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Plakatverfahren ReggeaFieber Torte Ferienwohnung ...€¦ · Selbstaufopferung oder Avantgardismus zu tun, sondern mit der schlichten Erkenntnis, dass der Wunsch und die Suche nach

Oct 19, 2020

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  • Plakatverfahrende.indymedia.org/node/23331 (B) Vom gestörten Frieden undseinen Folgen

    de.indymedia.org/node/23195 Keinen Frieden mit denFeind*innen der Freiheit solidarisch zur Prozessbegleitung!

    ReggeaFieberde.indymedia.org/node/30009 (B) Ein lauer Winterabend oderwie beim LKA das ReggeaFieber ausbrach

    de.indymedia.org/node/30263 Freispruch Fieber

    Tortede.indymedia.org/node/17757

    Ferienwohnungde.indymedia.org/node/9412

    de.indymedia.org/node/21250 Prozessbericht

    Flensburgde.indymedia.org/node/31249

    Lausitz23abcwien.net/?p=6774

    NerofreeNero.blackblogs.org

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    Solange ein Rebell am Leben ist, büßt der Staat einen strategischen Rückschlag ein. Er hat es nicht geschafft den Kreis zu schließen: er muss neue Kriege anzetteln, er muss neue Verfahren ausarbeiten, er muss neue Energie aufwenden, neueTechnologien erforschen, um eben diesen Kreis zu schließen. Aber wenn die Rebellen sich für ein Projekt vereinigen, wenn die Rebellen zu Revolutionären werden, dann ist der Staat erst richtig in Gefahr.

    Vetriolo, anarchistische Zeitung, Italien 2019

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    Die Diskussionen, die in dem Kontext der Repressiongegen Nero zu Deals und Einlassungen geführt wurden,sind ein Ansatz, um revolutionäre Methoden imUmgang mit der Repression zu erkunden. Bestärkendsind die bisher wenigen aufgezeigten Beispiele, beidenen eine offensive Strategie verfolgt wurde. Nicht zuunterschätzen sind jedoch auch Fälle, bei denen esKritik hagelt, denn aus „Fehlern“ kann nur gelerntwerden. Die Unfehlbarkeit überlassen wir denÜbermenschen. Wir, unser Bewusstsein, entsteht durchFehler, die logischerweise erst durch die grundlegendeEntscheidung zu handeln begangen werden können.Daher muss auch die Angst vor Fehlern und demHandeln überwunden werden. Die Verantwortlichkeitbesteht nicht darin, die angeblich fehlerhaftenGefährt*innen zu stigmatisieren, sondern gemeinsamdie Gründe der Fehlschläge zu verstehen und beimnächsten Mal dafür zu sorgen, dass es besser läuft.Manchmal gibt es auch dumme Zufälle und Pech die zurVerfolgung führen, so was liegt nicht in unseren Händenund muss ärgerlicherweise hingenommen werden.

    Was Anwält*innen betrifft: Sie sind die Vermittelndenzwischen den Rebell*innen und der Herrschaft. Siedienen also der Mediation beider Interessen. Sie sindTechniker*innen, Spezialist*innen in der, von derAutorität geschaffenen, Gesetzesgebung. Ihre Expertiseführt zu einer Abhängigkeit unsererseits, die wir eineinstinktive Abscheu gegenüber der staatlichen Justizverspüren. Insofern stellt sich die generelle Frage,inwieweit eine unreflektierte Kollaboration mit denAnwält*innen unsere Positionen beeinträchtigen kann.Generell könnte man behaupten, dass sie demspeziellen Zweck dienen sollen, der von uns im Vorausdefiniert wurde. Ein Freifahrtschein für sie wäreunverantwortlich und entmündigend. So sollte dieZusammenarbeit auf bestimmte Ziele hinarbeiten, dieim besten Falle nicht der Schadensbegrenzungnachhecheln, sondern auf die offensive Prozessführungund politische Positionierung. Es ist schier unmöglichein vorgekautes Rezept in Gänze vorzulegen, denn jederRepressionsfall ist mit unendlich vielen Facettenversehen.

    Im Falle der Teilnahme an einer Gerichtsverhandlungstellt sich die Frage, inwiefern wir bereit sind, wie derName schon sagt, zu verhandeln. Über was verhandeln?

    Über unsere Ideen und Taten? Wie kann darüber jemalsmit der Autorität verhandelt werden? Letzten Endesgeht es darum, unsere so schon eingeschränkte Freiheit,die im Falle einer Verurteilung abhanden kommt,möglichst zu bewahren. Darum verhandeln wir. Darumakzeptieren wir Kompromisse, lassen uns auf Deals einund machen Einlassungen. Im schlimmsten Fall zeigenwir ernsthaft Reue, distanzieren uns, oder verpfeifensogar unsere Gefährt*innen. Es scheint allesgerechtfertigt zu sein, um die eigene Haut zu retten.Wem kann man das verübeln?

    Hier tritt die Verantwortung ins Spiel: Die unabdingbareVerantwortung gegenüber unserer Gefährt*innen undKompliz*innen. Jedes Mal, wenn wir uns treffen, umuns auszutauschen, zu organisieren, zu konspirierenund anzugreifen, gehen wir ein Einverständnis ein, keinloses Versprechen, sondern einen verschwörerischenPakt. Dieser Pakt bindet uns an unsere Kompliz*innenund an die Überzeugungen, für die wir kämpfen. Somitsind wir ausschließlich uns selbst und unserenMitverschwörenden Rechenschaft schuldig. Dieseenorme Verantwortung muss uns bewusst werden undin ihrer Konsequenz kann das heißen, jeglicheZusammenarbeit mit den Feinden der Freiheit zuverneinen. Dies ist ein sehr hoher ethischer Anspruch,ihn zu definieren und zu erreichen bedarf vielerDiskussionen und gemeinsamer Erfahrungen, er ist aberausschlaggebend für das notwendige Vertrauenuntereinander und in sich selbst.

    Vertrauen in die Gefährt*innen und in sich selbst ist eingrundlegender Aspekt des revolutionären Bewusstseins.Es bekräftigt die Überzeugung und beflügelt dieKampfbegierde. Jeder Versuch der Individualisierungund Isolation ist vergebens und prallt an uns ab, wennwir die Gewissheit über gegenseitiges Vertrauens haben.Deswegen ist die Solidarität mit Gefangenen undAngeklagten keine bloße humanitäre Dienstleistung, umsich im eigenen Aktivismus bestätigt zu fühlen, sonderneine Verpflichtung unter den Revolutionär*innen, aufdie man vertrauen muss. Sie ist essenzieller Teil desPaktes, den man aus freier Entscheidung eingegangenist.

    So the bet remains to us, every anarchist cell and individuality that promotes continuous attack and rebellion, to prove that there will be no truce with the enemy neither now nor ever. Particularly in times of repressive operations one does not step back, but insteadreignites the outbreaks of attacks in order to become truly dangerous. To remain a threat as an internal enemy at the heart of the system. Because everything that rolls downhill, stops only when it finds an obstacle in front of it, otherwise it will continue to do soindefinitely by continuously increasing speed, carrying away anything of inferior proportions. It is a live bet, without end, but with continuity, evolution and one direction only... liberation, anarchy. Olga Economidou

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    Im Mai letzten Jahres haben unterschiedlicheZusammenhänge Veranstaltungen rund um das ThemaRepression organisiert. In dieser Broschüre werden dreidieser Veranstaltungen dokumentiert und dieDiskussionen, die in deren Rahmen stattfanden,wiedergegeben.

    Die Texte spiegeln nicht immer die Meinung derVeranstalter*innen wider, es ist uns jedoch wichtig denProzess darzustellen und einen Beitrag zu einer Debattezu leisten, die kontrovers geführt wurde und so weitergeführt werden sollte.

