdings konnte ich das ebenfalls nicht. Plötzlich hörte ich von Weitem ein Heulen. Das musste das Rudel sein. Die Cullens setzten sich in Bewegung und ich wollte mich auch gerade Richtung Tür bewegen, als Edward mich aufhielt. „Könntest du bitte auf Nessy aufpassen, während wir mit den Wölfen reden? Ich möchte nicht, dass sie allzu viel davon mitbekommt.“ Eigentlich ging mir das gehörig gegen den Strich. Ich wollte bei diesem Gespräch dabei sein und vor allem wollte ich Jake sehen. Ich wollte Edward gerade antworten, da unterbrach Rosalie mich: „ Schon ok. Ich bleib drin und verfolge von hier alles. Ich bleib bei Nessy“ Ich schaute sie dankbar an und dann ging ich hinaus, wo die Wölfe schon auf uns warteten. Im ersten Moment war ich etwas verwirrt, denn dort standen nicht fünf, sondern acht riesenhafte Wölfe. Das Rudel musste sich vergrößert haben. Ich suchte nach meinem Lieblingswolf und fand Jake in der Mitte der Reihe und als sich unsere Blicke trafen, kam er auf mich zugetrabt. Ich vergrub mein Gesicht in seinem zotteligen Fell und sah ihm in die Augen. Er berührte mit seiner Schnauze sanft mein Gesicht und dann wendete er sich an Carlisle. Dieser fing an, dem Rudel alles ganz genau zu schildern. Als ich das alles zum zweiten Mal hörte, begriff ich es erst richtig und mein Herz fing an zu rasen. Ich spürte, dass mein Kreislauf gleich schlapp machen würde. Das schien auch Bella zu bemerken, denn sie stellte sich neben mich und stütze mich.

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Als Carlisle endlich fertig war, verwandelten sich der rostbraune und rabenschwarze Wolf wieder in Jacob und Sam. Sam ergriff zuerst das Wort: „ Wir werden natürlich mit euch kämpfen. Wir sind dabei ziemlich zuversichtlich, denn wir haben drei Neuzugänge bekommen. Wie schätzt ihr die Situation ein?“ Edward antwortete ihm: „ Wir sind es ebenfalls. Zwar sind sie immer noch deutlich in der Überzahl, aber wir glauben, dass noch mehrere einen Rückzieher machen wollen“. „ Ok, dann lasst uns anfangen, unsere Strategie zu planen“, sagte Sam. Ich flüsterte Bella ins Ohr: „ Und was macht ihr mit Nessy?“ Ich hatte keine große Lust, den Babysitter zu spielen, während meine Freunde in einen Kampf zogen. Wieder antwortete Edward auf meine Gedanken: „ Wir werden schon eine Lösung finden, Michelle“ Ich nickte und sah, wie Jacob auf mich zu kam. Er nahm mich in den Arm und ich legte meinen Kopf an seine Brust. Es war zum verrückt werden. Jake wollte morgen sein Leben aufs Spiel setzen. Doch das würde ich nicht zulassen, ich würde einen Weg finden, damit er nicht in den Kampf zog. „ Michelle. Geh jetzt nach Hause, wir werden hier noch eine Zeit lang brauchen. Sobald wir fertig sind, komme ich zu dir“, sagte er sanft. Mit gewissem Missmut verabschiedete ich mich von allen. Morgen früh würde ich noch einmal kommen und sie anflehen, nicht zu kämpfen. Es musste doch noch eine andere Lösung geben. Vielleicht irrte sich Alice ja sogar und es gab überhaupt keinen Grund zur Panik. Daheim angekommen setzte ich mich auf mein Bett und ließ meinen Wecker nicht aus den Augen. Ich versuchte mir eine Taktik zu überlegen, wie ich Jake schützen konnte, doch vergebens. Mein Denkvermögen war immer noch auf Eis gelegt und ich hatte keine Ideen.

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Zwei Stunden dauerte es, bis Jake wieder bei mir war. Ich schlang meine Arme um ihn, als er in meinem Zimmer stand und ich schluchzte. Er streichelte mir übers Haar und wollte mich beruhigen. „ Michelle, du machst dir zu große Sorgen. Wir haben Erfahrung mit sowas. Es wird nichts schief gehen“ Ich erwiderte aufgebracht: „ Aber Jake, ihr seid in der Unterzahl. Und Vampire sind immer noch unsterblich. Ihr nicht! Ich will nicht, dass du kämpfst!“ „ Soll ich meine Brüder etwa im Stich lassen? Du wirst sehen, ich bin schneller wieder zurück als du denkst!“ Er führte mich zum Bett und wir setzten uns. Ich zitterte immer noch am ganzen Leib und meine Hände waren kalkweiß. Jacob sah mich besorgt an und hob mein Kinn an. „ Ich verspreche dir, dass nichts passieren wird“ Zögernd kam er mit seinen Lippen näher, als hätte er Angst, ich könnte ihn zurück weisen. Ich verstand zwar nicht ganz warum er das tat, aber ich zog ihn zu mir. Dieser Kuss war ganz anders als unsere vorigen. Ich hielt mich nahezu krampfhaft an ihm fest, damit er nicht auf die Idee kam, unsere Lippen voneinander zu lösen. Ich hatte Angst, dass das vielleicht unser letzter Kuss sein könnte und dieser Gedanke ließ wieder Tränen über meine Wangen laufen. Jake nahm seine Hand aus meinem Haar, weichte etwas zurück und sah mich mitfühlend an. „Michelle…“, sagte er nur. Dann küsste er mir die Tränen weg. Jacob blieb diese Nacht bei mir und hielt mich die ganze Zeit im Arm, während ich unruhig schlief. Ich träumte von Vampiren, nicht mit goldenen, sondern blutroten Augen. Und sie hatten alle ein einziges Ziel: der rostbraune Wolf, der am Rande des Waldes stand. Sie kamen ihm immer näher und umzingelten ihn. Sie standen so eng um ihn, dass ich ihn nicht mehr sehen konnte. Ich wollte ihm zur Hilfe eilen, doch ich trat nur auf der Stelle. Ich hörte nur noch ein

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Aufjaulen eines Wolfes, der Höllenqualen erlitt... Ich wachte schweißgebadet auf. Es war schon später Morgen und draußen zog sich ein dichter Nebel über die Gegend. Ich drehte mich um und bemerkte, dass Jake mich geschockt ansah. „ War nur ein Albtraum“, beruhigte ich ihn. Er stand auf und ging zum Fenster. „ Ich muss gleich gehen. Wir wollen uns früh genug treffen, um noch einmal alles durchzusprechen.“, seufzte er und drehte sich mir um. Ich stand auf und nahm seine Hände in meine. Ich hatte gestern nicht alles versucht und ich musste nun alles daran setzen, damit er nicht ging. „Bitte bleib hier. Für mich!“ bettelte ich. Er ließ die Schultern hängen und antwortete: „ Das kann ich leider nicht, Michelle“ Jetzt musste ich meinen letzten Trumpf ausspielen. „ Nun gut, dann komm ich eben mit. Ich werde nicht hier sitzen und nichts tun. Zu irgendwas werde ich schon nützlich sein!“ Jetzt fing Jacob an zu lachen „Rede nicht solch einen Unsinn. Außerdem könnte ich nicht kämpfen, wenn du dort wärst und ich Angst um dich haben muss.“ „ Und was ist mit mir? Hab ich etwa keine Angst um dich?“ Jake schüttelte den Kopf: „ Ich muss jetzt wirklich gehen. Jasper will uns noch mit der Angriffstechnik von der Anführerin der anderen vertraut machen“ Ich schaute ihn verwirrt an. „ Welche Anführerin?“ Er zuckte nur mit den Schultern: „ Diejenige, die verantwortlich für das alles ist. Sie hat sich aufgemacht, um andere Vampire zu suchen, um uns auszulöschen. So weit ich weiß war sie die Gefährtin von Laurent. Sie heißt Serafina.“

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Mein Zimmer drehte sich um mich herum und ich sank zu Boden. Serafina! Serafina! Das konnte einfach nicht wahr sein. Konnte es denn überhaupt so viele Zufälle geben? Serafina war die Anführerin der Feinde. Jetzt war ich mir absolut sicher, dass ich Jacob bei diesem Kampf verlieren würde. „ Bitte…Jake…ich flehe dich an!“ schluchzte ich, während ich immer noch auf dem Boden saß. Ich hatte in seiner Miene noch nie so viel Schmerz gesehen. Er kam auf mich zu und kniete sich vor mich. Jetzt ließ ich meinen Tränen freien Lauf. Ich verbarg mein Gesicht in meinen Händen, während ich gerade zu hyperventilierte. „ Michelle“, flüsterte Jake verzweifelt und ich hörte, dass er einen Kloß im Hals hatte. Ich schnitt ihm das Wort ab. „ Du weißt nicht, wie viel ich für dich empfinde. Dich darf ich nicht verlieren. Das würde ich nicht überleben!“ Im nächsten Moment presste Jake seinen Mund auf meinen. Es war ein sehr leidenschaftlicher Kuss, den er nach nur kurzer Zeit wieder beendete. „ Ich halte mein Versprechen. Ich liebe dich.“ Dann war er weg. Ich saß immer noch in meinem Zimmer auf den Boden und verzweifelte. Mein Gesicht war tränenass und ich bekam keine Luft mehr. Mein Herz zog sich so sehr zusammen, dass es wehtat. Ich wiegte mich vor und zurück, während ich lauthals schrie. Ich musste doch etwas tun können.

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In diesem Moment zeigte sich ein Weg vor mir. Ein Weg, den ich mir geschworen hatte, nie mehr zu gehen. Doch es war der einzige Ausweg. Nur so konnte ich den Jungen, den ich liebte, seine Familie und meine Vampirfreunde retten. Ich musste es tun. Meine Beine fühlten sich wie Blei an, als ich auf die alte Holztruhe in der dunkelsten Ecke meines Zimmers zuging. Ich kniete mich davor und dachte noch einmal darüber nach. Doch ich kam zu dem Entschluss, dass es jetzt kein Zurück mehr gab. Ich holte einmal tief Luft und öffnete die Truhe, die mit einem lauten Knarren aufging. Die Zeit war gekommen. Man sieht sich immer zwei Mal im Leben Ich rannte so schnell, wie ich es noch nie in meinem Leben getan hatte. Ich spürte den weichen Waldboden unter meinen Füßen, während ich zwischen den dicht beieinander stehenden Bäumen eilte. Ich betete, dass ich noch nicht zu spät kam. Jacob hatte mir erzählt, wo die Schlacht stattfinden würde und ich konnte nur hoffen, dass ich den Ort fände. Ich hielt meine Gedanken im Zaum, denn weder Alice noch Edward sollten mich hören oder kommen sehen. Sie würden mich nur aufhalten und damit wäre ihre letzte Chance dahin gewesen. Ich wusste nicht genau, woher ich dieses Selbstbewusstsein nahm, aber ich war mir sicher, dass ich es schaffen konnte, meine Freunde zu retten, wenn ich nur stark blieb. Ich berührte meinen alten Zauberstab, der in meiner Hosentasche steckte. Ja, ich hatte eine Chance, sie zu retten.

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Mein Atem ging immer schneller, als ich ohne Unterbrechung rannte. Wenn ich mich nicht täuschte, musste die Lichtung gleich vor mir auftauchen. Und tatsächlich. Ich konnte erkennen, wie der Wald sich lichtete und ich verlangsamte meine Schritte. Ich hörte keine Kampfgeräusche, aber es lag eine Spannung in der Luft, die mir verriet, dass ich ganz nah war. Mein Mund war so trocken, als hätte ich seit Tagen kein Tropfen Wasser mehr getrunken. Ich schluckte und machte mir Sorgen darüber, ob die Vampire und die Werwölfe mich schon gehört hatten. Wenn ja, dann musste ich schnell handeln! Ich holte einmal tief Luft und dann betrat ich die Lichtung. Das Bild, was sich mir bot, war unglaublich, auch wenn ich nur eine Millisekunde Zeit hatte, es zu erfassen. Zwei Gruppen standen sich, etwa fünfzig Meter von mir entfernt, feindselig gegenüber. Links standen das Rudel und die Cullens. Das Fell der Wölfe war gesträubt und sie fletschten ihre Zähne. Auch die Cullens standen gebückt in Angriffshaltung. Jede Sekunde würden sie ihre Gegner angreifen. Diese konnte ich mir nicht näher anschauen, denn in diesem Moment sah Bella mich. „ NEIN!!!“, schrie sie aus vollem Halse und alle Blicke waren plötzlich auf mich gerichtet. Ich sah das Entsetzen in ihren Gesichtern und vor allem in dem des rostbraunen Wolfes, der am Rande der Gruppe stand. Er jaulte auf und machte sich bereit, auf mich zuzurennen, um mich zu beschützen. Doch ich war schneller. Ich zog meinen Zauberstab blitzschnell aus meiner Tasche und richtete sie nicht auf die Gruppe der Feinde, sondern auf die Cullens und das Rudel. Dann benutzte ich meinen ersten Zauberspruch seit drei Jahren. „ Protego Maxima“, rief ich und ein silberner Strahl schoss aus der Spitze

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meines Zauberstabes hervor. Er schoss auf die Gruppe zu und sofort bildete sich eine Art Luftblase um meine Freunde. Jeder Einzelne von ihnen stand nun darunter, unter meinem Schutz. Die ganze Gruppe wusste nicht, wie ihnen geschah. Carlisle war der erste, der sich traute, diese scheinbar so dünne Wand zu berühren. Ich konnte sehen, wie ihm fast die Augen aus dem Kopf fielen, als er es nicht schaffte, sie zu durchbrechen. Er hatte noch nie zuvor etwas gesehen, was er mit seinen Vampirkräften nicht in die Knie zwingen konnte. Bis jetzt. Jetzt versuchten es auch die Wölfe, doch sie hatten keine Chance, sie waren gefangen. Ich wandte ihnen zufrieden mit mir selbst den Rücken zu und trat den Feinden gegenüber. Ich konnte sie nicht schnell genug zählen, aber ich schätzte sie auf etwa 25 Stück. Sie alle hatten blutrote Augen und einen begierigen Gesichtsausdruck aufgesetzt. Es waren gleichermaßen Männer und Frauen vertreten. Auch sie standen alle in Angriffshaltung und beobachteteten mich. Sie rührten sich allerdings nicht, sondern warteten auf Befehle. Dann sah ich ihre Anführerin und kalte Schweißperlen bildeten sich auf meiner Stirn. „ Na sieh mal einer an“, sagte Serafina freudig und trat einen Schritt vor. Ihre mittellangen, bronzefarbenen Haare hatte sie zu einer kunstvollen Hochsteckfrisur geformt, als würde sie zu einem feinem Dinner gehen und nicht in einen Kampf ziehen. Ich schmales Gesicht mit dem markanten Kinn war genauso schneeweiß wie das der andreren. Sie trug einen braunen Wanderumhang und ihre Körperhaltung war gelassen, während sie mich mit ihren blutroten Augen anschaute.

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Ich antwortete ihr nicht, aber ich hörte, wie die Cullens vor Wut fauchten und die Wölfe mit ihren schweren Tatzen auf dem Boden scharrten. Sie konnten sich so sehr aufregen wie sie wollten, ich würde nicht zulassen, dass sie sich in diesen Kampf stürzten, wo ich doch eine viel bessere Chance hatte als sie. „ Dann ist es also wahr...“, fuhr Serafina fort, „ was man immer so schön sagt: Man sieht sich immer zwei Mal im Leben, nicht wahr, Michelle?“ Sie lächelte und ich konnte ihre makellos aussehenden, aber tödlichen Vampirzähne sehen. Ihre Gefährten hinter ihr wechselten unsichere Blicke, als wüssten sie nicht, was diese unerwartete Wendung zu bedeuten hatte. „ Scheint so, Serafina. Ich hatte eigentlich geglaubt, du wärst für immer von der Bildfläche verschwunden. Was bringt dich hierher?“ fragt ich sie mit sicherer Stimme. „ Weißt du, eigentlich wollte ich diese Sache hier schnell erledigen. Aber wo du schon mal hier bist. Jetzt wird das für mich bestimmt vergnügsamer und ich kann endlich nachholen, was ich bei unserem letzten Treffen leider versäumt hatte.“, antwortete Serafina bedrohlich. Ich hörte, wie Jacob hinter mir aufheulte und sich mit voller Wucht gegen die ihn schützende Wand warf. Auch Emmett trommelte mit den Fäusten dagegen und schrie: „ Michelle, lass uns sofort raus. Du bist wahnsinnig, das ist reiner Selbstmord. Lass uns dir helfen!“ Serafina lachte schallend auf und wandte sich wieder an mich. „ Glaubst du etwa, durch so etwas könnest du deine Freunde beschützen? Sie werden trotzdem alle sterben. Genauso, wie sie es verdient haben.“ Jetzt lächelte ich selbstgefällig. "Versuchs doch mal.“ Serafina ließ sich das nicht zweimal sagen und winkte einen kräftigen, blonden Vampir aus ihren Reihen. „ Nick, zeig unserem Mädchen hier mal, dass man uns gegenüber lieber nicht hochnäsig sein sollte. Nimm dir den großen, braunen Wolf am Rand vor. Ich

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hab das Gefühl, ihn mag sie besonders“ grinste sie hämisch und zeigte auf Jacob. Ich schluckte, doch ich war zuversichtlich. Nick rieb sich seine Hände und spurtete los. Ich sah Jacob, wie er in seine Angriffshaltung überging und mich dann kurz anschaute. Ich nicke ihm zu. Nick setzte zum Sprung an wollte dem großen Wolf an die Gurgel, doch er traf auf Wiederstand. Er krachte mit solcher Wucht gegen den Schutzschild, dass man das laute Geräusch auf der ganzen Lichtung vernahm. Benommen stand der Vampir wieder auf und versuchte es ein zweites Mal. Er hämmerte dagegen und sein rasender Blick verriet, dass es ihn wahnsinnig machte, den Wolf vor sich zu sehen, aber nicht angreifen zu können. Serafina schaute mich böse an und ich fasste den Entschluss, ihr zu zeigen, was ich draufhatte. Meine Hände zitterten, während ich meinen Zauberstab umklammert hielt. Ich durfte jetzt kein Feigling sein. Ich musste genau so mutig sein, wie Jacob, Bella, Sam, Quil und all die anderen, die schon so viele Kämpfe gefochten hatten. Ich musste meinen ganzen Mut zusammennehmen. Ich richtete meinen Zauberstab auf Nick und flüsterte den Fluch, der seiner Existenz ein Ende setzen sollte. „Delentes ignis“. Diesmal war es kein silberner Strahl, der auf den Vampir zuflog. Flammen preschten aus meinem Zauberstab hervor und umgaben Nick gnadenlos. Man hörte seine Schreie und Knochen, die zerbrachen und dann verbrannten. Ich konzentrierte mich weiterhin auf ihn, um die Flammen nicht erlischen zu lassen. Es dauerte nicht lange, da war das qualvolle Leiden des Vampires nicht mehr zu hören und die Flammen erloschen. Alle Augen waren auf das Häufchen Asche, was von Nick übrig geblieben war, gerichtet, bevor die große Panik ausbrach. Ich atmete schwer nach dieser Anstrengung und beobachtete triumphierend, wie sich sie Gesichtszüge der anderen Vampire verkrampften und sie mich voller Furcht ansahen.

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Dann gab es ein großes Durcheinander. Etwa fünf von ihnen suchten sofort das Weite und verschwanden im Wald, während andere noch unschlüssig dastanden und ihre Anführerin anstarrten. Während dies alles passierte, schaute ich schnell zu den Cullens und den anderen, die mich nur entgeistert anschauten. Ich senkte den Kopf und sah sie entschuldigend an. Ich hoffte, dass ich noch dazu käme, ihnen alles zu erklären. Serafina kochte vor Wut und machte einen Schritt auf mich zu. „ Darauf warst du wohl nicht vorbereitet, als du hierher kamst, oder?“, fragte ich sie selbstbewusst. Sie schrie mich an. „ Du hast es letztes Mal nicht geschafft, mich zu töten und du wirst es auch dieses Mal nicht schaffen!“ „ Bist du dir da so sicher?“, fragte ich, hob wieder meinen Zauberstab und im nächsten Moment verbrannten wieder drei Vampire ihrer Armee. Ich hatte zuvor Angst gehabt, dass ich das Zaubern verlernt haben könnte, umso überraschter war ich, dass es ohne Probleme klappte. „ Glaub mir, du wirst gleich genauso sterben wie deine elende Mutter. Die kleine Wendy wird sich sicher freuen, wenn du mit ihr im Familiengrab liegst“ Die Gruppe hinter mir knurrte sie bei diesen Worten an und wieder versuchte Jacob, mit seiner Schulter die Wand zu zerschmettern. Erfolglos. Bei Serafinas Worten drehte sich mir der Magen um und Hass erfüllte mich. Ich spuckte vor sie auf den Boden und rief: „ Gut, dann lass uns anfangen.“ Mittlerweile standen nur noch zwei Gefährten an Serafinas Seite, eine junge Frau mit blonden kurzen Haaren und ein schmächtiger Junge mit rabenschwarzen Locken. „ Virginia, Spencer, macht euch vom Acker. Hier wird es nur einen Kampf

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geben, und zwar zwischen Michelle und mir. Sobald ich sie erledigt habe, treffen wir uns im Süden“. Mit diesen Worten zogen die beiden ab und Serafina war alleine. Während sie gesprochen hatte, hatte ich schnell meine Jacke ausgezogen, die mich in meiner Bewegungsfreiheit einschränkte. Ich fröstelte, aber das trieb mich dazu an, diesen Kampf endlich hinter mich zu bringen. Vor vier Jahren hatten Serafina und ich diesen Kampf begonnen und nun wurde es Zeit, ihn zu beenden. „ Also, Serafina. Erzähl mal. Was ist dein besonderes Talent, das dich ausmacht?“, fragte ich sie interessiert, als wir uns gegenüberstanden und langsam im Kreis bewegten. Edward stieß ein Fauchen aus, als er Serafinas Gedanken zu hören schien. Im nächsten Moment bekam ich ihre Gabe zu spüren. Ich hatte meinen Körper nicht mehr unter Kontrolle. Serafinas Blick war konzentriert auf mich gerichtet und sie schien meinen Gliedmaßen Befehle zu geben. Langsam ließ ich meinen Zauberstab sinken und bewegte mich auf sie zu. Ich versuchte vergebens stehen zu bleiben, doch stattdessen kam ich ihr immer näher. Plötzlich hob ich vom Boden ab und ich wurde durch die Luft geschleudert. Kurz bevor ich auf dem Boden aufprallte, schien mich eine unsichtbare Hand aufzufangen und wieder hoch in die Lüfte zu tragen. Ich zappelte und schaute in Serafinas Gesicht, als sich ein triumphierendes Lächeln darauf ausbreitete. „ Das ist meine Gabe. Gefällt sie dir?“, fragte sie spöttisch .Ich nahm meine gesamte kraft zusammen und schwang meinen Zauberstab. So unterbrach ich die Verbindung zwischen uns beiden und ich konnte mich wieder bewegen. Nur leider hing ich immer noch in der Luft und so fiel ich etwa fünf Meter tief und krachte auf den Boden.

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Ich stieß einen lauten Schmerzensschrei aus, als mein Bein brach. Meinen Zauberstab hielt ich immer noch umklammert, doch ich war vor lauter Schmerz nicht im Stande, einen klaren Gedanken zu fassen. Ich schaute in meiner Panik zu meinen Freunden, die nun allesamt mit Fäusten und Füßen versuchten, mein Schutzschild zu durchbrechen. Nein, Serafina und ich hatten noch eine Rechnung offen und die musste endlich beglichen werden. Ohne fremde Hilfe. „ Na, na, du kleines Dummerchen. Hat man dich an deiner Schule nicht gelehrt, dass man sich lieber nicht mit Vampiren anlegen sollte?!“, lachte sie mich aus. „ Nein, denn man hat uns gelehrt, dass man alles besiegen kann, wenn man nur dran glaubt. Und dass man euch ganz einfach ausschalten kann, man muss nur ein paar Tricks kennen“ Und dann saß ich mit verschränkten Armen auf den Ästen eines hohen Baumes, der am Rande der Lichtung stand. Alle Augenpaare waren verblüfft auf mich gerichtet, während Serafina ein genervtes Knurren ausstieß. „ So, so. Du hast also gelernt, zu apparieren. Nicht schlecht, das hätte ich wirklich nicht von dir gedacht.“ Ich sah sie missmutig an. „ Du weißt nicht viel von mir“. Ich konzentrierte mich und dann stand ich ihr wieder gegenüber. Ich wollte endlich richtig kämpfen und ich richtete meinen Zauberstab gegen sie. „ Sectumsempra“, schrie ich, doch Serafina war schneller, und weichte meinem Spruch aus. Sie sprang auf mich zu und ich apparierte blitzschnell ein paar Meter nach links. Jetzt war alles um mich herum vergessen: Jacob, das Rudel, die Cullens. Ich blendete alles aus und konzentrierte mich auf Serafina. Dieser Kampf war ausgeglichener als der mit Nick und den anderen Vampiren. Serafina war geschickter und kannte meine Kampftechnik. Wieder feuerte ich Flüche auf sie ab, doch es war ein Kinderspiel für sie auszuweichen. Mein gebrochenes Bein schmerzte, und ich hätte nicht einen Schritt tun können. Ich musste mich völlig auf meine Apparier-Fähigkeiten verlassen.

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Serafina grinste, als würde sie ein Spiel mit mir spielen. Nach zehn Minuten, in denen wir uns abwechselnd angriffen und wieder ausweichten, wurde ich müde und merkte, dass ich es nicht noch einmal schaffen würde, zu apparieren. Und in diesem Moment geschah es. Serafina nutzte den Augenblick meiner Schwäche aus und stürzte sich auf mich. Ich hatte keine Kraft mehr, auszuweichen oder meinen Zauberstab zu heben. Sie war einfach zu schnell. Ich dachte, sie würde mich sofort beißen und dann vor Jacob und den anderen zu Grunde richten. Doch ich irrte mich, denn ich spürte keine Vampirzähne an meiner Kehle. Stadtdessen rammte sie ihre beiden Fäuste in meinen Magen. Ich schnappte nach Luft und keuchte auf, als sämtliche Rippen in meinem Körper brachen. Ich bekam keine Luft mehr und war kurz davor, zu Boden zu sinken. Doch Serafina fing mich auf, legte ihre Arme behutsam um mich und flüsterte mir ins Ohr: „ Oh nein, Michelle, das war erst der Anfang. Du wirst dir noch wünschen, niemals geboren worden zu sein. Durch dein Schutzschild kann ich die anderen nicht töten, also wirst du jetzt dafür büßen, was sie meinem Laurent angetan haben.“ Wieder reagierten meine Freunde so heftig auf ihre Worte, dass ich einen Moment lang dachte, sie könnten wirklich mein Schutzschild niederreißen. Während ich das dachte, hob Serafina zum nächsten Hieb aus. Dieses Mal machte sie von ihren Fingernägeln Gebrauch, die sich wie Schwerter in meinen Körper bohrten. Mein Pulli war zerfetzt und ich spürte, wie warmes Blut aus den Wunden quoll. Die Schmerzen waren unerträglich. Ich war der Ohnmacht nahe, doch da nahm Serafina meine Hüfte in die Hand

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und drückte ohne Anstrengung zu. Das Geräusch, als mein Becken brach, war fast schlimmer als der Schmerz. Ich keuchte und biss die Zähne aufeinander. Ich würde nicht anfangen zu weinen, denn das wollte sie. Wenn ich jetzt sterben sollte, dann nicht kampflos. Serafina schaute mich begierig an und leckte sich über ihre messerscharfen, weißen Zähne. Da begriff ich. Sie hatte vorgehabt, mich so lange wie irgend möglich zu quälen, damit die anderen mein Leid sahen. Mich einfach zu beißen und mein Blut zu trinken, wäre ihrer Meinung nach zu harmlos gewesen. Doch jetzt wollte sie mir den Gnadenstoß verpassen und beugte sich langsam zu mir herunter. Die Wölfe heulten verzweifelt und ich hörte Bella schreien. Doch ich wollte noch nicht aufgeben, denn so wollte ich nicht sterben. Ich saugte den letzten Tropfen Überlebenswille aus mir heraus und hob meinen Zauberstab. Ich schlug ihn ihr ins Gesicht, wobei er gelbe Funken versprühte und das ließ sie zurückschrecken. Das verschaffte mir eine Millisekunde Zeit, sodass ich mit beiden Händen meinen Zauberstab umklammerte und die Worte schrie, mit denen ich vorhin Nick schon getötet hatte. Die Flammen züngelten an Serafinas Haut, während diese versuchte, ihnen zu entkommen. Kurz bevor ihr Körper zerbröselte, schaute sie mich mit geweiteten Augen an. Ich flüsterte zwar, doch ich war mir sicher, dass sie mich in den letzten Sekunden ihres Daseins hören konnte: „ Du hast Recht, Serafina: Man sieht sich immer zwei Mal im Leben“ Dann war sie fort und nur ein Häufchen Asche blieb von ihr übrig. Ich ließ meinen Zauberstab sinken und mein Kopf knallte auf den Boden. Ich sah meinem Ende entgegen. Mein Körper war zerschmettert und ich lag in einer einzigen Blutlache. Ich drehte mit großer Anstrengungen meinen Kopf uns schaute zu meinen Freunden. Sie alle sahen mich verzweifelt und gequält an. Vor allem Jacob, Es schien ihn

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zu zerreißen und sogar bei der großen Entfernung konnte ich sehen, dass eine Träne seine Wolfswange hinunterglitt. Mit letzter Kraft hob ich meinen Zauberstab und löste mein Schutzschild auf. Eine Sekunde später hörte ich einen Knall, als Jacob sich wieder in einen Mensch verwandelte. Sie kamen alle auf mich zugerannt. Ich konnte meine Augen kaum offen halten, doch ich sah Carlisle’s wunderschönes Gesicht, wie er sich über mich beugte, um sich meine Wunden anzusehen. Ich war mir sicher, dass es kein Arzt dieser Welt schaffen würde, mich wieder zusammenflicken. Und in Carlisle’s Augen sah ich, dass ich Recht hatte. Ich spürte meine Beine nicht mehr, doch der Rest meines Körpers bereitete mir solche Schmerzen, dass mir jetzt doch die Tränen in die Augen stiegen. Dann spürte ich Hitze auf meinem geschundenen Körper und Jacob beugte sich über mich. Die anderen Gesichter, die auf mich hinunterblickten, waren vergessen, denn nur noch das von Jacob war jetzt wichtig. Sein wunderschönes Gesicht, in welches ich nun ein allerletztes Mal blicken würde. „Jake…“, flüsterte ich. „ Scht…nein, sprich nicht, Liebste. Du musst dich schonen“ Ich hörte, wie seine Stimme brach und er schluchzte. Ich versuchte die Andeutung eines Kopfschüttelns: „ Nein, Jake. Hör mir zu. Es tut mir Leid, dass ich es dir nicht erzählt habe. Ich bin so ein dämlicher Feigling!“ „ Wie kannst du so etwas nur sagen, Michelle, nachdem du das gerade eben getan hast?!“, fragte er. Dann sah er zu Carlisle: „ Bitte sag mir, dass du sie retten kannst.“ Doch Carlisle schüttelte den Kopf und sagte mit leiser Stimme: „ Nein, Jacob. Von der Brust abwärts ist sie schon so gut wie tot. Hörst du, wie ihr Herz langsamer schlägt?“ Er legte die Hand auf Jakes Schulter.

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Ich hörte, wie Bella und Esme glucksten, als würden sie weinen. Konnten Vampire überhaupt weinen? Durch meine halb geöffneten Augen sah ich Emmett, wie er das Gesicht in seinen Händen vergrub und zitterte. Ich flüsterte zu Bella: „ Bella, sagst du Renesmee bitte von mir, dass ich sie ganz doll lieb habe und das auch immer so bleibt. Sie soll immer unser Freundschaftsbändchen tragen, denn dann bin ich für immer bei ihr“ Bella sah mich entgeistert an und Jake schrie: „ Nein! Michelle, hör auf, so etwas zu sagen. Du schaffst es“. Er legte seine Stirn an meine und seine heißen Tränen fielen auf mein Gesicht. „ Jacob, ich danke dir so sehr für alles. Ich liebe dich!“, hauchte ich ihm zu. Meine Stimme versagte mir. Wir schauten uns in die Augen und da änderte sich plötzlich etwas in seiner Miene. „ Carlisle.“rief er plötzlich und wandte sich an ihn: „ Carlisle, beiß sie!“. Allesamt stießen einen Schreckensschrei aus. „Was soll ich machen?“, fragte Carlisle entgeistert. „ Beiß sie. Mach sie zu einem Vampir. Wenn das die einzige Möglichkeit ist, dass sie es übersteht, dann akzeptiere ich das. Ich werde sie trotzdem lieben, doch wenn sie stirbt, kann ich es nicht überleben. Los, mach schon. Beiß sie!“ Seine Stimme war verzweifelt und er klammerte sich an den allerletzten Strohhalm, um mich zu retten. Doch ich wollte auf keinen Fall ein Vampir werden. Niemals. Edward ergriff das Wort: „ Jacob, das können wir nicht tun. Ein Vampir werden, ist das letzte was sie will. Glaub mir, ich habe es schon oft genug in ihren Gedanken gehört. Auch wenn sie uns akzeptiert, würde sie niemals so ein Leben führen wollen…“ Seine Stimme wurde leiser und er sagte voller Leid:

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„ Du musst sie gehen lassen, Jacob“ Jake sackte in sich zusammen. Sein ganzer Körper zitterte, als die Tränen ihn übermannten. Er schrie und hielt meine Hand, während er zu sah, wie ich starb. Quil, der nun auch in Menschengestalt war, kniete sich neben Jacob und schaute zu mir herunter. Ich versuchte, ein letztes Mal meinen Humor zu zeigen: „ Denk dran, Quil, nicht so oft im Dreck wälzen!“. Quil lächelte gequält und auch ihm rollte eine Träne über die Wange“ Da hatte ich noch einen kleinen Hoffnungsschimmer: „ Severus….Snape….ich brauche Severus. Er kann mir helfen. Nur er“, brachte ich hervor und sah Bella an. Sie sagte: „ Sie redet wirr. Michelle, du brauchst keine Angst zu haben, wir sind ja da“ Ja das waren sie. Alle diejenigen, die mir etwas bedeuteten waren bei mir, als ich ein Ende nahm. Nur mein Vater fehlte an meiner Seite. Ich hoffte, dass er über meinen Tod hinwegkam. Und vor allem machte ich mir Sorgen um Jacob. Ich liebte ihn abgöttisch, bis zu meinem letzten Atemzug. Würde er es schaffen? Ich wusste nicht, ob ich es mir nur einbildete, doch ich glaubte, Schritte auf dem feuchten Gras zu hören, die sich unserer Gruppe näherten. Dann umgab mich Finsternis. Die Antwort auf Alles Ich wusste nicht so recht, in welchem Zustand ich mich befand.

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Ich bewegte mich irgendwo zwischen Wachen und Schlafen, zwischen Leben und Tod. Mein Denken schien zu funktionieren, doch ich konnte keinen Muskel kontrollieren. Es war, als wäre mein Geist vom Rest meines Körpers abgeschnitten. Erstaunt stellte ich fest, dass ich auch keine Schmerzen spürte. Ich wollte unbedingt meine Augen öffnen, doch auch das war mir versagt. Plötzlich vernahm ich Stimmen um mich herum, deren Echo in meinen Ohren widerhallte. Wie seltsam. Tote durften doch eigentlich keine Stimmen hören, oder? Ich konnte die Stimme nicht erkennen, die anfing, zu sprechen. „ Wird sie wirklich wieder gesund, Sir?“ Mhm…also das war auf jeden Fall eine Jungenstimme, doch wer war der Mann, den sie ansprach? Und warum nannte man ihn Sir? Wieder versuchte ich mit Gewalt, meine Augenlieder zu öffnen, doch um mich herum war immer noch alles schwarz. „ Ja, das wird sie, sie muss sich nur ausruhen. Die Tränke, die ich ihr eingeflößt habe, setzen ihre Knochen wieder zusammen und schließen die Wunden. Es braucht nur seine Zeit“ sagte jemand zuversichtlich. Moment mal! Diese Stimme kannte ich doch! Wenn ich mich nicht in einem Ausnahmezustand befinden würde, wäre ich aufgesprungen vor Freude. Ich hätte diese tiefe, raue, etwas arrogante Stimme überall auf der Welt erkannt. Das war Severus Snape. War das denn möglich oder spielte mir diese Dunkelheit um mich herum nun einen Streich, der mich Dinge hören ließ, die es nicht gab? „Nun, ich glaube, wir haben uns gegenseitig einiges zu erklären“, sagte jemand höflich. Das war eindeutig Carlisle, der solch einen freundlichen Ton anschlug. „ Ja, das glaube ich allerdings auch“, erwiderte Severus nicht unfreundlich. Ich spitzte meine Ohren und nahm wahr, dass sich mir mehrere Personen

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näherten und sich dann auf weichen Sofas niederließen. Plötzlich spürte ich noch etwas anderes, etwas an meiner Hand. Ich bekam zuerst Panik weil ich befürchtete, dass nun doch die Schmerzen kämen, doch ich spürte eine wollige Wärme. Jemand nahm meine Hand und streichelte sie sanft. War das Jacob? Ja, das musste er sein. Ich wollte ihm sagen, dass es mir gut geht, aber es ging nicht. Auch wollte ich seine Hand fest drücken, doch das klappte auch nicht. Also musste ich mich damit zufrieden geben, dass mein Freund mir ganz nahe war. Ich glaubte, dass Bella nun das Wort ergriff. „ Nun, ich weiß gar nicht, womit ich anfangen soll. Ich versteh das alles nicht. Ich war doch als Kind ihre beste Freundin und ich habe nie erfahren, dass Michelle…dass sie eine Hexe ist.“ Severus kam wieder zu Wort. „ Nun, das ist eine sehr lange Geschichte. Zunächst sollte ich erklären, dass Michelles Mutter ebenfalls eine Hexe war, ihr Vater aber ein Mensch ist. Wendy war eine sehr begabte junge Hexe, die hervorragende Leistungen in unserer Schule erzielte. Ihr größter Wunsch war es, später einmal Zaubereiministerin zu werden und ich muss sagen, sie hätte es auch vermutlich geschafft“ „ Was ist das für eine Schule, über die Sie sprechen? Und es gibt ein Ministerium für…für Zauberei?!“, hörte ich Esme fragen. „ Nun, natürlich müssen Zauberer und Hexen ausgebildet werden, dafür gibt es in unserer Welt einen bestimmten Ort. Man nennt ihn Hogwarts und man sagt ihr nach, es wäre die beste Zaubereischule weltweit. Nun, was das Ministerium betrifft. Auch wir Zauberer brauchen Politik“ Carlisle’s glockenspielartige Stimme erklang nun wieder. „ Es ist einfach unfassbar, dass ich nun seit so vielen Jahrhunderten auf dieser Welt bin und noch nie etwas von Ihrer Welt gehört habe.“

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„ Ja, wir haben strenge Regeln und Vorkehrungen, damit die Menschen nichts von unserer Existenz mitbekommen. Um ehrlich zu sein wussten wir selbst nicht, dass es Vampire wie Sie gibt. Vampire, die friedlich in einer Familie leben und sich in die Gesellschaft eingliedern. Aber um wieder auf das Thema zurückzukommen: Wendy war in ihrem letzten Schuljahr, da verbrachte sie die Ferien hier in Atlanta, um ihre schwerkranke Cousine, Jacky, zu pflegen. Daraufhin traf sie auf Alan Hawkins und verliebte sich in ihn. Als er erfuhr, dass sie eine Hexe war, hat ihn das ziemlich fertig gemacht, doch sie wollten trotzdem zusammenbleiben. Doch dann starb Jacky und Wendy Watson entschied sich dazu, wieder nach Hogwarts zurückzukehren. Doch sie war unglücklich. Sie beendete erfolgreich ihr Studium und nun stand ihr die gesamte Zaubererwelt offen. Doch sie entschied sich für Alan. Sie heirateten und zogen nach Atlanta. Wendy begann, Jura zu studieren, blieb aber noch in Kontakt mit ihren alten Freundinnen aus der Zaubererwelt. Ja, und dann haben sie Michelle bekommen.“ „ Und in welcher Verbindung stehen sie mit Michelle und ihrer Familie?“, hörte ich Jacob neben mir fragen. Severus Stimme wurde etwas amüsierter. „ Nun ja, ich war ein guter Freund von Wendy, und Alan und ich verstanden uns auch super. Also kannte Michelle mich schon, als sie als kleine Schülerin nach Hogwarts kam. Ohne angeben zu wollen kann ich sagen, dass ich wohl ihr Lieblingslehrer war. Und sie war unglaublich begabt in Zaubertränke, genau wie ihre Mutter“ Bella mischte sich wieder ein: „ Aber das erklärt immer noch nicht, warum ich das nicht gemerkt habe. Ich war doch fast jeden Tag mit ihr zusammen.“ „ Sowohl Wendy, als auch Michelle war es wichtig, dass sie genauso so viel Zeit in der Menschenwelt, als auch in der Zaubererwelt verbringt. Damit sie sich später besser entscheiden kann, wo sie leben will. Unser Schulleiter hatte große Geduld und hat es erlaubt, dass sie immer hin und her gependelt ist. Sie dürfen ihr nicht sauer sein, Miss Cullen, es war nur zu Ihrem Besten. Oder wie hätten sie reagiert, wenn man Ihnen gesagt hätte, dass ihre beste Freundin eine Hexe ist?“

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Edward kicherte und antwortete für Bella: „ Also dass Michelles beste Freundin ein Vampir und ihr Freund ein Werwolf ist, hat sie ziemlich gut aufgenommen.“ Alle lachten im Raum, nur das kehlige Lachen von Severus konnte ich nicht hören. Er erklärte warum: „ Nun, ich muss gestehen, dass es mich verblüfft hat, dass Michelle sich ausgerechnet für einen Werwolf als Freund entschieden hat“ „ Warum das denn?!“, knurrte Jacob neben mir. Oh nein, bitte nicht, Severus, sag es Jacob nicht. Er könnte es nicht verkraften. Aber er hörte mich nicht und tat es. „ Weil ein Werwolf ihre Mutter getötet hat“ Plötzlich herrschte Stille im Raum. Ich hörte wie Jacob aufsprang und ich konnte förmlich spüren, wie er zitterte. „ Was sagen Sie da? Wiederholen Sie das bitte“ fauchte er. Er würde jeden Moment die Kontrolle verlieren. Ich hörte, wie sich jemand vom Sofa erhob, vermutlich Severus. „Ja, es stimmt, Wendy wurde von einem Werwolf angefallen und getötet. Sein Name ist Fenrir Greyback.“ „ Sind Sie sich da ganz sicher?“, fragte Bella schüchtern. „ Ja, ziemlich. Alan hat Michelle erzählt, dass man an Wendys Leiche

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Stichwunden gefunden hat. Aber das war nicht alles. Fenrir hat sie auf grausame Weise getötet und hat es dann so aussehen lassen, als könnte der Mörder ein Mensch sein. Doch wir sind sicher, dass er es war, denn er tötet immer auf dieselbe Weise.“ „ Aber warum sollte er Wendy anfallen? Sie war so eine bezaubernde und freundliche Frau“, fragte Bella mit trauriger Stimme. „ Das wissen wir nicht. Vielleicht hat er gar nicht gewusst, dass sie eine Hexe war. Wir haben das nie herausbekommen und konnten ihn auch bis jetzt nicht fassen.“ „ Deswegen also…“, zum ersten Mal ergriff Jacob wieder das Wort. Sein Ton klang wehleidig und traurig. „ Deswegen hat sie so lange gebraucht, um sich für mich zu entscheiden. Sie wusste nicht, ob sie sich auf jemanden wie mich einlassen konnte. Mit jemandem, der demjenigen so ähnlich ist, der ihre Mutter getötet hat. Es ist einfach nur furchtbar“ Jetzt fing er auch noch an zu schluchzen. Ich wollte ihn trösten, doch mein Körper gehorchte mir immer noch nicht. Severus machte ein paar Schritte in meine Richtung und stand jetzt vermutlich genau vor Jake: „ Nicht ganz. Die Werwölfe in unserer Welt unterscheiden sich von euch. Deswegen konnte ich euch vorhin auf der Lichtung nicht richtig zuordnen. Sie kennen doch bestimmt alle diese Klischees über Werwölfe. Dass sie sich nur in der Vollmondnacht verwandeln und man gebissen werden muss, um zu einem zu werden. Nun ja, diese Klischees stimmen leider“ Ein Raunen ging durch den Raum. „Jetzt mal eine ganz andere Frage“, meldete sich plötzlich Rosalie zu Wort. „ Woher kannten sich Michelle und Serafina sich denn? Wir sind aus allen Wolken gefallen, als sie sich wie alte Bekannte begrüßt haben“ Severus antwortete ihr: „ Nun, das ist schon vier Jahre her. Michelle hatte

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schon immer den Drang, in Fettnäpfchen zu treten und abenteuerliche Spaziergänge mit ihren Freunden zu machen. Eines Nachts haben sie eine kleine Mutprobe gemacht und sind in den Verbotenen Wald gegangen, der unserer Schule ganz nah ist. Und dort haben sie Serafina getroffen. Zum Glück hatte ich an diesem Abend Nachtschicht und ich hatte schnell gemerkt, dass sie nicht im Bett lagen. Ich kam gerade noch rechtzeitig, um Serafina zu vertreiben, sie aber leider nicht zu töten. Dass Michelle das geschafft hat, ist einfach unglaublich!“ „ Ja, sie ist wirklich etwas Besonderes“, hörte ich jemanden sagen. Ich hatte erwartet, das sei Jacob gewesen, allerdings hörte es sich nach Emmetts tiefer Vampirstimme an. In diesem Moment konnte ich endlich langsam die Augen aufschlagen. Ich stöhnte und sofort war Jacob bei mir. Ich sah alles noch etwas verschwommen, doch ich erkannte seine wunderschönen Gesichtskonturen trotzdem. „ Michelle...“, flüsterte er und schaute mich prüfend an. „ Jake“. Mehr als das brachte ich nicht hinaus, denn da lagen seine Lippen schon ganz sanft und vorsichtig auf meinen. Er wollte mir nicht wehtun und deswegen schlang er nicht seine Arme um mich. Emmett räusperte sich plötzlich und da löste sich Jacob verärgert von mir. Jake half mir, mich aufzusetzen. Mein Kopf hämmerte ganz schön und alles drehte sich. Doch ich konnte dennoch meine Freunde sehen, die alle um mich herum standen. Ich sah Quil, wie er den Kopf schief legte und mich ansah. Der Rest vom Rudel war nicht da. Als ich Severus Snape sah, wollte ich aufspringen. Doch meine Beine waren so zittrig, dass ich erschöpft wieder auf das weiche Sofa fiel. Alice und Jasper kicherten ganz leise. Severus kam auf mich zu und ging vor mir in die Knie. Jake

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hielt immer noch meine Hand. Ich betrachtete Severus Gesicht ganz genau. Seine langen Schwarzen Haare gingen ihm bis zum Kinn und seine Hakennase war noch genauso groß wie früher. Feine Fältchen zogen sich über sein Gesicht. Er trug seinen schwarzen Umhang, genau wie früher. Seine dunklen Augen leuchteten, als er mich ansah. „ Severus, lange nicht mehr gesehen“, sagte ich lächelnd. Ich umarmte ihn und er legte seine Arme vorsichtig um mich, um meinen noch empfindlichen Knochen nichts anzutun. „ Michelle. Du machst mir vielleicht Sachen. Sei froh, dass ich dich rechtzeitig gefunden habe. Zum Glück haben wir, als du unsere Welt verlassen hast, eingerichtet, dass ich sofort Bescheid weiß, wenn du deinen Zauberstab benutzt.“ „ Jaja, ich weiß, nur in absoluten Notfällen“. „Eben, und das war wohl einer. Ich bin froh, dich wiederzusehen. „ Er half mir auf und dann ging ich mit kleinen Schritten zu jedem einzelnen im Raum und umarmte sie alle. Von jedem bekam ich liebevolle Worte ins Ohr geflüstert. Von Edward zum Beispiel: „ Auch wenn das ziemlich dickköpfig und bescheuert von dir war. Danke, du hast uns alle gerettet.“ Carlisle drückte mich besonders lang. „ Danke“. Mehr Worte waren nicht nötig. Als ich auf Emmet zu schlurfte, verschränkte er die Arme und schaute mich skeptisch und ganz ernst an. „ Soso, eine Hexe also. Da muss ich mir wirklich überlegen, ob ich mich so etwas überhaupt abgeben will.“ Ich schaute ihn entgeistert an. „ Ach Quatsch, war doch nur ein Scherz. Komm her“, lachte er und strich mir liebevoll übers Haar. Als er mich auf die Wange küsste und mich dabei immer noch fest im Arm hielt, knurrten Jacob und Rosalie gleichzeitig. Sofort wand ich mich aus seinen Armen und stellte mich wieder zu meinem Freund. Ich küsste ihn kurz und flüsterte dann: „ Kommst du gleich mit zu mir?“. Er nickte und schaute mich liebevoll an, dann schaute er zu Carlisle und Severus.

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„ Sie kann doch gehen oder? Oder sollte sie noch hierbleiben und sich hinlegen?“ Beide antworteten im Chor: „ Alles in Ordnung“ und wir lachten darüber. Ich sagte zu Bella: „ Wo ist Nessy?“.„ Wir haben sie zu Freunden von uns in den Norden gebracht. Edward und ich holen sie gleich ab“. Ich nickte: „ Ok, dann komm ich morgen vorbei“ Ich lief auf Severus zu und umarmte ihn nochmal. „ Du hast mir das Leben gerettet, Severus. Ich weiß nicht, wie ich dir danken soll.“ Er antwortete: „ Ich schon. Indem du uns mal wieder in Hogwarts besuchst“. Ich zögerte: „ Mal sehen, ich komme darauf zurück“ Jacob gab ihm die Hand und dankte ihm ebenfalls und dann machten wir uns auf den Weg nach Hause. Als wir ankamen, kam mir plötzlich etwas komplett anderes in den Sinn. „ Jake, was ist eigentlich mit Alan? Was habt ihr ihm erzählt?“ „ Wir haben gesagt, du hättest mit mir ganz spontan einen Ausflug gemacht. Sag einfach, dir wäre schlecht oder so. Du bist etwas blass, aber sonst bist du genauso hübsch wie immer“ Für sein Kompliment wuschelte ich ihm einmal frech durch die Haare und wir gingen rein. Alan wartete schon in der Küche und umarmte mich sofort. „ Wie geht es dir Michelle? Du siehst ziemlich fertig aus.“ „ Ach ich hab mir nur den Magen etwas verdorben. Dad, kann Jacob noch eine Weile bei mir bleiben?“ „ Klar kann er das.“ Bevor wir hochgingen, begrüßten wir beide noch Cäsar, der auf uns zugetapst kam. Mal wieder begrüßte er Jake freudiger und übermütiger als mich. Das ärgerte mich etwas. Schließlich war er mein Hund. Ich seufzte, niemand konnte Jake widerstehen. Am allerwenigsten ich. Oben angekommen sah ich die offene Holztruhe, die in der Ecke stand. Ich

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wandte mich an meinen Freund, „ Jake, ich weiß, du hast bestimmt viele Fragen, die ich dir auch wirklich beantworten möchte, aber können wir damit noch bis morgen warten? Ich bin ziemlich müde“ Jake kam auf mich zu und stand mir so nah, dass mein kleines Herz wieder einen großen Hüpfer machte. „ Natürlich, das hat Zeit, meine kleine Hexe“ Ich grinste ihn an. Er schien damit also überhaupt kein Problem zu haben. „ Hauptsache, ich hab dich wieder. Ich dachte schon, ich hätte dich verloren. Als du dort auf der Lichtung lagst und Severus noch nicht aufgetaucht war, dachte ich darüber nach, wie es wohl sein würde, wenn es dich nicht mehr gibt.“ „ Und was hast du für eine Antwort gefunden?“, fragte ich ihn. „ Gar keine. Denn ohne dich gibt es auch keine Zukunft für mich“ Meine Augen füllten sich mit Tränen. Ich schlang meine Arme um ihn und legte meinen Mund auf seinen. Dieser Kuss war auf seltsame Weise anders als die Küsse vor diesem ganzen Abenteuer. Ich konnte es nicht richtig beschreiben, aber es fühlte sich so an, als seien wir uns nun noch näher als zuvor. Ich hatte mir nicht vorstellen können, dass das überhaupt ging, doch nun spürte ich mehr denn je, dass wir zusammengehörten. Ich machte mich fertig und dann legten wir uns beide ins Bett. Jacob hatte noch einen Film eingelegt, den wir jetzt genießten. Wir mussten uns nicht unterhalten, denn wir wussten ohnehin, was der andere dachte und fühlte. Dieser Moment war einfach perfekt und ich war glücklicher denn je. Vielleicht musste erst etwas wirklich Schlimmes passieren, damit man merkt, was man im Leben hat. Ich drehte mich zu Jake um und kuschelte mich an ihn. Ich sah, dass er verschmitzt grinste und sich durchs Haar fuhr. Das hatte er ja noch nie gemacht!

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„ Was ist denn?“, fragte ich ihn. Er schaute wie ein begossener Pudel als er merkte, dass ich ihn beobachtet hatte. „ Ach nichts!“, antwortete er keck und widmete sich wieder dem Film. Ich sah ihn nur verdattert an wandte mich auch wieder dem Fernseher zu. Ich konnte ja nicht ahnen, was Jacob im Schilde führte. Der gescheiterte Plan Der nächste Morgen brach heran und ich streckte mich. Ich entschied mich, noch ein Weilchen liegen zu bleiben und zu Dösen. Als ich mich umdrehte, berührte meine Hand plötzlich einen warmen Oberarm. Ich erschrak fast zu Tode. Ich riss die Augen auf und saß kerzengerade im Bett. Mein Herz beruhigte sich langsam wieder, als ich auf den schlafenden Jacob hinunterblickte. Wenn er schlief sah er so friedlich aus. Fast wie ein kleines Kind. Ich starrte ihn noch ein paar Minuten weiter an. Ich konnte immer noch nicht ganz glauben, dass dieser Junge wirklich mir gehören sollte. Ich grübelte darüber nach, ob ich ihn noch schlafen lassen oder lieber wecken sollte, damit wir etwas zusammen unternahmen. Ich entschied mich für die erste Variante und stand leise auf. Ich war überrascht, denn mir ging es wunderbar. Ich verspürte keinerlei Schmerzen und ich konnte auch keine Wunden an meinem Körper finden. Severus‘ Heilmittel bewirkten wirklich Wunder. Als ich unter der Dusche stand, dachte ich über all die Dinge nach, die sich in den letzten zwei Tagen ereignet hatten. Ich konnte es nicht fassen, dass sich alles so zum Guten gewendet hatte. Ich konnte meine Freunde retten und allen ging es gut. Und das Band zwischen Jacob und mir war stärker denn je.

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Ich föhnte mir die Haare, was bei meiner Kurzhaarfrisur ziemlich schnell ging, schminkte mich ein wenig und zog frische Klamotten an. Sofort waren meine Lebensgeister wieder erwacht und ich kehrte ins Zimmer zurück. Jake lag immer noch genau am selben Fleck und schlief. Ab und zu entflieh ihm ein kleiner Schnarcher. Ich schüttelte den Kopf und setzte mich neben ihn. Ich betrachtete ihn noch eine Weile und dann hatte ich einen Einfall. Ich legte mich ihm gegenüber und rutschte ganz nah an ihn heran. Dann berührte ich mit meinen Fingerspitzen sanft seine Lippen, sodass Jake aufwachte. Das erste, was er sah, waren meine braun-grünen Augen. Er schaute einen Moment lang etwas verwirrt, doch dann küsste er meine Fingerspitzen, die immer noch auf seinem Mund lagen. „ Träume ich etwa noch?“, fragte er etwas verschlafen. Zur Antwort strich ich ihm durchs Haar und küsste ihn auf die Nasenspitze. „ Oh nein, das hier ist die echte Welt, wie sie leibt und lebt!“ Jake setzte sich auf und ich fragte ihn: „Du warst die ganze Nacht hier? Ich hab mich ganz schön erschrocken, als ich aufgewacht bin.“ „ War das etwa daneben von mir?“ Ich schüttelte heftig meinen Kopf: „ Natürlich nicht. Meinetwegen könnte ich jeden Morgen neben dir aufwachen“ Er lächelte verschmitzt: „ Das läße sich einrichten, wenn dein Vater nicht wäre.“ Ich erschrak: „ Hat er mitbekommen, dass du hier geschlafen hast? Denn wenn ja, muss ich dir leider sagen, dass er unten im Keller ein Jagdgewehr stehen hat.“ Jake lachte und meinte: „ Nein, keine Angst. Er ist früh zum Angeln gegangen, wenn ich das richtig mitbekommen habe. Er will unbedingt dein neues Angel Set ausprobieren“ „ Echt? Aber muss er heute nicht arbeiten?“ Er schaute mich verdattert an. „ Schatz, heute ist Sonntag.“ „ Achso.“

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Jake kratzte sich am Kopf und fragte mich: „ Könnte ich schnell unter die Dusche springen? Macht dir das was aus?“ „ Quatsch, kein Problem. Die Handtücher findest du links im Badezimmerschrank. Wenn du willst, kannst du dir Klamotten von Alan borgen, die müssten dir eigentlich passen“ „ Das wird nicht nötig sein. Ich hab ein paar Klamotten von Carlisle unten im Auto“ Ich schaute ihn irritiert an und als er meine fragende Miene sah, erklärte er: „ Wir wussten nicht genau, wie lange du brauchen würdest, bist du aufwachst. Und da Carlisle eh wusste, dass ich dir nicht von der Seite weiche, hat er mir etwas zum Anziehen gegeben. Für alle Fälle.“ Diese Erklärung reichte mir und er verließ das Zimmer. Während er duschte, trommelte ich auf meinen Oberschenkeln herum, weil ich nicht wusste, was ich tun sollte. Ich schlenderte durch den Raum und stellte fest, dass ich mal wieder ein paar neue Schulhefte bräuchte. Doch heute war Sonntag und alle Geschäfte hatten zu. Ich schlug mir die Hand vor den Mund, denn da fiel mir etwas ein und ich rannte in den Flur. Ich wollte gerade zu Jake ins Bad stürmen, als mir auffiel, dass das wohl ziemlich unhöflich wäre. Auch wenn ich seine Freundin war, musste ich an meine guten Manieren denken. Also klopfte ich an. „ Ja?“, hörte ich Jake von drinnen rufen, während das Wasser in der Dusche immer noch lief. „ Ähm, was genau haben wir heute für ein Datum, kannst du mir das sagen?“ Jake überlegte eine Weile und antwortete mir, wobei ich

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immer noch draußen stand, weil ich mich nicht traute reinzugehen: „Heute ist der der 28.“ Was? Der 28. Dezember? Wirklich? Ich eilte wieder in mein Zimmer und fluchte wütend. Ich hätte doch wirklich fast den Geburtstag von Claudia, meiner besten Freundin in der Zauberwelt verpennt. Meine beste Freundin, die im Moment auf Hogwarts war. Ich seufzte. Wie sollte ich sie denn erreichen? Zauberer kannten so etwas wie Telefone nicht. Zwar lebte Claudia außerhalb der Schulzeit bei ihren Eltern in der Menschenwelt, doch in Hogwarts kannte man nur einen Weg der Verständigung. Na super, und wo sollte ich jetzt so schnell eine Eule herbekommen? Ich überlegte immer noch, was das Zeug hielt, da war Jake mit dem Duschen fertig. Als er ins Zimmer trat, wurde Claudia für kurze Zeit aus meinen Gedanken vertrieben. Jake hatte sich nur schnell ein paar Jeans angezogen und stand mit freiem Oberkörper und nassen Haaren vor mir. Ich betrachtete ihn vom Kopf bis zu den Zehenspitzen, was er sofort bemerkte. Er grinste und fragte: „ Gefällt dir, was du siehst?“. Ich verfiel prompt ins Stottern. „ Äähm..j-ja, klar“ Daraufhin lachte er und schloss mich in seine Arme. Wassertropfen fielen aus seinen Haarspitzen auf meine Stirn. Er küsste sie schnell weg. Als er damit fertig war, fragte ich ihn: „ Was wollen wir heute unternehmen? Wir haben den ganzen Tag Zeit. Na ja, eigentlich nicht weil ich Berge von Hausaufgaben habe, aber das ist mir heute mal egal. Wir könnten in den Park gehen oder in die Stadt, da gibt es am Wochenende doch immer Weihnachtsmärkte. Was meinst du?“

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Jake runzelte die Stirn und antwortete. „ Weißt du, ich dachte, wir könnten heute mal daheim bleiben. Dein Vater ist den ganzen Tag weg und wir hatten noch nie sturmfrei. Wir machen es uns gemütlich, ist doch eh eklig kalt draußen“ Ich stutze und sah ihn nur verwirrt an. Das sah Jacob überhaupt nicht ähnlich. Er war doch immer derjenige, der am liebsten soviel Action wie nur irgend möglich in einen Vormittag packen wollte. Und jetzt wollte er einfach nur im Haus bleiben? Und mit dieser Ausrede mit der Kälte hatte er sich selbst ein Eigentor geschossen. Er, der lebende Heizkörper. „ Ist irgendwas? Du scheinst irgendwie…von der Rolle zu sein“ Er zuckte mit den Schultern „ Nö, ich will einfach nur Zeit mir dir alleine verbringen, ohne viele Menschen drum herum.“ „ Achso“. Trotzdem, irgendwas beschäftigte ihn. Ich legte meine Arme um ihn und da bemerkte ich etwas. „ Hey, du bist ja total verspannt!“ „ Na ja, der Fußboden der Cullens ist nicht gerade bequem“ Ich stemmte meine Hände in die Hüfte. „ So, Mr. Black. Sie bekommen jetzt von mir eine erstklassige Massage. Und das Beste: Gratis“ Jake lachte und erwiderte: „ Du musst das nicht tun“ Zur Antwort zerrte ich ihm am Arm, sodass er schließlich seufzte und sich auf mein Bett legte. Er lag auf dem Bauch und lächelte mich liebevoll an. Na, dass nenn ich doch mal eine Einladung. Ich war etwas verunsichert. Als ich als kleines Mädchen meinen Vater immer massiert hatte, hatte ich mich kurzerhand auf ihn drauf gesetzt. Aber ich war keine sieben mehr und vor mir lag auch nicht mein alter Herr sondern mein Freund. Doch es kam mir albern vor, mich neben ihn zu setzen und ihn zu

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massieren, das wäre viel zu unbequem für mich gewesen. Also fasste ich meinen Mut zusammen und setzte mich langsam auf ihn drauf, damit ich ihm nicht wehtat. Hoffentlich war ich nicht zu schwer. Ich saß jetzt etwas höher als sein Po und legte meine Hände behutsam auf seinen Rücken. Als ich anfing, ihn zu massieren, stieß Jake ein leises Schnurren aus. Ich kicherte leise und sah, dass seine Augen geschlossen waren, er aber trotzdem grinste. Ich massierte ihn ziemlich lange, knetete in verschiedensten Variationen und vor allem am Nacken schien es im zu gefallen. Mir wurde selbst nach zwanzig Minuten nicht langweilig, denn Jakes Rücken war eine Augenweide für mich. Ich fuhr mit meinen Fingerspitzen über seine warme, weiche Haut und dachte daran, was mir einmal mein alter Kunstlehrer in Atlanta erzählt hatte. Er meinte, dass es solch fanatischen Kunstliebhaber gab, die es schafften, vier Stunden vor der Mona Lisa im Louvre zu stehen, ohne den Blick davon abzuwenden. So war das bei mir mit Jake. Ich hätte Stunden, wenn nicht sogar Tage damit verbringen können, ihn anzuschauen, denn er war vollkommen. Ich konnte nicht anders und küsste ihn sanft auf sein Schulterblatt. Jake zitterte ein wenig und das ermutigte mich, weiterzumachen. Meine Küsse führten bis zu seinem Nacken hinauf, wo ich meine Lippen zärtlich auf seine Haut legte. Da drehte Jacob sich plötzlich blitzschnell herum, und zog mich von seinem Rücken in seine Arme. Wir lagen eng umschlungen da und seine Lippen legten sich auf meine. Ich erwiderte den Kuss nur zu gerne und es schien, als würden unsere Lippen verschmelzen. Ich griff ihm in sein immer noch feuchtes Haar und zog ihn noch näher an mich. Seine Hände lagen an meiner Hüfte und sein Mund bewegte sich immer

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schneller und leidenschaftlicher auf meinem. Dann änderte er seine Haltung. Unsere Lippen lösten sich kurz voneinander, als er sich mit dem Ellenbogen auf dem Bett abstützte, mich unter sich zog, sodass er nun geradezu auf mir lag. Er küsste mich wieder und achtete darauf, dass er mich nicht mit seinem kompletten Gewicht niederdrückte, wofür ich ihm dankbar war. Er griff mir ins Haar, während ich meine Arme um seine Mitte schlang. Jake fuhr mit seinen Lippen an meinem Hals entlang, was bei mir eine Gänsehaut auslöste. Er küsste mich auf mein Schlüsselbein, was diesen Effekt nur noch verstärkte. Dann fuhr er mit seiner warmen Hand meine Jeans hinauf und strich über meine Oberschenkel. Jake kroch mit seinen Fingern unter meinen Pulli und liebkoste mit ihnen ganz langsam meine Haut. Ich zitterte und küsste Jake weiter. Er war nun mit seiner Hand an meinem Bauchnabel angekommen, doch sie verharrte dort nur ganz kurz. Während Jake mich immer noch leidenschaftlich küsste, gingen seine warmen und weichen Finger weiter auf Entdeckungsreise und berührten schließlich meinen, mit Seide bestickten, BH. Moment mal! Ich fasste ihn am Handgelenk und stoppte ihn somit. Ich löste mich von ihm und schaute ihn, völlig außer Atem, perplex an. Er biss sich auf die Lippen und wurde rot. „ Jake…“ Er sah immer noch beschämt aus. „ Jake, wolltest du mich etwa gerade verführen?“, fragte ich total begriffsstutzig. Ich hätte mich für meine Worte sofort ohrfeigen können. Natürlich hatte er das vorgehabt und sein erster, schüchterner Versuch war voll daneben gegangen. Da musste ich es nicht noch verschlimmern.

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Ich kuschelte mich an ihn und fragte: „ War das der Grund, warum du gestern Abend so abwesend warst und mir keine richtige Antwort auf meine Frage geben wolltest? Und warum du heute lieber daheim bleiben wolltest?“ Jake nickte und sah mich schüchtern an. „ Ja und ich hab es wohl voll vermasselt. Weißt du, nachdem du fast gestorben bist, hab ich mir über vieles Gedanken gemacht. Ich hab ständig Angst, dass jeden Moment wieder etwas Schreckliches passiert. Und da wurde mir klar, dass ich wirklich alles mit dir erleben möchte. Zusammen. Und da dachte ich, dass…nun ja…dass wir jetzt vielleicht einen Schritt weiter gehen könnten. Aber wie ich sehe, bin ich da total falsch gewickelt. Ich hätte mir denken können, dass du mich nicht so sehr willst, wie ich dich.“ Also jetzt reichte es aber wirklich. Ich setzte mich auf seinen Schoss und wuschelte ihm durchs Haar. „ Wie kommst du denn auf so einen Quatsch, Jacob? Natürlich will ich dich, bist du verrückt? Ich glaube, es gibt keinen Menschen auf der Welt, der jemanden so sehr liebt, wie ich dich. Aber…aber ich fühle mich einfach noch nicht bereit, für diesen Schritt. Lass mir einfach ein wenig Zeit. Ich war schon immer eine von den Spätzündern. Außerdem…“, ich lächelte ihn an. „ Vorfreude ist bekanntlich die schönste Freude“ Jake schien mit meiner Antwort zufrieden sein und er küsste mich kurz und sanft, bevor er flüsterte: „ Wenn du bereit bist“ Ich nickte: „ Wenn ich bereit bin“

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Nach einer Weile fiel mir mein Dilemma mit Claudias Geburtstag wieder ein und ich erzählte Jake davon. Er runzelte die Stirn: „ Brauchst du wirklich eine Eule? Sorry, aber damit kann ich nicht dienen“ Ich seufzte. „ Am besten schreibe ich ihr einfach einen Brief und schicke es auf normalem Weg zu ihr nach Hause. Dann bekommt sie es zwar später, aber sie soll nicht glauben, dass ich sie vergessen hätte“, sagte ich traurig. Jake nahm mich in den Arm und fragte: „ Wer ist diese Claudia eigentlich genau?“ „ Komm, ich zeig sie dir“ Ich führte ihn zu der schweren Holztruhe, die immer noch offen stand. Ich kramte darin herum und suchte etwas Bestimmtes. Puh, nach 3 Jahren müffelte es in diesem Ding ganz schön. Ich wühlte mich durch Berge von Pergament, Büchern, irgendwelchen kleinen Zauberspielsachen, bis ich endlich fand, was ich suchte. „ Hier, das ist sie“, sagte ich zu Jacob und reichte ihm ein Bild mit silbernem Bilderrahmen. Er nahm es und pustete den Staub davon fort. Ich setzte mich neben ihn und betrachtete es selbst, was ich seit drei Jahren nicht mehr getan hatte. Das Bild zeigte Claudia und mich beide auf zwei Besen, die in der Luft schwebten. Wir beide waren in der Quidditch Hausmannschafft gewesen. Quidditch war eine Sportart in unserer Welt, die man hoch oben in der Luft spielte. Claudia und ich waren vortreffliche Spieler, wir konkurrierten ständig, hatten aber nie Streit miteinander bekommen. Mittlerweile wird wohl sie die Bessere sein. Jake fing an zu keuchen, und da fiel mir ein, dass ich ihn nicht vorgewarnt hatte, dass sich die Bilder bei uns bewegten. „ Oh ähm, ja, so ist das eben bei uns“ „ okeeeey“, antwortete er nur, dann betrachtete er Claudia genauer.

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„ Was ist?“, fragte ich ihn. „ Mhm, also mit ihrem hübschen Lächeln und ihrer blonden Lockenmähne könnte sie glatt als Engel durchgehen“ Ich zog eine Augenbraue hoch und schaute ihn skeptisch an. Als er meinen Blick sah, lachte er. „ Aber an dich kommt natürlich keiner ran, Schatz“ Gut, dann war ich zufrieden. Ich nahm das Bild und stelle es auf meinen Schreibtisch, denn nun musste ich es vor keinem mehr verstecken. So war Claudia immer bei mir. Mein Handy klingelte und ich ging ran. Es war Emmett. „ Hey, kleine Hexe.“ „ Hey Emmett“. Als Jake diesen Namen hörte, fing er an zu knurren und ich hielt ihm den Mund zu. „ Nessy fragt die ganze Zeit, wann du kommst und dieses kleine Gruselmonster hat noch eine Bitte an dich“ Im Hintergrund konnte ich eine junge Mädchenstimme hören: „ Hey, ich bin kein Gruselmonster!“ Ich kicherte und meinte. „ Ok, was will sie denn?“ „ Sie wünscht sich, dass du deinen Zauberstab mitbringst. Sie möchte unbedingt, dass du ihr ein paar Zauberkunststücke zeigst“ „ Mhm, das würde ich wirklich gerne, aber ich darf ihn leider nur in Notfällen benutzen“ Darauf antwortete Emmett: „ Ja, ich weiß. Nachdem du gegangen warst, hat Snape gemeint, er könnte ruhig mal ein Auge zudrücken und du dürftest ein klein wenig zaubern“ In dem Moment hatte ich einen Einfall. „ Hey, könntest du mir kurz mal Carlisle geben?“ Zwei Sekunden später war dieser dran. „ Hallo?“ „ Hallo Carlisle. Ich hab hier daheim ein paar Bücher, und ich dachte mir, die würden dich vielleicht interessieren. Du weißt schon, über unsere Zaubererwelt und so weiter“

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„ Michelle, das wäre Weltklasse, du bist die beste“ Dann legte er auf und ich fing an, die Sachen zusammenzupacken. „ Meiner Meinung nach, mag dich Emmett viel zu sehr!“ brummte Jacob auf einmal. „ Ach quatsch, er ist nur ein Freund, weiter nichts“, antwortete ich und küsste ihn. „ Trotzdem, ich komme mit zu den Cullens.“ Wir gingen vorher noch eine Runde mit Cäsar, denn ihn konnten wir nicht mit zu den Cullens nehmen. Dort angekommen, wurde ich auch direkt von Nessy angefallen. Sie nahm mich eine ganze Stunde in Beschlag, in der ich ihr die verschiedensten Sachen zaubern sollte. Zunächst verwandelte ich eine Blumenvase in eine Uhr, die die Zeit vorsang. Dann zauberte ich Nessy noch gefühlte 100 Kuscheltiere herbei und von dem kleinen Hamster, den ich ihr darauf schenkte, war sie so begeistert, dass die ganzen Kuscheltiere schon wieder vergessen waren. Endlich hatte ich Zeit, um Carlisle meine Bücher zu geben. „ Hier Carlisle, ich hab dir mal drei Stück mitgebracht, du kannst sie so lange behalten wie du willst. Das hier ist alles Wissenserte über die Geschichte der Zauberei, das hier über meine Schule und das hier ist was ganz Besonders. Ein Buch über alle Kreaturen, die in der Zaubererwelt leben. Einschließlich Vampiren“ ich lächelte ihn an. Er war so begeistert, dass er mich umarmte und sich gleich mit den Büchern auf die Couch setzte und anfing zu lesen. Emmett war nicht so glücklich gewesen, als ich mit Jacob Hand in Hand im Türrahmen auftauchte. Er stand die ganze Zeit säuerlich in der Ecke und beobachtete uns, bis Rosalie uns Esme von der Jagd wiederkamen und ihn

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ablenkten. „ Hey,wo ist Jasper? Ich hab hier etwas für ihn und Alice.“ Und schon kamen diese die Treppe hinunter gejagt. „ Was gibt es denn, Michelle“, fragte Jasper mich. „ Nun, ich dachte mir, vielleicht braucht ihr mal ein neues Schachbrett und da dachte ich, ihr bekommt meins.“ Die beiden sahen mich irritiert an und Alice meinte: „ Äh, danke, aber eigentlich haben wir schon vier davon.“ „ Aber ganz bestimmt nicht so eins wie dieses hier. Kommt, wir gehen ins Wohnzimmer.“ Gesagt, getan. Wir setzten uns hin und ich machte mein Schachspiel auf. Alice stieß einen Schreckensschrei aus als die kleinen Figürchen sich von selbst aufstellten und begannen, dem Gegner Schimpfwörter zuzuschreien. Auch Jasper und Jacob schauten nicht schlecht. Mittlerweile saß die gesamte Familie um uns herum. Ich erklärte ihnen, dass sie den Figuren nun einfach Befehle geben musste, und sie taten es. Nach einer Viertelstunde, als noch nicht eine einzige Figur gefallen war, meinte ich zu Jasper: „ So, Jasper, mach mal einen Zug, der taktisch völlig unklug ist.“ Er überlegte eine Weile und dann sagte er. „ Bauer auf C3“ Und dann ging das große Donnerwetter los. Der Bauer drehte sich zu Jasper um uns stemmte seine winzigen Ärmchen in die Seite: „ Hast du noch alle Tassen im Schrank? Siehst du den Läufer dort drüben nicht? Der macht Feuerholz aus mir, wenn du diesen Zug machst!“

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Sein Meckern ging im lauten Gelächter von Jacob und den Cullens unter. „ Sag mal, kannst du eigentlich noch irgendetwas cooles, Michelle? Ich meine, irgendetwas Monsterartiges?“, fragte Emmett mich, während er Rosalie im Arm hielt. „ Nun ja, eine Sache kann ich, die ist ziemlich cool. Ich kann mich in ein bestimmtes Tier verwandeln. Ich habe lange gebraucht, um es zu lernen, aber es lohnt sich.“ Alle im Raum schauten mich neugierig an. „ Was für ein Tier? Zeig es uns“, fragte Bella. Ich lachte: „ Nein, lieber nicht, sonst rennt mir Edward noch hinter her und frisst mich glatt auf.“ Als Edward meine Gedanken las, fragte er verdattert: „ Du kannst dich wirklich in einen Panther verwandeln“ „ Jap.!“, sagte ich selbstbewusst und wieder lachten alle. Ich ließ mich nicht dazu überreden, als schwarzer Panther durch die Gegend zu laufen. Als Jacob kurz auf Toilette war, meinte Bella zu mir: „ Ach, Michelle. Ich bin so froh, dass es nun auch bei Jacob passiert ist. Bei den anderen Wölfen ist es schon längst geschehen und wir haben uns Sorgen gemacht, warum es bei Jacob noch nicht passiert ist, und dann kamst du!“ Als ich sie nur verdattert anstarrte, erschrak Edward. „ Bella, sie weiß es noch gar nicht“ „ Was weiß ich nicht?“, fragte ich besorgt und aufgebracht. Bella schluckte. „ Hat dir Jacob noch nichts über Prägung erzählt?!“

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Ying und Yang Ich starrte die beiden immer noch völlig verständnislos an und der Rest der Cullens richtete ihre Aufmerksamkeit nun auf uns. Bevor jemand etwas sagen konnte, kam Jake wieder in den Raum. Er bemerkte sofort die veränderte Stimmung im Zimmer und fragte mich: „ Ist irgendetwas?“ Ich wollte ihm gerade wütende Wörter an den Kopf schmeißen, da kam mir Edward zuvor. „ Michelle hat uns gerade erzählt, dass ihr noch essen gehen wollt. Es ist schon spät, wollt ihr nicht mal los?“ Jake war etwas irritiert. „ Wollten wir das?“ Ich reagierte schnell und erwiderte: „ Ja, das hab ich entschieden, als du unter der Dusche standest“ Ich hörte plötzlich, wie Emmett die Nase rümpfte und Edward ihm darauf hin einen bösen Blick zuwarf. Was sollte das denn jetzt schon wieder? Aber ich hatte keine Zeit, darüber nachzudenken, ich musste jetzt erst mal Jacob eingeschnappt angucken. Das brachte ihn nur noch mehr aus der Fassung und kratzte sich am Kopf. „ Ok, dann lass uns gehen. Wenn wir noch irgendwo einen Tisch bekommen wollen, müssen wir uns beeilen“ Ich nickte und verabschiedete mich von allen. Wie jedes Mal wollte mich der kleine Halbvampir der Familie nicht fortlassen. Sie quengelte die ganze Zeit und noch nicht mal Bella oder Edward konnten sie beruhigen. Ich bückte mich zu Nessy herunter: „ Keine Angst, ich komme bald wieder und dann bring ich ein paar Spiele für dich mit, mit denen man in meiner Welt aufwächst. Dann haben wir ganz viel Spaß.“ „ Aber ich will nicht, dass du jetzt gehst. Jacob kann doch bestimmt warten, oder?“, fragte sie wie eine Erwachsene und schaute Jake dann vorwurfsvoll an. Ich sah ihr an, dass sie Angst hatte, sie könne mich an ihn verlieren und sie

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wäre mir nicht mehr wichtig. Ich wollte ihr gerade antworten, da kam Emmett auf uns zu, nahm Nessy und setzte sie auf seine breiten Schultern. Er küsste ihr die kleine Hand und meinte: „ Ich sehe das genauso wie du Nessy, er könnte bestimmt warten. Aber keine Angst, die kleine Hexe kommt bald wieder, dafür werde ich schon sorgen.“ Süß! Ich legte den Kopf schief und lächelte Emmett an. Wenn er nicht gerade den Vampir mit zu viel Selbstbewusstsein spielte, war er wirklich liebevoll. Und er war bestimmt ein toller Onkel für Nessy. Während ich das dachte, passierten mehrere Dinge gleichzeitig. Emmett lächelte mich ebenfalls an und zwinkerte mir zu. Jacob nahm meine Hand und schaute ihn finster an. Ich sah wie sich sein Kiefer anspannte und verstand nicht recht warum. Da huschte Emmetts Blick zu ihm und sein Lächeln wurde zu einem selbstgefälligen Grinsen. In der Ecke konnte ich Rosalie erblicken, die mich verunsichert und säuerlich taxierte. Edward fing plötzlich an, Emmett leise anzuknurren, als wollte er ihn warnen. Bevor ich überhaupt verstand, was hier ablief, unterbrach Nessy die Szenerie wieder mit ihrem Quengeln. Schließlich konnten wir uns doch noch loseisen und wir saßen in Jakes Auto, während dieser fuhr. Ich war das erste Mal richtig sauer auf ihn. Warum musste ich immer alles von anderen erfahren? Ich hatte seinem Geheimnis selbst auf die Schliche kommen müssen, weil er zu feige war, es mir zu sagen. Dass es Vampire gab, hat mir Jacob auch nur erzählt, weil Sam ihm es befohlen hat. Immer wollte er mich im Dunkeln lassen! Und was sollte das mit dieser Prägung? Bella war begeistert davon, was immer es auch war. Jake merkte, dass ich meine Arme verschränkte und aus dem Fenster starrte. "Michelle, was ist los?“ Was los war? Ach nichts, mein Freund vertraute mir nur nicht und hielt es nicht für nötig, mir etwas zu erzählen, worüber das ganze Rudel, deren Freundinnen und die gesamte Familie Cullen Bescheid wussten. „ Du hast dich Emmett gegenüber unmöglich verhalten. Er wollte nur Nessy

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beruhigen.“, antwortete ich ihm als Vorwand. Mit dem eigentlichen Grund, warum ich sauer war, würde ich ihn im Restaurant konfrontieren. Er runzelte die Stirn, während er auf die Fahrbahn blickte. „ Finde ich eigentlich nicht. Er schaut dich immer so an, wie man es als ein ganz normaler Freund eigentlich nicht tut. Und hast du seinen Blick gesehen, als wir beide ins Haus kamen? Könnten Blicke töten, läge ich jetzt längst unter der Erde. Ich hab nur das Recht, mein Eigentum vor ihm zu schützen“ Ich starrte ihn an. „ Dein Eigentum?!“, meine Stimme war schrill. Sofort rutschte er nervös auf dem Autositz herum. „ Du weißt, wie ich das meine, Schatz“. „ Nein, weiß ich nicht, erklär es mir doch mal!“ Er schaute mich unsicher an. „ Ich hab doch nur Angst, dass er auf dumme Gedanken kommt und zu aufdringlich wird. Am Ende nimmt er dich mir noch weg“ Ich schnaubte. „ Als könnte er das schaffen.“ Jetzt lächelte er und legte seine freie Hand auf meine. Ich ließ es zu, auch wenn mir im Moment nicht danach war. Als wir im Restaurant ankamen, hielt er mir die Eingangstür auf und schenkte mir sein schönstes Lächeln. Ich erwiderte es nicht und ging hinein. Wir hatten uns für ein kleines, aber gemütliches mexikanisches Restaurant entschieden. Es wurde ein Samba gespielt und überall im Raum schienen Kerzenlichter. Der Kellner führte uns beide an einen Tisch in der Ecke, nahe eines großen Kamins. Er gab uns die Speisekarten und fragte uns kurze Zeit später, was er uns bringen könnte. „ Für mich bitte die Tortellini Panna“, sagte ich. Mein absolutes Leibgericht, leider aber auch mit mörderisch vielen Kalorien. Jake überlegte kurz und meinte „ Für mich bitte einmal den Tacco -Salat. Medium bitte!“ Der Kellner schaute ihn kurz irritiert an, nickte aber dann und ging. Er wunderte sich bestimmt, wie ein Mensch den Medium Teller schaffen sollte.

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Der würde sich wundern. Jake sah mir in die Augen und sofort fiel es mir wieder schwer, sauer auf ihn zu sein .Er nahm meine Hand und streichelte mir den Handrücken. Wir unterhielten uns eine Zeit lang über Dies und Jenes, bis ich schließlich mit der Tür ins Haus fiel. „ Jake, was ist Prägung?“ Der Schock stand ihm ins Gesicht geschrieben. Sein Körper versteifte sich und er krallte sich in die Tischdecke. Genau in dem Moment kam der Kellner und brachte unser Essen. Jake sah ihn nicht mal an, sodass ich ihm selbst danken musste. Jake fasste sein Essen nicht mal an und ich ebenfalls nicht. „ Also?“, fragte ich ihn. Endlich schien ihm wieder einzufallen, wie man Buchstaben aneinanderreihte. „ Darüber habt ihr also gesprochen, als ich vorhin kurz auf Toilette war“ „ Darüber gesprochen ist leicht übertrieben. Bella hat das Wort einfach in den Raum geworfen und hat gemeint, sie wäre froh, dass es nun auch bei dir passiert wäre.“ Jake knurrte und jetzt sah er mehr denn je wie ein Werwolf aus. „ Können diese Blutsauger denn nicht einmal etwas für sich behalten?“ „ Hey, jetzt schieb die Schuld nicht auf sie! Ist Prägung denn so was Schlimmes?“ „ Nein, natürlich nicht. Im Gegenteil“ „ Und warum willst du es mir dann nicht erzählen?“, fragte ich ihn skeptisch. Er hob sein Kinn und meinte zu mir: „ Michelle. In den letzten paar Wochen hast du erfahren, dass es sowohl Vampire, als auch Werwölfe gibt. Meinst du nicht, noch etwas Übersinnliches wirft dich vielleicht aus der Bahn?“ Ich unterbrach ihn: „ Falsch. Ich wusste von der Existenz von Werwölfen und Vampiren. Nur nicht, dass es sie auch in der Menschenwelt gibt. Außerdem bin ich auch nicht gerade

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normal. Ich bin Übersinnliches gewohnt.“ „ Ok, Punkt für dich. Aber ich hab es dir noch nicht erzählt, weil du das mit der Prägung falsch verstehen könntest. Aber ich hatte es vor“ Ich biss in die erste Tortellini Nudel und verbrannte mir glatt die Zunge. Nachdem ich etwas getrunken hatte, hakte ich nach. „ Ich warte“ Jake seufzte und spielte nervös mit seiner Gabel rum. „ Nun, manche Werwölfe werden geprägt, doch man hat keine Garantie, dass es passiert. Bei Sam, Quil und mir ist es schon geschehen, aber bei Paul und Embry noch nicht. Es ist nicht leicht, zu erklären. Am Besten ist es, ich versuch dir zu beschreiben, was mit mir passiert ist, als ich dir das erste Mal in die Augen sah. Du hast dich bestimmt gewundert, warum ich mich so daneben benommen habe.“ Ich zog eine Augenbraue hoch. „ Seltsam benommen? Ich hab gedacht, du stürzt dich jeden Moment auf mich, um mich kalt zu machen“ Jake kicherte. „ Ja, das muss wirklich komisch ausgesehen haben. Aber es war einfach so neu und überwältigend für mich. Quil und Sam hatten uns immer erzählt, wie es sich anfühlt, wenn man geprägt wird aber mit so einem Gefühl hatte ich bestimmt nicht gerechnet. In mir drin hat sich ein Glühen ausgebreitet und ich wusste sofort, dass du die Eine bist. Mehr oder weniger kann man Prägung mit Liebe auf den ersten Blick vergleichen, nur dass es noch ein viel intensiveres Gefühl als Liebe ist. Man könnte sagen, ich bin das Ying, und du mein Yang. In diesem Moment, als ich dich sah, hat das Schicksal zugeschlagen und ich war an dich gebunden. Du darfst jetzt nicht glauben, dass Prägung nur etwas mit Romantik zu tun hat. Quil wurde auf Emily’s Nichte Claire geprägt, die zwei Jahre alt ist. Er denkt nicht auf die Art an sie wie ich an dich. Er möchte sie beschützen, immer an ihrer Seite sein und zusehen, wie sie aufwächst. Und dann, in 15 Jahren oder so, wird er ihr fester Freund werden und sie werden genauso glücklich sein wie Sam mit seiner Emily. Und wie ich mit dir. Ich weiß, dass klingt jetzt alles ziemlich schräg aber besser kann ich es nicht erklären.“

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Peng! Das haute rein. Die volle Breitseite. Ich schluckte und zitterte leicht. „ Ich will jetzt bitte gehen“, sagte ich mit leiser Stimme. Jake war völlig verwirrt und vor den Kopf gestoßen. „ Was? Aber warum. Wir haben noch nicht mal fertig gegessen“ Ich achtete nicht auf ihn und holte mein Portemonnaie aus der Tasche. „ Sei nicht albern, ich mach das“, sagte Jacob und holte sein eigenes aus seiner Jeans. Ich stand auf, obwohl die Bedienung noch nicht einmal an unserem Tisch war, und verließ das Restaurant. Jake saß völlig fassungslos da und versuchte sich auf die Rechnung zu konzentrieren, die ihm der Keller im Moment vor die Nase hielt. Ich trat raus und spürte die kalte Abendluft. Es roch nach Schnee, eindeutig. In ein paar Tagen war Silvester und meine Stimmung war auf dem Nullpunkt. Mittlerweile war es stockfinster und ich lief auf Jakes Auto zu, welches auf dem großen Parkplatz vor dem Restaurant stand. Ich war fast angekommen, da hörte ich Jake, wie er meinen Namen rief und wie er auf mich zugerannt kam. Ich drehte mich nicht zu ihm um, denn sonst würden die Tränen mich bestimmt überwältigen. Doch da fasste er mich am Arm und zwang mich somit, ihn anzusehen. Jetzt lief mir doch tatsächlich die erste Träne die Wange herunter. „ Michelle“, sagte er mitfühlend. Ich wischte mir die Träne schnell weg, doch da sagte er schon: „Hab ich was Falsches gesagt? Sag mir doch, was los, ist, es macht mich ganz verrückt. War das mit der Prägung vielleicht doch etwas viel für dich?“ Ich ballte die Fäuste und dann schrie ich ihm geradezu meinen Kummer ins Gesicht: „ Was los ist? Jacob, begreifst du das denn nicht? Du bist nur mit mir zusammen, weil irgendeine übersinnliche Macht das so will. Du wurdest quasi gezwungen, mit mir zusammen zu sein und deine Entscheidung wurde dir

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abgenommen. Wenn du nicht auf mich geprägt worden wärst, was dann? Vielleicht hättest du mich auf der Straße gesehen, mich kurz angeschaut und wärst dann einfach weitergegangen, weil du dich überhaupt nicht für mich interessierst. Vielleicht hättest du mich sogar gehasst. Und das macht mich fertig. Wir sind nun nicht mehr auf einem Level. Ich liebe dich, weil ich es wirklich tue und will aber du liebst mich nur, weil es das Schicksal so wollte und du es musst.“ Nach meiner kurzen Rede ließ Jake die Schultern hängen und schüttelte den Kopf. „ Nein, Michelle, so ist es nicht.“ „ Und wie dann?“ Jake schaute mich an. „ Ich weiß einfach nicht, wie ich es erklären soll. Wir sind füreinander gemacht, du wurdest sozusagen nur für mich geschaffen. Und wenn ich nicht auf dich geprägt worden wäre, dann hätte ich mich sicher in dich verliebt. Du bist hübsch, witzig, liebevoll, rücksichtsvoll und klug. Ich hätte mich auf jeden Fall für dich interessiert und mich in dich verliebt, glaub mir. Die Prägung verstärkt es einfach nur. Das Band zwischen uns wird dadurch stärker und stärker.“ Ich glaubte ihm, doch ich hatte immer noch meine Zweifel. „ Bist du dir da sicher, Jacob? Du hattest nie eine Wahl, ich schon. Ich hätte mich genauso gut für Brian oder David entschieden können, doch ich wollte dich. Du hattest nicht die Chance, mich mit anderen Mädchen zu vergleichen und dich dann zu entscheiden.“ Jake kam auf mich zu und nahm mich in seine starken Arme. Er strich mir übers Haar und flüsterte: „Ich bin mir so sicher, wie es Ebbe und Flut gibt. Du bist alles. Meine Luft zum Atmen,meine Sonne, mein Licht und der Sinn meines Lebens" Jetzt war ich wieder den Tränen nahe. „ Das hast du schön gesagt, ich liebe dich“ Dann küsste ich ihn und wir standen lange so dort. Ich löste mich von ihm, als mir noch etwas einfiel.

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„ Jake, nachdem ich gegen Serafina gekämpft habe und fast…fast gestorben wäre, da hast du Carlisle gebeten, mich in einen Vampir zu verwandeln. War das dein Ernst?“ „ Ja“, war seine nüchterne Antwort. „ Aber warum? Vampire sind die Todfeinde von Werwölfen. Ich glaube nicht, dass du mich dann noch geliebt hättest. Prägung hin oder her“ Er schaute mich ernst an. „Michelle, ich hätte dich immer noch geliebt, ich werde dich immer lieben. Aber Edward hat mir erklärt, dass ein Vampirleben dein schlimmster Albtraum gewesen wäre und so hätte ich dich fast gehen lassen müssen“, schluckte er. „ Aber das musstest du zum Glück nicht“, beruhigte ich ihn und legte meine Lippen wieder auf seine. Jacob fuhr mich heim und brachte mich noch vor die Tür. Ich drehte mich zu ihm herum. „ Jake, du musst mir was versprechen. Du darfst mir in Zukunft nichts mehr verheimlichen ok? Wir müssen über alles reden können“. „ Ja, natürlich, es tut mir auch Leid. Ich hab immer viel zu viel Angst, dass ich dich verletzten könnte“ Um ihm zu widersprechen schenkte ich ihm eine dicke Umarmung. Ich fragte: „Kommst du morgen wieder?“ „ Ja, aber ich hab Schicht bis spätnachmittags und dann muss ich noch mal was für die Schule machen. Ich bin spätestens um 6 bei dir“, Ich zog einen Schmollmund, worauf Jake anfing zu lachen. „ Hey, so lang wirst du es schon ohne mich aushalten. Aber sag mal, wie wollen wir eigentlich Silvester feiern?“ Mit dieser Frage war ich wirklich überfordert. „ Mhm, also natürlich mit dir, Billy und Alan und natürlich dem ganzen Rudel. Hoffentlich verstehen das Bella und die anderen.“ „ Wir werden schon eine Lösung finden.“ Jake küsste mich nochmal, wobei er mich hochhob und uns beide im Kreis drehte. Ich begrüßte meinen Vater, der mich anlächelte als er sah, wie ich über das ganze Gesicht strahlte. „Na, einen schönen Abend gehabt?“ „ Ja Dad, hatte ich“, antwortete ich und nahm mir eine Dose Cola aus dem Kühlschrank,

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während Cäsar mir hinterher dackelte. Er war mittlerweile ganz schön gewachsen und wir mussten aufpassen, dass er nicht zu viel Bauchspeck ansetzte. Mein Dad lehnte sich neben mich an die Küchentheke: „ Er scheint dir wirklich gut zu tun und er passt gut auf dich auf. Na ja, das muss ich ja auch von meinem zukünftigen Schwiegersohn erwarten können“ Vor lauter Schreck spuckte ich die ganze Cola aus, die sich in meinem Mund befand. Cäsar schüttelte sein Fell, als er ein paar Spritzer abbekam. „ Dad, w-was hast du da gerade gesagt?“ Alan lachte drauf los: „ Ach Michelle, das war doch ein Scherz, du bist doch erst 16!“. „Eben“ Doch als ich Cäsar auf den Arm nahm und nach oben ging, konnte ich hören, wie Alan noch etwas vor sich hin murmelte. Es hörte sich verdächtig nach „ Trotzdem hätte ich nichts dagegen“ an. Ich war todmüde und so machte ich mich fertig. Ich spielte noch ein wenig mit Cäsar. Dann legte ich mich ins Bett und Cäsar gähnte. Eigentlich durfte ich das nicht, doch ich hob ihn auf mein Bett und legte ihn ans Ende, wo er sich auch direkt müde zusammenrollte. „ Guten Nacht, kleiner Cäsar“, flüsterte ich, streichelte ihn über seinen weichen Kopf und im nächsten Moment befand ich mich schon im Land der Träume. Der ganze nächste Tag zog sich nur dahin. Der Schultag war langweilig und Toby war krank, also konnte ich meine Dosis Humor heute nicht bekommen. Ich dachte in der Mittagspause darüber nach, dass Jake so viel Schulstoff verpasste, wenn er durch die Wälder zog. Ich fragte mich, wie er das überhaupt anstellte mit den Entschuldigungen. Billy konnte ja kaum einen Brief an den Lehrer schreiben, in dem stand:

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„ Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass mein Sohn Jacob Black des Öfteren dem Unterricht fern bleiben wird, weil er als Werwolf durch die Gegend rennen muss, um Sie und Ihre Familie vor Vampiren zu beschützen“ Daheim angekommen lernte ich und machte den Haushalt. Endlich war es 18 Uhr. Doch Jacob war nicht da. Und um 19Uhr war er immer noch nicht aufgetaucht. Langsam machte ich mir Sorgen und lief in meinem Zimmer auf und ab, während Cäsar mich dabei beobachtete. Es war doch nicht schon wieder etwas Schlimmes passiert, oder? Um halb 8 klingelte es endlich. Ich nahm meinen Hund auf den Arm und rannte die Treppe runter, weil es für den kleinen Racker immer noch zu anstrengend war. Ich setzte ihn behutsam ab und riss dann die Haustür auf. Ich erschrak, als ich Jakes Gesicht sah. Er schaute finster drein und sein schwarzes Haar war völlig zerzaust. Er atmete schwer und sein Hemd war zerrissen. „ Jake, um Himmel Willen was ist passiert?“, fragte ich fassungslos. „ Kann ich reinkommen?“ „Ja, aber klar“, antwortete ich perplex und ließ ihn rein. Er begrüßte Cäsar nur kurz, dann sah er mich an. „ Was ist los?“, fragte ich ihn panisch. Waren wieder Vampire unterwegs, die sie umbringen wollten oder war jemand gestorben oder sonst was? Doch mit Jacobs nächstem Satz hatte ich absolut nicht gerechnet. „ Das Rudel ist gewachsen“, sagte er missmutig. „ Ähm, ok, und wer ist es? Kenn ich ihn?“ „ Es ist eine Sie. Sie heißt Leah Clearwater“ Ein Mädchen? Den Namen Leah hatte ich noch nie zuvor gehört, allerdings war ich auch noch nicht sooft im

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Reservat unterwegs gewesen. „ Mädchen können auch zu Werwölfen werden?“, fragte ich ihn. Er nickte. „ Ja, sie ist auch ein Nachkomme von einem der Stammesältesten“ Ich kicherte. „Und warum bist du so aufgebracht deswegen? Versucht sie euch ein paar Manieren beizubringen? Da wünsch ich ihr viel Glück“ „ Nein, das ist es nicht. Kaum hatte sie sich verwandelt und ist ein wenig durch die Gegend gelaufen, wurde sie geprägt. So schnell ging das noch nie“ Ich klatschte in die Hände. „ Und was ist daran so schlimm? Du hast mir doch gestern erst so wunderschön erklärt, was das heißt. Freu dich doch für sie. Das macht ihr das neue Wolfsleben bestimmt einfacher. Ich kann es überhaupt nicht erwarten, Leah kennenzulernen.“ Jake fasste mich an meinen Armen und versuchte mich in meiner Euphorie zu beruhigen. „ Hey, Michelle ganz ruhig. Hör mir zu, es ist ernst. Leah wurde geprägt.“ Bei seinen nächsten zwei Worten fiel ich aus allen Wolken. „ Auf mich!“ Der Deal „ W-was sagst du da?“. Mehr brachte ich in diesem Moment nicht heraus. Ich musste mich eben verhört haben, so absurd hatten Jacobs Worte geklungen. Dieser sah mich traurig an und ließ den Kopf sinken. „ Es stimmt. Leah Clearwater wurde auf mich geprägt.“ Doch auch beim zweiten Mal glaubte ich ihm nicht. Ich schloss mit zitternden Händen die Haustür und ging in die Küche. Ich setzte mich langsam auf einen der Stühle und versuchte diese Neuigkeit zu verdauen. Wie konnte so etwas überhaupt passieren?

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Von allen Menschen, die auf dieser Welt lebten, wird ein Werwolfsmädchen ausgerechnet auf meinen Freund geprägt. Gab es nicht irgendein Gesetz, was besagt, dass ein Werwolf nicht auf ein anderes Rudelmitglied geprägt werden darf?! All die Worte, mit denen Jake mir gestern versucht hatte, dieses Phänomen zu erklären, waren wunderschön gewesen. Doch jetzt klangen sie wie ein Schimpfwort. Jake lehnte an der Wand und schaute finster drein, während ich immer noch auf eine Stelle starrte und nicht ansprechbar war. Schließlich fand ich meine Stimme wieder und wandte mich an ihn. „Heißt das, sie empfindet exakt dasselbe für dich wie du für mich?“ Jake nickte und setzte sich mir gegenüber. „ Ja, so ist es. Leider“. Ich schluckte: „ Und verstehe ich das richtig, dass du nun der Sinn ihres Lebens bist, ihr Licht und ihre Sonne? Der Mittelpunkt von allem?“ Ich benutzte dieselben Worte, mit denen mir Jake gestern bei seiner Liebeserklärung das Herz zum Erweichen gebracht hatte. Er kniete sich vor mich und legte seinen Kopf auf meine Knie. „ Michelle, ich verspreche dir, dass wir einen Ausweg finden .Aber im Moment weiß ich einfach nicht, wie wir damit umgehen sollen“ „ Was sagt der Rest des Rudels dazu?“ „ Die sind genauso sprachlos wie ich. Es ist schlimm. Leah sieht in meinen Gedanken, wie ich an dich denke und der Rest von uns Wölfen sieht, wie sie an mich denkt. Es ist zum Verrückt werden!“ Ich wusste nicht, was ich fühlen sollte. Wut? Leah war nun eine Rivalin für mich. Angst? Sie würde ab sofort jeden Tag mit Jacob zusammen sein, das ließ sich nicht vermeiden, denn Sam brauchte sie alle, um die Menschen zu beschützen. Aber ich empfand auch Mitleid für diese Leah. Ich konnte mir nicht vorstellen, was es für sie bedeutete, dass der wichtigste Mensch in ihrer Welt auf jemand anderes geprägt war. „ Jake, wir müssen mit ihr reden“ Er verkrampfte sich zwar, nickte aber. „ Ja, du

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hast Recht. Wir haben uns schon darüber unterhalten, aber zu einem richtigen Ergebnis sind wir nicht gekommen, weil ich irgendwann ausgeflippt bin“ „ Was hat sie zu der ganzen Sache gesagt?“ „ Nun, als sie gehört hat, dass ich ebenfalls geprägt wurde, war das ein Schock für sie und wir konnten sie eine Weile nicht ansprechen. Doch weil es nun mal das Wichtigste für sie ist, dass es mir gut geht und ich glücklich bin, hat sie es akzeptiert und wünscht sich, dass ihr miteinander redet.“ Jetzt tat sie mir wirklich Leid, die Arme. Ich stand auf und holte meine Jacke. „ Ok, dann lass uns gehen“ Kurz bevor wir das Haus verließen, fiel mir noch etwas ein. „ Jake, ich kann Cäsar nicht einfach allein daheim lassen!“ „ Ok, dann nimm ihn mit. Dann kommt er wenigstens an die frische Luft.“ Ich hielt meinen kleinen Hund fest im Arm, als Jake uns zum Reservat fuhr. Wir hielten vor einem kleinen, nobel aussehenden Haus. Es war ganz in weiß gestrichen und der kleine Vorgarten war perfekt gepflegt. Ich atmete einmal tief ein, hier wohnte sie also. Plötzlich sah ich ein Gesicht hinter der Glasscheibe eines Fensters. Doch bevor ich näher hinschauen konnte, war es auch schon verschwunden. Jake und ich sahen uns einen Augenblick lang unsicher an. Dann gab er mir einen schnellen Kuss auf die Wange und meinte: „ Wir schaffen das“. Dann stiegen wir aus. Jake war schneller als ich an der Haustür, weil ich Cäsars Leine noch entwirren musste. Als ich eine Mädchenstimme vernahm, schrak ich auf und sah zur Tür, während mein Hund immer noch um mich herum tanzte. „ Hallo Jake. Danke, dass du es so schnell geschafft hast. Ist sie das?“, hörte ich die Stimme sagen und dann sah ich Leah Clearwater zum ersten Mal. Sie hatte lange, glatte schwarze Haare, die ihr bist zur Brust gingen. Ihr Gesichtsausdruck war freundlich und ich konnte zwei makellos weiße Zahnreihen erkennen. Sie war unglaublich dünn und attraktiv gebaut. Ich biss mir auf die Lippen. Sie war wirklich hübsch. Ich schaute Leah schüchtern an und sagte nervös „ Hallo“.

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Ich wollte auf sie zugehen, doch meine Beine waren in der Hundeleine verheddert, weil Cäsar andauernd um mich herumgetollt war. Prompt fiel ich auf meinen Hintern. Jake war natürlich sofort bei mir, um mir hoch zu helfen. Leah kicherte und sagte: „ Wow, ein richtiger kleiner Tollpatsch also“ Ich wurde rot und wischte mir den Dreck von meiner Jeans. Ich sah Leah an, doch deren Blick heftete an Jake, sodass es mir wehtat. Dieser nahm die Leine und Cäsar folgte ihm bereitwillig. Ich stieg die Verandatreppe hinauf, wo Leah auf mich wartete. Ich wusste nicht so recht, wie ich mich jetzt verhalten sollte. So tun, als ob nichts wäre? Ihr sagen, wie Leid es mit tat? Doch Leah nahm mir diese Entscheidung ab, indem sie sagte: „ Hallo Michelle, ich bin Leah. Ich glaube, wir haben uns einiges zu erzählen“ Ich antwortete leise: „ Ja, das glaube ich auch.“ Jake schien sich nicht wohl zu fühlen, genau wie ich. Er stand unbeholfen da und wusste nicht, was er tun sollte. Leah meinte: „ Warum gehen wir nicht rein? Von meiner Familie ist keiner daheim“ Ich nickte und wollte gerade eintreten, da mischte sich Jake plötzlich ein. „ Sollte ich nicht lieber dabei sein? Leah, du bist noch nicht lange ein Werwolf, vielleicht verlierst du die Kontrolle Michelle gegenüber“ Dann schaute er mich besorgt an, als hätte er Angst um mich. Ich hätte ihm wirklich eine scheuern können. Mich so anzublicken, während das Mädchen daneben stand, was auf ihn geprägt war. Das war unmöglich ihr gegenüber. „ Jake, also wirklich. Ich bin doch kein Monster“ „ Ok, wenn du meinst. Dann, ähm, dann gehe ich eine Runde mit Cäsar spazieren, ok?!“ Ich lächelte ihn an, küsste ihn aber nicht wie sonst immer, wenn wir uns auch nur für fünf Minuten trennten. Das hätte das Fass zum Überlaufen gebracht. Ich betrat Leahs Haus und sie schloss die Tür hinter mir. Sie führte mich zu einem kleinen Wohnzimmer, was geschmackvoll eingerichtet war.

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Ein kleines Feuer prasselte im Kamin. Leah setzte sich auf eines der schwarzen Sofas und klopfte auf den Platz neben sich, während sie mich neugierig ansah. Ich setzte mich neben sie. Ich fühlte mich wirklich unwohl in meiner Haut. Eine Weile saßen wir schweigend nebeneinander, bis ich endlich den Mut fasste und meinte: " Also, kommst du mit deinem neuen Leben als Werwolf gut klar?“ Sie lächelte mich an. Ihre Augen hatten beinahe dieselbe Farbe wie meine. „ Nun, ich bin jetzt gerade mal 24 Stunden ein Werwolf, also kann ich noch nicht so viel sagen. Ich hab weder gegen Vampire gekämpft, noch habe ich eine Hexe zaubern sehen“, meinte sie keck zu mir. Nach den ersten paar Minuten unseres Gespräches mochte ich Leah wirklich. Sie war aufmerksam und freundlich. Nach einer Weile schnitt sie endlich das Thema an, warum ich hierhergekommen war. „ Hör zu, diese Sache mit Jacob…“ „ Ist wirklich kompliziert“, beendete ich ihren Satz. Ich seufzte. „ Leah, wir müssen irgendwie eine Lösung finden. Ich kann nicht wissen, wie du dich fühlst, ich kann es mir nur vorstellen.“ Leah legte ihre warme Hand auf mein Knie: „ Mach dir keine Sorgen um mich, Michelle. Ich komm schon klar. Ich muss mich einfach damit abfinden, das Jake und ich nur Freunde sein können. Vielleicht sogar irgendwann beste Freunde. Das ist das Beste, auf was ich hoffen kann. Es ist schwer, jeden Tag seine Gedanken zu hören. Und glaub mir, sie handeln nur von dir, die ganze Zeit“ Es war alles so ungerecht. Hier saßen wir nun. Zwei Mädchen, die denselben Jungen liebten, wobei die eine keine Chance hatte, sich von ihm loszueisen, während die andere den Märchenprinzen bekam. Wieder wurde mir auf einen Schlag bewusst, wie viel Glück ich eigentlich hatte. Im Gegensatz zu Leah. Sie tat mir so unglaublich Leid. Ich fasste mir ein Herz und sagte zu ihr: „Hör mal, vielleicht finden wir so etwas wie einen goldenen Mittelweg. Ich bin oft bei den Cullens zu Besuch. Während ich dort meine Zeit verbringe, könntest du…könntest du ja mal etwas mit Jake unternehmen. Ich meine nicht in der

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Gestalt eines Wolfes, sondern als zwei Menschen, die sich einen Film angucken oder so“ Leah riss ihre Augen weit auf und sah mich fassungslos an. „ Das würdest du wirklich tun?“ Ich ließ die Schultern hängen und nickte. Ja, das würde ich. Es war ein großes Risiko, meinen Freund mit einem Mädchen weggehen zu lassen, was ihn liebte, doch ich musste Jake vertrauen und mich darauf verlassen, dass er mit treu blieb. Und das würde er sicher bleiben. Trotzdem spürte ich einen Stich ins Herz, als ich die nächsten Worte sprach. „ Ja Leah. Ich muss dir etwas entgegen kommen, denn du hast es so schwer. Ich kann...“, ich schluckte. „ Ich kann teilen. Solange es zwischen euch bei Freundschaft bleibt und du nicht versuchst, ihn mir wegzunehmen“ Leah schüttelte heftig den Kopf. „ Das könnte ich gar nicht Michelle. Wenn du wirklich wüsstest, wirklich fühlen würdest, was Prägung bedeutet, dann wärst du dir absolut sicher, dass Jacob dich niemals verlassen wird. Und ich würde das auch nicht wollen. Jake und ich werden nur Freunde sein, das verspreche ich. Aber dass du mir dieses Angebot machst, hätte ich niemals zu träumen gewagt. Du bist wirklich sehr zuvorkommend“ Ich bedankte mich bei ihr und versuchte diesen Deal, den wir gerade geschlossen hatten, zu verdauen. Leah spielte mit ihren Haaren und schaute träumerisch in die Luft. Ich konnte mir denken, woran sie dachte, und das machte mich wieder unglücklich. Um abzulenken, fragte ich sie: „ Sag mal, wie schaffst du es eigentlich, dass deine Haare so glänzen? Das ist wirklich Wahnsinn“ „ Mit viel Pflege, nur leider werde ich sie mir demnächst abschneiden müssen“. „ Was? Warum das denn?“ Leah kicherte. „ Na ja, weißt du, je länger deine Haare als Mensch sind, umso länger ist auch dein Fell als Wolf. Und das verfilzt dann und sieht gar nicht schön aus. Deswegen musste sich Jacob seine Haare auch so kurz schneiden“ Ich fragte sie überrascht: „ Wie jetzt? Ich dachte, Jacob hat schon immer so kurze Haare?“ Jetzt lachte sie drauflos: „ Oh nein, Michelle. Er hatte früher genauso lange Haare wie ich. Da sah er noch wirklich wie ein Indianer aus. Aber kaum war er ein Werwolf, und schnipp, sie waren ab. Du musst dir von Billy mal ein altes Bild von Jake zeigen lassen. Zum Schießen“ Das würde ich, ganz sicher!

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Das konnte ich mir nicht entgehen lassen. Ich spürte, dass sich unser Gespräch dem Ende zuneigte, da fiel mir noch etwas ein. „Hey, Jake und ich wissen zwar noch nichts genaueres, aber feier doch mit uns zusammen Silvester. Ich glaube eh, dass das ganze Rudel kommt“ Zur Antwort strahlte sie mich an. Wir standen auf und gingen raus. Draußen sah ich Jacob, der mit Cäsar an der Leine ungeduldig auf uns wartete. Mein Hund hechelte was das Zeig hielt, hoffentlich hatte Jake den kleinen Racker nicht überfordert. Als dieser uns sah, seufzte er erleichtert und lächelte mich an. Ich erwiderte es und ging zu ihm. Leah kam mit und wandte sich an Jake. „ Wir haben alles geklärt. Michelle und ich haben einen Deal vereinbart“. Jake schaute uns beide verdattert an. „ Ich erklär es dir, wenn wir daheim sind“, antwortete ich ihm. Ich verabschiedete mich mit einem gezwungenen Lächeln von Leah, was sie erwiderte. „ Tschau, ihr beiden. Michelle, wir sehen uns an Silvester“, sie zwinkerte Jake zu und verschwand dann wieder ins Haus. Daheim angekommen, kamen wir nicht drum herum, ein paar Worte mit Alan zu wechseln. Ich betete, dass er nicht mit dieser Sache von wegen Schwiegersohn anfing, doch er schnitt das Thema zum Glück nicht an. Er war nur mal wieder superneugierig. Als sein Football Spiel im Fernsehen endlich anfing, waren wir erlöst und verschwanden nach oben. Dort setzten wir uns aufs Bett und ich erzählte ihm von meinem Gespräch mit Leah in allen Einzelheiten. Als ich fertig war, schaute er mich mit offenem Mund an. „ Michelle, du bist wirklich der selbstloseste Mensch, den ich kenne. Ich hätte gedacht, du verbietest ihr den Umgang mit mir, schlägst sie oder so. Aber das! Hast du denn gar keine Angst, dass sie zu weit gehen könnte?“

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„ Doch habe ich. Aber ich vertraue dir.“ Er strich mit seiner Hand liebevoll über meine Wange und beugte sich vor, um mich zu küssen. Da klingelte mein Handy. Genervt wegen der Störung drückte ich auf Annahme und hielt mein Handy gegen das Ohr. Ich war überrascht, als ich Alices panische Stimme hörte: „ Michelle, was um Himmels Willen ist passiert? Ich hab dich kurz gesehen, wie du verzweifelt nach einer Lösung auf irgendetwas suchst, aber dann war alles schwarz. Wahrscheinlich hast du dich wieder mit den Wölfen rumgetrieben. Wir sind alle nervös. Was ist passiert?“ Ich machte es kurz und bündig. „ Leah Clearwater ist nun auch ein Werwolf. Sie hat sich auf Jake geprägt“ Stille. Ich konnte mir die erschrockenen Gesichter der Cullens nur zu gut vorstellen. Im Schnelldurchlauf erklärte ich ihr die Fakten und von dem Deal zwischen Leah und mir. Alice antwortete: „ Ich will das alles nicht am Telefon besprechen. Wann kannst du vorbeikommen?“ „Wir sehen uns ja morgen in der Schule“. Sie legte auf. Das würde morgen eine schöne Diskussion werden. Ich blickte Jake traurig an und sagte: „ Was für ein Chaos“ „ Das kannst du laut sagen“ Dann machten wir da weiter, wo wir vor dem Telefonat aufgehört hatten. Die nächsten paar Tage stand alles auf dem Kopf. Die Cullens hatten ebenfalls versucht, eine Lösung für mein Dilemma mit Leah zu finden. Ohne Erfolg. Auch sie waren beeindruckt, wie selbstlos ich doch war. Mittlerweile ärgerte ich mich selbst etwas über mich, dass ich ihr so mir nichts dir nichts erlaubt hatte, Zeit mit meinem Freund zu verbringen, wenn ich nicht dabei war.

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Wenn man jetzt mal das ganze übersinnliche Zeug wie Vampire, Werwölfe, Hexen und Prägung außer Acht lassen würde, würde mir jeder sagen, ich hätte nicht mehr alle Tassen im Schrank, das zu erlauben. Heute war der 31.Dezember. Morgens. Ich war extra früh aufgestanden, um mein Outfit für heute Abend zu planen. Alan, Billy, Jacob, das Rudel, ihre Freundinnen und ich würden zusammen in unserer Gegend feiern. Wir hatten einen großen Keller gemietet, Getränke gekauft und Jacob hatte sich um die Musik gekümmert. Leah würde natürlich auch kommen, aber ich war mir sicher, sie würde sich zurückhalten, denn das hatte die letzten paar Tage auch geklappt. Mit den Cullens würde ich am 1. Januar selbst feiern. Zwar hätte es vielleicht sogar geklappt, dass sie mit dem Rudel zusammen Silvester verbrachten, denn sie überschritten dabei keine Grenze, aber das eigentliche Problem stellte Alan dar. Er würde Bella erkennen aber auch feststellen, dass sie anders war und dieses Risiko konnten wir nicht eingehen. Er hatte schon lang kämpfen müssen, zu verdrängen, dass es Zauberei gab. Ich stand gerade in einem Berg aus Klamotten, als es an der Tür klingelte. Ich kämpfte mich durch das ganze Durcheinander und eilte hinunter. Alan war noch schnell ein paar Besorgungen holen. Vielleicht war er das ja. Doch als ich die Tür öffnete, schrie ich aus Überraschung aus vollem Halse. Das konnte doch nicht wahr sein! Träumte ich? „ Claudia! Was machst du denn hier?!“, brachte ich hervor, als ich das Mädchen mit den goldenen Locken vor mir sah. „ Dich besuchen, was sonst. Du glaubst doch nicht etwa, dass ich das neue Jahr ohne dich einläute?!“, rief sie freudig und dann fielen wir uns um den Hals. Wir umarmten uns minutenlang und Claudia fiel die Tasche aus der Hand, die sie

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mitgebracht hatte. Ich hob sie auf und sagte: „ Das ist einfach Wahnsinn. Ich kann es nicht glauben. Komm mit in die Küche, ich mach uns einen Tee.“ Sie folgte mir uns setzte sich an den Küchentisch. Ich hüpfte ein bisschen auf und ab, weil ich nicht glauben konnte, dass sie hier war. „ Wie kamst du auf die Idee, hier herzukommen?“ Claudia kicherte: „ Dein Vater und ich haben diesen Plan ausgeheckt, um dich zu überraschen. Wo ist Alan eigentlich?“ „ Wie? Mein Vater wusste davon? Na, der wird was von mir zu hören bekommen. Er ist gerade einkaufen. Ach ja, du kennst unser neues Familienmitglied noch gar nicht“ Dann rief ich nach Cäsar, der sofort hörte. Wahrscheinlich hatte er gerade geschlafen, denn sonst begrüßte er unsere Gäste immer sofort. „ Och wie süß! Komm mal her, Cäsar“ Dieser ließ sich das nicht zweimal sagen und kuschelte sich an Claudias Bein. Nachdem sie sich begrüßt hatten, wandte sich Claudia an mich. „ So, und jetzt erzähl mal. Jacob Black also. Alan hat mir alles erzählt.“ „ Ich glaube kaum, dass er dir auch nur die Hälfte erzählen konnte.“ Als ich ihr fragendes Gesicht sah, atmete ich einmal tief durch und erzählte ihr alles. Es dauerte eine geschlagene Stunde, bis ich mit allem fertig war und ich sicher sein konnte, dass ich nichts vergessen hatte. Claudia saß fassungslos da und starrte mich nur an. „ Soll das heißen, du bist noch nicht mal ein halbes Jahr hier und verliebst dich einen Werwolf, freundest dich mit Vampiren an, bist Patentante eines Halbvampirmädchens und kämpfst gegen die tödlichsten Feinde überhaupt? Und dann taucht plötzlich ein Werwolfsmädchen auf und prägt sich auf deinen Freund, der auf dich geprägt ist?!“ Ihre kurze Zusammenfassung traf es eigentlich recht genau. „ Jap, ziemlich abgefahren oder? Ich bin froh, dass du hier bist. Ich werde dich heute Abend als seelische Unterstützung brauchen, wenn Leah dabei ist. Aber jetzt mal etwas ganz anderes .Was gibt es Neues bei euch? Wie geht es Laura und Jack?“ Die beiden waren ebenfalls gute Freunde von mir, die ich verlassen hatte, um wieder hier in der Menschenwelt zu leben.

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Claudia erzählte mir so einiges. Von neuen Lehrern, wie es ihrer Familie geht und so weiter. Jetzt war es schon später Nachmittag und wir mussten uns langsam mal fertig machen. Jacob fragte sich jedes Mal, wie es sein konnte, dass ich immer so lang im Bad brauchte. Ich antwortete dann immer nur: „So ist das bei uns Mädchen einfach, basta“ Claudia half mir bei der Auswahl meines Outfits, wobei wir eine Menge Spaß hatten. Im Radio lief laut „ Tick Tock“ von Kesha. Mein absolutes Lieblingslied. Wir tanzten und sprangen auf meinem Bett herum, wie es verrückte Freundinnen eben manchmal taten, wenn sie alleine waren. Sie selbst hatte sich was Passendes zum Anziehen mitgebracht. Sie trug eine dunkle Jeans mit einem feingestrickten, roten Pullover obendrüber. Sie trug Ballerinas, wie fast immer. Sie war genauso groß wie ich und hasste es, wenn Schuhe mit Absätzen sie noch größer machten. Im Gegensatz zu mir. Jacob war eh so riesig, da könnte ich 20cm hohe Absätze anziehen und wäre immer noch kleiner als er. Während ich verzweifelt auf den Klamottenberg schaute, der sich vor mir erstreckte, sah ich Claudia, wie sie sich schminkte. Ich war schon immer neidisch, wie gut sie das konnte. Wenn sie sich Smokey Eyes machte, sah sie immer aus wie ein Bond Girl. Wenn ich das probierte, sah ich aus, als würde ich auf eine Fastnachtssitzung gehen. Endlich entschied ich mich. Ich wollte heute an diesem besonderen Tag mal etwas gewagter sein. Ich zog mein giftgrünes, kurzes Kleid mit Neckholder an. Darunter zog ich meine hohen, schwarzen Pumps an. Ich betrachtete mich stolz im Spiegel, während Claudia anerkennend durch die Zähne pfiff. Mhm, ich überlegte, ob ich etwas abgenommen hatte, denn meine Beine sahen viel schlanker aus als noch vor ein paar Wochen. Aber vielleicht waren das auch nur die hohen Schuhe, die diesen Effekt herbeiführten.

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Ich überredete Claudia, mich zu schminken und sie bekam des wirklich fabelhaft hin. Ich toupierte meine kurzen, blonden Haare etwas, sodass es ein wenig wilder aussah. Zufrieden mit und beiden gingen wir die Treppe hinunter. In diesem Moment platzte Alan zur Tür rein. Als er uns dort stehen sah, fielen ihm glatt die Einkaufstüten aus der Hand. Wir zwei Mädels kicherten und Alan begrüßte Claudia ausgiebig. Zunächst bekam er von mir eine Standpauke zu hören, dass er mir nichts von ihrem Besuch erzählt hatte. Nachdem ich damit fertig war schaute mein Vater mich von oben bis unten an. „ Weißt du Michelle, eigentlich dürfte ich als dein alter Herr dich so nicht rauslassen. Da kommen die Jungs ja auf falsche Gedanken." Ich lachte. „ Ach Dad, du bist heute Abend doch dabei. Außerdem achtet Jacob eh darauf, dass sich mir kein Junge auf 100 Meter nähert“ Wir warteten noch auf Dad, bis er fertig angezogen war und dann fuhren wir los. Wir waren etwa eine halbe Stunde unterwegs, als wir endlich ankamen. Bevor wir ausstiegen, schlang ich meinen schwarzen Trenchcoat enger um meinen Körper und ich fragte Alan: „ Sag mal Dad, eine Frage: Wie sollen wir später eigentlich heimkommen? Wenn du getrunken hast, kannst du doch nicht mehr fahren.“ Er schaute mich vorwurfsvoll an. „ Michelle, ich werde doch sicher nichts trinken, während meine Tochter dabei ist. Ich muss meiner Vorbildfunktion gerecht werden“ Ich blickte zu Claudia und verdrehte die Augen. So wie ich Alan kannte, würde er spätestens in zwei Stunden mit Billy und seinem vierten Bier in der Hand in der Ecke sitzen und über die guten alten Zeiten schwärmen. Wir stiegen die steile Treppe hinab und fanden uns in einem großen Keller wieder, in den bestimmt mindestens hundert Leute gepasst hätten. Ich sah Jacob hinter dem Musikpult, wie er sich auf die Playlist vor ihn

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konzentrierte. Paul stand hinter einer großen, langen Theke und spielte den Barkeeper. Ich warnte Claudia vor. Der Werwolf würde bestimmt nicht zimperlich mit dem Alkohol sein, wenn er die Getränke mixte. Es waren noch nicht alle da, doch ich konnte Billy, Sam, Emily und Quil erkennen und stellte sie Claudia vor. Ich war erleichtert, als ich sah, dass sie sich blendend verstanden. Sie redeten miteinander, während ich meine Jacke auszog und an einen Kleiderhaken hängte. Ich hörte, wie Quil pfiff. „ Manno Man, Michelle. Da wird sich Jake aber freuen“ Na, das hoffte ich doch. Ich nahm Claudia bei der Hand und führte sie in den hinteren Teil, wo Jake sich immer noch auf die Musik konzentrierte, die lauthals aus den Boxen dröhnte. Als er mich in meinem Outfit war, war die Musik allerdings vergessen und seine Kinnlade fiel herunter. In seinem Blick sah ich Stolz. Seltsam, so etwas Besonderes war ich nun auch mal wieder nicht. Dann huschte sein Blick zu Claudia und er schien freudig überrascht. Wir gingen hinter das Pult und ich sagte zu Jake. „ Jacob, das ist Claudi. Sie und Alan haben was zusammen ausgeheckt und dann stand sie heut morgen vor meiner Haustür!“. Er sah mich plötzlich etwas fragend an, doch ich verstand. „ Ja, Jake, sie weiß alles. Wirklich alles. Sie hat es gut aufgenommen“. In diesem Moment klinkte sich Claudi mit ein. „ Als Hexe muss man eben starke Nerven haben. Vor allem wenn man mit dir befreundet ist, Michi“ Wir lachten alle. Sie streckte Jake die Hand hin und meinte: „ Freut mich, dich kennenzulernen, Jacob.“ Dieser grinste sie an, nahm sie prompt in den Arm und wirbelte sie durch die Gegend. Als er die verblüffte Claudia wieder absetzte, meinte er: „ Michelle hat mir schon viel von dir erzählt. Wie geht es dir?“. Wir plauderten ein wenig, bis Jake mich wieder sehnsuchtsvoll ansah und bewundert auf mein Kleid blickte. „ Ähm, ich geh mir dann mal bei Paul etwas

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zum Trinken holen.“ sagte Claudia grinsend und verschwand. Sie war schon immer eine Blitzmerkerin gewesen. Jake packte mich an meiner Hüfte und zog mich näher zu ihm. „ Hast du eigentlich eine Ahnung, wie sexy du heute aussiehst?“ Ich lachte. Das hatte er noch nie zu mir gesagt. „ Na ja, wenigstens einmal im Jahr sollte das so sein, meinst du nicht?“ Zur Antwort verdrehte er die Augen und küsste mich. Wie immer wollte ich nicht, dass es endete doch Jake verkrampfte sich plötzlich und löste sich von mir. Er zuckte mit seinem Kopf Richtung Bar und ich sah hin. Dort stand Leah und unterhielt sich mit Claudia. Deren Blick huschte nervös zu mir. Also wusste sie schon, wer ihr Gegenüber war. In diesem Moment sah Leah uns und winkte. Dann sagte sie noch etwas zu Claudi und setzte sich in Bewegung. Ich meinte zu Jake: „ Sie will dich sicher begrüßen. Ich geh vor und stelle Claudia deinen Vater vor, in Ordnung?“ „ Du musst nicht verschwinden“. „ Doch“, meinte ich leise und ging. Als Leah und ich aneinander vorbeiliefen lächelte sie und ich sah, dass sie ebenfalls ein ultrakurzes Kleid anhatte. Rubinrot. Sie war wunderschön. Ich stellte mich zu Claudi und sie sah mich mitleidig an. „ Das ist sie also?“, fragte sie. Ich nickte und sah, wie Leah Jake begrüßte. Sie umarmte ihn innig und flüsterte ihm etwas ins Ohr, während sie ihre Arme um seine Mitte legte. Ich zitterte und mein Herzschlag verschnellerte sich. Nein. Sie hatte mir versprochen, dass sie nur Freunde waren. Der Keller füllte sich langsam und die Leute fingen an zu tanzen. Jake gesellte sich zu uns an die Bar. Ich wollte ihn gerade fragen, wo Embry blieb, da kam dieser die Treppe hinunter. Er sah uns, winkte uns zu und erblickte dann Claudia. Seine Kinnlade fiel plötzlich herunter und er stützte sich an der Wand ab. Seine

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Augen weiteten sich, die immer noch auf Claudi gerichtet waren. Sein Körper fing plötzlich an, sich zu verkrampfen und er zitterte am ganzen Leib. Oh nein! Ich sah Jake erschrocken an, dem Embry’s Reaktion genauso wenig entgangen war mit mir. Er war genauso baff wie ich. „ Was ist denn los mit euch beiden?“, fragte Claudia in diesem Moment. Jake antwortete ihr etwas perplex. „ Ähm, wir würden dir gerne jemandem vorstellen.“ Und da stand der Werwolf auch schon bei uns. Ich wandte mich ihm zu. „ Hey, Embry, das ist Claudia, meine beste Freundin. Claudia, das ist Embry Call“ Jake und ich beobachteten die beiden ganz genau. Embry sprach als erster etwas schüchtern: „ Hi. Jetzt haben wir hier ja schon zwei Hexen auf unserer Silvesterparty, cool“, scherzte er. Ich hatte vergessen, dass er in Wolfsgestalt ja Jakes Gedanken hören konnte, deswegen wusste er also Bescheid. „ Ja, ganz schön verrückt oder? Ich freu mich, hier zu sein“, meinte Claudia freundlich und die beiden fingen ein Gespräch an. Wow, Claudi reagierte so viel anders als ich damals. Ich hatte eine Mordsangst vor Jake gehabt und wäre am liebsten weggerannt. Jake nahm mich bei der Hand und führte mich weg. „ Super, und was jetzt?“, fragte ich ihn. Er wusste darauf keine Antwort. Stadtdessen setzte er das Rudel in Kenntnis, dass schon wieder jemand von ihnen geprägt worden war. Sie alle lächelten und freuten sich darüber, doch ich war mir nicht sicher, was ich davon halten sollte. Ich musste später die unangenehme Aufgabe übernehmen und Claudia sagen, dass Embry sich auf sie geprägt hatte und nun für den Rest seines Lebens an sie gebunden war. Na, das würde lustig werden.

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Jacob führte mich auf die Tanzfläche und ich machte mich etwas locker. Wir tanzten eine Weile ausgelassen und er küsste mich zwischendurch immer wieder. Leah stand in einer Ecke und sah uns zu, was mich wieder total in Rage brachte. Dann war es kurz vor 24 Uhr. Die gesamte Gruppe, wir waren bestimmt 35 Leute, ging nach draußen und die Wölfe stellten schon einmal die Raketen in leere Flaschen. Mein Vater verteilte Sekt und meinte nur mahnend zu mir: „Ein Glas, Michelle, mehr nicht!“ Ich lachte und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. Aus den Augenwinkeln konnte ich Claudia und Embry erkennen, die sich immer noch angeregt unterhielten. Dabei sah Claudi ihn bewundernd an, als hätte er sie schon um den Finger gewickelt.Leah gesellte sich zu uns und dann zählten wir alle runter. „5…4…3…2…1…Prost Neujahr!“, hörte man jeden schreien. Dann gab es ein großes Durcheinander, jeder rannte zu jedem und ich konnte Jake nirgends finden. In diesem Moment startete das Feuerwerk und der Himmel war erfüllt von bunten Farben. Paul und Quil waren natürlich wieder übermütig und ließen ihre Böller knallen, sodass die älteren Menschen unserer Gruppe erschrocken zusammenfuhren. Ich versuchte überall Jake zu finden. Irgendwo in der Menge erblickte ich Claudia und Embry, die sich freudig umarmten und sich alles Gute für das neue Jahr wünschten. Mist, das wollte ich auch endlich mit Jacob tun. Ich versuchte mich irgendwo durchzuschlängeln und da sah ich ihn. Leah war schneller gewesen.

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Ich sah entgeistert, wie sie die Arme um ihn schlang und sich an seine Brust schmiegte. Jake erwiderte die Umarmung, doch er schien sich sehr unwohl zu fühlen. Er schien mich zu suchen, doch ich versteckte mich schnell hinter einer besonders großen Person. Jetzt rekte sich Leah zu ihm hoch und küsste ihn auf beide Wangen. Dann verwuschelte sie ihm das Haar. Hey, das durfte nur ich! Ich wandte mich von diesem Bild ab, um nicht loszuweinen. Ich sah meinen Vater, der alle möglichen Leute umarmte und vermutlich erst später auf die Idee kam, seine Tochter zu küssen und zu umarmen. Die anderen Wölfe knallten immer noch durch die Gegend und meine beste Freundin war auch beschäftigt. Und das Schlimmste: Meine größte, und leider auch schönste, Rivalin lag in den Armen meines Freundes. „ Na dann. Frohes neues Jahr, Michelle!“, murmelte ich vor mich hin und leerte mein Sektglas in einem Zug. „ Das würdest du Jake nicht antun!“ „ Michelle, sag mir was ich tun soll!“. Claudia und ich saßen auf meinem Bett und diskutierten. Silvester lag weit zurück und nun war es schon Ende Februar. Die letzten Wochen hätte ich gerne aus meinem Kalender gestrichen, doch es hätte mich durchaus auch noch schlimmer treffen können. Leah und ich „teilten“ uns Jacob, so gut es eben ging. Er verbrachte mehr Zeit bei mir, doch da das Rudel die Gegend ständig im Auge behalten musste, war er gezwungener Weise auch mit ihr unterwegs. Jake hatte es schwer. Vielleicht sogar schwerer als ich, die ihn immer wieder zu dem Mädchen lassen musste, die auf ihn geprägt war. Es zerriss ihn, dass ich so litt, musste aber auch seine Pflichten als Werwolf erfüllen. Wenn er bei mir war, überspielte er seinen Missmut, doch wenn er zur Tür rausging, ließ er seine Maske fallen und ich sah, wie verzweifelt er war.

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Ein paar Mal musste ich ihn zwingen, dass er etwas mit Leah unternahm, ohne dabei als Wolf umherzulaufen. Das hatte vielleicht ein Theater gegeben. Erst als ich ihm androhte, nie mehr ein Fuß über meine Hausschwelle setzten zu dürfen, wenn er sich nicht endlich um Leah kümmerte, verschwand er und ging mit ihr ins Kino oder zum Sport. Ein paar Mal hatten sich Emily und Sam bereiterklärt mitzugehen, quasi als Aufpasser. Sie achteten darauf, dass Leah nicht zu weit ging und das beruhigte mich. Doch ab und zu waren Jake und Leah auch alleine unterwegs und dann saß ich daheim, völlig aufgelöst und nervös, bis Jake wieder bei mir war. Ich vertraute ihm blind, doch Leah nicht. Sie war ein freundliches Mädchen, attraktiv und humorvoll. Wenn ich ein Junge wäre, wäre ich ihrem Charme total verfallen. Doch Jake würde mich niemals betrügen, da war ich mir sicher. „ Du kennst meine Meinung dazu, Claudia“ Sie und Embry waren nicht mehr voneinander loszubekommen. Dass er auf sie geprägt war, hatte sie so sehr gefreut, dass sie durch die ganze Gegend gesprungen war. Claudia pendelte im Moment, wie ich früher, zwischen Hogwarts und Atlanta hin und her. Wenn sie hier war, verbrachte sie ihre Zeit meistens bei Embry, doch wenn er mit dem Rudel unterwegs war, unternahmen wir beide fast immer etwas zusammen. Sie war schon mehr wie eine Schwester als eine Freundin für mich. Claudia war jetzt 17 Jahre alt und würde bald ihre Zaubererausbildung beenden. Wenn dieser Zeitpunkt gekommen war, musste sie sich entscheiden: Zaubererwelt oder Menschenwelt? „ Du musst auf dein Herz hören“, sagte ich zu ihr. „ Ja, aber was, wenn mein Herz chinesisch spricht und ich einfach nicht verstehen kann, was es mir sagen will? In der Zaubererwelt leben meine Familie und die meisten meiner Freunde. Dort gibt es Berufschancen für mich. Du weißt, ich wollte immer Aurorin werden. Genauso wie du übrigens!“

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„ Tja, das hat sich wohl erledigt“, antwortete ich ihr. Eine Aurorin zu werden und dunkle Magier zu Jagen hatte ich mir früher als Lebensziel gesetzt. Es war verrückt, wie sich alles entwickelt hatte. „ Aber hier lebt Embry und kann sein Rudel nicht verlassen. Und du!“ , erwiderte Claudia in diesem Moment hilflos. „ Hey, jetzt mal nicht gleich den Teufel an die Wand. Kümmer dich jetzt erst mal darum, dass du deine Prüfung bestehst. Das ist jetzt das Wichtigste. Dann hast du genug Zeit, um dich zu entscheiden. Wir schaffen das“ Als ich das sagte, drückte sie mich und stand auf. Sie stellte sich in die Mitte meines Zimmers und sah mich frech an. „ Ok, danke für deinen Rat. Ich geh jetzt zu Embry.“ „ Hey, hab ich dir nicht gerade gesagt, du sollst gefälligst für deine Prüfungen büffeln? Embry lenkt dich ab!“ „ Also diese Ablenkung nehme ich gerne in Kauf“, lachte sie und apparierte. Ich war alleine. Ich schüttelte meinen Kopf. Was für ein dickköpfiges Mädchen! Am nächsten Tag war Mittwoch und die Schule wartete mal wieder auf mich. Nach einer langen Mathestunde ging ich in die Cafeteria und stand an der Essenstheke. Da tippte mir jemand von hinten auf die Schulter. „Na Michelle, wie geht’s?“ Es war Toby und neben ihm stand Joana. Seit Leah auf Jake geprägt worden war, hatte ich auch mehr Zeit für sie gefunden. Wir waren ein paar Mal Schlittschuh laufen gegangen (ich konnte das mittlerweile viel besser) und ließen uns manchmal ein Eis beim Italiener schmecken.

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„ Hey, ihr zwei. Gut und selbst?“, wir plauderten eine Weile, bis ein paar Schüler hinter uns sich darüber beschwerten, dass es mit der Warteschlange nicht weiter ging und dann gesellte ich mich wieder zu meinen Vampirfreunden. Edward und Bella planten eifrig den dritten Geburtstag von Nessy, der bald stattfinden würde. Alice war sofort Feuer und Flamme und brachte ihre eigenen verrückten Vorschläge mit ein. Irgendwo bei dem Thema Heißluftballon und Hüpfburg hörte ich dann auf, zuzuhören. Da sah mich Emmett an und meinte: „ Weißt du, ich bin immer noch sauer, dass du uns nicht zeigen wolltest, wie du dich in einen Panther verwandeln kannst.“ Ich verdrehte die Augen: „ Jetzt sei nicht so eingeschnappt“ Da beugte sich Rosalie zu mir hinüber und fragte leise: „ Warum eigentlich genau ein Panther? Kannst du dich auch in etwas anderes verwandeln?“ Jetzt waren die anderen Vampire wieder aufmerksam geworden und lauschten unserer Unterhaltung. Ich antwortete Rosalie: „ Nein, ich kann mich nur in dieses eine Tier verwandeln. In unserer Welt entscheidest du dich für ein beliebiges Tier, lernst diese Kunst und setzt das Ministerium darüber in Kenntnis“ „ Und warum ausgerechnet ein Panther?“ „ Na ja. Ich fand als Kind Baghira aus dem Dschungelbuch immer so toll und so hat sich das dann irgendwie ergeben.“ Die Cullens kicherten und Jasper ergriff das Wort. „ Und machst du das oft, ich meine: Ziehst du oft als Panther durch die Wälder?“ „ Weißt du Jasper, ich empfand es als etwas waghalsig, in dieser Gestalt durch die Gegend zu laufen, wo doch in der Nähe ein Haufen Vampiren leben, die sich nur von Tierblut ernähren und deren Spezialität Raubtiere sind.“ Mein Blick huschte zu Edward.

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Jetzt wackelte der ganze Tisch, so sehr lachten wir alle, sodass sich die anderen Schüler erschrocken zu uns umdrehten. Edward sah so aus, als würde er über etwas angestrengt nachdenken, und da kam mir plötzlich eine Idee. „ Nein Edward. Ich glaube, Nessy würde sich mehr über ein Märchenbuch als über einen Baseballschläger freuen“ Edward sah mich entgeistert an und seine Kinnlade fiel herunter. Ich kicherte. „ Glaubst du etwa, du wärst der Einzige, der Gedanken lesen kann?“ Stille. Allen Cullens stand der Schreck ins Gesicht geschrieben und sie schauten fassungslos zu mir herüber. Ha! Schon wieder hatte ich es geschafft, Vampire zu überraschen. So langsam wurde ich zum Profi. „ Was sagst du da?“, fragte Bella mich. „ Keine Angst, es ist nicht so wie bei Edward. Ich höre nicht die Gedanken von allen Menschen um mich herum, sondern nur die von einer einzigen Person. Außerdem muss ich mich dabei höllisch konzentrieren. Grundsetzlich tue ich das nie, weil ich es unhöflich finde, mich in andere Gedanken einzumischen. Deswegen hab ich das seit Jahren nicht mehr gemacht. Aber diese Situation eben war einfach perfekt.“ Die anderen atmeten erleichtert auf. Emmett sagte belustigt „ Puh, nochmal Glück gehabt. Noch jemanden, der in unseren Köpfen rumschnüffelt, hätte ich nicht ertragen. Nicht wahr, Edward?“ Dieser sah etwas sauer aus doch kurz darauf lachte er genauso darüber wie der Rest. Als ich in meinem neuen, knallroten Mini, den Alan und ich einem älteren Herrn billig abkaufen konnten, heimfuhr, war ich guter Dinge. Jacob würde heute Nachmittag zu mir kommen und wir wollten zusammen mit Cäsar spazieren gehen. Kaum war ich daheim, da klingelte es auch schon und mein Traumprinz

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stand vor mir. Ich lächelte übers ganze Gesicht und als Jake das sah, tat er dasselbe. Ich legte meine Arme um seinen Hals, stellte mich auf die Zehenspitzen und küsste ihn leidenschaftlich. Jake war im ersten Moment überrascht über meine stürmische Begrüßung, doch in der nächsten Sekunde erwiderte er meinen Kuss. Wir standen lange so im Türrahmen und meine Lippen konnten von seinen mal wieder nicht genug bekommen. Die Wärme seines Körpers durchströmte mich. Erst als Alan, der mittlerweile die Treppe hinuntergekommen war, sich räusperte, ließen wir voneinander ab. Oben in meinem Zimmer suchte ich nach Cäsars Hundeleine, während ich mich mit Jake unterhielt. Da hörten wir beide auf einmal von unten Alans Stimme, wie sie nach Jacob rief. Dieser ging ihn den Flur und rief hinunter: „ Was gibt’s, Alan?“ „ Könntest du bitte kurz runterkommen, ich bräuchte deine Hilfe! Die alte Waschmaschine muss ins Auto“ Jake antwortete mit einem „ Ja“ und gab mir dann einen schnellen Kuss. Als er die Treppe hinunterrannte, lachte ich laut auf. Jake könnte die Waschmaschine ohne Probleme alleine tragen. Ich stellte mir dabei Alans Gesicht vor, der würde Augen machen! Da klingelte plötzlich Jacobs Handy auf dem Schreibtisch. Ich war neugierig und sah auf den Display. Mir wurde mulmig, als ich den Namen des Anrufers sah. Leah! Ich könnte ausrasten. Heute Nachmittag war meine Zeit mit Jake, da hatte sie nichts zu suchen. Ich ließ das Handy klingeln. Zwei Minuten nach dem Anruf hörte ich ein Piepsen. Jake hatte eine SMS bekommen. Ich schluckte. Natürlich musste sie von Leah sein. Es juckte in

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meinen Fingern. Zu gerne würde ich die Nachricht lesen, doch das war hinterhältig. Ich konnte und wollte meinem Freund nicht hinterher spionieren. Er wäre maßlos enttäuscht von mir. Doch dann traten wieder die Bilder von Silvester in meinen Kopf. Wie Leah sich an Jake geschmiegt hatte und was das für einen Schmerz in mir ausgelöst hatte. Ich stürzte mich auf das Handy. Und da war sie schon. Ich hatte Recht gehabt, die SMS war von Leah. Hey Jake, Wo steckst du? Du gehst doch immer an dein Handy. Na ja, egal. Wir müssen reden. Es ist wichtig. Erzähl aber Michelle vorerst nichts davon, das würde sie nur aufregen. In einer Stunde bin ich an der großen Lichtung im Osten und warte auf dich. Ich liebe dich. Leah Ich ließ das Handy vor Schreck fallen. Also doch. Sie machte sich immer noch Hoffnungen, dass Jake sich für sie entscheiden würde. Ich starrte auf die drei wichtigsten Worte in ihrer Nachricht. „ Ich liebe dich“. Wollte sie ihn damit quälen? Sich über mich lustig machen? Ich musste auf der Stelle mit ihr reden. Der Deal musste erneuert werden. Es konnte ja wohl nicht angehen, dass sie sich einbildete, Jake würde mich jetzt verlassen, um zu ihr zu gehen. Ich würde von ihr verlangen, dass ich in Zukunft wieder die Nummer 1 sein würde und ihr klarmachen, dass ich nicht länger bereit war, diesen Platz mit ihr zu teilen. Ich hörte, wie unten die Haustür auf und zu ging und jemand die Treppe hochstapfte. Schnell löschte ich Leahs SMS und legte das Handy wieder auf den Schreibtisch. Dann nahm ich mir eine Bürste und kämmte mir mein Haar, damit es kein Anzeichen dafür gab, dass irgendetwas passiert war. Jake kam ins Zimmer und rollte mit den Augen: „ Wenn ich die Maschine alleine getragen hätte, hätte es nur halb so lang gedauert“. Dann küsste er mich wieder und kurz darauf sah er den unbeantworteten Anruf auf seinem Handy.

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Ich war verblüfft, dass er kein Wort sagte und so tat, als hätte nichts auf den Display gestanden. Vermutlich wollte er mich nicht beunruhigen. „ Können wir los, Schatz?“ Ich griff mir an den Bauch. „Jake, mir ist auf einmal so schlecht.“ Dann rannte ich zu Jakes Verwirrung ins Bad und schloss mich ein. Ich klappte den Klodeckel hoch. Ich hörte schnelle Schritte auf dem Flur und das war mein Zeichen. Ich versuchte Würgegeräusche zu imitieren, damit Jake glaubte, ich würde mich übergeben. Das klappte ziemlich gut. Das lag wohl daran, dass ich in meiner alten Theatergruppe einmal ein betrunkenes Mädchen spielen musste, was nach jeder Party vor der Kloschüssel landete. Ein Hoch auf meine Schauspielkünste! Jake klopfte an die Badezimmertür und fragte besorgt: „ Was ist los? Hast du dir den Magen verdorben? Lass mich rein!“ „ Nein. Lass nur. Ich glaub, wir müssen den Spaziergang verschieben“ antwortete ich mit einem ziemlich überzeugenden Krächzen in der Stimme. „ Ok, dann bleiben wir daheim. Ich kümmere mich um dich. Mach schon auf“ „ Nein Jacob. Geh nur. Ich werde hier noch eine Weile brauchen. Ich ruf dich an. Es tut mir Leid“ Jake war damit überhaupt nicht einverstanden: „ Bist du dir sicher, dass ich dich alleine lassen kann?“ „ Ja klar. Außerdem will ich dich nicht anstecken. Nun geh schon!“ Ich hörte ein tiefes Brummen und dann war Jacob weg. Ich blieb im Bad, bis ich mir sicher sein konnte, dass er aus dem Haus war. Dann schlich ich in mein Zimmer. Ich kniete mich vor meine alte Holztruhe und kramte darin herum, während ich überlegte, was ich zu Leah sagen wollte. Ich wusste darauf keine Antwort. Endlich fand, ich was ich suchte und nahm den alten Tarnumhang von meiner Mutter heraus. Ich stand auf, fühlte den seidenen Stoff und bewunderte sein ausgefallenes Muster. Hoffentlich funktionierte er noch.

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Ich stellte mich vor meinen Spiegel, schloss meine Augen und warf den Umhang über mich. Ich zählte bis drei und dann öffnete ich die Augen wieder. In meinem Spiegel sah ich absolut nichts. Perfekt. Ich war vollkommen unsichtbar. Ich zog mir noch schnell eine Jacke an, legte den Umhang über meinen Arm und dann apparierte ich. Ich spürte Gras unter meinen Fußsohlen und sah mich um. Ich glaubte auf der Lichtung zu stehen, die Leah in ihrer SMS gemeint hatte. Sie war sehr groß und es wuchsen hier und da ein paar Gänseblümchen. Ich begutachtete diese gerade genauer, als plötzlich ein Wassertropfen auf meine Nase viel. Ich schaute auf. Na super, jetzt fing es auch noch an zu regnen. Die Wolken waren so düster, dass es sicher bald schütten würde. Ich holte den Tarnumhang heraus und lullte mich darin ein. Dann entschied ich mich, den Kopf noch mit unter den Umhang zu nehmen, falls Leah doch früher auftauchen sollte. Und das tat sie auch. Zehn Minuten nach meiner Ankunft trat Leah auf die Lichtung. Ihre dunklen Haare waren nun kürzer, sie gingen ihr nur noch bis zum Kinn. Sie hatte sie sich zu einem modernen Bob schneiden lassen, der ihre schönen Gesichtszüge noch besser hervorbrachte. Sie trug eine superenge Jeans, sodass ihre Beine wie die eines Supermodels aussahen. Dazu passte die schwarze Bluse perfekt. Ich musste mal wieder schlucken, als ich sah, wie hübsch meine Rivalin war. Leah bewegte sich geschmeidig und selbstsicher. Natürlich sah sie mich nicht und sie blieb in der Mitter der Lichtung stehen, etwa fünfzehn Meter von mir entfernt. Leah schaute zuerst auf ihre Armbanduhr und dann auf ihr Handy. Sie seufzte und ging dann auf und ab. In diesem Moment fasste ich einen Entschluss. Heute Morgen hatte ich den Cullens zwar gesagt, dass ich es unhöflich fände, aber was Solls. Heute war alles erlaubt und ich konzentrierte mich auf Leah, um ihre Gedanken zu hören. Ich sammelte meine ganzen Kräfte, um in ihren Kopf einzudringen. Endlich schaffte ich es.

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„ Wo bleibt er denn? Man, dieser Kerl ist echt immer unpünktlich“. Ok, soweit so gut. „Ich hoff, er hockt nicht schön wieder bei Michelle, der blöden Kuh. Er hat etwas so viel Besseres verdient und das werde ich ihm heute auch sagen. Wie er nur sie wählen kann, wenn er mich haben könnte!“ Ich unterdrückte ein Keuchen und presste meine Hand auf den Mund, damit Leah mich nicht hörte. Das konnte doch nicht wahr sein! Hatte sie das etwa die ganze Zeit beabsichtigt? Soviel Zeit wie möglich mit Jake zu verbringen und ihn so von mir wegzulocken? Aber es kam noch schlimmer. Ich konzentrierte mich wieder auf Leahs Gedanken. „ Und vor allem hat er was Klügeres als diese kleine dumme Hexe verdient. Obwohl alle anderen auch so unglaublich stumpfsinnig sind. Die glauben doch tatsächlich, ich wäre auf Jake geprägt worden“ Wie bitte?! Eine unglaubliche Wut kroch in mir hoch und ich riss den Tarnumhang fort. „ LEAH!“, schrie ich. Ich konnte sehen, wie sie zusammenfuhr und sich erschrocken zu mir umdrehte. Ihre Augen weiteten sich und sie wich einen Schritt zurück. „ Michelle? Wo zur Hölle kommst du denn her?“ Ihre Stimme klang freundlich, im Gegensatz zu meiner.

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„ Das gleiche könnte ich dich fragen! Wartest wohl auf Jake, was?“ Jetzt wurde auch sie wütend. „ Du hast meine SMS gelesen? Du bist echt ein Biest. Schon mal was von Privatsphäre gehört?“ Jetzt tickte ich aus. „ Schon mal was von Ehrlichkeit gehört? Miss ‚Die glauben doch tatsächlich, ich wäre auf Jake geprägt worden‘!“ Jetzt hatte ich sie völlig aus dem Konzept gebracht und sie schaute mich eine Minute lang nur verdattert an. Dann verkrampfte sich ihr Körper und sie schrie: „ Jetzt sag bloß, du bist genauso wie dieser dreckige Blutsauger und schnüffelst in den Köpfen anderer herum?“ „ Ausnahmsweise ja. Und ich bin froh, dass ich es getan hab, sonst hätte ich nie erfahren, was du für eine Verräterin bist! Erklär mir jetzt gefälligst, was hier läuft!“ Ich trat einen Schritt auf sie zu und prompt knurrte Leah mich an. Das machte mich noch rasender und ich versteifte mich ebenfalls. „ Also, du Köter. Was läuft hier?“ „ Wenn du mich noch einmal Köter nennst, dann schwör ich, reiß ich dir jede Gliedmaße einzeln raus! Aber willst du die Geschichte wirklich hören? Ich bezweifle, dass dein kleines Herz das aushält, Hexe!“ „ Ich höre?“ „ Ok, du hast es so gewollt“, sagte sie und wir fingen an uns zu umkreisen. Es hatte mittlerweile angefangen, zu nieseln. „ Jake und ich gehen schon seit Jahren auf dieselbe Schule, wie du weißt. Es hat nicht lange gedauert, da hatte ich ihn schon in mein Herz geschlossen. Lange bevor er zu einem Werwolf wurde, und lange bevor du auf der Bildfläche erschienen bist und alles kaputt gemacht hast. Ich war verliebt in ihn, auch noch, als er mit kurzen Haaren zum Unterricht kam und plötzlich immer so

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gereizt war. Mir war das egal. Und irgendwann kam er in die Schule und erzählte mir, er habe eine Freundin, mit der er überglücklich ist: dich! Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie ich mich gefühlt habe. Und dann brach das Fieber bei mir aus und ich wurde zu einem Wolf. Zu dem Zeitpunkt, als ich mich verwandelte, war nur Sam in Wolfgestalt. Er merkte natürlich sofort, dass es ein neues Rudelmitglied gab und suchte mich auf. Er half mir, mich wieder in einen Menschen zu verwandeln und dann erklärte er mir alles. Als er zu der Sache mit der Prägung kam, fasste ich einen Entschluss. Ich täuschte vor, auf Jake geprägt worden zu sein, damit er bei mir sein musste. Es war so unglaublich einfach, euch alle zu täuschen. Ich musste in Wolfsgestalt einfach die ganze Zeit ein Jake denken und schon glaubten mir alle. Und als Jake und ich uns dann geküsst haben, glaubte ich mich am Ziel“ „ Ihr habt WAS?“, schrie ich und meine Welt drohte zusammenzubrechen. Leah zuckte mit ihren Schultern und grinste. „ Ja, das war vor ein paar Tagen, als du mal wieder mit deiner Claudia unterwegs warst. Ich hab einfach die Initiative ergriffen. Jake war so baff, dass er mich erst nach einer halben Minute von sich gestoßen hat und nicht schon nach zwei Sekunden, was man von einem treuen Freund erwarten sollte. Seltsam, nicht?!“ „ Du lügst!“, sagte ich leise, worauf Leah laut auflachte. Ich hatte mich so in ihr getäuscht. Die zerbrechliche, freundliche und verzweifelte Leah von vor zwei Monaten gab es nicht mehr. Jetzt stand ein Ungeheuer vor mir, was alles daran setzte, um mich auszustechen. Mittlerweile nieselte es nicht mehr sondern starker Regen durchnässte meine Klamotten. Ich machte einen Schritt auf Leah zu und sie ebenfalls einen auf mich. „ Du hast uns die ganze Zeit belogen. Die letzten Wochen, Monate, waren eine einzige Lüge! Weißt du eigentlich, was du Jake und mir damit angetan hast? Du hast alles kaputt gemacht“

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„ Genau das war ja der Sinn, meine Liebe. Ich hab gehofft, dass er dich irgendwann verlässt aber diese blöde Prägung ist stärker als ich dachte. Prägung, pff, an sowas glaube ich eh nicht. Warum bist du überhaupt hierhergekommen? Warum konntest du nicht einfach da bleiben, wo du hergekommen bist?! Dann wären Jake und ich jetzt das schönste Paar, was es überhaupt gibt.“ Ich starrte sie nur böse an und sie schrie mir ins Gesicht: „ Soll ich dir es schriftlich geben? Ja, ich steh auf deinen Freund und habe mit allen Mitteln versucht, ihn dir wegzunehmen. Und nein, ich bin nicht auf ihn geprägt worden, kapiert?“ Ihr schönes Gesicht war voller Wut verzerrt. Ich schüttelte nur den Kopf. „ Was werden nur Jake und das Rudel dazu sagen? Du bist echt geliefert“ Leah richtete sich auf und stemmte ihre Arme in die Seite: „ Wie kommst du darauf, dass sie es erfahren? Du bist die einzige Möglichkeit, dass sie davon Wind bekommen. Also..“ Ich schreckte zurück und bekam Panik. Leah war zwar ein verlogenes Biest, was alles gab um an ihr Ziel zu kommen, aber mich verletzen würde sie nie. Doch ich irrte mich. „ Das würdest du Jake nicht antun!“, sagte ich mit brüchiger Stimme. Leah lachte wieder. „ Ach Kleine, wo denkst du denn hin? Es wird mir ein Vergnügen sein, dich zu beseitigen. Zwar wird Jake lange Zeit leiden aber was meinst du, an welcher Schulter er sich ausweinen wird?! Und irgendwann erkennt Jake, was er an mir hat und du bist vergessen. So einfach ist das!“ Mit diesen Worten fing Leahs Körper an zu zittern. Ihre Kleider zerrissen und vor mir stand ein riesenhafter Wolf. Sein Fell war ganz hell, fast golden, keine natürliche Farbe für einen Wolf. Doch die Augen waren immer noch dieselben.