    Die drei Veranstaltungen hatten unterschiedlicheSchwerpunkte. In der ersten ging es um den, zu demZeitpunkt Gefangenen, Nero und um seineProzessstrategie, sowie die Soliarbeit. Die zweiteVeranstaltung befasste sich mit Deals und Einlassungenund legte den Schwerpunkt auf aktuelleProzessstrategien und den Umgang mit Repression. Beider letzten Veranstaltung gab es im Gegensatz zu denanderen eine langfristige Vorbereitung, da versuchtwurde anhand eines konkreten Strafbefehls, einenDiskussionsprozess zum Umgang mit individualisierterRepression zu führen.

    Wir wollen das Vorwort und das Fazit nutzen, umunsere Positionen zu der Thematik darzulegen.

    Wir lehnen es ab Deals einzugehen, Einlassungen zumachen, Reue zu zeigen oder gar „Entschuldigung“ zusagen, da wir gegen das Konstrukt von Schuld undUnschuld sind und dies den Herrschenden überlassen.Denn sobald wir uns dazu herablassen uns mit dereigenen Schuldfrage auseinanderzusetzen, sind wirschon Teil dieser Logik.

    Wir können auf unterschiedlichen EbenenVerantwortung für Taten und Ideen übernehmen. VorGericht können wir beispielsweise mit einer politischenErklärung, ohne ein Geständnis abzulegen und eineSchuld anzuerkennen, unsere Positionen vertreten.

    Jenseits des staatlichen Rahmens übernehmen wir

    Verantwortung, indem wir uns mit allen, die unsereIdeen teilen, solidarisch erklären und eineKomplizenschaft eingehen.

    Es ist wichtig unser Handeln im Repressionsfall zureflektieren, damit wir die Deutungshoheit unsererTaten zurückerlangen. Dabei ist es irrelevant, umwelche Aktionsformen es sich handelt, grundlegend istein bewusstes Agieren, mit allen dazugehörigenKonsequenzen, welches man vor sich und denGefährt*innen verantworten kann.

    Ein Ziel von Repression ist immer Abschreckung: dieeine Person ist betroffen und du könntest die nächstesein. Offensive Soliarbeit wird oft als kontraproduktivbetrachtet, um schnell und unspektakulärrauszukommen. Das hört nicht nach der konkretenFestnahme auf, sondern setzt sich in der Art, wie dieProzesse geführt werden, fort: In Einlassungen,Aussagen, Reue, Alibis und Ausreden. Diese Art vonReaktion auf Repression basiert auf der Annahme, dassauch nicht so viel passieren kann, wenn man für seinepolitischen Taten keine Verantwortung übernimmt. DieHoffnung, dass dieses reaktionäre, passive Handeln füruns funktional ist, beruht nur auf dem Vertrauen in denStaat.

    Wir meinen, dies ist zu kurz gedacht. Beispielsweisehabe ich eine Anzeige wegen Vermummung und gehedeswegen nicht mehr zur Demo oder eine wegenLandfriedensbruch und komme auf drei, vier JahreBewährung raus und muss mich dann an bestimmte,vom Staat vorgegebene, Regeln halten, sonst gibt es denBewährungswiderruf und es geht zurück in den Knast.

    Für uns ist Knast ein Kampfgebiet, der Prozesssaal istein Kampfgebiet, sowie die entfremdete Arbeit oder dertote sinnentleerte Alltag, den uns dieses System bietet.Im Knast und im Prozess hört das Leben nicht auf – esist vielleicht anders, schwieriger und setzt neueHerausforderungen...

    Mit den Veranstaltungen wollten wirHandlungsoptionen diskutieren, wie wir möglichstkollektiv unsere Haltung wahren und weiterhinhandlungsfähig sein können, ohne mit dem Staat undseinen Schergen zu kooperieren.

    Leider haben sich viele Personen und Zusammenhängevon einer offensiven, politischen Prozessführung undbegleitung immer weiter entfernt. Wir fragen uns

    Solange ein Rebell am Leben ist, büßt der Staat einen strategischen Rückschlag ein. Er hat es nicht geschafft den Kreis zu schließen: er muss neue Kriege anzetteln, er muss neue Verfahren ausarbeiten, er muss neue Energie aufwenden, neueTechnologien erforschen, um eben diesen Kreis zu schließen. Aber wenn die Rebellen sich für ein Projekt vereinigen, wenn die Rebellen zu Revolutionären werden, dann ist der Staat erst richtig in Gefahr.

    Vetriolo, anarchistische Zeitung, Italien 2019

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    Umfeld, Verlust jeglicher Sicherheit undDepersonalisierung. Doch wenn man sich mit denGefährt*innen austauscht, die die Erfahrung gemachthaben, sagen die meisten, dass es die intensivste Zeitihres Lebens war, noch mehr sogar, als der Knast. Dieskann negativ oder positiv gewertet werden. Die Fluchtjedoch kategorisch auszuschließen, wäre töricht. Manwürde sich der Selbstermächtigung verweigern, überdas eigene Leben zu entscheiden. Ein weiteres,folgendes Szenario wäre dann die konkrete Planung. Imbesten Fall hat man Zeit sich davor Gedanken zumachen und so kann man sich der pragmatischenUmsetzung dieses Vorhabens widmen. BestehenInfrastrukturen, die die Flüchtenden unterstützenkönnen? Wenn nicht, wie können diese aussehen? Nichtzu unterschätzen ist der psychologische Gesichtspunkt:die Entscheidung das Umfeld, die Freund*innen undFamilie, das bisherige Leben aufzugeben und dieUngewissheit vor dem was kommen wird. Diezermürbende Frage wann und ob man jemals wiederzurückkehren kann. All dies und vieles mehr kann denKlandestinen bei ihrer schwermütigen Entscheidungzum Verhängnis werden.

    Hingegen können uns Gefährt*innen im Knast oder mitKnasterfahrung motivieren, mit der Repression einenUmgang zu finden. Ihre Kämpfe, ob persönlich oderkollektiv, sind Teil unserer Kämpfe und umgekehrt.Gefährt*innen, die von Repression betroffen sind undsich getreu ihren Ideen verhalten, können unsinspirieren. Die „Stärke“ einer Bewegung zeigt sich inder individuellen Bereitschaft, das Risiko zu handelnund sich zu solidarisieren einzugehen. DieseBereitschaft basiert nicht auf der Quantität, der Anzahlvon Menschen wie beispielsweise innerhalb einerMassenbewegung. Denn die Kraft und der Mut, die wirkonkret erfahren, bilden sich bei den vielen kleinen undgrößeren Momenten der Diskussion, Kritik und Aktionmit Gefährt*innen. Der Wunsch und die fälschlicheAnnahme, dass nur dann eine Bewegung stark ist, wennsie viele Teilnehmende hat, kann uns dazu verleiten,dass die Warterei auf die Massen überhand nimmt undin der Zwischenzeit nichts passiert. Für dieRebell*innen, die leben wollen, ist die Warterei eins derschlimmsten Szenarien. Das hat nichts mit blinderSelbstaufopferung oder Avantgardismus zu tun, sondernmit der schlichten Erkenntnis, dass der Wunsch und die

    Suche nach dem bewussten Akt der Revolte und derSolidarität nicht warten kann. Dahinter steht keinstumpfes politisches Kalkül, sondern derunbeschreibliche Drang die Freiheit zu leben.