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Sie blickten mich nun voller Abscheu an. Die Wut machte mich verrückt. Ich würde nicht zulassen, dass sie mich hier auf der Stelle erledigte, um sich dann Jake unter den Nagel zu reißen. Leah würde jetzt eine Abreibung bekommen, und was für eine! Ich war völlig durchnässt und auch das Fell des Wolfes war nass. Ich griff in die Innentasche meiner Jacke, um meinen Zauberstab zu zücken. Doch er war nicht da! Mein Herz pochte, als ich alle meine Taschen durchsuchte, doch keine Chance. Ich hatte meinen Zauberstab nicht dabei. Da fiel mir ein, dass er daheim in der Schublade meines Nachttisches liegen musste. Ich machte einen Schritt rückwärts und rutschte fast auf dem Tarnumhang aus, der auf dem Gras lag. Der Wolf schien mein Desaster zu bemerken und er fletschte die Zähne. Ich zitterte am ganzem Leib und meine Augen blickten panisch in Leahs. Ich war ihr hilflos ausgeliefert. Ich sah, wie sich der Wolf bereit zum Angriff machte. Das oberste Gesetz Ich hatte nur den Bruchteil einer Sekunde Zeit, um zu handeln. Wir griffen im selben Moment an, rannten aufeinander los, setzten zum Sprung an und unsere Körper krachten aneinander. Ihr Wolfskörper und meiner, so schwarz wie die Nacht. Als wir wieder aufkamen, beäugte der Wolf mich misstrauisch. Vor sich sah er einen schwarzen Panther mit gespitzten Ohren und glänzendem Fell, was vor Nässe nur so trifte. Selbst die braun-grünen Augen, die ihm so vertraut gewesen waren, hatten sich verwandelt. Sie waren nun stechend gelb und

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waren auf ihn gerichtet. Ich umkreiste Leah auf meinen samtigen Pfoten. Ich hatte zwar keinen Zauberstab, aber ich könnte mich trotzdem wehren. Wahrscheinlich hatte ich in der Gestalt einer Raubkatze immer noch keine Chance gegen einen Werwolf, doch das war mit egal. In mir bebte solch eine Wut, dass ich es mit jedem aufgenommen hätte. Ich spannte meine neu gewonnenen Muskeln an und scharrte mit meinen Krallen auf dem Boden. Ich bleckte meine Reißzähne und schaute Leah herausfordernd an. Sie reagierte mit einem Knurren und dann bekam sie von mir ein Fauchen zu hören, was jedes andere Raubtier in die Flucht geschlagen hätte. Leah griff wieder an. Ich spürte ihre ungeheure Kraft, als sie sich auf mich stürzte. Sie prallte mit solch einer Wucht gegen mich, dass wir uns überschlugen und erst einige Meter weiter wieder zur Ruhe kamen. Sofort fuhr ich meine Krallen aus und schlug sie in Leahs Wolfsgesicht. Dort wo ich sie erwischt hatte, tropfte Blut herunter und Leah drehte sich wütend zu mir herum. Sie schnaufte und ihr ganzer Körper bebte. Sofort stand ich wieder sicher auf meinen Pfoten und beobachte sie wachsam. Dabei begab ich mich in eine gebückte Angriffshaltung. Leah knurrte was das Zeug hielt und versuchte mich zu beißen. Sie war zwar unglaublich stark, doch ich war schneller und geschickter in meiner Angriffstechnik. Ich schaffte es, ihr immer wieder auszuweichen. Ein Mal erwischte sie mich am Schwanz und ich dachte, es gäbe keine größeren Schmerzen. Mittlerweile schüttete es wie aus Kübeln und der Boden wurde matschig und rutschig. Leah schien damit kein Problem zu haben, denn sie bewegte sich genauso elegant und selbstsicher wie zu vor. Im Gegensatz zu mir. Ich rutschte ein paar Mal aus und verlor so den Blickkontakt mit Leah. Und das wurde mir jetzt zum Verhängnis.

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Der helle Wolf nutzte die Chance und warf sich auf mich drauf. Leah lag mit ihrem ganzen Gewicht auf mir und ich zappelte hilflos mit meinem Pantherkörper, um ihr zu entkommen. Vergeblich. Leah zeigte ihre scharfen Zähne und grub diese in der nächsten Sekunde in meinen Hals. Ich spürte, wie ihre Zähne mein Fell und mein Fleisch durchbohrten. Ich jaulte vor Schmerz laut auf und als ich merkte, dass Blut aus meiner Wunde kam und Leah mich triumphierend ansah, erweckte mein Kampfgeist wieder zum Leben. Ich nahm meine ganze Kraft zusammen, fuhr zu Leahs Überraschung hoch und biss ihr in den Brustkorb. Ein Schmerzenslaut kam aus ihrer Kehle, doch ich ließ trotzdem nicht locker. Erst als sie ihre Pranken in mein Gesicht schlug, musste ich mich von ihr abwenden. Wir beide zeigten nun nicht mehr so viel Elan wie zu Beginn unseres Kampfes, doch wir umkreisten uns immer noch knurrend. Wir stellten uns beide auf die Hinterbeine, bleckten unsere scharfen Zähne und versuchten sie in den Körper des anderen zu rammen. Doch wir blieben beide erfolglos und dann umkreisten wir uns weiter. Wieder rutschte ich aus und wieder war das Leahs Chance. Mit lautem Knurren raste sie auf mich zu, packte mich an meiner Vorderpfote, brachte mich dazu zu Fall und dann schleuderte sie mich mit einem Ruck über die halbe Lichtung. Als ich auf den Boden aufprallte, jaulte ich voller Leiden auf. Ich lag hilflos da, meine Vorderpfote war nicht mehr zu gebrauchen und ich konnte auch nicht aufstehen. Rotes Blut sickerte über meinen pechschwarzen Körper. Die Schmerzen waren unerträglich, konnte einer allein überhaupt so viel Schmerz verkraften? Ich sah den Wolf, wie er langsam auf mich zugestampft kam. Ich erschrak, als ich die Augen der Kreatur sah. In ihnen lagen so viel Hass und Rachegelüste, dass ich kläglich versuchte, vor ihr wegzukriechen. Mein Schwanz war gebrochen und die Wunde an meinem Hals schmerzte immer mehr.

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Leah stand nun in ihrer vollen Größe vor mir. Sie sah zu mir herunter, als wäre ich eine Küchenschabe, die man schnellstmöglich zerquetschen sollte. Leah hob ihre riesige, kräftige Vorderpranke und holte zum finalen Hieb aus, der dem schwarzen Panther vor ihr zur Strecke bringen sollte. In dieser Sekunde stürzte sich etwas Großes, Rostbraunes auf sie. Ich versuchte mich aufzurichten und sah, dass sich nun zwei Wölfe im Regen bekämpften. Als meine gelben Augen genauer hinschauten, erkannte ich, dass es Jake sein musste, der Leah angriff. Ich erschrak und versuchte aufzustehen, doch keine Chance. Ich sah, wie Leah bei dem Kampf den Kürzeren zog. Jacob war so viel kräftiger wie sie und hatte mehr Erfahrung. Nach nur wenigen Augenblicken überwältigte er sie und hielt sie in Schach. Leah lag jaulend auf dem Boden, während Jacob sie mit seinen Pranken niederdrückte. Da hörte ich plötzlich etwas und versuchte, mich blitzartig umzudrehen. Das war ein großer Fehler. Der Schmerz in meinem Hals durchzuckte mich und ich stieß einen Klagelaut aus. Der rostbraune Wolf sah mich panisch an und sein Blick wurde leidend. Dann sah er zu denen, die die Lichtung eben betreten hatten. Ich hörte Wolfspfoten, die sich uns schnell näherten. Als diese endlich in meinem Blickfeld erschienen, erkannte ich den pechschwarzen Sam. Der Wolf nebendran musste Quil sein. Sie schienen sich mit Jacob zu verständigen und dann nahm Quil seinen Platz ein. Leah versuchte kurz, sich freizukämpfen, doch sie hatte keine Chance. J ake kam auf mich zugetrabt und kam vor mir zum Stehen. Er beugte sich zu mir hinunter und berührte mit seiner Schnauze meine ganz leicht. Ich stieß ein leises Fipsen aus und Jake schaute mitfühlend drein. Er ging um mich herum und untersuchte meine Wunden. Als er an meiner Verletzung am Hals ankam, schnüffelte er leicht und begann dann, über meine

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Wunde zu lecken, um sie zu säubern. Ich zuckte zusammen doch Jake machte weiter. Nachdem er fertig war, vergrub er sein Wolfsgesicht in meinem seidenen Fell. Ich spürte plötzlich warme Tränen an meinem Körper und stellte fest, dass der Wolf neben mir weinte. Ich richtete mich mühsam auf und brachte Jake damit dazu, mich anzusehen. Ich stupste ihn mit meiner feuchten Nasen an, kitzelte ihn mit meinen Schnurrhaaren und leckte ihn liebevoll einmal über die große Wolfswange. Jake stellte sich wieder auf alle Viere. In diesem Moment betrat wieder jemand die Lichtung, doch es waren keine Wölfe. Edward und Carlisle kamen auf uns zugerannt. Jake wandte sich von mir ab und verwandelte sich wieder in einen Menschen. Er ging auf die Cullens zu und fragte: „ Wo kommt ihr her?“ Carlisle antwortete: „ Die Kampfgeräusche sind bis in unser Haus gedrungen. Wir sind so schnell wir konnten, gekommen.“ Dann sahen die Vampire mich dort hilflos liegen und sofort eilte Carlisle zu mir und kniete sich vor mich. Er untersuchte mich und ich fragte mich, ob er wohl auch als Tierarzt ausgebildet war. „Michelle, tut es weh wenn ich das hier mache?“, er drückte ganz leicht auf meine Tatze aber es fühlte sich so an, als würde er mit einen Hammer darauf einschlagen. Mein Jaulen schien Carlisle Antwort genug zu sein, denn er drehte sich zu den anderen um und sagte: „ Wie müssen sie mitnehmen, sie muss verarztet werden“ „ Nein!“, schrie es in meinem Kopf und zum Glück reagierte Edward auf meine Gedanken. „ Warte noch, Carlisle. Jake, ich glaube, Michelle will uns noch was sagen“ Und wie ich das wollte. Bevor ich mir die Worte in meinem Kopf zu Recht legen konnte, ergriff Jake das Wort. „ Schatz, meinst du, du könntest dich zurückverwandeln? Das wäre einfacher für uns und Edward bräuchte nicht den Übersetzer zu spielen.“

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Ich blickte an ihm vorbei zu Edward, der meine Gedanken exakt wiedergab. „ Nein, das kann sie nicht. Sie ist noch zu aufgelöst und hat sich nicht unter Kontrolle. Wenn sie sich in diesem Zustand verwandelt, kann etwas schief gehen“ Ich nickte mit meinem Pantherkopf und dann ließ ich alles Revue passieren. Was ich in Leahs Gedanken gehört hatte, wie sie mir die Wahrheit sagte und wie es dann schließlich zum Kampf kam. Als ich fertig war, war Edwards Körper ganz versteift und er schaute Leah, die immer noch am Boden lag, feindselig an. „Du elende, kleine…“, er brachte den Satz nicht zu Ende, so wütend war er. Jake sah ihn verwundert an und darauf hin schilderte Edward ihm alles. Quil und Sam, die immer noch in Wolfsgestalt waren, wussten natürlich schon durch Leahs Gedanken Bescheid, deswegen erschraken sie nicht so sehr, wie Jake es jetzt tat. Er zitterte, biss die Zähne zusammen und wollte sich wieder auf Leah stürzen. Doch Carlisle hielt ihn auf . „ Nein, Jake, lass uns Michelle erst mal von hier fortbringen, damit ich mich um sie kümmern kann. Leah kann nicht davonlaufen.“ Jake blickte zu mir und fragte darauf: „Nehmt ihr sie mit zu euch? Ich komme nach. Ich werde das hier erst mal klären.“ Mit diesen Worten huschte sein Blick wieder zu den drei Werwölfen. Edward nickte und kam auf mich zu. Er ging in die Knie, schaute noch einmal schüchtern zu Jacob, und als dieser nickte, fuhr er mit seinen eiskalten Händen unter meinen Körper. Er hob mich sachte hoch. Dieses Bild musste so irreal wirken. Ich lag als Panther in den Armen eines Vampirs wie ein kleiner Welpe: die Pfoten an seiner Brust, den Kopf auf seiner Schulter, während mein Schwanz schlapp hinab ging. Edward ging ganz langsam, um mir keine weiteren Schmerzen hinzuzufügen. Als wir an Jake vorbeikamen, hielt er kurz an. Dieser sah mich traurig an. „ Ich komme, so schnell es geht, Michelle. Lass dich von Carlisle verarzten.“ Er trat näher heran und streichelte mir über meinen Kopf. Dann beugte er sich zu mir

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herunter und flüsterte mir in meine Pantherohren: „ Ich liebe dich“ Ich antwortete ihm mit einem wolligen Schnurren und Jake lächelte gequält. Und dann waren Carlisle, Edward und ich auch schon von der Lichtung verschwunden. Der Wind zischte an mir vorbei, so schnell waren wir. Einfach unglaublich. Ich sah hoch in Edwards Gesicht und betrachtete ihn genauer. Ich stellte fest, dass er im Profil wirklich hübsch war. „ Danke“, sagte Edward plötzlich grinsend. Ups! Da fiel mir noch etwas anderes ein und dachte die Worte extra deutlich. „ Ich hoffe, du hast schon gegessen. Wehe, du knabberst mich an!“. Er kicherte, sagte aber nichts. Nach ein paar Minuten sah ich das Haus der Cullens vor uns auftauchen. Die ganze Familie stand davor und schien ungeduldig auf uns zu warten. Als die kleine Renesmee dem Panther in Edwards Armen sah, keuchte sie und versteckte sich hinter ihrer Mutter. „ Keine Angst, Nessy, das ist Michelle“, beruhigte Carlisle sie. Die Cullens umringten uns und sahen mich besorgt an. Carlisle berichtete ihn in Kurzform, was passiert war, während Edward mich rein trug. Die Vampire waren alle gleichermaßen erzürnt und eine Weile konnte ich nur Schimpfwörter über Leah hören. Edward legte mich sanft auf die weiße Couch. Oh nein, bestimmt haarte ich ganz furchtbar. Danach könnten sie die Couch auf den Sperrmüll bringen. Carlisle holte seinen Arztkoffer und setzte sich neben mich. „ Ich will ehrlich mit dir sein, Michelle. Ich bin nicht als Tierarzt ausgebildet worden. Ich kann dir nur ein paar Verbände anlegen“ Meine Hoffnung sank. Hatte er nicht wenigstens ein paar Schmerzmittel für mich?

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Da fiel mir etwas ein und wandte mich wieder an Edward. Als er meine Gedanken hörte, hellte sich seine Miene auf und er sagte zu Carlisle: „ Michelle hat mir gerade erklärt, dass sie daheim ein paar Arzneimittel aus ihrer eigenen Welt hat. So ähnliche, wie Snape sie vor ein paar Monaten benutzt hat. Vielleicht kann einer von uns zu ihr nach Hause gehen und die Sachen holen. Sie sind in ihrem Zimmer“ „ Ich mache das.“, meldete sich Rosalie zu Wort. Und schon war sie verschwunden. Während wir auf sie warteten, kam Nessy auf mich zugelaufen. Sie legte ihre kleine Hand an meine weiche Wange und wieder zeigte sie mir, was sie fühlte. Sie zeigte mir wie ich aussah: klatschnass, überall Kratzer und Blut, und dass sie sich Sorgen um mich machte. Mein Blick huschte zu Edward. „Du sollst keine Angst haben, Nessy, sie ist schon bald wieder auf den Beinen. Sie muss sich nur ausruhen“. Dann dachte ich noch: „Entschuldige Edward, dass du heute den Übersetzer spielen musst“ „ Kein Problem, Michelle“, antwortete er. Dann spürte ich plötzlich eine eiskalte Hand an meiner Schulter. Die Hand gehörte zu Emmett. Er strich über mein weiches Fell und kraulte mich hinter den Ohren. „Alles wird gut. Du wirst schon sehen“, flüsterte er dabei. Ich bedankte mich bei ihm, indem ich über seine Hand leckte. Rosalie kam in dem Moment zurück und sofort ließ Emmett von mir ab. Carlisle packte alles aus der kleinen Tasche, die Rosalie uns gebracht hatte. Edward gab ihm durch meine Gedanken Anweisungen, welche Substanzen er miteinander vermischen musste. Nach vier verschiedenen Flüssigkeiten, die mir Emmett ganz vorsichtig und zärtlich eingeflößt hatte, sackte mein verwandelter Körper erschöpft zusammen. Erschöpft, aber ohne Schmerzen. Ich sank in einen unruhigen Schlaf und in meinen Träumen tauchte immer wieder das Wolfsgesicht von Leah auf. Ich wachte auf, als ich die Haustür auf und zu gehen hörte. Ich richtete mich auf und stellte fest, dass ich keine Schmerzen dabei spürte. Ich sah, wie plötzlich drei Personen im Wohnzimmer der Cullens standen.

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Natürlich war da Jacob und eilte sofort auf mich zu. Er kniete sich nieder und schaute mich nervös an. Ich zwinkerte und kuschelte mich mit meinem weichen Fell an ihn. Jake schlang seine Arme um mich und streichelte mich. Ich sah an ihm vorbei um rauszufinden, wer noch im Raum war. Ich war erstaunt, als ich Embry und Claudia dort stehen sah. Ihre Finger waren ineinander verschränkt und Claudi klammerte sich ängstlich an ihn, während es Embry nichts aus machte, mit einer Horde Vampire im selben Zimmer zu sein. Im Gegensatz zu Claudia. Sie beäugte meine Freunde misstrauisch und mit Unbehagen. Esme spürte, dass sie sich unwohl fühlte und begrüßte sie freundlich. Sie stellte ihr jeden einzelnen vor und als Claudia Nessy sah, wurden ihre Augen ganz groß. Natürlich konnte sie ihr nicht widerstehen und die beiden wechselten ein paar schüchterne Worte miteinander. Dann kam meine beste Freundin auf mich zu und kniete sich neben Jake. „ Wie geht es dir?“, fragte sie. Edward antwortete für mich: „ Es geht ihr gut. Sie glaubt, sie kann sich jetzt wieder zurückverwandeln“ Das stimmte. Mit wackligen Beinen stellte ich mich auf den Fußboden. Ich spürte Jacobs Blick auf mir. Ich ging ein paar Schritte und bemerkte, dass es mir fabelhaft ging. Zwar war ich erschöpft und müde, aber Schmerzen hatte ich zum Glück nicht. Ich drehte mich peinlich berührt zu Edward um, als mir etwas einfiel. Als er meine Gedanken hörte, lächelte er: „ Natürlich, kein Problem. Alice, könntest du Michelle etwas zum Anziehen leihen? Sonst muss sie hier noch splitterfasernackt rumlaufen“ Toll, hätte der das nicht auch eleganter ausdrücken können? „ Na klar“, antwortete Alice freudig und ich folgte ihr die Treppe hinauf. In ihrem Zimmer angekommen, fühlte ich mich wie in einem Prinzessinnin-Schloss. Das Himmelbett war gigantisch und alles war in weiß gehalten. Und als ich dann ihren riesigen begehbaren Kleiderschrank sah, fiel ich fast um. Alice kicherte, als sie sah, dass ich ihre Klamotten wie ein achtes Weltwunder anstarrte.

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„ Ich such dir am Besten was raus, Michi, sonst machst du noch alles mit deinen Tatzen schmutzig. Nicht böse sein“ Ich verdrehte die gelben Augen. Als ob ich jemals auf Alice böse sein könnte. Sie suchte mir eine enge Jeans und einen passenden, grünen Pullover heraus. Ich bedankte mich bei ihr, indem ich mich auf die Hinterbeine stellte und meine feuchte Nase kurz ihre steinharte Wange anstupste. Sie lächelte: „ Wir warten unten auf dich, ok?“ Dann war sie auch schon weg. Es sollte wirklich verboten werden, so schnell zu sein. Ich konzentrierte mich und verwandelte mich wieder einen Menschen. Autsch! Das tat ganz schön weh. Als ich endlich wieder auf nur zwei Beinen stand, tastete ich meinen Körper ab, um sicherzustellen, dass auch alles in bester Ordnung war, und das war der Fall. Doch als ich vor Alices großem Spiegel stand, erschrak ich. Meine Oberarme und mein Bauch waren mit Blutergüssen übersäht.Oh je, hoffentlich bekam das Jake nicht zu sehen. Ich schlüpfte schnell in Alice Klamotten und ging die Treppe wieder hinunter. Alle atmeten erleichtert auf, als ich lächelnd wieder hinunterkam. Jake umarmte mich sofort und ließ mich einige Zeit lang nicht mehr los. Ich erwiderte die Umarmung und drückte ihm einen liebevollen Kuss auf die Wange. „ Mir geht’s gut, Jake, alles in Ordnung. Carlisle hat ausgezeichnete Arbeit geleistet“ Dieser lachte in diesem Moment auf und meinte: „ Na ja, du übertreibst. Ich hab nur die Wundermittel gemixt, die du Gott sei Dank bei dir daheim hattest“ Da meldete sich plötzlich Claudia zu Wort, die sich nun nicht mehr so unwohl zu fühlen schien: „ Apropos, junges Fräulein. Erklär mir mal, wo du das Zeug herhast! In Hogwarts werden diese Tränke besser bewacht als die Kronjuwelen der Queen“ Ich zappelte nervös. „ Na gut, du hast mich erwischt. Als ich nach Chicago

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gezogen bin, hab ich was aus dem Schloss geschmuggelt, falls ich es noch brauchen sollte. Es war zwar schwierig, aber ich habs geschafft“ „ Du bist echt unmöglich! Und ich dachte, ich wüsste alles von dir!“. Wir brachen alle in lautes Gelächter aus. Jake fuhr mich heim und wir gingen in mein Zimmer. Wir hatten Glück gehabt, mein Vater war nicht da. Ich wollte mich gerade zu Jacob umdrehen, da fragte er mich nervös: „ Macht es dir was aus, wenn ich nochmal verschwinde, ich geh noch mal mit Cäsar raus“ „ Ok, ich komme mit“ „ Nein, lass nur, ich würde gerne alleine gehen“ Was war denn jetzt los? Da sah ich, wie Jake am ganzen Körper zitterte und wie sein Blick ganz leer wurde. Ich bekam Panik, denn auch sein finsterer Blick ließ nichts Gutes erahnen. Doch bevor ich etwas sagen konnte, drückte er mir einen Kuss aufs Haar und verschwand. Ich blieb verwirrt zurück und schlurfte durch mein Zimmer. Ich schaltete meinen Computer an, der mit einem ohrenbetörenden Lärm hochfuhr. Ich gab mein Passwort ein (Ich war sehr kreativ gewesen, denn es lautete „ Werwolf“) und dann sah ich wieder meinen wunderschönen Hintergrund. Es war ein Bild von Jake und mir an dem Tag, an dem wir Schlittschuh laufen waren. Ich öffnete den Internetbrowser und checkte meine Emails. Ich hatte das schon einige Zeit lang nicht mehr getan. Werbung, Werbung und nochmals Werbung. Ich würde Jake fragen, ob er wusste, wie man das abstellen konnte. Ich löschte sofort alle Nachrichten, in denen irgendetwas über Badeanzüge, Pickelcremes oder Gratis Urlaub standen. Ich saß bestimmt zehn Minuten da und drückte immer wieder auf Löschen, als mir eine Email ins Auge fiel. Ich richtete mich neugierig auf. Die Nachricht war von Hatice, eine meiner alten Freundinnen aus Chicago. Wir

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waren auf dieselbe Schule gegangen und hatten so manche Unterrichtsstunden auf den Kopf gestellt. Ich kicherte, als ich mich daran erinnerte, wie Hatice und ich einmal eine etwas beleidigende Zeichnung von unserem Kunstlehrer, Mister Higgins, gemalt hatten. Wir wurden natürlich erwischt und mussten zwei Stunden nachsitzen, doch der Spaß war es uns wert gewesen. Hatice fragte mich in ihrer Email, wie es mir ging und was es Neues gab. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, ich müsste sie wirklich mal anrufen. Ich tippte, was das Zeug hielt und erzählte ihr alles von Jake. Na ja, zumindest so viel wie ich berichten konnte, ohne dass sie in Ohnmacht fallen würde. Zum Schluss fragte ich noch, wie es den anderen Mädels ginge und dass ich sie so gerne wiedersehen würde. Dann drückte ich auf „Senden“ Just in dem Augenblick kam Jake wieder zurück. Jetzt war er schon viel ruhiger und so konnte ich ihn fragen: „ Jake, was war los?“. „ Tut mir Leid, ich war immer noch so aufgebracht. Ich brauchte einen kleinen Spaziergang, um runter zu kommen.“ Es war mittlerweile schon dunkel geworden, konnte er da überhaupt sehen, wo er langgelaufen war? Ich stand auf und fragte aufgeregt: „ Was ist mit Leah? Was habt ihr gemacht, nachdem Edward, Carlisle und ich weg waren?“ Jake fing an zu knurren und ballte seine Fäuste. „ Sie bekam die Höchststrafe“. Ich erschrak: „ Ihr habt ihr doch nichts angetan, oder?“ Jetzt starrte er mich an: „Michelle, jetzt sag mir nicht, dass du dir auch noch Sorgen um sie machst? Nein, wir haben sie nicht verletzt, aber glaub mir, das hätte ich zu gerne gemacht. Sie darf sich ab sofort nie mehr in einen Wolf verwandeln und darf uns nie wieder unter die Augen treten. Sie ist verbannt!“ „ Ja, vermutlich ist das wirklich das Beste. Trotzdem. Sie liebt dich, so wie es aussieht, so sehr, dass sie alles tun würde, um dich zu bekommen“ Jake machte ein paar Schritte auf mich zu und legte seine Hände auf meine Schultern. „ Michelle, ich verspreche dir, dass sie dir nicht mehr zu nahe kommt. Dafür werde ich schon sorgen. Ich kann immer noch nicht glauben, dass sie unser oberstes Gesetz gebrochen hat“ „ Was für ein Gesetz?“ „ Dass kein Wolf jemals den Menschen verletzt, auf den einer seiner Brüder

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geprägt wurde. Es würde dem anderen so viel Schmerz zufügen, dass daran auch überhaupt keiner denkt. Und Leah wollte dich töten!“ Bei diesen Worten schluckte er. Ich umarmte ihn ganz fest und sagte: „ Aber das hat sie nicht geschafft. Ich hab ein ziemlich dickes Fell, weißt du!“ Er lachte und dann küsste er mich. Meine Beine zitterten, als seine warmen Lippen auf meinen lagen. Ich atmete seinen wunderbaren Duft ein und schlang meine Arme fester um ihn. Er griff in mein kurzes Haare und der Kuss wurde leidenschaftlicher. Da hatte ich eine Idee und vor Freude machte mein Herz einen Hüpfer. Ich führte Jacob zu meinem Schreibtischstuhl und er setzte sich. Ich hob sein Kinn an, gab ihm einen zärtlichen Kuss und flüsterte dann: „ Jake, ich will mit dir schlafen.“ Er schaute mich entgeistert an und seine Kinnlade klappte nach unten. „ W-was hast du da gerade gesagt?“ Ich antwortete selbstsicher: „ Ich sagte, dass ich mit dir schlafen will. Ich bin bereit, Jacob“ „ Bist du dir da sicher? Ich will dich zu nichts drängen. Ich möchte nicht, dass du wegen heute irgendetwas überstürzt und es später vielleicht bereust“ Ich fuhr ihm durch sein kurzes, schwarzes Haar. „ Jake, ich bin mir sicher und das hat überhaupt nichts mit dem zu tun, was heute passiert ist. Mein Herz gehört dir eh schon, warum dann nicht auch der Rest meines Körpers?!“ Jake lächelte, schien aber immer noch verunsichert. „ Ähm. Etwa jetzt gleich?“ Ich grinste. „ Warum nicht? Alan ist mit seinen Arbeitskollegen etwas trinken gegangen und wird so schnell nicht zurück sein. Und Cäsar liegt schlafend unten in seinem Körbchen. Wir sind völlig ungestört“ Das ließ der Werwolf sich nicht zweimal sagen und stand auf. Er legte seine Arme um meine Taille und küsste mich liebevoll. Überall an meinem Körper kribbelte es und ich wurde ganz aufgeregt. Jake zog mich zum Bett und ich

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setzte mich auf seine Oberschenkel. Wir küssten uns sehr lange und sehr zärtlich. Als wir uns voneinander lösten, flüsterte ich: „ Ich liebe dich!“ „ Ich liebe dich noch viel mehr!“ Ich verdrehte die Augen. „Wohl kaum!“. Wir lachten beide. Genau denselben Wortwechsel hatten wir schon einmal gehabt. Damals im alten Jeep, nachdem wir uns das erste Mal geküsst hatten. Ich nahm Jakes Gesicht in beide Hände und küsste ihn wieder. Daraufhin ließ er sich nach hinten auf die Matratze fallen und zog mich sanft mit. Es war zwar ein schlimmer Tag gewesen, doch in den nächsten Stunden erlebte ich dafür die schönste Nacht meines Lebens. „Edward würde mich killen“ Ich wachte am nächsten Morgen durch einen lauten Schnarcher neben mir auf. Ich blinzelte und sah, dass Jake derjenige war, der hier so einen Lärm machte. Eine Weile blieb ich einfach nur liegen und sah ihn an. War ich schon wieder am Träumen? Ich richtete mich leise auf, um Jake nicht zu wecken. Mein Blick haftete immer noch an seinem makellosen Körper und seinen wunderschönen Gesichtskonturen. Sonnenstrahlen fielen durch mein Fenster und erhellten den Raum. Ich hatte die absolut schönste Nacht hinter mir. Ich war total aufgeregt gewesen und hatte Angst gehabt, etwas falsch zu machen, doch Jake hatte mir diese Angst genommen. Er war genauso unerfahren wie ich doch ich musste zugeben, dass wir es dafür ziemlich gut hinbekommen hatten. Jede Berührung von Jake hatte meinen Körper zum Erzittern gebracht und jede Sekunde war so kostbar gewesen. Mein Blick fiel auf meine Bettdecke, die auf dem Boden lag. Ich grinste. Als ich die letzte Nacht mit Jacob darunter verbracht hatte, wurde mir

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irgendwann so warm, dass ich fast einen Hitzeschlag erlitten hätte und Jake hatte mit einem Lachen die Decke vom Bett gezerrt. Nachdem wir ‚es‘ getan hatten, redeten wir noch sehr lange, bevor ich in seinen Armen einschlief. Ich reckte mich und hob meine Bettdecke wieder auf. Dann kuschelte ich mich an Jake und küsste ihn sanft auf den Hals. Sofort wachte er auf. Als er sich zurechtfand zog er mich mit einem Ruck auf sich drauf und legte seine vollen Lippen auf meine. Nachdem wir uns zwei Minuten lang eng umschlungen geküsst hatten, strahlte ich ihn an und sagte: „ Guten Morgen“. „Guten Morgen, mein Engel“, antwortete er freudenstrahlend. Ich lag immer noch auf seiner Brust und sprach grinsend: „ Ziemlich verrückte Nacht, was?“. Jake grinste, was das Zeug hielt. „ Ja, sehr verrückt, wirklich. Aber auch die schönste, die ich je erlebt habe“. „ Mir geht’s genauso“ Ich legte mich wieder neben ihn und fuhr mit meinen Fingernägeln an seinen Bauchmuskeln entlang. Jake schloss die Augen und genoss es. Dann drehte er sich zu mir um und stützte seinen Kopf mit der Hand ab. „ Wie fandest du es? Hab ich irgendwas falsch gemacht, außer dass ich dir fast einen Hitzeschlag verpasst hätte?“ Ich lachte leise und meinte: „ Damit kam ich gerade noch so klar. Quatsch, Jake, es war absolut großartig. So schön hätte ich es mir nicht vorgestellt. Was ist mit mir? Hab ich irgendetwas…ähm…falsch gemacht?“ Jetzt war es an Jacob, zu lachen. „ Michelle, machst du Witze? Ich hätte niemals geglaubt, dass es so eine Leidenschaft überhaupt gibt. Aber zum Glück war dein Vater nicht daheim, du wurdest nämlich irgendwann ganz schön laut“ Oh Gott, wie peinlich! Ich wurde rot und fing an, an meinem Pony rumzuspielen. Dann wehrte ich mich gegen seine Worte:

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„ Hey, dafür kann ich nichts. Daran bist nur du schuld. Was kann ich dafür, dass du so verdammt zärtlich sein kannst?!“ Jake grinste, doch dann wurde sein Blick wieder ernst. Er nahm mein Gesicht in beide Hände und flüsterte mir zärtlich zu: „ Koo cloak lay“ Ich sah ihn fragend an. „ Heißt das ‚Ich liebe dich‘ in der Sprache deines Stammes?“ Jake kam mir noch ein Stückchen näher. „ Nein, nicht ganz. Es bedeutet so viel wie: Bleib für immer bei mir“ „ Oh Jake…“. Ich schmiegte mich an seine warme Brust und küsste ihm aufs Schlüsselbein. „ Das werde ich. So schnell wirst du mich nicht los.“ Er streichelte mir übers Haar und küsste mich kurz, aber sanft. Ich genoss es und sah ihm danach tief in seine braunen Augen. „ Koo cloak lay, Jacob“ Wir lächelten uns beide verliebt an. Da hörten wir das Knarzen einer Matratze im Nebenzimmer und wie jemand laut gähnte. Ach du Schreck! Jake und ich schauten uns panisch an und ich flüsterte schnell: „ Los, versteck dich“ Er sprang auf, immer noch halbnackt, und sah sich um. „ Wo denn? In deinen Schrank pass ich nicht!“ Ich überlegte fieberhaft. Alan mochte Jake zwar sehr und er war für ihn schon Teil der Familie, doch wenn er ihn hier morgens nackt in meinem Zimmer erwischen würde, würde er ihn vierteilen. Seiner Meinung nach sollte ich unberührt bleiben, bis ich 26 war. Na ja, was machten schon 10 Jahre aus? Ziemlich viel. Mir fiel etwas ein und sagte nervös: „ Der Tarnumhang. In der Ecke“ Jake schaltete schnell, packte sich den Umhang und verschwand

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darunter. „ Stell dich weit von der Tür weg“, flüsterte ich ins Leere. Das war knapp gewesen, denn in dieser Sekunde klopfte mein Dad an. „Michelle, bist du wach?“ Ich kuschelte mich schnell in meine Bettdecke, damit mein Vater nicht sah, dass ich fast nackt war, obwohl der Winter draußen immer noch sein Unwesen trieb. Ich antwortete verschlafen: „ Ja, Dad, komm rein“ Er öffnete die Tür und steckte den Kopf herein. „ Na, gut geschlafen, Schatz?“ „ Wie ein Murmeltier.“ In meinen Gedanken sagte ich: „ Wehe, du machst auch nur einen Mucks, Jake“ Mein Vater sprach wieder: „ Hör mal, ich muss in die Firma. Irgendjemand hat Mist gebaut bei der Datenverarbeitung und jetzt ist der Teufel los. Könntest du bitte einkaufen gehen?“ „ Klar, Dad“, antwortete ich und schon war er wieder verschwunden. Ich wartete noch, bis ich seine Schritte nicht mehr hörte, dann suchte ich mein Zimmer mit den Augen ab. Plötzlich pikste mir jemand in die Seite. Ich unterdrückte einen Schrei und fluchte leise: „ Jake, wir kannst du es wagen, mich so zu erschrecken!“ Ich hörte sein Lachen und sah ihn wenige Augenblicke dann wieder vor mir stehen. „ Praktisch, das Teil. Damit könnte ich Rosalie wirklich mal einen tollen Streich spielen“ Ich stand auf und lief zum Schrank, um mir etwas zum Anziehen rauszusuchen. Als ich in meiner weißen Unterwäsche immer noch ratlos davorstand, spürte ich Jakes Blick im Rücken. Ich drehte mich um und fragte: „ Was ist?“. „ Ach nichts“, antwortete er schmunzelnd und schaute mich von oben bis unten an. Ich verdeckte meinen Bauch und meinte: „ Jaja, ich weiß, mein Babyspeck. Kann ja nicht jeder so ein Sixpack haben wie du!“ Jake seufzte und schüttelte den Kopf. Dann stellte er sich hinter mich und legte seine Arme um mich, wobei er sein Kinn auf meine Schulter legte. „ Du redest vielleicht einen Unsinn! Was ist? Findest du nichts?“ „ Nein. Ich hab einfach nichts zum Anziehen“ „Michelle, dein ganzer Schrank ist voll.“ „ Trotzdem“, erwiderte ich. Nachdem ich endlich was gefunden hatte, fragte ich Jake: „ Ich muss jetzt einkaufen gehen. Ich geh mal davon aus, dass du deine ‚Schicht‘ jetzt ableisten musst?“ Er nickte traurig. „ Ja, das stimmt.“ Er wollte sich gerade von mir verabschieden, da klingelte mein Handy. Da Jake näher dran war, ging

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er ran. Plötzlich verfinsterte sich sein Gesicht und er fragte den Anrufer bissig: „ Was willst du von ihr?“ Er wartete ab und schaute dann zerknirscht drein. Er reichte mir mein Handy und sagte: „ Es ist Emmett“ Verblüfft nahm ich es in die Hand und fragte: „ Hallo? Emmett?“. „Hey, Michi“, hörte ich Emmetts tiefe Stimme am anderen Ende der Leitung. „ Ich wollte fragen, ob du und Jake nächste Woche mit Rosalie und mir auf den Rummel gehen wollt.“ Jetzt war ich wirklich baff. Ein Pärchen Abend mit zwei Vampiren, einen Werwolf und einer Hexe? Klang doch gar nicht mal so schlecht. „ Klasse Idee. Moment, ich frage ihn kurz“ Ich erklärte Jake die Situation und dieser zog die Augenbrauen skeptisch hoch. „ Bitte, Jake, das wird bestimmt lustig. Tu mir den Gefallen.“ Er zuckte mit den Schultern und meinte: „ Ok, meinetwegen“ Ich lächelte ihn an und sprach dann wieder in den Hörer: „ Ok, Emmett, nächste Woche ist gebongt“ „Klasse, dann machen wir den Rummelplatz unsicher“. Ich verabschiedete mich von ihm und legte auf. „ Danke Jake“, sagte ich fröhlich und verabschiedete mich mit einem langen innigen Kuss von ihm. Eine halbe Stunde später schlurfte ich durch den Supermarkt. Alan hatte mir einen Einkaufzettel mitgegeben mit allen Dingen, die wir brauchten. Ich stöhnte, als ich sah, wie lang diese Liste war. Darauf stand auch in Alans Krakelschrift ‚ Sauce Hollandaise‘. Ha! Dieses Mal hätte ich kein Problem damit, sie zu finden. Ich schob den Einkaufswagen vor mir her und als dieser etwa zur Hälfte voll war, sah ich plötzlich eine mir bekannte Person bei der Tiefkühlabteilung stehen. Leah! Ich wollte mich schnell verstecken, doch sie hatte mich schon entdeckt. Mein Herz hämmerte und ich begann zu schwitzen, als ich in ihr schönes Gesicht sah. Doch es hatte sich verändert. Ich konnte tiefe Augenringe erkennen und ihr Haar war nicht so schön gekämmt wie sonst. Ihr Blick war immer noch auf mich gerichtet und sie fing an zu zittern, wobei sie mich wütend anstarrte.

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Ich hatte schon Angst, dass sie sich hier in der Öffentlichkeit verwandeln könnte, doch da trat ein Junge neben sie. Er hatte genauso schwarze Haare wie sie und die gleichen Gesichtszüge. War das etwa ihr Bruder? Wie hieß er noch gleich? Leah hatte mir irgendwann mal seinen Namen gesagt. Sean…Sascha…Sam…Seth! Ja, so hieß er: Seth! Er legte eine Hand auf Leahs Schulter und redete beruhigend auf sie ein. Dann blickte er zu mir und sah mich entschuldigend an. Leah feuerte eine Packung Pommes in ihren Einkaufswagen, drehte sich dann um und ging zur Wursttheke. Seth nickte mir noch einmal zu und ging ihr nach. Schnell erledigte ich meine Einkäufe und eilte zur Kasse. Ich war froh, als ich aus dem Laden draußen war und in meinem Mini saß. Wäre Seth nicht gewesen, hätte mir Leah vermutlich eine Szene gemacht. Und ich hatte keine große Lust, heute noch auf einem Polizeirevier zu landen. Ich wollte gerade den Motor starten, da klingelte heute zum zweiten Mal mein Handy. Auf dem Display sah ich, dass es Edward war. „ Hey, Ed. Was gibt’s?“ Ich ärgerte ihn immer gerne mit diesem Spitznamen. Ich war überrascht, als eine Kinderstimme mir antwortete. „ Michi! Hier ist Nessy. Stell dir vor, wie beide gehen morgen zusammen einkaufen!“ Ich war zu verblüfft um zu antworten, da hörte ich ein kehliges Lachen im Hintergrund und Edward war dran. „ Hey, Michelle“ „ Hi, na, hat Nessy dir dein Handy geklaut?“ Er lachte. „ Ja, kann man so sagen. Hör mal, Bella und ich wollten fragen, ob du Lust hättest, den Tag morgen mit Renesmee zu verbringen. Wir wollten zu zweit eine Tagestour machen, alleine, und da dachten wir, dass du Nessy vielleicht nehmen könntest. Damit sie mal raus kommt. Nessy ist jedenfalls von der Idee begeistert.“ „ Edward, ist das dein Ernst?“ Wow, das war ein riesiger Vertrauensbeweis. Dass er seine eigene Tochter bei mir ließ. Da durfte ich mir keine Fehler erlauben. „ Natürlich, wir vertrauen dir. Außerdem bist du ihre Patentante“ Ich antwortete glücklich: „ Klar, würde ich das gerne tun. Ich hol sie morgen um 14 Uhr ab, ok?“ „ Danke, Michelle. Bis dann“ Ich hörte noch Nessys Jubelschreie im Hintergrund, bevor Edward auflegte.

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Mein Auto kam vor dem Haus der Cullens quietschend zum Stehen. Es schneite heute und deshalb hatte ich mich superdick angezogen. Ich betete, dass der Frühling endlich kommen möge. Ich konnte ja nicht die ganze Zeit Jacob als Heizkörper bei mir haben. Ich stieg die Veranda hinauf und klingelte Sturm. Alice öffnete mir nur eine Sekunde später. „ Michelle! Da bist du ja. Komm rein“ Wir begrüßten uns mit einem Kuss auf die Wange und da sah ich auch schon Nessy die Treppe hinunter hüpfen. Ich breitete die Arme aus und Nessy sprang ohne weiteres hinein. Sie kuschelte sich an mich und ihre dunklen Locken kitzelten in meiner Nase. „ Na, kleiner Vampir, wie geht’s dir?“ „ Super, und dir, kleine Hexe?“, antwortete sie. Wir lachten alle. Da kamen auch schon Bella und Edward um die Ecke. Sie begrüßten mich stürmisch und Bella sagte: „Danke, dass du dich heute um unsere Tochter kümmerst“. Darauf hin meinte Edward: „ Wir haben Nessy schon die Regeln erklärt. Sie wird sich heute benehmen, da bin ich mir sicher“ „ Natürlich werde ich das!“ sagte Nessy empört. Wir verabschiedeten uns und dann gingen wir beide zu meinem Auto, wobei ich ihre kleine Hand ganz fest hielt. Nessy sprang auf den Beifahrersitz. Ich ahnte, dass Bella und Edward an einem Fenster standen und uns beobachteten. Ich beugte mich zu Nessy hinüber und schnallte sie an. Dann fragte ich sie: „ Also. Was möchtest du heute machen?“ Jetzt fing ihr Gesicht an, zu leuchten. „ Oh, ich möchte unbedingt in ein Spielwarengeschäft. Meine Eltern kaufen mir immer alles aber ich will mir auch mal etwas alleine raussuchen. Und dann will ich noch ein Eis essen!“ Brrrr, ein Eis bei der Kälte? Egal, Nessy war heute die Prinzessin und sollte alles bekommen, was sie wollte. Das mit dem Spielwarengeschäft sollte auch kein Problem sein. Edward hatte mir einen Umschlag mit Geld mitgegeben, damit Nessy sich was kaufen konnte. Er hatte dabei mal wieder maßlos übertrieben. Mit diesem Geldbetrag könnte man eine ganze 3-Zimmer-Wohnung mieten. Ein Leben lang.

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Wir fuhren los. Ich achtete darauf, dass ich die Geschwindigkeit im Rahmen hielt. Endlich hielten wir in der Innenstadt vor dem größten Spielzeugladen, den ich in Atlanta kannte. Nessys Augen wurden ganz groß, als sie das Schaufenster sah und wollte schon losstürmen, doch ich hielt sie zurück. „Hey, warte noch kurz. Versprichst du mir, dass du dich gleich da drinnen benimmst? Das heißt, du rennst nicht einfach weg, sodass ich dich in diesem Riesengeschäft nicht mehr finden kann. Dieser Tag heute ist wichtig. Wenn was schief läuft, lassen mich deine Eltern nie mehr etwas mit dir unternehmen. Und das willst du doch nicht etwa, oder?“ Sie schüttelte den Kopf so heftig, dass ihre Locken nur so hin und her wehten. „ Ich verspreche es, Michi. Ich bin ganz brav!“ Wir stiegen aus und betraten den Laden. Ich staunte selbst nicht schlecht. Das war wirklich das reinste Paradies für Kinder. Überall standen bunte Päckchen, Puppenhäuser und lebensgroße Teddybären herum. Wir gingen auf die Rolltreppe zu, neben der ein Plan des ganzen Geschäfts stand. Wow, die hatten hier wirklich für alles eine Abteilung. Selbst für Kuscheltiere gab es eine eigene. „ Also. Wo willst du zuerst hin?“ Nessy überlegte angestrengt und dann klatschte sie in die Hände. „ Ich will zuerst in die Puppen-Abteilung“ Gesagt, getan. Wir verbrachten fast eine Stunde zwischen Barbies, Kens und Polly Pockets. Ich war als Kind nie ein Fan von ihnen gewesen. Barbie stand immer für das offensichtlich Schöne, von dem jeder Junge nur träumte. Weil ich Barbie nicht im Geringsten ähnlich sah, hatte ich ihr als Kind den Kopf abgerissen. Doch Nessy fand ein paar Puppen und so landeten sie im Einkaufswagen. Ich befürchtete, dass einer nicht langen würde. Als nächstes wollte Nessy natürlich zu den Plüschtieren. Ich lachte laut auf, als der kleine Halbvampir mit einem großen schwarzen Panther in den Armen zurückkam. Nessy suchte sich noch viele Dinge heraus. Ein 1000-teiliges Puzzle mit einem Sonnenuntergang als Motiv, ein paar Bücher, ein Freundschaftsbuch(ich sollte zuerst reinschreiben), noch massenhaft Kuscheltiere, Barbies Traumschloss,

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neue Buntstifte, Malbücher und ein großes Lexikon, mit dem sie ihren Horizont erweitern wollte, wie sie sagte. Ich schüttelte den Kopf. Nessy sah zwar aus wie 6 doch ihr Verstand war der eines Harvard-Professors. Als ich den Betrag an der Kasse sah, wurde mir mulmig. Puh, soviel gab ich noch nicht mal in einem ganzen Jahr für Klamotten aus. Wir gingen mit unseren Einkäufen raus( Ich bestand darauf, alles zu tragen, die Leute hätten nur dumm geguckt, wenn ein kleines Mädchen im Stande war, ein Riesenpuppenhaus zu tragen) und gingen dann zu Fuß weiter. Wir schlenderten Hand in Hand durch die Straßen, bis wir an einer Eisdiele ankamen. Wir setzten uns rein und der Kellner kam auch schon angetanzt. Nessy bestellte sich einen Schokoladenbecher, während ich einen Tiramisu-Becher wollte. Ich grinste. Claudia wäre jetzt bestimmt auch gerne hier. Sie war geradezu süchtig nach Tiramisu eis. Mal wieder war ich verblüfft, wie erwachsen und ernst man sich schon mit Nessy unterhalten konnte. Wir redeten über Bücher, die man eigentlich erst in der zehnten Klasse las, doch sie konnte mir von allen den Inhalt perfekt wiedergeben. Irgendwann kamen wir auf das Thema Zukunft. „ Sag mal, Nessy, weißt du denn schon, was du später mal machen möchtest?“ Ich wusste, dass sie in ein paar Jahren ausgewachsen sein würde und dann ein „Voll-Vampir“ wäre. Was würde dann geschehen? „ Ich möchte natürlich studieren gehen, denn ich hab ja alle Zeit der Welt. Ich würde gerne Anwältin werden“ Ich lächelte. Ja, das passte. Keiner im Gerichtsaal würde ihr widerstehen, geschweige denn widersprechen. Nessy fuhr fort: „ Aber ich werde ja auch viel unterwegs sein. Ich meine, wenn wir von hier weg müssen“ Sie klang traurig. Ich seufzte. Carlisle hatte mir erzählt, dass sie irgendwann wegziehen mussten, weil es auffallen würde, dass sie nicht alterten. Aber er hatte mir auch versichert, dass sie noch ein paar Jahre bleiben würden. Nachdem wir unsere riesigen Eisportionen verdrückt hatten, liefen wir wieder zurück Richtung Auto, denn es wurde bereits dunkel. Da entdeckte Nessy etwas und rannte auf die andere Straßenseite. Sie war so schnell, dass ich gar nicht reagieren konnte.

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Sie stand vor einem Plakat, welches auch gerade ein großer, älterer Herr betrachtete. Er schaute die kleine Nessy neugierig an und fing an, mit ihr zu sprechen. Oh Gott! Ich versuchte ebenfalls, auf die andere Seitenstraße zu rennen, doch es fuhren so viele Autos, dass ich keine Chance hatte. Ich schaute panisch wieder zu den Beiden hinüber. Mein Herz hämmerte, als ich sah, dass Nessy dem Fremden antwortete. Dieser wandte sich jetzt richtig zu ihr zu und ging vor ihr in die Knie. Alle meine Alarmglocken läuteten auf einmal. Der alte Mann lächelte Nessy freundlich an und nahm ihre kleine Hand. Mein Puls war bestimmt auf 180 und jetzt war mir egal, dass die Autos mir den Weg versperrten. Ich rannte auf die Straße. Ein schwarzer Audi legte eine Vollbremsung hin, als ich ihm vor den Wagen lief. Er hupte und schrie wütend doch ich achtete nicht auf ihn. Ich rannte zu Nessy und dem Unbekannten und rief laut: „ HEY!“ Der Mann schreckte hoch und Nessy sah mich irritiert und verwirrt an. Ich stellte mich hinter sie und legte meine Hände auf ihre Schultern. Der Fremde verbeugte sich und sagte: „ Guten Abend, junges Fräulein“ Ich antwortete knapp: „ Hallo. Hätten Sie die Freundlichkeit mir zu sagen, was Sie von meiner kleinen Schwester wollen?“ Nessy antwortete für ihn: „ Der alte Mann hat mich gefragt, ob ich gerne eine heiße Schokolade hätte“ Ich starrte den Man fassungslos und wütend an. Dann giftete ich ihn an. „ Danke, aber das wird nicht nötig sein.“ Der Herr antworte nervös: „ Ähm…einen schönen Abend noch. Tschüss“ Dann drehte er sich um und eilte davon. Mir fiel ein Stein vom Herzen, doch im nächsten Moment nahm ich Nessy auf den Arm und schaute sie tadelnd an. „ Nessy, mach das nie wieder! Du darfst niemals mit Fremden sprechen und du darfst niemals mit ihnen weggehen, hörst du?!“ Jetzt war die Kleine auch

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nervös und meinte: „ Aber Michi, er war so freundlich!“ „ Das ist egal. Auch wenn er sagt, er kenne deine Eltern oder deine Freunde und er solle dich hier abholen. Du darfst niemals mit ihn fort gehen! Was wäre, wenn er dich jetzt gepackt hätte und dir wehgetan hätte?“ In meiner Stimme war Panik zu hören. „ Ach Michi“.Nessy tippte sich auf die Brust. „ Halbvampir, schon vergessen? Stärker als zehn Männer zusammen“ Ich seufzte, sie hatte Recht. Trotzdem. Edward würde mich killen. „ Warum bist du überhaupt weggerannt?“ „ Guck doch!“ Ich sah ein Plakat, was in einem Schaufenster hängte. Ich lächelte. Es war Werbung für ein Musical hier in der Nähe: „ Tanz der Vampire“ „ Da könnten Mommy und Daddy mitspielen“, sagte sie kichernd. „ Das stimmt allerdings“ Wir gingen zurück zum Wagen und wir fuhren heim. Edward machte mir keine Szene, wie ich gedacht hatte. Er sah zwei Versionen von dem, was heute passiert war, einmal in Nessys Gedanken und einmal in meinen. Er sah meine Angst und Sorge, die ich gespürt hatte, als der alte Mann sich zu ihr runter gebückt hatte. „Edward, es tut mir Leid. Du hast mir Nessy anvertraut und ich habs vermasselt“. „ Ach Quatsch, Michelle. Wie hättest du sie denn aufhalten sollen, so schnell wie sie ist?! Außerdem hätte sie sich auch gut selbst wehren können. Du bist vor ein Auto gesprungen, um meiner Tochter zu Hilfe zu eilen. Mehr Einsatz könnte ich gar nicht erwarten“ Seine Worte beruhigten mich. Ich verbrachte den Abend noch bei den Cullens, wobei Bella, Edward, Rosalie und Alice auf der Jagd waren. Nessy und ich lagen auf dem weichen Teppichboden im Wohnzimmer und machten uns an das Puzzle, was wir heute gekauft hatten. Das kleine Halbvampirmädchen fand die passenden Teile dreimal so schnell wie ich. Man, vielleicht hätte ich ein Puzzle mit 10.000 Teilen statt 1.000 kaufen sollen. Wir unterhielten uns und machten Faxen. Aus den Augenwinkeln sah ich Emmett, der die Zeitung las und ab und zu über den Rand blickte, um uns zu beobachten. „ Nessy, kommst du bitte mal kurz hoch?“, hörten wir plötzlich Esmes Stimme

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rufen. Nessy stand auf und ging hoch. Schnell machte ich mich wieder ans Puzzeln, ich wollte mindestens fünf Stücke miteinander verbinden, bevor sie wieder runterkam. „ Ich weiß, was du vorhast. Das schaffst du eh nicht, dieses kleine Monster ist einfach unschlagbar“, hörte ich Emmett hinter seiner Zeitung sagen. Ich brummte und versuchte es weiter. Emmett kicherte, stand auf und setzte sich neben mich auf den Fußboden. Mist! Er konnte die richtigen Puzzleteile noch schneller finden als Nessy. Emmett sagte plötzlich schüchtern: „ Ich finde großartig von dir, was du heute getan hast.“ Jetzt war ich verblüfft. „ Was? Dass ich Nessy fast mit einem Fremden hab weggehen lassen?“ „ Nein, dass du dich selbst in Gefahr gebracht hast, um die Kleine zu retten. Du wärst wirklich eine gute Mutter, Michelle“ Ich wurde rot. „ Du übertreibst!“ Er schüttelte den Kopf. „ Nein. Ich meine, als erstes rettest du unsere ganze Familie und das Rudel vor Serafina und ihrer Armee und gehst fast selbst dabei drauf. Dann opferst du dich so für Nessy auf und du bist wirklich für jeden da. Jacob kann sich glücklich schätzen.“ Seine Stimme klang missmutig. „ Danke, Emmett“, antwortete ich knapp. Um vom Thema abzulenken, sagte ich: „ Ich freu mich schon darauf, wenn wir zu viert auf den Rummel gehen“. Emmett nickte und lächelte gequält. Der Rest des Abends war noch kunterbunt und wir hatten alle zusammen Spaß. Spät nachts verabschiedete ich mich dann von ihnen. Nichts ahnend, dass Jake daheim mit einem Geständnis auf mich wartete. "Und ich bin der Kaiser von China“ Ich fuhr im Dunkeln heim, was ich hasste. Ich hatte dann immer das Gefühl,

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meinen Wagen nicht vollends unter Kontrolle zu haben. Ich stellte mein Radio an und suchte einen Sender, der gerade etwas über das kommende Wetter berichtete. Endlich fand ich einen. „ Unsere Hörer können getrost aufatmen. In den nächsten Tagen fängt es an zu tauen und der Frühling sagt endlich ‚Hallo‘ zu uns“ Zum Glück, das wurde ja auch Zeit. Ich bog in unsere Straße ein und hielt vor der Garage. Ich steckte gerade meinen Autoschlüssel in die Jackentasche, da sah ich jemanden vor der Motorhaube stehen. Ich schrie wie am Spieß doch dann erkannte ich, dass es Jacob war. Er kam auf meine Seite und ich kurbelte das Autofenster runter. Sofort schlug mir ein eisiger Wind entgegen. „ Jake, um Himmels willen! Du hast mich zu Tode erschreckt.“ Er lächelte und meinte: „ Tut mir Leid, Schatz“ Ich seufzte und lehnte mich aus dem Fenster, um ihn zu küssen. Er nahm mein Gesicht in beide Hände und erwiderte den Kuss. Er war sehr kurz und sehr süß. Ich wollte ihn eigentlich noch verlängern, doch mein Kreislauf ließ das leider nicht zu. „ Ich hab dich heute vermisst“, beichtete ich ihm. „ Ich dich auch. Wie war der Tag mit Nessy?“, antwortete er. Ich ließ die Schultern hängen und erzählte ihm von der Aktion mit dem alten Mann und wie mies ich mich deswegen fühlte. Jake legte den Kopf schief und sagte dasselbe wie Edward: „Was hättest du daran ändern können? Ich selbst weiß, wie schnell Vampire sind. Du hättest sie nicht aufhalten können“ Vielleicht hatte er Recht. Ich wollte ihn gerade wieder küssen, da sah ich, wie sein Gesichtsausdruck sich veränderte. Er biss sich auf die Unterlippe, als überlegte er angestrengt. „ Was ist los?“ „ Na ja, ich bin hergekommen, um dir was zu sagen“, antwortete er verlegen. „ Oh, was gibt’s denn?“ „ Steig lieber vorher aus“, sagte Jake bestimmt. Ok, jetzt wurde ich wirklich neugierig. Ich stieg aus meinem Wagen und schloss ihn ab. Dann drehte ich mich wieder zu Jake um und er begann. „ Ähm, ich weiß gar nicht, wie ich anfangen soll. Weißt du noch, wie du nach dem Kampf mit Serafina bewusstlos warst?“ Ich

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nickte. Wie könnte ich das vergessen? „ Severus hat sich mit uns unterhalten. Irgendwann hat er dann erzählt, dass du in deiner Schule von einem Werwolf unterrichtet wurdest. Stimmt das?“ Ich war etwas verwirrt, als er mit diesem Thema anfing, doch ich antwortete ihm: „ Ja, das stimmt. Er war ein klasse Lehrer, doch ein paar Eltern hatten Vorurteile und so musste er leider gehen. Ich bin sicher, du würdest Remus Lupin mögen und er wäre ganz wild darauf, dich kennenzulernen. Doch so weit ich weiß, ist er mit seiner Frau Tonks gerade auf Weltreise. Schade, ich hätte dich den beiden gerne vorgestellt“ Jake kratzte sich am Hinterkopf. „Echt erstaunlich. Wie alt ist denn dieser Lupine?“ Ich überlegte. „ Ich schätz ihn mal auf 35. Als er gebissen wurde, war er glaube ich 20. Warum fragst du?“ Er seufzte und steckte seine Hände in die Hosentaschen. „ Die Sache ist die, dass…“ „Michelle Hawkins!!!“ Ich fuhr vor Schreck zusammen, als ich die laute Stimme meines Vaters hörte. Er stand mit verschränkten Armen auf der Veranda und schaute böse zu uns herunter. „ Hast du mal auf die Uhr geschaut, junges Fräulein?! Es ist fast Mitternacht und morgen ist Schule!“ Ich fragte genervt: „Kann ich nicht noch fünf Minuten mit Jake reden?“ Alan wurde knallrot. „ Nein, das kannst du nicht! Du kommst jetzt sofort ins Haus“ Ich stieß einen zischenden Laut aus und wollte mich von Jake verabschieden. Doch Alan machte keinerlei Anstalten, sich zu bewegen und beobachtete uns. Tut mir Leid, Jake. Lass uns morgen darüber reden, ok?“ „ Na gut“ sagte er traurig und ich legte meine Hände an seine Brust. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen, um ihm einen Abschiedskuss zu geben und dann stieg ich die Verandatreppe hinauf, vorbei an einem wütenden Alan.

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Doch auch die nächsten Tage konnte Jake mir nicht erzählen, was ihn bedrückte. Immer war irgendjemand dabei und wir konnten nie ungestört reden. Seit ich so spät nach Hause gekommen war, wachte mein Vater über uns wie ein Spion. Überall wo Jake und ich waren, hatte er zufällig etwas zu tun und wenn wir auf meinem Zimmer waren, rief er alle fünf Minuten nach ihm oder nach mir. Es war zum verrückt werden. Donnerstagabend rief ich Jake an. „ Jake, ich bins. Treffen wir uns morgen nach der Schule bei dir? Ich halt das hier mit Alan nicht mehr aus.“ „ Klar, komm einfach vorbei.“ Seine Stimme klang nervös und unsicher. Ich war wirklich gespannt wie ein Flitzbogen. Vor allem fragte ich mich, was diese Sache mit Remus Lupin zu tun haben sollte. Am Freitagmorgen war ich wirklich kurz davor, die Schule zu schwänzen. Ich hatte keinerlei Motivation, in den Unterricht zu gehen. Doch dann dachte ich darüber nach, was das für ein Donnerwetter mit meinem Vater geben würde und stand doch auf. Ich wollte wirklich keinen Hausarrest bekommen. Ich frühstückte und las dabei die Zeitung. Im Moment war in unserer Gegend alles ruhig und die Polizeistation von Atlanta behauptete, das läge an ihren lobenswerten Fortschritten bei der Verbrechensbekämpfung. Pff, von wegen! Wenn die wüssten, wer dafür verantwortlich war! Mein Freund riskierte fast jeden Tag sein Leben, um gegen Vampire zu kämpfen, damit die Bewohner der Stadt ruhig schlafen konnten. Kurze Zeit später saß ich auch schon in meinem absoluten Hassfach: Mathe. Mister Vollglatze war mal wieder engagiert, während wir Schüler halb auf den Tischen lagen und uns zu Tode langweiten. Ich quatschte leise mit Joana. Wir redeten gerade über unsere Halbjahreszeugnisse, die bald anstehen würden, als unser Lehrer bemerkte, dass wir nicht mit übertriebener Begeisterung in die Magie der p-q-Formel eintauchten. „ Hey, Sie zwei! Die letzten Wochen hatte ich Ihr Gemurmel ja ertragen, aber jetzt ist Schluss. Sie sitzen heute Nachmittag bei mir nach! Beide!“

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Na toll! Und schon wieder kam etwas dazwischen und ich konnte Jake nicht sehen. Nach der Stunde schrieb ich ihm schnell eine Entschuldigungs-SMS und ging schlecht gelaunt zu Physik. In der Mittagspause war ich immer noch mies drauf und schlurfte zur Salatbar. Ich pfefferte mir gerade eine Portion Nudelsalat auf den Teller, da stellte sich jemand neben mich. Ich schaute auf und sah, dass es Emmett war. Er trug heute einen engen, dunkel-blauen Pulli und eine modische Jeans. Ich gestand mir ein, dass er wirklich gut aussah und ich mir als kleines Kind meinen Romeo immer genau so vorgestellt hatte. Ich schaute an Emmett vorbei und sah Edward, wie er die Zähne aufeinanderbiss und uns misstrauisch beobachtete. Was war denn mit dem los? „ Hey, wie geht’s dir?“ fragte Emmett mich in diesem Moment. „ Ich bin heute wirklich schlecht drauf, also halte lieber 10 Meter Sicherheitsabstand zu mir. Ich hab gewusst, ich hätte heut daheim bleiben sollen“ Emmett fing an zu grinsen. „ Hat das vielleicht etwas damit zu tun, dass du heute nachsitzen musst?“ „ Woher weißt du das denn?“, fragte ich ihn perplex. „ Ach, sowas verbreitet sich immer wie ein Lauffeuer in der Schule. Kopf hoch, es wird schon nicht so schlimm“, antwortete er verschmitzt. Ich streckte ihm die Zunge raus und griff nach den Servietten. Da spürte ich plötzlich etwas Kaltes an meiner Hand. Ich wusste nicht, ob es Absicht war, doch Emmett nahm sich in derselben Sekunde auch eine und jetzt berührten sich unsere Finger. Just in diesem Moment strich er kurz, als wäre es aus Versehen, mit seinem Daumen über meinen Handrücken. Ich schnappte mir schnell eine Serviette und sah Emmett dann verdattert an. Er legte seinen Kopf schief und lächelte. Ich war zu verwirrt, um zurückzulächeln. „ Wir sehen uns morgen auf dem Rummel“, sagte ich knapp und ging dann mit leicht erhöhtem Puls zu dem Tisch, an dem Joana, David, Toby und Brian saßen, mit denen ich ab und zu wieder aß. Als ich mich setzte und noch einmal kurz

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über die Schulter blickte, sah ich Edward, der immer noch finster dreinblickte und Emmett tadelnd ansah. Mister Vollglatze ließ uns ganze 2 ½ Stunden nachsitzen, in denen wir die kniffligsten Matheaufgaben überhaupt lösen sollten. Ich war mir absolut sicher, dass diese Aufgaben für Mathe-Studenten im letzten Semester bestimmt waren und nicht für eine High-Schoolschülerin. Als ich heimfuhr war es schon dunkel. Ich aß eine Kleinigkeit und unterhielt mich kurz mit Alan, bevor ich hochging. Ich machte mich schnell fertig und schaute nochmal auf mein Handy. Nichts. Keine Anrufe, keine SMS. Hoffentlich war Jake nicht sauer. Ich stellte den Wecker für um halb 9, denn wir wollten früh auf den Rummelplatz gehen. Am nächsten Morgen sprang ich schnell unter die Dusche und zog meinen schönsten Pullover an, den man aber eh nicht unter der dicken Jacke sehen würde. Als ich wieder ins Zimmer kam, war Jake plötzlich da. „ Huch, wo kommst du denn her?“fragte ich ihn verblüfft. Seine Antwort war knapp: „ Fenster“ Ich trat einen Schritt auf ihn zu. „ Es tut mir Leid wegen gestern. Wegen Nachsitzen unsere Verabredung sausen lassen. Wirklich schlimm“ Er schüttelte den Kopf: „ Nicht so schlimm. Ich hätte es nur lieber gehabt, wenn ich es dir gestern gesagt hätte und nicht heute Morgen, wo wir wegwollen“. „ Jetzt mach es nicht so spannend.“ Jake lehnte sich nervös gegen meinen Schreibtisch. „ Ich muss dir was beichten. Du hast mich doch vor ein paar Monaten gebeten, dir nichts mehr zu verheimlichen, was Werwölfe, Vampire und so weiter angeht. Doch das hab ich getan. Du hattest das mit der Prägung gerade erst verdaut, da wollte ich dich nicht mit noch etwas konfrontieren“ Ich wurde panisch und doch kroch schon Wut in mir hoch. „ Was ist es?“, fragte ich sauer. Er schluckte und holte einmal tief Luft: „ Werwölfe altern nicht.“

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Mein Verstand war zu lahm, um seine Worte zu verstehen. „W-wie bitte?“, stotterte ich. Jake kam auf mich zu, doch ich machte einen Schritt zurück. „ Wir sind nicht so wie die Werwölfe in eurer Welt. Wir werden nicht älter. Wenn das Fieber das erste Mal ausbricht, wachsen wir schnell und legen Muskeln zu. Ich bin also quasi schon ausgewachsen. Ich werde immer so aussehen. Erst, wenn ein Werwolf sich nicht mehr regelmäßig verwandelt, fängt er an, zu altern.“ Ich zitterte und ich spürte, dass gleich der große Ausbruch kommen würde. Ich giftete ihn an: „Und warum genau nochmal hast du mir das nicht erzählt?“ Jetzt klang Jake flehend: „ Versuch mich doch zu verstehen, Michelle!“ Jetzt wurde ich lauter: „ Jetzt lenk nicht ab. Da sag ich dir am selben Abend noch, dass du mich niemals anlügen sollst und du meinst nur ‚Jaja, Schatz, ich mach das nie mehr‘. Von wegen! Du bist wirklich so mies!“ Das ließ Jake nicht auf sich sitzen und wurde nun ebenfalls lauter: „ Wie bitteschön hätte ich dir das denn sagen sollen, he? Du bist ja schon ausgeflippt, als ich dir einfach etwas später von der Prägung erzählen wollte“ Ich wurde so wütend, dass ich aufstampfte und gerade zu schrie: „ Wie du es hättest sagen sollen?! Ganz einfach! ‚Engel, ich bin das Ying und du das Yang. Ich bin für immer an dich gebunden. Um genau zu sein, solang, bis du eine alte verschrumpelte Großmutter bist und ich immer noch genauso jung und hübsch bin wie früher!“ Jake knurrte und kam auf mich zu. Wieder machte ich einen Schritt zurück, sodass mein Rücken den großen Spiegel an der Wand berührte. „ Ja, genau, das wäre wirklich sehr taktvoll von mir gewesen! Das schadet einer guten Beziehung ja überhaupt nicht!“ Ich schubste Jake von mir weg und er starrte mich perplex an. Meine Stimme sprang eine Oktave nach oben. „ Erzähl du mir nichts von einer guten Beziehung! Denn in so einer ist man zueinander ehrlich und man kann sich blind vertrauen, was jetzt zumindest bei mir nicht mehr der Fall ist“ Jake schäumte vor Wut und er presste die Zähne

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aufeinander. „ Jetzt tu nicht so, als wärst du die Mutter Theresa persönlich. Wer hat mir denn wochenlang verschwiegen, dass sie eine Hexe ist. Außerdem hab ich nur geschwiegen, um dich zu schützen!“ Das war jetzt wirklich unfair und ich ballte meine Fäuste. „ Das ist was völlig anderes! Ich hatte mir selbst geschworen, niemals mehr daran zu denken, aber dann mussten ja eure blöden Vampirfreunde auftauchen, die euch alle erledigen wollten! Und behaupte ja nicht, du wolltest mich schützen. Was schützt es mich, wenn du es nicht für nötig hältst, mir von deinem tollen Kuss mit Leah zu erzählen?!“ Jetzt hatte ich ihn wirklich aus dem Konzept gebracht und er schaute mich fassungslos an. „ Woher weißt du davon?“ Ich antwortete zickig: „ Von Leah natürlich! Du musst ja wirklich deinen Spaß gehabt haben!“ Wieder wurde Jake laut: „ Das du sowas von mir denkst!!! Ich hab sie sofort abgewimmelt du ihr die Grenzen klar gemacht!“ „ Natürlich ,und ich bin der Kaiser von China“, erwiderte ich spöttisch. Das brachte ihn zur Weißglut und er kam knurrend auf mich zu. Ich erschrak so sehr, dass ich gegen meinen Spiegel prallte. Mit einem lauten Klirren fiel er zu Boden und zerbrach. Der ganze Boden war übersät mit Glassplittern. Jake und ich sahen uns entgeistert und sauer an. Ich öffnete die Zimmertür und drehte mich dann nochmal zu ihm um. „ Wenn du mich bitte entschuldigst. Ich hab eine Verabredung mit Rosalie und Emmett auf dem Rummelplatz. Ich werde mir zwar wie das fünfte Rad am Wagen vorkommen, aber was Solls. Alles ist besser, als hier mit dir zu sein.“ Mit diesen Worten trat ich in den Flur und stampfte die Treppe hinunter. Ich war noch niemals so wütend auf Jacob gewesen. Noch nicht einmal, als ich rausgefunden hatte, dass er ein Werwolf war. Ich zog meine Jacke an und ging raus.

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Ich hegte nicht mal den leisesten Verdacht, dass ich gleich den größten Fehler meines Lebens begehen würde. Der große Fehler Ich fuhr deutlich schneller, als es das Gesetz erlaubte. Ich mir kochte immer noch solch eine Wut und ich versuchte, runterzukommen. Ich wollte den Tag nicht durch meine schlechte Laune verderben und beruhigte mich endlich ein wenig. Im Radio lief laut ein Liebessong und genervt stellte ich es aus. Der Rummelplatz befand sich außerhalb der Stadt und ich brauchte circa eine ¾ Stunde, um ihn zu finden. Emmett, Rosalie und ich(und eigentlich auch Jake) wollten uns am Riesenrad treffen. Na, das war wenigstens nicht schwer zu übersehen. Ich fuhr auf einen Parkplatz, der fast doppelt so groß wie der vor meiner Schule war. Endlich sah ich, wie jemand aus einer Parklücke rausfuhr und so konnte ich sie sofort belegen. Ich stieg aus und packte meinen Autoschlüssel in meine kleine schwarze Umhängetasche. Ich ließ meinen Blick über den Parkplatz streifen und da sah ich viele Meter von mir entfernt Emmetts gigantischen Jeep stehen. Also war ich zu spät und sie warteten schon auf mich. Echt super. Ich eilte auf den Eingang zu und stellte verärgert fest, dass man Geld für den Eintritt verlangte. Reichte es denn nicht aus, dass alle Attraktionen auf dem Platz schon so viel kosteten? Mensch, vor 10 Jahren hätte es so etwas noch nicht gegeben. Doch ich kramte mein Portemonnaie heraus und suchte acht Dollar. Wenn ich Geburtstag hätte, dann wäre ich umsonst rein gekommen. Mist, vielleicht hätte ich lügen sollen. Doch dass ich an meinem Geburtstag ohne Freunde auf den Rummelplatz gehen würde, kam mir etwas unglaubwürdig vor und so zahlte ich. Während ich auf das Riesenrad, was wirklich nicht zu übersehen war, zulief, schaute ich hoch. Es war zwar bewölkt, doch ab und zu brachen ein paar warme Sonnenstrahlen hindurch und das heiterte mich ein wenig auf. Menschenmassen strömten über den Platz. Ich stellte fest, dass es sich vor allem um Familien handelte, die den Tag heute hier verbrachten. Ich näherte mich dem Riesenrad mit großen Schritten und suchte die Menge nach Rosalie und Emmett ab. Ich kniff die Augen zusammen und sah den Rücken eines

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großen, bulligen Kerls. Ich beeilte mich und prompt stolperte ich über eine Glasflasche am Boden und fiel hin. „ Autsch!“, stieß ich hervor, als ich auf meinen Knien im Matsch landete. Keine Sekunde später stellte sich jemand vor mich und ich sah hoch. Emmett stand dort, die Hände in die Hüfte gestemmt und schüttelte den Kopf. „ Du bist wirklich der größte Tollpatsch, den ich kenne, Michelle“. Er half mir auf und musterte mich von oben bis unten. Ich tat es ihm nach. Verdammt. Meine ganze Jeans war voller Schlamm und meine Hände waren auch dreckig. „ Wirklich klasse, der Tag beginnt echt gut“, murmelte ich vor mich hin und Emmett legte den Kopf schief und sah mich belustigt an. „ Dort hinten ist eine Toilette. Da kannst du dir schnell die Hände waschen“ Wir gingen ein paar Meter weiter, wo ich in die Mädchentoilette ging, während Emmett draußen wartete. Ich drehte gerade den Wasserhahn auf, da wurde ich neugierig und stellte mich auf die Zehenspitzen, um durch das kleine Fenster über der niedrigen Tür zu linsen, sodass ich ihn sah. Er lehnte sich gerade gegen die gegenüberlegende Wand und verschränkte ungeduldig die Arme. Er trug heute einen modernen schwarzen Kapuzenpulli und eine dunkle Jeans, die ihm perfekt standen. Ich betrachtete gerade beeindruckt seine starken Oberarme, da fiel mir plötzlich etwas ein. „ Sag mal, wo steckt eigentlich Rosalie?“, rief ich ihm zu. Ich hatte überhaupt nicht an sie gedacht. Wartete sie am Riesenrad auf uns? Doch ich irrte mich. „ Frag lieber nicht. Rosalie war nicht so begeistert davon, dass ich dich und Jacob gefragt habe, ob ihr kommt. Sie hat immer noch etwas gegen ihn. Heute Morgen war sie sowas von stur und hat gemeint, ich könne ja allein mit euch beiden gehen, was sich, so wie es aussieht, erledigt hat. Wo ist Jacob überhaupt?“Ich öffnete die Tür und lehnte mich gegen den Türrahmen. Ich benutzte die gleichen Worte wie er: „ Frag lieber nicht.“

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Er schaute verdattert, doch dann lächelte er verschmitzt: „ Auch Stress gehabt?“ Ich nickte und Emmett sah meine bedrückte Miene. Sein Lächeln verschwand und er kam ein paar Schritte auf mich zu . „ Willst du darüber reden?“, fragte er besorgt und mit keiner Spur neugierig. „ Ehrlich gesagt nicht, Emmett, aber danke.“ Ich setzte eine fröhliche Miene auf und meinte: „ Und jetzt komm. Unsere Partner haben uns zwar versetzt, aber wir beide sind noch übrig, um den Rummelplatz unsicher zu machen. Das waren deine Worte!“ Emmett lachte und ich hakte mich bei ihm unter. Zwar würden Jake und Rosalie vor Eifersucht schäumen, wenn sie wüssten, dass wir zusammen unterwegs waren, doch das war mir reichlich egal, denn sie hatten keinen Grund dazu. Emmett und ich waren zwei gute Freunde, die jetzt einen tollen Tag auf dem Rummel verbringen würden. Als erstes gingen wir zu einem Stand, an dem man versuchte, mit kleinen Pfeilen auf aufgeblasene Luftballons zu schießen, sodass diese platzten. Ich forderte Emmett heraus, doch natürlich hatte ich keine Chance. Er musste sich das Lachen verkneifen, als ich bei fünf Versuchen gerade mal zwei Ballons traf, wobei nur einer von ihnen kaputt ging. Selbst der Mann, dem der Stand gehörte, sah mich mitfühlend an. Mann, dann musste ich wirklich schlecht sein. Emmett brauchte sich noch nicht mal richtig anzustrengen und schon knallten uns die Luftballons nur so um die Ohren. Ich schaute ihn gespielt sauer an. „ Beim nächsten Stand! Dich schlag ich schon noch.“ Emmett lachte und wir gingen weiter. Wir kamen an einem Zuckerwattenverkäufer vorbei und da lief mir das Wasser im Munde zusammen. Ich hatte Zuckerwatte früher geliebt. Ich kaufte mir eine kleine Portion und wandte mich dann an Emmett. „ Willst du auch was?“, fragte ich ihn und hielt ihm die Zuckerwatte unter die Nase. „ Ist das dein Ernst?“, fragte Emmett spöttisch. Da bemerkte ich meinen Fehler und schlug mir die Hand vor den Mund. „ Ups, gott,tut mir Leid.“ Ich flüsterte: „ Weißt du, manchmal vergess ich, dass ich mit einem Vampir unterwegs bin“ Er hielt sich den Bauch und lachte. „ Das nehm ich jetzt einfach mal als Kompliment“ Dann nahm er sich ein wenig von meiner Zuckerwatte und ich sah entgeistert zu, wie er sie sich in den Mund

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stopfte. Als er mein verdattertes Gesicht sah, zuckte er mit den Schultern. „ So schlimm ist das nicht. Stell dir einfach vor, du isst Gras. So schmeckt das für mich. Nicht sonderlich lecker, aber genießbar“ Wir gingen weiter und ich machte mich daran, die ganze Portion alleine aufzuessen. Emmett und ich hatten eine Menge Spaß. Es war so unglaublich einfach, sich mit ihm zu unterhalten und zu lachen. Völlig unkompliziert. Er bescherte mir einen so tollen Nachmittag, dass ich sogar Jake und meinen dummen Streit mit ihm vergaß. Am meisten Spaß hatten wir beim Autoscooter-fahren. Ich rannte auf einen kleinen pinken Wagen zu, der mir gefiel. Emmett entschied sich für einen dunkelblauen. Als die Musik anfing zu spielen und es jede Sekunde losging, rieb ich mir aufgeregt die Hände. Emmett tat so, als würde er seine Muskeln dehnen und starrte grimmig zu mir herüber, sodass ich in schallendes Gelächter ausbrach. Endlich ging es los und prompt im selben Moment fand ich heraus, dass ich das wohl schlechteste Fahrzeug gewählt hatte. War ich etwa zu schwer oder warum war das Teil so lahm wie eine Ente? Im Gegensatz zu Emmetts, was immer näher kam. Ich drückte das Gaspedal bis zum Anschlag durch, doch es nutzte nichts. Emmett grinste, als er mein Dilemma bemerkte, als er immer näher kam. Ich machte die Augen zu und wartete, bis er mich rammte, doch es passierte nichts. Ich blinzelte und sah, dass Emmett im letzten Moment ausgewichen war und nun um mich herum fuhr. Was sollte das? Kannte er doch sowas wie Gnade? Ich kicherte und fuhr auf ihn los. Der würde sein blaues Wunder erleben. Als ich seinen Wagen rammte, schaute mich Emmett fassungslos an und meinte: „ Hey, was soll das? Ich hab dich doch verschont!“ Ich lachte: „ Ich bin ja auch ein Mädchen, da musst du das tun“ „ Was für eine Ausrede“, rief er und sein Kampfgeist erwachte. Wir fuhren ganze drei Runden, so einen Spaß hatten wir an den Verfolgungsjagden mit den Autoscooter. Ich war völlig außer Atem und mein Bauch tat vom vielen Lachen weh, als ich ausstieg, mich wieder bei Emmett einhakte und wir weitergingen.