    Um diesen Drang einen Ausdruck zu geben, haben undbrauchen wir Ideen, Vorschläge undHandlungsmöglichkeiten, damit wir die Revoltebeginnen können. Wehe denen, die versuchen denFunken der Revolte im Keim zu ersticken, demStaatsapparat mit seinen Diener*innen, aber auch denStrukturen und Strömungen, die sich politisch auf der„richtigen“ Seite sehen, aber durch ihre Politik dasWeiterbestehen der ausbeuterischen Realitätgarantieren, sogar fördern. Das können linkeRepräsentant*innen einer Befriedungspolitik oderZusammenhänge, die reformistische Feuerwehrpolitikverfolgen, sein. Daher lasst uns aus dieser Polaritätzwischen Staatstreue, Reformismus und Populismusausbrechen und unabhängig davon eigene Wegeeinschlagen, die die Konstrukte von LegalitätIllegalitätund SchuldUnschuld nicht nur infrage stellen, sonderngrundsätzlich verneinen. Es bedarf keiner Befriedungoder Bürokratisierung der Kämpfe und des darausresultierenden Umgangs mit der Repression, sondernder Notwendigkeit dieser mit dem Hass gegen dieAutorität und der Liebe zur Freiheit zu begegnen. Denndies sind die grundlegenden Empfindungen, die unsüberhaupt erst anspornen zu handeln.

    Es liegt in der Natur von Gerichtsverfahren, dass siepolitisch sind. So fällt es schwer zu glauben, dass durchdie Relativierung „minderer" Anzeigen, das tatsächlicheAusmaß der autoritären Unterdrückung ausgeblendet,sogar verleumdet wird. Deswegen ist es leider nochnotwendig zu versuchen, die Prozesse für die eigenenLeute und die Öffentlichkeit zu politisieren, also mitpolitischer Relevanz zu füllen. Man könnte dies sogarim positivsten Sinne als Möglichkeit sehen, denpolitischen Kampf auch im Gerichtsaal weiterzuführen.An sich wäre dies logisch, sofern die vorher genannteVoraussetzung der politischen Relevanz von Verfahrengegeben ist. Laut der geführten Diskussionen, ist deraktuelle Zustand der „Bewegung“ nicht der Beste und somüssen die Rebell*innen unaufhörlich und weiterhinauf eine gewisse, zumindest minimale, Integritätdrängen.

    So the bet remains to us, every anarchist cell and individuality that promotes continuous attack and rebellion, to prove that there will be no truce with the enemy neither now nor ever. Particularly in times of repressive operations one does not step back, but insteadreignites the outbreaks of attacks in order to become truly dangerous. To remain a threat as an internal enemy at the heart of the system. Because everything that rolls downhill, stops only when it finds an obstacle in front of it, otherwise it will continue to do soindefinitely by continuously increasing speed, carrying away anything of inferior proportions. It is a live bet, without end, but with continuity, evolution and one direction only... liberation, anarchy. Olga Economidou

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    warum und fordern eine weitergehende und breitereDiskussion darüber ein. Solange es Widerstand undRevolten gibt, wird der Staat immer mit all seinenMitteln darauf reagieren. Diese Mittel wurden aufgrundtechnischer Möglichkeiten und Gesetzesänderungenerweitert und wir müssen uns diesen neuenHerausforderungen stellen.

    Widerstand sollte keine Spielwiese und das Gericht keinEinkaufsladen für Deals und Einlassungen sein. Wennwir von unseren Ideen und Aktionen überzeugt sind,müssen wir auch mögliche Konsequenzen, im

    schlimmsten Fall Flucht, Knast oder Tod, in unsereKämpfe einbeziehen.

    Für eine Bewegung, die sich ernst nimmt, sollte klarsein, dass sie mit Menschen, die verhaftet werden, mitVerfahren überzogen werden oder in den Knastkommen, solidarisch ist. Solidarität sollte offensiv sein,denn es ist relevant, dass unsere Kämpfe innerhalb undausserhalb der Knäste weitergeführt werden.

    Eine Bewegung, die sich nicht um ihre Gefangenenkümmert, ist schon lange tot!

    Zur Zeit der Veranstaltung im Mai 2018 saß Nero schonfast ein Jahr im Knast. Er wurde zu 18 Monaten Haftverurteilt, weil er einen Bullenhelikopter mit einemLaserpointer geblendet hat. Seine Prozesstrategie wardefensiv und es gab den Versuch, aufgrund desVorwurfs (Gefährlicher Eingriff in den Luftverkehr), dasVerfahren zu entpolitisieren. In der Veranstaltung wurdedieser Prozess geschildert und auch die Soliarbeitkritisch beleuchtet. In der anschließenden Diskussionwurden einige besondere Punkte debattiert, sobeispielsweise die Rolle der Anwält*innen, dieVorbereitung auf den Knast innerhalb vonBezugsgruppen und der Umgang mit der Repression imKnast. Neben Kritik an Nero und der Soligruppe wurdeneinige Beispiele aufgeführt, die sowohl besser als auchschlechter gelaufen sind und so wurden in derDiskussion diverse Punkte festgehalten, die hierzusammengefasst werden.

    Der wahrhaft Tapfere fürchtet kein Urteil, es sei denn das des eigenen Gewissens.Erich Mühsam

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    Die Diskussionen, die in dieser Broschürezusammengefasst worden sind, beruhen auf derPerspektive des Aufbruchs und Ausbruchs, mitEinbeziehung der daraus folgenden unumgänglichenKonsequenzen. Es soll ein Aufbruch sein, in dem dieSehnsucht nach der grenzenlosen Freiheit gelebt wird.Einen Aufbruch, der dazu anstiften soll im hier undjetzt, die existierende Welt zum Einsturz zu bringen, mitwohlüberlegten Taten und bewussten Vorschlägen füreine Welt ohne jegliche Herrschaft, Ausbeutung undsonstiger Unterdrückung. Der Aufbruch soll somit alsAnfang vom Ende der alten Welt angesehen werden.Der Ausbruch soll die konkrete Handlung sein, die dazuführen soll, dieses Ende hervorzurufen. Ein Ausbruchaus den Zwängen dieser Gesellschaft, die jede Personvon uns seit der Geburt mit ihren starren Werten undVorstellungen vergiftet. Wenn dies der Ausgangspunktunseres Wesens ist, dann liegt es nahe, gewisse Risikenfür die Veränderung in Kauf zu nehmen. Diese Risikenführen nicht selten zu einer Bestrafung und eineraufgezwungenen Isolation, unter anderem durch dieUrteile der staatlichen Justiz.

    Klar ist, dass jegliche Isolation das Ziel hat, dieRebell*innen zu brechen, körperlich und seelisch. DenRebell*innen muss dieser mögliche Werdegangallgegenwärtig sein. Blindlings in die Fänge des Feindeszu laufen, kann fatale Folgen haben. Deswegen ist es

    eine persönliche und kollektive Verantwortung jeglicherrevolutionärer Bewegung, mit offenen und kritischenAugen an die Tat zu schreiten. Dies heißt nicht, die Wutund den Hass gegen jegliche Autorität einzudämmenund die Wildheit bändigen zu wollen, im Gegenteil!Eine Auseinandersetzung mit den Folgen des eigenenHandelns kann das Verständnis von der Notwendigkeitder Revolte und des Angriffs nur verstärken. Die darausresultierende Verlustangst der eigenen Freiheit,Privilegien, sogar des eigenen Lebens muss thematisiertwerden und kollektiv besprochen und überwundenwerden. Denn nichts ist lähmender, als nicht zu wissen,was der Angst entgegengesetzt werden kann.

    Die Erfahrungen mit dem zurzeit größten Druckmittelder Staatsmacht können nur dazu dienen, diese Angstzu verlieren, beziehungsweise zu verstehen, dass auchinnerhalb der Mauern der staatlichen Kerker allesweitergeht. Niemand kann behaupten, dass es eineinfaches Unterfangen ist, mir erhobenen Kopf denErniedrigungen und Demütigungen im Knaststandzuhalten, aber ähnliche, wenn auch entschärfte,Erfahrungen mit Autoritäten machen wir auch in„Freiheit“. In allen Situationen müssen die Rebell*innenMöglichkeiten finden, ihrem Drang nach der RebellionHandlungsraum zu geben.