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Unser Weg führte vorbei an einem großen Schießstand und ich witterte eine Chance, Emmett in irgendetwas zu besiegen. Ich Blumenschießen war ich in unserer Clique aus Chicago immer die Beste gewesen. „ Wie wärs, Emmett?“, fragte ich ihn und zeigte mit meinem Kopf Richtung Schießstand. „ Traust du dich?“ Emmett seufzte. „ Du gibst wohl niemals auf, was?“ „ Nein, niemals!“ Die nette, blonde Frau im Stand begrüßte uns und gab uns zwei Gewehre, wobei ich ein leichteres als Emmett bekam. Sofort grinste dieser wieder selbstgefällig. „ Entschuldigung? Ich hätte auch gerne ein schweres Gewehr, wenn das möglich wäre“, sagte ich selbstsicher zur Frau. So weit kams noch, dass Emmett später eine Ausrede hätte, ich hätte ja nur gewonnen, weil ich ein „Mädchengewehr“ bekam. „ Also, auf was zielen wir? Blumen, Pyramide oder Sterne?“, fragte er mich. Ich überlegte. „ Auf Sterne. Da kann man Punkte sammeln und dann einlösen. Jeder hat 10 Schuss, ok?“ „ Einverstanden. Ladys First“. Ich hob das Gewehr an und zielte auf die weißen Sterne, die sich allesamt im Kries bewegten. Ich konzentrierte mich, als ich hörte, wie Emmett sich räusperte. Irritiert huschte mein Blick zu ihm. „ Was ist denn?“ Er kam näher, sodass ich die Kälte seines Körpers spürte. Er meinte leise: „ Willst du nicht doch lieber eine leichtere Waffe? Sieht so aus, als wär das ziemlich anstrengend für dich!“ Pah, von wegen. „ Nein, ich schaff das. Und jetzt hör auf, mich abzulenken. Schließlich will ich gewinnen.“ Und da fiel auch schon der erste Schuss!. „ Jap, Volltreffer!“jubelte ich. Emmett brummte. „ Das war pures Anfängerglück“. Daraufhin schoss er und traf ebenfalls. Mist! Die nächsten paar Male trafen wir ebenfalls. Es stand jetzt 9 zu 9 und jeder hatte nur noch einen Schuss. Ich konzentrierte mich und hob das Gewehr an. Ich musste zugeben, dass es nun wirklich sehr schwer wurde und mir die Arme wehtaten. Doch ich ließ mir nichts anmerken, sonst würde Emmett mir das ewig nachhängen. Ich feuerte ab und traf. Erleichtert atmete ich auf. Ich hatte alle getroffen und wenn es jetzt zum Unentschieden kam, konnte ich wenigstens sagen, dass ich alles richtig gemacht hatte. Jetzt setzte Emmett zum Schuss an und zielte. Ich

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war mir ziemlich sicher, dass er treffen würde und legte mein Gewehr schon einmal zur Seite. Ich hörte den Schuss uns stutzte, als ich keinen Stern zersplittern sah. Ich blinzelte und schaute nochmal genauer hin. Nein, Emmett hatte nicht getroffen. Ich sah zu Emmett und beobachtete, wie er die Hände zu Fäusten ballte und die Zähne aufeinander biss. „ Verdammter Mist!“, fluchte er. Erst da realisierte ich, dass ich gewonnen hatte und führte darauf einen wahren Freudentanz auf. „ Yippie! Gewonnen, gewonnen. Ha, ich bin besser“, jubelte ich. „Jaja, schon gut“, erwiderte Emmett missmutig. Ich ging zu ihm und klopfte ihm auf die starke Schulter. „ Mach dir nichts draus, Emmett. Wir finden bestimmt noch was, in dem du besser bist. Vielleicht beim Bobbycar-Rennen mit den 4-jährigen“, lachte ich. Da lächelte uns die nette Dame vom Stand an und sagte mit hoher Stimme: „ Ihr habt insgesamt 19 Punkte ergattert. Ihr dürft euch was aus dieser Ecke aussuchen.“ Mit diesen Worten zeigte sie nach rechts. Ich lehnte mich nach vorne und stützte mich ab, um das Angebot näher zu betrachten. Emmett stellte sich eng an mich und tat das gleiche. „ Was meinst du?“, fragte ich ihn. „ Du bist die Gewinnerin, also suchst du auch aus.“ Ich grübelte, was ich denn nehmen musste. Da fiel mein Blick auf etwas in der hintersten Ecke und sofort hatte ich mich entschieden. „ Den da, bitte!“, sagte ich und zeigte auf einen etwa 1 Meter großen XXL-Teddybären. Man hatte ihm ein schwarzes T-Shirt angezogen und in den Händen hielt er ein riesiges Plüschherz, auf das die Worte „ You’re everything to me“ eingestickt waren. Die nette Dame hob den riesigen Teddy hoch und setzte ihn vor uns. Emmett lächelte: „ Wirklich hübsch“ In dieser Sekunde ergriff die blonde Frau wieder das Wort und richtete sich an Emmett: „Also. Wollt ihr ihn gleich mitnehmen oder holst du ihn mit deiner Freundin später ab?“ Ich erschrak und meinte schnelle: „ Ich bin nicht seine…“

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„ Wir würden ihn gerne später abholen, wenn das möglich wäre“, unterbrach Emmett mich. Ich sah, wie die Frau lächelte und sich mit dem Teddy umdrehte. Sie bückte sich und verstaute den Teddy unter einer Ablage. Ich hörte, wie sie ganz leise zu sich selbst sagte: „ Ein hübsches Paar“ Das war wirklich eine unangenehme Situation, denn wenn ich das eben schon gehört hatte, dann hatte das Emmett mit seinen Vampirohren hundertprozentig auch. Ich schaute unauffällig zu ihm hoch und wurde ein wenig rot. Doch er ließ sich nichts anmerken und fragte mich, wohin ich als nächstes wollte. „ Ähm, keine Ahnung. Lass uns einfach mal weitergehen.“ Als wir so dahin schlenderten, fing ich wieder an, ihn mit meinem Sieg aufzuziehen, weil ich wirklich stolz auf mich war. Ich plapperte drauf los, dass es nur auf die richtige Technik ankäme und ein gutes Auge nicht alles war. Da sah ich plötzlich, wie Emmett vor sich hin grinste, während er mich noch nicht einmal ansah. Abrupt blieb ich stehen .Erst nach ein paar Schritten merkte er, dass ich nicht mehr neben ihm lief und schaute sich verwirrt zu mir um. „ Was ist denn?“ Ich antwortete schockiert: „ Ich glaub es nicht. Du hast mich gewinnen lassen! Du hast den letzten Schuss mit Absicht vermasselt!“ Er zuckte die Schultern: „ Quatsch, ich hab mich einfach beim letzten Schuss verschätzt!“ „ Emmett, du bist ein...du weißt schon...du bist niemand, der sich einfach verschätzt!“ Ich machte kehrt und wollte zurücklaufen, da hielt mich Emmett am Arm fest. „ Hey, wo willst du hin?“ „ Natürlich zum Stand zurück. Ich will eine Revanche! Ohne schummeln.“ Er lächelte und meinte: „ Ok, ich gebs zu, ich hab dich gewinnen lassen. Aber auch nur, damit du nicht enttäuscht bist. Als Entschuldigung lad ich dich auf eine Runde in der Geisterbahn ein, einverstanden?“ Geisterbahn? War das sein Ernst? Ich war als Kind mal in einer gewesen und fand es stinklangweilig. Aber ich konnte Emmett seinen Wunsch nicht abschlagen und so nickte ich. „ Na gut“. Emmett kaufte uns zwei Karten und wir setzten uns auf einen dieser Wagen, in denen Platz für zwei Leute waren und die sich von alleine durch die Ausstellung

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schlängeln würden. Ich wollte gerade den Haltebügel aus Metall runter klappen, doch das verflixte Ding klemmte. „ Ähm, Emmett, könntest du bitte?“ Er kicherte und berührte nur ganz leicht den Bügel, der sofort runter sauste. Ich schüttelte den Kopf. Dieser Kerl hatte einfach soviel Kraft. Der Wagen setzte sich in Bewegung. Vor uns öffnete sich ein schwarzer Vorhang und wir befanden uns in völliger Dunkelheit. Ich kicherte und meinte mit Spot in der Stimme: „ Solche Geisterbahnen sind eher lustig als gruselig. Ein paar Puppen grölen einfach vor sich her, um kleine Kinder zu erschrecken. Ich meine, wer findet denn bitteschön…Arrrrggghhh!“ Ich schrie wie am Spieß und sprang fast auf Emmetts Schoß. Neben mir war plötzlich ein weißes Etwas hervorgesprungen und jaulte laut. Sein Jaulen vermischte sich mit dem lauten Lachen von Emmett, der sich überhaupt nicht mehr einkriegen konnte. Ich klammerte mich vor Schreck immer noch an ihn und das brachte ihn nur noch mehr zum Lachen. „ Soso, nur gruselig für kleine Kinder was?“, prustete er. Ich schaute ihn böse an, musste aber auch selbst darüber lachen. Die Fahrt ging weiter und es wurde bei weitem nicht mehr so schreckhaft wie am Anfang. Erst als wir in einen kleinen engen Raum fuhren, in dem ein schwarzer Sarg stand, richtete ich mich neugierig auf. Roter Rauch benebelte meine Sinne und da öffnete sich der Sarg. Zu Vorschein kam eine blasse Gestalt mit dunklen Umhang und spitzen Zähnen. „ Ich bin es. Der Graf der Nacht. Fürchtet euch vor Graf Dracula! Ich will euer Blut trinken!“, ertönte eine raue Stimme, während sich der Mund der Gestalt bewegte. Emmett und ich schauten uns eine Sekunde lang an und dann kam der große Ausbruch. Ich hielt mir den Bauch vor Lachen und Emmett schüttelte den Kopf. "Immer diese Klischees. Aber schau mal, die da drüben ist auch nicht besser“ Ich schaute in die Richtung, in die er zeigte. Dort stand über einem brodelnden

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Kessel gebeugt eine buckelige Hexe mit krausem Haar, Hakennase und fiesen Warzen. Aus Spaß tastete ich an meiner Nase herum und richtete meine Haare. Emmett grinste und ich ebenfalls. Fünf Minuten später verging mir das Grinsen. Im nächsten Raum sah es so aus, als würden wir uns in einem Wald befinden. Es war ein Hügel zu sehen und ein Vollmond. Auf dem Hügel stand ein großer brauner Wolf, der sein Kopf Richtung Himmel streckte und jaulte. Mein Herz blieb stehen und ich wurde traurig. Emmett schien das zu merken und rutschte näher zu mir. „ Was ist Michelle?“ Ich biss mir auf die Lippe: „ Ach, es ist nur wegen Jake. Er meint, um mich zu beschützen hätte er das Recht, mich anzulügen“ Emmett überrumpelte mich, indem er einen Arm um mich legte. Eigentlich sollte ich ihn abwehren, doch ich fühlte mich wohl in seinen starken Armen. Er sagte leise: „ Jacob hatte schon immer so einen übertriebenen Beschützerinstinkt, dabei kannst du auch gut auf dich selbst aufpassen, wie ich finde. Ich würde dich niemals anlügen“ „ Ich weiß“, flüsterte ich und drückte leicht seine eisige Hand. Er war wirklich ein toller Freund. Die Fahrt war zu Ende und wir stiegen aus. Es war mittlerweile schon spät geworden und ich sagte zu Emmett: „ Ich glaub, mir müssen los“ Er schüttelte seinen Kopf und erwiderte: „ Nein, warte. In eine Attraktion wollte ich noch unbedingt. Ins Spiegelkabinett!“ „ Aber Emmett. Es wird schon dunkel und sie schließen schon, siehst du?“ Ich zeigte auf das Spiegelkabinett ganz in der Nähe. Emmett ignorierte meinen Einwand und joggte los. Ich seufzte und ging ihm nach. Sturer Kerl! Als ich ankam sah ich, wie er gerade mit einem Mann sprach, der wohl hier arbeitete. Sie gaben sich die Hand und dann kam Emmett zu mir. „ Ok, gebongt, wir dürfen noch rein. Er macht eine Ausnahme“ „ Wie hast du das denn geschafft?“, fragte ich neugierig. „ Ach, nur ein wenig Überredungskunst. War ganz einfach. Hop, beeilen wir uns“ Gesagt, getan. Ich war noch niemals in einem Spiegelkabinett gewesen und so war ich ganz schön verblüfft. Emmett und ich gingen von einem Spiegel zum nächsten und

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lachten wieder, was das Zeug hielt. Da gab es welche, die machten dich dürr und welche, in denen sahst du dich mit der Körpermasse eines Walrosses. Andere wiederum verursachten den Effekt, als hättest du Glubschaugen. Doch das Kabinett war auch zugleich ein Labyrinth. Hätte ich mich nicht die ganze Zeit an Emmetts Arm geklammert, hätte ich bestimmt Platzangst bekommen oder Panik, dass ich nicht mehr rausfand. Ich wollte gerade etwas zu Emmett sagen, da war er plötzlich weg und meine Hände griffen ins Leere. Ich drehte mich panisch im Kreis. Überall sah ich Michelles und Emmetts um mich herum, doch den echten sah ich nicht. „ Emmett, das ist nicht witzig. Jetzt komm schon wieder her!“, rief ich nervös. „ Hast du etwa Angst ohne mich?“, rief eine tiefe Stimme. Ich suchte und suchte, fand ihn aber immer noch nicht. Ich schluckte und gab zu: „ Ja“ Die Stimme war nun sanfter. „ Edward hat mir immer erzählt, wie schwer es für ihn war, mit Bella zusammen zu sein, als sie noch ein Mensch war. Dass er sich so unglaublich unter Kontrolle halten musste, ohne ihr wehzutun.“ Ich versteifte mich und mein Puls erhöhte sich. „ Warum erzählst du mir das?“ „ Weil ich gerne wissen würde, ob ich das auch kann. Den ganzen Tag hatte ich dabei kein Problem, doch ich würde gerne etwas testen. Darf ich?“ Eigentlich war ich mir bei dieser Sache unsicher, denn ich wusste nicht genau, was er vor hatte. Doch ich wollte ihn nicht kränken und außerdem vertraute ich ihm. „ Ok, wenn du willst.“, antwortete ich also ins Leere. Ich hörte ein paar Schritte, drehte mich aber nicht um . „ Bleib einfach still stehen“, sagte Emmett leise. Um Gottes Willen, was hatte er denn vor? Doch ich hörte auf ihn uns rührte mich nicht. Plötzlich spürte ich, dass mir kälter wurde, Emmett musste also direkt hinter mir stehen. Ich hatte Recht, denn da spürte ich auch schon seinen eisigen Atem. Mein Herz raste, weil ich immer noch nicht wusste, was er tun wollte.

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Ich hörte auf einmal, wie er ganz tief Luft holte, was bei Vampiren eigentlich unnötig war, und dann das Geräusch machte, als würd er etwas schnuppern. Moment mal, roch er etwa gerade an mir?! Ich wollte mich gerade zu ihm umdrehen, da sagte er: „ Mhm, also das ist schon mal kein Problem. Schließ jetzt bitte mal die Augen.“ „ Was, wieso?“, fragte ich verwirrt. „Tu es einfach“, sagte er bestimmt. Ich seufzte und schloss die Augen. Da legten sich Emmetts eiskalte Lippen plötzlich auf mein Schulterblatt. Ich keuchte und wollte einen Satz nach vorne machen, doch er hielt mich auf. Seine starken Hände umfassten meine Oberarme und hielten mich fest. Dann machte er da weiter, wo er aufgehört hatte. Ich versteifte meinen Körper, als er mit seinen kurzen Küssen immer weiter hinauf wanderte. Bis zu meinem Hals. „ Emmett, bitte tu das nicht!“, flüsterte ich flehend. Da drehte er mich ruckartig zu ihm herum, so dass ich ihm in die goldenen Augen sah. „ Warum nicht?“, fragte er leise. Ich war den Tränen nahe und erwiderte: „ Weil du damit alles zerstörst. Unsere Freundschaft, einfach alles.“ Emmett kam näher, sodass ich fröstelte, doch ich riss mich zusammen. „ Aber Michelle, wenn es nun mal so ist, wie es ist?!“ „ Was meinst du damit?“, fragte ich ihn. Da nahm er mein Gesicht in beide Hände und küsste mich. Ich wollte ihn wegstoßen, doch es ging nicht. Ich konnte nichts gegen seinen eisernen Griff ausrichten. Der Kuss war sehr seltsam, anders als alles, was ich bisher erlebt hatte. Ich erwiderte den Kuss nicht, doch das war Emmett anscheinend egal, denn seine steinharten Lippen pressten sich weiter auf meinem Mund. Doch es war nicht so, als küsse man einen Stein. Seine Lippen schmiegten sich trotzdem weich an meine, die immer noch zusammengepresst waren. Jetzt versuchte es Emmett auf die zärtliche Weise und ging sanfter vor. Tatsächlich änderte sich etwas und ich war nicht mehr so versteift. Seine Lippen waren so anders, so sehnsuchtsvoll, sodass sie bei mir eine Gänsehaut auslösten, was nichts mit der Kälte zu tun hatte. HALT! STOP!

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Endlich hatte ich die Kraft und stemmte mich mit solch einer Gewalt gegen ihn, dass er wohl merkte, dass etwas nicht stimmte und ließ mich endlich los. Ich rieb mir die Oberarme, ich würde bestimmt eine Menge blauer Flecken bekommen. Ich schaute hoch und sah in Emmetts Augen. Sie waren trüb und ich erkannte, dass ich ihn durch meine Abfuhr verletzt hatte. „Emmett, was ist nur los mit dir?“ „ Was mit mir los ist?“, fragte er entgeistert. „ Was glaubst du denn?“ Ich bedachte meine nächsten Worte genau: „ Ich glaube, dass du einfach neben der Spur bist. Der Tag heute war wunderbar und jetzt denkst du vielleicht, dass da mehr als Freundschaft zwischen uns sein könnte. Aber das ist falsch“ Emmett sah wütend aus und meinte: „ Nein, ich bin mir sicher, dass da mehr ist, das merk ich doch. Oder willst du mir etwa erzählen, dass da bei dir nichts passiert, wenn ich das hier tue?“ Mit diesen Worten kam er wieder auf mich zu und legte seine Hand genau auf die Stelle, wo mein Herz sich befand. Ich erschrak. Er hatte Recht. Mein Herz raste unter seiner Berührung und überall kribbelte es an meinem Körper. Aber warum? Hatte ich irgendetwas nicht mitbekommen? Vor dem heutigen Tag war Emmett für mich ein Freund gewesen, vielleicht sogar mein bester Freund. Aber genau das war das Problem: Vor dem heutigen Tag. Was war geschehen, dass mein Körper plötzlich so auf ihn reagierte? Ich schüttelte heftig den Kopf und sagte verzweifelt zu Emmett: „ Weißt du überhaupt, was das hier eben zu bedeuten hat? Was du damit kaputtmachst? Was ist mit Jacob? Was ist mit Rosalie, deiner Rose?!“ Emmett ließ die Schultern hängen und sah mich traurig an. „ Ich weiß nicht, was zwischen dir und Jacob vorgefallen ist, ich weiß nur mit hundertprozentiger Sicherheit, dass er dir nicht so viel geben kann wie ich. Er kann dich nicht so lieben wie ich es tue. Und das mit Rose ist schon lange nicht mehr wie es einmal war. Die Ewigkeit hat sie verändert. Wir streiten nur noch und da hat meine frühere Liebe zu ihr keine Chance mehr“

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Ich weigerte mich, seinen Worten Glauben zu schenken und sagte: „ Es ist falsch. Es ist sowas von falsch. Wir hätten heute nicht hierher gehen sollen.“ Jetzt war es Emmett, der den Kopf schüttelte und auf mich zukam. Er packte mich, nicht unsanft, an den Schultern und sah mir tief in die Augen. „ Michelle, das stimmt nicht und das weißt du. Ich hab mich in dich verliebt. Schon damals, als du schüchtern in unserer Garage standest, kurz nachdem du Bella gefunden hast. Und spätestens nach deinem Kampf mit Serafina und dem Mut, den du bewiesen hast, wusste ich: Ich will dich, und zwar nur dich. Lieber würde ich mich jetzt sofort in Stücke reißen und verbrennen lassen, als weitere hundert Jahre zu leben, ohne diesen Tag mit dir erlebt zu haben“ Und dieses Mal war ich diejenige, die meine Arme um ihn schlang und ihn küsste. Es war ohne jeden Sinn und Verstand. Ich stellte mich auf die Zehenspitze und legte meinen Mund auf seinen. In der ersten Sekunde war Emmett überrascht und verwirrt, doch dann erwiderte er meine leidenschaftliche Zuwendung. Er hielt mich mit seiner ganzen Kraft fest, doch es tat nicht im Geringsten weh, sodass ich mich selbst noch mit voller Kraft an seine starke Brust presste. Ich zog Emmett zu mir herunter. Meine Lippen wurden immer drängender und verlangten nach seinen, da fiel mir plötzlich etwas ein. Emmett war ein Vampir, dessen größtes Verlangen das Blut eines Menschen war. Sofort zügelte ich meine Leidenschaft und löste mich sachte von ihm, blieb ihm aber immer noch ganz nah, während ich schnell und flach atmete. Emmett schien sofort zu kapieren, warum ich gestoppt hatte und flüsterte leise: „ Keine Angst, das schaff ich schon. Mach ruhig weiter“ Und da lag mein Mund auch schon wieder auf seinem. Emmett hob mich plötzlich hoch, als würde ich nichts wiegen und trug mich zu der komplett verspiegelten Wand. Ich lehnte nun daran, meine Beine waren um Emmetts Körper geschlungen, und mein Gesicht war jetzt höher als seins, sodass ich mich runter beugen musste. Seine Lippen bewegten sich schnell und

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selbstischer auf meinen. Die Kälte machte mir jetzt nichts mehr aus, denn eine innere Wärme durchströmte mich. War es das? Das, wovon die berühmtesten Autoren und Philosophen seit Jahrhunderten sprachen? Das Feuer der Leidenschaft? Emmetts Atem strömte mir entgegen, sodass ich von seinem Duft beinahe benebelt war. Er strich mit seiner Zungenspitze sanft über meine Lippen. Ich seufzte sehnsuchtsvoll und knabberte leicht an seiner Unterlippe, was ihn stöhnen ließ. Sein Mund wanderte jetzt zu meinem Ohrläppchen, sodass ich am ganzen Körper erzitterte. Er küsste mich am Hals und liebkoste meine Haut bis zum Schlüsselbein. Ich lächelte und öffnete das erste Mal bei diesem Kuss die Augen. Überall waren Emmett und ich zu sehen. Alle Spiegel zeigten uns, wie wir uns dort küssten. Der Vampir und die Hexe, eine Einheit. Alles um mich herum schien nur noch aus Emmett zu bestehen. Ich klammerte mich an ihn und küsste ihn auf seine Schulter. Seine Haut war so steinhart, doch das war nicht unangenehm. Und sie war so kalt, so unglaublich kalt. Ganz anders als die Haut von Jake. Jake! Und in diesem Moment brach meine Welt zusammen und ich verlor mich selbst. Jake! Mein Herz verkrampfte sich und ich wusste nicht, wohin mit dem ganzen Schmerz. Was tat ich ihm da nur an? Hier lag ich in den Armen eines anderen, für den ich nicht mal annähernd so viel Liebe empfand, wie für Jake. Leidenschaft, ja! Liebe, nein! Ich fühlte mich plötzlich schmutzig. Ich war der Teufel in Person. Der Teufel, so weit entfernt von dem Engel, den der liebte. „ Das war erst der Anfang“

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„ Emmett! Hör auf, ich will das nicht!“, brachte ich hervor, als er gerade damit begann, mit seinen eiskalten Fingern unter meinen Pullover zu fassen. Sofort stoppte er, als er meine Panik in der Stimme hörte und ließ von mir ab. Er setzte mich sachte auf den Boden ab, ließ seine Hände aber dennoch an meiner Hüfte liegen. „ Was?“, fragte er verwirrt, „ Warum willst du denn ausgerechnet jetzt aufhören?“ „ Ich…ich will das einfach nicht. Ich muss jetzt gehen“ antwortete ich und befreite mich aus seinen Armen. Doch Emmett dachte erst gar nicht daran, mich gehen zu lassen und meinte: „ Jetzt behaupte nicht, dass dir das eben nichts bedeutet hat! Was ist los?“ „ Was los ist?“, erwiderte ich aufgebracht. „ Ich habe soeben meinen Freund und du deine Frau betrogen. Das ist schrecklich und hinterhältig!“ Ich drehte mich um und wollte wegrennen, doch in diesem Spiegellabyrinth konnte ich den Ausgang nicht finden. „ Michelle! Solange wir uns haben, ist es richtig. Solange wir uns lieben, ist alles genauso, wie es sein soll.“ Ich drehte mich langsam zu ihm um und ließ die Schultern hängen. Meine nächsten Worte würden ihn verletzen, doch er musste sie hören und so atmete ich einmal tief ein, bevor ich sprach: „Emmett, ich liebe dich aber nicht. Du hast Recht, das hier hat mir etwas bedeutet. Ich weiß nicht, was gerade mit mir passiert ist, doch meine Gefühle zu dir haben mehr etwas mit Leidenschaft und Schwärmerei als mit Liebe zu tun. Ich liebe Jake.“ Ich beobachtete Emmetts Reaktion. Sein Blick wurde ganz trüb und er schaute mich gequält an. Ich wusste, dass ein Vampirherz nicht mehr schlug, doch ich war mir sicher, dass ich seins soeben gebrochen hatte. Mir stiegen die Tränen in die Augen und ich wischte sie mir schnell mit meinem Pulli fort. Sofort nahm mich Emmett wieder in den Arm und strich mir übers

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Haar. Ich schluchzte leise und versuchte mich zusammenzureißen. Vergeblich. „ Aber das reicht mir doch. Zumindest für den Anfang. Ein kleines Abenteuer, mehr nicht“ Ich starrte ihn fassungslos an und Wut kroch in mir hoch. „ Erwartest du etwa gerade von mir, dass ich meinen Freund betrüge, einfach so? Ohne mich um seine Gefühle zu kümmern?“ Emmett legte den Kopf schief, sah mich an und sagte nichts. Ich riss mich von ihm los und machte ein paar Schritte rückwärts. Ich sagte laut: „ Siehst du, dass ist schon der nächste Grund, warum aus uns nie etwas werden könnte.“ „ Ich hab Jacob noch nie sonderlich gemocht und ich kann einfach nicht verstehen, was du an ihm findest“ Endlich fand ich den Ausgang und wollte losstürmen, doch Emmett hielt mich am Arm fest. Er sah mir tief und selbstsicher in die Augen, als er sagte: „ Ich werde um dich kämpfen, Michelle. Und wenn es das letzte ist, was ich tue“ Dann ließ er mich los und ich rannte raus. Ich rannte, ohne mich noch einmal umzusehen, doch wenn Emmett mich hätte einholen wollen, hätte er das schon längst getan. Ich verließ den Rummel und eilte zu meinem Auto. Zitternd steckte ich meinen Schlüssel ins Schloss und fuhr los. Ich wusste nicht, wohin ich eigentlich fahren sollte. Einfach nur raus! Weg von diesem ganzem Irrsinn und dem Schmerz. Weg von dem Fehler, den ich gerade begangen hatte. Doch ich konnte nicht davor wegrennen, das war unmöglich. Nachdem ich eine Viertelstunde ziellos durch die Gegend gekurvt war, hielt ich am Straßenrand, um meine Gedanken zu ordnen. Was sollte ich jetzt tun? In meinem Kopf trieb ein Tornado von Schuldgefühlen sein Unwesen. Meine Hände klammerten sich um das Lenkrad. Was hatte ich nur angerichtet?! Alles war meine Schuld. Wenn ich mich heute Morgen nicht so über Jake aufgeregt hätte, wäre er mit auf den Rummel gekommen und es wäre niemals zu diesem Desaster gekommen. Über was hatte ich mich eigentlich nochmal so geärgert? Ach ja, weil Jacob nicht älter wurde. In dieser

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bizarren Situation lachte ich doch tatsächlich auf! Wegen so einer dummen Kleinigkeit hatte ich also alles zerstört. Ich schluckte. Sollte ich direkt zu Jake fahren und ihm alles beichten? Nein, ich wollte mir ein paar Stunden Zeit lassen für mich. Damit ich mich wieder beruhigte. Dieser Plan wurde durchkreuzt, als plötzlich zwei Gestalten vor meinem Autofenster auftauchten. Ich zuckte zusammen und öffnete die Tür. „ Jasper! Alice! Was macht ihr hier?“ Ich sah Alices wunderschöne goldene Augen, wie sie mich taxierten. „ Ich hab dich gesehen, wie du fast verzweifelst, was glaubst du denn? Und dann sah ich Emmett , wie er Pläne schmiegt“ „Ihr wisst es also schon?“ fragte ich nervös und senkte beschämt den Kopf. „ Ja“, sagte Jasper leicht säuerlich. Ich sah ihm an, dass er mir Vorwürfe machte und konnte ihn nur zu gut verstehen. „ Jasper, ich glaube es ist das Beste, du schaust mal nach deinem Bruder. Ich hab Emmett ziemlich grob eine Abfuhr erteilt und bin dann verschwunden. Er flippt bestimmt gerade aus.“ „ Ja, das wird wohl wirklich das Beste sein, Jasper!“, erwiderte Alice und gab ihm einen kurzen Abschiedskuss. Als er verschwunden war, setzte sie sich auf den Beifahrersitz und knallte die Tür so laut zu, dass ich zusammenfuhr. „ Also?“, fragte sie mich und sah mich erwartungsvoll an. „ Was also? Du weißt doch schon alles, soll ich dir noch jede Einzelheit dieser Katastrophe erläutern?“, antwortete ich mit einer Gegenfrage. Alice seufzte und lehnte sich nach hinten. „ Das ändert wirklich alles!“ „ Was du nicht sagst!“, antwortete ich so giftig, dass ich erschrak. Ich wollte auf gar keinen Fall meinen Frust an Alice auslassen. Ich drehte mich zu ihr: „ Tut mir Leid, Alice. Ich bin nur nervlich gesehen völlig am Ende“.

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„ Das kann ich mir vorstellen“, sagte Alice traurig und nahm meine Hand. „ Aber Michelle, früher oder später wäre das passiert. Emmett ist so ein Sturkopf, dass er es immer weiter versucht hätte. Edward wusste es natürlich als Erster, sobald dieser Gedanke in Emmetts Kopf Gestalt angenommen hatte. Und ich hab immer wieder verschwommen gesehen, dass er plante, dir näher zu kommen. Da gab es Pläne mit einem Sonnenuntergang, einem Geschenk und einer Essenseinladung, die er ausheckte, aber auch schnell immer verworfen hat. Aber ich habe auch gesehen, dass du ihn immer abgewiesen hättest. Na ja, bis heute.“ Super, jetzt fühlte ich mich noch mieser, falls das überhaupt ging. Ich spürte, wie mir die Tränen kamen doch ich unterdrückte es. „ Alice, ich hab alles kaputt gemacht, absolut alles! Jake wird mir niemals verzeihen und ich mir selbst auf gar keinen Fall. Ich kann euch jetzt nicht mehr besuchen kommen. Ich hab alle hintergangen.“ Jetzt übermannten mich die Tränen doch noch und ich hielt schluchzend meine Hände vor mein Gesicht. Ich spürt eine kalte Berührung und im nächsten Moment lag ich in Alice steinharten Armen und sie strich mir übers Haar. „ Sch, Michi. Es wird schon alles gut werden, wir werden das regeln. Und ich bin mir sicher, dass Jake dir verzeihen wird, denn er liebt dich viel zu sehr!“ „ Wie kann man sowas wie mich lieben?!“, fragte ich trotzig und als Alice mir keine Antwort gab und sich plötzlich verkrampfte, schaute ich hoch. Sie sah so aus, als würde sie in eine andere Welt blicken und ich verstand. Ich löste mich ruckartig von ihr und fragte panisch: „ Was siehst du? Was ist passiert?“ Alice schaute mich nicht an, als sie mir langsam antwortete: „Rosalie hat es gerade erfahren“ Oh Gott, an Rose hatte ich überhaupt nicht mehr gedacht. Ich brach in Panik

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aus, mein letztes Stündlein hatte geschlagen. Na ja, dann hatte ich wenigstens nicht mehr die Chance, Jake alles beichten zu müssen, wenn sie mich töten würde. „ Von wem hat sie es erfahren?“, fragte ich sie aufgelöst. Endlich sah Alice mich an. „ Von niemandem direkt. Jasper, Emmett und Edward kamen alle missmutig und wütend nach Hause. Als sie in Emmetts Augen geblickt hatte, wusste sie sofort, was passiert war. Sie hat ein Gefühl dafür, eine Situation sofort zu erfassen. Wir vermuten schon lange, dass das ihr Talent ist“ Toll, hätte sie nicht eine andere Gabe besitzen können? Das Wetter zu beeinflussen oder so? „ Sie will mich umbringen, oder?“ Es klang mehr wie eine Feststellung als eine Frage. Die Tatsache, dass Alice sich auf die Lippe biss, war eigentlich schon Antwort genug. Ich sackte in meinem Sitz zusammen und raufte mir die Haare. „ Oh verdammt. Siehst du auch, wie sie es machen wird? Schnell und schmerzlos oder qualvoll?“ Jetzt schüttelte Alice den Kopf und sah mich spöttisch an. „ Jetzt rede nicht so einen Unsinn. Als ob wir zulassen würden, dass sie dir was antut. Nein, es gibt ein wesentlich größeres Problem.“ „ Was?“, fragte ich ängstlich. „ Sie will es Jacob erzählen“ Jetzt war wirklich alles aus. Er musste das von mir erfahren und nicht von einem Dritten. Das war ich ihm schuldig. Es ging alles so schnell. Es war noch nicht mal eine Stunde her, als ich Emmett geküsst hatte und ich brauchte Zeit, mir Gedanken über das kommende Gespräch mit Jake zu machen. Doch Rosalie verdarb mit ihren Plänen alles. „ Wo ist Jake?“, fragte ich schnell. „ Du weißt doch, dass ich keine Werwölfe sehen kann. Aber Rose macht sich zu seinem Haus auf.“ Ich schüttelte den Kopf „ Nein, dort ist er ganz bestimmt nicht. Er ist hundertprozentig als Wolf unterwegs. Ruf Bella, Edward oder was weiß ich wen an. Sie sollen Rose aufhalten. Ich geh in den Wald und suche Jake, um ihm alles zu sagen. Er muss es von mir erfahren.“

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Alice nickte und packte schnell ihr Handy raus. Nachdem sie gerade mal 10 Sekunden telefonierte und ich nicht ein einziges Wort von ihr verstanden hatte, legte sie auf. „ Ok, Carlisle und Esme kümmern sich darum, auf sie ist Rose momentan am besten zu sprechen. Sie ist sauer auf Edward und mich, weil wir ihr nichts gesagt haben.“ „ Warum habt ihr das eigentlich nicht getan? Sie ist doch eure Schwester.“ , fragte ich verdutzt. Alice gab mir einen schnellen Kuss auf die Wange und öffnete die Autotür, bevor sie sich noch einmal zu mir umdrehte: „ Michelle, du bist auch unsere Schwester.“ Mehr sagte sie nicht und bevor ich was erwidern konnte, war sie schon weg. Ich atmete ein paar Mal tief ein und aus, um meine Nerven unter Kontrolle zu bekommen. Dann fuhr ich los. Als ich am Wanderweg ankam, der in den Wald führte, stieg ich zitternd und aufgeregt aus. Ich schloss den Wagen ab und machte mich auf den Weg. Während ich dahin stampfte und hoffte, dass Jake mich mit seinen scharfen Wolfssinnen bald hören oder sehen würde, versuchte ich mir die richtigen Worte zurechtzulegen. Ich scheiterte gnadenlos. Wie sollte ich dem Jungen, den ich liebte beibringen, dass ich ihn betrogen hatte? Konnte man dafür überhaupt die richtigen Worte finden? Als ich tief im Wald war, hörte ich plötzlich ein Rascheln hinter mir. Ich drehte mich um, in der Hoffnung, dass es Jake war. Doch ich sah niemanden. Ich hatte mir das doch eben nicht eingebildet! Ich wandte mich wieder um und schrie vor Schreck auf, als jemand vor mir stand. „ Emmett!“, stieß ich hervor. Er richtete sich vor mir auf, sein Gesicht war wutverzerrt und sein Pulli war zerrissen. Was um Himmels Willen war mit ihm passiert? „ Das war wirklich richtig fies von dir, mich einfach so im Kabinett stehen zu

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lassen“, sagte er aufgebracht. „ Emmett, ich dachte ich hätte es dir deutlich erklärt?!“, antwortete ich. „ Und ich dachte, ich hätte dir verständlich gemacht, dass ich nicht einfach aufgeben werde!“ Und dann zog er mich an sich und küsste mich wieder. Dieses Mal würde ich mich nicht um den Finger wickeln lassen. Ich stemmte mich mit meiner ganzen Kraft gegen ihn, damit er mich losließ, doch Emmett verstärkte seinen Griff nur. Autsch! Das tat wirklich weh. Als ich den Kuss immer noch nicht erwiderte und einfach nur dastand, spürte ich, wie ihn das verärgerte und seine Arme schlossen sich immer stärker um meinen Körper. Ich bekam keine Luft mehr, er würde mich jede Sekunde zerquetschen. Ich trommelte gegen seine Brust und wollte ihm sagen, dass er aufhören musste, sonst würde er mich umbringen, doch sein Mund lag so pressend auf meinem, dass ich keine Chance hatte. Ich merkte, wie es plötzlich anfing, vor meinen Augen zu flimmern. „ LASS SIE SOFORT LOS!“ Ich keuchte und schnappte nach Luft, als Emmett mich endlich losließ. Ich schwankte und schaute in die Richtung, aus der der Schrei gekommen war. Mein Herz setzte aus, als ich Jacob dort in Menschengestalt stehen sah. Alle seine Muskeln waren angespannt und er funkelte Emmett böse an. So eine Wut hatte ich noch nie in seinen Augen gesehen. „ Na, jetzt wird es doch interessant!“, hörte ich Emmett belustigt sagen. Am liebsten hätte ich ihm einen Tritt verpasst, weil er es wagte, ihn auch noch zu provozieren. Ich wollte ein paar Schritte auf Jake zumachen, doch Emmett hielt mich am Arm fest. Jetzt reichte es aber wirklich! Sofort stieß Jacob ein Knurren aus und kam auf Emmett zu. Dieser machte erst gar nicht die Anstalten, sich auf einen möglichen Kampf einzurichten. Stadtdessen schaute er ihn nur amüsiert an. „ Sorry, man, dass du das eben mit ansehen musstest. Der erste Kuss war deutlich spannender!“ „Emmett!“, schrie ich ihn böse an und entfernte mich schnell von ihm. Jetzt

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stand ich genau zwischen den beiden. Jetzt ließ Jake seine Angriffshaltung fallen und schaute zuerst verwirrt zu mir und dann zu Emmett. „ W-was redest du da?“, fragte er bissig, doch ich konnte Unsicherheit in seiner Stimme wahrnehmen. Ich sah Emmett strafend an und näherte mich Jake. Jetzt war es also so weit und ich musste es ihm beichten. Doch bevor ich den Mund aufmachen konnte, ergriff Emmett wieder das Wort. „ Hättest nicht gedacht, dass du mal Konkurrenz bekommen würdest, was? Michelle ist wohl noch nicht dazu gekommen, dir zu erzählen, dass wir heute allein auf dem Rummel unterwegs waren? Und welches grandioses Ende es nahm?“ Ich starrte ihn fassungslos und mit offenem Mund an. Warum tat er das? Warum war er so gemein? Ich drehte mich langsam um und schaute in Jakes Augen. Und da konnte ich förmlich sehen, wie sein großes und wunderbares Herz geradezu entzwei brach. „ Jake…“, flüsterte ich, dann versagte mir die Stimme. Jacob zitterte und sah mich leidend an. Als ich seinen Schmerz sah, wäre ich am liebsten auf der Stelle gestorben. Sein Leid brannte wie Feuer auf meiner Haut. „ Ist das wahr?“, fragte er leise. Ich nickte und mir liefen die ersten Tränen die Wangen hinunter. Jakes Miene veränderte sich und er richtete sich auf. Dann machte er ein paar Schritte auf Emmett zu. „ Du elender Mistkerl. Was hast du getan?!“ Jetzt knurrte dieser. „ Was ich getan hab? Gar nichts. Ich liebe Michelle und werde sie nicht einem Köter wie dir überlassen.“ „ Und du glaubst, bei einem verdammten Blutsauer wie dir, der sie eben fast zerquetscht hätte, wäre sie besser aufgehoben? Ich werde sie auf keinen Fall kampflos aufgeben“ Mit diesen Worten packte Jacob mich am Arm und schleuderte mich aus dem Weg, sodass ich gegen einen Baumstamm knallte. Als ich hochblickte, sah ich, dass er sich verwandelt hatte und der rostbraune Wolf und der Vampir sich jetzt umkreisten.

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„ Nein!“, rief ich laut, doch keiner der beiden beachtete mich. Sie taxierten sich gegenseitig mit höchster Konzentration, bereit, jede Sekunde anzugreifen. Ich machte panisch ein paar Schritte auf sie zu. „ Jungs, hört gefälligst auf, das ist keine Lösung. Es hilft keinem, wenn einer von euch meinetwegen verletzt wird. Hört sofort auf!“, schrie ich. Doch weder Emmett noch Jacob ließen ihre Angriffshaltung fallen. „ Keine Angst Schatz, mir wird schon nichts passieren“, sagte Emmett grinsend, während er Jake immer noch beobachtete. War das hier alles etwa nur ein Spiel für ihn? „ Hör gefälligst auf, mich Schatz zu nennen!“, rief ich wütend. In diesem Moment griff der Werwolf an. Ich schrie, als die Körper des Vampirs und des Wolfes aneinander krachten. Beide stießen ein Knurren aus. Sofort attackierten sie sich wieder. Ich musste schleunigst was unternehmen, sonst würde ich noch einen von ihnen verlieren. Ich hatte meinen Zauberstab nicht dabei. Mist! Am liebsten hätte ich die zwei in irgendwas Ungefährliches verwandelt, bis sie sich beruhigt hätten. In zwei Mäuse oder so. Doch vermutlich hätten sie sich selbst dann noch weiter bekämpft. Also gab es mal wieder nur eine Möglichkeit und ich hasste es, sie beanspruchen zu müssen. Ich konzentrierte mich also und verwandelte mich in den großen schwarten Panther. Ich machte einen Satz nach vorne, bleckte meine Reißzähne und brüllte so laut wie es nur ging. So zog ich endlich ihre Aufmerksamkeit auf mich. Der Wolf und der Vampir starrten mich verwirrt und mit großen Augen an. Mein Fell sträubte sich und mein finsterer Blick war auf sie beide gerichtet. Ich trabte auf sie zu und stellte mich dann genau zwischen sie. Daraufhin setzte ich mich hin und sah mit Absicht stur geradeaus, ohne sie zu beachten. Das brachte Emmett und Jacob erst recht aus der Fassung. Sie guckten mich nur perplex an, sodass sie den Kampf vergaßen. Wäre es nicht so eine ernste und gefährliche Situation, hätte man wirklich darüber lachen können.

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Jetzt blickte ich böse zu Emmett und knurrte. Ich konnte ihm immer noch nicht verzeihen. Dafür, was heute auf dem Rummel passiert war, konnte ich ihm nicht die Schuld geben, das war klar. Schließlich gehörten zu sowas immer noch zwei. Doch das was er sich eben geleistet hatte, brachte mich zur Weißglut. Dann sah ich zu Jake und sofort änderte sich mein Gesichtsausdruck. Selbst in Wolfsgestalt konnte ich ihm ansehen, wie sehr ich ihn verletzt hatte. Es zerriss mich, ihn so zu sehen. Als er mir in die Augen sah, konnte ich seinem Blick nur eine Sekunde stand halten, dann senkte ich beschämt meinen Kopf. „ Ich sehe, für heute ist es genug, leider“, sagte Emmett in diesem Moment. „ Aber das war erst der Anfang, wir sehen uns noch, Wolf“. Nachdem er Jake einen kurzen Augenblick lang böse angefunkelt hatte, wandte er sich an mich und sein Blick wurde weich. „ Ich liebe dich!“, flüsterte er und dann war er weg. Da stand ich nun in Panthergestalt, Jake mit großem Abstand zu mir, und ich traute mich nicht, ihn anzusehen. Keiner von uns beiden regte sich auch nur minimal. Schließlich fasste ich doch den Mut und drehte mich leicht zu ihm. Er saß da und schaute mich einfach nur an. Ohne sich zu bewegen. Ich sah den Vorwurf, den Schmerz und die Enttäuschung in ihm. Ich schüttelte traurig meinen Pantherkopf und dann lief ich weg. Weg von Jake. Weg von allem. Ich erhöhte mein Tempo und meine Samtpfoten brachten mich schnell voran. Ich hoffte, dass Jake mir nicht nachrannte und tatsächlich konnte ich keine anderen Pfoten hinter mir hören. Ich rannte bestimmt eine halbe Stunde lang ziellos durch den Wald, als mir die Puste ausging. Ich schleppte mich zu einem besonders großen Baum und lehnte mich dann erschöpft gegen die Rinde. Ich sackte zusammen und blieb regungslos auf dem Boden liegen. Na ja, nicht ganz regungslos, ich schnaufte gewaltig und ich zitterte am ganzen Leib. Das Rennen hatte mir gut getan, doch jetzt kamen wieder diese schlimmen Gedanken. Was ich angerichtet hatte und was die Folgen waren. Rosalie wollte mich umbringen, Emmett kämpfte gegen Windmühlen an und Jake würde mir nicht verzeihen.

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Ich lag etwa zehn Minuten so da, da hörte ich ein Rascheln und wie sich jemand auf vier Pfoten näherte. Ich hob meinen Kopf und spitzte die Ohren. Meine gelben Augen trafen auf dunkelbraune. Jacob! Er kam langsam aus einem Gebüsch hervor und blieb mit einigem Abstand zu mir stehen. Er ließ den Kopf hängen und schaute mich schüchtern an. Fast entschuldigend. Ich verstand die Welt nicht mehr. Was war mit ihm los? Der Wolf kam ein paar Schritte näher und setzte sich dann vor mich. Ich wandte mich von ihm ab und schloss die Augen. Mein schlechtes Gewissen und die Schande quälten mich und ich wollte ihm nicht in die Augen blicken. In die Augen, die ich so liebte. Ich hörte, wie Jake sich wieder bewegte und dann berührter er mit seiner Schnauze sanft mein schwarzes, kurzes Fell. Ich zuckte zusammen und kroch weiter weg von ihm sodass ich mich eng an den Baumstamm presste. Er sollte damit aufhören! Hatte er vorhin Emmetts Worte denn nicht verstanden? Hatte er nicht kapiert, was ich ihm angetan hatte? Und jetzt berührte er mich auch noch so liebevoll, als wär ihm das egal. Er sollte mich in der Luft zerfetzen und mir Schmerzen zufügen, als Strafe. Das wäre mir lieber gewesen. Doch stattdessen fing Jake jetzt auch noch an zu jaulen und stupste mich an. Ich sprang auf und sah ihm in sein Wolfsgesicht. Er wich erschrocken zurück, fasste sich aber direkt wieder. Ich drehte mich einmal im Kreis und dann stand ich wieder in Menschengestalt da. Halb nackt aber das war mir egal. Der Wolf vor mir zitterte und machte sich bereit, sich ebenfalls wieder zurück zu verwandeln, doch ich rief: „ Nein Jake!“. Prompt hörte er auf zu zittern. Ich holte einmal tief Luft. „ Du hörst mir jetzt zu und ich will nicht, dass du antwortest. Das, was ich heute getan habe, ist furchtbar, so furchtbar, dass ich mich am liebsten dafür umbringen würde. Wirklich. Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist, als ich Emmett geküsst habe. Und ich werde unseren blöden Streit von heut Morgen nicht als Ausrede benutzen. Ich weiß nur, dass ich ein Monster bin und damit muss ich jetzt für den Rest meines Lebens zurecht kommen. Ich kann mir einfach nicht verzeihen und du auch nicht. Ich weiß, du wurdest auf mich geprägt, doch du wirst irgendwann ein neues Mädchen finden, was dich glücklich macht und dich nicht so hintergeht wie ich. Ich werde dich immer lieben, Jake.“

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Sein Gesichtsausdruck von vorhin war nichts im Vergleich zu seinem jetzigen. Er sah mich an, als würde ich ihm gerade die Todesstrafe verhängen. Er sah mich flehend an. Ich antwortete nicht darauf. Mir kullerte eine einzige Träne hinunter und dann rannte ich wieder los, ohne mich noch einmal zu dem Wolf umzublicken. Ich rannte nach Hause. ---------------------------------------------------------------------- ------------------------------ „ Michelle, was hast du dir bei Merlins Bart nur dabei gedacht?!“ Ich saß in meinem Zimmer und ließ mich von Claudia verbal zur Schnecke machen. Embry hatte es ihr natürlich sofort erzählt, als er von der Sache zwischen Emmett und mir erfahren hatte. Das ärgerte mich etwas. Es waren vielleicht gerade mal vier Stunden seit meinem Kuss mit ihm vergangen und schon wusste die halbe Stadt davon. „ Zum hundertsten Mal, Claudi, ich hab mir rein gar nichts dabei gedacht. Es ist einfach passiert.“ „ Es ist einfach passiert“, äffte sie mich nach . „Michi, so kenn ich dich gar nicht. Jacob ist doch so ein wunderbarer Junge und du hintergehst ihn, einfach so. Ich würde dir im Moment wirklich gerne einen Zauberspruch auf den Hals hetzten, so dass dir Hören und Sehen vergeht.“ Ich funkelte sie böse an. „ Jetzt streu nicht noch Salz in die Wunde. Ich weiß selbst, wie schrecklich das von mir war. Aber durch Vorwürfe machst du es auch nicht besser. Ich muss mir jetzt erst mal überlegen, was ich in der Sache Rosalie mache.“ „ Was gibt es denn da zu überlegen? Du schläfst einfach mit dem Zauberstab neben dir, nur zur Sicherheit. Ich würde mir erst mal darüber Gedanken machen, wie du es der kleinen Nessy beibringen willst, dass du sie nicht mehr besuchen kommen kannst.“ Ich stöhnte auf. Daran hatte ich ja noch gar nicht gedacht. Die arme Kleine. Ich stützte mein Kopf mit den Händen ab. Ich war so müde. Es war so viel an diesem Tag passiert, was ich und vor allem Jacob verdauen musste. Claudia war immer noch sauer auf mich und verstand mich nicht. Manchmal brauchte man

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wirklich eine Freundin, die einem mal in den Hintern trat und beschimpfte aber heute konnte ich wirklich darauf verzichten. Es klingelte an der Haustür und ich fuhr hoch. „ Wer kann das sein?“, fragten Claudi und ich in derselben Sekunde. Ich ging die Treppe runter und sie folgte mir. Ich näherte mich aufgeregt der Tür und öffnete sie. Doch draußen war niemand, keine Menschenseele. Ich suchte die Umgebung ab und als ich nach unten blickte, schlug ich mir die Hand vor den Mund. Ich brach in Tränen aus und vergrub mein Gesicht in den Händen. Ich bekam keine Luft mehr und ich war so ein Häufchen Elend, dass sich Claudia doch noch ein Herz fasste und mich in den Arm nahm, während sie ebenfalls nach unten schaute. Dort saß der große Bär, den Emmett und ich auf dem Rummel gewonnen hatten und eigentlich noch abholen wollten. Der süße Bär mit seinem bestickten Plüschherz in den Händen, welches jetzt so eine tiefere Bedeutung hatte als heute Vormittag. „ You’re everything to me“ Der Abschied Ich saß spätabends am Schreibtisch und schrieb in mein Tagebuch. Das hatte ich schon Ewigkeiten nicht getan, um genau zu sein, nicht mehr, seitdem ich damals erfahren hatte, dass Jake ein Werwolf war. Also gab es ganz schön Nachholbedarf. Ich rieb mir die Augen als ich merkte, dass mir schon wieder die Tränen kamen. Es waren nun drei Tage seit der Sache im Wald vergangen und Jacob hatte sich noch nicht bei mir gemeldet. Natürlich nicht. Die Cullens hielten mir Rosalie vom Hals und meldeten sich kaum noch. Von Emmett hatte ich nichts mehr gehört. Ich hoffte, dass er nicht irgendeinen Plan ausheckte, um an mich

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ranzukommen oder mit Jake zu kämpfen. Doch Alice und Edward würden dieses Mal sicher besser aufpassen. Ich hatte mittlerweile mein halbes Tagebuch vollgeschrieben und wurde müde. Ich sah hinüber zu meinem Schrank. Dort drinnen befand sich in der hintersten Ecke der Teddybär von Emmett, den ich dort sofort versteckt hatte. Als ich wieder daran dachte, legte ich meinen Kopf auf die kühle Glasplatte meines Schreibtisches, um mich wieder zu beruhigen. Da klopfte es leise an meiner Zimmertür. „ Michelle? Schatz, kann ich reinkommen?“ Ich richtete mir schnell die zerzausten Haare und wischte die letzten Tränen weg und rief: „ Klar, Dad.“ Ich hörte, wie er ins Zimmer trat und drehte mich zu ihm um. Natürlich war es dumm von mir zu denken, dass mein Vater nicht sofort merken würde, dass es mir schlecht ging. Als Alan mein verheultes Gesicht sah, kam er schnell auf mich zu und kniete sich neben mich. Er legte seine Hand auf mein Knie. „ Was ist los mit dir, Kleine? Seit Tagen kommst du nur noch zum Essen runter oder wenn du eine kleine Runde mit Cäsar drehst.“ „ Es ist nichts Dad“, antwortete ich doch mein Zittern in der Stimme verriet mich. Er legte den Kopf schief und sagte zärtlich. „ Michelle, ich bin jetzt lange genug dein Vater, um zu wissen, wann es dir schlecht geht. Also?“ Er hatte Recht, er war ein aufmerksamer Dad, der beste, den man sich wünschen konnte. Also fasste ich mir ein Herz und erzählte ihm die Wahrheit. Na ja, zumindest die Hälfte davon. „ Ich hab mich ziemlich heftig mit Jake gestritten“. Alan zog eine Augenbraue hoch und fragte: „ Euer erster richtiger Streit? Ach Schatz, das passiert jedem irgendwann mal. Bestimmt war es nur eine Kleinigkeit und bald ist alles wieder in Ordnung.“ Ich schüttelte den Kopf, als mir schon wieder die Tränen übers Gesicht liefen. „ Es ist aber keine Kleinigkeit, Dad. Ganz und gar nicht.“ Alan antwortete nicht, sondern wartete, bis ich weiterredete. Ich drehte mich verheult zu ihm und brachte schluchzend hervor: „ Einer von uns hat etwas wirklich Schlimmes getan.“

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Eine Sekunde lang sah er mich nur verständnislos an, dann wurden seine Augen plötzlich ganz groß und er biss die Zähne aufeinander. „ Hat dich Jacob etwa mit einer Anderen betrogen?!“ Ich erschrak und wollte ihm schnell widersprechen, doch meine Reaktion schien Alan genug als Antwort. Er stand ruckartig auf und ballte die Fäuste: „ Ich kann es einfach nicht glauben“, knurrte er. „ Wie kann Jacob dir nur so etwas antun?! Den Menschen zu betrügen, den man liebt ist das absolut Schlimmste. Wie kann er dich nur so behandeln? Eine Beziehung muss auf Vertrauen beruhen, wie kann er dein Vertrauen nur so missbrauchen? Das hätte ich niemals von Jake gedacht. Der wird was von mir zu hören bekommen, mein kleines Mädchen so zu hintergehen!“ Das haute rein! Ich keuchte, als mir seine Worte ins Gesicht schlugen. Dad hatte das in den völlig falschen Hals bekommen. Wie würde er wohl reagieren, wenn er wüsste, dass ich Diejenige war, die Jake betrogen hatte? Was würde er dann von seinem kleinen Mädchen denken? „ Nein Dad, das ist es nicht. Jake hat mich nicht betrogen. Es ist schwierig zu erklären, eigentlich will ich da gar nicht mehr drüber reden“ Jetzt beruhigte sich Alan langsam wieder und er sagte sanft: „Ok, Kleines. Aber ich bin mir ganz sicher, dass sich das wieder einrenkt. Ich mach dir jetzt erst mal einen Hawaitoast, vielleicht muntert dich das auf“ Und dann verließ er das Zimmer und ließ mich wieder alleine. Mein Vater hatte Recht. Ich hatte Jakes Vertrauen zu mir zerstört und ohne Vertrauen konnte man auch keine Beziehung führen. Ich hatte in diesen zehn Minuten, die Emmett und ich im Spiegelkabinett verbracht hatten, alles kaputtgemacht. Wie konnte ich nur so blöd sein? Bevor diese ganze Sache passiert war, hatte ich mir schon oft vorgestellt, wie Jakes und meine Kinder aussehen würden. Eigentlich war es lächerlich, sich in

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meinem Alter schon Gedanken über so etwas zu machen, doch ich war mir hundertprozentig sicher gewesen, dass wir für immer zusammenbleiben würden. Doch jetzt hatte ich diese wunderbare Zukunft zunichte gemacht, in dem ich einen Augenblick lang Schwäche gezeigt hatte. Ich vermisste Jake sosehr, dass es sich anfühlte, als ob mir jemand das Herz hinaus riss. Eigentlich wünschte ich mir das sogar. Einfach kein Herz mehr besitzen, um dem Schmerz und der Schuld zu entkommen. Doch das war unmöglich. Claudia war im Moment bei Embry. Die beiden waren jetzt ein festes Paar und ich freute mich für sie. Sie versuchte über ihn an Informationen über Jacob zu kommen, von denen sie mir dann berichten könnte. Ich war ihr dankbar dafür. Embry wusste aber natürlich, dass ich auch sofort alles erfahren würde, was mit Jake zu tun hatte, also hielt er sich etwas zurück. Ich wusste nur, dass er im Moment viel öfter und viel länger als Wolf durch die Gegend zog und kaum mit dem Rudel sprach. Ersteres hatte ich schon vorher erfahren, denn wenn ich die letzten drei Tage abends nicht einschlafen konnte, hörte ich jedes Mal, wie jemand mit Samtpfoten unser Haus umkreiste. Ein paar Mal hatte ich überlegt, einfach zu ihm runterzugehen, nur um einen Blick auf ihn zu erhaschen, doch ich traute mich einfach nicht. Zu groß war die Angst vor der Welle des Schmerzes, die mich dann überwallen würde. Ich machte mich fertig und legte mich in mein Bett. Mein Zauberstab lag neben mir auf dem Nachttisch, nur für alle Fälle. Ich wälzte mich die ganze Zeit hin und her, weil ich einfach nicht einschlafen konnte. Eigentlich wollte ich sowieso nicht schlafen, denn dann quälten mich die Albträume. Irgendwann schaute ich auf meinen Wecker und stellte fest, dass es 2:00 Uhr war. Ich versuchte es mit dem Schäfchen-zählen-Trick. Tatsächlich wurden meine Augenlieder schwerer und ich war kurz davor, einzuschlafen. Doch da klingelte plötzlich mein Handy. Mein Herz raste, als ich mich erschrak und hochfuhr. Wer rief denn um diese Uhrzeit an? Ich schaute auf den Display und sah, dass es Bella war.

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„ Bella! Ist was passiert?“, fragte ich panisch, als ich ranging. „ Tut mir Leid, wenn ich dich geweckt habe, Michelle“, hörte ich ihre glockenspielartige Stimme am anderen Ende der Leitung. „ Hast du aber nicht.“, sagte ich schnell. „ Oh, ok. Kannst du morgen Vormittag zu uns kommen? Es ist wichtig. Rosalie und Emmett werden nicht da sein, dafür sorgen wir“ „ Ok, wenn es wirklich so wichtig ist. Aber wie läuft es zwischen den beiden? Reden sie miteinander?“. Bella seufzte leise: „ Nein, tun sie nicht. Emmett ist weiter in den Norden gegangen, um etwas Abstand zu gewinnen. Rose will morgen ebenfalls weg. Zu unseren Freunden, die auch so leben wie wir und zu denen wir Nessy gebracht haben, als Serafina uns angriff“ „ Ok, wir sehen uns dann morgen, Bella“, antwortete ich und legte auf. Ich legte mich wieder ins Bett und dachte nach. Wie sollte ich der kleinen Nessy erklären, dass ich sie nicht länger besuchen konnte? Ich gähnte und langsam, ganz langsam glitt ich in den Schlaf. Da der nächste Tag ein Feiertag war, musste ich nicht zur Schule gehen, also setzte ich mich schnurstracks in mein Auto und fuhr zu dem Haus der Cullens. Ich parkte vor der riesigen Garage und krallte mich nervös an den Sitz. Was erwartete mich da drin? Was genau wollten die Cullens mit mir besprechen? „Michelle, hast du auch irgendwann vor, auszusteigen?“, hörte ich eine Stimme sagen. Ich sah auf und sah Edward, wie er auf der Veranda stand. Zitternd stieg ich aus und schloss den Wagen ab. „ Hi Edward“, rief ich und versuchte, gut gelaunt zu klingen. Ich versagte auf ganzer Linie. Meine Stimme klang, als würde ich eine Grabrede halten. Ich stieg die Treppe hinauf und war verblüfft, als Edward mich in den Arm nahm. Seine kalten Hände schlossen sich um meinen Körper und er küsste mich auf aufs Haar. „ Wie geht es dir?“, flüsterte er. „ Nicht gut, wenn ich ehrlich bin.“, sagte ich sofort. Es machte keinen Sinn zu lügen, wenn man einem Gedankenleser gegenüberstand.

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„ Hast du nochmal mit Jake geredet?“, fragte Edward weiter. „ Nein“, lautete meine knappe Antwort. Dann ging ich an ihm vorbei ins Haus. Dort standen sie auch schon alle. Na ja, fast alle. Esme stand neben Carlisle und drückte seine Hand. Jasper kniete neben Alice, die auf dem Boden saß und mich neugierig ansah. Bella hielt Nessy im Arm, die, sobald sie mich sah, die Hände nach mir ausstreckte. Ich sah Bella schüchtern an und sie nickte. Ich ging auf sie zu und sie gab mir ihre Tochter. Puh, sie war ganz schön gewachsen und wurde langsam schwerer. „ Hi, Nessy“, flüsterte ich und sie gab mir mit ihren lauwarmen Lippen einen kurzen Kuss auf die Wange. Ich sah in die Gesichter der anderen Vampire. Eines sah trauriger aus, als das andere. Ich schluckte. „Also, was wollt ihr mit mir besprechen?“, fragte ich fast flüsternd, doch sie verstanden mich natürlich trotzdem. Carlisle machte ein Schritt auf mich zu und begann, zu reden. „ Nun, es ist vermutlich unnötig zu sagen, dass sich nun alles ändern wird. Wir können alle nicht ganz verstehen, warum du dich auf Emmett eingelassen hast, doch wir verzeihen dir und sind dir nicht böse. Doch Rosalie ist fuchsteufelswild und Emmett lässt sich hier nicht mehr blicken.“ Ich unterbrach ihn schnell: „ Es tut mir so Leid. Ich hab wirklich alles kaputtgemacht. Ihr könnt mir vielleicht verzeihen, doch ich mir nicht.“ Jetzt ergriff die sanftmütige Esme das Wort: „ Michelle, du wirst dir selbst bald alles verzeihen können. Die Sache ist nur die, dass das Rudel nun auch wütend auf uns ist und wir nicht mehr ungestört jagen können. Des Weiteren müssen wir Rose von dir fernhalten, damit dir nichts zustößt. Außerdem fällt es im Krankenhaus langsam auf, dass mein Mann viel zu jung für sein angebliches Alter aussieht“ Ich starrte sie fassungslos an. „ Was willst du mir damit sagen?“, fragte ich panisch.

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Jetzt stand Alice auf und kam auf mich zu. Sie legte ihre eiskalten Finger an meine Wange und flüsterte langsam: „ Wir müssen von hier fort, Michelle. Wir ziehen weg“ „ NEIN!“, stieß ich hervor. Vor Schreck hätte ich beinahe Nessy fallengelassen und Edward nahm sie mir schnell ab. „ Ich werde nicht zulassen, dass ihr wegen meiner Dummheit und meiner Fehler von hier fortmüsst!“ Jasper versuchte mich zu beruhigen. „ Das wäre sowieso bald der Fall gewesen. Wir können nicht für immer hier bleiben.“ Mir kamen die Tränen und ich zitterte am ganzen Leib. Jetzt schien die kleine Renesmee ebenfalls zu verstehen und dann ging das große Geschrei los. „ Nein! Ich will nicht, ich will nicht. Ich will hierbleiben“, jammerte sie. versuchte sie zu beruhigen, während Bella auf mich zuging. Sie nahm meine Hand. „Michelle, das ist das Beste für uns alle. So bist du in Sicherheit und wir können beruhigt wo anders leben. Wir werden in Kontakt bleiben, das versprech ich dir! Wir stehen auf ewig in deiner Schuld, denn du hast uns alle vor Serafina gerettet. Vielleicht werden wir uns ja auch irgendwann wieder sehen. Dann wird Nessy erwachsen sein und du wirst sie nicht wieder wiedererkennen. Und ich bin mir sicher, dass du und Jacob wieder zueinander finden werdet!“ Mir klappte die Kinnlade herunter, als sie mich umarmte und „Leb wohl“, flüsterte. Ich war wie gelähmt und konnte nicht antworten. Alles ging so schnell. Als Nächstes verabschiedeten sich Esme und Jasper von mir. Dann kam Carlisle auf mich zu und flüsterte: „ Es wird schon alles gut werden und wir werden uns sicher wiedersehen Michelle. Doch im Moment ist das der einzige Ausweg.“ Dann umarmte auch er mich und endlich erwachte ich aus meiner Gelähmtheit. Ich schlang die Arme um ihn und begann zu schluchzen. Als er sich schließlich

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von mir löste, kam Alice auf mich zugestürmt. Ich sagte sanft zu ihr: „ Alice, ich weiß nicht, wie ich dir danken soll! Für alles. Du bist wie eine Schwester für mich!“ „ Du bist meine Schwester“, erwiderte Alice leise und drückte mich ganz lange. Jetzt blieben nur noch Edward und seine Tochter übrig. Als erstes nahm ich Nessy in den Arm, der gerade eine einzelne Träne über die kleine Wange lief. „ Ich will nicht weg von dir!“, weinte sie. „ Schht, ist schon gut, kleine Nessy. Ich werde immer deine Patentante sein. Und du hast die anderen doch gehört, wir werden uns wiedersehen und dann haben wir wieder ganz viel Spaß zusammen. Drück einfach immer dein Panther-Kuscheltier und denk an mich. Und dann bin ich dir ganz nah.“ Jetzt schluchzte auch ich und vergrub mein Gesicht in Nessys langen Locken. Edward legte seine Arme um mich und seine Tochter. Ich schaute zu ihm hoch. „ Danke Edward, für alles. Pass mir gut auf Bella und Nessy auf!“ „ Das werde ich“, sagte er zärtlich und wuschelte mir durchs Haar. Ich ging zur Haustür und drehte mich um. Dort standen sie alle und schauten mir traurig hinterher. Doch auf Alices Gesicht sah ich ein Lächeln. Sie wusste natürlich, dass wir uns, ob in naher oder ferner Zukunft, wieder sehen würden. Die kleine Nessy weinte immer noch ganz fürchterlich. Dann wandte ich mich ab, rannte zum Wagen, trat das Gaspedal durch und kehrte meiner Vampirfamilie den Rücken zu. --------------------------------------------------------------------------- ----------------------- Es war falsch, es war alles falsch! Es war spätnachts und ich versuchte, die heutigen Ereignisse zu verdauen. Im Moment packten die Cullens bestimmt schon die Umzugskisten. Vielleicht waren sie auch schon über die Landesgrenze verschwunden. Ich hatte den ganzen Tag geweint, es war einfach alles so schrecklich. Um mich abzulenken, ging ich hinunter in die Küche, um mir einen warmen Kakao zu machen. Ich setzte einen Topf mit Milch auf die Herdplatte und wartete, bis sie warm wurde.

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war völlig erschöpft und fertig. Ich war an allem Schuld. Meinetwegen mussten die Cullens die Gegend verlassen. Meinetwegen war das Rudel sauer auf sie und meinetwegen war es aus zwischen Jacob und mir! An allem war ich schuld. Ich hatte alles verloren. „ Guten Abend Michelle“ Ich erschrak zu Tode und drehte mich hastig um. Meine Augen weiteten sich panisch, als ich den nächtlichen Besucher sah. Mein Herz raste und ich brach beinahe zusammen. „Rosalie!“ Die schöne Blondine lachte, als sie meinen Gesichtsausdruck sah und sagte freundlich: „ Wie schön, dass ich dich antreffe. Ich wollte mich nämlich noch einmal persönlich von dir verabschieden!“ Ein Lächeln umspielte ihre Lippen und ich konnte ihre schönen aber tödlichen Vampirzähne sehen. Rosalie legte kurz den Kopf schief, betrachtete mich eine Weile und grinste daraufhin hämisch. Dann kam sie auf mich zu. Die Fassade fällt Mir stockte der Atem und ich krallte mich an die Küchentheke. Rosalie war mit zwei Schritten bei mir. „Rose, bitte tu das nicht!“, flehte ich sie an. „ Was soll ich nicht tun?“, fragte sie gespielt entsetzt. „Ich finde es nur fair, dass

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ich mich dafür revanchiere, was du mir und Emmett angetan hast. Deinetwegen ist nichts mehr wie vorher. Er redet nicht mehr mit mir und du bist daran schuld. Wir waren glücklich, bis du kamst“ Ich schüttelte den Kopf: „ Nein, Rose. Du weißt, dass das nicht stimmt. Emmett hat mir erzählt, dass ihr auch schon vorher Probleme hattet. Außerdem kann ich nichts dafür, dass er mich geradezu überfallen hat.“ Jetzt fing sie an zu knurren und ihre Stimme klang bedrohlich. „ Du hättest Nein sagen sollen. Du hättest ihm widerstehen müssen und ihm hättest klarmachen müssen, dass er zu mir gehört und nicht zu dir.“ „Als könnte man ‚Nein‘ zu einem Vampir sagen“, nuschelte ich leise. Und das war genau das Falsche. Rosalie war mir jetzt so nahe, dass sich unsere Nasenspitzen fast berührten. Ich roch ihren Duft, der einen Hauch von Nelke, gemischt mit weißem Jasmin, enthielt. Mein Herz schlug mir bis zum Halse und mir schwindelte es. Rose zog ihre braunen Lederhandschuhe aus, die ich zuvor gar nicht bemerkt hatte, und steckte sie in die Taschen ihres Trenchcoats. „ Die stören nur“, sagte sie entzückt und sah mich dann an. Ihre Augen hatten sich verändert. Jetzt sah sie zum ersten Mal wie ein richtiger Vampir aus, auch wenn sie keine blutroten Pupillen besaß. Ihr Blick wurde rasend. Sie hob ihre rechte Hand und holte zum Schlag aus. Ich schloss die Augen und hoffte, dass es schnell gehen würde. Ein letzter Gedanke schoss mir durch den Kopf: „Ich liebe dich, Jacob Black“ Ein lautes Krachen brachte mich dazu, meine Augen wieder zu öffnen. Ich sah noch Rosalies entsetztes Gesicht und wie sie sich dann umblickte. Ich tat es ihr nach und was ich sah, ließ mir einen Schreck durch alle Glieder fahren. Zwei riesenhafte Wölfe hatten die Eingangstür eingerannt, sodass diese jetzt flach auf dem Boden lag. Ich erkannte sofort Jake und mein Herz machte einen kleinen Hüpfer vor Freude. Der rostbraune Wolf stand schnaufend neben einem kleineren sandfarbenen, den ich sofort als Embry erkannte. Die Beiden funkelten Rose böse an und ein gefährliches Knurren erklang aus ihren Kehlen. Ihr Fell war gesträubt und ihre Muskeln angespannt. Jetzt regte sich auch endlich Rosalie. Sie begab sich in Angriffshaltung und knurrte die beiden ebenfalls an.

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„ Überall müsst ihr dazwischenfunken, ihr dreckigen Mistköter“, fauchte sie. Ich schnappte nach Luft und hätte mich am liebsten auf sie gestürzt, doch mein Körper war so steif wie ein Brett. Die Wölfe hatten sich nun genähert und ich fragte mich, wie sie überhaupt in Alans kleine Küche passten. Jake schaute zu mir und für eine kurze Sekunde lang kreuzten sich unsere Blicke. Mein Herz schien mir aus der Brust zu springen und sofort schwangen meine Schuldgefühle wieder mit. Doch im nächsten Moment übermannte die Panik mich wieder und Jake konzentrierte sich erneut auf Rosalie. Diese hatte unseren Blickwechsel beobachtet, sah mich kurz an, lächelte und wandte sich dann an Jacob. „ Ich bin überrascht, dass du hier auftauchst, wo dich Michelle doch so sehr hintergangen und verletzt hat. Bist du nicht wütend auf sie? Willst du sie denn überhaupt nicht dafür bestrafen, was sie dir angetan hat? Also ich wollte das.“ Zur Antwort bekam sie ein gefährliches Fauchen von dem rostbraunen Wolf zu hören. Die zwei Wölfe und der Vampir umkreisten sich nun, wobei der Essenstisch noch zwischen ihnen stand. Sofort holte Rose aus und mit einem lauten Polter und Zersplittern krachte dieser an die Wand. Embry kümmerte sich um die Stühle, die im Weg standen. Ich schrie doch keiner beachtete mich. Sie umkreisten sich weiter und jetzt kam Jake in meine Nähe. Ich zitterte, als er auf Rose fixiert war, mit seinem Wolfsschwanz jedoch meine Hüfte berührte. Jetzt griff Rose an. Ich wusste nicht, ob dieser Kampf ausgeglichen war, denn ich hatte weder Rosalie noch Embry irgendwann kämpfen sehen. Dieser stürzte sich auf sie und versuchte, nach ihrer Kehle zu beißen. Jake versuchte ihm zu helfen und versuchte, nach Rose Beinen zu schnappen, sodass sie stürzen würde. Doch es gelang ihnen nicht. Ich hielt die ganze Zeit die Luft an, während die drei in der Küche kämpften und kein Ende in Sicht war. Rose schrie, als Jake ihr einen Finger abbiss und ausspukte. „ Nein!“, schrie ich doch wieder schien ich gegen eine Wand zu sprechen. Ich wollte nicht, dass die Wölfe sie töteten. Das würde meine Vampirfamilie nicht verkraften, denn sie liebten sie immer noch. Außerdem wäre dann der Vertrag, der zwischen dem Rudel und der Cullens besteht, endgültig gebrochen und ein neuer Krieg würde entstehen. Und ich wusste nicht, auf welcher Seite ich dann bei diesem Kampf stehen würde.

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Jaulen und Schreie ließen das Haus erzittern. Rosalie war anzusehen, dass sie Angst hatte, doch sie wollte den Kampf noch nicht aufgeben. Zwei gegen Einen. In diesem Augenblick trat sie Embry in den Bauch sodass dieser bis ins Wohnzimmer flog. Ich keuchte und beobachtete, wie sich Jake auf Rose stürzte und mit ihr aus der Küche hinaus in den Flur flog. Endlich erwachte ich aus meiner Starre und rannte los und lief die Treppe hinauf, wobei ich immer zwei Treppen auf einmal nahm. Ich rannte in mein Zimmer und schnappte mir meinen Zauberstab von Nachttisch. Bevor ich wieder runterrannte fiel mir etwas ein. Schnell richtete ich meinen Zauberstab auf die Tür von Alans Schlafzimmer und murmelte ein paar Sprüche. Das sollte dafür sorgen, dass er von dem Kampf unten nichts mitbekam. Ich horchte auf und mein Herz rutschte mir in die Hose. Von unten dröhnten überhaupt keine Kampfgeräusche mehr nach oben. Ich stolperte zur Treppe. In diesen zwei Sekunden, die ich brauchte, um sie runterzurennen, malte ich mir die schlimmsten Sachen aus. Jake, blutüberströmt und keuchend auf dem Fußboden. Embry, tot, was meiner Claudia das Herz brechen würde. Und Rosalie, zerrissen und verbrannt. Doch als ich unten ankam, bot sich mir ein ganz anderes Bild. Rosalie war verschwunden. Embry und Jake standen zitternd im Raum und schienen sich per Gedanken zu verständigen. Als sie mich sahen, wich Jake ein paar Schritte vor mir zurück und mein Herz bekam dadurch einen weiteren Riss. Embry hingegen machte ein paar Schritte auf mich zu und ich fragte ihn: „ Ist sie abgehauen?“. Embry nickte und ich atmete erleichtert auf. Da wandten die Wölfe mir auch schon den Rücken zu und wollten gehen. „ Wartet!“, rief ich, doch da hatten sie das Haus schon verlassen. Ich rannte auf die Veranda und starrte in die Nacht hinaus. Ich sah gerade noch den rostbraunen Wolf, wie er sich zu mir umdrehte und den Kopf hängen ließ. „ Danke, Jacob!“, sagte ich leise, sicher, dass er mich mit seinen Wolfsohren hören konnte. Ich ging hinein und sah mich um. Hier herrschte das reinste Chaos. Ich war immer noch auf 180 und mein Puls spielte verrückt, also würde mir eine kleine

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Ablenkung gut tun. Ich hob meinen Zauberstab und brachte schnell das Dilemma mit der Tür in Ordnung. Wie durch Geisterhand schwebte sie eine Sekunde lang in der Luft, setzte sich wieder zusammen und glitt zurück in die Türangeln. Dann machte ich mich an die Küche, wo es am schlimmsten aussah. Ich reparierte schnell die Stühle und den Tisch. Zum Glück merkte ich noch, dass die Herdplatte noch an war und die Milch natürlich schon übergelaufen war. Einen Hausbrand konnte ich im Moment wirklich nicht gebrauchen. Ich schleppte mich hoch in mein Zimmer und ließ mich auf mein Bett fallen. Das war wirklich knapp gewesen. Ich war mir sicher, dass ein Teil des Rudels immer noch mein Haus beobachtete, falls Rosalie doch nochmal auftauchen sollte. Doch das bezweifelte ich. Ich glaubte nicht, dass sie sich hier noch einmal blicken ließ, da sie jetzt wusste, dass man auf mich aufpasste. Dass Jake auf mich aufpasste. Mir blieb mal wieder die Luft weg, als ich an ihn dachte. Ich war ihm so dankbar für das, was er eben getan hatte. Ich konnte schon gar nicht mehr zählen, wie oft er mir mittlerweile das Leben gerettet hatte. Und was machte ich? Betrog ihn mit seinem Todfeind, einem Vampir. Ich rollte mich zusammen und schlang meine Decke um mich. Ich sehnte mich danach, dass Jake wieder meinen Heizkörper spielte. Ich spürte so eine Sehnsucht nach ihm, dass ich dachte, es sei bestimmt gefährlich für meine Gesundheit. Unter Tränen schlief ich endlich ein. Am nächsten Tag schleppte ich mich in die Schule, obwohl ich wusste, was mich Grausames erwarten würde. Das Topthema dieses Morgens war natürlich das plötzliche Verschwinden der Cullens. Da alle wussten, dass ich eng mit ihnen befreundet war, fragten sie mich immer dasselbe: „ Michelle, wo sind sie denn hin? Ist was passiert? Kommen sie wieder?“. Ich antwortete jedem Einzelnen immer dasselbe: „ Sie sind weggezogen, weil Dr. Cullen ein besseres Jobangebot bekommen hat. Sie kommen nicht mehr zurück“. Und jedes Mal spürte ich ein Stich ins Herz. Ich setzte mich in der Mittagspause zu Toby, Brian, David und Joana. Wir unterhielten uns über dies und jenes und sie vermieden es, die Cullens anzusprechen, weil sie wussten, dass ich ihretwegen litt. Ich drehte mich immer wieder zu dem leeren Tisch um, an dem ich früher immer mit ihnen gegessen

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hatte, als Joana mich antippte. „ Hey, Michelle, hast du Lust und Zeit, heute mit mir shoppen zu gehen? Ich bräuchte ein paar neue Oberteile und du hast mir doch letztens erzählt, dass du dir eine neue Jake kaufen möchtest!“ Ich überlegte kurz und sah dann ein, dass ich wirklich eine neue Jacke brauchte und ich mir eh vorgenommen hatte, mehr mit Joana zu unternehmen. Außerdem lenkte mich das von Jake ab. „ Klar gerne. Wollen wir direkt nach der Schule los?“. „ Ja klar“. Ich sah, wie sehr sich Joana über meine Zusage freute und so hob sich meine eigene Stimmung auch etwas. Am Ende des Schultages, als die Klingel läutete, holte ich mein Handy aus dem Rucksack und rief schnell meinen Vater an. Als er hörte, was ich heute vorhatte, freute er sich und sagte fröhlich: „Mach dir einen schönen Tag, Schatz. Lass dir Zeit, du brauchst nicht früh daheim zu sein.“ Wir fuhren mit Joanas Wagen in die Innenstadt. An einem angesagten Klamottenladen hielten wir an. Ich hatte wirklich Spaß mit Joana und wir probierten die unmöglichsten Klamotten an und machten dann Faxen vor dem Spiegel. Irgendwann fand Joana dann auch etwas für sich. Das gelbe Oberteil mit dem weiten Ausschnitt stand ihr super, doch ich sagte: „ Macht es David nichts aus, dass du so freizügig rumläufst? Wenn ich einen Bruder hätte, würde er mich bestimmt so nicht aus dem Haus lassen.“ Joana lachte. „ Nö, dem macht das nichts aus. Solange ich mich nicht jedem Typen an den Hals schmeiße, ist er mit meinen gewagten Outfits einverstanden.“ Ich hatte mir früher auch immer einen Bruder gewünscht. Am besten einen älteren, der mich dann immer durch die Gegend fahren konnte und mit dem ich in jeden Club reinkam. Aber auch ein Bruder, der auf mich aufpasste und mich beschützte, wenn es nötig war. Nachdem auch ich eine modische, braune Lederjacke gefunden hatte, die mir gut stand, gingen wir an die Kasse und zahlten. Wir stiegen ins Auto und fuhren wieder los. Wir plauderten, während im Radio ein Popsong lief. Wir lästerten gerade über unseren langweiligen Mathelehrer, als Joana plötzlich aufschrie. Sie starrte auf die Straße und legte eine Vollbremsung in. Zum Glück war ich angeschnallt, sonst wäre ich durch die Windschutzscheibe geflogen. Nachdem wir zum Stehen kamen und sich mein Puls wieder einigermaßen beruhigt hatte,

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fragte ich sie aufgelöst: „ Was ist denn los?“ Joana antwortete nicht und da sah ich, was sie so außer Fassung gebracht hatte. Am Straßenrand stand ein großer, dunkelhaariger Junge mit nacktem Oberkörper. Er trug über seiner rostbraunen Haut nur eine kurze Jeans und seine Muskeln waren angespannt. Jacob! Ich schnappte nach Luft und schlug mir die Hand vor den Mund, als Jake zu uns rübersah und sich dann langsam dem Auto näherte. Joana wurde panisch und fing plötzlich an, das Handschubfach zu durchwühlen. „ W-was machst du da?“, fragte ich sie verwirrt. „ Was wohl? Irgendetwas suchen, womit wir uns gegen diesen Kerl wehren können. Mist, hier muss doch irgendwo ein Pfefferspray rumliegen!“ Jetzt musste ich trotz der bizarren Situation kichern. „ Joana, das ist Jacob“ Jetzt schaute sie mich verdutzt an und starrte dann zu dem Jungen hinüber, der jetzt fast das Auto erreicht hatte. „ Was? Etwa DER Jacob? Ist das dein Ernst?“ Ich nickte. Ich hatte Joana von Jake erzählt, sie ihm aber noch nie vorgestellt. Sie wusste, dass ich Streit mit ihm hatte, doch sie hatte nicht weiter nachgefragt, weil sie merkte, wie sehr mich das quälte. Jetzt war Jacob angekommen und stand vor dem Autofenster an meiner Seite. Ich kurbelte die Fensterscheibe herunter, wobei Joana leise dagegen protestierte. Doch das war mir egal. „ Jake! Was machst du hier?“ Ich sah in sein wunderschönes Gesicht und meine Beine wurden sofort wieder zu Butter. Er schaute mich mit einem Blick an, den ich nicht ganz definieren konnte. „ Ich hab dich gesucht. Können wir reden?“ Ich war überrascht und drehte mich zu Joana um. „ Macht es dir was aus, wenn ich gehe? Wir sehen uns ja morgen in der Schule.“ Sie war sich nicht so ganz sicher doch sie nickte schließlich. „ Pass auf dich auf“, sagte sie und ich stieg aus. Als sie wegfuhr, drehte ich mich zu Jake um. Doch dieser war schon losgestampft und ich musste mich beeilen, um ihm hinterher zu kommen. „ Hey, warte auf mich!“, rief ich und daraufhin verlangsamte er seinen Schritt. Als ich endlich neben ihm lief, sagte er immer noch nichts und so machte ich den Anfang. „ Vielen Dank für gestern Abend, Jacob. Ohne dich und Embry wäre das böse ausgegangen“ „ Gern geschehen. Ich hab schon lange eine Möglichkeit gesucht, um mich mit ihr anlegen zu können. Danke, dass du mir diese

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Möglichkeit eingeräumt hast!“ Autsch, das tat weh. Als ob ich die Sache mit Emmett nicht schon bereuen würde. Als ich nichts erwiderte und Jake meinen traurigen Blick sah, blieb er stehen. „ Es tut mir Leid, Michelle. So war das nicht gemeint.“ „ Wieso? Du hast doch Recht!“ Wir standen jetzt auf einem schmalen Wanderweg, der in den Wald führte. Ich verschränkte die Arme und traute mich wieder nicht, Jake anzusehen. Zu groß war die Scham. Da spürte ich plötzlich, wie er seine Hand auf meine Schulter legte und mich zu ihm umdrehte. Mein Blick war immer noch gesenkt und so hob er mein Kinn an, damit ich ihm anschaute. Meine Augen füllten sich mit Tränen. Jacob war mir ganz nah und sagte leise: „ Michelle, ich verzeihe dir. Lass es uns vergessen und hinter uns lassen.“ Dann versuchte er mich zu küssen. Ich schreckte zurück und machte ein paar Schritte rückwärts. Ich schaute Jake entgeistert an, der nur verdattert dastand. „ Was sagst du da? Das ist doch nicht etwa dein Ernst?“ „ Warum den nicht?“, fragte er. Tat er das mit Absicht? „ Warum? Weil ich der absolut abscheulichste, hinterhältigste und verlogendste Mensch auf diesem Planten bin. Ich selbst kann mir ja schon nicht verzeihen wie sollst du es dann können?“ Und da ließ Jacob endlich seine Fassade fallen. Ich erschrak, als sich sein Körper versteifte, er den Kopf hängen ließ und plötzlich anfing, leise zu schluchzen. Sein Schluchzen wurde immer lauter und ich wusste einfach nicht, wie ich reagieren sollte. Ich hatte Jake erst zwei mal weinen sehen. Einmal, als ich aufgelöst in meinem Wagen gestiegen bin und ihn ein Monster genannt hatte, nachdem ich herausgefunden hatte, was er war. Und dann das zweite Mal, als ich auf der Lichtung beinahe gestorben wäre. Ich machte wieder ein paar Schritte auf Jake zu und da hob er endlich den Kopf. Ich sah in seine verweinten Augen und seufzte gequält. Dann fing er an, zu sprechen, wobei seine Stimme ganz brüchig klang. „ Michelle, hör auf so etwas zu behaupten. Es bringt mich um, wenn ich nicht bei dir sein kann. Natürlich hast du mir damit wehgetan, dass du Emmett geküsst hast, doch ich kann dir wirklich verzeihen. Du warst einen Augenblick lang einfach nur schwach. Ich wurde auf dich geprägt aber du nicht auf mich,

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das heißt, dass du auch noch andere attraktiv finden kannst. Bitte, ich flehe dich an: Komm zu mir zurück!“ Ich war sprachlos und wusste nicht, was ich sagen sollte. Passierte das hier gerade wirklich? Konnte und wollte Jake mir wirklich verzeihen? Ich hatte die Hoffnung schon aufgegeben, dass wir wieder zueinander finden würden, doch jetzt gab es wieder Hoffnung. Aber konnte ich damit leben? Ich hatte einen schlimmen Fehler begangen und den Jungen, den ich liebte, damit verletzt. Doch das würde ich sicher nie mehr tun. Ich ging auf Jake zu, legte meine Hand an seine Wange und sah, dass er die Augen schloss. Nun rollten mir die ersten Tränen über die Wange und ich flüsterte leise: „ Es tut mir so Leid, Jacob. Ich kann es nicht in Worte fassen, wie leid. Ich bin nicht gut für dich und ich weiß, dass du wie ein Lottogewinn für mich bist. Vor allem nach meiner Aktion bin ich deiner nicht würdig. Der Abstand zwischen uns ist wieder größer geworden“ Jacob wollte widersprechen doch ich legte meinen Zeigefinger auf seine Lippen und sprach weiter : „ Aber ich verspreche dir, dass ich dir niemals mehr wehtun werde. Ich werde jetzt mit diesem Fehler leben müssen, bis ich sterbe. Und ich werde es immer bereuen und es wird immer ein dunkler Fleck in meinen Erinnerungen bleiben. Doch auch ich will dich zurück. Auch mich bringt es um, wenn ich nicht bei dir sein kann“ Jetzt nahm ich den Finger von seinen Lippen und Jake fing sofort an, zu reden. „ Lass uns nie wieder streiten. Ich will die Vergangenheit hinter uns lassen und mit dir zusammen die Zukunft erleben. Ich liebe dich.“ „ Ich liebe dich auch“, antwortete ich. Da beugte sich Jake zu mir herunter und kurz, bevor sich unsere Lippen berührten, flüsterte ich: „ Koo cloak lay“ Der Kuss war einfach atemberaubend. Es kam mir wie eine halbe Ewigkeit vor, dass ich seine Lippen nicht mehr auf meinen gespürt hatte. Ich schloss die Augen und genoss es. Ich atmete seinen Duft ein und griff in sein Haar. Seine Arme umschlossen mich und mir wurde warm. Da war er wieder : mein Heizkörper! Nachdem wir viele Minuten lang so dastanden, lösten wir uns atemlos voneinander und lächelten uns an. „ Komm mit, ich will dir was zeigen!“, sagte

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er verschmitzt und ich freute mich, endlich wieder sein Lächeln zu sehen, was ich so liebte. „ Kletter auf meinen Rücken. So geht es schneller“, sagte er. „ Was? Jake, ich bin viel zu schwer für dich!“ Er verdrehte die Augen und hob mich eigenhändig auf seinen Rücken. Ich klammerte mich an ihn, als er anfing, mit vollem Tempo loszulaufen. Es schien ihn überhaupt nicht anzustrengen und ich hörte sein glückliches Lachen. Ich fiel mit ein. Nach etwa zehn Minuten stoppte er und zeigte auf etwas in der Nähe. Es war ein kleines Holzhaus. Vermutlich war es eine alte Jagdhütte, denn es sah ziemlich baufällig aus. „ Was ist das?“, fragte ich ihn neugierig. „ Lass dich überraschen“, sagte Jake geheimnisvoll und nahm meine Hand. Wir gingen auf die kleine Hütte zu und ich stellte fest, dass aus einem kleinen Schornstein Rauch kam. Jake öffnete die alte Tür und führte mich hinein. Staunend sah ich mich um. Von außen sah das Haus wirklich schlimm aus doch von innen war es wunderbar gemütlich. Ich sah ein paar Sessel und einen kleinen Tisch, auf dem eine Vase mit Blumen stand. Auf dem Parkettboden lag ein riesiger, weich aussehender Teppich. Er war weiß und sah aus, als wäre er aus Tierfell oder so etwas. Auf jeden Fall sehr gemütlich. Ein kleines Feuer prasselte im Steinkamin. Ich drehte mich zu Jake um und strahlte ihn an. „ Also? Was ist das hier?“ „ Lange, bevor du wieder nach Atlanta gezogen bist, haben wir doch mit den Cullens gegen eine Vampirarmee gekämpft. Wir mussten mehrere Tage lang Wache halten und uns bereit halte. Diese Hütte haben wir gefunden und es zum Nachtquartier für das Rudel gemacht, damit wir schnell zur Stelle sein konnten, wenn was passiert!“ „ Äußerst praktisch!“, sagte ich. Ich zog mir die Schuhe aus und stellte mich an den warmen Kamin. Da fiel mir etwas ein und ich fragte Jake verdutzt: „ Wieso hast du eigentlich ein Feuer angemacht? Warst du dir so sicher, dass ich mit dir hierherkommen würde?“ Er zuckte die Achseln. „ Das hatte ich zumindest gehofft“ Er kam zu mir herüber und schlang seine Arme um mich. „ Ich bin froh, dass ich dich wieder bei mir habe“, sagte er und küsste mir darauf den Nacken. Sofort reagierte mein Körper auf ihn und meine Armhärchen stellten sich auf. Nach dieser Zeit der Trennung und der Reue sehnte ich mich so sehr nach ihm,

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sodass ich mich blitzschnell zu ihm umdrehte. Ich legte meine Lippen verlangend auf seine und er willigte dankbar ein. Er hielt mein Gesicht in beiden Händen und ein Glücksgefühl durchströmte mich. Endlich hatte ich ihn wieder und ich würde ihn mir durch nichts und niemanden mehr wegnehmen lassen. Jake löste sich von mir und strich mit seinen Fingern über meine Wange. Dann fingen seine Augen an zu glänzen und er knöpfte langsam meine Bluse auf. Ich ließ es zu und drückte mich an seine Brust. Meine Bluse glitt von meinen Schultern und fiel zu Boden. Jacob küsste mich wieder ,wobei seine Hände auf Tuchfühlung gingen. Ich zitterte und bekam am ganzen Körper Gänsehaut, als seine Fingerspitzen meine Haut liebkosten. Langsam wanderte er mit seinen Berührungen weiter hinauf, bis er an meinem fliederfarbenen BH ankam. Er legte seine starken Arme um mich und öffnete ihn mit einer schnellen Bewegung, sodass auch dieser zu Boden fiel. Ich seufzte sehnsuchtsvoll und stürzte mich wieder auf seine Lippen. Er krallte sich in meinem Haar fest, aber so, dass es nicht wehtat. Wir standen immer noch vor dem Kamin und nun begann ich, an Jakes Hose rumzuspielen. Mist, ich bekam sie einfach nicht auf, weil ich immer noch dabei war, Jake zu küssen und deswegen nicht hinsehen konnte. Ich hörte sein entzücktes Lachen und er flüsterte amüsiert: „ Kann ich dir irgendwie helfen?“ Ich wurde rot und das schien ihm Antwort genug zu sein. Er half mir jetzt, seine Hose aufzubekommen und schlüpfte schnell aus seinen Schuhen. Als ich ihn in seinen engen Shorts dort stehen sah, seufzte ich auf und er grinste daraufhin. Jake führte mich zu dem weichen Riesenteppich und zog mich hinunter. Ich fiel lachend auf ihn und wir küssten uns wieder. Seine Hände lagen auf meinem Po und dann fing er behutsam an, mir die Hotpants hinunterzuziehen. Ich half ihm dabei und jetzt lag ich komplett nackt auf ihm. Das flackende Licht des Feuers tanzte auf unserer Haut und ich war glücklicher denn je. Jacob drehte mich mit einem Ruck um, sodass er nun auf mir lag. Mir schwindelte leicht von der schnellen Bewegung, doch Jakes Lippen konnte ich

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trotzdem ohne Probleme finden. Als er neckisch an meinem Ohrläppchen knabberte und mit seinen warmen Händen meine Schenkel zärtlich öffnete, legte ich meine Fingeran die Brust und sah ihn an. „ Wollen wir es wirklich hier und jetzt tun?“ „ Mhm, musst du etwa heim?“ Ich überlegte kurz, was mir schwerfiel weil Jake in diesem Moment mit seinen Fingern über die Innenseite meiner Oberschenkel strich, und antwortete dann: „Genau genommen hat mein Dad gesagt, ich bräuchte nicht früh daheim zu sein.“ „ Na also“, sagte Jake verschmitzt und machte da weiter, wo er aufgehört hatte. Und dann verbrachten wir unsere zweite Nacht miteinander und sie war tatsächlich noch schöner als die erste. Happy End? Zwei Jahre! Vor genau zwei Jahren war ich nach Atlanta gekommen und ich bereute nicht eine Sekunde lang diese Entscheidung. Ich war mittlerweile süße achtzehn und Jacob neunzehn. Daheim lief alles wie geschmiert und meinem Vater ging es auch gut. Er wurde im letzten Jahr befördert und so konnten wir uns es leisten, mein Zimmer neu zu renovieren. Und genau in diesem renovierten Zimmer saßen Claudia und ich im Moment in der Sitzecke, die ich mir eingerichtet hatte. Claudias goldene Locken gingen ihr jetzt schon bis zur Hüfte. Sooft hatte ich schon versucht, sie dazu zu bringen, ihre Haare etwas schneiden zu lassen, doch sie stellte sich quer. Ich hatte den ganz starken Verdacht, dass daran Embry schuld war, mit seinem „Sie sieht aus wie ein Engel“-Gerede. Es war gerade Hochsommer und wir Mädels waren froh, einmal einfach nur im kühlen Haus zu sitzen und ein erfrischendes Glas Limonade zu trinken. Später würden Jake und Embry uns abholen, um mit uns ins Freibad zu gehen. Ich lächelte, als ich daran dachte. Wir unternahmen in letzter Zeit oft etwas zu viert und diese Päärchenabende waren immer ein Riesenspaß.

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Claudia riss mich aus meinen Gedanken, in dem sie mich fragte: „ Haben sich die Cullens mal wieder gemeldet?“. Ich nickte und erzählte ihr: „ Ja, ihnen geht es hervorragend. Nessy verdreht den Lehrern nur so den Kopf.“ Claudi lachte und ich schaute auf das Bild, was auf meinem Schreibtisch stand. Bella hatte es mir geschickt und darauf konnte man die kleine Nessy sehen, wie sie stolz in die Kamera schaut. Nessy war jetzt vier Jahre alt, doch ihr Körper war der eines zwölf-jährigen Mädchens. Eines sehr hübschen zwölf-jährigen Mädchens. Ich konnte mir bildlich vorstellen, wie die Jungs aus ihrer Klasse hinter ihr herliefen und wie sie die Lehrer mit ihrem enormen Wissen beeindruckte. Ich kicherte leise. Mit ihrer Intelligenz könnte sie jetzt schon jeden Lehrer ersetzen. Ich hatte die Cullens nicht mehr gesehen, seit sie weggezogen waren, doch wir pflegten immer noch ein gutes Verhältnis. Nessy rief mich so gut wie jeden Tag an, um mir alles über ihr neues Leben als Schülerin zu erzählen und wir schwelgten dann immer in alten Erinnerungen. Mit Bella und Alice quatschte ich immer am längsten, sodass unsere Telefonrechnung ins Unermessliche stieg. Die Vampirfamilie war in eine kleine verregnete Stadt namens Forks gezogen. Sie waren dort glücklich und auch Carlisle war begeistert von seiner Arbeit dort. Außerdem erzählte Jasper, dass es dort unglaublich vielfältige Jagdmöglichkeiten gab und das hatte mich zum Lachen gebracht. Wenn ich wollte, könnte ich sie jederzeit besuchen. Mit meinen Apparier-Fähigkeiten wäre das kein Problem gewesen. Doch als ich mit den Cullens darüber gesprochen hatte, kamen wir zu dem Entschluss, dass das wohl nicht so gut wäre. Emmett war wieder bei ihnen eingezogen und lebte mit ihnen. Zwar schien er das Schlimmste verdaut zu haben, doch dass wir uns wiedersahen war einfach ein zu hohes Risiko. Ich vermisste Emmett als meinen Kumpel, mit dem man Pferde stehlen konnte. Doch solange sich seine Gefühle für mich nicht änderten, konnte ich ihn nicht sehen. Manchmal war ich traurig darüber und vermisste meine Vampirfreunde, doch das war nun mal das Opfer dafür, dass

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ich mit Jake zusammen sein konnte. Außerdem hatte Alice mir gesagt, dass wir uns wiedersehen würden und daran hielt ich fest. Ich hatte absolut keine Ahnung, wo Rosalie steckte, ich hoffte nur, dass sie dort blieb. Ich nippte wieder an meiner Limonade und sagte zu Claudi: „ Gibt es was Neues bei deinen Eltern? Hat dein gutes Zeugnis sie nicht umgestimmt?“ Sie schüttelte den Kopf. Claudia hatte die Zaubereischule Hogwarts mit Bestnoten abgeschlossen und sie hatte sich für die Menschenwelt und damit für Embry entschieden. Es ging ihr eine Zeit lang sehr schlecht deswegen und ich konnte sie nur zu gut verstehen. Der wunderbaren Zauberwelt den Rücken zu kehren und als ganz normaler Mensch zu leben, war auch mir schwergefallen. Doch Embry kümmerte sich ausgezeichnet um sie und so waren die düsteren Gedanken bald wie weggewischt gewesen. „ Nein, sie sind immer noch nicht begeistert von der Idee, dass ich vorübergehend bei Embry einziehe. Sie kommen mit meiner Entscheidung nicht klar, aber ich werde mich durchsetzen. Ich kann nun mal nicht für immer Daddys kleiner Liebling bleiben.“ Ich erinnerte mich an das erste Treffen zwischen Embry und Claudias Eltern, bei dem ich dabei war. Sowohl Embry als auch Claudi hatten darauf bestanden, dass ich mitkam, falls etwas schief gehen sollte. Ich sah Embry vor mir, wie er vermutlich das alle erste Mal richtig schick angezogen war und sich sogar die Haare gekämmt hatte. Claudias Schwester hatte Embry sofort ins Herz geschlossen und ihm schöne Augen gemacht. Doch ihre Eltern waren gar nicht begeistert gewesen. Claudias Vater hatte ihn so streng angeguckt, dass sogar der selbstsichere und lockere Embry schlucken musste und kleiner wurde. Ich hatte mir das Lachen verkneifen müssen, weil er sich von einer Zaubererfamilie so einschüchtern ließ. Nach einem Nachmittag mit Embry waren ihre Eltern schon eher von ihm überzeugt, doch dass er Claudia die ganze Zeit über besitzergreifend ansah, heimste ihm bei ihnen ein paar Minuspunkte ein. „ Hey, Michelle. Wolltest du mir nicht deinen neuen Bikini zeigen?“, fragte mich Claudia in diesem Moment. „ Ach stimmt ja, warte eine Sekunde“, antwortete

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ich und verschwand schnell im Bad. Ich zog mich rasch um und kam dann wieder ins Zimmer. Claudias Augen wurden ganz groß, als ich mich ihr in meinem neuen dunkelblauen Bikini präsentierte. Ich stellte mich vor meinen Spiegel und betrachtete mich stolz. „ Wow!Der steht dir absolut super!“, rief Claudia. Ich fand auch, dass ich darin eine gute Figur machte und hoffte, dass Jacob das genauso sehen würde. Der Bikini war zwar etwas teurer gewesen doch ab und zu musste man sich mal etwas gönnen. Nachdem ich die High-School mit guten Noten abgeschlossen hatte, bekam ich einen Job in einer Bibliothek. Ich wusste immer noch nicht genau, was ich später mal werden wollte und so kam dieser „Übergangsjob“ wie gerufen. Ich verdiente gutes Geld und die Arbeit machte mir Spaß. Es klingelte an der Tür und Claudia sauste schneller als ein Wirbelwind an mir vorbei. Ich lachte und zog mir schnell ein hellblaues Strandkleid, passend zu meinem neuen Badeoutfit, über. Ich hörte, wie unten die Tür aufgerissen wurde und ging die Treppe hinunter. Allerdings deutlich langsamer als Claudia. Ich sah, wie Embry im Flur stand und sie eng umschlungen im Arm hielt und sie stürmisch küsste. Ich legte den Kopf schief und wartete, dass er aufhören würde und vielleicht mal auf die Idee käme, mich auch zu begrüßen. Doch er machte nicht die geringsten Anstalten aufzuhören und Claudi war ihm so wie so verfallen. Ich seufzte und schüttelte den Kopf. Dann lächelte ich Jake an, der noch auf der Türschwelle stand und mich grinsend ansah. Ich lief zu ihm und verdrehte dann die Augen, als ich hinter mir immer noch schmatzende Kussgeräusche hören konnte. Jake lachte und meinte leise: „ Gönn es ihnen. Sie sind nun mal noch in dieser Verliebt-sein-Phase, in der man nicht die Finger von dem Anderen lassen kann. Das lässt schon nach“. Ich lachte ebenfalls, er hatte wirklich recht. Embry und Claudia befanden sich wirklich noch in dieser unmöglichen Phase, in der die Welt rosarot war. Jake und ich hatten diese Phase schon längst hinter uns.

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Ich legte meine Arme um seinen Hals und legte meine Lippen auf seine. Man könnte meinen, dass Küssen für mich allmählich zu etwas Gewöhnliches und Alltägliches geworden wäre. Doch nach diesen 1 ½ Jahren, die ich jetzt mit Jake zusammen war, fühlte es sich immer noch wie das Tollste auf der Welt an. Mein Körper reagierte immer noch so wie bei unserem ersten Kuss vor langer Zeit im Wald. Mein Blut rauschte in den Ohren, während eine Gänsehaut meinen gesamten Körper überzog und meine Lippen nicht genug von Jakes bekommen konnten. Als ich mich von ihm löste, lächelten wir uns beide vertraut an. Ja, wir waren definitiv weiter als Embry und Claudia. Auf einem höheren Level. Diese eisten sich jetzt auch endlich voneinander los und Embry meinte: „ Können wir los? Das Schwimmbad ist heute bestimmt überfüllt und ich will noch einen guten Platz auf der Wiese bekommen.“ Ich holte schnell die Kühltasche, die ich gepackt hatte, aus der Küche und Claudia verstaute eine große Decke in ihrem Rucksack. Wir vier fuhren mit Jakes Wagen zum Freibad und stellten fest, dass es wirklich überfüllt war. Wir bezahlten den Eintritt und gingen rein. Sie Sonne prahlte nur so herunter und als Jake auch noch meine Hand nahm, fühlte ich mich wie in einer Sauna. Ich wollte so schnell wie irgend möglich ins Wasser, doch die Jungs mussten unbedingt noch diskutieren, wo wir unsere Decke am besten ausbreiten sollten. Nachdem wir endlich ein schattiges Plätzchen unter einer Eiche gefunden hatten, stellte ich die Kühltasche ab und schlüpfte schnell aus meinem Kleid. Jake pfiff durch die Zähne als er mich sah und das freute mich. Selbst Embry schielte zu mir herüber und bekam prompt von Claudia einen Schlag gegen den Hinterkopf zu spüren. Er lachte, küsste sie und zusammen gingen wir vier zum größten Becken. Ich wurde ganz hibbelig, als ich das kühle Wasser sah, in das ich gleich eintauchen würde. Ich wollte gerade einen eleganten und ausgezeichneten Köpper machen, als Embry sich von hinten anschlich und mich von meinen Füßen riss. Ich erschrak und fand mich in seinem Armen wieder.

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Er ging grinsend auf den Beckenrand zu und ich zappelte wie verrückt. „ Embry, lass mich sofort runter. Wenn du es wagst, mich ins Wasser zu werfen, dann…dann…“ „Dann was? Dann stotterst du mich zu Tode?“ Ich schaute ihn empört an und dann suchte mein Blick Jake. Ich rief aufgebracht: „Willst du denn gar nichts dagegen unternehmen?!“ Jake hielt sich den Bauch vor Lachen und antwortete. „ Nein, lass nur. Den Spaß gönn ich ihm“. Dann schaute er verstohlen zu Claudia. „ Oh nein! Denk erst gar nicht daran, Wolf!“ Doch ihr Protest half nichts und in der nächsten Sekunde war auch sie in den Armen eines riesenhaften Kerls gefangen. „ Bei drei!“, sagte Jake laut und dann zählten sie im Chor runter. „ Eins…zwei…Drei!“ Claudia und ich schrien, als die zwei uns in die Luft wirbelten und mir mit einem lauten Klatschen ins kühle Nass fielen. Wir tauchten auf und sahen, wie unsere Freunde am Beckenrand standen und sich vor Lachen kugelten. Ich rief empört, während ich im Wasser strampelte: „ Wisst ihr, dass ihr für euer Alter wirklich kindisch seit?!“ „ Ach ja? Dann pass mal auf!“, erwiderte Embry und sah Jake herausfordernd an. Dieser schien sofort zu verstehen und die beiden nahmen Anlauf. Und dann präsentierten sie uns wohl die grandioseste Arschbombe, die die Menschheit jemals erlebt hatte. Während sie noch unter Wasser waren, gab ich Claudia schnell ein Zeichen und sie begab sich in Position. Die Jungs tauchten auf, doch wir ließen ihnen keine Sekunde Zeit, um Luft zu holen. Wir nahmen alle Kraft zusammen und drückten ihre Köpfe wieder unter Wasser. Tatsächlich klappte es. Ich machte mir keine Sorge um ihre Gesundheit. Sie waren Werwölfe und dieser kleine Luftmangel würde ihnen schon nichts ausmachen. Als sie wieder auftauchten, begann eine richtige Wasserschlacht zwischen Hexen und Wölfen. Als wir völlig außer Puste waren und uns der Bauch vom Lachen wehtat, überredete Embry Claudia, mit zur Wasserrutsche zu kommen. Jake und mir war nicht danach und wir schwammen zum Beckenrand. „ Puh, ich bin total k.o. Du schaffst mich wirklich!“, sagte ich zu ihm. „ Na, das will ich doch hoffen“. Mit diesen Worten drehte er mich um, sodass ich mit meinem Rücken an der kalten Wand lehnte und er seine Hände links und rechts

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von mir abstützte. Es sah so aus, als gebrauchte er keinerlei Anstrengung, sich über Wasser zu halten. Es hatte den Anschein, als ob er die Beine gar nicht bewegte und einfach locker im Wasser hing. Er beugte sich zu mir herunter und küsste mich zärtlich. Meine nassen Lippen trafen auf seine warmen und es war ein ganz kribbeliges Gefühl. In meiner Bauchgegend trieben die Schmetterlinge wieder ihr Unwesen. Ich nahm sein Gesicht in beide Hände und ließ dabei unglücklicherweise den Beckenrand los. Ich rutschte ab und auch meine Lippen glitten von Jakes ab. „ Hoppla“, lächelte er verschmitzt und küsste mich auf die Stirn. „ Hallo, ihr Zwei“. Ich fuhr zusammen und auch Jake verkrampfte sich, als er die ihm bekannte Stimme hörte. Ich drehte mich blitzartig um und schaute nach oben. Dort stand Leah Clearwater mit einem schwarzen Bikini, der ihre weiblichen Kurven perfekt betonte und sich an ihre rostbraune Haut schmiegte. Ich starrte sie an. Sie war noch genauso hübsch wie früher. Da Jake nicht so aussah, als wollte er sie zurück grüßen und absichtlich in die andere Richtung sah, machte ich den Anfang. „Hallo Leah. Wie geht’s dir so?“, versuchte ich in einem freundlichen Ton zu sagen, was ich auch ganz gut hinbekam. Leah hatte sich an Sams Bestrafung gehalten und hatte sich nie mehr in einen Wolf verwandelt und hatte auch nie mehr Kontakt zu dem Rudel gesucht. Ich hatte seit gut einem Jahr kein Wort mehr mit ihr gewechselt. „ Mir geht’s gut, danke. Ich bin mit meinem Freund und seiner Clique hier.“ „ Deinem Freund?“, fragte ich verblüfft. Leah lächelte und zeigte auf einen Jungen, der sich gerade etwas aus einem Picknick-Korb nahm und sich dann auf die Wiese setzte. Er war muskulös und er hatte kurzgeschorenes, dunkles Haar. Ich hob eine Augenbraue: er sah Jake ziemlich ähnlich. Doch das konnte mir egal sein. Solange ich das Original besaß, war alles in bester Ordnung. Leah entging meine Reaktion nicht und meinte dann unsicher: „ Ähm, ok, dann machts gut ihr beiden“ Dann war sie weg.

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Ich drehte mich zu Jake um und sah, dass er die Zähne aufeinander biss und Leah wütend hinterher starrte. Ich legte meine Hand an seine Wange, was ihn veranlasste, mich wieder anzugucken. Ich fragte ihn mit besorgtem Ton: „ Bist du immer noch so unglaublich sauer auf sie?“ Jetzt schaute er verwirrt drein und sah mich an, als hätte ich nicht mehr alle Tassen im Schrank „ War das eine ernst gemeinte Frage von dir? Michelle, ich werde ihr doch niemals verzeihen, was sie dir antun wollte und wie sie uns alle hinters Licht geführt hat. In diesem Fall heilt die Zeit keine Wunden“. Ich erschrak. „ Hat sie dir etwa so wehgetan?“ Er seufzte. „ Wann kapierst du endlich, dass alles, was dich in Gefahr bringen könnte, auch mich verletzt?!“ Dann küsste er mich wieder und Leah war vergessen. Nach ein paar Minuten kamen Embry und Claudia wieder angeschwommen. „ Michelle, kommst du mit raus?“, fragte sie mich. Ich nickte und wir stiegen aus dem Becken. Als die Jungs uns nicht folgten, fragten wir sie, warum sie nicht mitkämen. Jake antwortete: „ Embry und ich müssen da noch was unter uns ausmachen. Der zehn-Meter-Turm wartet auf uns und ich bin gespannt, ob er kneift.“ „ Das glaubst auch nur du“, rief Embry empört. Claudia und ich sahen uns an und dachten genau das Gleiche: alte Angeber! Also gingen wir allein zu unserem Platz und legten uns hin, während die Sonne unsere Körper trocknete. Ich erzählte ihr von der Begegnung mit Leah und wir diskutierten darüber, warum sie so locker damit umgegangen war. Wir kamen zu dem Schluss, dass sie einfach glücklich sein musste, was wahrscheinlich an der ‚Jacob-Kopie‘ lag. Nachdem wir ein paar Minuten geplaudert hatten, gähnte ich und machte die Augen zu. Claudia schnitt ein neues Thema an. „ Glaubst du, Jacob wäre ein guter Vater?“ Ich öffnete ein Auge und sah sie verdattert an. „ Was hast du gerade gesagt? Wie kommst du denn jetzt darauf?“ „ Na, guck doch hin!“ Ich richtete mich auf und sah in die Richtung, in die Claudia zeigte. Jake war nicht mehr im Becken, sondern stand einige Meter davon entfernt vor einer Bank. Er ging in die Hocke und da sah ich, dass er mit jemandem sprach. Ich musste beide Augen zusammenkneifen, um zu erkennen, dass es ein kleiner

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Junge war. Ich schätzte ihn auf etwa fünf Jahre. Der kleine Junge weinte ganz fürchterlich und Jacob versuchte ihn zu beruhigen. Er redete auf ihn ein und lächelte ihn aufmuntert an. Die Tränen des Jungen versiegten allmählich, doch er schaute immer noch traurig . Darauf hin sagte Jake etwas zu ihm, fasste dem Jungen an der Hüfte und setzte ihn sich auf die starken Schultern. Ich setzte mich jetzt richtig auf und beobachtete die Szene genau. Der Junge sah sich jetzt um, als schien er jemanden zu suchen, den er schließlich auch fand. Er winkte jemanden und rief laut. Da kam eine etwa 40-jährige, schwarzhaarige Frau auf die beiden zugerannt und schlug sich die Hand vor den Mund. Sie unterhielt sich kurz mit Jacob und küsste ihn dann plötzlich auf beide Wangen. Die Frau streckte ihre Hand nach ihrem Sohn aus und Jake half dem Kleinen in ihre Arme. Doch der Junge wollte gar nicht mehr von ihm los und sah ihn mit großen Augen an. Jake wuschelte dem Kleinen nochmal liebevoll durchs Haar, und dann verschwand dieser mit seiner Mutter. Mir wurde ganz warm ums Herz und ich war seltsamerweise kurz davor zu weinen. Ich hatte schon immer eine Schwäche für Jungs gehabt, die sich um ihre kleine Schwester kümmerten oder die gerne den Babysitter spielten. Dass Jake ebenfalls so ein gutes Händchen mit Kindern hatte, hatte ich niemals vermutet, doch jetzt stieg ein Glücksgefühl in mir auf. Ja, Jake wäre bestimmt ein toller Daddy. „ Ok, dieser Blick reicht mir schon als Antwort“, sagte Claudia in dieser Sekunde und ich grinste sie an. Nach diesem wunderbaren Nachmittag fuhren wir Embry noch heim und ladeten Claudi gleich mit dort ab. Als mich Jacob Richtung mein Zuhause fuhr, dachte ich nach, was heute alles im Schwimmbad passiert war. Besonders über die Sache mit Leah. Sie war glücklich gewesen und das beruhigte mich. Ihre Haare waren wieder gewachsen und ich hatte gesehen, dass sie älter und reifer aussah als damals auf der Lichtung. Seit sie sich nicht mehr verwandelte, alterte sie wieder.

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„ Du, Schatz…?“, fing ich an zu reden. „ Oh, oh, was ist los?“, fragte Jake mich sofort. Er kannte mich schon so gut, dass er mich direkt durchschaute. „ Ich hasse es, das ansprechen zu müssen und ich weiß, wir haben in den letzten Monaten nicht darüber gesprochen, aber es beschäftigt mich einfach.“ „ Was denn?“, fragte er mich besorgt. Ich holte einmal tief Luft und ich antwortete: „ Es geht darum, dass du nicht älter wirst, Jake. Ich weiß, wir haben noch lange Zeit, bevor wir uns darüber Gedanken machen müssen, weil ich 18 bin und du aussiehst wie 26. Aber ich wäre einfach beruhigt, wenn wir schon mal darüber reden könnten und vielleicht ein paar Vorkehrungen treffen könnten“ Jake zog eine Augenbraue hoch und drosselte das Tempo. Dann hielt er am Straßenrand und sah mich ernst an. „ Was meinst du mit Vorkehrungen treffen?“ „ Mhm. Ich hab mir da was überlegt, was vielleicht klappen könnte. Ich hab eingesehen, dass ich nicht von dir verlangen kann, das Rudel zu verlassen, nur um mit mir zusammen zu altern. Sie sind deine Familie und seine Familie lässt man nicht im Stich. Aber vielleicht gibt es eine Möglichkeit, dass ich nicht mehr altere. Ich bräuchte vermutlich Snapes Hilfe, aber das sollte klappen. Ich könnte einen Trank mischen, der mein Altern stoppt. Es ist ein sehr schwieriger Trank und ich müsste ihn regelmäßig einnehmen, aber er ist wirksam.“ Ich sah Jakes Augen, wie sie immer größer wurden und wie seine Kinnlade hinunterfiel. „ Das würdest du wirklich tun, Michelle?“ Jetzt war ich verwirrt. „ Aber natürlich. Jake, du hast mir schon sooft das Leben gerettet, da muss ich mich doch wenigstens einmal revanchieren“ Zur Antwort legten sich seine vollen Lippen auf meine. Der Kuss war sehr lang und sehr sanft. Als mir der Kopf schwirrte, löste mich von ihm. Jake sah mich mit seinen braunen Augen zärtlich an. „ Du bist einfach die Größte. Es stimmt, im Moment kann ich es mir einfach nicht leisten, das Rudel zu verlassen, es ist noch so klein. Aber sobald es groß genug ist, tret ich aus. Aber das mit diesem Trank wäre eine super Lösung, bis es soweit ist.“ Ich nickte und wuschelte ihm durch sein rabenschwarzes Haar. „ Gut, dann wäre

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das ja geklärt!“ Daheim angekommen aßen wir etwas zusammen mit meinem Vater. Wir drei unterhielten uns über Dies und Jenes, bis ich Alan fragte, was er denn heut Abend mache. „ Ähm, Theresa und ich wollten uns zusammen einen Film ansehen.“ Ich verschluckte mich an meinem Rotkraut und sagte dann schnell: „ Schön für dich, Dad. Ist doch klasse, sag ihr einen schönen Gruß von mir.“ „ Mach ich“ Theresa war Kindergärtnerin in der Innenstadt und sie und Alan hatten sich in einem Supermarkt kennengelernt. Seitdem telefonierten sie öfters miteinander und einmal war sie hier gewesen. Ich war verblüfft gewesen, wie gut sie für ihr Alter aussah. Die langen blonden Haare glänzten immer zu und ihre Stupsnase, die von Sommersprossen umrahmt waren, machte sie zu einer süßen, aber attraktiven Frau. Sie war wirklich sehr zuvorkommend und freundlich zu mir gewesen und hatte sich überhaupt nicht aufgedrängt. Ich freute mich für meinen Vater, dass er wieder ausging. Es tat ihm gut auch mal an andere Frauen zu denken als Mom. Ich wünschte mir wirklich, dass er jemanden für sich fand. „ Verdammter Mist!“, rief ich, als ich feststellte, dass ein paar Spritzer Bratensoße auf meinem Kleid gelandet waren. Ich stand auf und sagte zu den beiden anderen: „ Ich geh schnell runter und werf das hier in die Waschmaschine.“ Dann verschwand ich in den Keller. Ich zog schnell das Kleid aus und stopfte es zur Buntwäsche. Dann sah ich mich um und sah trockene Wäsche im Wäschekorb. Die Ladung musste Alan vorhin erledigt haben. Zum Glück, ich hatte keine große Lust in meinem neuen, superknappen Bikini vor meinem Vater rumzutanzen, der den Schock seines Lebens erleiden würde. Ich suchte mir eine Jeans-Hotpants und ein gelbes Top heraus. Nachdem ich mich nochmal kurz in dem kleinen Spiegel an der Wand begutachtet hatte, ging ich die Kellertreppe wieder hinauf. Als ich die Hand an den Türknauf legte, hörte ich Stimmen aus der Küche. Ich hielt inne. Ich war immer dabei gewesen, wenn Alan sich mit Jacob unterhielt und es würde mich wirklich brennend interessieren, was sie so redeten, wenn ich nicht dabei war. Ich ignorierte das schlechte Gewissen, dass ich lauschte, und legte mein Ohr an die Tür.

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„ War es schön im Schwimmbad?“, hörte ich meinen Vater in diesem Moment fragen. „ Jap, war super“, antwortete Jakes Stimme fröhlich. „ Du, Jacob..ähm…ich würde dich gerne etwas Persönliches fragen, wenn es dir nichts ausmacht“, hörte ich die nervöse Stimme meines Vaters. Jake musste einfach nur genickt haben, denn es war wieder Alans Stimme, die ich vernahm. „ Ich weiß, es ist noch viel zu früh, darüber nachzudenken, weil ihr so jung seid. Aber ich wollte dich fragen, wie du zum Thema Heiraten stehst.“ Ich schlug mir die Hand vor den Mund, um mich nicht zu verraten. Mein Herzschlag erhöhte sich und Jake antwortete überrascht: „ Wie bitte?“ „ Versteh mich jetzt bitte nicht falsch…es ist nur…na ja“ „Jetzt spuck es schon aus“, sagte Jake neugierig. Ich presste mein Ohr noch fester an die Tür, um Alans Antwort bloß nicht zu verpassen. „ Jacob, du bist quasi jetzt schon wie ein Sohn für mich. Du passt gut auf meine Tochter auf und dank dir konnte sie die dunklen Flecken in ihrer Vergangenheit vergessen. Du hast sie wieder glücklich gemacht und ihr gezeigt, was es bedeutet, jemanden zu lieben. Ich könnte mir keinen besseren Mann als dich an ihrer Seite vorstellen. Ich möchte jetzt einfach nur von dir wissen, ob du vorhast, meine Tochter irgendwann einmal zum Altar zu führen oder ob du es vielleicht noch gar nicht weißt, ob sie die Richtige ist. Mir wäre nur wohler, wenn ich es schon wüsste“ Während mein Herz immer noch unkontrolliert raste hörte ich, wie Jacob aufstand und ein paar Schritte auf den Küchenfliesen tat. „ Heißt das etwa, dass, wenn ich hier und jetzt bei dir um Michelles Hand anhalten würde, du uns deinen Segen geben würdest?“ Ich wurde fast ohnmächtig, so eine Panik machte sich in mir breit. Jacob und ich, heiraten?! Natürlich war ich mir sicher, dass ich für den Rest meines Lebens mit ihm zusammenbleiben wollte. Er war mein absoluter Traummann und ich konnte mir nichts Schöneres vorstellen, als mit ihm in einem kleinen Häuschen als seine Ehefrau zu leben. Mit vielen kleinen Kindern um uns herum und einen Mann, der mich liebte und beschützte. Aber jetzt schon heiraten? Das wollte ich nicht. Ich musste mir doch erst mal im Klaren darüber werden, welchen

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Beruf ich überhaupt ausüben wollte. Vielleicht würde ich auf ein College gehen und dann die Karriereleiter hinaufsteigen. Mein Motto war immer gewesen: Erst mal arbeiten, gutes Geld verdienen und sich entfalten. Dann heiraten und Kinder bekommen. Das war immer die Reihenfolge, die ich bevorzugte und nicht umgekehrt. Ich war noch nicht bereit, als Braut vor den Altar zu treten. In diesem Augenblick antwortete mein Vater langsam: „ Ja, das würde ich tun. Sowas wie euch Zwei hab ich in meinem ganzen Leben nicht gesehen. Wie ihr euch anschaut und miteinander umgeht. Als wärt ihr nur füreinander geschaffen und ein unsichtbares Band würde euch zusammen halten. Ich weiß, das klingt total bescheuert aber so denke ich nun mal. Noch nicht einmal in den ganzen Kitsch filmen habe ich ein Paar wie euch gesehen. Ihr seid wie Romeo und Julia. Nur mit Happy End“ Ich wartete gespannt und mit weichen Knien. Mein Dad hatte es genau auf den Punkt gebracht, Jake und ich waren füreinander geschaffen. Doch wie stand Jake zu dem ganzen Thema Heiraten? „ Also?“, fragte Alan. Die nächsten Sekunden der Stille waren die längsten, die ich jemals ausgestanden hatte. Was würde Jacob meinem Vater antworten? Traum vs. Realität Es vergingen nur ein paar Sekunden, bevor Jacob antwortete, doch es kam mir wie Stunden vor. „Mhm. Ich bin wirklich froh, dass du so über mich denkst, Alan. Dann können wir dieses ganze „der Junge ist nicht gut genug für meine Tochter“-Theater ja überspringen. Um deine Frage zu beantworten: Ja, ich will deine Tochter zu meiner Frau machen.“ Ich fiel vor Schreck fast die Kellertreppe rückwärts hinunter und konnte mich

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gerade noch am Geländer festhalten. Doch bevor ich völlig in Panik geriet, legte ich mein Ohr wieder an die Tür, und hörte, wie Jake weiterredete. „ Aber das hat noch lange Zeit und ich werde ihr den Antrag erst in ferner Zukunft machen. Wenn es nach mir ginge, würde ich Michelle ins Auto setzen und mit ihr auf der Stelle nach Las Vegas fahren, um sie zu heiraten. Doch ich merke, dass sie noch nicht bereit ist, diesen Schritt zu tun. Sie ist noch so jung und will sich die Welt ansehen. Ich glaube, wenn ich sie jetzt fragen würde, ob sie meine Frau werden will, dann würde sie Ja sagen, es aber nicht hundertprozentig so meinen. Sie ist so selbstlos, dass sie sich sogar in eine völlig übereilte Ehe mit mir stürzen würde, nur um mich nicht zu verletzten. Aber sie ist definitiv die Richtige, Alan, das kann ich dir garantieren.“ Mir fiel ein Stein vom Herzen und ich beruhigte mich. Ich war froh, dass Jacob mich so gut einschätzen konnte und merkte, dass es mir noch zu früh war, um Michelle Black zu werden. Es setzte eine kurze Pause ein und dann sprach wieder mein Vater: „ Das ist eine vernünftige Einstellung. Ich bin mir sicher, dass Michelle glücklich mit dir ist und du gut für sie sorgst. Versprichst du mir, dass du immer gut auf mein kleines Mädchen aufpasst?“ Seine Stimme klang seltsamerweise etwas brüchig und ich fragte mich, ob er kurz davor war, zu weinen. „ Das verspreche ich hoch und heilig. Ich werde alles tun, damit ihr nie und nimmer etwas passiert“ Ich hörte, wie Alan seufzte und seine Stimme klang schon viel fröhlicher, als er sagte: „ Ok, dann habt ihr meinen Segen. Aber unter einer Bedingung: Heiratet bitte nicht in Vegas. 2/3 der Ehen, die dort geschlossen werden, scheitern nämlich wieder nach kürzester Zeit“ Die zwei lachten und gingen wieder zur Tagesordnung über. Ich schätze die Situation als ungefährlich ein und so betrat ich wieder die Küche. „ Danke, Dad, dass du die Wäsche für mich übernommen hast“, sagte ich und versuchte mir dabei nichts anmerken zu lassen. Jacob half mir beim Abwasch, während ich Dads Blicke im Rücken spürte. Bestimmt stellte er sich mich gerade in einem weißen Kleid mit einem gigantischen Brautstrauß in der Hand vor. Nachdem wir fertig waren, fragte

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Alan: „Michelle, könntest du mir einen Gefallen tun und nochmal mit Cäsar rausgehen? Er muss mal wieder frische Luft schnappen“ Ich schaute Jake fragend an und sofort antwortete er auf meine stumme Frage: „ Jap, ich komm mit“ Cäsar war mittlerweile zu einem prächtigen Rüden herangewachsen. Ich hatte es geschafft, ihn auf Diät zu setzen, sodass er nicht mehr so kugelrund wie früher war. Sein goldenes, langes Fell wurde von Alan und von mir einmal die Woche gründlich gepflegt. Ich war eine gute Hundebesitzerin und darauf war ich stolz. Als Cäsar sah, dass ich seine Hundeleine in die Hand nahm, spielte er völlig verrückt und sprang durch die Gegend. Plötzlich stieß er gegen die Kommode im Flur und die blaue Vase, die darauf stand, wackelte bedrohlich hin und her. Jacob reagierte sofort und obwohl er noch halb in der Küche stand, raste er auf die Kommode zu und schaffte es, die Vase, kurz bevor sie den Boden berührte, aufzufangen. Ich hielt die Luft an. Er hatte sich viel zu schnell für einen gewöhnlichen Menschen bewegt und mein Dad sah ihn irritiert an. Oh je, hoffentlich wurde das jetzt nicht zu einem Desaster. Doch Alan zuckte nur mit den Schultern und verschwand dann, vermutlich um sich für seine Verabredung fertig zu machen. Puh, Glück gehabt. Wir gingen raus und obwohl es schon Abend war, fühlte ich mich wie in einer Mikrowelle. Es war wirklich zum Verrückt werden. Entweder war es in Atlanta so kalt, dass ich als lebendiger Eiszapfen durchging oder es war so heiß, dass man ein Spiegelei auf der Motorhaube braten könnte. Und dazwischen: absolut nichts. Und das Jake seine heißen Finger in meine verschränkte, machte es wirklich nicht besser. Wir liefen eine Zeit lang durch die Straßen und Cäsar steuerte auf einen Feldweg zu, der von der bepflasterten Straße wegführte. Wir bogen also ab und als meine Knie das Gras berührten, befreite ich Cäsar von seiner Leine, sodass

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er etwas toben konnte. Ich sah in Jakes Gesicht und sah ein Grinsen. „ Was ist denn?“ „ Ach nichts, ich hab mich nur gerade gefragt, was dein Hund wohl täte, wenn ich mich jetzt in einen Wolf verwandeln würde“ Ich überlegte, das war wirklich eine gute Frage. „ Na ja, lass es lieber nicht darauf ankommen. Sonst kriegt er noch einen Herzinfarkt“ „Du, kann ich dich was fragen?“, wechselte Jake plötzlich das Thema. „ Klar, was gibt’s?“ Er holte einmal tief Luft, bevor er mir antwortete. „ Ich frage mich, ob wir deinen Vater nicht endlich in alles einweihen sollten. Ich habe dieses Versteckspiel wirklich satt. Warum können wir ihm nicht einfach sagen, dass du ab und zu wieder zauberst und ich ein Werwolf bin? Die Vampire können wir ja vorerst auslassen. Alan würde es bestimmt akzeptieren. Wir müssen es ihm sowieso irgendwann sagen, spätestens wenn wir…“ Er stoppte. „ Wenn wir was?“, fragte ich ihn mit einer leisen Vorahnung. „ Ähm, wenn wir ihm eine Antwort darauf geben müssen, warum ich nicht altere und meine Körpertemperatur die eines Heizkörpers ist.“ Ich blieb stehen und grübelte. Ich fasste einen Entschluss und nahm Jacobs Gesicht in beide Hände. „ Du hast Recht, irgendwann müssen wir es ihm sagen, aber ich glaube nicht, dass es im Moment ein guter Zeitpunkt ist. Dad ist gerade dabei, sich in Theresa zu verlieben und wenn er jetzt erfährt, dass ich wieder zaubere, dann wirft ihn das vielleicht wieder zurück und erinnert ihn an all das Schlimme, was wir schon verdauen mussten. Aber das eigentliche Problem, um was ich mir Sorgen mache, ist…“ Ich stockte und schaute auf den Boden. „ Was?“, flüsterte Jacob besorgt. „ Ich mache mir Sorgen um Dads Reaktion, wenn er erfährt, was du bist. Ich weiß, dass die Cullens dir erzählt haben, wie genau meine Mutter ums Leben kam. Ich glaube nicht, dass Alan dich weiter in unserem Haus willkommen heißen würde, wenn er wüsste, dass du demjenigen ähnlich bist, der seine Frau auf dem Gewissen hat. Und davor habe ich Angst.“

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Ich sah Jake wieder an und bemerkte, dass er sich auf die Lippe biss und sich auf seiner Stirn Sorgenfalten bildeten. „ Du hast Recht“, sagte er. „ Das wäre wirklich eine Katastrophe. Aber ich bin nicht wie dieser Fenrir Greyback oder wie er heißt. Wir sind nur von der gleichen Art, aber ich bleibe immer noch der Jacob, den dein Vater kennt. Ok, lass uns das mit der Wahrheit aufschieben, aber ewig können wir uns nicht davor drücken.“ Ich nickte und stellte mich dann auf die Zehenspitzen, um ihn zu küssen. Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus und er beugte sich zu mir herunter. Die Hitze durchströmte mich, als sich unsere Lippen fanden und ich legte meine Arme um seinen Hals. Jacob umschlang mich mir seinen Armen und zog mich näher zu ihm. Ich griff in sein kurzes Haar und gab mich ihm völlig hin. Erst als etwas an meiner Jacke zog, löste ich mich von ihm. „ Huch, Cäsar, ist ja schon gut“, sagte ich überrascht, als mich mein Hund von Jake wegriss. Dieser fing an zu kichern. „ Da ist wohl Jemand eifersüchtig“ Ich ging in die Knie und kraulte Cäsar hinter den Ohren. „ Keine Angst, du bist und bleibst meine Nummer eins“, flüsterte ich ihm in die flauschigen Ohren. „ Hey, das hab ich gehört!“, rief Jake hinter mir. Ich lachte und drehte mich wieder zu ihm um. Ich umarmte ihn und legte meinen Kopf an seine Brust. „ Du weißt, wie ich das meine. Mein Hund darf nicht mal mehr in meinem Zimmer schlafen, und dich, den Wolf, lass ich sogar in mein Bett. Du kannst dich wirklich nicht beschweren“, antwortete ich grinsend und gab ihm einen kurzen Kuss. „ Apropos ins Bett lassen“, antwortete Jake keck. „ Wo dein Vater ja heute Abend weg ist, haben wir sturmfreie Bude“ Ich schüttelte übertrieben den Kopf und seufzte. „ Du denkst doch auch wirklich nur an das Eine, oder?“ Jetzt fing er lauthals an zu lachen. „ Das stimmt gar nicht, was hast du denn für ein Bild von mir? Ich bin einfach nur verrückt nach dir“ Ok, damit konnte ich leben. Ich sah zu ihm hoch und wir beide lächelten uns an. Ich legte den Kopf schief und meinte frech:

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„Ok, dann lass uns mal Cäsar einfangen, damit wir gehen können“ -------------------------------------------------------------------- ----------------------- In der darauffolgenden Woche stand ein Englisch-Test in der Schule an und ich schleppte mich mies gelaunt hin. Ich setzte mich in den Saal, in dem der Unterricht stattfinden sollte und diskutierte schnell noch mit Joana über ein paar Themen, die drankommen würden. Jacob hatte mir für diese Arbeit einen kleinen Glücksbringer geschenkt, der nun auf der Tischplatte lag: Ein winziger kleiner Schlüsselanhänger in der Gestalt eines Wolfes. Joana sah ihn und fragte mich irritiert: „ Sind Wölfe etwa deine Lieblingstiere?“. Ich nickte. „ Jap“ „Die Zeiten ändern sich wirklich. Als wir klein waren, waren Pferde noch deine absoluten Lieblingstiere“ Wir lachten beide, bis unser Englischlehrer reinkam und uns den Test auf den Tisch klatschte. Wie erwartet setzte ich ihn völlig in den Sand. Schlecht gelaunt ging ich in die Cafeteria und stellte mich am Salatbuffet an. Da stellte sich jemand neben mich und ich sah, dass es Brian war. „ Hey, wie geht’s“, fragte ich ihn und feuerte mir eine Ladung Maissalat auf den Teller. „ Alles klar bei mir, und bei dir? Du siehst echt so aus, als würdest du gleich Amok laufen“ Ich brummte. „ Ja, könnte ich auch. Ich hab den blöden Englischtest total verhauen“ „ Mach dir nichts draus. Wenn du willst, kann ich dir ja Nachhilfe geben, ich bin ganz gut in Englisch.“ Ich sah ihn zweifelnd an. Nach all diesen Monaten hatte Brian immer noch nicht die Hoffnung aufgegeben, dass sich zwischen uns vielleicht doch noch etwas entwickeln könnte. Ich bewunderte ihn ja dafür, wie hartnäckig er war und dass er nie aufgab, doch so langsam ging es mir auf die Nerven. Ich musste ihn mit irgendjemandem verkuppeln und zwar auf der Stelle. „ Danke, aber ich werde am besten Vanessa fragen, die wohnt in meiner

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Straße. Kennst du sie? Sie sitzt bei uns in Bio, wirklich ein hübsches und nettes Mädchen. Sie hat mir gestern erzählt, dass sie dich wirklich mag“. Ich kicherte, um meine Aussage noch zu unterstreichen. „ Wirklich?“, fragte Brian mich irritiert. „ Logisch“. Natürlich hatte Vanessa kein Wort gesagt. Ich war mir noch nicht mal sicher, ob sie wusste, dass er existierte. Egal, das würde schon klappen. Tatsächlich funktionierte mein Plan und Brian schaute träumerisch in die Luft. Ich stahl mich schnell davon und setzte mich zu Joana und ihrem Bruder. Nachdem ich diesen langen und grässlichen Schultag hinter mich gebracht hatte, schlurfte ich durch die Gänge auf den Getränkeautomaten zu, den der Hausmeister letzten Monat eingeführt hatte. Ich tippte wahllos auf den Tastaturen rum. Mir war völlig egal, was ich trinken würde, Hauptsache, etwas Kaltes. Ich nahm mein Portmonnaie und musste feststellen, dass ich nur einen Schein hatte. „ Verdammter Mist. Heute läuft auch wirklich alles schief“, fluchte ich. „Kann ich dir irgendwie helfen?“ Ich drehte mich blitzartig um und sah in das Gesicht von Rachel. Wie seltsam, wir hatten seit einem Jahr nicht mehr miteinander geredet. Was wollte sie von mir? Hatte sie vielleicht endlich ihre pubertäre Phase hinter sich? „Ähm, ja, hast du vielleicht etwas Münzgeld für mich, damit ich mir was zu Trinken holen kann? Ich verdurste gleich“ „ Klar“. Sie lächelte und kramte das Geld heraus. Als die Münzen in meine offene Hand fielen, schaute ich Rachel verblüfft an. Das war wirklich sehr nett von ihr. Durch ihre Heldentat stieg sie auf meiner imaginären Treppe eine Stufe hinauf. Damit stand sie jetzt auf Stufe eins.

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Ich dankte ihr und sah zu, wie mein Trinken in die Klappe fiel. Rachel schaute mir über die Schultern und sagte grinsend: „ Mhm, Bananensaft. Klingt doch lecker“ Ich lachte mit ihr und wir schlenderten zusammen zum Parkplatz. Als ich endlich daheim war und meine Hausaufgaben erledigt hatte, langweilte ich mich. Jacob hatte mal wieder Schicht und musste den Wald im Auge behalten. Und mein Vater war mit Theresa unterwegs. Soweit ich wusste, wollten die beiden zuerst in eine Kunstaustellung gehen und dann noch in ein Restaurant. Pff, mein Vater und Kunst, da versteht ja ein Affe sogar mehr davon. Cäsar kam angetrottet und legte sein Kopf auf mein Knie. „ Jaja, ich weiß, du willst raus oder? Ok, warte ein Augenblick“ Ich wollte mal wieder joggen gehen und zog mich um. Eigentlich war es glatter Selbstmord bei dieser Hitze laufen zu gehen, doch ich wollte in Form bleiben. Wenn Jacob neben einem stand, mit seinen Muskeln und null Gramm Fett, da bekam man das Gefühl, auch etwas für den eigenen Körper tun zu müssen. Also wagte ich das Abenteuer und joggte mit Cäsar Richtung altem Haus der Cullens. Ich rannte und fühlte mich so stark, dass ich schneller wurde. Cäsar kam kaum noch mit, aber ich wollte mich unbedingt auspowern. Während ich so daherrannte, spannte ich alle Muskeln an und das tat gut. Ich nahm die Natur überhaupt nicht mehr war. Ich dachte an Jacob und an Alan, an Emily und das Rudel, was mittlerweile zu meiner Familie geworden war. Ich dachte an Claudia, Joana, Toby und all die anderen. Es war wirklich die beste Entscheidung meines Lebens gewesen, nach Atlanta zu kommen. Ich stellte mir vor, wie ich mit Jake vor dem Altar stand. Mit einer langen Schleppe und einem traumhaften Kleid. Jake neben mir in einem feinen Smoking, in dem er wie ein Prinz aussah. Aber das sah er sowieso immer.

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Mein Verstand spulte vor und ich sah uns beide auf dem Kinderspielplatz, wo Bella und ich früher im Sandkasten gespielt hatten. Nur dass es dieses Mal Jakes und meine Kinder waren, die darin spielten. Ein kleiner Junge und ein kleines süßes Mädchen, die Sandburgen bauten, während unser ältester Sohn auf dem Klettergerüst rumturnte. Jacob und ich saßen zusammen auf einer Bank und beobachteten unsere wunderbaren Kinder, wie sie ihren Spaß hatten. Wieder wanderte ich viele Jahre weiter und da sah ich die Veranda unseres Hauses nahe am Wald. Darauf saßen Jacob und ich, beide alt geworden, in unseren Schaukelstühlen. Wir lächelten uns an und ich beschwerte mich wieder darüber, wie grau mein Haar geworden war. Jacob lachte und seine Falten im Gesicht verrieten, wie viel Zeit vergangen war. Wir nahmen uns an die Hände und schauten Richtung Wald. Unser ältester Sohn, der nun schon seit Jahren ein Werwolf war und das Rudel übernommen hatte, kam zwischen den Bäumen hervor. Er sah genauso aus wie Jacob in der Blüte seines Lebens. An der Hand hielt er das wunderschöne Mädchen, auf was er sich geprägt hatte. Unser jüngstes Kind, was ebenfalls wie mein Mann aussah, war in Washington, um dort zu studieren und dann zu uns zurückzukehren. Unsere Tochter hatte das Wolfsgen ebenfalls vererbt bekommen und sehnte sich nach dem Augenblick, in dem sie im Rudel aufgenommen werden würde. Mein älteres Ich lächelte Jacob an, der glücklich zurückstrahlte. An unserer Liebe hatte sich nach all den Jahren nichts getan. Alles war gut. Es war ein Happy End der Extraklasse! Ein Glücksgefühl durchströmte mich, als ich wieder im Hier und Jetzt ankam. Ich hätte die ganze Welt umarmen können. Da klingelte plötzlich mein Handy.

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Ich hörte auf zu laufen und schaute schnell auf den Display. Völlig entgeistert starrte ich auf den Namen des Anrufers. Das konnte doch nicht wahr sein, träumte ich? Mit dieser Person hatte ich ja schon Ewigkeiten nicht mehr geredet. Ich drückte auf Annahme. „ Jack! Ich glaubs nicht. Bist das wirklich du? Wie geht es dir? Was gibt es Neues in der Zauberwelt? Ich hab dich so vermisst. Du musst mir alles erzählen.“ „ Michelle…“, hörte ich Jacks zitternde Stimme am anderen Ende der Leitung. Mein Herz blieb stehen. „ Oh Gott, was ist passiert?“, rief ich voller Panik. Das Nächste, was Jack sagte, brachte mich dazu, das Handy fallen zu lassen, was im trockenen Gras landete. Alles drehte sich um mich herum und mir schwindelte es. Alles, was ich mir eben noch vorgestellt hatte, war vergessen. Zerstört. Mein Leben mit Jake, was ich mir so erträumt hatte, platzte vor mir wie eine Seifenblase. All die wunderbaren Dinge, die mich erwarteten sollten, waren nur noch ein Traum. Weit weg von der Realität. Denn die Realität spiegelte sich in dem Wort, was Jack leise in den Hörer geflüstert hatte. Das eine Wort, was alles zerstörte. „ Todesser.“ „Damit war meine Entscheidung gefallen“ Ich versuchte einen klaren Gedanken zu fassen und erwachte aus meiner Starre. Ich musste mich gerade verhört haben. Todesser, schwarze Magier, sollten ihr Unwesen treiben? Das hätte ich doch mitbekommen. Ich hob schnell das Handy auf und legte es zitternd an mein Ohr. „ Fang bitte von vorne an, Jack. Was ist passiert?“ Ich hörte die Panik in seiner

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Stimme, als er mir hastig antwortete. „ Todesser haben vor, heute Nacht Hogwarts anzugreifen. Sie scheinen sich seit langem darauf vorbereitet zu haben, denn laut unseren Informationen sind es unzählige. Sie haben sich alle zusammengetan, um uns ein für alle Mal zu beseitigen.“ „ Bist du dir absolut sicher?“ „ Ja, leider. Es gibt keinen Zweifel. Wenn es ihnen gelingt, sich Hogwarts unter den Nagel zu reißen, dann machen sie auch vor der Menschenwelt keinen Halt. Sie sind sich ihrer Sache sicher und wollen nun endlich reinen Tisch machen, damit sie mit ihren dunklen Kräften alles und jeden in die Knie zwingen können. Sowohl Zauberer, als auch Nichtmagier.“ „ Heute Nacht sagst du?“, flüsterte ich in den Hörer und schaute zum Horizont. Die Sonne ging gerade unter. „ Aber ich verstehe nicht.“, sprach ich aufgeregt weiter. „ Warum hat Dumbledore nichts dagegen unternommen?“ „Weil er tot ist.“ Ich stieß einen leisen Schrei aus und mein Herz zog sich zusammen. Ich schlug mir die Hand vor den Mund und spürte, wie Tränen in mir aufstiegen. Albus Dumbledore sollte tot sein? Der größte, mächtigste und zugleich liebevollste Zauberer aller Zeiten sollte nicht mehr sein? Der beste Schulleiter, den Hogwarts jemals hatte, sollte nun unter der Erde liegen? „W-was? W-wann ist das passiert?“, brachte ich hervor. „ Vor ein paar Wochen. Seit er nicht mehr lebt, ist unsere Schule nicht mehr die, die sie einmal war. Doch Dumbledore hätte gewollt, dass wir uns wehren und nicht aufgeben und deswegen rufe ich dich auch an. Michelle, ich weiß, du wolltest unserer Welt für immer den Rücken kehren, doch ich würde dich jetzt nicht um Hilfe bitten, wenn es nicht ein absoluter Notfall wäre. Wir brauchen für diesen Kampf die Besten und dazu gehörst du! Ich will dir nicht zu viele Hoffnungen machen. Wir sind in der Unterzahl und die meisten von unserer Seite sind noch Schüler“ „ Das hat nichts zu sagen, Jack.“, unterbrach ich ihn. Ich rang mit mir selbst und fragte ihn dann:

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„Welche Todesser werden kommen?“ Ich hörte, wie Jack kurz zögerte und dann weiterredete. Doch ich verstand fast nichts, die Verbindung war zu schlecht. Ich bekam Panik und lief hin und her, sodass mich Cäsar nur verwirrt anschaute. " Jack? Bist du noch da? Tut mir Leid, ich hab dich nicht verstanden, könntest du es nochmal sagen?“ „ Ich sagte, es kommen so gut wie alle. Lucius Malfoy, Bellatrix Lestrange, Dolohow, Rookwood, Alecto und Amycus Carrow, Travers, Greyback, Yaxley…“ “ Stopp! Hast du gerade Greyback gesagt? Fenrir Greyback?“ Es folgte eine kurze Pause, in der wir beide einen Moment lang nichts sagten. Dann fiel Jack vermutlich ein, was er da geradeins Rollen gebracht hatte und ich hörte, wie er erschrocken nach Luft schnappte. „ Oh Gott. Ja, er wird auch da sein. Er ist mittlerweile vollständig bei den Todessern aufgenommen worden“ Damit war meine Entscheidung gefallen. Ich holte einmal tief Luft und antwortete dann mit fester Stimme: „ Ihr könnt euch auf mich verlassen, Jack. Ich komme so schnell wie möglich zu euch ins Schloss“ Ich hörte, wie Jack erleichtert aufseufzte. „ Danke Michelle, jetzt gibt es schon ein Fünkchen mehr Hoffnung. Ich weiß, wie viel wir da von dir verlangen, doch es ist wichtig, dass du auf unserer Seite kämpfst“ „ Ich sehe dich in Hogwarts. Ich versuche, vor Anbruch der Nacht bei euch zu sein.“ Ohne einen Abschiedsgruß legte ich auf. Jack hatte Recht, es war von höchster Wichtigkeit, dass ich dabei war. Unsere Feinde griffen an. Auch wenn ich jetzt hier in der Menschenwelt lebte, konnte ich nicht tatenlos zusehen, wie die Todesser meine andere Welt zerstörten. Ich konnte meine Freunde nicht in Stich lassen. Doch ich würde nicht nur handeln, um die anderen zu retten. Ich wollte noch etwas und das gab mir neue Energie. Ich wollte Rache üben. Ich war zu weit von Zuhause entfernt. Selbst wenn ich zurückrennen würde, wäre ich nicht schnell genug. Ich sah meinen Hund zögernd an. „ Tut mir Leid, Cäsar. Das wird jetzt etwas unangenehm für dich.“ Ich beugte mich zu ihm herunter, sammelte meine Kräfte und hob den Golden Retriever hoch. Dieser sah mich verunsichert an und zappelte ein wenig, doch ich hielt ihn fest im Arm. „ Also, dann los“, sagte ich. Ich konzentrierte mich und drehte mich

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langsam im Kreis, um das Apparieren für mich zu erleichtern. In der nächsten Sekunde standen wir in meinem Zimmer. Ich setzte Cäsar schnell ab und untersuchte ihn. Nein, alles an ihm war noch ganz. Er wankte zwar etwas hin und her, doch er fing sich schnell wieder und trottete in den Flur, um sich in sein Körbchen zu legen. Jetzt hieß es keine Zeit zu verlieren. Ich schaute auf meine Armbanduhr, es war kurz vor 19:00 Uhr. Bevor ich mich auf die nächsten Stunden vorbereitete, versuchte ich mich zu beruhigen, was natürlich so gut wie unmöglich war. Doch ich musste mich konzentrieren, um einen Schutzschild um mich herum zu errichten. Alice war zwar weit, weit weg, doch trotzdem würde sie es sofort sehen, wenn mein Plan Gestalt annehmen würde und das durfte ich nicht zulassen. Ein viel zu hohes Risiko. Mein Vater war unterwegs und deswegen gab ich mir auch keine Mühe, leise zu sein, als ich zu meinem Schrank rannte und diesen aufriss. Ich tauschte meine kurze Jogginghose blitzschnell gegen eine lange, dunkle Jeans aus. Dazu zog ich mir ein schwarzes T-Shirt an. Ich wollte so unauffällig wie nur möglich aussehen. Ich behielt meine Joggingschuhe an, in ihnen konnte ich sicher und schnell rennen. Und dazu würde es heute Nacht kommen, da war ich mir sicher. Ich eilte zum Spiegel und sah hinein. Irgendwas stimmte noch nicht. Ich errat endlich, was es war und rannte ins Badezimmer. Ich schnappte mir eine kleine Haarspange und steckte mir mein Pony zu Seite. Wenn ich joggte oder rannte, fiel er mir immer wieder ins Gesicht und das durfte ich mir heute nicht erlauben. Ich konnte es mir nicht leisten, dass mein Blickwinkel eingeschränkt war. Heute Nacht musste alles glatt laufen und deswegen musste ich auch auf die kleinsten Dinge achten. Ein einziges, winziges Sandkorn konnte die Waage kippen. Ich packte schnell noch den Tarnumhang in meine Tasche. Ich hatte so eine Ahnung, dass ich ihn noch brauchen würde. Während ich mich umgezogen hatte, ignorierte ich dieses Gefühl, was mir sagte, dass ich was vergessen hatte, doch jetzt schwoll diese Ahnung an und erreichte die Größe eines aufgeblasenen Luftballons. Dann fiel es mir ein: Jacob! Um Himmels Willen, wie hatte ich ihn vergessen können? Ich war so aufgeregt

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gewesen und Rachegelüste tobten in mir, sodass ich mir noch gar nicht überlegt hatte, was ich mit meinem Freund anstellen sollte. Ich könnte ihm niemals die Wahrheit sagen, das war klar. Er würde darauf bestehen, mitzukommen, um zusammen mit mir zu kämpfen, egal, wie gefährlich die Gegner waren. Und so wie ich ihn kannte, würde er das ganze Rudel mitschleppen. Mir grauste es bei dem Gedanken, sie dort in Hogwarts zu sehen und gegen die tödlichsten Gegner überhaupt zu kämpfen. Das konnte und wollte ich mir gar nicht vorstellen. Also blieb mir nur noch eine Möglichkeit. Mein Herz raste, als ich mich an meinen Schreibtisch setzte und ein weißes DIN- A4 Blatt aus der Schubblade holte. Mit zitternden Händen nahm ich meinen Füller in die Hand und begann zu schreiben. Nach einer Weile liefen mir die Tränen über die Wangen und fielen auf die Zeilen, die ich geschrieben hatte. Mein Wecker auf dem Nachttischt tickte und mit jedem Ticken erhöhte sich mein Puls. Nachdem ich den Brief fertig geschrieben hatte, steckte ich ihn in einen Umschlag und schrieb groß ‚Für Jake‘ darauf. Ich hielte den Umschlag einen Augenblick lang fest an mein Herz gedrückt, dann lehnte ich ihn gut sichtbar gegen den Bildschirm meines PCs. Ich ging zur Tür und drehte mich noch einmal um. Ich sah mich in meinem Zimmer um und ließ die Schultern hängen. Würde ich hierher zurückkehren? Ich rannte schnell die Treppe hinunter und eilte zur Telefon-Station. Ich wählte die Handynummer von Jacob, die ich seit unserem ersten Date in und auswendig konnte. Nach dem dritten Klingeln ging er endlich ran. „ Hey, Schatz, was gibt’s?“ „ Jake, hast du jetzt Zeit?“, fragte ich ihn ohne Umschweife. „ Also eigentlich bin ich gerade dabei, Patrouille zu laufen. Kann ich später zu dir kommen?“ Ich antwortete, wobei ich versuchte, die Panik und die Aufregung zu überspielen. „ Nein, das geht nicht. Wir müssen miteinander reden. Jetzt! Es ist wichtig.“ Jacob sagte eine Sekunde lag nichts, als würde er überlegen. „ Ok, wir treffen uns gleich im Park. Unter der großen Kastanie, wie immer.“ Ich sagte knapp „ Ja“ und legte dann auf.