    In diesem Zusammenhang ist es notwendig, auch überdie Flucht, die Klandestinität, das Abtauchen, dasVerschwinden zu reden. Diese sollen nicht als ultimativeLösung vorgeschlagen werden, denn sie bergen in sicheine andere Art von Isolation, eine völlig neue, für diemeisten wahrscheinlich eine noch unbekanntereErfahrung, als der Knast. Sie sind verbunden mitEinsamkeit, Handlungsunfähigkeit, Abhängigkeit vom

    dieselbe Gesetzgebung (Visdp) benutzen, die Regelnvorschreibt und den Regelbruch bestraft, um nicht alsVerfasser*in des Inhalts verantwortlich gemacht zuwerden? Einige werden mit einem müden Augenrollendarauf reagieren und sagen; lieber so, als unendlichviele und teure Verfahren. Seit wann bitte schönbeeinflusst denn der Pragmatismus des bequemerenWeges eine revolutionäre Bewegung? Dann könnten wirja, überspitzt gesagt, gleich in die Politik gehen, um die

    Gesetze zu unseren Gunsten umzuschreiben, äh sorry,abzuschaffen. Die eigentliche Herausforderung basiertauf der gewollten Verantwortlichkeit, die in derenormen Bedeutung und dem potenziellen Ausmaßunserer Worte und Taten liegt. Was das genau heißt,von welchen Inhalt die Rede ist, was der Unterschiedzwischen Märtyrertum und Verantwortlichkeit ist undwas das mit uns zu tun hat, kann in zukünftigenDebatten, Texten und Aktionen ausgeführt werden.

    Ich gestehe Niemandem das Recht zu, mir seinen Willen aufzudrängen, egal unter welchem Vorwand. Ich sehe nicht ein, wieso ich nicht das Recht haben sollte, ein paar Trauben oder Äpfel zu essen, nur weil sie Mr. X gehören... Was hat er getan, wasich nicht getan habe, das ihn zum alleinigen Nutzniesser macht? Ich sage: nicht, und daher habe ich das Recht meine Bedürfnisse zu stillen und wenn er mich mit Gewalt davon abhalten will, werde ich revoltieren und meine Stärke mit ihm messen. Wennich angegriffen werde, werde ich mich mit allen möglichen Mitteln verteidigen. Octave Garnier

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    Der wahrhaft Tapfere fürchtet kein Urteil, es sei denn das des eigenen Gewissens.Erich Mühsam

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    anderem, bei den Vorbereitungsgesprächen miteinbezogen und es wurde klar gemacht, dass er nichtsin Eigenregie machen soll. Also keine Abmachungen mitder Staatsanwaltschaft und keine Gesprächsbereitschaftmit der Richterin. Die Anwaltsstrategie wurde von demBetroffenen und dem Umfeld bestimmt und hatte dasZiel, durch die Befragung der Staatsschützer, Druck aufsie auszuüben, sie zu nerven und sie möglicherweise inWidersprüche zu verwickeln. Das hat wunderbarfunktioniert! Besonders der unerfahrenste Zivibulle, derauch Hauptzeuge war, wurde vom Anwalt regelrechtfertig gemacht. Er und seine Kollegen spürten die ihnenfeindlich gesinnten Augenpaare in ihren Nacken. Alleindeswegen war die Prozessbegleitung der Gefährt*innenschon wichtig. Der Betroffene hat wiederum nur seineErklärung vorgelesen, ohne den Anspruch als Siegeroder Verlierer aus dem Gericht zu gehen. DieVermutung lag eher nahe, dass alleine durch dieoffensive Erklärung, die Richterin zu einem vielleichtsogar härteren Urteil verleitet wird. Die Erklärungwurde aber gefühlt gar nicht von der Richterinwahrgenommen. Nur der Staatsanwalt schien ihr eherzuzuhören, wahrscheinlich um sich in seiner Vermutungeinen Staatsfeind vor sich sitzen zu haben, bestätigt zufühlen. Der Staatsanwalt hatte ein noch höheresStrafmaß gefordert, da ja keine Einsicht oder Reuegezeigt worden ist. Er hat dann noch irgendwas davongelabert, dass die Tage von Hamburg schon demTerrorismus ähneln. Von Staatsseite also das üblicheGeschwätz! Der Anwalt plädierte letztendlich aufFreispruch, weil seiner Meinung nach die Aussagen vonden Zeugen zu ungenau waren und es keinetatsächlichen Beweise für die angeklagte Tat gab.Erstaunlicherweise hat die Richterin ohne mit derWimper zu zucken und ohne Bedenkpause denFreispruch bestätigt. Alle Kosten übernimmt dieStaatskasse. Das war wohl eine kleine aber feineSchlappe für die Staatsanwaltschaft und Staatsschützer,die sich wahrscheinlich schon auf die Verurteilunggefreut hatten. Doch wie ist der Prozess für uns zuwerten? Der Erfolg dieses Prozesses liegt nicht imFreispruch, sondern in der Umsetzung der vorhergetroffenen Entscheidungen, sich auf ganz bestimmteArt zu verhalten. Am Abend vor dem Prozess wurdezum Beispiel das Plakat, das unter Anklage stand, inverschiedenen Teilen Berlins nochmal plakatiert, umsozusagen dem Staat genüsslich den gestrecktenMittelfinger zu zeigen.

    Was überhaupt den Sicherheitsapparat dazu bewegt,solche Lappalien mit Strafbefehlen zu verfolgen, ist eineandere Frage. Wahrscheinlich liegt es am geringenbürokratischen Aufwand oder an der Übermotivationgewisser Zivibullen. Es als eine staatliche Strategie zubewerten, kann so und so gesehen werden. In nächsterZeit wird sich zeigen, wie die Richter*innen aufähnliche Prozesse reagieren werden. Und es wird sichauch zeigen, wie die betroffenen Gefährt*innen dieProzesse führen werden.

    Im Nachhinein kann noch erwähnt werden, dass kurznach dem Prozess der Staatsanwalt Einspruch gegen dasUrteil eingelegt hat. Er hat ihn dann aberzurückgenommen, nachdem das schriftliche Urteilversendet worden ist. Vielleicht gab es die wageHoffnung vom Staatsanwalt, dass die Richterin es sichdoch noch anders überlegt oder es war ein pro formaSchritt. Insgesamt kann man mit derProzessvorbereitung und führung zufrieden sein, weildas, was man sich vorgenommen hat, durchgezogenwurde. Der Freispruch ist dabei ein unerwarteterNebeneffekt. Ein Kritikpunkt kann die zu geringgehaltene „Öffentlichkeitsarbeit“ sein. Denn wenn eskeine Unterschiede zwischen Lappalien und „großen“Prozessen geben soll, dann sollte man auch mitderselben Energie an „kleine“ Prozesse herangehen unddie Öffentlichkeit miteinbeziehen. In dem PlakatProzess schien es eher ein KatzundMaus Spielzwischen zwei Rivalen. Klar kann es sich komischanhören zu sagen, wenn ein*e Gefährt*in wegenPlakatierens Stress hat, muss das ganze Umfeldplakatieren gehen und womöglich noch mehr Anzeigensammeln. Es muss uns aber auch bewusst sein, dassbesonders das unspektakuläre und potenzielllangweilige Plakatieren ein wichtiges kommunikativesWerkzeug einer subversiven Methode und Idee, diedarauf beruht das Bestehende umzustürzen, ist. Essollte unabhängig von Repression sowieso in unseremWaffenarsenal sein. Aus diesem Blickwinkel kann dasgedruckte Wort für die Herrschaft genauso gefährlichsein, wie ein wütender Mob von Individuen. So machtes sehr wohl Sinn für den Staatsapparat, dass dieRevolutionären für den Inhalt ihrer Texte belangtwerden. Doch wie könnte man sich jemals davonabwenden oder sich auch nur im Geringsten davondistanzieren? In diesem Kontext wird nun eineprovokante Frage in den Raum gestellt: wie kann man

    Ich gestehe Niemandem das Recht zu, mir seinen Willen aufzudrängen, egal unter welchem Vorwand. Ich sehe nicht ein, wieso ich nicht das Recht haben sollte, ein paar Trauben oder Äpfel zu essen, nur weil sie Mr. X gehören... Was hat er getan, wasich nicht getan habe, das ihn zum alleinigen Nutzniesser macht? Ich sage: nicht, und daher habe ich das Recht meine Bedürfnisse zu stillen und wenn er mich mit Gewalt davon abhalten will, werde ich revoltieren und meine Stärke mit ihm messen. Wennich angegriffen werde, werde ich mich mit allen möglichen Mitteln verteidigen. Octave Garnier

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    Ist das Schicksal als Sieger oder Besiegter zu enden nicht ausserdem besser als die düstere Resignation und langsame, endlose Agonie des Proletariers, der im Ruhezustand stirbt, ein Narr, der nichts vom Leben gewonnen hat? Der Bandit, er spielt.Er hat daher ein paar Chancen zu gewinnen. Und das ist genug. Victor Serge

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    Ein Plakat, viele Diskussionen, eine PositionDie Relevanz einer Auswertung kann darin bestehen,basierend auf den gesammelten Erfahrungen,gegenwärtige und zukünftige Spannungen innerhalbeiner revolutionären Bewegung zu verschärfen, zureflektieren und kritisieren. Diese kollektivenSpannungen beruhen auf der jeweiligen Individualitätund dem Willen zur Tat zu schreiten. Es sind diesebeiden Zutaten, die uns im alltäglichen Lebenanspornen, Entscheidungen zu treffen. Entscheidungen,die uns mal mehr mal weniger in Gefahr bringenkönnen. Man könnte auch behaupten, dass es dieunausweichlichen Konsequenzen unserer Taten sind, dieder Herrschaftsapparat für die Revoltierenden parathält, mit denen ein bewusster Umgang erlernt werdensollte.

    Ein Strafprozess ist in seinem Kern ein gewaltsamer Aktdes Staates, um das unbeugsame Individuum zubestrafen, um es zu isolieren und letztendlich zubrechen. Ziel ist die Kollaboration mit der Macht, Reuezeigen und eine Schuld eingestehen. Daher stellt sichdie Frage für die Staatsfeinde, wie sich vor Gerichtverhalten. Es gibt sicherlich nicht den wahren undeinzigen Weg, um kämpferisch im oder außerhalb einesGerichtssaals zu agieren. Dennoch sollte die politischeGesinnung, besonders derjenigen, die jeglicher Macht

    den Kampf erklärt haben, in jedem Moment des Lebensdie Inhalte und Taten widerspiegeln. So können vorGericht, vor den Bullen, vor jeglichem Moment derUnterdrückung einige Verhaltensweisen von Beginn anausgeschlossen werden. Reue zeigen wäre so gesehennoch viel widersprüchlicher als sonstige Aussagen, weilman in dem Moment Verrat an sich selber begehenwürde. Zudem wäre die Hoffnung, durch Reue eineStrafminderung oder Erlass zu bewirken, eine sehrnaive Herangehensweise. Inspirierend könnte unteranderem sein, die eigene Position auch im Gerichtsaalbeizubehalten. Den Verlockungen der Staatsdiener zuwiderstehen und die gewollte Distanzierung zu seinenTaten zu ignorieren.

    Der konkrete PlakatProzess, so wie er vorbereitetworden ist und wie er schlussendlich verlief, ist dasErgebnis verschiedener Diskussionen zwischenMitstreiter*innen. Der Hauptanspruch war, Wege undMittel zu finden, um die Repression zu entschärfen undHandlungsmöglichkeiten zu erkunden. Die Diskussionenwurden unter vier Augen, kollektiv und auch öffentlichgeführt, um einen möglichst großen Austausch unterGefährt*innen zu ermöglichen. Es wurden Texte,weitere Plakate und eine Themensammlung zum ThemaRepression veröffentlicht. In den Gesprächen wurdeklar, dass es den Willen gibt, eine offensiveProzessführung zu haben. Konkret hieß dies, denAnwalt als Werkzeug zu „benutzen“, und nicht alles vonihm vordiktiert zu bekommen. Der Anwalt wurde, unter

    Wenn ich mich entschließe zu sprechen, dann nicht, um mich gegen die Taten zu verteidigen, die mir vorgeworfen werden, denn nur die Gesellschaft, die durch ihre Organisation die Menschen in einen ständigen Kampf gegeneinander versetzt, istverantwortlich. Ravachol

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    Der Vortrag zum Thema Deals & Einlassungen fand am24.05.2018 in der Kinzigstraße 9 / FHain statt. Es waruns ein Bedürfnis dieses Thema nochmalsanzusprechen, da wir der Meinung waren und sind,dass das Thema staatliche Repression und der Umgangdamit zu wenig Beachtung innerhalb einer wie auchimmer definierbaren Bewegung einnimmt. Das fängtbeim lockeren Plausch mit den Bullen an, wenn nachdem Weg zur Demonstration gefragt wird oder versuchtwird bei einer Zwangsräumung eben jenenKettenhunden ins Gewissen zu reden und hört auf,wenn vor Gericht Reue gezeigt oder im schlimmsten Fallgegen andere ausgesagt wird. In den letzten Jahren gabes verschiedene Informationstage, Kundgebungen unddirekte Aktionen, die uns motiviert haben, einenAustausch zu dieser Thematik zu fokussieren.

    ""WWeennnn dduu vvoorrhheerr aauussggeemmaacchhtt hhaasstt:: wweennnn eeiinnmmaall eettwwaassppaassssiieerrtt,, ddaannnn kkeeiinn WWoorrtt,, kkeeiinnee AAuussssaaggee,, ddaannnn hhaasstt dduueeiinn ssiicchheerreess GGeeffüühhll!!““ (Sonja Suder)

    Der Einladungstext, mit dem zu dieser Veranstaltunggeladen wurde, soll hier nochmals abgedruckt werden:

    Wir laden euch ein zu einer Diskussion über Einlassungen,Deals und politische Prozessführung. Alle kennen dieGrundsätze aus der „Anna & Arthur halten‘s Maul“Kampagne. Wir wollen auf die Entstehungsgeschichtedieser Strategie eingehen und diskutieren, warum esimmer noch wichtig ist, sich daran zu halten. Es scheintso, dass immer mehr Menschen, die unmittelbar vonRepression betroffen sind, diese Grundsätze als hohlePhrase begreifen und lieber ihre eigene Haut rettenwollen. Der individualisierte Umgang beiRepressionsfällen, der durch ein Umfeld entsteht, welcheskeine Verantwortung mitträgt, steht im starken Gegensatzzur allseits bekannten Parole: „Getroffen hat es einige,gemeint sind wir alle.

    Häufig wird die Solidarität mit den Betroffenen vonRepression an eine Unschuldsvermutung geknüpft. Dasheißt im Umkehrschluss, dass man sich bereits damitabgefunden hat, die staatlichen Institutionen und ihrKonstrukt von Schuld und Unschuld anzuerkennen undsomit ihre Autorität hinzunehmen.

    Wir wollen diskutieren, wie wir wieder zu dem Punktgelangen, dass Prozesse im Gerichtssaal politisch(offensiv) geführt und außerhalb – jenseits einerjuristischen Perspektive – begleitet werden. Es findet eineanhaltende, in Verfahren vorgespielte, Entpolitisierungbzw. Distanzierung im Zuge von Repression statt. Hierzuthematisieren wir einige gegensätzliche Strategien inaktuellen Prozessen.

    Wir wollen auch ein paar positive Beispiele mit auf denWeg geben, um für die Zukunft Handlungsspielräume zueröffnen.