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Ich prüfte, ob ich alles hatte. Zauberstab, unauffällige Kleidung, Tarnumhang. Ja, ich hatte nichts vergessen. Ich rief nach Cäsar und ein paar Sekunden später kam er angetrottet. Ich kniete mich vor ihn und er setzte sich daraufhin. Er legte seinen Kopf schief und stellte die Ohren auf. Das war zu viel für mich. Ich schlang meine Arme um seinen Hals und vergrub mein Gesicht in seinem Fell. Er fiebste, als würde er merken, dass hier etwas nicht stimmte. „ Machs gut, Cäsar. Wünsch mir viel Glück.“ Ich kraulte ihn noch einmal hinter den Ohren und stand dann wieder auf. Ich eilte in die Küche, um Alan noch eine kurze Notiz zu hinterlassen. Ich wusste nicht genau, was ich schreiben sollte. Ich hatte absolut keine Ahnung, ob ihn jemals wieder sehen würde. Ich schluckte den Kloß in meinem Hals hinunter und schrieb einfach nur: " Hey, ich übernachte heute bei Joana, in Ordnung? Ich mach die Wäsche, wenn ich wieder da bin. Ich hab dich lieb. P.s: Du bist ein toller Dad." Das musste reichen, ich durfte nicht zu viel verraten. Ich machte das Licht aus und verließ das Haus. Ich ging hinter in den Garten, wo mich die Nachbarn nicht sehen konnten. Wieder apparierte ich und befand mich im nächsten Moment auch schon im Park. Ich stapfte auf die Kastanie zu. Von Jacob war weit und breit noch nichts zu sehen. Ich schaute hoch. Mittlerweile war es schon dunkel geworden, ich musste mich mit meinem Vorhaben also beeilen. Ich lehnte mich an den dicken Baumstamm und schloss die Augen. Die Ereignisse der letzten Stunde waren so heftig gewesen, dass mir schwindelig wurde und mir nicht sicher war, ob ich in diesem Zustand überhaupt heil in Hogwarts ankommen würde. Und ob ich gesund wieder heimkehren würde, war eine ganz andere Frage. Ich versuchte, mich auf das Gespräch mit Jake vorzubereiten. Es würde das absolut schlimmste Gespräch werden, was wir bis jetzt geführt hatten. Ich hatte noch niemals so etwas Schweres durchstehen müssen. Vor dem Kampf mit Serafina hatte ich noch nicht mal halb so viel Angst gehabt wie vor der Begegnung mit meinem Freund, die mir bevorstand. „Michelle!“

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Ich riss die Augen auf und sah Jacob, wie er auf mich zugejoggt kam. Er trug sein dunkelrotes T-Shirt, was er angehabt hatte, als er mich das allererste Mal daheim besucht hatte und was ich so liebte. Jacob kam mit schnellen Schritten zu mir, strahlte mich an und nahm mich in den Arm. Musste er mir es so schwer machen? Er beugte sich hinunter, um mich zu küssen, doch ich drehte meinen Kopf weg und sah in eine andere Richtung. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie er zuerst verdattert dastand und sein Blick dann finsterer wurde. „ Ok, was ist los?“, fragte er eindringend. Zur Antwort schob ich ihn von mir weg und befreite mich so aus seinen Armen. Jake ließ es zu, doch er schaute mich misstrauisch an. Ich sah ihm mit festem Blick in die Augen und verschränkte die Arme. „ Jacob, ich kann einfach nicht mehr.“, sagte ich mit sicherer Stimme. Zumindest glaubte ich das. „ Könntest du das vielleicht etwas näher erklären?“, fragte er mich irritiert und steckte seine Hände in die Hosentaschen. Oh Gott, jetzt hieß es Ruhe bewahren und sich nichts anmerken lassen. Also machte ich mich etwas größer, damit ich selbstischer wirkte. Doch in Wirklichkeit war ich Innerlich ein Wrack. „ Ich will das alles nicht mehr. Jake…ich…ich will mich von dir trennen“ Die Bombe war geplatzt. Die Katze aus dem Sack. Ich traute mich gar nicht, mir seine Reaktion anzuschauen, doch das musste ich tun, um glaubhaft zu wirken. Sein Gesichtsausdruck war ganz leer. Der Glanz in seinen Augen und das Lächeln auf seinen Lippen waren verschwunden. Ich erschrak und im nächsten Moment regte sich etwas in seiner Mimik. Jetzt schüttelte er den kopf und hob lässig eine Augenbraue. „ Das ist doch jetzt ein Scherz, oder?“ Ich hörte die Hoffnung in seiner Stimme, dass es wirklich nur ein Witz wäre. Doch das war es nicht. Das hier war alles andere als ein Scherz. Jetzt war ich diejenige, die den Kopf schüttelte. „ Nein, ist es nicht. Ich meine das ernst. Ich möchte nicht mehr mit dir zusammen sein.“ „ Aber warum? Ich verstehe das nicht“, antwortete er verzweifelt. „ Ich bin doch immer bei dir, wenn du mich brauchst. Ich kümmere mich um dich, beschütze dich und versuche es hinzubekommen, dass es dir an nichts fehlt.“ Jetzt wurde ich etwas

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lauter: „ Aber genau das ist doch das Problem. Du klammerst zu viel. Ich kann ja fast keinen Schritt mehr tun, ohne dass du dabei bist. Ich will das einfach nicht mehr. Ich fühle mich so eingeengt und dadurch fühle ich mich nicht mehr wohl in deiner Gegenwart. Es ist nicht mehr so wie früher Jacob.“ Er legte seinen Kopf schief und kniff die Augen zusammen. „ Irgendwas an dieser Sache ist doch faul. Das kann dir doch nicht von der einen auf die andere Sekunde einfach so eingefallen sein. Ich meine, du hast dich doch noch nie beschwert“ Damit hatte ich gerechnet. Ich hatte geahnt, dass er nachhaken würde. „ In empfinde seit ein paar Wochen so. Ich hab geglaubt, dass dieses beklemmende Gefühl nachlassen würde, weil ich dich ja schließlich liebe. Aber…“ „ Aber was?“, fragte er nervös. Ich holte einmal tief Luft. „ Aber das tue ich nicht mehr. Jacob, ich liebe dich nicht mehr. Zumindest nicht mehr sosehr, dass es reicht.“ Ich sah den Schmerz in seinen Augen. Er glaubte mir also. Jacob ging ein paar Schritte auf mich zu und ich wich zurück. „ Nein. Das glaube ich dir nicht. Deine Gefühle für mich können sich doch nicht einfach in Luft aufgelöst haben. Wenn du willst, können wir so eine Art Beziehungspause einlegen. Dann kannst du schauen, ob es wirklich so ist, wie du gerade behauptest. Und wenn du dann immer noch der Meinung bist, dass du mich nicht liebst, dann akzeptiere ich das. Ich kann es ertragen, eine Zeit lang ‚nur‘ dein bester Freund zu sein und nicht mehr. Aber du weißt, dass ich dich nicht verlassen kann. Als du nach dem Kampf mit Serafina fast gestorben wärst, habe ich mir geschworen, auf dich aufzupassen und das werde ich auch mein Leben lang tun.“ Mein Magen zog sich unangenehm zusammen und ich war kurz davor, ihm alles zu erzählen. Doch ich musste jetzt stark bleiben. Also sagte ich mit zitternder Stimme: „ Nein, Jake. Es wird keine Beziehungspause geben. Ich will einen glatten Bruch, hier und jetzt. Leb wohl“ Ich drehte mich so abrupt um und entfernte mich mit schnellen Schritten, dass

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Jacob gar nicht reagieren konnte. Dann verschwand ich ins Nichts und ließ den Jungen zurück, den ich liebte. -------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Jacobs Sicht: Ok, also das war wirklich das Lächerlichste, was ich je erlebt hatte. Michelle, du kannst wieder rauskommen, der Scherz ist dir gelungen, ich lach mich halb tot. Jetzt mach schon. Verlange ja nicht von mir, dass ich jetzt die gesamte Gegend nach dir absuche, nur damit du deinen Spaß hast. Ich drehte mich einmal im Kreis und hielt Ausschau nach einem Blondschopf, doch ich sah absolut nichts. Das konnte doch nicht ihr Ernst sein. Einfach so zu verschwinden und mich wie einen kompletten Vollidioten stehen zu lassen. Dieses Apparieren ging mir langsam wirklich auf die Nerven. Konnte sie nicht einfach von A nach B laufen, so wie es alle Menschen taten? Dann hätte ich wenigstens noch eine Chance gehabt, ihr hinterher zu rennen. Ich hatte sofort gemerkt, dass sie log. Denn immer, wenn sie einem die volle Wahrheit verschwieg, fing ihre linke Augenbraue an zu zucken. Dieses Phänomen hatte ich entdeckt, als sie mir weis machen wollte, sie sei damals überhaupt nicht eifersüchtig auf Leah gewesen, als ich mit ihr mal im Kino war. Aber warum log sie? Ich ballte die Fäuste und wurde wütend. Ich hätte niemals geglaubt, dass ich das jemals denken würde, doch ich würde mir jetzt wirklich wünschen, Edward zu sein und in Michelles Kopf blicken zu können. Doch das würde mir auch nichts helfen, denn sie war ja nicht da und so langsam kapierte ich, dass es auch noch so bleiben würde, wenn ich hier jetzt stundenlang auf der Wiese rumstehen würde. Ich ging auf die Kastanie zu und verpasste ihr einen Tritt. Ich musste meine Wut an irgendetwas auslassen und da Paul im Moment nicht in der Nähe war, musste eben der arme, unschuldige Baum herhalten. Doch ich unterschätzte mal wieder meine Kräfte und so bekam die Rinde des Baumes einen großen Riss. Ich erschrak.

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Verdammt, ich konnte es im Moment wirklich gar nicht gebrauchen, jemanden erklären zu müssen, warum der größte Baum im Park einfach wie ein Streichholz umgefallen war. Doch ich hatte Glück, wenigstens einmal. Die Kastanie blieb heil und war nur etwas nach rechts gebeugt. Das nächste Gewitter würde meinen Job schon beenden. Hauptsache, ich war dann weit weg. Ich fing an loszurennen und verließ den Park. In mir tobten die Fragen gerade zu. Warum hat sie gelogen? Was verschweigt sie mir und warum? Was hab ich falsch gemacht? Ich raste Richtung Wald und als ich ihm immer näher kam, machte ich mich bereit zur Verwandlung. Es war mittlerweile ein Kinderspiel für mich. Immer wieder der gleiche Vorgang, das gleiche Schema, die gleiche Reihenfolge. Als erstes einfach an Michelle, meinen Engel, denken. Schon durchströmte mich ein Glücksgefühl und ich hob fast vom Boden ab. Nächster Schritt: T-Shirt ausziehen. Dieser Teil der Verwandlung gefiel Michelle immer am Besten. Dieses kleine, hormongesteuerte Monster. Und genau das liebte ich so sehr an ihr. An meiner Michelle. Sie war so naiv und voller Lebenslust, dass sie mich immer ansteckte. Doch jetzt war irgendetwas vorgefallen, was sie abbremste. Oder irgendjemand hatte sich eingemischt. Ich knurrte, als mir eine leise Vorahnung kam. Wenn ich herausfand, dass dieser verlogene, selbstverliebte Blutsauger Emmett was damit zu tun hatte, würde ich mich nicht zurückhalten können. Nicht so wie letztes Mal, als ich ihn nochmal davonkommen ließ. In mir staute sich plötzlich so eine Wut auf, dass ich den letzten Schritt der Verwandlung, das Strecken und Vorbereiten der Muskeln, einfach übersprang und auf vier Pfoten aufkam. Autsch! Das hatte wehgetan. Als müsste man ohne Dehnung ins Spagat rutschen. Ich schüttelte mein Fell und rannte los. Ich würde jetzt auf der Stelle zu ihrem Haus stampfen und sie zur Rede stellen. Und wenn sie mich nicht rein lassen wollte, dann durfte sie sich nachher auch nicht darüber beschweren, dass ihre Fensterscheibe kaputt gehen würde.

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Wie erwartet war ich nicht alleine. Das hatte mir gerade noch gefehlt. Michelle hatte ja keine Ahnung, wie gut sie es hatte, dass sie dieses Talent, andere Gedanken zu hören, einfach ausschalten konnte. Darauf hätten unsere Vorfahren wirklich mal besser achten sollen. Es war wirklich zum Verrücktwerden, wenn man alles hörte, was der andere denkt. Einmal war ich wirklich kurz davor gewesen, mich von einer Klippe zu stürzen, nur um von Quil’s Erinnerungen an Claire zu flüchten, wie sie ihm ein rosa Tütü nach dem anderen vorführte. "Hey, das waren sehr schöne Tütüs. Du hast überhaupt keine Ahnung von Mode!", hörte ich Quil empört rufen. Er war in der Nähe von mir. Hoffentlich kam er nicht auf die Idee, sich zu mir zu gesellen. In meinem Zustand war ich eine Gefahr für alles und jeden. Sogar für mich selbst. "Wieso, was ist passiert?", klinkte sich Sam ins Gespräch mit ein. Ich knurrte genervt, aber es half nichts. Ich ließ das Gespräch mit Michelle noch einmal Revue passieren. Die Sache mit der Kastanie ließ ich lieber aus. "Oh je, da hängt der Haussegen ja ganz schön schief, was hast du nur wieder angestellt, Kleiner." Ich wurde wütend. "Embry, wenn du nicht sofort die Klappe hältst, dann hängt bei dir gleich was ganz anderes schief", antwortete ich ihm patzig. Ich näherte mich Michelles Haus und die anderen sahen, was ich vorhatte. "Willst du sie nicht lieber erst ein wenig in Ruhe lassen?", fragte Sam vorwurfsvoll. "Nicht, bevor sie mir nicht erzählt hat, was wirklich los ist. Embry, tust du mir einen Gefallen?". Keine Antwort. "Embry? " Endlich antwortete er mir: " Dafür, dass du mir gerade Morddrohungen an den Kopf geworfen hast, nimmst du dir ziemlich viel heraus, Black." Ich schüttelte meinen großen Wolfskopf, während ich das Tempo meines Laufschritts erhöhte." Ok, großer Häuptling Embry, bitte entschuldige. Könntest

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du bitte Claudia fragen, ob sie irgendetwas weiß? Ob was passiert ist oder sie was in Michelles Verhalten bemerkt hat?" Ein Zögern. "Geht klar Bruder." Dann war er weg. Die anderen zwei baten mich noch darum, ihnen Bescheid zu sagen, falls es etwas Neues gab. In diesem Moment verwandelte ich mich wieder zurück, sprang die Veranda rauf und klingelte Sturm beim Hause Hawkins. Niemand reagierte. Ich schaute über die Schulter, Alans Wagen war fort. Also doch das Fenster. Da es schon dunkel war, war es kein Problem, die Fassade unbemerkt hochzuklettern und in Michelles Zimmer zu steigen. Mal wieder wunderte ich mich, wir unordentlich sie für ein Mädchen war. Total unnatürlich. Der Kleiderschrank war weit aufgerissen und sowohl Jogginghose, als auch Top lagen auf den Boden. Ich sah das Bild von uns beiden, was auf dem Schreibtisch stand. Wir lächelten beide in die Kamera, während ich sie im Arm hielt. Mein Blick schweifte weiter über den Schreibtisch und blieb an etwas hängen. Augenblicklich fing mein Herz an zu rasen und ich schnappte mir den Umschlag, auf dem groß und fett mein Name stand. Ich setzte mich hin, riss ihn auf und begann den Brief darin zu lesen: Jacob, Wenn du diesen Brief hier liest, werde ich schon längst auf dem Weg nach Hogwarts sein. Vermutlich sitzt du gerade in meinem Zimmer und schüttelst mal wieder den Kopf darüber, wie unordentlich ich bin, stimmt’s? Du willst sicher den Grund wissen warum ich so abrupt aufbrechen musste .Ich weiß nicht, wie ich dir das am besten erklären soll. Schwarze Magier haben vor, heute Nacht die Schule anzugreifen. Sie sind deutlich in der Überzahl und sie werden Hogwarts höchstwahrscheinlich in die Hände bekommen. Doch es gibt noch einen Funken Hoffnung und deswegen bin ich gegangen. Ich kann nicht zulassen, dass sie alles zerstören. Wenn sie es schaffen, uns zu besiegen, dann werden sie auch bald die Menschenwelt angreifen und somit auch euch. Verstehst du, auf was ich hinaus möchte? Ich bin gegangen, um dich und die

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anderen zu schützen. Du hast gesehen, was ich mit Serafinas Armee gemacht habe. Jetzt stell dir zehnmal so starke Zauberer vor und was sie mit euch machen würden. Ich konnte dir nicht die Wahrheit sagen. Jacob, ich weiß nicht, ob ich diese Nacht überleben werde, deswegen will ich, dass du eins weißt: Jedes Wort vorhin im Park war gelogen. Absolut jedes. Ich liebe dich mehr als alles andere und ich hasse es, auch nur ein paar Stunden von dir getrennt zu sein. Und deswegen fällt es mir jetzt auch so schwer, dich zu verlassen. Doch ich muss es tun, um dich zu beschützen. Ich kann nicht in die Schlacht ziehen und kämpfen, wenn ich mich darum sorgen muss, ob du in Gefahr bist. Ich hoffe du verstehst mich und kannst mir verzeihen. Wenn ich es nicht schaffen sollte, dann sag meinem Vater bitte, dass er der tollste Daddy auf der ganzen Welt ist und sich keine Vorwürfe machen soll. Ich danke dir für alles, Jacob Black. Du hast mir gezeigt, dass das Leben einem etwas zu bieten hat und man diese Chance nutzen muss. Ich liebe dich! Für immer und ewig Deine Michelle P.S: Eins noch: Ich wäre zu gerne deine Frau geworden… Ich ließ das Stück Papier fallen und blieb ganz still sitzen. Die Wut von eben war verflogen. Stadtdessen machte sich Verzweiflung und Trauer in mir breit. Das konnte doch nicht wahr sein. Michelle, der allerwichtigste Mensch in meinem Leben, lief dem Tod geradewegs in die Arme. Und ich? Ich saß hier und hatte keine Ahnung wie ich ihr helfen sollte. Wenn sie umkommen sollte, würde auch ich einen Weg finden, um zu gehen. Doch zuvor würde ich vermutlich durch Schuldgefühle sterben. Warum hatte ich sie nur gehen lassen?

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Ich stützte meinen Kopf auf den Händen ab und las ihren letzten Satz." Ich wäre zu gerne deine Frau geworden…" Die Gefühle explodierten in mir und ich schrie aus vollem Halse. Ich schrie so laut, dass es bestimmt sogar die Nachbarn hörten. Das war mir nur Recht. Sollten sie doch alle von meinem Schmerz und meiner Schuld erfahren. Das war mir egal. Mein Schreien wurde leiser. Michelle! Michelle!! Michelle!!! Aus dem Schrei wurde ein Schluchzen, aus dem Schluchzen ein Wimmern. Und schließlich liefen mir die Tränen über und ich brach zusammen. Der Kampf beginnt Die Dunkelheit verschluckte mich und wie immer beim Apparieren fühlte es sich so an, als ob ich durch einen engen Gummischlauch gezwängt wurde. Nach zwei Sekunden machte es leise ‚Plob‘ und ich spürte wieder Boden unter den Füßen. Es war stockfinster und die ersten Sterne schienen am rabenschwarzen Himmel. Ich stand vor einem riesigen, beeindruckend aussehenden Eisentor. Niemand konnte direkt ins Schloss oder auf das Gelände apparieren. Das hatten die vier Gründer von Hogwarts so eingerichtet: Godric Gryffindor, Helga Hufflepuff, Rowena Ravenclaw und Salazar Slytherin. Der Grundgedanke dabei war gewesen, dass keine dunklen Kräfte ins Schloss eindringen konnten. Na, das hatten sie schon mal gründlich vermasselt. Ich wollte das Tor öffnen, doch ich bekam es nicht auf. Ich stemmte mich mit meiner gesamten Kraft dagegen, doch es rührte sich auch nicht nur einen Millimeter. Ich überlegte angestrengt. Das Eisentor war bestimmt drei Meter hoch und ich wusste nicht, ob jemand es vielleicht mit einem Fluch belegt hatte. Doch ich musste dieses Risiko eingehen und machte mich bereit, rüber zu klettern.

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Ich umfasste die dicken Eisenstangen mit meinen Händen und hob einen Fuß, um ihn in eine Lücke der Gitter zu stecken. Langsam zog ich mich hoch. Stückchen für Stückchen. Als ich oben angelangt war, schwitzte ich schon vor Anstrengung. Jetzt war der Augenblick der Wahrheit gekommen. Wenn das Tor verzaubert wäre, dann würde ich es sofort merken, wenn ich mich auf die andere Seite begab. Also holte ich einmal tief Luft, während ich dort immer noch hing und mich an das Tor klammerte, und schwang mein linkes Bein darüber. Soweit so gut. Als ich endgültig drüben war und jetzt nur noch nach unten musste, geschah immer noch nichts. Wenigstens hatte ich heute einmal Glück. Das restliche Stück sprang ich herunter und ich kam auf dem Gras auf, ohne umzuknicken. Ich drehte mich um und sah den mir vertrauten kleinen Weg, der sich vor mir erstreckte und zum Schloss führte. Mein Herz klopfte unkontrolliert und ich versuchte mich wieder zu beruhigen. Ich wollte gerade loslaufen, doch da fiel mir etwas ein. Ich hatte nicht den blassesten Schimmer, wo sich die Todesser im Moment aufhielten. Im Schloss waren sie bestimmt noch nicht, das würde man bis hierhin hören. Aber so viele Versteckmöglichkeiten gab es hier nicht, also musste ich aufpassen. Ich war etwas erleichtert, als mir einfiel, dass ich den Tarnumhang mitgenommen hatte. Geschwind zog ich ihn aus der Tasche und warf ihn mir über. Dann machte ich mich auf den Weg und achtete darauf, dass ich nur leise auf dem Boden auftrat. Doch nach fünf Minuten wurde ich nervös, als Hogwarts immer noch nicht in Sichtweite war und der Mond schon hoch am Himmel stand. Ich fing an, los zu joggen und hoffte, dass ich noch rechtzeitig käme. Ich wollte mir gar nicht ausmalen, was passieren würde, wenn es nicht so wäre. Die kalte Nachtluft schlug mir um die Ohren und ich musste aufpassen, dass der Umhang nicht von meinem Körper rutschte. Ich sah vor mir die vertraute Weggabelung und wusste, dass ich ganz nah war. Gleich hinter den Brombeerbüschen müsste ich es sehen können. Als ich abbog, blieb ich vor Erstaunen stehen und mir stand der Mund offen. Ich vergaß sogar für eine Sekunde lang, dass die Gefahr und vielleicht sogar der Tod selbst auf mich warteten. Ich war seit fünf Jahren nicht mehr in Hogwarts gewesen und jetzt genoss ich einfach nur den Anblick dieses prachtvollen und atemberaubenden Schlosses.

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Hogwarts befand sich auf der Spitze eines hohen Berges. Ich blickte auf die Kehrseite des Schlosses, von der anderen Seite würde ich den gigantischen schwarzen See sehen. Ich sah die Menge an Zinnen und Türmen, und ich konnte sogar die Eulerei von hier aus erkennen. Sehnsuchtsvoll schaute ich weit nach oben und erblickte den Turm, in dem sich der Gryffindor-Gemeinschaftsraum befand. Mein früheres Zuhause mit den unglaublich weichen Himmelbetten. Alle Fenster waren hell erleuchtet und niemand hätte vermutet, dass an diesem Abend irgendetwas Besonderes war. Ich eilte zum Schloss und stand dann vor der Eingangstür aus Fichtenholz, die sogar noch höher war als das Eisentor von vorhin. Dieses Mal hatte ich Glück und als ich mich dagegen stemmte, ging die Tür mit einem lauten Quietschen auf . Ich schlüpfte hinein und fand mich in der großen Eingangshalle wieder. Auch hier drin war alles hell erleuchtet und einige Fackeln hingen an den Steinwänden. Ich zog mir den Umhang vom Kopf und stopfte ihn wieder in meine Tasche. Es war keine Menschenseele zu sehen. Seltsam, es war auch so unnatürlich ruhig. War das etwa die Ruhe vor dem Sturm? „ Hey, Sie da! Was zum Teufel tun Sie hier?“. Ich fuhr vor Schreck zusammen und suchte nach demjenigen, der mich gerade angesprochen hatte. Doch ich sah niemanden. Zumindest niemanden aus Fleisch und Blut. Ich ging auf ein relativ kleines Porträt von einem älteren Herrn mit einer fiesen Warze auf der Nase zu. Ich stellte mich davor und stemmte die Hände in die Hüfte. „ Warum denn in so einem unfreundlichen Ton? Ich bin nur hier, um zu helfen. Können Sie mir sagen, wo alle anderen sind?“ Der Zauberer im Bild kratzte sich am Kopf und sah mich misstrauisch an. „ Natürlich weiß ich das. Aber woher soll ich wissen, dass Sie kein dreckiger Spion von der dunklen Seite sind, der sich hier reingeschlichen hat?“ „ Ich bitte Sie!“, sagte ich vorwurfsvoll. „ Meinen Sie wirklich, die Todesser würden so eine halbe Portion wie mich als Spion schicken?“ „ Ok, da haben Sie recht. Trotzdem muss ich prüfen, ob sie ein Freund von Hogwarts sind. Ich gebe Ihnen ein Rätsel auf. Wenn Sie es lösen, sage ich Ihnen,

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wo Sie die anderen finden.“ „ Meinetwegen. Schießen sie los“, antwortete ich und verschränkte die Arme. Für solche Spielchen hatte ich wirklich keine Zeit. Wahrscheinlich waren die Todesser schon auf dem Vormarsch. Der alte Zauberer schien jetzt richtig in Fahrt zu kommen und stellte mir aufgeregt sein Rätsel: „ Also. Wer ist der Einzige in diesem Schloss, vor dem unser Poltergeist Peeves Angst hat?“ Ich lächelte. „Das ist einfach. Vor dem blutigen Baron natürlich“ Der Zauberer schüttelte enttäuscht seinen Kopf. „ Mist, das war wirklich zu einfach. Lassen Sie mich kurz überlegen“. Ich wartete ungeduldig und seufzte. Er dagegen blieb ganz ruhig, bis er schließlich in die Hände klatschte „ Ich habs. Wenn Sie mir diese Frage beantworten können, kennen Sie sich wirklich in diesem Schloss aus. Die Frage lautet: Was muss man tun, um in die Küche von Hogwarts zu gelangen?“ Ich geriet ins Schwitzen. Das wusste ich doch, es lag mir auf der Zunge. Im ersten Schuljahr hatten ein paar Freunde und ich uns etwas aus der Küche stibitzt, weil wir noch so Hunger hatten. Aber was musste man noch mal tun, um reinzukommen? „ Na, was ist? Kommen Sie nicht darauf“, fragte der alte, warzige Zauberer hämisch. In diesem Moment kam ich auf die Lösung. Ich lachte triumphierend auf. "Ha, ich weiß es. Vor dem Eingang der Küche befindet sich ein großes Bild, auf dem eine Obstschale abgebildet ist. Kitzelt man die Birne und sie kichert, verwandelt sie sich in eine Türklinke und man kann eintreten“ Der alte Herr im Bild rümpfte seine große Nase und meinte nur hochnäsig: „ Die Lehrer und die Schüler, die hiergeblieben sind, um zu kämpfen, sind alle im Raum der Wünsche!“ Dann verließ er seinen Bilderrahmen, um vermutlich sein zweites Porträt im Schloss aufzusuchen. Zurück blieb nur ein schwarzer Hintergrund. Ohne eine Sekunde zu vergeuden rannte ich die Treppen hinauf. Ich musste schleunigst in den siebten Stock, wo sich der Raum der Wünsche befand. Ich war früher ein paar Mal dort gewesen, wenn ich allein sein wollte und in mein Tagebuch geschrieben hatte. Im vierten Stock ging mir langsam die Puste aus, doch ich musste durchhalten. Es hing so viel davon ab.

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Endlich erreichte ich das oberste Stockwerk und rannte den Gang entlang. Da! Da hing der große Wandteppich von Barnabas dem Bekloppten, der einst versucht hatte, Trollen Ballett beizubringen. Das hieß also, dass sich gegenüber von diesem Teppich der Raum befand, in den ich hineinmusste. Ich konnte mich noch gut daran erinnern, was ich zu tun hatte. Also schloss ich die Augen, ging vor der nackten Steinwand drei Mal auf und ab und dachte dabei: Ich möchte in den Raum, indem sich Jack, Laura und die anderen befinden. Dann öffnete ich meine Augen wieder und sah…die nackte Steinwand. Moment mal, was war denn hier los? Ich versuchte es ein zweites und drittes Mal, doch der Raum der Wünsche öffnete sich mir immer noch nicht. Machte ich etwas falsch? Da fiel bei mir der Groschen und ich seufzte verzweifelt auf. Wenn sich jemand im Raum der Wünsche befand, konnte ein anderer nicht mehr herein. Verdammt, wie konnte ich das vergessen. Was sollte ich denn jetzt tun? Während ich fieberhaft nachdachte, hörte ich Schritte. Ich überlegte, ob ich mich verstecken sollte, doch da ich dazu überhaupt keine Zeit mehr hatte, blieb ich wie angewurzelt stehen. Als ich sah, wer da um die Ecke bog, atmete ich erleichtert auf. „ Michelle!“, rief Severus Snape entgeistert und kam mit schwarzem, wallenden Umhang auf mich zu. „Severus“, sagte ich aufgeregt und breitete meine Arme aus. Sofort drückte mich mein ehemaliger Zaubertranklehrer so fest, dass ich keine Luft mehr bekam. „ Was um Himmels Willen machst du hier? Es ist viel zu gefährlich, du solltest daheim bei deinem Vater sein“, fragte er mich aufgebracht. „Was? Und mir etwa den ganzen Spaß entgehen lassen?“. Ich sah, dass Snape das überhaupt nicht zum Lachen fand und ließ den Kopf hängen. „ Severus, Hogwarts war lange Zeit mein Zuhause. Ich kann doch nicht einfach daheim rumsitzen und nichts tun, während meine Freunde in Gefahr sind.“ Er biss sich auf die Lippe und antwortete: „ Du hattest schon immer so einen Hang zur Gefahr. Sind dein Jacob Black und seine Freunde auch hier? Die könnten wir nämlich gut gebrauchen.“ Autsch! Das war ein Stich ins Herz. Ich schüttelte den Kopf. „ Nein, Jacob und

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ich sind nicht mehr zusammen. Ich bin alleine hier und das ist auch gut so.“ Snape schaute mitfühlend drein und öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch da fiel eine hohe, raue Stimme ihm ins Wort. „ Miss. Hawkins. Sind Sie das?“ Ich schaute verblüfft an Severus vorbei um nachzusehen, wer mich da gerade angesprochen hatte. Ich lächelte freundlich, als meine alte Lehrererin für Verwandlung, Professor McGonagall, auf mich zuschritt. Genau wie zu der Zeit, als ich noch nach Hogwarts gegangen war, trug sie ihren langen smaragdgrünen Umhang. Ihr mittlerweile graues Haar war wie immer zu einem festen Knoten zusammengebunden worden und eine Brille mit quadratischen Gläsern saß auf ihrer kleinen Nase. „ Hallo Professor.“, antwortete ich höflich, obwohl ich ziemlich ungeduldig wurde. Ich wollte hier nicht stehen und einfach plaudern. Dazu hatten wir auch gar keine Zeit. Das schien auch Professor McGonagall so zu sehen, denn sie meinte hastig: „ Schön, Sie wieder zu sehen, aber wir müssen uns beeilen!“ Sie stellte sich vor die Wand, hinter der sich der Raum der Wünsche verbarg und klopfte drei Mal dagegen. Klopfen? Auf so eine primitive Idee hätte ich auch selbst kommen können. Ich trat erschrocken ein Schritt zurück, als die Wand große Risse bekam. Doch bei näherem Hinsehen bemerkte ich, dass es gar keine Rissen waren, sondern Verschnörkelungen. Gleichmäßige Linien zogen sich über die Steinwand, sodass es die Form einer Tür bekam. Und im nächsten Moment war dort tatsächlich eine Tür. Die zwei Professoren gingen vor und ich folgte ihnen. Wir betraten den Raum der Wünsche, wobei ich mich noch schüchtern hinter Severus versteckte. Doch als dieser zu Seite trat, missglückte mein Vorhaben und alle im Raum konnten mich sehen, und das waren eine Menge Leute. Alles war still und ich spürte ihre Blicke auf mir. Dann ging das große Geschrei los. Alle riefen durcheinander, sodass ich kein Wort davon verstehen konnte. Plötzlich rissen mich ein paar Arme von den Füßen und ich wurde durch die Luft gewirbelt. Mir wurde total schwindelig und als ich wieder abgesetzt wurde,

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blickte ich hoch zu meinem ‚Angreifer‘ „ Jack!“, schrie ich aus vollem Halse und da umarmte er mich noch einmal. „ Michi! Mal wieder auf die letzte Minute, wie immer. Jetzt werden wir den Todessern mit deiner Hilfe gehörig in den Hintern treten.“ Laute Jubelrufe antworteten ihm. Ich schaute mir Jack genauer an und lächelte. Sein hellbraunes, kurzes Haar war genauso verwuschelt wie früher und seine Grübchen waren immer noch unverkennbar. Auch er begutachtete mich und zog leicht an meinem Pony. „ Ich hätte dich fast gar nicht erkannt, Blondie“. Ich boxte ihn freundschaftlich in den Magen, als mir jemand plötzlich auf die Schulter tippte. Ich drehte mich um und sah in das Gesicht von Laura. Ihre halblangen Haare waren von einem rot-blond und ihre Haut war so weiß, dass sie geradewegs als Vampir durchgehen könnte. Ich umarmte sie und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. „ Laura, du hast dich gar nicht verändert.“ „ Du hingegen hast eine 180 Grad-Wendung hingelegt“, erwiderte sie kichernd. Ich sah mich im Raum um und sah überall in strahlende Gesichter. So, als ob sie Hoffnung spüren würden. Ich schauderte, hoffentlich überschätzten sie mich nicht zu sehr. Ich sah Katie Bell, mit der ich früher zusammen Quidditsch gespielt hatte, an der Wand lehnen und wie sie mir zurief: „ Na, jetzt sind wir wohl wieder ein Team.“ Hannah Abbott aus Hufflepuff strahlte mich an, obwohl ich mit ihr noch nie sonderlich viel zu tun hatte. Terry Boot, Lavender Brown, Cho Chang und Colin Creevey standen in einer Ecke und diskutierten, während ihre Blicke immer wieder zu mir huschten. Lee Jordan und Neville Longbottom, mit denen ich schon so manches Nachsitzen in Zauberkunst zusammen bewältigt hatte, grinsten über beide Backen. „ Luna!“, rief ich, als ich das Mädchen mit den langen hell-blonden Haaren bei den Patil-Zwillingen stehen sah. Sofort kam sie auf mich zugeeilt und wir wechselten hastig ein paar Worte miteinander. Luna und ich waren zusammen im Duellier-Club gewesen und hatten so manchen Nachmittag zusammen paukend in der Bibliothek verbracht. Ich begrüßte noch schnell Alicia Spinnet, Dean Thomas und Oliver Wood und stellte mich dann wieder zu Severus. Ich wollte ihn gerade nach dem Stand der Dinge fragen, da hörten wir ein

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Klopfen. Wieder betrat jemand den Raum der Wünsche und als ich sah, wer es war, machte mein Herz einen Freudensprung. „ Remus!“, schrie ich freudig. Remus Lupin schaute mich verdattert an und versuchte mich vermutlich mit meinen blonden kurzen Haaren zu erkennen. Eine Sekunde später fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. „ Michelle!“, keuchte er und nahm meine Hände. Er strahlte mich einen Moment lang an, doch dann glättete sich seine Miene wieder vollständig. Mein alter Freund Remus drehte sich zu Severus und Professor McGonagell rum. Mit ernstem Gesicht sagte er die Worte, auf die wir alle gewartet hatten: „ Es geht los.“ „ Stehen die Wachen bereit, Remus?“, fragte Severus ihn. Seltsam. Die zwei konnten sich früher, als ich hier noch zur Schule ging, kein Stück leiden. Doch in dieser gefährlichen Situation waren alte Feindschaften vergessen. „ Welche Wachen denn?“, fragte ich Severus. Remus antwortete für ihn. „Du glaubst doch nicht etwa, dass das hier alle sind, die kämpfen? Überall im Schloss stehen Wachen und behalten alles im Auge. Michael Corner, Seamus Finnigan, Madam Pomfrey, Shacklebolt, Slughorn, Professor Sprout und die Weasleys warten darauf, dass wir kommen“ Ich staunte nicht schlecht. Sie hatten eine richtige Armee aufgestellt. Und ich war Teil dieser Armee. Ich spürte einen Hauch von Zuversicht, doch ich hätte mich wohler und sicher gefühlt, wenn Albus Dumbledore bei uns wäre. Jeder hastete jetzt zur Tür und es dauerte eine Weile, bis wir alle wieder draußen auf dem Gang standen. Jetzt sagte niemand mehr etwas und alle strömten in verschiedene Richtungen. Laura winkte mich zu sich und ich folgte ihr. Wir huschten gerade durch den fünften Stock, als plötzlich ein lautes, boshaftes Lachen erklang. Es war so laut, dass man es bestimmt im ganzen Schloss hören konnte. „Ihr werdet unsere Ankunft schon bemerkt haben, ihr dreckigen Schlammblütler. Wir kommen jetzt rein und ihr solltet gewarnt sein. Wenn sich einer von euch wehrt, werden wir euch allesamt töten. Doch wenn ihr aufgebt, würden wir uns das noch einmal überlegen. Vielleicht.“

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Ich erkannte sofort diese drohende, verrückte Frauenstimme. Bellatrix Lestrange! In mir ballte sich so eine Wut, dass ich nur noch kämpfen wollte. Ich wollte sie alle dafür büßen lassen, dass sie meine Freunde angriffen und mich gezwungen hatten, meinen Freund und meine Familie zu verlassen. Ich schlich zu einem großen Fenster und sah in die rabenschwarze Nacht hinaus. Auch wenn es dunkel war, konnte ich die Gestalten sehen, die sich dem Schloss näherten. Mein Herz blieb stehen, als ich sah, wie viele es waren. Sie alle versteckten sich unter Kapuzen und ihre schwarzen wallenden Umhänge schleiften auf dem Gras. Jetzt hatten sie den Eingang fast erreicht. „ Alle außer die Wachen sofort in die Eingangshalle!“, hörten wir Remus schreien. Er musste einen Zauber angewandt haben, damit man ihn auch in jedem Gang hören konnte. Laura und ich ließen uns das nicht zweimal sagen und rannten die Treppen hinunter. Als wir in der Eingangshalle eintrafen, waren schon fast alle da. Sogar der fast kopflose Nick, der Hausgeist von Gyffindor, war dort und machte sich bereit zum Kampf. Dass er nicht aus Fleisch und Blut war und somit überhaupt keinem Schaden zufügen konnte, schien ihn nicht zu stören. Wir stellten uns in einer Angriffslinie auf und warteten auf unsere Feinde. Ich holte meinen Zauberstab hervor und umklammerte ihn mit zitternden Händen. Ich durfte jetzt nicht die Nerven verlieren. Ich musste kämpfen, um meine Familie daheim zu beschützen und das ging nur, indem ich so viele Todesser wie nur irgend möglich tötete. Keiner sagte ein Wort und wir warteten ab, welcher der dunklen Magier die Tür sprengen und zuerst reinstürmen würde. Doch dann geschah etwas, mit dem keiner von uns gerechnet hätte. Die Luft explodierte. Wir wurden alle von den Füßen gerissen und ich schlug mir das Knie auf. Ich rappelte mich schnell wieder auf und sah die geschockten Gesichter der anderen. Plötzlich waren gellende Schreie in den Gängen über uns zu hören und wir wussten, was passiert war. Die Todesser hatten es geschafft, die Außenfassaden des Schlosses zu sprengen und waren nun eingedrungen. Ich hörte die schnellen Schritte, die sich der

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Eingangshalle näherten. „ Macht euch bereit!!!“, schrie Severus. Sofort rannte ich zu Luna, Laura und Jack. Wir stellten uns Rücken an Rücken, damit wir uns gegenseitig schützten. Mein Blick war auf die Treppe gerichtet. Da ertönte ein ohrenbetäubendes Krachen und die massive Holztür zur Eingangshalle wurde ebenfalls gesprengt. Ich riss meinen Kopf blitzartig herum und sah entsetzt, wie die ersten Todesser uns entgegenrannten. Doch just in derselben Sekunde kam der andere Teil unserer Feinde die Treppe runter gestürmt. Sie griffen von beiden Seiten an. Man hörte nur noch die Schreie der Anderen, wie sie ihre ersten Flüche abfeuerten. Ich tat es ihnen nach und richtete meinen Zauberstab auf einen der Zauberer, der mit rasendem Blick auf mich zugerannt kam. In der Millisekunde, in der ich sein Gesicht sah, erkannte ich, dass es Rookwood war. So oft hatte ich seine Grimasse auf dem Titelblatt der Zaubererzeitung, dem Tagespropheten gesehen. Ich feuerte einen Schockzauber auf ihn ab und er fiel wie ein Brett um und rührte sich nicht mehr. Ich drehte mich um und versuchte in dem Kampfgetümmel jemanden ausfindig zu machen, der meine Hilfe brauchte. Lee Jordan duellierte sich mit Yaxley und ich sah, wie dieser es geradezu genoss, den jungen Zauberschüler bis zur völligen Erschöpfung zappeln zu lassen. Ich wich den anderen Kämpfern aus und eilte auf die beiden zu. Ich murmelte einen Zauberspruch und im selben Moment bildete sich eine Art Schild zwischen Lee und Yaxley. Der Todesser bekam seinen eigenen Fluch zu spüren und seine Beine knickten ihm weg. „ Danke, Michelle“, schrie Lee, bevor er sich um den nächsten Angreifer kümmerte. Ich lächelte zufrieden, als ich aus den Augenwinkeln sah, wie jemand den Zauberstab auf mich richtete. Ich schnellte herum und sah Bellatrix. Rote Funken stoben aus ihrem Stab hervor und ich konnte mich gerade noch zur Seite werfen, sodass ihr Fluch an mir vorbeizischte und eine alte Ritterrüstung traf, die am Rand der Halle stand . Ich stöhnte, als ich auf dem Boden aufprallte und mein Arm furchtbar schmerzte. Ich sah Bellatrix, die sich vor Lachen den Bauch hielt. Ihre schwarzen, wilden Locken hüpften dabei auf und ab. Bellatrix Lestrange war die verrückteste und dadurch vermutlich gefährlichste

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Todesserin. Sie machte sich nichts aus Liebe und Zuneigung. Für sie war nur Macht wichtig. Und wenn sie diese Macht bekam, indem sie anderen Schmerzen zufügte, dann war das wie ein Bonus für sie. Genau das machte mich jetzt auch so rasend und ich sprang auf, auch wenn mein Arm dagegen protestierte. Ich feuerte alle Flüche, die ich kannte, auf Bellatrix , doch sie blockte jeden einzelnen ab. Sie lachte nur hämisch und tauchte wieder im Kampfgetümmel unter. Am liebsten wäre ich ihr hinterhergerannt, doch ich riss mich am Riemen und wollte meinen Freunden bei ihren Duellen helfen. Ich sah Luna am anderen Ende der Halle, wie sie mit Alecto Carrow kämpfte. Sie schien keinerlei Probleme zu haben, denn sie lächelte. Als sie ihn schockte und er zu Boden ging jubelte sie triumphierend.Parvati Patil schien ebenfalls keine Hilfe bei ihrem Duell gegen Dolohow zu brauchen. Ich beobachtete, wie die Ritterrüstungen zu Leben erwachten und sich ebenfalls auf die Todesser stürzten. Ich atmete flach und mein Herz raste, doch ich war immer noch in einer Art Rausch. Überall waren leuchtende Funken zu sehen und man musste sämtlichen Flüchen ausweichen. Ich ging gerade mit gezücktem Zauberstab auf den widerwertigen Travers zu, der mich nur verschmitzt angrinste und dabei seine faulen Zähne entblößte, als etwas anderes Travers‘ und meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Bellatrix kämpfte mit Ginny Weasley und Luna gleichzeitig, die ihr Bestes gaben und sich mit aller Kraft gegen ihre Flüche wehrten. Bellatrix schrie, lachte und zog Grimassen, während sie einem Todesfluch nach dem anderen abfeuerte. Severus, der in meiner Nähe stand, und ich wollten gerade eingreifen, als wir beide von einer rothaarigen Frau beiseite gestoßen wurden. „ NICHT MEINE TOCHTER, DU SCHLAMPE!“ , schrie Molly Weasley, warf ihren Umhang von sich und eilte ihrer Tochter zu Hilfe. Bellatrix lachte nur wieder und beachtete Luna und Ginny jetzt nicht mehr. Sie hatte eine für sie viel interessantere Gegnerin bekommen. Mrs. Weasley rief den beiden Mädchen zu: „ Aus dem Weg!“ und eröffnete das Duell. „Drängt sie nach draußen“ , rief Professor McGonagall laut und wir setzten ihren Befehl um. Wir umkreisten die Todesser und bildeten eine undurchdringbare Kette.

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Langsam gingen unsere Feinde rückwärts aus dem Schloss hinaus. Nur Bellatrix und Mrs. Weasley ignorierten das und kämpften weiter. Ich wollte Mrs. Weasley helfen, doch sie schrie nur: „ Zurück! ZURÜCK! Sie gehört mir!“ Und in der nächsten Sekunde traf ihr Fluch Bellatrix genau ins Herz. Ich sah ungläubig zu, wie sich ihre Augen weiteten und ihr lebloser Körper zu Boden ging. Sie war tot. Eine Sekunde lang war alles still. Dann hörte ich die Wutschreie der anderen Todesser und sie wollten sich erneut auf uns stürzen. Doch wir reagierten schnell und drängten sie weiter zurück. Sie durften nicht wieder ins Schloss. Die Gefahr war viel zu groß, dass Flüche von den Wänden abprallten und zu viel Unheil anrichteten. Unsere Armee betrat die den Rasen vor dem Schloss und das Bild, was sich uns bot, ließ uns alle erstarren. Keine zehn Meter von uns entfernt standen zwei Riesen, die die Wände von Hogwarts niederrissen. Sie grölten und klatschten in ihre riesigen Hände. Ihre Gesichter waren entstellt und sie hatten kaum Zähne in ihren Mündern. Sofort schritten die Lehrer von uns auf sie zu und versuchten sie zu bändigen. Der Rest von uns, der keine Erfahrung mit Riesen hatte, kämpfte weiter gegen die Todesser. Ich wusste nicht mehr, gegen wen ich kämpfte, nur, dass ich zwei von ihnen überwältigen konnte. Plötzlich bebte der Boden unter uns und ich geriet ins Wanken. Ich schaute mich um, um zu sehen, was die Ursache war und sah einen weiteren Riesen auf unsere Gruppe losstampfen. Doch dieser Riese war viel kleiner als die anderen zwei und sah irgendwie sogar jünger aus. Er griff, nicht wie erwartet, die Lehrer und Schüler an, sondern stürzte sich geradewegs auf die anderen Riesen. Ich sah, wie sein großer, schiefer Mund sich öffnete und nur ein einziges Wort herauskam: „ HAGGER?“ Er wiederholte es, immer und immer wieder. „ Hagger? Hagger!“. Ich verstand

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nicht, was dieser Riese eigentlich wollte, doch ich war froh, dass er uns half. Ich sah mich um, damit ich unsere jetzige Situation einschätzen konnte. Bellatrix war tot, Yaxley und Carrow bewusstlos. Trotzdem waren wir immer noch in der Unterzahl. Rote und grüne Funken erhellten die Nacht und die Kampfschreie wurden immer lauter. Meine Hoffnung sank, als ich sah, dass Severus und die anderen es nicht schafften, die Riesen unter Kontrolle zu bekommen. Mir selbst taten alle Knochen weh und mir war schwindelig. Mein Herz raste so sehr, dass es wehtat und ich die Hände auf die Knie stütze, um mich kurz auszuruhen. Bereit, in der nächsten Sekunde weiterzukämpfen. „ Na, sieh mal einer an. Wenn das nicht die kleine Miss Hawkins ist.“ Mein Herzrasen von eben war gar nichts im Vergleich zu der Reaktion, die mein Körper jetzt zeigte. Eine Gänsehaut überzog meinen Rücken, als ich mich zu dem Mann umdrehte, der eben gesprochen hatte. Ich sah in ein Gesicht, was mehr einem Tier als einem Menschen ähnelte. Mir schlug ein übler Geruch entgegen und ich schaute in zwei begierige, dunkelbraune, fast schwarze Augen, die sich vor Verlangen weiteten. Fenrir Greyback! Der letzte Weg Mein Körper versteifte sich, als ich dem Mörder meiner Mutter gegenüber stand. Fenrir Greyback legte den Kopf schief und schaute mich von oben bis unten an. Er machte das auf eine Weise, sodass ich mich dreckig und benutzt fühlte und als er sich dann auch noch genüsslich über die Lippen leckte, verspürte ich einen üblen Brechreiz. „ Du siehst deiner reizenden Mutter verblüffend ähnlich, weißt du das? Zwar hast du andere Haare, doch die Augen sind die Gleichen. Es ist, als ob ich der echten, kleinen Wendy gegenüberstehen würde.“ Ich bebte vor Wut und Rachegelüsten, sodass ich einen Schritt auf ihn

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zumachte. Sofort zückte Fenrir seinen Zauberstab, trat aber nicht einen Millimeter zurück. „Was ist?“ rief er und lachte laut auf. „Willst du etwa Rache üben? Traust du dich das denn überhaupt. Gib es zu, du hast nicht den Mumm dazu!“ Zur Antwort schwang ich meinen Zauberstab und rote Funken stoben daraus hervor. Sofort reagierte Fenrir und wehrte den Fluch ab. Ich sah das Grinsen aus seinem Gesicht verschwinden und sagte laut: „Na, Angst, Greyback?“ Sofort knurrte der Werwolf vor mir und machte Anstalten, anzugreifen. Doch da ließ eine tiefe dröhnende Stimme uns beide zusammenschrecken. Irgendjemand schrie laut: „Rückzug! Rückzug! Los, sofort in den Wald!“ Ich konnte nicht erkennen, wer das gewesen war, doch da auf einmal alle Todesser sich vom Schloss entfernten, ahnte ich, dass es jemand von der dunklen Seite gewesen sein musste. Doch Fenrir stand immer noch vor mir und schien mit sich selbst zu kämpfen. Ich starrte ihn an und umfasste meinen Zauberstab fester. Ich würde ihn nicht entkommen lassen. Doch da zischte Fenrir plötzlich und machte ein paar Schritte rückwärts. Er taxierte mich, schnalzte mit der Zunge, drehte sich abrupt um und rannte in Richtung Verbotenen Wald. „ Komm sofort zurück, du elender Feigling“, kreischte ich ihm hinterher. Ich schaute mich schnell um, ob jemand mich beobachtete. Die meisten Lehrer waren noch mit den Riesen beschäftigt und rannten den Feinden nicht hinterher. Sie waren vermutlich froh, eine Weile ihre Ruhe vor ihnen zu haben. Andere eilten zurück in die Eingangshalle, um sich um die Verletzten zu kümmern. Keiner achtete auf mich und so fackelte ich nicht lange und lief der Gruppe Todesser hinterher. Das war gar nicht so einfach, denn sie waren schnell und bewegten sich lautlos. Meine Turnschuhe konnte man dagegen auf dem Gras meilenweit hören. Ich blieb kurz stehen und zögerte, als ich am Rand des Verbotenen Waldes ankam. Dort drinnen wäre ich auf mich allein gestellt und konnte mich nicht auf die Hilfe der anderen verlassen. Es waren immer noch genug Todesser übrig

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geblieben und ich könnte sie niemals besiegen. Doch das musste ich auch gar nicht. Ich wollte nur einen von ihnen. Mein Rachedurst ging soweit, dass ich bereit war zu sterben, wenn ich Fenrir Greyback nur mit in den Tod riss. Es war verantwortungslos so zu denken, würde ich doch so viele Freunde hier zurücklassen. Doch ich konnte und wollte nicht einfach verschwinden. Ich würde bis an mein Lebensende bereuen, abgehauen zu sein und mir diese Chance entgehen haben zu lassen. Also holte ich einmal tief Luft und setzte meinen Weg fort. Tiefer und immer tiefer ging ich in den Wald hinein und versuchte den leisen Stimmen zu folgen, die ich weit vor mir vernahm. Der Verbotene Wald war etwas ganz anderes als der Wald bei uns daheim. Dort fühlte man sich wohl und heimisch. Man hörte überall Vögel zwitschern und das Rascheln der Zweige, wenn ein Eichhörnchen mal wieder sein Unwesen trieb. Doch hier in diesem Wald hörte man nur eins: die Stille. Nicht ein Tier regte sich, ich hatte mich immer gefragt, ob hier überhaupt Tiere lebten. Ich hatte noch nie eins gesehen. Hier zwischen den kahlen Bäumen war es unbeschreiblich kalt. Es war schwer voranzukommen, denn man stolperte ständig über die mächtigen Wurzeln der Baumstämme. Ich hörte vor mir immer noch die leisen Stimmen und beeilte mich. Ich wusste nicht so ganz, was ich hier eigentlich tat. Sollte ich sie von hinten überraschen oder einfach abwarten? Ich atmete schwer und mittlerweile war mir eiskalt, obwohl Hochsommer war. Ich spähte in die Dunkelheit, um irgendetwas zu erkennen, doch ich hatte keine Chance. Ich hörte nur die Umhänge der Todesser, wie sie über den Boden schliffen. Etwas kitzelte plötzlich in meiner Nase und bevor ich es verhindern konnte, nieste ich leise. Jetzt war es mucksmäuschenstill. Keine Stimmen, keine Geräusche der Umhänge. Ich hielt die Luft an und blieb stehen. Ich drehte mich um mich selbst und hob meinen Zauberstab. Ich versuchte die dunklen Gestalten auszumachen, doch die Nacht wurde mir zum Verhängnis. Diese Stille machte mich wahnsinnig. Ich konnte nur mein eigenes Herz klopfen hören und spüren, wie ich zitterte. Sowohl vor Kälte, als auch vor Angst.

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Ein Zischen und ein Windstoß, dann waren sie da. Ich schrie erschrocken auf, als die Todesser mich plötzlich umzingelten. Sie standen dicht aneinander, sodass es keine Fluchtmöglichkeit gab. Ich schluckte, als ich verstand. Mittlerweile musste der Bann, der über Hogwarts lag, gebrochen sein und man konnte apparieren. Deswegen hatte ich sie nicht gehört. Ich konnte ihre Gesichter nicht erkennen, denn sie hatten sich allesamt die schwarzen Kapuzen über den Kopf gezogen. Ich sah nur ihre Zauberstäbe, wie sie alle auf mich zeigten. Jemand regte sich und ich drehte mich zu demjenigen um. Es war Fenrir und wieder loderte die Wut in mir auf. „ Du bist wirklich lästig, weißt du das?“, sagte er grimmig und verzog sein hässliches Gesicht. Ich knurrte und antwortete bissig: „ Ich werde sofort verschwinden, sobald ich dich erledigt habe“ Ich bekam schallendes Gelächter von allen zur Antwort. Sie kriegten sich gar nicht mehr ein und das machte mich nur noch wütender. Ich hob blitzschnell meinen Zauberstab und feuerte einen Schockzauber auf Fenrir los. Dieser war zwar überrascht, konnte den Zauber aber ohne Probleme abblocken. Jetzt war es wieder still und keiner lachte mehr. „ Lass sie uns mitnehmen. Am Lagerfeuer können wir uns mit ihr ja ein wenig die Zeit vertreiben“, sagte jemand hämisch. Ich wusste nicht, wer es gewesen war, denn ich konzentrierte mich nur noch auf Fenrir. „ Du hast Recht“, antwortete dieser und bleckte seine Zähne, mit denen er schon so viele Menschen getötet hatte. Bevor ich verstand, was geschah, packten mich zwei Todesser an den Oberarmen und schleiften mich mit. Sie hielten es offensichtlich nicht für nötig, mir den Zauberstab abzunehmen, weil ich ja eh keine Gefahr für sie darstellte. Zwei der dunklen Gestalten gingen voraus, darunter auch Fenrir. Ich starrte auf seinen Rücken und wünschte, ich hätte die Bärenkraft von Emmett und könnte ihn ohne Probleme zerschmettern. Wir liefen jetzt schon zehn Minuten durch den Wald. So langsam fing es an wehzutun, dass die zwei Personen links und rechts von mir sich so in meine Arme krallten. Dieser Marsch fühlte sich wie mein letzter an. Ich kam wir vor wie ein altes

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Pferd, was zur Schlachtbank geführt wurde. War das mein letzter Gang? Der Gang in den Tod? Ich konnte es niemals mit allen von ihnen aufnehmen. Ich hätte vielleicht die kleine Chance, zu apparieren und so zu verschwinden, doch damit wäre es immer noch nicht erledigt. Die Todesser würden das Schloss noch einmal angreifen. Und Fenrir Greyback würde keinen Halt machen, bis er mich finden und töten würde. Es war ein Teufelskreis. Die einzige Möglichkeit, die ich jetzt noch hatte, war, dass ich so viele Todesser wie nur möglich mit mir in den Tod riss. Das allererste Mal, seit ich zum Kampf aufgebrochen war, beschäftigte ich mich intensiv mit dem Tod. Ich setzte einen Fuß vor den anderen, während meine Gedanken um ganz andere Dinge kreisten. Ich hatte keine Angst vor dem Tod, nein. Der Tod war nur ein neues, unbekanntes Abenteuer. Aber ich hatte Angst vor den Schmerzen, die mein Dahinscheiden herbeiführen würden. Ich hatte Angst vor den Qualen, die ich zuerst erleiden müsste, bevor die Erlösung kam. Ich erinnerte mich an den Tag auf der Lichtung zurück, als ich gegen Serafina gekämpft hatte und fast gestorben wäre. Ich erinnerte mich an die Schmerzen, als ich dort in meinem eigenen Blut gelegen hatte. Das war schon die Hölle gewesen und ich wusste, dass dunkle Magier noch viel schlimmere Methoden kannten, einem Menschen Schmerzen zuzufügen, sodass sie quasi um den Tod bettelten. Jetzt kam mir etwas ganz anderes als die Schmerzen, zumindest die körperlichen, in den Sinn und mein Herz zog sich zusammen. Jacob! Hatte er den Brief schon gefunden, den ich ihm hinterlassen hatte? Wenn das nicht der Fall wäre, war er dann gerade wütend auf mich und streifte durch den Wald? Und wenn er ihn doch gelesen hatte, wie fühlte er sich dann jetzt? Betrogen? Verlassen? Ich wusste, es würde ihm das Herz brechen, wenn ich jetzt sterben würde und er saß daheim und konnte nichts dagegen tun. Was würde er machen, wenn ich nicht mehr wäre? Auch wenn mir die Luft wegblieb, wenn ich an so etwas dachte, doch ich hoffte wirklich, dass er irgendwann jemanden kennenlernen würde, mit dem er genauso glücklich wäre wie mit mir. Vielleicht würde sich das mit der Prägung ja auflösen, wenn der Mensch starb, auf den man sich geprägt hatte. Das wäre wirklich mein Wunsch, sodass Jacob darüber hinwegkommen könnte. Irgendwann. Und wenn die Prägung doch anhielt? Was würde er dann tun? Ich ahnte es und mir lief ein eiskalter Schauer

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über den Rücken. Jake würde versuchen, sich umzubringen, um wieder bei mir zu sein. Doch ich bezweifelte, dass das möglich war. Konnte ein Werwolf überhaupt Selbstmord begehen? Bestimmt würden Sam und die anderen ihn daran hindern, oder? Sie konnten doch nicht zulassen, dass einer ihrer Brüder den Freitod wählte und diese Welt wegen eines Mädchens verließ. Wegen eines dummen, kleinen Mädchens. Ich bereute es langsam, ihn nicht mitgenommen zu haben. Ich wollte Jacob jetzt bei mir haben. Ich wusste gar nicht mehr, wann ich ihn das letzte Mal geküsst hatte, aber es kam mir wie eine Ewigkeit vor. Ich wollte seinen warmen Körper neben mir spüren und ihn noch ein letztes Mal in die braunen Augen blicken. Noch ein letztes Mal seine Lippen und seinen Atem auf meiner Haut spüren… Ein heller Schein riss mich aus meinen Gedanken. Ich blinzelte irritiert, als wir plötzlich auf eine kleine Lichtung traten, auf der ein großes Lagerfeuer brannte. Die Bäume uns herum bekamen durch den flackernden Schein der Flammen eine unheimliche Aura verliehen. Sie schienen Zeugen dieses Spektakels zu sein. Ich sah mich um und erstarrte, als ich eine sehr große Gestalt an einem Baum gefesselt sah. Ich erkannte das Gesicht mit den dichten Augenbrauen, einem langen braunen Bart, passend zu den langen, verzottelnden Haaren. Das war Rubeus Hagrid, der Wildhüter von Hogwarts. Ich hatte ihn einst in „Pflege magischer Geschöpfe“ als Lehrer gehabt. Er war als Lehrkörper unbrauchbar, doch er war immer ein freundlicher und zuvorkommender Mann gewesen. Als alle auf der Lichtung versammelt waren, richtete Hagrid seinen Kopf auf und sah mich. Er erkannte mich sofort. „ MICHELLE!NEIN!“ Hagrids massiger Körper sträubte sich verzweifelt, um mir zu helfen, und schüttelte die Äste über ihm. „ NEIN! NEIN! MICHELLE, WAS WILLST’N -?“ „ RUHE!“, schrie einer der Todesser, Rowle, und brachte Hagrid mit einem

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Schlenker seines Zauberstabs wieder zum Schweigen. Ich hörte das Flackern des Feuers und seltsamerweise beruhigte mich das. Ich dachte nicht mehr an den Tod, sondern an die Aufgabe, die vor mir lag: den Mörder meiner Mutter töten. Endlich ließen mich die zwei Todesser los und ich rieb mir die schmerzenden Arme. Es war unmöglich für mich, zu entkommen, denn die schwarzen Gestalten standen immer noch zu nah bei mir. Wir alle näherten uns den Flammen und mir wurde wärmer. Ich sah, wie sich einige der Todesser um das Feuer stellten und einige in meiner Nähe blieben. Fenrir Greyback stand etwas abseits und kaute an seinen langen Fingernägeln . Als er bemerkte, dass ich ihn beobachtete, hörte er damit auf und grinste hämisch. „ Was starrst du mich so an?“, fragte er gespielt neugierig. Sofort machte ich wütend ein paar Schritte auf ihn zu und hob meinen Zauberstab. Die Todesser reagierten sofort und stellten sich mir in den Weg. Doch ich hörte Fenrirs Stimme, die rief: „ Nein, lasst sie ruhig durch. Sie soll sagen, was sie zu sagen hat.“ Die Todesser traten zur Seite und ich sah Fenrir, wie auch er mit erhobenem Zauberstab dort stand. „ Ich hab eigentlich nur eine Frage“, rief ich laut. „ Schieß los, Kleine“, antwortete er gelangweilt. „ Warum meine Mutter? Warum Wendy?“ Diese Frage hatte ich mir schon sooft gestellt. Warum ausgerechnet sie? Es lebten so viele Menschen auf dieser Welt, warum musste ausgerechnet meine Mutter den Tod finden? „ Ganz einfach.“, sagte Fenrir in diesem Augenblick. „ Sie ist selbst daran schuld!“ „ Wie bitte?“, fragte ich ihn entsetzt. Ich hätte mit allem gerechnet, aber nicht mit so etwas. Fenrir nickte und fuhr fort: „ Ich bin mit deiner Mutter zur Schule gegangen. Wir besuchten beide dieselben Kurse. Ich muss zugeben, dass sie mir gefallen hat, doch sie wies mich immer wieder ab. Sie ließ mich nicht in ihre Nähe. Als ich hörte, dass sie diesen nichtsnutzigen Nichtmagier heiraten wollte, kochte ich vor Wut und ich schwor mir, sie irgendwann dafür büßen zu lassen. Sie hat nicht auf meine Briefe reagiert, wollte nichts von mir wissen.“

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„ Und deshalb musste sie sterben?!“, schrie ich ihn mit Tränen in den Augen an. „ Ganz recht. Sie war ziemlich delikat, muss ich schon sagen. So weiche Haut…“ Ich machte blitzschnell einen Satz nach vorne und eröffnete das Duell. Rote und grüne Funken stoben durch die rabenschwarze Nacht. „ Helft mir nicht. Sie gehört mir“, rief Greyback den anderen zu. Wir umkreisten uns, während der Rest der Todesser uns unruhig beobachtete. Ich spürte die Hitze des Feuers in meinem Rücken und machte ein paar Schritte nach links, um nicht hineinzufallen. Ich versuchte immer wieder, Fenrir zu schocken, doch es gelang mir nicht. „ Ist das alles was du kannst?“, lachte er laut auf. Mir traten die Schweißperlen auf die Stirn und ich konzentrierte mich wie noch nie in meinem Leben. Mein Gegner feuerte einen neuen Fluch auf mich ab und ich warf mich zu Boden, um auszuweichen. Ich lag auf dem Waldboden und wollte schnell wieder aufspringen, doch ich war zu langsam. „Crucio!“ Genau davor hatte ich mich gefürchtet. Vor dem Cruciatus- Fluch. Ich wand mich unter Höllenqualen. Meine Gliedmaßen verkrampften sich und ich nahm nur noch den Schmerz wahr. Meine Augen traten hervor, ich ballte die Fäuste, um nicht zu schreien. Das wollte Greyback, mich dort schreien sehen, das gab ihm den Kick. Doch den Gefallen würde ich nicht tun. Ich versuchte, den Schmerz zu verdrängen, der durch meinen Körper schoss. Ich stellte mir Jacobs Gesicht vor, wie es mich anlächelte. Ich sah uns beim Schlittschuhfahren, bei unserer ersten richtigen Verabredung im Kino und bei unserem ersten Kuss. Fenrir löste plötzlich den Fluch von mir und ich keuchte auf. Ich lag auf der Erde und konnte mich nicht rühren. Ich zitterte und mir flossen Tränen übers Gesicht. Nicht wegen der Schmerzen, sondern wegen Jacob. Meinem Wolf, den ich nie wieder sehen würde. Ich hörte, wie Fenrir ein paar Schritte auf mich zumachte und ich fasste neuen Mut. Ich rappelte mich auf und sah, dass er mir näher war als erwartet. Ich konnte seinen faulen Atem riechen. „ Was ist? Schon müde?“, fragte er keck. Dann lachte er und alle anderen Todesser fielen mit ein. Greyback hielt sich den

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Bauch vor lachen und ließ den Zauberstab für eine Sekunde neben seinem Körper hängen. „Avada Kedavra!“ Ich hatte noch niemals den Todesfluch bei jemand angewandt und umso erstaunter war ich, wie leicht er über meine Lippen ging. Ein grüner Lichtblitz erhellte die Dunkelheit und traf Fenrir genau in die Brust. Ich sah noch, wie das Licht in seinen Augen erlosch und dann fiel der Mörder meiner Mutter tot zu Boden. Das Lachen war verstummt. Die Todesser sahen mich entgeistert an und schienen nicht zu verstehen, was hier sich eben abgespielt hatte. Ich blieb wie angewurzelt stehen und starrte auf die Leiche vor mir. Es war ein befriedigendes Gefühl. Endlich hatte ich Rache genommen. Das brachte mir meine Mutter zwar nicht mehr zurück, doch jetzt konnte Greyback niemanden mehr das antun, was er uns angetan hatte. Endlich kam Bewegung in die Körper der anderen Gestalten. Wutschreie waren zu hören. „ Tötet sie!“ „ Sie hat Fenrir getötet“, „ Lasst dieses dreckige Halbblut dafür büßen!“. Rowle kam bedrohlich schnell auf mich zu, sodass ich nicht reagieren konnte. Er legte seine Hände um meine Kehle, hob mich hoch und drückte zu. Ich bekam keine Luft mehr und zappelte mit meinen Beinen in der Luft herum. Ich wollte meinen Zauberstab heben, doch meine Kräfte verließen mich und ich ließ ihn fallen. Rote und lila Punkte tanzten vor meinen Augen und ich konnte Rowles Gesicht kaum noch erkennen. Ich hörte nur noch das Klatschen und Jubeln der Todesser um uns herum. Dann hörte man in der Nähe ein lautes, drohendes Wolfsgeheul erklingen. Es passierte so schnell, dass ich nicht mehr wusste, wo oben und unten war. Etwas Großes stürzte sich auf Rowle, sodass er schrie, mich losließ und ich zu Boden fiel. Als ich hastig wieder aufblickte, sah ich gerade noch, wie ihm der

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Kopf abgerissen wurde und dieser zu Boden fiel. In den leblosen Augen des abgetrennten Kopfes sah man noch das Entsetzen. Ich starrte die Kreatur, die Rowle gerade so kaltblütig getötet hatte an und schrie dann entsetzt auf. „ Jacob!!!“ Der rostbraune, große Wolf sah mich kurz an und nickte darauf hin. In der nächsten Sekunde waren noch mehr Wölfe zu hören und das ganze Rudel kam zwischen den Bäumen hervor. Sie waren alle da: Sam, Paul, Embry, Jared, Quil und vier andere Wölfe, die ich nicht kannte. Sie alle stießen ein bedrohliches Knurren aus und griffen die Todesser an. Nach dem ersten Schock fassten sich die Todesser wieder und zückten alle ihre Zauberstäbe. Es ging alles so schnell, dass ich erst nach einiger Zeit kapierte, was sich hier abspielte. Ich hastete zu meinem Zauberstab und hob ihn auf. Als ich wieder aufstand sah ich etwas, was mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. Einer der beiden Riesen von vorhin trampelte auf die Lichtung und hätte fast Embry erwischt, der sich gerade auf einen Todesser stürzen wollte. Sofort griffen drei der Wölfe das Monstrum an, darunter auch Jake. Ich stolperte gerade auf den Riesen zu, um dem Rudel zu helfen, da hörte ich wieder, wie sich mehrere Personen uns schnell näherten. Ich erstarrte, als die komplette Cullen-Familie plötzlich am Rand der Lichtung stand. Sie erfassten eine Millisekunde lang die Situation und rasten dann in verschiedene Richtungen. Ich sah die lange, blonde Mähne von Rosalie an mir vorbeizischen. Was zur Hölle machte sie hier? Doch ich hatte keine Zeit, mich mit dieser Frage auseinanderzusetzten, denn da griff ein Zauberer mich an. Ich duellierte mich mit diesem hartnäckigen Kerl und war gerade dabei, zu gewinnen, als Emmett aus dem Nichts auftauchte und ihn ohne Anstrengung in Stücke riss. Ich schrie nur vor Überraschung und Entsetzen, während er mich kurz angrinste und sich dann einen neuen Gegner suchte.

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Es waren nur noch grüne Funken überall zu sehen, so sehr flogen die Todesflüche der Todesser durch die Gegend. Ich betete zu Gott, dass sie meine Freunde verfehlten. Ich stolperte vorwärts und schockte einen kleinen Zauberer, der seinen Zauberstab auf die zarte Esme gerichtet hatte. Sie lächelte mich kurz an und sprang dann hoch in die Luft, um einen anderen Todesser zu entkommen. Plötzlich trat jemand neben mich. Ich wollte schon den nächsten Fluch abfeuern, da sah ich, dass es Claudia war. Sie lächelte mich an, zwinkerte und stürzte sich in den Kampf und ich ebenfalls. Der Riese trat in diesem Moment mit seinen großen Füßen in das Lagerfeuer hinein und jaulte laut auf. Seine Wut ließ er an dem Rudel aus und er schlug mit seiner kräftigen Hand Paul in die Seite, sodass dieser durch die Luft flog und gegen einen Baumstamm knallte. Ich keuchte auf und rannte zu ihm hin, wobei ich den Flüchen und den anderen Wölfen ausweichen musste. Ich kniete mich neben Paul hin und sah mir seine Verletzung an. Ich stellte verwundert fest, dass sich die blutende Wunde an seinem Bauch von alleine schloss und sich die Knochen des Wolfes anscheinend von allein wieder einrenkten. Paul rappelte sich wieder auf, legte seine Pranke kurz auf meine Schulter und verschwand dann wieder im Kampfgetümmel. „ Bella!“, hörte ich Edward schreien. Mein Herz setzte für einen kurzen Augenblick aus, als ich meine Vampirfreundin suchte. Ich sah sie mit zwei Todessern gleichzeitig kämpfen. Es machte mich wütend, dass sie so feige waren und zu zweit auf sie losgingen. Ich rannte an den Wölfen, Carlisle, Jasper und Alice vorbei, die sich jetzt alle gemeinsam um den Riesen kümmerten, der es jetzt langsam mit der Angst zu tun bekam. Ich ließ einen Fluch auf einen der Todesser los, der mit Bella kämpfte. Edward kam mir zu Hilfe und brachte ihn mit wenigen Handgriffen zur Strecke. Bella versetzte dem anderen Gegner gerade den Todesstoß und sah mich stolz an. Sie nahm Edward an die Hand und gemeinsam stürzten sie sich wieder in die Schlacht. Ich stand da und suchte jemanden, dem ich helfen konnte. Es mussten jetzt

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noch genauso viele Todesser wie Vampire und Werwölfe geben, doch der Riese machte mir immer noch Kummer. Er war stur und sah es gar nicht ein, gegen ein paar Wölfe den Schwanz einzuziehen. Plötzlich spürte ich einen kalten Windhauch im Nacken, der mir eine Gänsehaut verursachte. Ich drehte mich um und erstarrte, als vier große Gestalten auf mich zugerannt kamen. Ich erkannte, dass es Zentauren waren, halb Mensch, halb Pferd. Ich sah, dass an der Spitze der Gruppe Firenze ritt, der friedlichste von allen, der für kurze Zeit einmal in Hogwarts unterrichtete. Doch jetzt sah er gar nicht mehr friedlich aus. Keiner von ihnen tat das. Ihre Gesichter waren vor Wut und Kampfrausch verzerrt und sie kamen mit erhobenem Pfeil und Bogen auf uns zugerannt. Ich schrie gerade noch: „ Nicht die Wölfe und die Vampire! Sie gehören zu uns!“, als die Zentauren brüllend an mir vorbeipreschten. Schreie hallten über die ganze Lichtung. Vampire, Wölfe und Zentauren kämpften Seite an Seite gegen die Todesser. Ich konnte in dem Getümmel nichts mehr erkennen, alles war von roten und grünen Lichtern erhellt. Ich spähte hinüber zu dem rabenschwarzen Sam, der einen besonders kräftigen Todesser gerade in die Enge trieb. Sam knurrte und machte sich bereit zum Sprung, seine Augen aber noch wachsam auf den Zauberstab seines Gegners gerichtet. Dieser schrie gerade: „ Avada…“ Doch er kam nicht dazu, den Todesfluch auszuführen denn er fiel plötzlich über eine besonders hohe Wurzel eines Baumes. Er krachte zu Boden und das war Sams Augenblick. Ich wandte den Blick ab, als Sam seinen Körper zerfleischte und seinem elenden Leben ein Ende bereitete. Ich attackierte gerade noch einen Gegner, der auf Edward losstürmen wollte, als dieser ihm den Rücken zuwandte. Ich sah zum Horizont und bemerkte, dass es langsam hell wurde. Der Morgen brach heran. Ein lautes Krachen war zu hören und ich drehte mich herum. Der Riese war am Ende seiner Kräfte und fiel zu Boden, wobei er noch zwei weitere Todesser unter sich begrub. Ich sah mich verblüfft um. Es war kein Todesser mehr zu sehen. Es war mucksmäuschenstill. Keine Flüche

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mehr, keine grünen Lichter, keine Kampfgeräusche. Überall auf dem Waldboden verstreut lagen die Leichen der dunklen Zauberer, die versucht hatten, meine Freunde auszulöschen. Ein riesiger, rostbrauner Wolf trat neben mich und setzte sich hin. Mein Herz raste vor Freude und ich wollte Jacob gerade glücklich um den Hals fallen, da sah ich seinen Gesichtsausdruck. Sein Blick war traurig und verletzt. Genauso schauten auch die anderen Wölfe des Rudels. Warum freuten sie sich nicht? Unsere Welt war gerettet, wir hatten es geschafft!! Selbst Claudia, die neben Embry stand, schaute finster. Alle ließen den Kopf hängen und schauten auf etwas, was außerhalb meines Blickwinkels lag. Mit lautem Herzklopfen folgte ich ihren Blicken. Ich erstarrte, als ich das etwa drei Meter von mir entfernte Häufchen Asche liegen sah, was ganz bestimmt nicht von dem erloschenen Lagerfeuer herrührte. Panisch schaute ich auf und suchte die Reihe der Cullens ab, die ebenfalls wie versteinert dort standen. Ein Vampir fehlte. Warum blieb die Welt nicht stehen? Ich fiel. Und fiel. Und fiel immer weiter. Der Boden unter meinen Füßen war weggerissen worden. Die Dunkelheit verschluckte mich und ich fand keinen Ausweg. Der Schock und das Entsetzen hatten Besitz von mir begriffen. Nichts anderes fühlte ich mehr. Meine Welt schien in tausend Teile zu zersplittern. Und ein besonders großer Splitter rammte sich in mein Herz, der sich für immer dort

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festsetzten würde, um mich daran zu erinnern, was ich getan hatte. Woran ich schuld war. Ein Leben wurde meinetwegen ausgelöscht, das Leben eines wunderschönen Vampirs. Meinetwegen war jemand aus dieser Welt entrissen worden, nur um mir zu helfen. Jemand war verschwunden, hatte eine Lücke hinterlassen, die keiner füllen konnte. „ Alice…“, flüsterte ich. Die kleine, zarte Alice. Sie war wie eine Schwester für mich gewesen. Nein, sie WAR meine Schwester gewesen. Ich konnte nicht begreifen, was hier gerade geschah. Keiner regte sich. Keine Hexe, kein Zentaur, kein Werwolf und kein Vampir. Niemand rührte sich. Alle starrten nur auf das kleine Häufchen Asche, was einmal Alice gewesen war. Ich hatte das Gefühl, ich würde selbst verbrennen, als ich dorthin sah. Schnell wandte ich den Blick ab und sah zu den Cullens. Zu den Cullens, die jetzt nicht mehr vollständig waren. Die jetzt Eine von sich verloren hatten. Esme krallte sich an ihrem Ehemann fest, als ob sie gleich die Beherrschung verlieren würde. Carlisle achtete nicht auf sie, sondern schaute ins Leere. Er war der älteste Vampir von seiner Familie, aber ich glaubte nicht, dass er in diesen vielen hundert Jahren, die er jetzt schon existierte, jemals so ausgesehen hatte. So voller Schmerz. Mein Blick wanderte weiter zur hübschen Bella, die sich zitternd an Edwards Schulter lehnte. Dieser vergrub sein bleiches Gesicht in ihren langen Haaren und ich hörte wieder diesen Ton, den ich schon damals auf der Lichtung gehört hatte. Eine Art Glucksen. Esme hatte mir erklärt, dass Vampire keine Tränen vergießen konnten. Aber sie konnten trotzdem weinen, ihren Schmerz ausdrücken. Rosalie schien diejenige zu sein, die sich am schnellsten wieder sammelte. Ihr Gesichtsausdruck war hart und sie schaute nicht auf das Häufchen Asche. Doch ich wusste, dass das nur eine Fassade war, dass die schöne Blondine stark sein wollte. Sie wollte Kraft zeigen, obwohl ihre Schwester gestorben war. Als ich Emmett, der mit kleinem Abstand zu Rose stand, anschaute, erschrak ich. Ich hätte niemals geglaubt, dass jemals so viel Leid in den Augen dieses bulligen,

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humorvollen und überdrehten Mann zu finden war. Sein Kopf war gesenkt und seine starken Arme hingen schlaff neben dem Körper. Dann sah ich Jasper und ich hatte in meinem Leben noch nichts Schlimmeres gesehen. Ich beobachtete, wie er schluckte und die Zähne aufeinander biss. Er war der erste, der sich bewegte. Er ging auf wackligen Beinen auf das Häufchen Asche zu. Er wankte dabei hin und her und hatte keine Kontrolle mehr über seinen Körper. Er war nicht länger der Vampir mit den Superkräften und der außergewöhnlichen Beherrschung. Er war ein Mensch. Ein Mensch, der gerade seine zweite Hälfte verloren hatte. Ich schluckte den Kloß in meinem Hals herunter, als Jasper sich niederließ und sich vor den Haufen Asche kniete. Er war vollkommen still, starrte nur auf das, was von seiner Alice übrig geblieben war. Ich spürte, wie mich meine Kräfte verließen und ich stemmte mich gegen Jacobs Schulter. Der große Wolf reagierte sofort und legte seine Wange an meine. Ich hielt die Augen geschlossen, damit er nicht sah, dass ich Tränen in den Augen hatte. Und dann ging es los. Jaspers Schrei hallte über die ganze Lichtung, über den ganzen Wald. Der Schrei des trauernden Vampirs war das Grausamste, was ich je gehört hatte. Jasper legte seinen Kopf in den Nacken und schrie seinen Kummer und seine Wut in die Welt hinaus. Ich hätte niemals gedacht, dass er so die Fassung verlieren konnte. Jasper war immer der ruhigste und unauffälligste Vampir von allen gewesen, doch jetzt war er der Mittelpunkt der Gruppe. Das Rudel, die Zentauren, die Cullens, Claudia und ich sahen ihn an und spürten seinen Schmerz. Plötzlich sprang Emmett auf und eilte auf Jasper zu. Ich stockte, als er hinter seinem Bruder in die Hocke ging und die Arme um ihn schlang. Er hielt ihn fest, doch Jasper schrie und schrie immer weiter.