    FreeThemAll.noblogs.org/veranstaltungen

    Das Thema staatliche Repression und möglicheGegenstrategien wird oftmals sehr emotional und aufunterschiedlichen Ebenen behandelt / diskutiert, daviele Menschen bereits ganz persönlicheErfahrungswerte besitzen. Daher wurde im Vorfeld derDiskussion ein Vortrag gehalten, um zum einen dasThema einzugrenzen, aber auch um einenWissensaustausch bzw. eine Wissensbasis zuermöglichen.

    Das Rad muss dabei nicht neu erfunden werden.Nehmen wir beispielsweise die „Anna & Arthur halten‘sMaul“Kampagne:

    Im November 1987 wurde während einerDemonstration gegen die Startbahn West auf Bullengeschossen. Neben dieser Zuspitzung des Protestes,wurden als direkte Aktionen gegen Atom undKriegspolitik und dem Startbahnwestprojekt zurStörung der Infrastruktur auch viele Strommastengefällt. Nach den Schüssen zogen die Bullen durch alleHäuser und Wohnungen mit einer vorgeschobenenMordanklage und forderten Aussagen zu denAufenthaltsorten der Menschen am Tag der Schüsse. Vorallem wollten sie jedoch herausfinden, wer hinter denAngriffen auf die Infrastruktur steckte. Viele ließen sichdurch den Mordvorwurf so enorm unter Druck setzen,dass sie aussagten nicht dabei gewesen zu sein. Ausdiesen Aussagen haben die Bullen ihre Netzwerkanalysegemacht und konnten den Kreis der Tatverdächtigeneingrenzen und sie teilweise auch verurteilen. Darausentstand die „Anna & Arthur halten‘s Maul“Kampagne,denn egal wie man Deals, Einlassungen oder Aussagenmacht, spielt man dem Staat Infos zu, die es ihmmitunter erleichtern, Analysen über unsereZusammenhänge zu machen.

    Ist das Schicksal als Sieger oder Besiegter zu enden nicht ausserdem besser als die düstere Resignation und langsame, endlose Agonie des Proletariers, der im Ruhezustand stirbt, ein Narr, der nichts vom Leben gewonnen hat? Der Bandit, er spielt.Er hat daher ein paar Chancen zu gewinnen. Und das ist genug. Victor Serge

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    wurden, kommt nicht von irgendwoher. Der direkteAngriff auf Machtstrukturen und deren Symbole undVerteidiger*innen ist Teil einer revolutionärenPerspektive, die für eine emanzipatorische Gesellschaftkämpft. Für eine befreite Gesellschaft, ohne jeglicheUnterdrückung des Menschen durch den Menschen.Denn die gewalttätige Unterdrückung des Menschenerschafft soziale Ungleichheiten, Ausbeutung,Machtkonflikte und letztendlich Kriege. Das sindeindeutig alles Eigenschaften eines modernen Staates der sich aber stets seiner Angreifbarkeit bewusst ist. DerGrundpfeiler der westlich zivilisierten Welt, derKapitalismus, entspringt keiner natürlichenGegebenheit, denn sonst wären der Staat, seineGesetze, Knäste und Strafmaßnahmen überflüssig.Diese deuten auf seine Verletzbarkeit hin! Denn wasvom Menschen erschaffen wurde, kann auch nur durchihn wieder zerstört werden!"

    Nun kam es am 8. August zur Verhandlung vor demBerliner Amtsgericht. Nach mehreren gemeinsamenDiskussionen darüber, was denn eine offensiveProzessführung konkret für den Gerichtssaal bedeutenkann, sind wir zum Entschluss gekommen, sowohl eineErklärung (siehe oben) vorzulesen, als auch eineBefragung der PMSBullen durch einen Anwaltdurchzuführen. Dabei war uns klar, das bereits dieAnwesenheit des Angeklagten ein Widerspruch zu einerkonsequenten Feindschaft dem Gericht gegenüberdarstellt. In Abwägung dazu, dass sich das Entziehenvom Prozess wohl nur kurzfristig realisieren lässt, oderalles andere in keinem Verhältnis zwischen Aufwandund Konsequenzen gestanden hätte, fanden wir denWeg, im Gericht selbst unsere Ablehnung dieserInstitution kundzutun eine Möglichkeit, ohne dabeiunsere Ideale zu verraten. Das eine anwaltlicheVertretung dabei war und sich somit in gewisser Weiseauf das juristische Schauspiel eingelassen wurde, wardas Resultat einer strategischen Überlegung unter derBerücksichtigung aktueller Entwicklungen in Bezug aufdie Rolle der PMSBullen, die sich zunehmend alsBerufsidentifizierer in solchen Prozessen einen Namenmachen, wie auch anhand der kürzlich erschienenBroschüre „Gefährderleaks“ gut zu erkennen ist. Um esdiesen nicht zu leicht zu machen, sollten sie sichzumindest mit den Unannehmlichkeiten einerZeugenbefragung konfrontiert sehen, und somöglicherweise vorgeführt werden.

    Nach der öffentlichen Ankündigung den Prozess zubegleiten, wurde dieser kurzfristig in einenSicherheitssaal verlegt und Auflagen erteilt. So wurdenauch hier wieder Personalausweise aller Besucher*innenkopiert. Nach Eröffnung der Verhandlung hat derAngeklagte die Prozesserklärung verlesen, die vonStaatsanwaltschaft und Richterin im weiteren Verlaufunkommentiert blieb. Anschließend wurden die dreiZivis vom LKA, welche wie gewohnt mit Kodiernummerauftraten, weil sie sich der Gefahr für Leib und Lebendurch die „Szene“ ausgesetzt sehen, nacheinander inden Zeugenstand berufen und durch den Anwaltbefragt. Ihre Aussagen, wie sie auf den Angeklagtenaufmerksam wurden und ihn beim Kleben beobachtethaben wollen, schienen dabei nur dieStaatsanwaltschaft überzeugt zu haben, welche imanschließenden Plädoyer 120 Tagessätze forderte. DerAnwalt plädierte auf Freispruch aufgrund ungenauerAngaben der Bullen und die Richterin schloss sich demüberraschenderweise an.

    Dieses Resultat ist natürlich sehr erfreulich, zumal derStaat nun für die ganzen Kosten aufkommen muss undwir uns mit besseren Dingen beschäftigen können alsKohle zu organisieren. Außerdem wird dieGlaubwürdigkeit der PMS‘ler, mit jeder Schlappe die sieeinfahren, wohl fragwürdiger werden und kannzumindest für zukünftige Verfahren von Nutzen sein.Wir wollen uns davon aber nicht täuschen lassen undder Logik der Justiz verfallen. Für uns war und ist klar,dass es hier nicht um die Frage von Schuld oderUnschuld gehen kann, und somit ein Freispruch nichtein Sieg bedeutet. Mit einer Verurteilung hätten wirgenauso einen Umgang gefunden, aber wenn die Bullenzu blöd sind ihre Beweise richtig vorzulegen, nehmenwir es dankend an. Interessant ist für uns vielmehr dieStärke und Komplizenschaft, die sich aus gemeinsamenHandlungen, Prozessen und Diskussionen entwickeln.Dies schafft erst die Bedingungen, die uns den Mut unddie Entschlossenheit gibt, dem Staat offensiv zubegegnen und die Angst vor den Konsequenzen, die diesnach sich zieht, zu minimieren. Und nicht zuletzt freutuns natürlich, das solche Angriffe auf unsere Ideen dazuführen, dass diese noch mehr Verbreitung finden unddie zur Anklage gebrachten Plakate jetzt wieder in denStraßen zu sehen sind.