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„ Neeeeeiiiiin!“. Emmett versuchte seinen Bruder zu beruhigen, doch er selbst verlor jetzt die Beherrschung, zitterte und gluckste. Diese Szenerie war zu viel für mich. Ich schlug mir die Hand vor den Mund und wandte der Gruppe den Rücken zu. Ich keuchte und die Tränen kullerten über meine Wangen. Ich schluchzte und konnte nichts dagegen tun. Sofort hörte ich hinter mir einen Knall und Jacob verwandelte sich zurück. Ich spürte seinen warmen Oberkörper, als er mich umarmte und mich festhielt. Doch seine Nähe konnte mir dieses Mal nicht helfen. Dieses Mal konnte er meine zerbrochene Welt nicht wieder heil machen. Ich legte meine Stirn an seine Brust und die Tränen fielen auf seine braungebrannte, weiche Haut. Sie liefen an seinem Körper entlang nach unten und ich sah, wie viele Tränen es waren, die ich vergoss. „ Ssscht, Michelle“, versuchte Jacob mich zu beruhigen und küsste mich aufs Haar. Das verschlimmerte alles nur noch und mein Wimmern wurde lauter. Meine Alice! Meine geliebte Alice. Warum hatte sie mich verlassen? Warum hatte sie uns alle verlassen? Ich hörte, wie sich hinter mir jemand bewegte. Ich löste mich von Jake und sah hinüber. Alle außer Emmett und Jasper, die immer noch vor der Asche knieten, hatten sich zusammengestellt und redeten so schnell und leise miteinander, dass ich nichts verstand. Plötzlich spürte ich, wie jemand meine Hand nahm. Es war Claudia, die sich mir mit tränennassem Gesicht zuwandte. Ich umarmte sie und vergrub mein Gesicht in ihren goldenen Locken. Diese rochen nach Kokos und dieser Geruch war es, der mich ein wenig beruhigte. Mein Zittern wurde weniger, doch ein Tränenschleier erschwerte mir immer noch das Sehen. In diesem Moment flüsterte Claudia mir ins Ohr: „ Wir müssen hoch ins Schloss, Michelle.“ Ein weiterer Knall ertönte und Embry stand plötzlich neben uns. „ Was? Nein, Claudi, du wirst nicht gehen! Auf gar keinen Fall, das ist viel zu gefährlich. Wir gehen jetzt sofort heim.“ Jacob klinkte sich mit ein. „ Er hat Recht. Ihr werdet nicht gehen“. Dabei schaute er mich besorgt an, doch das nahm ich nur am Rande wahr. Mein Körper stand zwar hier auf der Lichtung, doch meine Seele war wo anders. Sie war bei meiner Schwester. Bei Alice, wo immer sie auch war. Als kleines Kind hatte ich mir den Himmel immer als den Ort vorgestellt, wo die Träume geboren wurden, wo dir niemand mehr etwas anhaben konnte, denn du warst in deiner eigenen, perfekten Welt. Alice war jetzt in ihrer eigenen

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perfekten Welt und würde nicht mehr in unsere zurückkehren. „ Macht euch keine Sorgen, wir kommen mit“, sagte plötzlich Carlisle. Seine Stimme war nicht mehr so schön wie ein Glockenspiel, sie war auf einmal rau und er hörte sich wie ein alter Mann an. „ Wie bitte?“, fragte ich ihn entsetzt. „ Rosalie und ich werden hier bei Jasper bleiben. Klärt ihr im Schloss, was ihr noch zu klären habt.“, antwortete Esme und senkte dabei den Blick. Warum taten sie das? Sie hatten gerade ein Familienmitglied verloren und ich war daran schuld. Warum wollten sie mir helfen, warum wollten sie überhaupt noch etwas mit mir zu tun haben? Wollten sie denn keine Rache? Wollten sie mich denn nicht umbringen? Edward knurrte und war mit einem Satz bei mir. Jake reagierte blitzschnell und stellte sich vor mich. „HEY! Was soll das?“, rief er aufgebracht. „ Tritt zur Seite Jacob“, antwortete Edward bedrohlich. „ Ich denk erst gar nicht daran! Was willst du von ihr?“ „ Das werde ich dir sagen. Ich werde deiner Freundin jetzt gründlich den Marsch blasen und ihr meine Meinung zu der absurden Sache sagen, die sie gerade gedacht hat!“ Jake war vor den Kopf gestoßen und sah mich nur fragend an. Ich schüttelte meinen Kopf und drehte mich zu Seite. „ Siehst du? Sie will nicht mit dir reden.“ Jetzt fingen die beiden auch noch an, sich zu zanken, bis ein Wutschrei die zwei unterbrach. „ Könnt ihr beiden nicht die Klappe halten?!“, schrie Emmett wütend, der den noch immer zitternden Jasper im Arm hielt. Edward und Jacob hörten auf, sich zu streiten und Bella stellte sich zu uns. „ Im ernst, Michelle. Wir kommen mit. Danach können wir alle nach Hause gehen und alles vorbereiten für…für die Beerdigung“, sagte sie mit leiser Stimme. Die anderen Vampire setzten sich jetzt in Bewegung, nur Rosalie und Esme blieben und kümmerten sich jetzt zusammen mit Emmett um Jasper. Jacob und Embry waren immer noch nicht überzeugt von der Sache, doch sie willigten ein. Sam und der Rest vom Rudel wollten ebenfalls hier auf der Lichtung bleiben. Also setzten Claudia, Embry, Jacob, Edward, Bella Carlisle und ich unseren Weg fort. Wir durchquerten mit schnellen Schritten den Wald, wobei keiner von uns ein Wort sprach. Als wir den Wald verließen und das Schloss in Sicht kam, blieben die Vampire und die Werwölfe stehen. Mit offenen Mündern bestaunten sie Hogwarts und seine Ländereien. Wenigstens sahen sie heute zumindest eine schöne Sache. Ich verschränkte meine Finger in

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Jacobs, der mir sofort über den Handrücken strich. Während wir auf das Gebäude zueilten, sah ich vor mir immer wieder die strahlende Alice. Sie war so voller Energie gewesen. Ich hätte mir niemals vorstellen könnten, dass es mit ihr irgendwann zu Ende gehen könnte. Auf meine Kosten. Vor dem Schloss auf der Wiese lag einer der toten Riesen, sonst war alles leer. Claudia und ich gingen voran und öffneten die große Eingangstür. Die anderen folgten uns, doch auch die Eingangshalle war leer. Nervös schaute ich mich um. Da schien Edward plötzlich etwas mit seinen feinen Vampirohren zu hören, denn er eilte los und führte unsere Gruppe einen Gang entlang. Einige Sekunden später standen wir in der Großen Halle. Die vier Haustische, die sonst dort standen, waren zur Seite geschoben worden. Als ich sah, was stattdessen auf dem Boden zu sehen war, schlug mein Herz unkontrolliert und mir wurde übel. Auf dem Steinboden der Großen Halle lagen Leichen. Claudia reagierte genauso wie ich und stürzte in die Menschenmenge, die sich um die einzelnen Toten versammelt hatten. Ich ließ Jacobs Hand los und folgte ihr. Ich drängte mich an den Menschen vorbei, schubste sie zur Seite um zu sehen, wen ich außer Alice noch alles verloren hatte. Dabei schlug mein Herz so laut, dass es bestimmt in ganz Hogwarts zu hören war. Und dann sah ich sie. Dort lagen, in Decken eingehüllt und mit geschlossenen Augen, Remus Lupin und seine Frau Tonks. „ Neeeeiiiin“. Mein Schrei hallte von den Wänden wieder. Die Zauberer um uns herum drehten sich nach mir um. Ich schrie so laut, dass es mir selbst in den Ohren wehtat. Tränen liefen über mein Gesicht und ich brach zusammen. Doch Jacob fing mich auf. Er hielt mich fest umklammert und zog mich von den Toten weg. Seine starken Oberarme schlossen sich um mich und ich wollte ihm entkommen. Mich ihm entreißen, um zu Remus und Tonks zu rennen und sie wachzurütteln. Sie schliefen bestimmt nur.

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Sah denn keiner, dass man sie nur aufwecken musste? Ich kämpfte gegen Jakes Griff und schrie, doch es half nichts. Ich sah jetzt bestimmt so aus wie Jasper, der von Emmett zurückgehalten wurde, damit er nicht die Kontrolle verlor. Doch das war bei mir zu spät. Jacob konnte mich nicht beruhigen. Das konnte keiner. Ich sah, wie Claudia sich in Embrys Arme warf und ihren Tränen freien Lauf ließ. Als ich an ihr vorbeiblickte, sah ich sieben Personen, allesamt mit feuerrotem Haar. Sie umzingelten eine Leiche am Boden und weinten hemmungslos. Ich versuchte einen Blick auf denjenigen zu erhaschen und schließlich erkannte ich ihn. Es war Fred Weasley. Fred, ein Freund aus meinem ehemaligen Quidditschteam, der mich mit seinem Zwillingsbruder George immer zum Lachen gebracht hatte. Das war zu viel für mich und ich sackte in Jacobs Armen zusammen. ------------------------------------------------------------------------------------------- „ Wird sie wieder gesund, Professor?“, hörte ich Claudias besorgte Stimme sagen. „ Ja, sie wird jede Sekunde aufwachen, dafür sorgt der Trank schon“. Das war eindeutig Severus und das brachte mich dazu, die Augen aufzuschlagen. Ich sah nur verschwommen, doch das, was ich sah, erinnerte mich an einen Engel. Jacob war über mich gebeugt und sah mich zärtlich an. „ Gott sei Dank“, rief er, schlang seine Arme um mich und hielt mich ganz fest. Ich sah mich um und sah einen Teil der Cullens um mich herum. Bella schien erleichtert zu sein, dass ich wieder aufgewacht war, doch sogleich verzerrte sich ihr Gesicht wieder schmerzlich, angesichts Alices Tods. Jacob half mir, aufzustehen und ich konnte einigermaßen sicher stehen. „ Hallo Severus“, begrüßte ich meinen alten Zaubertranklehrer erschöpft. Er lächelte mich an und legte einen Arm um meine Mitte, was Jake nur ungern zuließ. „Wie geht es dir?“, fragte er unsicher. „ Den Umständen entsprechend.“ Ich wollte jetzt nicht über Alice sprechen. Nicht über den Verlust, an dem ich schuld war. Carlisle räusperte sich jetzt unauffällig. „ Michelle, ich weiß, dass es schwer für dich ist, das hier alles zurückzulassen, doch wir sollten jetzt gehen. Wir gehören hier nicht her.“ Er hatte Recht.

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Sie alle gehörten nicht hierher, ich auch nicht. Ich musste mich von all dem verabschieden. Severus ergriff das Wort: „ Ich werde euch einen Portschlüssel bereitstellen. Könntet ihr Michelle und mich bitte noch einmal kurz alleine lassen?“ Ich nickte den anderen zu, wobei Jacob mich nur ungern alleine ließ. Doch auch er ging mit den anderen hinaus. „ Michelle. Warum bist du heute hierhergekommen?“. Ich stutzte. Mit solch einer Frage hatte ich wirklich nicht gerechnet. „ Was meinst du?“ „ Wir wissen beide, dass du nicht nur gekommen bist, um uns zu helfen und die Zauberwelt vor dem Bösen zu retten“. Ich schluckte. „ Du hast Recht. Ich wollte Rache. Ich habe Fenrir getötet.“ Severus seufzte. „ Ja, davon habe ich schon gehört. Ich bin stolz auf dich, dass du es geschafft hast. Und deine Mutter wäre bestimmt auch stolz auf dich. Doch jetzt musst du zu deinem Vater zurück gehen.“ Ich nickte und wollte mich gerade von ihm verabschieden, doch da durchsuchte er plötzlich seinen schwarzen Umhang nach etwas. „ Warte, ich hab hier etwas für dich“, sagte er. Eine kleine Flasche kam zum Vorschein, in der sich eine klare, violette Flüssigkeit befand. „ Was ist das?“, fragte ich ihn. „ Ich habe mitbekommen, dass du dir Sorgen um Jacob und dich machst, weil du älter wirst und er nicht. Das sollte das Problem aus der Welt schaffen, du musst nur einmal im Jahr ein Schluck davon nehmen und du bleibst ein Leben lang süße achtzehn.“ Er hielt mir den Trank entgegen, doch ich wollte ihn nicht. Ich wollte nicht mehr ewig jung bleiben. Was machte es für einen Sinn, ewig zu leben, wenn die Welt um einen herum schwarz war und nur noch Trauer und Schmerz für einen bereit hielt? „ Nun nimm schon!“, drängte Severus. Ich nahm die Flasche und stopfte es in meine Hosentasche. Severus hatte den Trank extra für mich zusammengebraut und ich wollte ihn nicht enttäuschen. Daheim würde ich ihn direkt ins Klo kippen. „ Danke für alles. Leb wohl Severus!“ „ Leb wohl. Lass mal von dir hören. Und ich wünsche dir jetzt ganz viel Kraft für diese Zeit“. Er überreichte mir noch den Portschlüssel, einen alten Stiefel, küsste mich auf die Stirn und dann verließ ich Hogwarts für immer. ------------------------------------------------------------------------------------------------

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Eine halbe Stunde später befand ich mich mit den Anderen wieder im Wald von Atlanta. Alle standen sie dort. Nein, nicht alle. Wieder fühlte es sich so an, als ob ein Dolch mein Herz durchbohrte, als ich an Alice dachte. Jasper hielt einen kleinen Samtbeutel, den Claudia herbeigezaubert hatte, in den Händen, in dem sich Alices Asche befand. Es schien, als ob ein Trauerschleier über dem gesamten Wald lag. Esme war noch bleicher als sonst, wenn das überhaupt ging. Carlisle sonst so ordentlich gekämmtes, blondes Haar war total zerzaust. Edward und Bella lagen einander in den Armen und Emmett hielt zu meiner Überraschung die Hand von Rose. Jasper stand gekrümmt und mit hängenden Schultern da. Er stand immer noch unter Schock und war nicht ansprechbar. Embry und Claudia standen neben Jake und mir. Dieser legte seine warme Hand auf meine Schulter und ich verstand. Die Zeit war gekommen, mit den Cullens zu sprechen. „ Hört ihr mir bitte kurz zu? Ich habe euch seit fast einem Jahr nicht mehr gesehen und es tut mir Leid, dass unser Wiedersehen so enden musste. Es tut mir alles so schrecklich Leid. Ich wollte euch beschützen, habe aber genau das komplette Gegenteil erreicht. Es tut mir Leid“ Zu mehr war ich nicht fähig, denn ich fing wieder an zu schluchzen. Jacob stand verlässlich an meiner Seite, um mich zu stützen. Edward sprach als Erster: „ Michelle, wir wussten, worauf wir uns da einlassen. Du hast uns alle damals vor Serafina gerettet, jetzt sind wir Quitt.“ Keiner erwiderte darauf etwas und das verriet mir, was die anderen dachten. „ Wo ist Renesmee?“, fragte ich besorgt in die Runde. Esme antwortete: „ Bei Irina und unseren anderen Freunden. Wie werden sie dort gleich abholen“ Die arme kleine Nessy. Würde sie es verkraften, dass ihre Tante tot war oder würde ihr das das kleine Vampirherz brechen? Würde sie mir die Schuld daran geben, so wie ich es tat? Ich senkte meinen Blick und ich sah darauf den Portschlüssel, mit dessen Hilfe wir wieder heimgekommen waren. „ Wie seid ihr eigentlich nach Hogwarts gekommen?“, fragte ich Jacob. „ Äh“, antwortete er nur mit einem leicht nervösem Ton.

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„ Was?“, fragte ich aufgebracht. Claudia meldete sich zu Wort: „ Jacob war so aufgeregt gewesen, nachdem er dein Brief gelesen hat, dass er zuerst Alan überrumpelte, bevor er auf die Idee kam, mich zu fragen, wie man am schnellsten nach Hogwarts kommt.“ „ WAS?“, schrie ich. „ Tut mir Leid, Schatz. Du wirst ihm einiges erklären müssen“, sagte Jacob entschuldigend. „ Wie viel weiß er?“, fragte ich sofort. „ Sagen wir einfach, er wäre fast ohnmächtig geworden, als er mich gesehen hat“, sagte auf einmal Bella. Oh nein. Er wusste also wirklich alles. Das hatte mir gerade noch gefehlt. Emmett ergriff das Wort: „ Dein Vater wollte unbedingt mitkommen, doch wir hielten es für zu gefährlich für einen Nichtmagier, mit in die Schlacht zu ziehen. Du solltest jetzt am besten schnell nach Hause gehen und nach ihm sehen“. Ich nickte. „ Kommst du mit?“, fragte ich Jake leise. Zur Antwort nahm er meine Hand. Ich ging zu Claudia hinüber. „ Danke für alles!“ Sie umarmte mich und flüsterte mir ins Ohr: „ Jack und Laura geht es gut, sie melden sich noch einmal bei dir. Ruh dich aus, wir regeln hier den Rest schon.“ Ich sah noch einmal zu den Cullens. In keinem ihrer Gesichter sah ich einen Vorwurf, nur in Jaspers. Ich bekam eine Gänsehaut und drehte mich um. Jacob ging neben mir und passte auf, dass ich auf meinen wackligen Beinen nicht stolperte. Wir ließen die Cullens und das Rudel hinter uns und machten uns auf den Weg nach Hause. ------------------------------------------------------------------------------------- Meine Haustür wurde aufgerissen, bevor ich anklopfen konnte. „ Michelle!!!“, schrie mein Vater und schlang seine Arme um mich. Er wirbelte mich durch die Gegend, schluchzte und setzte mich wieder ab. Er wischte sich die Tränen von der Wange und sah mich glücklich an. „ Ich bin so froh, dass dir nichts passiert ist, ich hatte solche Angst um dich.“ Dann sah er sich mein Gesicht genauer an und sein Lächeln verschwand. „ Was ist passiert?“ Ich konnte ihm nicht antworten, also übernahm Jake das für mich. „ Eine unsere Vampirfreundinnen ist gestorben. Die kleine, dunkelhaarige.“ Alan biss sich auf die Lippe und umarmte mich noch einmal. „ Es tut mir so Leid, mein Schatz.“ Ich konnte immer noch nichts sagen. In diesem Moment fragte Jacob: „ Kann ich mal kurz telefonieren? Ich würde gerne meinem Vater

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Bescheid geben, dass es mir gut geht.“ Ja, das war eine gute Idee. Billy würde bestimmt wissen wollen, ob es seinem Jungen gut ging. Ich nickte und Jake verschwand in der Küche. „ Dad?“. Endlich fand ich meine Stimme wieder. „ Ich weiß, ich habe dir viel zu erklären. Ich habe dich die ganze Zeit angelogen und das tut mir Leid, aber können wir wann anders darüber reden?“ „Natürlich“, antwortete mein Vater. „ Und ich hätte noch eine Bitte an dich“, fuhr ich fort. „ Kann Jacob diese Nacht bei mir bleiben? Ausnahmsweise. Ich brauche ihn jetzt!“ Alan überlegte eine Sekunde lang, dann nickte er. „ Das verstehe ich. Er darf bleiben.“ Ich umarmte ihn und ging dann mit Jake, der gerade wieder kam, nach oben in mein Zimmer. Ich setzte mich auf mein Bett und Jacob schloss dir Tür ab. Ich saß da und spürte auf einmal keinen Schmerz mehr. Denn da war nur noch Leere. Das Nichts. Ich war wie betäubt und ich merkte auch nicht, wie Jake sich vor mir auf den Fußboden setzte. „ Werde ich je wieder glücklich sein?“, fragte ich ihn. Ich war mir dessen nicht sicher. Wie konnte man in einer Welt glücklich sein, in der man an dem Tod einer Freundin schuld war? Wie konnte man weitermachen, wenn jemand fehlte? Die Welt drehte sich weiter, doch ich wusste nicht recht, warum. Warum blieb sie nicht stehen und wartete so lange, bis derjenige, der fehlte wieder da war, um sich dann weiterzudrehen? Ich wusste keine Antwort darauf. „ Michelle, natürlich wirst du das“, antwortete Jacob in dieser Sekunde und er nahm meine Hand. „ Dafür werde ich persönlich sorgen und wenn es das letzte ist, was ich tue.“ Mit seinen Worten entfachte er in mir ein Verlangen, was ich schon lange nicht mehr gespürt hatte und so küsste ich ihn. Es war ein sehr verzweifelter Kuss. Mir liefen Tränen über die Wangen, während sich meine Lippen an Jacobs schmiegten. Ich wusste nicht mehr, wann ich ihn das letzte Mal geküsst hatte. Das war vor diesem ganzen Irrsinn gewesen. Ich legte meine Arme um seinen Hals und atmete seinen herrlichen Duft ein. Jake strich mit seiner Zungenspitze zärtlich über meine Unterlippe, während seine Hände in meinen Haaren vergraben waren. Als wir uns

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voneinander lösten, schlich sich Alice wieder in meine Gedanken und ich fing wieder lauthals an zu weinen. Jacob nahm mich in den Arm und ließ mich nicht mehr los. Die darauffolgende Nacht war die schlimmste, die ich je erlebt hatte. Ich hatte immer wieder Panikattacken und Schreikrämpfe, sodass Alan immer wieder hochgerannt kam. Ich warf ein paar meiner Schneekugeln gegen die Wand, sodass diese zersplitterten. Ich riss meine Bettdecke und meine Kissen vom Bett, und schrie dabei die ganze Zeit. Und der arme Jacob stand mittendrin und wusste sich nicht zu helfen. Er versuchte immer wieder, mich zu beruhigen, doch vergeblich. Er konnte mich gerade noch davon abhalten, dass ich meinen Kleiderschrank zum Explodieren brachte. Er zog mich immer wieder an sich und ich weinte mich an seiner Brust aus, während er über mein Haar strich. Ich konnte immer noch nicht fassen, dass Alice weg war. Für immer. Sie war nichts weiter als eine Erinnerung, an die ich mich klammerte. Ich dachte daran, wie es jetzt wohl weitergehen würde. Ich würde zu gerne wissen, was die Zukunft brachte. Doch ich hatte niemanden mehr, der mir etwas über die Zukunft sagen konnte und dieser Gedanke verursachte bei mir einen weiteren Weinkrampf. „ Und weißt du, was das Schlimmste ist?“, fragte ich Jacob irgendwann mitten in der Nacht aufgebracht. „ Ich hätte heute alle geopfert, hättest du nur überlebt! Ich hätte ihnen allen beim Sterben zugesehen, wenn nur du bei mir bleiben würdest und dir nichts geschieht. Das ist so grausam. Ich bin so grausam!“ Jetzt verlor Jacob endgültig die Beherrschung und jetzt fing er plötzlich an, zu weinen. Er nahm mein Gesicht in beide Hände und sah mich mit seinen erröteten Augen ernst an. „ Hör sofort auf, so etwas zu sagen. Du bist nicht grausam und wirst es auch niemals sein. Hast du mich verstanden?! Wenn es dich beruhigt: Ich hätte auch alle geopfert, um dich zu retten. Jeden einzelnen von ihnen. Du bist alles für mich. Der Mittelpunkt meines Lebens und ich werde nicht zulassen, dass du dir

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solche Vorwürfe machst. Ich liebe dich.“ „ Ich liebe dich auch“, antwortete ich und lehnte mich wieder an seine Brust. Doch der Schmerz ließ trotzdem nicht nach und schließlich hielt ich es nicht mehr aus. Bevor Jacob etwas dagegen tun konnte, verwandelte ich mich in den schwarzen Panther, der mehr als meine Menschengestalt aushalten konnte. Ich rannte blitzschnell die Treppe hinunter, aus dem Haus hinaus und in die Nacht hinein. Nur ein paar Sekunden später hörte ich Jacob auf vier Pfoten, wie er mir hinterherrannte. Er hätte mich locker einholen können, doch er behielt für extra einigen Abstand zu mir. Er verstand, dass ich einen kurzen Moment für mich brauchte, um mich auszupowern. Es war stockfinster, doch ich konnte mit meinen gelben Augen alles erkennen. Die Rinde der Bäume, die Blätter und die Büsche. Einfach alles. Ich rannte und rannte, um den Schmerz zu entkommen. Tatsächlich wurde es für einen kurzen Moment erträglich, doch als ich langsamer wurde und mir die Puste ausging, kam der Schmerz wieder. Jacob trat langsam neben mich und sah mich unsicher an. Ich vergrub meinen Kopf in seinem langen Fell und er fiebste ganz leise. Ich lief zu einem Baum und ließ mich darunter nieder. Jacob trabte zu mir und legte sich hinter mich. Ich hörte auf das Rauschen der Blätter, wenn der Wind durch sie fuhr und auf Jake, wie er schwer atmete. Ich kuschelte mich an ihn und er hielt mich fest in seinen starken Pranken. Und dann weinten wir beide um eine gute Freundin, die wir heute verloren hatten. Das letzte Lachen „ Willst du denn gar nichts essen, Michelle?“, fragte mich mein Vater besorgt. Wir saßen am Frühstückstisch und ich rührte mein Müsli nicht an. „ Nein, Dad, wirklich nicht“. Jacob saß rechts von mir und biss auch nur ein paar Mal von seinem Brötchen ab, bevor er den Teller von sich wegschob. Also musste es ihm wirklich schlecht gehen, denn er hatte seit zwei Tagen nichts mehr gegessen. Jake trug eine dunkle Hose mit einem schwarzen,

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langärmlichen Hemd darüber, während ich meinen besten schwarzen Hosenanzug anhatte, den ich für meine Arbeit in der Bibliothek immer tragen musste. Die Cullens hatten es recht zügig geschafft, die Beerdigung von Alice zu organisieren. Gestern Nacht erst war sie gestorben, doch schon jetzt stand die Zeremonie. Sie waren kurzerhand wieder in ihr altes Haus gezogen, was das ganze letzte Jahr über leer gestanden hatte, weil niemand es sich leisten konnte. Ich hatte absolut keine Ahnung, wie sie es so schnell geschafft hatten, ihre Sachen von Forks bis nach Atlanta zu bekommen, aber bei Vampiren überraschte mich nichts mehr. Es grauste mir davor, ich wünschte, dieser Tag wäre schon vorbei. Mein Vater würde nicht mitkommen. Er kannte Alice nur flüchtig durch eine einzige Begegnung und außerdem würden sich heute mehr Vampire als je zuvor in Atlanta befinden. Und nicht alle von ihnen aßen vegetarisch, hatte Jacob mir erzählt. „ Wir drei müssen uns über Einiges unterhalten, denke ich.“, sagte Alan in diesem Augenblick. Er sah Jacob unsicher an und fragte ihn dann: „ Du bist also ein richtiger Werwolf?“ Ich wusste, dass dieses Gespräch kommen musste, doch ich hätte es gerne noch etwas aufgeschoben. „Dad…“, sagte ich bittend. „ Nein, lass nur Schatz. Er hat Recht“, antwortete Jake schnell, dann wandte er sich an meinen Vater. „ Also Alan. Ja, ich bin ein Werwolf, genauso wie Sam und all die anderen. Und dass schon lange. Auch lange bevor deine Tochter wieder hierhergezogen ist.“ „Weiß Billy davon?“, fragte Dad. Jacob nickte. „ Ja, und er ist stolz auf mich. Glaub mir, es gibt keinen, der Michelle besser beschützen kann als ich.“ Mein Vater grübelte ein wenig, dann wurde sein Gesichtsausdruck leidend. „ Du weißt, was ein Werwolf einst unserer Familie angetan hat?“ Jetzt wurde ich wütend. Nein, fuchsteufelswild. Wie konnte er es wagen, Jacob auch nur irgendwie in Verbindung mit Fenrir zu bringen? „ DAD! Hör sofort damit auf! Lass ihn in Ruhe. Er hat nicht das geringste mit Fenrir Greyback zu tun. Was eh egal ist, denn der ist tot!“

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„ WAS?“, schrie mein Vater entsetzt. „ Ja, ich habe ihn letzte Nacht umgebracht.“ Stille. Mein Vater ließ den Löffel fallen, den er gerade noch in der Hand gehalten hatte. Seine Augen weiteten sich und er zitterte ganz leicht. „ Du hast was?“, fragte er aufgeregt. Er schien die Nerven zu verlieren. „ Ja Dad. Ich hab es geschafft, ihm den Todesfluch auf den Hals zu setzten, als er kurz mal nicht aufgepasst hat. Damit ist die Sache gegessen. Wir haben unsere Rache und Fenrir kann niemanden mehr das antun, was er Mom angetan hat.“ Alan senkte den Blick und ich sah, wie er versuchte, die Tränen zu unterdrücken. „ Ich hätte dich verlieren können. Was hätte ich dann gemacht? Es war so gefährlich für dich, zu gehen.“ „ Aber nur so konnte ich euch beschützen. Und ohne Jacobs Zutun würde ich hier jetzt bestimmt nicht sitzen“ Das überzeugte meinen Vater schließlich und er drehte sich zu Jacob um. „ Es tut mir Leid, was ich gesagt habe Jacob. Natürlich vertraue ich dir Michelle an, auch wenn du ein…äh…ein Werwolf bist. Du bist wie ein Sohn für mich und wirst das auch immer bleiben. Du musst nur verstehen, dass das im Moment ein bisschen zu viel für mich ist. Ich finde an einem einzigen Abend heraus, dass meine Tochter wieder zaubert, mit einem Werwolf zusammen ist und sich mit Vampiren angefreundet hat. Ich brauche einfach etwas Zeit. Nimmst du meine Entschuldigung an?“ „ Klar, Alan“, meinte Jake lächelnd und klopfte meinem Vater auf die Schulter. Ich sah auf die Uhr und erschrak. „ Jake, ich glaube, mir müssen los.“ Es war 11 Uhr und um 11:30 würde die Beerdigung beginnen. „ Bis später Schatz. Bleib bei den Cullens so lange du willst, ich werde nicht darauf achten, wann du heim kommst“, sagte mein Dad und drückte mir noch einen Kuss auf die Stirn. Jake stand auf und nahm mich bei der Hand, was meine Stimmung ein klein wenig hob. Auch wenn ich Alice verloren hatte, mein wichtigster Engel war noch da. Wir stiegen in Jacobs Wagen und fuhren los. Ich kurbelte das Fenster hinunter,

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denn es war ein heißer Tag und ich musste einen klaren Kopf bekommen. Je näher wir dem Haus der Cullens kamen, umso trauriger wurde ich. Das schien auch Jake zu merken, denn er legte seine Hand auf mein Knie, ohne den Blick von der Fahrbahn abzuwenden. „ Ich werde dir den ganzen Tag zur Seite stehen, Michelle. Du schaffst das. Diese Beerdigung gibt dir die Möglichkeit, dich von Alice zu verabschieden“, sagte er sanft. „ Ich weiß. Aber ich kann es immer noch nicht begreifen, dass sie weg ist. Hast du gestern Nacht gesehen, wer sie umgebracht hat?“ Diese Frage hatte ich mir immer und immer wieder gestellt. Welcher der Todesser war daran schuld, dass heute Hexen, Werwölfe und Vampire aus den verschiedensten Teilen der USA zusammenkamen, um zusammen um eine Freundin zu trauern, die er uns genommen hatte. Wer hatte den Todesfluch auf sie abgefeuert und so ihrer Existenz ein Ende bereitet? „ Ich weiß es nicht. Aber du musst aufhören, dir darüber Gedanken zu machen, denn es bringt nichts. Das macht dich nur noch trauriger.“ Ich nickte und schaute weiter aus dem Fenster. Nach fünfzehn Minuten näherten wir uns der Lichtung, auf der das Haus meiner Vampirfreunde stand. Jacob rümpfte plötzlich die Nase und verkrampfte sich. „ Was ist?“, fragte ich ihn panisch. „ Es sind viele Vampire gekommen. Mehr, als ich gedacht hätte. Ich kann sie bis hierhin riechen.“ Ich war darauf vorbereitet und neugierig, wer alles kommen würde. Mit wem zusammen ich mich von Alice verabschieden würde. Jake hielt nicht direkt auf der Lichtung, sondern an dem Wanderweg, der zur Lichtung führte. Ich stieg aus und lehnte mich gegen das Auto, um mich seelisch auf das vorzubereiten, was nun vor mir lag. Bevor ich wusste, wie mir geschah, lag ich auch schon in Jacobs Armen und ich kuschelte mich an seine Brust. „ Danke, dass du mitkommst“, flüsterte ich. Jake reagierte, in dem er mir einen zärtlichen Kuss auf die Wange gab. „ Ich bin immer für dich da, das weißt du“ Durch seine Worte gewann ich neue Kraft, nahm seine Hand und ging los. Als wir beide auf die Lichtung traten, fielen unser beiden Kinnladen herunter und ich war einfach überwältigt von diesem Anblick, der sich uns bot. Etwa vierzig Vampire tummelten sich auf der Lichtung vor dem Haus und

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sprachen miteinander. Alle waren schwarz gekleidet, was einen unglaublichen Kontrast zu ihrer blassen Haut darstellte. Ich schaute nach rechts und erstarrte. Einige Meter neben dem Haus war ein Altar aufgebaut worden, welcher umgeben war von großen und strahlenden Kerzen. Und auf dem Altar stand eine kleine Urne. Den schwarzen, großen Flügel neben dem Altar nahm ich gar nicht richtig wahr. Jacob und ich schritten eilig auf das Haus zu, da kam uns Esme auch schon entgegen. Sie hatte ihre braunen Haare geglättet, welche ihr nun bis zur Hüfte gingen. Ihr schwarzes, halblanges Kleid mit Neck-Holder glänzte in der Sonne. „ Michelle! Jacob! Da seid ihr ja“, rief sie und umarmte uns beide. Dabei bemerkte ich, dass sie die Luft anhielt, als sie den Werwolf in die Arme schloss, um seinen für sie widerwertigen Geruch nicht einatmen zu müssen. Sie führte uns mitten in die Gruppe der fremden Vampire, die uns alle neugierig beäugten. Ich klammerte mich an Jacob fest, als ich sah, dass nicht alle Augenpaare von einem satten Gold waren. „ Wo bleiben Sam und die anderen?“, flüsterte ich beunruhigt Jacob zu. „ Sie werden jede Sekunde hier sein“. Das hoffte ich doch. Als nächstes kamen uns Edward und Bella entgegen. Sie begrüßten uns und versuchten dabei, einigermaßen fröhlich zu klingen, doch sie versagten. „ Wo ist Renesmee?“, fragte ich die Beiden. „ Sie ist noch im Haus, sie kommt gleich raus.“, antwortete Bella mir. Ich war nervös, aber ich freute mich sie wiederzusehen: Mein Patenkind. „ Wie hat sie es aufgenommen?“, fragte Jacob Edward. Der schüttelte nur traurig den Kopf und meinte: „ Sie ist total fertig und ist wütend auf uns, weil wir sie letzte Nacht nicht mitgenommen haben.“ Ich seufzte. Die arme Kleine, wie sollte sie das nur überstehen? „ Entschuldigt uns bitte, wir haben Eleazar und Carmen noch nicht begrüßt.“, sagte Bella niedergeschlagen und die beiden gingen weiter. Ich sah, wie Jacob plötzlich seinen Blick Richtung Wald lenkte und ichtat das darauf hin ebenfalls. Sam und der Rest des Rudels kamen allesamt schwarz bekleidet auf die Lichtung. Sofort verstummten alle Vampire und drehten sich verblüfft zu ihnen herum. Bestimmt hatten die Cullens sie darüber in Kenntnis gesetzt, dass die Wölfe Freunde der Familie waren, sonst hätten sich vermutlich alle Vampire gleichzeitig auf sie gestürzt. „ Michelle, glaubst du, ich kann dich für ein paar Minuten alleine lassen? Ich

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will was mit Sam klären. Außerdem kommt gerade Carlisle, dann musst du hier nicht alleine rumstehen“, sagte Jacob zu mir. Ich nickte und sah ihm hinterher. Aus der Ferne winkte Claudia mir zu, die Hand an Hand mit Embry auf das Haus zukam. Ich versuchte ein Lächeln zu erzwingen und wandte mich dann an Carlisle, der seit zwei Sekunden dort stand und mich ansah. Ich brauchte nur wenige Augenblicke in sein Gesicht zu schauen, um festzustellen, dass er ein gebrochener Mann war. Er hatte eine seiner Töchter verloren und ich wusste, dass er niemals darüber hinwegkommen würde. Nicht in fünfhundert Jahren. „Hallo, Michelle. Wie geht es dir?“, fragte Carlisle mich besorgt. Ich senkte meinen Kopf, während ich ihm antwortete: „ Viel wichtiger ist doch, wie es euch geht.“ Ich sah, wie Carlisle den Mund öffnete, um etwas zu sagen, doch da wurde er plötzlich von einem anderen Vampir unterbrochen. Mich ergriff die Panik, als ich sah, welcher Vampir es war. „ Könnte ich mir Michelle bitte kurz ausleihen, Carlisle?“, fragte Rosalie ihn. Dieser schaute sie unsicher an, nickte dann aber. Moment mal, wurde ich denn gar nicht gefragt? Ich konnte mir durchaus Schöneres vorstellen als mit der Vampirfrau, die einst versucht hatte, mich und meinen Freund umzubringen, allein unter vier Augen zu plaudern. Doch es half nichts. Rose sah mich auffordernd an, entfernte sich dann von der Gruppe und verschwand hinterm Haus. „ Sie wird dir schon nicht den Hals umdrehen. Geh zu ihr“, sagte Carlisle in diesem Moment. Ich biss mir auf die Lippe und begann loszulaufen. Hinterm Haus wartete die Blondine schon auf mich, verschränkte ihre Arme und fixierte mich. Ich behielt Sicherheitsabstand zu ihr und trat nervös von einem Bein auf das andere. „ Was gibt es?“, fragte ich sie, wobei ich versuchte, einen höflichen Ton anzuschlagen. „ Ich wollte nur etwas richtig stellen. Ich wollte dir den Grund sagen, warum ich gestern in diesem blöden Wald aufgetaucht bin“ Stimmt, das hatte mich ziemlich aus der Bahn geworfen und ich hatte nicht so recht gewusst, warum sie mir geholfen hatte. „ Ich bin dir sehr dankbar, Rose, dass du mir gestern geholfen hast.“ „ Nenn mich gefälligst Rosalie und nicht Rose. Das dürfen nur meine Freunde

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tun“, sagte sie giftig. „ Entschuldigung“, erwiderte ich schnell, dann fuhr sie fort. „ Ich will nur, dass du weißt, dass ich das nicht für dich getan habe. Man hatte mir gesagt, dass die Situation aussichtslos sei und wir alle in Gefahr wären. Es lag mir nichts daran, dir und deinem Köter zu helfen, ich wollte nur meine Familie beschützen, was ja allerdings nicht so gut geklappt hat. Und wenn du es genau wissen willst: Ich gebe dir die volle Schuld daran, dass Alice jetzt tot ist. Du bist schuld an ihrem Tod und daran, dass diese Familie nun am Ende ihrer Kräfte ist. Du! Nur du allein!“ Ich keuchte und mir wurde schwindelig, als Rosalie mir diese Wörter entgegen schmetterte. Ich wusste ja, dass sie recht hatte aber zum allerersten Mal hörte ich es aus dem Mund eines anderen. Ich antwortete nicht und das zauberte ein Lächeln auf das Gesicht der wunderschönen Blondine. „ Aha, du bist dir also bereits im Klaren darüber, was du angerichtet hast.“ In mir stiegen die Tränen hinauf und ich wollte ihr gerade antworten, wie leid es mir tat, doch da hörte ich Schritte hinter mir. Ich drehte mich rasch um und sah, wie Emmett mit ängstlichem Blick auf uns zugejoggt kam. „ Rose! Michelle!“, rief er und dann stand er auch schon zwischen uns. Er wandte sich an Rosalie und meinte wütend: „ Was soll das? Heute ist Alices Beerdigung, kannst du dich da nicht mal im Zaum halten?“ Ich beobachte, wie Rosalie geschockt in seine Augen blickte. Damit hatte sie nicht gerechnet. „ W-was? Ich hab doch nichts Schlimmes zu ihr gesagt!“, versuchte sie sich, rauszureden. Emmett drehte sich zu mir um und musterte mich besorgt. Als er sah, dass ich zitterte und den Tränen nahe war, fuhr er mit lauter und wütender Stimme fort, ohne den Blick von mir abzuwenden. „ Rose, lass mich und Michelle für zwei Minuten alleine.“ „ Was?“, rief diese aufgebracht. „Den Teufel werde ich tun“. Ich hörte, wie Emmett bedrohlich knurrte, sodass er sogar mir Angst einjagte. „ Keine Widerrede! Es dauert nicht lange.“ Rose fuhr bei seinem Ton zusammen, warf mir einen bitterbösen Blick zu und verschwand dann zu den anderen.

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Ich war verunsichert und betete, dass Jacob nicht Wind davon bekam, dass seine Freundin hier mit Emmett mutterseelenallein hinter dem Haus rumstand. „ Hat sie dir wehgetan?“, fragte Emmett mich plötzlich. „ Was? Nein, sie hat mir nicht ein Haar gekrümmt. Sie hat nur das gesagt, was ihr alle denkt und was auch stimmt. Nämlich das ich verantwortlich für Alices Tod bin.“ Ich sah, wie Emmett erschrocken zusammenzuckte und darauf hin die Fäuste ballte. „ Das hat sie gesagt? Michelle, sowas darfst du noch nicht einmal denken. Du bist an gar nichts schuld. Alice wusste, dass es gefährlich werden würde und hatte die Wahl. Ich werde nicht zulassen, dass du dir solche Vorwürfe machst.“ Bei seinem letzten Satz zuckte ich zusammen. Genau dasselbe hatte Jacob letzte Nacht zu mir gesagt. Das erinnerte mich plötzlich daran, was ich ihm damals vor einem Jahr angetan hatte. Dass ich ihn mit Emmett betrogen hatte und dadurch fast alles kaputt gegangen wäre. Auf einmal fühlte ich mich nicht mehr wohl in Emmetts Anwesenheit. Ich wollte zurück zu den anderen. Plötzlich näherte er sich mir und wollte mich umarmen. Doch ich trat einen Schritt zurück und sagte freundlich: „ Ist schon in Ordnung Emmett. Ich bin ok. Was ist mit dir und Rosalie? Seid ihr wieder zusammen?“ Ich hoffte so sehr, dass die Antwort Ja wäre, doch nach der Szene eben konnte ich mir nicht vorstellen, dass sie so lauten würde. „ Na ja. Ich habe lange gebraucht, um einigermaßen über dich hinwegzukommen, Michelle. Rosalie und ich haben uns zusammengerauft und haben uns ganz langsam wieder einander genähert. Aber das, was sie eben abgezogen hat, wirft uns wieder zurück, fürchte ich.“ Ich nickte nur. Ich wollte nicht weiter darüber reden, wie schwer es für ihn gewesen war, meine Zurückweisung zu akzeptieren. „ Gehen wir wieder zu den anderen? Die Beerdigung geht bestimmt gleich los“, sagte ich traurig. Emmett nickte niedergeschlagen und wir beide gingen zusammen wieder vor das Haus. Ich hatte Glück. Jacob hatte nichts davon mitbekommen, dass Emmett und ich für eine kurze Zeit fehlten und so stellte ich mich zu dem Rest des Rudels. Ich begrüßte kurz Claudia und dann hörte ich neben mir Bella, wie sie zu ihrem Mann sagte: „ Wir wollen gleich anfangen. Wo bleibt Nessy?“ Ich wirbelte herum. „ Ich hole sie!“ Edward und Bella tauschten einen unsicheren Blick, doch das war mir egal. Bevor sie mich aufhalten konnten, stieg ich die Verandatreppe hinauf. Ich wusste noch, wo Nessys altes Zimmer war und stürmte jetzt darauf zu. Vor der Tür atmete ich noch einmal tief durch, bevor

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ich sie öffnete. Ich stockte, als ich den Rücken eines Mädchens sah, was ich nicht erkannte. Langes, glattes Haar stach mir ins Auge und ich starrte auf das Kind, was mein Patenkind war. Renesmee saß vor einem kleinen Schminktisch und kämmte sich. Als sie mich im Spiegel sah, hielt sie inne und drehte sich ruckartig zu mir herum. Sie trug ein schwarzes, langes Kleid mit Rüschen. Ihre haselnussbraunen Augen waren auf mich gerichtet und ihre blasse Haut glitzerte ganz leicht im Sonnenlicht, was durchs Fenster fiel. Renesmee sah aus wie zwölf, auch wenn sie viel, viel jünger war. Ich bemerkte, dass sie ein wenig geschminkt war und sich bereits einen perfekten Lidstrich ziehen konnte. „ Michelle!“, schrie sie in dieser Sekunde überrascht. „ Nessy!“, schrie ich freudig und näherte mich ihr unsicher. Sie ließ die Haarbürste fallen, raste zu mir und schlang ihre Arme um mich. Ich beugte mich hinunter und küsste ihr auf das weiche Haar, während mir die Tränen über die Wangen liefen. Es war ein wunderbarer Augenblick an diesem schwarzen Tag. „ Wie geht es dir, meine Kleine?“, fragte ich sie, nachdem wir uns voneinander gelöst hatten und uns nun glücklich ansahen. Auf meine Frage hin verfinsterte sich ihr Gesicht. „ Ich bin so unbeschreiblich traurig, dass Tante Alice nicht mehr da ist.“ Ich nickte und schloss sie wieder in meine Arme. „ Ich weiß, Nessy. Das ist furchtbar. Aber Alice hätte nicht gewollt, dass wir unglücklich sind. Wir werden sie stets in guter Erinnerung behalten. Und jetzt komm, wir wollen uns von ihr verabschieden.“ Ich nahm ihre Hand und wir gingen zusammen nach draußen. ----------------------------------------------------------------------------------------------- Ich stand eng neben Jacob und hielt seine warme Hand. Die Zeremonie dauerte jetzt schon eine Stunde und bald würde ich wieder zusammenbrechen. Jacob hatte mir ein paar der Namen derjenigen Vampire ins Ohr geflüstert, die er kannte. Da waren Eleazar, Carmen, Kate und Tanya vom Zirkel der Denalis, die dem Rudel am Nächsten standen. Maggie, Siobhan und Liam, die aus Irland kamen, glucksten schon seit geraumer Zeit und unterdrückten ihre Trauer nicht. Drei Vampire, die mich besonders faszinierten, nannten sich Kachiri, Senna und Zafrina und stammten vom Zirkel der Amazonen, wie Jacob mir erklärt hatte.

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Nahe bei Jasper standen Nomaden aus Amerika, deren Namen Garret, Mary, Peter und Charlotte lauteten. Charlotte legte ihre Hand auf Jaspers Schulter, was dieser noch nicht einmal zu bemerken schien. Jasper sah aus wie ein Häufchen Elend und ich bekam eine Gänsehaut, wenn ich ihn auch nur anschaute. Alistair, Charles und Makenna, allesamt Nomaden aus Europa, hielten sich an den Händen und schauten zu dem Altar. Und dann waren da noch die drei Vampire, die mir am meisten Angst einjagten. Sie standen abseits der Gruppe, nahe der Bäume, und beobachteten die Szenerie von weitem. Ihre Pupillen waren blutrot und ich war froh, dass ich Jake bei mir hatte. Dieser hatte mir nur widerwillig die Namen der drei gesagt. Nein, er hatte die Namen geradezu gefaucht. Aro, Caius und Marcus hießen die verhassten Vampire und ab und zu bemerkte ich, wie dieser Aro mich neugierig ansah. Carlisle trat auf den Altar zu und hielt eine Bibel in der Hand. Er öffnete sie und räusperte sich, sodass alle im zuhörten. Ich war irritiert. Zwar hatte ich öfters Esme gesehen, wie sie eine Kette mit einem Kreuz als Anhänger trug, doch sonst hatte ich nichts davon mitbekommen, dass die Cullens fest im Glauben verankert waren. „ Wir wollen nun nacheinander die Worte Gottes vorlesen, um uns von unserer geliebten Alice zu verabschieden. Alice, die uns eine wunderbare Tochter, Ehefrau, Schwester, Tante und Freundin war.“, hallte seine Stimme über die ganze Lichtung. Ich schluchzte leise und Jake legte seinen Arm um meine Taille. „ Im ersten Buch Moses, Kapitel 24, Vers 56 steht geschrieben: Halte mich nicht auf, denn der Herr hat Gnade zu meiner Reise gegeben. Lasset mich, dass ich zu meinem Herrn ziehe.“ Carlilse sprach die Worte langsam und ganz sanft aus, sodass ich eine Gänsehaut bekam. Plötzlich trat Emmett hervor, nahm seinem Adoptivvater die Bibel ab und stellte sich vor den Altar. Wie er dort im schwarzen Anzug stand, leicht zitterte und versuchte, die nächsten Worte ruhig auszusprechen, tat er mir unglaublich leid.

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„ Im 21sten Kapitel der Offenbarung, Vers 4 steht geschrieben: Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid und Geschrei noch Schmerz wird mehr sein, denn das Erste ist vergangen“ Und dann sah ich, wie Emmett die Urne ganz leicht berührte und flüsterte: „ Leb wohl, kleine Schwester“. Ich schlug mir die Hand vor den Mund. Ich wäre am liebsten zu Emmett gerannt und hätte ihn in meine Arme geschlossen. Geknickt drehte er sich um und überreichte Esme die Bibel, die als nächstes dran war. „ Im vierten Psalm, Vers neun steht geschrieben: Ich liege und schlafe ganz mit Frieden: Denn allein du Herr, hilfst mir, dass ich sicher wohne“. Esmes Blick haftete einige Sekunden lang an der Urne, dann überreichte sie Rosalie die Bibel. „ Im 43sten Kapitel des Jeseja im ersten Vers, steht geschrieben: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst. Ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein.“ Ohne noch einmal zum Altar zu blicken drehte sich Rosalie um. Sie tat mir Leid. Sie versuchte immer noch, das Gesicht zu wahren und ihre Gefühle nicht zu zeigen. Jacob hielt mich mittlerweile fest im Arm und legte seine Wange auf mein Haar. Ich weinte leise und lies es zu, denn ich wollte meine Trauer nicht verbergen. Edward war der Nächste. Sein Bibelvers war der kürzeste: „ In Pius siebter Schrift steht geschrieben: Es gibt keinen Abschied für diejenigen, die Gott verbunden sind.“ Bevor er sich umdrehte, flüsterte er noch: „ Deine Gedanken waren immer die kreativsten und schönsten, Alice. Danke, dass ich zuhören durfte.“ Dann sah ich, wie Bella mit Renesmee an der Hand auf den Altar zuschritt und eine neue Welle der Tränen überkam mich. Claudia legte von hinten die Hand

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auf meine Schulter, um mich zu beruhigen. Bella beugte sich hinunter und hielt die Bibel so, dass Nessy daraus vorlesen konnte. Mit fester Stimme sagte sie: „Im Buch von Hieronimus steht geschrieben: Nicht trauern wollen wir, dass wir sie verloren haben, sondern dankbar sein, dass wir sie gehabt haben, ja, auch jetzt noch besitzen, denn wer in Gott stirbt, der bleibt in der Familie“. Doch am Ende versagte ihr die Stimme und Bella legte ihre Arme um ihre Tochter. Die beiden standen noch eine Weile da, dann drehten sie sich um. Nun waren alle Augenpaare auf Jasper gerichtet. Und sogleich wussten alle, dass er keinen Bibelvers vorlesen würde. Er wäre vermutlich auch gar nicht dazu im Stande gewesen. Edward musste ihn stützen, damit er nicht umfiel. Alle beide taten mir Leid. Ich wollte mir gar nicht ausmahlen, was Edward gerade in Jaspers Gedanken alles hörte. Jasper zitterte und ließ den Kopf hängen. Er hatte nicht die Kraft, um etwas zu sagen. Und plötzlich schaute der Rest der Cullens mich an. Ihre Blicke waren erwartungsvoll und Nessy kam mit der Bibel in der Hand auf mich zu. Ich wusste, was sie wollten. Doch ich war mir nicht sicher, ob ich die Kraft dazu hatte, vor all diesen Vampiren und Werwölfen etwas zu sagen. Aber dann schaute mich Renesmee mit ihren braunen, flehenden Augen an und ich konnte nicht Nein sagen. Ich löste mich von Jacob und ging mit Renesmee zum Altar. Sie zeigte mir die Textstelle die ich vorlesen sollte und ich las sie mir durch. Ich lächelte. Dieser Vers passte zu Alice. Sie hätte genau dasselbe gesagt. „ Im 16ten Kapitel des Johannes, Vers 22 steht geschrieben: Ihr seid jetzt traurig, aber ich werde euch wieder sehen. Dann wird euer Herz sich freuen, und eure Freude wird euch niemand nehmen.“ Ein Raunen ging durch die Trauergemeinde. Dieser Vers war der wichtigste von allen. Ja, wir würden Alice irgendwann wiedersehen und das gab uns alle ein

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klein wenig Hoffnung. Ich trat auf den Altar zu und strich ganz sanft über die wunderschöne Urne, die etwas Wunderbares in sich barg. „ Danke, für alles, Alice. Ich werde dich nie vergessen.“, flüsterte ich leise und sanft. Ich erschrak, als plötzlich Musik erklang und drehte mich hastig um. Edward hatte sich an den großen schwarzen Flügel gesetzt und begann, zu spielen. Und wie er spielte! Dieses Stück war das schönste und zugleich traurigste, was ich jemals gehört hatte. Edward hatte es bestimmt selbst komponiert und nun legte er sein ganzes Herz hinein. Die Töne verschmolzen so wunderbar miteinander, dass mit die Tränen in die Augen stiegen. Die Melodie hallte über die gesamte Lichtung und ich sah, wie Jacob eine einzelne Träne über die Wange lief. Selbst die drei furchteinflößenden Vampire am Rande der Gruppe wurden von Edwards Klavierkünsten so in den Bann gezogen, dass ihre sonst so harten Gesichtszüge ganz weich wurden. Ich drehte mich zu Claudia um und nickte ihr zu. Sie stellte sich neben mich und wir beide holten unsere Zauberstäbe hinaus, die wir mitgenommen hatten. Ein Raunen ging durch die Menge. Ich gab Edward ein Zeichen, einfach weiterzuspielen und er hörte auf mich. Während die wunderschönen Töne immer klangvoller wurden, hob ich meinen Zauberstab und reckte ihn in Richtung Himmel. Ich murmelte ein paar Worte und augenblicklich verzog sich eine Wolke, die die Sonne verdeckte. Ich lenkte alle Sonnenstrahlen direkt auf den Altar, sodass es ein wunderschönes Bild ergab. Die schwarze Urne aus Porzellan glänzte in der Sonne. Dann war Claudia dran. Sie schwenkte ihren Zauberstab und aus dem Nichts entstanden die schönsten Blüten, die ich jemals gesehen hatte. Rot, Grün, Blau, Violett, jede Farbe war vertreten und es waren bestimmt hunderte. Wieder schwenkte Claudia ihren Zauberstab und die Blüten stoben in die Luft und umkreisten den Altar. Dieses Farbenspiel war ein Genuss und Edwards unbeschreibliche Klavierstück unterstrich diese Harmonie noch. Die Blüten bildeten Formation und tanzten um den Altar und um die Urne, berührten sie jedoch nie. Die Vampire machten

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große Augen und beobachten gebannt unser Schauspiel. Ich konzentrierte mich wie noch nie in meinem Leben, um den krönenden Abschluss zu machen. Und in der nächsten Sekunde war das Lachen von Alice auf der ganzen Lichtung zu hören. Sowohl die Vampire als auch die Werwölfe schrien erschrocken auf und sahen sich um. Erst nach einer kurzen Weile begriffen sie, dass ich das war. Ich hatte Angst gehabt, dass ich es nicht schaffen würde, doch ich war stärker als ich dachte. Alice und ich hatten so viel Zeit miteinander verbracht, dass es mir nicht schwerfiel, sie mir lachend vorzustellen. Mit einem komplizierten Zauberspruch und einem guten Erinnerungsvermögen konnte ich Alices Lachen überall erklingen lassen. Das unverkennbare, hohe und glockenspielartige Lachen von Alice. Es übertönte Edwards Spiel und erfüllte die ganze Luft. Und es erfüllte unsere Herzen. Das Lachen zeugte von Glück und von Zuversicht, es brachte uns Hoffnung und ließ uns noch einen letzten Moment mit Alice erleben. Dann waren meine mentalen Kräfte aufgebraucht und Alices Lachen verstarb. Überall herrschte Stille. Alle sahen uns bewundernd an und genossen den Nachklang von Alices Stimme, den sie hinterließ. Plötzlich setzte sich Jasper in Bewegung. Er ging an uns vorbei und nahm die Urne in die Hand. Fragend wandte ich mich an Bella, die sich sofort an alle richtete. „ Jasper wird nun an den Lieblingsplatz von ihm und Alice gehen, um ihre Asche dort zu zerstreuen. Wir wollen ihn bitte alleine lassen. Drinnen im Haus steht Essen bereit für die Hexen und Wölfe unter uns. Lasst uns hineingehen und noch ein wenig zusammensitzen. Alle gemeinsam.“ Ich stand da und beobachtete Jasper, wie er mit langsamen Schritten in den Wald ging. Bereit, alleine von seiner geliebten Alice Abschied zu nehmen. Ich spürte, wie Jacob meine Hand nahm und gemeinsam gingen wir ins Haus, um diesen grausamen Tag ausklingen zu lassen.

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--------------------------------------------------------------------------------------------------- Auf dem Weg nach Hause sagte keiner von uns beiden etwas. Unsere Gedanken waren bei der Beerdigung, die so ergreifend gewesen war. Ich hatte nicht erfahren, was der Lieblingsplatz von Alice und Jasper gewesen war, aber das wollte ich auch gar nicht. Es war IHR Ort und dort würde Alice jetzt ihre letzte Ruhe finden. Jacob räusperte sich plötzlich. „ Wenn es dir recht wäre, würde ich die heutige Nacht gerne noch einmal bei dir verbringen. Nur zur Sicherheit“ „ Hast du etwa Angst, dass ich mein Zimmer wieder zerlege?“ „ Um ehrlich zu sein, ja!“ Ich seufzte. Vielleicht hatte er Recht, außerdem wollte ich ihn am liebsten sowieso die ganze Zeit bei mir haben. „Klar, kein Problem.“ Alan schlief schon tief und fest, als Jake und ich daheim ankamen. Ich brauchte dringend eine Dusche und so ließ ich Jacob kurz alleine. Als ich frisch geduscht wieder aus dem Bad kam, saß er auf meinem Bett und lehnte sich an die Wand. Ich sah ihm an, dass er kurz davor war, einzuschlafen. Ich setzte mich neben ihn und strich ihm durchs Haar. Sofort war er wieder hellwach. Er rückte etwas näher zu mir und nahm mich in den Arm. Dieser Tag war schlimm gewesen und er wäre vermutlich noch schlimmer geworden, wenn Jacob nicht an meiner Seite gewesen wäre. Ich verdankte ihm so viel! Ich nahm sein Gesicht in beide Hände und küsste ihn sanft. Er erwiderte den Kuss und lächelte daraufhin. Doch dann sah er die Tränen, die sich in meinen Augenwinkeln schon wieder gebildet hatten und wischte sie schnell weg. „ Ach, Schatz…“, flüsterte er und legte seine Stirn an meine. „Vertrau mir, die Zeit heilt auch die schlimmsten Wunden.“ Ich riss mich von ihm los und starrte ihn an. „ Was hast du gerade gesagt?!“, schrie ich. Ich sprang vom Bett und sah Jacob entgeistert an, der nur verwirrt drein blickte. „ W-was? Ich verstehe nicht. Hab ich etwas Falsches gesagt?“ Ich antwortete

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nicht, sondern entfernte mich schnell von ihm. Ich kramte in meiner alten Holztruhe, in der überall Müll lag. „ Michelle. Sag, hab ich was Falsches gesagt?“, fragte Jake mich panisch und stand ebenfalls auf. „Nein, hast du nicht!“, rief ich aufgebracht und hörte auf, in meiner Truhe umherzutasten. Ich stand auf, während mein Herz raste. Lächelnd drehte ich mich zu Jake um. In meinen Händen hielt ich den Zeitumkehrer. Das Spiel mit der Zeit Jacob schaute mich an, als ob ich ihm gerade gesagt hätte, dass ich schwanger von ihm sei. Er starrte mich nur völlig verwirrt an, weil er nicht verstand, warum ich auf einmal lächelte, nachdem, was in den letzten zwei Tagen passiert war. Mein Lächeln wurde jetzt zu einem lauten Lachen. Ich warf den Kopf in den Nacken und lachte lauthals, sodass Jacob vor mir zurückschreckte. „ Was zur Hölle…?“, rief er aufgebracht. In seinen Augen musste es so aussehen, als hätte ich jetzt endgültig den Verstand verloren. Doch ich war mir zu neunundneunzig Prozent sicher, dass das nicht der Fall war. Es gab noch eine Chance für Alice. Für uns alle. „ Michelle! Hör gefälligst sofort auf, ich bekomme ja Angst vor dir“, sagte Jacob in dieser Sekunde und unterbrach somit meinen Gedankengang. Ich öffnete meine Hand und zeigte ihm, was sich darin befand. „ Schau hin“, flüsterte ich leise. Jake nahm vorsichtig die goldene Kette in die Hand, an der der kleine runde Zeitumkehrer hing. „ Was ist das?“, fragte er mich neugierig. „ Dieses kleine Ding ist die Lösung auf alles, Jacob!“, sagte ich glücklich und Freudentränen stiegen mir in die Augen. Als mein Freund mich immer noch ratlos ansah, erklärte ich es ihm:

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„ Das, was du hier siehst, ist ein Zeitumkehrer. Ich habe ihn seit Jahren nicht mehr benutzt und ich war kurz davor, ihn wegzuwerfen. Dem Himmel sei Dank, dass ich es nicht getan habe. Mit ihm können wir Alice retten.“ Jetzt sah Jacob mich traurig an. „ Michelle, Alice ist tot und daran können wir leider nichts mehr ändern. Deine Fantasie geht gerade mit dir durch.“ „ Nein, Jake“, sagte ich leise und legte meine Hand an seine Wange. „ Glaub mir, wir können es schaffen. Es gibt nur eine einzige Regel, die wir befolgen müssen. Es darf uns niemand, und zwar wirklich niemand sehen! Das Spiel mit der Zeit ist riskant und sehr gefährlich. Niemand darf wissen, dass wir den Verlauf der Dinge manipulieren.“ „ Den Verlauf der Dinge manipulieren?“. Jetzt hatte ich Jacob total aus dem Konzept gebracht, aber ich war so euphorisch, dass ich nicht darauf achtete. Schnell rannte ich zu meinem Schrank und holte den Tarnumhang meiner Mutter heraus. „ Was ist das?“, fragte Jake sofort misstrauisch. Zur Antwort warf ich mir den Umhang um. Jake erschrak derartig, dass er den kostbaren Zeitumkehrer beinahe fallen gelassen hätte. „ Was zum Henker…?“. Ich kicherte und verriet Jake somit, wo ich mich befand. Er streckte die Arme aus und tastete durch die Luft. „ Autsch! Das war meine Nase!“, quietschte ich, dann warf ich meinem Umhang auch über Jacob. Wir beide standen nun darunter und der Umhang verdeckte gerade noch so unsere Füße. Jake sah mich mit großen Augen an und ich konnte nicht anders, als ihm einen kurzen Kuss auf die Nasenspitze zu geben. „ Habe ich das jetzt richtig verstanden und wir werden jetzt in die Vergangenheit reisen, um das zu verhindern, was auf der Lichtung passiert ist?“, fragte er mich immer noch ungläubig. „ Ganz genau“, antwortete ich schnell und nahm ihm den Zeitumkehrer aus der Hand. Ich hängte in mir um den Hals, dann nahm ich Jacob an die Hand. „ Gleich geht es los.“ Ich drehte an dem winzigen Rädchen. Fünf Umdrehungen, das musste reichen. Plötzlich wurde alles um uns herum schwarz und Jacob krallte sich an meinem Arm fest. In der nächsten Sekunde wirbelten tausende von Farben um uns herum, sodass man nicht mehr wusste, wo oben und unten war. Nach etwa einer Minute, in der wir so dort standen und dem Spektakel um uns herum zuschauten, verschwanden die Farben und wir befanden uns wieder in meinem Zimmer. Jake wollte den Tarnumhang von unseren Köpfen ziehen, doch ich hielt ihn panisch auf.

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Ich sah mich um und sah, dass absolut keine Kleidung auf meinem Boden lag und so verstand ich. „ Mir müssen uns dort in die Ecke stellen, schnell“, flüsterte ich ihm zu. „ Was? Wieso?“. „ Mach einfach!“, drängte ich. Kaum hatten wir uns in die Zimmerecke gequetscht, da hörte man auch schon ein leises Plopp! Und mitten im Zimmer standen Cäsar und…Ich! Ich musste Jake den Mund zuhalten, damit er nicht anfing, loszuschreien. Es durfte uns unter keinen Umständen ein Fehler unterlaufen. Es war seltsam und entfremdend, sich selbst zu sehen, wie man seinen Hund nach Verletzungen absucht, doch ich war schon Einiges gewohnt also kam ich damit klar. Mir fiel nur auf, dass ich mal wieder meinen Haaransatz färben musste. Jacob sagte mir ja so etwas nicht. Der starrte immer noch auf mein zweites Ich und wusste nicht, wie ihm geschah. Michelle Nummer Zwei begann gerade, zu ihrem Kleiderschrank zu rennen und sich hastig umzuziehen. Ich erschrak als ich sah, wie entsetzt und ängstlich ihr Gesichtsausdruck war. Das tat ja sogar mir in der Seele weh, wie ging es dann erst Jacob neben mir? Nachdem sich mein früheres Ich umgezogen hatte, setzte es sich an den Schreibtisch und befand sich uns somit gefährlich nah. Ich hielt die Luft an und gab Jake ein Zeichen, es mir gleich zu tun. Michelle nahm gerade ein DIN-A4 Blatt heraus und begann den Brief zu schreiben, der Jacob über die Wahrheit in Kenntnis setzten sollte. Ich spürte, wie Jacob anfing zu zittern als er sah, wie sie anfing zu weinen. Daraufhin strich ich ihm über den Oberarm und er sah mich liebevoll an. Dabei drehte er den Kopf so zu mir, dass der Umhang ganz leise raschelte. Meine Kopie schreckte auf und starrte mit verweinten Augen auf die Stelle, an der wir unsichtbar standen. Mein Herz setzte aus und ich stierte in die braun-grünen Augen meines zweiten Ichs. Ich sah, wie Michelle die Augenbrauen hob und verwirrt dreinblickte. Dann schüttelte sie verwirrt den Kopf als dachte sie, dass sie jetzt komplett verrückt geworden war, und fuhr damit fort, den Brief zu schreiben. Nachdem sie ihn in einen Briefumschlag gesteckt und sich an die Brust gepresst hatte, lehnte sie ihn an den PC, schnappte sich ihren Zauberstab und verschwand nach unten. Erleichtert atmete ich auf. Das war knapp gewesen. Ich sah Jacob, wie er kreidebleich neben mir stand und fragte ihn besorgt: „ Ist alles in Ordnung mit dir?“. Zur Antwort schluckte er einmal und sagte: „ Das ist wirklich das Seltsamste, was ich je erlebt habe.“

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Ich lachte leise. „ Dann freu dich auf noch seltsamere Dinge, denn gleich wirst du dich selbst sehen.“ Er zuckte ein wenig zusammen, sammelte sich aber schnell wieder. Es tat mir leid, dass ich ihn jetzt noch mehr zumuten musste „Jetzt wird es leider noch unangenehmer, Schatz. Wir apparieren jetzt zusammen.“ Ich beobachtete, wie seine Gesichtsfarbe von weiß zu grün wechselte. „ Ok, muss ich irgendetwas beachten?“. Ich lächelte ihn aufmunternd an. „ Nein, halt dich einfach an mir fest und lass mich ja nicht los“ Das ließ Jake sich nicht zweimal sagen und er umgriff mit einer Hand leichtfertig meinen gesamten Oberarm. Ich hielt mit beiden Händen den Umhang fest, damit er beim Apparieren nicht abhanden gehen würde. Ich atmete einmal tief durch und konzentrierte mich. In der nächsten Sekunde fühlte es sich wieder so an, als würde man mich durch einen engen Gummischlauch ziehen. Ich sah Jake nicht, doch ich spürte seinen eisernen Griff, der mir allmählich wehtat. Ein paar Augenblicke später spürten wir wieder Boden unter den Füßen. Plötzlich fing Jake neben mir an, zu wanken und ich musste ihn stützen. „Alles in Ordnung?“ „ Ja, halbwegs. Oh man, an Zauberei werde ich mich wohl nie gewöhnen.“ Ich kicherte und sah mich um. Wir standen im Park und von weitem konnte ich Michelle-Version 2 sehen, wie sie an der riesigen Kastanie lehnte. Es wurde schon langsam dunkel. „ Oh Gott! War ich das etwa?“, rief Jake plötzlich entsetzt. Ich folgte seinem Blick und sah, dass sich an meinem Oberarm einen Bluterguss gebildet hatte. Ich verdeckte ihn schnell mit meiner Hand. „Nicht so schlimm.“ Doch Jake ließ den Kopf hängen. Ich seufzte und stellte mich vor ihn (was ziemlich schwer war, da wir uns immer noch unter dem Tarnumhang befanden) und küsste ihn sanft. „ Wirklich. Alles in Ordnung mit mir. Sieh doch! Da kommst du!“ Tatsächlich tauchte Jacob Nummer zwei gerade im Park auf. Er eilte auf mein zweites Ich zu und rief laut: „ Michelle!“ .Ich grinste, als dem Jacob neben mir die Augen quasi aus dem Kopf fielen. Ich näherte mich der Kastanie und zog Jake mit. „ Ich will das alles nicht mehr. Jake…ich…ich will mich von dir trennen“, sagte Michelle gerade bestürzt, als wir ankamen. „ Das ist doch jetzt ein Scherz, oder?“, erwiderte Jacobs früheres Ich daraufhin.

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Es machte mir zwar gar nichts aus, mich selbst dort stehen zu sehen, auch wenn es noch so seltsam war, aber Jacob jetzt doppelt um mich herum zu haben, umso mehr. Ich wusste gar nicht, wo ich hinschauen sollte. Auf den Jacob neben mir oder den Jacob, der gerade einen Korb von seiner Freundin bekam. Der ‚echte‘ Jake und ich beobachteten die Szene und wie der der Werwolf sich an den letzten Strohhalm klammerte. Doch schließlich sagte meine zweite Version: „ Nein, Jake. Es wird keine Beziehungspause geben. Ich will einen glatten Bruch, hier und jetzt. Leb wohl“ Dann war sie verschwunden. Daraufhin drehte sich Jakes früheres Ich im Kreis und suchte die Gegend ab. Ich wollte mich gerade umdrehen, damit wir nach Hogwarts apparierten, da sah ich, wie Jacob Zwei auf die Kastanie zueilte. „ Was zum Henker…?“, flüsterte ich leise, als er wutverbrannt dagegen trat. Ich erschrak, als der Baum einen großen Riss bekam und Jake einfach abhaute. Ich schaute den ‚echten’Jake neben mir entgeistert an, doch er grinste nur, „ Ich musste ja an irgendetwas meine Wut auslassen“, Ich grinste, doch dann wurde ich plötzlich traurig. „ Du hast mir so schnell geglaubt. Dabei habe ich dir das absolut Lächerlichste aufgetischt, was es gibt.“ Plötzlich legte Jacob seinen warmen Arm um mich und sah mich zärtlich an. „ Michelle, ich wusste sofort, dass du lügst. Von Anfang an. Ich bin sofort zu dir gerannt, um dich zur Rede zu stellen. Und jetzt komm, wir müssen nach Hogwarts.“ Ich nickte und nahm ihn bei der Hand. Zehn Sekunden später standen wir vor dem Eisentor, was mir so einige Schwierigkeiten bereitet hatte. Just in dem Moment, als wir auftauchten, war Michelle Nummer Zwei gerade auf der anderen Seite des Tores angekommen und stampfte auf den Weg zum Schloss. Ich schaute an dem riesigen Tor hinauf und ließ die Schultern hängen: „ Das könnte ein Problem werden“ „Nein, wird es nicht.“, sagte Jake schnell. Bevor ich reagieren konnte, nahm er mich Huckepack, was unter dem Tarnumhang ein ziemliches Unterfangen darstellte.“ Hey, was wird das?“, fragte ich schnell. „ Halt dich einfach fest.“ Ich

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tat wie geheißen und schlang von hinten meine Arme um seinen Hals. Plötzlich machte er einen Satz und kletterte das Tor ohne Anstrengung hinauf. Ich glaubte sogar, dass ich mich mehr anstrengen musste als er. Ich versuchte, nicht von seinem Rücken zu rutschen und musste gleichzeitig darauf achten, dass der Umhang nicht verloren ging. Ohne Probleme sprang Jacob auf die andere Seite und kam sanft auf dem Boden auf. Ich kletterte von seinem Rücken, wobei meine Beine zitterten. Jacob küsste mich aufs Haar und beruhigte mich so wieder. „ Wohin jetzt?“, fragte er mich. Das war wirklich eine sehr gute Frage. Jetzt hoch zum Schloss zu gehen, wäre sinnlos. Dort oben konnten wir nichts ausrichten, denn ich wusste nicht, wo und wann Lupin und die anderen umgebracht wurden. Für sie konnte ich nichts mehr tun. Also blieb nur noch eine Möglichkeit. „ Wir gehen in den Verbotenen Wald.“ Ich nahm ihm bei der Hand und wir gingen los. Mein Herz raste. Es durfte nichts schiefgehen, sonst hatte ich Alice wirklich für immer verloren. Als wir am Rande des Waldes angekommen waren, blieb ich stehen. „ Warte, Jake.“, sagte ich grübelnd. „ Wenn wir jetzt reingehen, laufen wir den Todessern direkt in die Arme, wenn sie zum Schloss kommen. Wir müssen von der anderen Seite zur Lichtung.“ Also liefen wir schweigend Richtung Osten, immer und immer weiter. Endlich hatte ich das Gefühl, dass wir an der richtigen Stelle waren und so betraten wir den Wald. „ Wir müssen jetzt leise sein, Jacob. Ich weiß nicht, wo die anderen sind.“ Er nickte und so gingen wir weiter in die Nacht hinein. Ich spürte, dass Jacob sich unbehaglich fühlte. Das hier war nicht sein Wald, nicht seine Welt. Er fühlte sich fremd und hatte bestimmt das Gefühl, mich hier nicht beschützen zu können und das hasste er. Nachdem wir etwa eine halbe Stunde unterwegs waren, hörten wir plötzlich Stimmen und Jake hielt mich zurück. Er führte mich hinter einen Baum. Seine Ohren waren um einiges besser als meine und er konnte hören, aus welcher Richtung die Stimmen kamen. Ich erkannte die Stimme von Bellatrix. „ Los, beeilt euch gefälligst. Ich will diese Schlammblütler endlich umbringen.“ Eine Gänsehaut breitete sich bei mir aus und Wut kochte in mir hoch. Doch ich hielt mich im Zaum, denn ich wusste, dass Bellatrix ihre gerechte Strafe bekam. Dafür würde Molly Weasley schon sorgen.