    Irgendein Solidarisches Umfeld

    Quelle: de.indymedia.org/node/23510

    Wenn ich mich entschließe zu sprechen, dann nicht, um mich gegen die Taten zu verteidigen, die mir vorgeworfen werden, denn nur die Gesellschaft, die durch ihre Organisation die Menschen in einen ständigen Kampf gegeneinander versetzt, istverantwortlich. Ravachol

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    Input

    Um eine kontroverse Diskussion / Auseinandersetzungmit diesem Thema zu erleichtern, wurde zum Anfangder Veranstaltung ein Input gehalten, welcher mitprovokanten Fragen endete. Es wurde hierbei kurz aufdie Entstehungsgeschichte der Aussageverweigerungeingegangen, welche maßgeblich durch die „Anna &Arthur halten‘s Maul“ Kampagne geprägt wurde. Wennwir von Repression sprechen, ist es in der Regelnotwendig eine ähnliche / gleiche Definition vonjuristischen Begriffen zu haben. Es scheint dahersinnvoll die Begriffe Einlassung, Deal und politischeErklärung näher zu beschreiben.

    Ein Deal ist in jeder Stufe des Verfahrens möglichund kann von allen Seiten initiiert werden. Erscheint oft verführerisch, da es ohne ihnunmittelbar vor der Gerichtsverhandlung keineGarantie für den Ausgang des Verfahrens gibt, esmuss demnach mit dem maximalen Strafmaßgerechnet werden. Inbegriff eines Deals ist in denmeisten Fällen eine Anerkennung der Vorwürfe,zumindest teilweise. Weiterhin kann er an weitereBedingungen geknüpft sein z.B.: Entschuldigung /Reue; DNA Entnahme (G20); Aussagen zurweiteren Aufklärung (Einlassung); Distanzierungetc... Es ist auch möglich, dass konkrete AuflagenTeil des Deals sind z.B.: Arbeitsstunden; Geldstrafe;Kontaktverbote; therapeutische Maßnahmen(Antiaggressionstraining, anonyme Alkoholiker,Entzug) usw...

    Politische ErklärungAls politische Erklärung wird im Gegensatz zurEinlassung eine Statement bezeichnet, das denpolitischen Kontext einer Aktion unterstreicht. Esgeht hierbei nicht darum, Aussagen über die eigeneRolle bei der vorgeworfenen Tat zu tätigen, sondernsich mit der Idee, die dieser zugrunde liegt, zusolidarisieren. Es wird die politische Verantwortungübernommen, ohne das SchuldUnschuldTheatermitzuspielen.

    In anderen Ländern, beispielsweise inGriechenland, ist es üblich, die Verbundenheitzwischen Tat und den eigenen politischenVorstellungen zu erläutern. Dieses Vorgehen,schwächt die Macht des Staates, weil diebeschuldigte Person zum einen weder auf dasSchuldUnschuldKonstrukt eingeht und zumanderen eine Öffentlichkeit für unser Handelnschafft. Zusätzlich erzeugt es ein Gefühl, derKompliz*innenschaft und Solidarität bei allenBeteiligten.

    Einlassung

    Als Einlassung wird eine Stellungnahme / Aussagezum Anklagevorwurf durch die beschuldigte Personbezeichnet. Dabei ist es unwesentlich, wemgegenüber die Einlassung stattfindet, egal ob vorGericht oder bei einer Vernehmung durch Bullenoder Staatsanwaltschaft. Auch eine schriftlicheStellungnahme, beispielsweise vorgelesen durch dieAnwält*innen, ist eine Einlassung.

    Da eine Einlassung eben nicht nur die politischeEbene, sondern auch die Frage nach Schuld undUnschuld aufgreift, fungiert sie gleichzeitig auch als(Teil) Geständnis oder als ein Abstreiten derVorwürfe. Sie ist dabei nicht an Reue oderEntschuldigungen gebunden, sondern es ist sehrwohl möglich, sich zu den Tatvorwürfen (Schuld /Unschuld) zu positionieren und sich danach nichtweiter zu äußern. Eine Einlassung ist somit nichtimmer gleich ein Geständnis, aber durch sie werdenden Repressionsbehörden weitere Beweise und /oder Informationen gegeben. Diese können danachentweder gegen einen selber oder andere Personengenutzt werden (s. StartbahnWest).

    DealDer Deal ist eine juristische Verständigung /Einigung, oft mit dem vordergründigen Ziel dasVerfahren zu verkürzen. Ein Deal wird unterRichter*innen, Staatsanwaltschaft sowieAnwält*innen verhandelt, mit der beschuldigtenPerson gibt es in der Regel nur eine kurzeRücksprache, bei der es meist um die Frage geht, obauf den Deal eingegangen werden soll oder nicht.

    Ein Ziel der Repression ist die Distanzierung undIndividualisierung von Betroffenen. Warum scheint esheutzutage einfacher für den Staat dieses Ziel zuerreichen? Im Vortrag wurde dies mit einerVeränderung der Verteidigungsstrategie innerhalb derSzene beantwortet. Als möglicher historischerWendepunkt wurde der G8 2007 in Rostock genannt.

    Rede nie mit den Schweinen! Ob Presse, Bullen oder Justiz. Die Feinde der Freiheit sind die unseren!

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    sind. So kann und soll ein Gericht Schauplatz einerpolitischen Auseinandersetzung mit dem Staat sein?Inwieweit wollen die Revolutionär*innen die Mittel desStaates benutzen um ihn zu verletzten und bestenfallszu zerstören? Können und sollen diese Mittel dazugenutzt werden um Schuld, Unschuld, Reue und Dealszu vermittlen?

    7) Ethische Grundsätze bestimmen unser Handeln, sindsomit strikt verbunden mit der Eigenverantwortungunserer Taten, dies schliesst eine defenisve Positionierungvor dem Staat aus.

    Wenn ein Gericht mit seinen Kumpanen nicht dereinzige Schauplatz unseres GegenAngriff ist, wo ist erdann? Wenn von Eigenverantwortung die Rede ist,dann ist damit die Bedeutung unserer eigenen Worteund Taten gemeint. Sie zu verstehen heisst mit denKonsquenzen unserer Ethik leben zu müssen. Denn wodie Rede von Revolution, Aufstand, sozialerKonfliktualität ist kann nicht erwartet werden, dass dieGegenseite nichts unternimmt. Offensichtlich reicht esschon davon zu sprechen und diese Ideen zu verbeitenum Angriffsziel zu werden. Das genau ist mitKonsequenzen gemeint, aber ein solidarisches Umfeldkann sie auf eine kollektive Ebene bringen, wo dieEigenverantworlichkeit zu einer Komplizenschaft wirdmit jedem/r Beschuldigten.

    Für mich ist das Gericht, dieses Gebäude der Autorität,kein wesentlicher Schauplatz einer anarchistischen undrevolutionären Auseinandersetzung mit der Herrschaft.Die Kämpfe für eine Welt ohne Ausbeutende undAusgebeutete finden im alltäglichen Leben und auf denStraßen statt. Ein Gerichtsverfahren ist eineaufgezwungene Momentaufnahme, die versuchtlaufende und vergangene Kämpfe zu schwächen undihrer Mitstreitenden zu entziehen.

    In gewisser Weise lasse ich mich aber auf das juristischeSchauspiel ein, indem ich heute auf der Anklagebanksitze. Ich hätte auch einfach das festgesetzte Bußgeldzahlen können, um auf diese Gerichtsverhandlung zuverzichten. Doch Buße für was? Ich bin heute hier, umeine gewisse Öffentlichkeit zu erschaffen, die aufzeigensoll, was Repression offensiv entgegengestzt werdenkann. Ich bin nicht hier um mich zu entschuldigen,noch meine Überzeugungen auf juristischer und

    defensiver Ebene vor Richtenden zu rechtfertigen. Mirist vollkommen klar, dass ich so wie grundsätzlich alleAngeklagten exemplarisch verurteilt werde, um anderedavor abzuschrecken die mir vorgeworfenen Taten zubegehen. Ich bezweifle, dass in diesem Fall die Intentionder generellen Repression und Unterdrückung eineWirkung haben wird, weil ich mich nicht als Personangegriffen fühle, sondern hauptsächlich für mein Ideevon einem menschlichen Zusammenleben ohne jeglicheHerrschaft. Diese Idee ist aber nicht einzig und alleinemir angehörig. Das haben tausende von Gefährtinnenund Gefährten Mitstreitenden unter anderem im Juli2017 in Hamburg offensichtlich gezeigt.