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Die Stimmen entfernten sich wieder und die Todesser machten sich auf den Weg zum Schloss. Schnell griff ich Jake am Arm und zog ihn weiter. Es wurde höchste Zeit, dass wir die Lichtung fanden. Nach etwa zehn Minuten taten wir das dann auch. Das Feuer war von den Todessern schon entfacht worden und ich sah Hagrid, wie er gefesselt an einem Baum saß. Er war ohne Bewusstsein. „ Sollen wir ihm nicht helfen?“, flüsterte Jake mir leise ins Ohr. „ Nein, das können wir nicht. Die Todesser würden sich später fragen, wie er entkommen konnte. Wir dürfen nur so wenig wie möglich eingreifen, hast du verstanden?“. Wir beide sahen uns nach einem geeigneten Versteck um. „ Mist, wo sollen wir hin, ohne dass sie uns später aus Versehen anrempeln oder uns sehen?“, fragte ich aufgebracht. „ Wie wäre es mit einem Baum?“, war Jacobs simple Antwort. Ich sah ihn skeptisch an. „ Du willst jetzt die ganze Zeit auf einem Baum warten, bis die anderen wieder kommen? Ich fall da doch glatt runter!“ Jetzt war es an Jake, mich skeptisch anzuschauen: „ Als ob ich dich einfach fallen lassen würde. Also hob, Klammeräffchen. Rauf mit dir.“ Ich seufzte, kletterte wieder auf seinen Rücken und achtete darauf, dass der Umhang uns beide bedeckte. Ich klammerte mich an ihm fest, während er sich am Baumstamm hochkämpfte. Es war einfach unglaublich, wie stark er war. Kurze Zeit später saßen wir beide auf einem besonders dicken Ast und sahen auf die Lichtung hinunter. Von hier oben konnten wir alles gut überblicken. Perfekt. Jetzt hieß es warten. Warten, bis die Schlacht im Schloss vorbei war und bis die Todesser mit mir zusammen auf die Lichtung treten würden. Während wir dort oben im Baum saßen, dachte ich über die letzten zwei Jahre nach, die mein Leben so radikal verändert hatten. Es war so viel passiert, genug, um ein ganzes Menschenleben damit zu füllen, doch ich hatte alles in zwei Jahren gepackt. Ich war meiner großen Liebe begegnet. Jake war der Mann meines Lebens und würde es immer bleiben. Ich hatte wunderbare Freunde gefunden. Das Rudel und die Cullens waren zusammen mit Alan meine Familie, mit denen ich für immer glücklich sein würde. Vorausgesetzt, jetzt würde nichts schief laufen. „ Woran denkst du?“, fragte mich Jacob leise. Ich lächelte ihn an. „ Daran, dass

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ich froh bin, dass mein Vater und meine Tante sich dazu entschieden haben, mich wieder nach Atlanta ziehen zu lassen. Zu dir.“ Das erste Mal seit Tagen sah ich wieder ein glückliches Lächeln auf Jakes Lippen. Er beugte sich zu mir herüber, um mich zu küssen, doch dadurch wackelte der Ast gefährlich und ich wäre fast hinuntergefallen. „ Sorry, Jake, damit müssen wir warten, bis wir das alles hier hinter uns haben.“ „ Ich werde darauf zurück kommen“, murmelte er und dann warteten wir weiter. Endlich war es soweit. Stimmen waren zu hören, die immer lauter wurden. Wir sahen nach unten und in dem Moment kam mein früheres Ich mit den Todessern auf die Lichtung. Ich schluckte, als ich Fenrir sah. Gleich würde Jake beobachten, wie ich jemanden töten würde. Den Mörder meiner Mutter. „ NEIN! NEIN! MICHELLE, WAS WILLST’N -?“, hallte Hagrids Stimme über die Lichtung. „ RUHE!“, schrie einer der Todesser, Rowle, und brachte Hagrid mit einem Schlenker seines Zauberstabs wieder zum Schweigen. Im nächsten Augenblick stellte Michelle Nummer Zwei Fenrir zur Rede und dieser erklärte ihr, warum meine Mutter sterben musste. Ich beobachtete Jacobs Reaktion und stellte fest, dass er die Zähne fletschte und einen rasenden Blick bekam. Dann fing das Duell an, bei dem Fenrir ums Leben kommen sollte. Als er den Cruciatus-Fluch anwandte, musste ich Jake zurückhalten, damit er nicht eingriff. Es war eine Qual für ihn, mich dort liegen zu sehen und Zeuge meiner Schmerzen zu sein. Doch als ich den Todesfluch anwandte und Fenrirs Leiche zu Boden fiel, beruhigte er sich. Das überraschte mich. Ich hatte gedacht, dass er aufgebracht oder sogar angewidert wäre, dass ich einfach so jemanden umbringen konnte, auch wenn er noch so grausam war. „ Lasst dieses dreckige Halbblut dafür büßen!“, riefen in dieser Sekunde laute Stimmen und Rowle umfasste die Kehle meines zweiten Ichs. Jacob und ich zischten beide leise und da kam Jacob Nummer zwei auch schon als Wolf angerannt und trennte Rowles Kopf von seinem Körper. Jetzt begann die Schlacht und ich blickte panisch zu Jake. „ Jetzt müssen wir uns auf Alice konzentrieren!“

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Zuerst tauchten das Rudel und dann die Cullens auf der Lichtung auf. Der Kampf begann und ich ließ Alice nicht mehr aus den Augen. Mein Herz machte einen Hüpfer, als ich sie sah. Es war ein merkwürdiges Gefühl, sie wieder so lebendig zu sehen. Funken sprühten durch die Luft und der Riese trampelte gefährlich nah an dem Baum vorbei, auf dem Jacob und ich unter dem Tarnumhang saßen. Ich verfolgte jeden einzelnen Schritt von Alice, was ein schwieriges Unterfangen war angesichts der Tatsache, dass sie ein Vampir war. Innerhalb einer Millisekunde war sie auf der anderen Seite der Lichtung. Ich sah mich selbst, wie ich am Rand stand und mich nach jemanden umschaute, der Hilfe bräuchte. Ich drehte mich vorsichtig um und sah dunkle Umrisse im dunklen Wald auftauchen. Das waren die Zentauren. Sie erhöhten ihr Tempo und spannten ihre Bögen. Gleich würde mein zweites Ich sie sehen und warnen, damit sie nicht die Falschen umbrachten. Doch Michelle drehte sich einfach nicht um. Ich verstand das nicht und bekam Panik. Sie musste die Zentauren warnen, damit sie nicht auf die Vampire und Werwölfe losgingen. Warum kam kein Windhauch, der sie veranlasste, sich umzudrehen? Die Zentauren kamen immer näher, doch Michelle beobachtete weiter das Geschehen auf der Lichtung. Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen und ich zückte hastig meinen Zauberstab, den ich mitgenommen hatte. Jake sah mich verwirrt an, doch ich legte einen Finger auf die Lippen und er sagte nichts. Ich murmelte leise einen einfachen Zauberspruch und ein Windstoß fuhr durch den dunklen Wald. Zufrieden sah ich, wie mein zweites Ich zusammenzuckte und sich umdrehte, um zu schauen, wo dieser Windhauch herkam. Sie erblickte die Zentauren und rief: „ Nicht die Wölfe und die Vampire! Sie gehören zu uns!“, bevor sie an ihr vorbei gallopierten. Ich atmete erleichtert auf und konzentrierte mich wieder auf die Schlacht. Alice war noch guter Dinge und tanzte gerade zu über die Lichtung, was ziemlich leichtsinnig war. Ich sah den rabenschwarzen Sam, wie er einen Todesser in die Ecke drängte. Gleich würde dieser über eine hohe Wurzel stolpern und zu Grunde gehen. Ich wollte gerade den Blick abwenden, da raste mein Herz plötzlich. Da war keine auffällig hohe Wurzel, über die der Todesser stolpern konnte. Dieser hob gerade seinen Zauberstab und schrie: „Avada…“

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Rasend schnell flüsterte ich einen Zauberspruch und die Wurzel des Baumes hob sich, sodass der schwarze Zauberer darüber fiel. Sam stürzte sich auf ihn und brachte ihn zur Strecke. „ Michelle!“, sagte Jake panisch und zeigte auf den Rand der Lichtung. Ich folgte seinem Blick und erstarrte. Alice kämpfte gerade mit einem Todesser, bemerkte aber nicht, dass sich ein weiterer von hinten anschlich. Er war es also! Ich erkannte den Todesser nicht und das war mir auch egal. Jetzt musste ich zügig handeln. „ Halt mich fest, Jake“, flüsterte ich hastig und richtete mich auf. Jake packte mich bei den Beinen, sodass ich nicht vom Ast fiel. Ich hob meinen Zauberstab und zielte auf den Todesser, der Alice gleich den Todesstoß verpassen wollte. „ Avada Kedavra!“ Der grüne Blitz raste über die Lichtung und traf den Todesser genau in der Brust und er fiel wie ein Streichholz um. Jetzt bekam ich Panik, denn es war sehr riskant gewesen, einen solchen Zauber auszusprechen. Hoffentlich hatte mich keiner gehört und geschaut, wo der Zauber herkam. Doch glücklicherweise waren alle so in dem Kampf vertieft, dass keiner gemerkt hatte, dass ich Alice gerade das Leben gerettet hatte. Als auch der letzte Todesser umgebracht wurde, ging der große Jubel los. Die gesamte Cullen Familie, das Rudel, Claudia und mein zweites Ich waren außer Rand und Band und umarmten einander. Ich sah von weitem, wie Claudia die Freudentränen in die Augen stiegen und Embry sie darauf hin glücklich in den Arm nahm. Jacob und Michelle fielen sich ebenfalls in die Arme und küssten sich. Die Wölfe verwandelten sich zurück und feierten zusammen mit den Cullens ihren Sieg. Ich drehte mich freudestrahlend zu dem ‚echten‘ Jake um. „ Wir haben es geschafft! Wir haben es wirklich geschafft!“ „ Nein, Michelle!“, erwiderte Jake plötzlich. „ DU hast es geschafft, du allein!“ Ich wollte mich übermütig zu ihm hinüberbeugen, doch der Ast wackelte darauf hin wieder bedrohlich. „ Später Schatz!“, lachte Jacob leise.

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In dieser Sekunde sagte Claudia unten: „ Michelle und ich müssen noch hoch ins Schloss, bevor wir heimgehen können.“ „ Wir kommen mit“, riefen alle im Chor und so verließen sie allesamt die Lichtung und ließen die toten Todesser zurück. Jetzt wurde ich doch traurig, denn im Schloss würden die Anderen feststellen, dass Lupin, Tonks, Fred Weasley und viele andere ebenfalls tot waren. Ich verdrängte diesen traurigen Gedanken und sagte zu Jake: „ Es wird Zeit, heimzugehen. Nimm meine Hand.“ Das ließ er sich nicht zweimal sagen und dann apparierten wir. -------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- „ Warum sind wir hier?“, fragte Jake mich verwirrt, der das Appieren dieses Mal besser zu vertragen schien. „ Warum sind wir bei mir daheim?“. Ich zuckte mit den Schultern. „ Es wird noch etwa eine Stunde dauern, bis unsere anderen Ichs wieder daheim sind. Also können wir die übrige Zeit auch hier verbringen.“ Wieder sah ich ihn glücklich an. Ich konnte es nicht fassen, dass wir es geschafft haben. Alice war am Leben, ich hatte sie wieder. Jacob und ich gingen in die Küche, um uns etwas zu essen zu machen. Billy war nicht da. Bestimmt saß er bei Emily und wartete aufgeregt auf Neuigkeiten. „ Mann, hab ich einen Bärenhunger!“, rief Jake und nahm Portionen für fünf Personen aus dem Kühlschrank. „ Du hast ja auch tagelang nichts gegessen“, erwiderte ich belustigt. Wir machten uns Hamburger in Übergröße und setzten uns an den Tisch. Jacob verputzte seinen Burger innerhalb von zwei Minuten und machte sich direkt den nächsten. „ Willst du noch einen?“, fragte er mich. „ Nein, nein, einer reicht mir, danke“ Nachdem wir aufgegessen und abgespült hatten zog ich Jake zu mir. Er lächelte und beugte sich zu mir herunter. Jetzt endlich konnten wir uns küssen, ohne dass wir Angst haben mussten, von einem Baum zu fallen. Nachdem wir uns voneinander gelöst hatten, schaute ich auf die Uhr. „ Ich glaub, wir können jetzt wieder zurück.“ Sicherheitshalber warf ich den Tarnumhang doch noch einmal über unsere Köpfe, dann apparierten wir wieder. In der nächsten Sekunde standen wir wieder in meinem Zimmer und ich erlitt den Schock meines Lebens.

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„ Ich glaube, unsere anderen Ichs waren doch schneller zurück, als erwartet.“, flüsterte Jacob völlig baff. Ich wurde rot wie eine Tomate, als ich die Szene beobachtete, die sich vor uns abspielte. Aus meinem kleinen CD-Player auf dem Schreibtisch erklang ein Kuschelsong, der schmachtender war als alles, was ich bisher gehört hatte. Meine Bettdecke und mein Kopfkissen waren vom Bett gezerrt worden und im Bett selbst lagen Jake und Michelle Volume Zwei. Wenn sie dort einfach nur gelegen hätten, wäre es nicht weiter schlimm gewesen, doch leider taten sie etwas ganz anderes. Mein Bett wackelte richtig unter dem Radau, den die beiden da veranstalteten. Jacob lag über der stöhnenden Michelle und verwöhnte sie mit seinen Künsten, während sie ihr Becken seinem entgegen drückte. „ Das ist schräg. Das ist wirklich schräg“, flüsterte Jacob neben mir. „Spinnst du! Sie könnten uns hören.“, zischte ich aufgebracht. „ Quatsch, bei deinem Gestöhne könnte in diesem Zimmer ein Live-Konzert stattfinden und sie würden es nicht merken.“ Tatsächlich hatte er Recht. Ich hatte ja keine Ahnung, wie laut ich stöhnen konnte. Darauf musste ich wirklich Acht geben. Ich achtete darauf, dass der Tarnumhang nicht verrutschte, zog Jake an der Hand und wollte gehen. Doch der rührte sich nicht vom Fleck und starrte stadtdessen immer noch wie gebannt auf die Szene vor ihm. „ Das ist doch jetzt hoffentlich nicht dein Ernst!“, flüsterte ich leise. Jake legte den Kopf schief und grinste. „ Wieso? Ich wollte schon immer wissen, wie ich im Bett bin.“ Das konnte doch nicht wahr sein. „ Jacob Black! Als äußerst zuverlässige Quelle kann ich dir sagen, dass du immer erstklassige Arbeit leistest! Können wir jetzt gehen?“ Er musste sich das Lachen verkneifen, doch er verließ dann doch mit mir zusammen das Zimmer. Im Flur blieben wir stehen und ich sah Jake flehend an. „ Halt gefälligst deine Gedanken in Zaum, wenn wir Edward wieder begegnen. Das wäre sonst unser Untergang! Mein Gott wie peinlich.“ In diesem Moment hörten wir einen lauten Schrei aus meinem Zimmer. „ Jaaaa. Jake, das tut so gut. Schneller! Fester!“ Ich wurde wieder rot wie eine Tomate und fragte Jacob entgeistert: „ Bin ich wirklich immer so laut?“ Er

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grinste und zeigte seine weißen Zähne. „ Jedes Mal!“ Eilig holte ich den Zeitumkehrer wieder hinaus.„ Ok, wir müssen zu dem Zeitpunkt gehen, als wir aufgebrochen sind, um Alice zu retten. Das heißt also morgen Abend.“ Ich drehte einmal am Rädchen und wieder wurde alles dunkel um uns herum. Als auch die Farben wieder verschwanden, steckte ich den Zeitumkehrer in die Hosentasche und ging mit Jake vorsichtig zu meiner Zimmertür. Er öffnete sie und zusammen unter dem Umhang zwängten wir uns hinein. Wir waren genau im richtigen Augenblick gekommen. Unsere zweiten Ichs standen gerade mitten im Raum, Michelle drehte an dem Zeitumkehrer und die beiden waren verschwunden. „ So! Geschafft! Es ist vorbei.“, rief ich freudig und riss den Tarnumhang hinunter. „ Das verstehe ich nicht. Warum sind die beiden jetzt aufgebrochen, sie müssen doch nichts mehr verändern. Und woher haben sie jetzt den Zeitumkehrer? Den hast du doch!“ Ich seufzte und nahm ihn bei der Hand. „ Jake, die Zeit ist eine komplexe und komplizierte Sache. Du würdest es nicht verstehen und es wäre beinahe unmöglich für mich, es dir richtig zu erklären.“ „ Ok.“, antwortete Jake achselzuckend. „ Und was machen wir jetzt?“ Als er mir diese Frage stellte, schaute er sehnsüchtig zum Bett hinüber. Ich lachte. „ Oh nein, ich weiß genau, woran du denkst, aber das muss warten. Wir gehen jetzt erst einmal zu Alice!“ ------------------------------------------------------------------------------------------------ Ich nahm zwei Stufen der Veranda auf einmal, sodass Jake sich beeilen musste, um mir hinterher zu kommen. Ich klingelte Sturm und es brauchte keine zwei Sekunden, bis jemand öffnete. Es war Renesmee. „ Nessy!“, schrie ich und umarmte sie stürmisch. „ Michi!“, rief sie freudig und hüpfte auf und ab, als ich sie wieder los ließ. Sie begrüßte Jacob mit einem coolen Handschlag und wir drei lachten.

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Wir traten ins Haus und sofort waren wir von Vampiren umzingelt. Jeder wollte uns begrüßen, doch ich hielt nur nach einer Person Ausschau. „ Alice!“, schrie ich hysterisch und riss sie in meine Arme. Ihre schneeweiße Haut lag eiskalt an meiner, aber ich wollte sie immer fester umarmen. Ich wuschelte ihr durch ihre dunkle Igelfrisur und da hörte ich das eine Geräusch, was ich so vermisst hatte: Ihr Lachen. „ Meine Güte! Michelle, was ist denn los?“, fragte sie mich lachend. Mir stiegen die Tränen in die Augen. „ Ach ich freu mich einfach so, dich zu sehen, Alice!“, antwortete ich freudig. „ Na wenn das so ist, dann bedank ich mich. Ich freu mich auch, dich zu sehen, kleine Schwester!“, erwiderte sie und zog mich wieder in ihre Arme. Nach einer Weile drehte ich mich um und sah in Edwards total verständnisloses Gesicht. Ich lachte so laut, dass der arme Jasper erschrocken zusammenfuhr. Der ahnungslose Edward wurde von Jacobs und meinen verrückten Gedanken geradezu überhäuft. Doch jetzt spielte das keine Rolle. Irgendwann würden wir ihm alles erklären und ob er uns dann wirklich glaubte, wäre seine Entscheidung. „ Hey Jake, was hältst du davon, wenn wir später ein kleines Wettlaufen veranstalten? Nur du und ich, aus Spaß.“, sagte Emmett plötzlich, der die wunderschöne Rosalie fest im Arm hielt. Er lächelte und überhaupt nichts Boshaftes lag in seinem Blick. Keine Spur von Rivalität. Ich sah gespannt zu Jake, der mit sich selbst zu kämpfen schien. Ich wünschte mir so sehr, dass er mit Emmett Frieden schließen würde, damit es das perfekte Happy End geben konnte. Er sah zu mir herüber und er musste irgendetwas in meinem Blick gefunden haben, was ihn veranlasste, Emmett an zu grinsen. „ Wenn du dich das traust, ja klar. Die Wette gilt“, sagte er verschmitzt und hielt Emmett die Hand hin. Mein Herz machte einen freudigen Hüpfer, als Emmett lachte und einschlug. Er und Jacob sahen sich an und da wussten wir alle, dass sie einen Neustart wollten und die Vergangenheit hinter sich ließen. Emmett klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter und meinte: „ Ich warte

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draußen und wärm mich schon mal ein wenig auf.“ Dann verschwand er mit Rosalie nach draußen. Plötzlich kam Esme auf uns zu und strahlte Jacob und mich an. „ Na, das war doch mal ein Abenteuer, oder?“ Jake legte seinen Arm um mich und sah mich zärtlich an. „ Das kann man wohl sagen. So abenteuerlich, dass wir beide uns eigentlich ein paar Wochen Urlaub verdient haben. Nur wir beide. Was hältst du davon, Michelle?“ Zur Antwort fiel ich ihm jubelnd um den Hals. Das Ende vom Anfang „ Liebe Fluggäste, wir bitten Sie, sich anzuschnallen, denn wir werden in Kürze landen.“, ertönte die Stimme des Piloten durch einen kleinen Lautsprecher. „ Wurde aber auch Zeit“, murmelte Jacob neben mir schläfrig und rappelte sich in seinem Sitz auf. Der Arme war viel zu groß für die engen Sitzplätze im Flugzeug und konnte während des sechs- Stunden Flugs, den wir hinter uns hatten, nicht einmal die Beine ausstrecken. Ich lächelte und beugte mich zu ihm herüber. „ Später bekommst du eine Massage von mir, versprochen.“ Daraufhin grinste er und kam meinem Gesicht näher, um mich zu küssen. „ Entschuldigen Sie bitte, Madam, aber ich müsste Ihren Tisch abräumen, bevor wir landen.“ Genervt drehte ich mich um, um zu schauen, wer uns gerade gestört hatte und sah in das Gesicht der schwarzhaarigen Stewardess, mit der ich mich auf diesem Flug bereits beinahe angelegt hätte. Der Grund dafür waren ihre permanenten Versuche, mit Jacob zu flirten und ihr verführerischer Wimpernaufschlag hatte mich dabei fast zur Weißglut

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gebracht. Wenn der Flugzeuggang nicht so verdammt eng wäre, hätte ich ihr ihren superkurzen Stewardess-Rock gerne mal über den Kopf gezogen. „ Klar, machen Sie nur. Ich muss sagen, dass das Brötchen etwas hart war, darauf sollten Sie achten.“, antwortete ich leicht hochnäsig. Die hübsche Frau zog zwar eine Augenbraue hoch, versuchte aber weiterhin, freundlich zu klingen. „ Natürlich werde ich das.“ Dann strahlte sie Jacob, der am Fenster saß, noch einmal ausgiebig an, ließ ihren Blick an seinen Muskeln entlang wandern und verschwand dann, um sich ausnahmsweise auch mal um andere Gäste zu kümmern. Ich rümpfte die Nase, worauf hin Jacob in ein leises Lachen verfiel. „Du warst ganz schön gemein, weißt du das? Die Frau macht doch nur ihren Job.“ Ich drehte mich in einem Ruck zu ihm um. „ Ich glaube nicht, dass es zu ihrem Job gehört, MEINEN Freund anzuschmachten.“ „ Wie bitte?“. Jetzt sah ich ihn völlig entgeistert an. „ Jetzt behaupte nicht, du hättest das nicht gemerkt. ‚Sir, möchten Sie noch etwas trinken? Kann ich Ihnen sonst noch etwas Gutes tun? Vielleicht kann ich Ihnen eine besonders kuschelige Decke bringen? ‘. Fehlt ja nur noch, dass sie dich auf einen Drink einlädt.“ Jetzt fing Jake an, so laut zu lachen, dass sich ein älterer Passagier vor uns erschrocken umdrehte . „ Bist du etwa eifersüchtig?“. Ich wurde rot und verschränkte die Arme, was er vermutlich als eine Antwort sah. Er legte seine Hand an meine Wange und sah mich mit einem derartig liebevollen Blick an, dass meine Knie wieder weich wurden. „ Du bist so süß, wenn du dich aufregst. Zum Anbeißen.“ Dann kam er mir wieder näher und ich schloss die Augen und wartete, bis sich seine Lippen auf meine legen würden. „Ist Ihnen denn nicht kalt, Mister Black?“, erklang wieder die zuckersüße Stimme, die ich so hasste. „ Ok, jetzt reicht es.“, zischte ich Jake leise ins Ohr, bevor ich mich zu der aufdringlichen Stewardess umdrehte. „ Hören Sie, Mrs…“. „ Miss! Ich bin nicht verheiratet.“, sagte sie auf eine Art, als wäre sie stolz darauf und sah Jacob dabei mit einem Blick an, der sagte: „ Sieh doch hin! Ich bin dein Hauptgewinn.“. Ich achtete darauf, dass ich ruhig atmete

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und fuhr fort. „ Wie auch immer. Hier an Bord gibt es noch rund zweihundert andere Fluggäste, die bedient werden müssen. Uns geht es wirklich gut und wir würden uns über ein paar Minuten Ruhe vor der Landung freuen. Nicht wahr, Schatz?“ Das Wort ‚Schatz‘ hatte ich extra stark betont und lächelte jetzt Jacob an, dem diese ganze Szene zu amüsieren schien. „ Ja, Engel, das stimmt. Uns geht es sehr gut, danke,Miss, für Ihre Bemühungen.“, sagte er mit seiner samtweichen Stimme, die wie Musik in meinen Ohren klang. „Wie Sie wünschen“, erwiderte die Stewardess etwas unfreundlich und stöckelte auf ihren hohen Schuhen davon. „ Na endlich!“, grummelte ich, während Jacob herzhaft gähnte. „ Wie viel Uhr haben wir eigentlich?“, fragte er mich und schaute aus dem Flugzeugfenster, wo er nichts weiter als die rabenschwarze Nacht sehen konnte. Ich schaute auf den kleinen Monitor, der in den Sitz vor mir eingelassen war. „Wenn man die Zeitumstellung bedenkt, ist es 19:00 Uhr.“ „ Erst?“, antwortete Jake irritiert. „ Wird es in Brasilien etwa immer so früh dunkel?“ „ Keine Ahnung. Anscheinend schon.“ Jacob und ich hatten unser gesamtes Geld zusammengekratzt, um nach Brasilien, genauer gesagt nach Rio de Janeiro, zu fliegen. Jake hatte durch seine Mechanikerkünste eine beträchtliche Summe zusammenbekommen und durch meinen Job in der Bibliothek konnten wir es uns leisten, zwei Wochen Urlaub am Strand zu machen. In dieser Sekunde spürte ich, wie das Flugzeug an Höhe verlor und schnallte mich schnell an. Jake tat das ebenfalls und nahm meine Hand. Ich hatte mir vor Lachen den Bauch halten müssen, als Jake mir anvertraute, dass er Flugangst hatte. Er, der stärkste und mutigste Werwolf von allen hatte Angst vorm Fliegen. Er schloss in diesem Augenblick die Augen und ich strich ihm über den Handrücken, um ihn zu beruhigen. Als der Pilot das Flugzeug sanft auf der Erde aufsetzen ließ, atmete Jake erleichtert auf und entspannte sich zugleich. Kaum wurde uns die Erlaubnis zum Aussteigen gegeben, ging der große Trubel auch schon los. Jeder wollte zuerst zum Terminal und schnappte sich sein Handgepäck. Jake trug unsere beiden Rucksäcke und wir folgten den anderen Passagieren. Kurz, bevor wir das Flugzeug verließen, kamen wir an meiner „Lieblings-Stewardess“ vorbei, die sich von jedem Fluggast persönlich verabschiedete. Als sie mich sah, verzog sie leicht ihren Mund, was mich freute. „ Ich hoffe, Sie beehren uns bald wieder“, sagte sie jedoch viel zu freundlich zu Jacob, bevor ich ihn an die Hand nahm und weiterschleifte.

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Dann mussten wir beide die üblichen Sicherheitskontrollen über uns ergehen lassen. Die Beamtin schreckte höllisch zusammen, als sie Jacobs unnatürlich warmen Oberarm aus Versehen berührte und machte ganz große Augen. Aber sonst lief alles glatt und wir konnten den überfüllten Flughafen ohne Probleme mit unseren Koffern verlassen. „ Großer Gott, ist das heiß!“, stieß ich hervor, als wir durch die Glastüren nach draußen traten. Obwohl es Abend war, kam ich mir vor wie in einem Backofen. Selbst auf Jakes Stirn bildeten sich Schweißperlen und das musste schon etwas heißen. „ Puh, ich muss zugeben, es ist wirklich sehr warm“, bestätigte er mich und versuchte daraufhin, ein Taxi herbeizurufen. Wir hätten niemals gedacht, dass das ein solches Unterfangen werden würde. Außer uns versuchten noch etwa zwanzig andere Menschen ein Taxi zu bekommen und alle winkten wie verrückt am Straßenrand. Jacob versuchte etwa zehn Minuten lang vergeblich, die Aufmerksamkeit eines Taxifahrers auf sich zu ziehen. Ich beobachtete, wie er langsam ungehalten wurde und seufzte. Ich bückte mich, öffnete meinen Koffer und suchte unbemerkt nach meinem Zauberstab. Ich achtete darauf, dass mich keiner sah und richtete ihn unauffällig auf die Straße, wobei ich ein paar Worte murmelte. Zwei Sekunden später hielt ein Taxi direkt vor unseren Füßen. „ Ha! Ich habs geschafft“, jubelte Jacob und ich versteckte meinen Zauberstab schnell mit dem Vorhaben, ihm lieber nicht die Wahrheit zu sagen. Das wäre nicht gut für sein Ego gewesen. Glücklicherweise konnte der brasilianische Taxifahrer ein paar Worte Englisch, sodass wir ihm die Adresse mitteilen konnten, zu der wir wollten. Jacob hatte mich damit überrascht, dass er nicht ein Hotelzimmer gebucht, sondern sogar ein kleines Häuschen am Strand für uns alleine gemietet hatte. Ich war ihm um den Hals gefallen, als ich davon erfahren hatte, denn so konnten wir ungestört bleiben. Ich unterhielt mich ein wenig mit dem Taxifahrer, während Jake auf dem Autositz eindöste. Er war erschöpft von dem Flug und ich war froh, dass er nicht anfing, los zu schnarchen. Eine Weile sah ich meinen schlafenden Engel einfach nur an und war glücklich. Plötzlich sah der etwas kräftige Taxifahrer in den Rückspiegel und sah mich an. „ Und, wann ist Hochzeit?“, sagte er mit seinem holprigen Englisch. Ich fuhr vor Schreck zusammen und sah hastig zu Jake, der aber immer noch wie ein Baby schlief. „ Wie kommen Sie auf die Idee, dass wir verlobt sind?“, fragte ich den Fahrer also leise. Dieser brauchte ein paar Sekunden, um seine Worte im Kopf

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ins Englische zu übersetzen. „ Sie sein so glücklich miteinander, ich das sehen kann. Sie werden sein bestimmt das wunderschönste Ehepaar unter großen, weiten Sonne.“ Ich dachte über seine Worte nach und nickte. Er hatte Recht, Jake und ich wären ein wunderschönes Ehepaar, da war ich mir sicher. Ich drehte mich zu Jacob um und war mir nicht sicher, was ich dort sah. Seine Augen waren geschlossen, seine Brust hob und senkte sich gleichmäßig, jedoch lag auf seinen Lippen ein Lächeln, was dort zuvor noch nicht war. Hatte er gehört, was der Taxifahrer über uns beide gesagt hatte? Ich beschloss, ihn nicht danach zu fragen. Nach etwa einer Stunde kamen wir zum Stehen und ich rüttelte Jacob wach, der sich nur ungern bewegen wollte. Ich bezahlte den Taxifahrer, wobei ich ihm ein saftiges Trinkgeld in die Hand drückte, und dann stiegen wir aus. Wir standen vor einem kleinen, modern aussehenden Haus, doch ich hatte im Moment keine Augen dafür, denn ich hörte deutlich das Rauschen des Meeres und wurde sofort hibbelig. Jake lachte und rief: „ Los, geh schon! Ich bring schnell die Sachen ins Haus.“ Das ließ ich mir nicht zweimal sagen und ich rannte hinter das Haus. Jacob hatte nicht übertrieben, als er sagte, es befände sich direkt am Strand. Ich konnte die Stufen der Terrasse hinuntergehen und da spürten meine Füße schon den feinen Sand. Es war nicht diese Art von Sand, bei dem man andauernd Angst haben musste, man würde die Füße an irgendetwas verletzen. Mit federnden Schritten lief ich weiter, bis ich das Wasser erreichte. Und da stand ich auch schon bis zu den Waden drin. Es war weder zu kalt, noch zu warm. Die Wasseroberfläche glitzerte im Mondlicht und ich genoss diese ruhige Atmosphäre. Ich schloss die Augen und atmete den wunderbaren Geruch des Meeres ein. Plötzlich legten sich zwei warme Arme um meine Mitte. Ich drehte mich nicht um, sondern lehnte mich an Jacobs Brust und hielt die Augen weiter geschlossen. Seine vollen Lippen legten sich auf mein Schlüsselbein und augenblicklich bildete sich dort eine Gänsehaut auf meiner Haut. „ Es ist wunderschön hier“, flüsterte ich und sah zum Vollmond hinauf. „ Da hast du Recht. Das Haus ist auch klasse.“ Ich drehte mich zu ihm um und sah in seine braunen Augen. „ Weißt du, warum ich dich so liebe?“, fragte ich ihn, woraufhin er seltsamerweise den Kopf hängen ließ. „ Weißt du, diese Frage stelle ich mir jetzt schon seit fast zwei Jahren.“

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Ich erschrak über seine Worte und sah ihn fassungslos an, bevor ich stammelnd antwortete: „ Was redest du da denn für einen Unsinn?! Ich dachte, du wüsstest, wie verrückt ich nach dir bin und dass ich dich nie verlieren will!“ „ Ja schon! Aber verstanden habe ich es nie.“ Ich holte einmal tief Luft und nahm sein Gesicht in beide Hände. „ Du hörst mir jetzt zu, Jacob Black. Ich liebe dich, weil du bist, wie du bist. Du verstellst dich nicht, um irgendjemanden zu gefallen oder es jemandem recht zu machen. Du überraschst mich immer wieder und mit dir ist es nie langweilig. Du bist temperamtvoll, kannst aber auch so zärtlich sein, dass ich unter deinen Händen quasi dahin schmelze. Du beschützt mich und machst alles um mich glücklich zu machen. Du machst alles, wovon ein Mädchen träumt, denn du trägst mich auf Händen. Ich will nie mehr ohne dich sein, nicht für einen Tag, denn ich fühle mich nur vollkommen und ganz, wenn du bei mir bist. Ich liebe dich mehr als alles andere, mehr als mein eigenes Leben, denn wenn dir etwas passieren würde, wäre es nichts mehr wert. Ich liebe dich und ich werde immer dafür sorgen, dass….“ Ich wurde unterbrochen, als Jake seine Lippen drängend auf meine legte. Ich gab dem nach und vergaß auch schon sofort die Worte, die ich ihm eigentlich noch sagen wollte. Ich schlang meine Arme um seinen Hals und drückte meinen Körper eng an seinen, sodass ich beinahe keine Luft mehr bekam, doch das war mir egal. Ich bekam nicht genug von ihm und bewegte meine Lippen leidenschaftlich auf seinen. Jacobs rechte Hand griff in mein Haar, während er die andere sanft auf meinen Po legte. Sofort fing ich an zu zittern und fuhr mit meiner Zunge vorsichtig über seine Unterlippe. Als Reaktion darauf presste er meinen Körper noch enger an sich und liebkoste mit seiner Zunge ebenfalls meine Lippen. Nach ein paar Minuten lösten wir uns atemlos voneinander und ich fragte ihn: „ Heißt das, ich habe dich überzeugt?“ Zur Antwort hob er mich mit einem Ruck hoch und trug mich ins Haus hinein. Er machte das Licht an und als ich mir das Haus von innen ansah, staunte ich nicht schlecht. Jake setzte mich ab, sodass ich auf Entdeckungstour gehen konnte. Es gab einen Eingangsbereich und eine offene Küche, welche größer als unser gesamtes Wohnzimmer war. Hier könnte ich Jake einiges kochen. Das Bad war sehr geräumig und sauber, genau wie das Wohnzimmer, in dem eine riesige Ledercouch stand. Aber am besten war das Schlafzimmer: ein gigantisches Bett aus Eichenholz stand mitten im Raum. Die Bettwäsche hatte

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einen angenehmen Rot-Ton und die Schnitzereien an den Fußenden waren einfach atemberaubend. Jake und ich machten uns ans Auspacken und freuten uns auf die nächsten zwei Wochen. „ Ich gehe schnell duschen, in Ordnung?“, fragte ich, nachdem wir eine Kleinigkeit gegessen hatten. Jake überlegte eine kurze Weile und antwortete dann frech: „Weißt du, eigentlich müsste ich auch unter die Dusche. Aber warum so viel Wasser verschwenden?“ Ich lachte lauthals und zog ihn mit ins Badezimmer. Nachdem wir beide zusammen geduscht hatten, legten wir uns ins Bett. Eigentlich wollten wir mit dem, womit wir unter der Dusche begonnen hatten, hier weitermachen, allerdings waren die Matratzen so weich und wir waren so erschöpft von dem Flug, dass wir beide sofort einschliefen. Die nächsten paar Tage waren die schönsten in meinem bisherigen Leben. Jeden Morgen begannen wir damit, ins Meer zu springen und dort unseren Spaß zu haben. Jacob und ich wechselten uns immer mit dem Kochen ab, sodass jeder einmal seine Lieblingsgerichte zubereiten konnte. Die Nachbarn waren alle sehr freundlich, auch wenn wir uns nur schwer verständigen konnten. Am fünften Tag schlenderten wir beide mal wieder in die Stadt, um dieses fremde Land auf uns wirken zu lassen. Rio de Janeiro war wirklich eine wunderschöne Stadt mit vielen Sehenswürdigkeiten und Restaurants, bei deren Essen einem das Wasser im Munde zusammenlief. Wir besuchten einen brasilianischen Zirkus und staunten dabei nicht schlecht. Nach der atemberaubenden Vorstellung setzten Jacob und ich uns in ein kleines Cafe, um uns ein wenig auszuruhen. Es war so heiß, dass wir beide sehr luftig angezogen waren. In den letzten paar Tagen hatte ich eine leichte Bräune gewonnen, während Jake nach dem ersten Tag schon brauner war als je zuvor. Er rückte sich gerade seine Sonnenbrille zurecht, als ich ihn fragte: „ Was willst du heute Abend unternehmen?“ Seine Augen fingen an zu leuchten. „ Wie wäre es, wenn wir heute mal in einen Club gehen? Hier braucht man wenigstens nicht 21 zu sein, um Alkohol trinken zu dürfen. Wir könnten die ganze Nacht tanzen!“ Ich lachte laut auf, sodass ich beinahe meine Cola umgeworfen hätte. „ Ok, dann lass uns den Kellner fragen, wo wir hier was Gutes zum Tanzen finden.“ Der Kellner gab uns eine freundliche Auskunft und so gingen wir heim, um uns für diese Nacht fertig zu machen.

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Jake bekam sich nicht mehr ein vor Lachen, als ich stundenlang im Kleiderschrank wühlte, um etwas zu finden. Doch schließlich entschied ich mich für ein pinkes, kurzes Kleid mit hohen, silbernen Pumps. Eigentlich wäre unter dem kurzen Kleid noch eine Leggins angebracht gewesen, doch dann hätte ich mich kaputt geschwitzt. „ Du hast eine tolle Figur, warum solltest du sie also auch nicht zeigen? Alle Männer werden neidisch auf mich sein, wenn ich mit dir im Arm ankomme.“, sagte Jake, als ich ihm von meinem Dilemma erzählte. Er selbst trug eine lange Jeans(keine Ahnung, wie er das aushielt, aber Werwölfe reagierten sowieso anders auf das Wetter als andere Menschen) und ein schickes, dunkelblaues Hemd. So konnten wir ausgehen! Der Club, der uns empfohlen wurde, war wirklich der Wahnsinn. Ich fühlte mich in diesem riesigen Raum, man konnte schon fast Halle dazu sagen, ziemlich klein. Laute Musik dröhnte aus großen Boxen und eine Menschenmenge tanzte auf der Tanzfläche. Überall waren Scheinwerfer zu sehen, die mit bunten Lichtern einen einzigartigen Effekt herbeiführten. Eine lange Bar mit mindestens fünf Barkeepern dahinter erstreckte sich am Rand des Raumes und genau dorthin führte Jake mich jetzt. „ Was willst du trinken?“, schrie er mir ins Ohr, um die Musik zu übertönen. „ Einen Apfelmartini bitte.“, Jake sah mich überrascht an und ich zuckte nur mit den Schultern. In den ganzen coolen Soaps tranken die New Yorker Frauen immer Apfelmartinis, die immer so lecker aussahen, dass ich jetzt selbst einen probieren wollte. Jacob kaufte sich selbst einen Wodka-Energy und reichte mir mein Getränk. Ich nippte kurz daran und in der nächsten Sekunde war das Glas auch schon leer. „ Was denn?“, fragte ich Jake, der mich nur perplex anstarrte, „ das schmeckt einfach zu gut!“ Nach einer Weile führte ich Jake mitten auf die Tanzfläche, wo wir unsere Körper zur schnellen Musik bewegten. Jacob war ein wirklich sehr guter Tänzer, ich war sogar neidisch auf ihn. Wir beide hatten so einen Spaß, dass ich ihn mitten in einem Lied einfach küsste. Sofort hörten wir auf zu tanzen, so vertieft waren wir in diesem atemberaubenden Kuss. Plötzlich fingen die Menschen um uns herum an zu klatschen und die Scheinwerfer waren auf Jake und mich gerichtet. Die Menge jubelte, als Jake mich immer leidenschaftlicher küsste, sodass ich irgendwann drohte, ohnmächtig zu werden. Als ich mich von ihm löste, grinste er mich an und die

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Leute begannen wieder, selbst zu tanzen. „ Ich geh mal eben auf die Toilette, in Ordnung? Du kannst uns ja noch etwas von der Bar holen“, meinte Jake und verließ die Tanzfläche. Ich bemerkte, dass er dabei ganz leicht wankte, obwohl er nur drei Wodka hatte. Man sollte meinen, ein Werwolf könnte mehr vertragen! Es kam mir blöd vor, wie der letzte Idiot einfach auf der Tanzfläche stehen zu bleiben und so ging ich zu dem Ende der Bar, an dem nicht so viel los war und die Musik einem nicht das Trommelfell zerriss. „ Was darf es denn sein?“, fragte der Barkeeper mich mit seinem schlechten Englisch. „ Für mich bitte nur ein Wasser, danke!“ „ Das geht auf mich, Pedro.“ Irritiert drehte mich um, um rauszufinden, wer mir da gerade einen Drink spendierte. Vor mir stand, in Jeans und mit schwarzem Hemd, ein Mann von etwa zwanzig Jahren mit einem breiten Lächeln auf dem Gesicht. Seine etwas längere hellbraune Frisur war feinfühlig gestylt worden und harmonierten farblich mit dem perfekt gepflegten 3-Tage-Bart. Lässig lehnte sich der Unbekannte jetzt gegen die Theke, während Pedro, der Barkeeper, mein Wasser zubereitete. Ich stand etwas hilflos da, denn sowas war mir noch nie passiert. Unsicher fragte ich den Mann: „ Vielen Dank, aber das wäre nicht nötig gewesen. Wollen Sie denn nichts trinken?“ Er schüttelte den Kopf und antwortete freundlich. „ Nein. Ich bin mit meinen Freunden hier und naja...“ , „ Und Sie haben das große Glück, sie später nach Hause fahren zu dürfen.“, vervollständigte ich seinen Satz. Er lachte und zeigte auf eine Gruppe wilder Tänzer. Ich nickte, die waren auf keinen Fall mehr in der Lage, ein Auto zu lenken. In dieser Sekunde bekam ich mein Wasser und ich stürzte das kalte Getränk eilig runter, während der Unbekannte seinen Kopf schief legte und mich ansah. Aus den Augenwinkeln bemerkte ich, dass er mir irgendwie bekannt vorkam, aber ich kam einfach nicht dahinter, woher. „ Darf ich fragen, wem ich gerade ein Wasser ausgegeben habe?“, fragte er plötzlich höflich. Ich überlegte kurz, kam dann aber zu dem Schluss, dass der Mann nur gute Absichten haben musste und antwortete: „ Ich heiße Michelle.

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Und Sie?“ Ich reckte ihm die Hand entgegen und er schüttelte sie. Nach dem ganzen Körperkontakt mit den anderen schwitzenden Tänzern war seine Hand angenehm kühl, vermutlich war er eben gerade erst gekommen. „ Ich heiße Raphael. Freut mich, Sie kennenzulernen, Michelle.“ Sein Englisch war makellos. Ich lächelte ihn an und versuchte wieder rauszufinden, warum er mir so bekannt vorkam. Keiner meiner Freunde sah ihm auch nur im Geringsten ähnlich, trotzdem kam es mir so vor, als würde ich ihn kennen. Wie seltsam. „ Ihr Freund ist aber lange auf Toilette“, sprach Raphael plötzlich weiter. „ Sie wissen, dass ich mit meinem Freund hier bin? Haben Sie uns etwa beobachtet?“, fragte ich ihn empört und drehte mich um, denn mit einem Stalker wollte ich wirklich nichts zu tun haben. Doch wie aus dem Nichts stand Raphael plötzlich wieder vor mir. Ich ärgerte mich. Der Alkohol musste meine Wahrnehmung ganz schön beeinträchtigt haben. Raphael grinste und meinte: „ Beobachten ist nicht das richtige Wort. Ich habe nur aufmerksam zugeschaut, damit ich meine Chance nicht verpasse, Sie anzusprechen.“ Ich lachte laut auf. „ Ganz schön frech was? Einfach die Freundin eines anderen Mannes anzusprechen. Aber ich sollte Sie warnen, mein Freund ist niemand, mit dem man sich anlegen sollte.“ „ Und ich sollte Sie warnen, dass ich niemand bin,der so schnell aufgibt“, parierte er schnell. „ Wollen Sie mit mir tanzen?“, fragte er mich neugierig. Ich sah in seine dunkelgrünen Augen und überlegte, was ich tun sollte. Raphael war zwar freundlich und ich würde liebend gern mit ihm tanzen, doch das würde Jacob in Rage versetzen, denn er konnte sehr besitzsergreifend sein. Und ich wollte nicht, dass Raphaels Knochen irgendetwas passierte. „ Nein, tut mir leid. Ich hab schon etwas zu viel getrunken und wenn ich jetzt noch tanze, wird mir bestimmt schlecht. Aber vielen Dank für das Wasser.“ Das sollte eine Andeutung sein, dass er verschwinden sollte, doch daran dachte Raphael erst gar nicht. Er legte seinen Kopf schief und sah mich mit einem Blick an, der mir sagte, dass er mir kein Wort glaubte. „ Sie haben wirklich Angst, dass Ihr Freund zurückkommt, oder?“. Als ich ihm nicht antwortete, fuhr er fort. „ Dann kann ich daran leider nichts ändern. Aber wenn Sie es sich anders überlegen sollten, würde ich mich sehr über einen Anruf von Ihnen freuen.“ Mit diesen Worten kramte er einen kleinen Zettel aus seiner Hosentasche und lieh sich von Pedro einen Stift. Als er sich wieder zu mir umdrehte, nahm er meine Hand und legte den Zettel hinein. Dann lächelte er mich noch einmal verschmitzt an und verschwand wieder in der Menge.

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Und jetzt stand ich dort, mit der Handynummer eines völlig Fremden. Raphaels Schrift war elegant, viel zu elegant für einen Mann. Und er benutzte bei den Ziffern zusätzliche Schnörkel, die seit etwa hundert Jahren keiner mehr gebrauchte. Ich schüttelte meinen Kopf und drehte mich zu Pedro um. Jetzt konnte ich wirklich noch einen Drink gebrauchen. Ich nippte gerade an meinem vierten Apfelmartini, als ich von weitem Jacob sah, wie er aus dem Herrenklo kam. Na endlich! Musste er etwa noch Schlange stehen? Doch er blieb plötzlich stehen und sah sich um. Dann spannte er seine Muskeln an und sein Blick wurde wild. Ich hätte vor Schreck fast meinen Martini fallengelassen, doch dazu hätte ich gar keine Zeit gehabt, denn Jake stand sofort vor mir. „ Wir gehen!“, sagte er beherrscht und nahm mir den Martini aus der Hand, um ihn auf die Theke zu stellen. Er schien plötzlich völlig nüchtern zu sein, denn sein Blick war klar und hart. „Was?“, fragte ich ihn verwirrt. Doch er antwortete nicht, nahm meine Hand und zog mich von der Bar weg, Richtung Ausgang. Kurz bevor wir dort ankamen, blieb ich wie angewurzelt stehen. „Jacob Black! Wenn du mir nicht sofort sagst, was hier los ist, geh ich nirgends hin!“, schrie ich über die Musik hinweg. Jake schaute wütend drein und dann zischte er mir schnell ins Ohr: „ Hier ist ein Vampir. Ich kann es riechen!“ Ich fiel aus allen Wolken und schlug mir die Hand vor den Mund, denn ich wusste augenblicklich, von wem Jake sprach. Ich schaute mich hastig um und sah Raphael am Rande der Tanzfläche stehen, wie er neugierig zu uns rüberschaute. Deswegen war er mir so bekannt vorgekommen. Er hatte sich wie die Cullens verhalten, die versuchten, sich genauso wie Menschen zu benehmen. Als sich unsere Blicke kreuzten, wurde seiner plötzlich hart und seine Augen wanderten wütend zu Jake. Dann sah ich ihn nicht mehr, weil Jake mich hinter sich herzog. Kaum waren wir draußen angelangt, erhöhte er sein Tempo und schliff mich einfach mit. „ Das man noch nicht mal in Brasilien seine Ruhe vor denen hat!“, schimpfte er. „ Moment mal!“, fügte er plötzlich noch hinzu und drehte sich nervös zu mir um. Er kam näher und roch an meinem Hals. Oh nein, bitte nicht! Doch zu spät. „ Sein Duft haftet an dir. Hast du etwa mit dem Vampir geredet?“, fragte er

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mich entsetzt. „ Nun ja, da war ein Mann, der mir ein Wasser ausgeben hat. Er hat nichts getrunken und konnte sich schnell bewegen. Aber seine Augen waren grün! Nicht gold oder blutrot!“ „ Schon mal was von Kontaktlinsen gehört?“, schleuderte mir Jake entgegen. Da hatte er Recht, daran hatte ich nicht gedacht. Jake griff jetzt zu harten Mitteln und hob mich hoch. „ Hey! Was soll das?“, rief ich empört. Doch anstatt zu antworten, fing er an , loszulaufen, bis zu unserem Haus, mit mir in seinem Armen. Kaum waren wir im Inneren des Hauses, setzte er mich auch schon ab und verriegelte die Tür. „ Was zur Hölle ist in dich gefahren, Jake? Er war ganz freundlich zu mir.“ „ Du bist wirklich so naiv, Michelle!“ Er ging in die Küche und pfefferte das dreckige Geschirr von heute morgen in die Spüle. Was war mit ihm los? Warum regte er sich denn so auf? Raphael hatte nicht im Geringsten versucht mich anzugreifen und hatte bestimmt schnell begriffen, dass Jake anders war. Dass er ihm gefährlich werden könnte. „ Jake, ist irgendwas los? Irgendetwas, von dem ich nichts weiß?“ Sonst regte er sich immer schnell ab, doch jetzt war er so wutgeladen, dass ich Angst bekam. „ Was soll sein?“, giftete er mich an. Als er meinen enttäuschten Blick sah, entschuldigte er sich sofort. „ Tut mir Leid, Schatz. Aber du hast Recht, da ist tatsächlich etwas, über das wir reden müssen.“ Mein Puls erhöhte sich, als er das sagte und ich fragte schnell: „ Was ist es?“ Er holte einmal tief Luft und sah mich nicht an, als er antwortete. „ Sam will, dass ich der neue Anführer des Rudels werde. Emily ist mittlerweile fünf Jahre älter als er und er möchte sich zurückziehen, um mit ihr altern zu können.“ Ich atmete erleichtert auf. „ Aber Jake, was ist denn daran so schlimm? Du wärst bestimmt ein super Anführer.“ „Aber was ist, wenn ich das nicht will? Ich will auch alt werden. Mit dir zusammen.“ Ich antwortete ihm nicht, sondern ging schnurstracks ins Schlafzimmer, wobei ich Jacobs Schritte hinter mir hörte. „Hier!“, rief ich und hielt ihm das kleine Fläschen vor die Nase, was mir Severus gegeben hatte. Eigentlich wollte ich den Trank ja in die Toilette kippen, doch aus einem unbestimmten Grund hatte ich das nicht getan. „ Ist das der Trank, von dem du mir mal erzählt hast?“, fragte Jake mit großen Augen. „ Jap!“ Ich schraubte es auf und nahm einen Schluck, so wie es Severus mir gesagt hatte. „ So, damit wäre das Problem gelöst!“ Jake sah mich strahlend an und fragte: „ Wie geht es dir?“

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„Alles in bester Ordnung.“ Das stimmte. Ich fühlte mich großartig. ---------------------------------------------------------------------------------------------------- Zwei Tage später war wieder Ruhe eingekehrt. Das Thema Raphael war abgehakt und Jake machte sich nicht weiter Sorgen darüber, dass er hier aufkreuzen könnte. Ich lief gerade etwas am Strand entlang, während Jake drinnen unser Abendessen kochte. Er hatte mich aus der Küche verbannt mit der Begründung, er wolle mich mit einem 3-Gänge-Menü überraschen. Also lief ich jetzt barfuß durch den Sand und sah auf das Meer hinaus. An unserem zweiten Tag in Rio de Janeiro waren wir mit dem Boot hinausgefahren und waren schnorcheln gegangen. Seitdem drängte ich Jake jeden Tag, ein weiteres Mal mit mir schnorcheln zu gehen, denn es hatte mir so viel Spaß gemacht. Ich war mittlerweile ziemlich weit vom Haus entfernt und setzte mich auf einen Felsen. Ich schloss die Augen und wäre beinahe im Sitzen eingenickt, als ich plötzlich ein Geräusch hörte. Ich blinzelte, sah nach rechts und wäre vor Schreck fast vom Felsen gefallen. Durch den Sand kroch eine kräftige Schlange zügig und direkt auf mich zu. Mir stockte der Atem. Was machte eine Schlange mit einer Länge von etwa einem Meter hier in dieser Gegend? Hatte sie sich etwa verirrt? Wohl eher nicht, denn sie schlängelte sich sicher durch den Sand. Ich stockte, als ich ihre leuchtend grüne Farbe sah. War das nicht ein Zeichen dafür, dass sie äußerst giftig war? Im Zoo war ich immer fasziniert von diesen gefährlichen Tieren gewesen, aber da befanden sie sich auch immer hinter dickem Glas, damit genau das nicht passierte, was sich hier gerade abspielte. Wegrennen konnte ich nicht. Schlangen konnten sich unglaublich schnell im Sand fortbewegen, dass hatte ich mal in einer Tier-Dokumentation im Fernsehen gesehen. Meinen Zauberstab hatte ich unglücklicherweise auch vergessen. Verdammt. Also blieb mir nur eins, nämlich ganz ruhig sitzen bleiben und hoffen, dass das Tier an mir vorbeiziehen würde. Doch ich wurde heftig enttäuscht, als die Schlange plötzlich verharrte, wie sie nur noch einen halben Meter von mir entfernt war. Ich schloss die Augen und ich war schweißnass vor Angst. Ich betete zu Gott, dass diese verdammte Schlange endlich weiterkriechen würde. Doch falsch gedacht. Sie setzte ihren Weg fort und kam meinen Füßen, die im Sand standen, immer näher. Sie war so nah, dass ich das zischende Geräusch hören konnte, was Schlangen mit ihrer Zungen hervorbrachten. Sie kam immer näher, machte

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aber keine Anstalten mich anzugreifen. Ich musste ruhig bleiben, was für mich fast unmöglich war. Als die Schlange dann plötzlich mit ihrer kalten, glatten Haut meine Knöchel streifte, übermannte mich die Angst dann doch und ich riss meine Beine vom Boden, um der Schlange zu entkommen. Wie dumm ich doch war! Kaum riss ich meine Füße in die Höhe, reagierte die Schlange blitzschnell und schnellte nach oben. Ich schrie, als sie sich mit ihren Giftzähnen in meine rechte Wade festbiss. Sie klammerte sich an meinen Körper fest und ich schrie wie am Spies. Ich zappelte was das Zeug hielt, sodass die Schlange endlich wieder zurück in den Sand fiel. Ich erwartete, dass sie wieder angriff, doch stadtessen machte sie kehrt und verschwand genauso schnell, wie sie gekommen war. Einen Augenblick lang überwiegte der Schock, doch dann kam der Schmerz. Ich keuchte und fiel vornüber in den Sand. Die Schlange musste giftig gewesen sein, sonst würde ihr Gift nicht so schmerzen. Ich spürte förmlich, wie es sich ausbreitete, der Schmerz zog rasend schnell bis hoch ins Knie. „ JACOB! JAKE!“, schrie ich aus vollem Halse. Wieder und immer wieder. Ich versuchte vorwärts zu kriechen, doch ich kam nicht weit und sackte zusammen. „ JAKE!HILFE!“, rief ich noch einmal hoffnungslos. Der Schmerz war unerträglich, welche Schlange konnte denn so giftig sein? Plötzlich hörte ich schnelle Schritte und ich hob mit großer Anstrengung meinen Kopf. Jacob kam auf mich zugerannt, so schnell wie der Blitz. „ MICHELLE!“, schrie er entsetzt. Er sprintete zu mir und ging in die Knie. „ Was ist passiert?“, fragte er mich panisch. „ Schlange. Gift. Wade.“ Mehr bekam ich unter den Schmerzen nicht hervor. Ich vernahm ein Keuchen, als Jake vermutlich die Wunde sah. Ich hatte keine Ahnung, wie ein Schlangenbiss aussah und wollte es auch gar nicht wissen. Ich spürte, wie Jake mein Bein packte und festhielt. „ Halte jetzt ganz still.“, sagte er bestimmt und ich gehorchte, auch wenn ich mich vor Schmerz winden könnte. Jacob legte plötzlich seine Lippen auf die Stelle, wo mich dieses Mistvieh gebissen hatte. Dann begann er, das Gift aus meinem Körper zu saugen, was er daraufhin in den Sand spuckte. Immer und immer wieder. Ich hatte keine Ahnung, woher er das konnte, doch ich spürte, dass es half. Das unerträgliche Brennen ließ nach und nur noch ein leichtes Ziehen blieb zurück. „ Schmerzt es noch sehr?“, fragte mich Jake hoffnungsvoll. „ Ja, ich glaube, du

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hast es geschafft!“ „ Kannst du aufstehen?“ Ich probierte es, doch ich fiel wieder zurück in den Sand. Meine ganze rechte Körperhälfte fühlte sich an, als wäre sie eingeschlafen. Jake hob mich hoch und rannte mit mir zum Haus zurück. Kaum waren wir dort, rief Jake den Notarzt, der auch schon nach einer Viertelstunde da war. Er untersuchte die Bisswunde und gab mir ein paar Pillen, die ich die nächsten drei Tage einnehmen müsste. Bevor er ging, drehte er sich nochmal zu uns um und sagte in einem perfekten Englisch: „Sie haben wirklich Glück gehabt, Miss. Wenn Ihr Freund nicht so schnell gehandelt hätte, hätte ich nichts mehr gegen das Gift tun können. Aber ruhen Sie sich aus. Für Sie gilt strikte Bettruhe.“ Dann war er verschwunden. Na toll! Bettruhe. Genau das Richtige für einen romantischen Liebesurlaub. Toll gemacht, Michelle. Jacob setzte sich ans Ende des Bettes und sah mich mitfühlend an. „ Es tut mir Leid“, flüsterte ich und versuchte, nicht loszuweinen. „ Was tut dir Leid?“ „ Alles. Wenn ich einfach ruhig geblieben wäre, hätte die Schlange mich nicht angegriffen.“ Jake rückte näher zu mir und strich mir übers Haar. „Jetzt sei nicht albern. Hätte ich dich nicht aus dem Haus gejagt, wäre das erst gar nicht passiert“ Ich konnte es nicht fassen, gab er sich tatsächlich die Schuld für meine Dummheit ?„ Jake, du hast mir schon wieder das Leben gerettet. Mittlerweile kann ich gar nicht mehr mitzählen. Jetzt habe ich unseren ganzen Urlaub verdorben, tut mir Leid.“ Er beugte sich zu mir hinunter und küsste mich auf die Stirn. „ Gib dir doch nicht die Schuld daran. Wir können trotzdem noch einen schönen Urlaub zusammen haben. Ich mach dir jetzt erst mal einen Tee und dann schauen wir uns einen Film zusammen an, ok?“ ---------------------------------------------------------------------------------------------------- Die nächsten drei Tage achtete Jacob permanent darauf, dass ich das Bett nicht verließ, dabei ging es mir dank seiner liebevollen Umsorgung von Stunde zu Stunde besser. Er versuchte, die langweiligen Tage für mich abwechslungsreicher zu gestalten. Er kochte mir die verschiedensten Gerichte, kaufte irgendwo Gesellschaftsspiele für nachmittags und las mir aus dem Quileute-Buch vor, was ich von Billy vor 1 ½ Jahren bekommen und

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mitgenommen hatte. „ Jake, wir haben nur noch zwei Tage in Rio. Lass uns sie nutzen. Mir geht es wirklich gut!“, bettelte ich am dritten Tag. „ Oh nein, der Arzt hat gesagt, drei volle Tage und ich will mir nicht von deinem Vater vorwerfen lassen, ich würde nicht für dich sorgen. Heute Abend können wir ja versuchen, einen kleinen Spaziergang zu machen. Aber erst heute Abend!“ „ Wie Ihr wünscht, Häuptling Jacob.“ Wir lachten beide und küssten uns zärtlich. Am frühen Nachmittag stellte Jacob fest, dass nichts mehr im Kühlschrank war. „ Ich muss los in die Stadt, damit wir was zu essen bekommen. Ich werde in etwa zwei bis drei Stunden zurück sein. Ich wollte noch nach ein paar Souvenirs für Alan und Billy schauen.“ Er verabschiedete sich von mir und machte sich dann auf den Weg. Ich wartete sicherheitshalber noch ein paar Minuten, dann schlüpfte ich aus meinem Bett. Mein Bein fühlte sich zwar immer noch nicht ganz gesund an, doch ich hatte schon Schlimmeres überlebt. Ich ging in die Küche, holte mir etwas zu trinken und überlegte, was ich jetzt mit der Zeit anfangen sollte, in der Jacob ausnahmsweise mal nicht den Babysitter spielte. Da fiel es mir plötzlich ein und ich setzte mich an den Pc, der im Eingangsbereich des Hauses stand. Über diese Idee hatte ich die letzten Tage schon gegrübelt und so setzte ich sie in die Tat um. Jacob brauchte länger als erwartet und ich war so vertieft in meinem Projekt gewesen, dass ich erschrocken zusammenfuhr, als die Tür ins Schloss fiel. „ Ich glaub nicht, was ich das sehe! Hab ich dich nicht gesagt, du sollst im Bett bleiben?“, sagte Jake aufgebracht, lächelte aber. „ Tut mir Leid“, sagte ich wie ein kleines Kind, was dabei erwischt wurde, wie es die Weihnachtsgeschenke im Schlafzimmer der Eltern suchte. Jake stellte die Einkaufstüten ab und ich fragte ihn: „ Hast du alles bekommen, was du wolltest?“ „ Ja hab ich, und noch mehr.“ Als ich ihn neugierig anschaute, suchte er etwas Bestimmtes in den Tüten, versteckte dieses Etwas hinter seinem Rücken und kam auf mich zu. „ Ich habe etwas entdeckt und ich dachte, das würde dir vielleicht gefallen. „ Zeig her! Was ist es?“, antwortete ich aufgeregt. „ Wie heißt das Zauberwort?“ „ Biiitte!“, flehte ich und rutschte auf meinem Stuhl nervös hin und her. Er lachte und reichte mir ein flaches,

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rechteckiges Kästchen. Gespannt machte ich es auf und sogleich entflieh mir ein Seufzer. „ Oh, Schatz, die sind so hübsch!“ „Für meine Schöne nur das Schönste!“, hauchte Jacob mir ins Ohr, was bei mir eine Gänsehaut auslöste. Ich nahm die wunderschönen, silbernen Ohrringe aus dem Kästchen und steckte sie mir ins Ohr. „ Und?“, fragte ich ihn glücklich. „ Perfekt! Mehr kann man dazu nicht sagen.“ Ich lächelte und gab ihm einen Kuss. „ Was machst du da eigentlich?“, fragte er mich aus heiterem Himmel. „ Äh, nichts.“ „ Nach nichts sieht das für mich aber nicht aus, Miss Hawkins.“ Er beugte sich über meine Schulter und öffnete das Word-Dokument, was ich versucht hatte, vor ihm zu verstecken. Als er den Titel des Dokumentes sah, stutze er. „ ‚Wenn das Schicksal mit dir spielt‘. Was soll das denn sein?“ Ich wurde ein wenig rot und stammelte eine Antwort zusammen: „ Weißt du, in den letzten paar Tagen hatte ich genug Zeit, um über meine berufliche Zukunft nachzudenken. Bei meiner Arbeit in der Bibliothek musste ich öfters Berichte verfassen und da habe ich gemerkt, dass das Schreiben mir unglaublich viel Spaß macht. Und da habe ich gedacht, ich probiere mich einfach mal an einem Roman. Ich weiß, es ist kindisch, so naiv zu sein, aber vielleicht schaffe ich es ja als Autorin“ Jacob fing an zu strahlen. „ Michelle, das ist ja großartig! Und um was geht es?“ Jetzt wurde ich wirklich rot wie eine Tomate, doch ich wusste, dass mir vor Jacob nichts peinlich sein musste. „ Es geht um eine junge Hexe, die wieder zu ihrem Vater zieht und dort die Liebe ihres Lebens findet. Bald findet sie heraus, dass es sich dabei um einen Werwolf handelt und entdeckt, dass die neuen, ungewöhnlichen Schüler auf ihrer High-School Vampire sind. Es passieren viele aufregende Dinge und schon bald holt ihre düstere Vergangenheit sie ein.“ Jacob verfiel in ein lautes Lachen, umarmte mich dann jedoch . „ Ich würde sagen, das kommt mir alles ein wenig bekannt vor. Aber du hast Recht, daraus könnte man wirklich ein Buch machen.“ Ich lächelte ihn verschmitzt an: „ Es muss ja keiner wissen, dass all das wahr ist, oder? Die Leute werden es lesen und denken, ich hätte eine blühende Fantasie. Nur wir kennen die Wahrheit. Darf ich deinen Namen benutzen, Jake?“ „ Natürlich

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darfst du das!“,antwortete er fröhlich. Dann legte er den Kopf schief und fragte mich ganz ernst: „ Und wie endet die Geschichte? Gibt es ein Happy End?“ Ich drehte mich glücklich zu ihm herum: „ Wenn du einen Heiratsantrag als Happy End bezeichnest, dann ja!“ Jacobs Augen wurden ganz groß. Für eine Sekunde lang dachte ich, er würde gleich anfangen zu weinen, doch er fing sich wieder und gab mir einen Kuss auf die Wange. „ Mal schauen, was sich da machen lässt.“ Ich grinste. „ Ja, mal schauen.“ „Wollen wir einen kleinen Spaziergang machen und dann ein Eis essen gehen?“, fragte er mich liebevoll und wuschelte mir durchs Haar. „ Ja klar, ich bin froh, hier mal raus zu kommen. Und wenn ich unterwegs auf diese verdammte Schlange treffe, mache ich eine Handtasche aus ihr!“. Jake lachte und hielt mir die Tür auf. Ich sprang auf und machte das Licht im Flur aus. Der PC war noch immer angeschaltet und der Monitor leuchtete hell. Darauf zu sehen war mein achtes Kapitel, oder zumindest der Titel davon: „ Können Wunder wahr werden?“ Und als ich an Jake vorbei ging und ihm in seine braunen, liebevollen Augen sah, da wusste ich, was die Antwort auf diese Frage war und wie ich sie in meinem allerletzten Satz im letzten Kapitel meiner Geschichte schreiben würde. „Ja, das können sie.“ Epilog „ Mit der Kraft des mir verliehenen Amtes erkläre ich Sie hiermit zu Mann und Frau. Sie dürfen die Braut jetzt küssen.“

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Welches Mädchen auf der ganzen weiten Welt träumte nicht davon, irgendwann diese Worte eines Pfarrers zu hören und dann in die Augen des Mannes zu blicken, der einem alles bedeutete und der soeben ein Gelöbnis abgegeben hatte, dich zu lieben und zu ehren, für immer und ewig? Jacob drehte sich strahlend zu mir um. Sein schwarzer edler Anzug saß wie angegossen und betonte seinen muskelösen Oberkörper und seine braungebrannte Haut. Behutsam machte er einen kleinen Schritt auf mich zu und passte dabei auf, nicht auf mein langes, schneeweißes Brautkleid zu treten. Ich zitterte leicht, als er eine Hand, die jetzt von einem feinen, goldenen Ehering geschmückt wurde, an meine Wange legte und mich mit der anderen sanft zu ihm hinüberzog. „ Ich liebe dich“, sagte er so leise, dass die Hochzeitsgesellschaft um uns herum ihn nicht verstehen konnte. Außer vielleicht die Vampire und Werwölfe unter ihnen. „ Ich liebe dich auch.“, flüsterte ich, wobei mir eine einzelne Träne über das Gesicht lief. Schnell wischte Jake sie weg und legte seine weichen, warmen Lippen auf meine. Unsere Familien und Freunde klatschten und jubelten, als wir eng umschlungen vor dem Altar standen und uns das allererste Mal als Ehepaar küssten. Und so wurde ich von Michelle Hawkins zu Michelle Black. Nach diesem schier endlosen Kuss nahm Jake mich bei der Hand und führte mich vom Altar weg. Meine drei Brautjungfern, Claudia, Joana und Bella sahen uns tränenüberströmt hinterher (Außer Bella natürlich, sie gluckste nur). Sie trugen alle kurze Kleider in einem ganz blassem grün. Die Hochzeit fand unter einem gigantischen Pavillon statt, unter dem sich die fast hundert Gäste an die Tische setzten und der Band zuhörten, die am Rande spielte. Billy hatte eine alte Freundin von sich engagiert, die Sängerin war und extra aus Washington hier her geflogen war, um bei unserer Hochzeit zu singen. Ich fühlte mich in meinem Kleid wie eine Prinzessin mit ihrem Prinzen an der Hand. Meine weißen Handschuhe gingen mir bis zum Ellenbogen und ich trug ein weißes Korsett mit einem ausgefallenen Herzausauschnitt. Um nicht zu übertreiben, hatte ich auf einen Schleier verzichtet. Wie es seit vielen Jahrzehnten Brauch war, trug ich etwas Altes, nämlich eine prächtige, mit Edelsteinen besetzte Halskette, die Dad meiner Mutter zu ihrem allerersten Hochzeitstag geschenkte hatte. Das Kleid war neu und das edle Armband um mein Handgelenk war geliehen von der liebenswerten Esme. Alice hatte darauf bestanden, dass ich auch noch etwas Blaues trage und mit ihr einkaufe. Mit dem Ergebnis, dass Jacob später in unserer Hochzeitsnacht ein extravagantes, dunkelblaues Dessous zu bestaunen hätte.

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Jacob führte mich zu einem besonders großen Tisch, an dem unsere engsten Freunde und Familienmitglieder saßen. Es war ein schwieriges Unterfangen, sich mit diesem Kleid hinzusetzen, aber Alice eilte mir schnell zu Hilfe. Rechts von mir saßen mein Vater und meine Tante Jodie, die ein atemberaubendes fliederfarbenes Kleid trug. Neben mir saß natürlich mein frischgebackener Ehemann. Ehemann, es war schön, das zu sagen. Daneben saß Jacobs Schwester Rachel, die extra angereist kam und sich lebhaft mit Paul unterhielt. Kaum war sie ihm begegnet, hatte er sich auf sie geprägt, was Jacob und Billy einige Kopfschmerzen bereitet hatte. Gerade lächelte ich Severus an, der mir gegenüber saß, da erhob sich plötzlich mein Vater. Er schlug mit seiner Gabel sanft gegen sein Weinglas und räusperte sich. „ Entschuldigt bitte. Würdet ihr mir bitte eine Sekunde zuhören? Ich weiß, ihr seid alle hungrig und möchtet auch auf das Drei-Gänge-Menü stürzen, aber das läuft euch ja nicht davon. Puh, ich hätte niemals gedacht, dass ich mal eine Rede halten würde. Was soll ich sagen? Vor sieben Jahren kam meine Tochter als ein durchgedrehter, aufmüpfiger Teenager hier her und nun sitzt sie hier in diesem atemberaubenden Kleid. Aus meinem kleinem Mädchen ist eine Frau geworden.“ Ich lächelte und beobachtete, wie Alan mit den Tränen kämpfen musste. Er wandte sich nun von mir ab und sah rüber zu Jake, dann fuhr er fort. „ So, nun zu dir, mein Lieber“, sagte er ganz ernst. Die gesamte Hochzeitsgesellschafft verfiel in schallendes Gelächter, sodass mein Vater unweigerlich grinsen musste. „ Es kommt mir vor, als wäre es erst gestern gewesen, dass ich dir Michelle vor dem kleinen Angelladen vorgestellt habe. Wenn ich mich recht entsinne, hatte sie zunächst ziemliche Angst vor dir, nicht wahr, Michelle?“ Wieder lachten alle und ich fiel mit ein. „ Da hast du allerdings recht“, sagte ich laut und sah Jacob entschuldigend an. Mein Vater grinste über beide Backen und redete weiter. „ Ich hatte mir von Anfang an gewünscht, dass du dich mit Jacob anfreundest, aber ach, war das ein Hin und Her mit euch Beiden. Euretwegen habe ich viel zu früh graue Haare bekommen. Also Jacob, ich möchte dir nur sagen, dass ich mir keinen besseren Schwiegersohn als dich vorstellen könnte. Ich sage jetzt nicht ‚Willkommen in der Familie‘, denn du bist schon längst ein Teil davon. Pass mir nur gut auf meine Tochter auf, das ist alles was ich will.“ Das war dann jetzt doch ein wenig zu viel für ihn, denn er fing leise an zu schluchzen. Schnell stand ich auf und nahm ihn in die Arme. „ Dad, ist doch

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alles gut. Ich werde immer deine Tochter sein.“ „ Du hast Recht. Deine Mutter wäre so stolz auf dich. Sieh dich doch nur mal an.“ Ich lächelte und dann fing er an zu strahlen. Er wandte sich an die Gäste und rief laut: „ Bevor Jacob und Michelle uns ihren Eröffnungstanz zeigen, muss noch der Brautstrauß geworfen werden. Also hopp! Alle Frauen, die nicht verheiratet sind, sofort auf die Tanzfläche!“ Dann ging der ganze Trubel los. Alle Frauen drängten sich aneinander und ich stellte mich mit dem Rücken zu ihnen. „ 1…2….3!“, rief ich und warf den Strauß nach hinten. Ich drehte mich hastig um und sah gerade noch rechtzeitig, wie Claudia ihn auffing und verblüfft dreinschaute. Im nächsten Moment stand Embry neben ihr, lächelte sie verschmitzt an und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Ich freute mich. Vielleicht hatten wir bald noch eine Hochzeit zu feiern. Ich sah Jake auffordernd an und sofort stand er auf. Die Menge wurde ganz leise und wir stellten uns mitten auf die Tanzfläche. Da es mittlerweile stockfinster war, strahlten uns zwei große Scheinwerfer an, die unsere Tanzschritte gleich verfolgen würden. „ Bereit, Mrs. Black?“, fragte mich Jacob liebevoll. „ Bereit.“, sagte ich nervös und dann setzte die Musik ein. Billy hatte sich mit der Auswahl der Sängerin selbst übertroffen. Ihre Stimme war klangvoll und stark, auch wenn sie so ein langsames und gefühlvolles Lied spielte. Jacob und ich fingen an zu tanzen, während die Stimme der Sängerin durch die Nacht hallte. “I think, I’ll go to heaven There I will lay me down Leave all the pain behind me Bury it in the ground” Während wir uns zur Musik bewegten, sah ich in die Gesichter meiner Freunde. Sie waren alle da. Die ganze Familie Cullen strahlte uns an.Emmett hatte seine Hand auf Rosalies gelegt und er zwinkerte mir schmunzelnd zu. Renesmee saß neben ihren Eltern. In den letzten fünf Jahren war sie erwachsen geworden und nun war sie der absolut schönste Vampir auf der ganzen Welt. Ich sah aus den Augenwinkeln, wie Toby, Brian und Jack sie fasziniert anstarrten. Jake wirbelte mich über die Tanzfläche und ich sah die anderen Gäste, die an

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den runden Tischen saßen. Da waren Hatice (sie hatte ihre dunkle Lockenmähne zu einer kunstvollen Hochsteckfrisur geformt), Kira, Andrea, Senta und Lorena, mit denen ich auf meine frühere Schule in Chicago gegangen war und die ich nie vergessen hatte. Am nächsten Tisch saßen Wiebke, Jaqui, Jule, Jessy (ihre dunklen Haare waren zu einem langen geflechteten Zopf zusammengebunden worden) und Johanna, die ich bei meiner Arbeit in der Bibliothek kennengelernt und ins Herz geschlossen hatte. Nadine, Jule, Tooba, Anna, Judith und Melisa, mit denen ich jetzt zusammen bei einer großen Modezeitschrift arbeitete, saßen zusammen und beobachteten uns staunend. “Maybe they'll talk about me I pray it won't be lies Tell them I went to Heaven Heaven is in your eyes I think I'll go to Heaven I hear it's peaceful there They don't allow your troubles” Ich bekam eine Gänsehaut bei diesem schönen Gesang und sah hoch in Jacobs Gesicht. Darin spiegelten sich die letzten sieben Jahre und die Vorfreude auf die nächsten, die noch kommen mögen. Wieder war ich kurz vorm Weinen, denn dieser Augenblick war einfach zu schön, um wahr zu sein. Wir tanzten immer noch, denn für uns beide schien es, als würde die Zeit stehen bleiben. Nur für uns beide. “'Cause everyone's had their share When I can be someone who Never never needs a disguise Then I will be in Heaven Heaven is in your eyes People in Heaven Never look back"

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“ Woran denkst du gerade?”, flüsterte mir Jake zu, während wir immer noch miteinander tanzten. Ich wurde nervös und log: „ An die Rede, die mein Vater gehalten hat.“ „ Ich glaube, sein Blick hat mehr als tausend Worte gesagt“ Ich schaute kurz auf den Boden, damit er nicht sah, dass ich rot wurde. Ich hatte ihm eiskalt ins Gesicht gelogen. Ich dachte nicht an meinen Vater. Ich dachte an gar niemanden, der sich um uns herum befand. Ich dachte an das, was sich in mir befand. Was ich in mir trug. “I think I'll go to Heaven Sail on into the night Watch as I set my soul free Watch as my heart takes flight” Vorgestern hatte ich die wunderbare Nachricht erhalten, dass ich schwanger war. Ich wäre beinahe bewusstlos geworden, weil ich es nicht begriff, doch jetzt war ich unendlich glücklich darüber. In den letzten fünf Jahren hatte ich regelmäßig den Zaubertrank getrunken, der meinen Körper dazu veranlasste, sich nicht zu verändern. Doch einmal nur hatte ich ihn vergessen, einzunehmen und schon war ich schwanger geworden. Jacob wusste nichts davon. Noch nicht. Ich hatte vor, es ihm in unserer Hochzeitsnacht zu sagen, ihm die frohe Botschaft mitzuteilen. Mein Herz klopfte vor Vorfreude. Ich konnte mir sein glückseliges Gesicht schon vorstellen, wenn er erfuhr, dass er Vater wurde. Sollte es ein Junge werden, würde ich ihm den Namen Liam geben. Ein schöner, starker Name für einen kleinen starken Jungen, der später einmal genauso aussehen würde wie Jacob und das Rudel seines Vaters übernehmen würde. Liam, das war ein guter Name für einen Wolf. Wenn ich eine Tochter gebährte, würde sie Elaine heißen. Dieser Name strahlte Eleganz und Mut aus. Und Elaine würde ebenfalls das Wolfsgen in sich tragen und in das Rudel eintreten. Ich würde entweder einen Prinz oder eine Prinzessin zur Welt bringen. Das Glück überwältigte mich und ich sah meinen Mann hoffnungsvoll und voller Liebe an. Dieser Moment war einfach perfekt. “Maybe I'll go to Heaven Heaven is in your eyes Heaven is in your eyes

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I'm in Heaven In your eyes” Das Lied war fast zu Ende und der Gesang wurde leiser. Als unsere Freunde klatschten und Jacob mich anstrahlte, erkannte ich, dass die Sängerin vollkommen Recht hatte. Ich war tatsächlich im Himmel. Mit dem schönstem aller Engel an meiner Seite.