    Das heute Staatsbeauftragte über mich richten werden,bedeutet für mich ein Eingeständnis der Verwundbarkeitdes Staates. So gesehen bin sicherlich nicht ichderjenige, der sich rechtfertigt mit diesem Prozess undUrteil, sondern Ihr: die Ihr eure blutgetränkte Machtund Untertänigkeit für Staat und Kapital verteidigenmüsst! Auf Grund meiner Überzeugungen bestehe ichgewiss nicht auf das Recht der Meinungsäußerung,denn die Rechtssprache ist nicht die meinige.

    Dementsprechend erwarte und fordere ich nichts vondiesem Gericht und seinen Dienenden, denn wie ichschon gesagt habe: Die Kämpfe gegen die bestehendeOrdnung und für eine befreite Gesellschaft werden ananderer Stelle ausgetragen.

    Kurzauswertung nach dem ProzessVerschiedene Aufrufe, Diskussionen und Texte haben inletzter Zeit erneut die Frage nach einem offensivenUmgang mit Verfahren und Gerichtsprozessenaufgeworfen. Im Zusammenhang mit dem Verfahren umdas Plakatieren des G20 Plakats „Es wird weitereAngriffe geben“ wurde probiert dazu einen praktischenAnstoß zu geben. In einem Text unter dem Titel „Denöffentlichen Frieden stören“, der im April in denStraßen Berlins verbreitet wurde und sich auf diesesVerfahren bezieht, hieß es dazu:

    "Die Tatsache, dass die befreienden Momente desAngriffs auf den Staat beim G20 in Hamburg imPlakattext inhaltlich als Notwendigkeit und logischeKonsequenz von Ausbeutungsverhältnissen beschrieben

    Freiheit für jeden Einzelnen und für jede Gruppe im revolutionäre Handeln, Freiheit jeder Gruppe und Einzelnen hinsichtlich der Koalition, dadurch Beförderung des initiativen Handelns, des Selbstvertrauens, auf die Kraft des Einzelnen, Wirkung desEifers des Einzelnen, der Sache zu nützen durch die Tat, und was die Hauptsache ist: Befreiung vom Bleigewicht, der Bevormundung handlungsunfähiger "Führer“. Johann Most

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    verhält. Einige sitzen trotz Entschuldigung, anderewurden aus der UHaft / Knast entlassen, obwohl sienichts gesagt haben (Peike und Fabiounitedwestand.blackblogs.org/erklaerungvonfabiovanlaesslichdersitzungam07november2017imamtsgerichthamburgaltona).

    Die Hoffnung auf ein milderes Strafmaß ist dabei eherWunschgedanke und wird vom Staat immer wieder alsDruckmittel eingesetzt, man macht sich also erpressbar.Früher war es auch in Deutschland normal, dasszumindest nichts gesagt wird. Weder bei den Bullen,der Staatsanwaltschaft noch vor Gericht. KollektivesSchweigen ist politisch. Auch hier stärkt einvorbereiteter Zusammenhang das eigene politischeSelbstbewusstsein, sowie das Vertrauen untereinanderfüreinander einzustehen. Ein positives Beispiel für diesegelebte Solidarität kann das in Kauf nehmen vonBeugehaft sein. Dies wird oft angedroht bzw. verhängt,wenn man als Zeug*in keine Aussage macht. Hier siehtman deutlich, dass Repression nicht immer nurBeschuldigte treffen kann und es daher umso wichtigerist, einen kollektiven Umgang damit zu finden(K.O.M.I.T.E.E. keine Aussage trotz Vorladung bei derBAW in Karlsruhe dageblieben.net ; Magdeburg: 2005rhffm.blogsport.eu/files/2016/07/broschuere_der_hunger_des_staates_nach_feinden.pdf S.49).

    Ein weiteres Zeichen der Solidarität ist dieProzessbeobachtung. Noch bis in das Jahr 2012 gab esbeispielsweise bei den Autobrandstiftungsprozessenmehr solidarische Menschen als Plätze im Gerichtssaal.Doch warum gibt es in letzter Zeit immer wenigeröffentlich besuchte Prozesse in Berlin? Gibt es wenigerInteresse? Mögliche Gründe könnten sein, dass esweniger öffentliche Aufrufe zur Prozessbeobachtungvon Gruppen oder auch im Stressi gibt. Viele Leutewollen ihre Einlassungen nicht öffentlich machen, weiles immerhin noch im Bewusstsein verankert ist, dass esScheiße ist. Repression ist zu einem Nischenthemaverkommen, Interesse besteht meist nur noch beipersönlicher Betroffenheit. Viele Leute sagen auch, dasssie Paranoia / Angst haben, weil ihr Ausweis kopiertwird oder sie mit Straftaten und Gruppen in Verbindunggebracht werden können. Gegenkonzepte können auchhier wieder eine aktive Soliarbeit sein, diebeispielsweise öffentlich zu Prozessbeobachtung aufruftund / oder eine gemeinsame politische Erklärungverfasst, die vor Gericht verlesen wird.

    Andere Handlungsmöglichkeiten, um den Gerichtssaal

    Hier gab es eine Distanzierung von Gewalt durch Teileder Szene schon während des Gipfels. Aber auchdanach gab es dadurch eine Spaltung derSolidaritätsbewegung. Es scheint, dass seit dem beivielen die Gewaltfrage bei der Bemessung vonSolidarität das wichtigste Bewertungsmittel ist. Auchscheint es, dass die Solidarität innerhalb der linkenSzene abhängig von der Darstellung durch diebürgerlichen Medien geworden ist.

    Dieses unsolidarische Verhalten könnte ein Grund fürdie vermehrte Anzahl an Unschuldskampagnen in denletzten Jahren sein. Auch der Rückgang von aktiverSoliarbeit in und um den Prozess könnte damitzusammenhängen. Für die Betroffenen hat dies aberauch noch eine persönliche Ebene. So kann eineDistanzierung zu einer Individualisierung undEntpolitisierung (beispielsweise weil man die Leutenicht mehr sehen will) führen.

    Die Entpolitisierung und Individualisierung führt amEnde zu einer Anerkennung des SchuldUnschuldKonstruktes und damit zu einer Akzeptanz derstaatlichen Spielregeln. Durch Einlassung und Dealsnimmt man individuell die konstruierte Schuld an.

    Repression geht auch immer einher mit der Angst vorVerachtung (beispielsweise durch bürgerliche Medienoder eben der eigenen Szene) und dem Verlustgesellschaftlicher Anerkennung. Viele denken, siemüssten alleine für das gerade stehen, was sie getanhaben oder sie beschreiben ein absurdes Unwohlsein /Schuldgefühl, andere in die Folgen und den Umgangmit der Repression einzubeziehen.

    Eine Gegenstrategie wäre, durch ein solidarischesUmfeld / Verhalten diese Ängste abzubauen. Denn werein solides Umfeld hat, wird in der Regel besser mitdiesen Problemen umgehen können, da diese Personnicht alleine gelassen wird.

    Es wurde bereits beschrieben, dass eine unpolitischeProzessführung in der Regel zu einer Individualisierungder Betroffenen führt. Der gern zitierte Slogan:„Getroffen hat es einen, gemeint sind wir alle.“, scheintnur noch eine hohle Phrase zu sein. Im Folgendenwurden Beispiele aufgeführt, die mit dem Mythosbrechen, dass es von Nachteil wäre, Prozesse politischoffensiv zu führen.

    So erhielt Nero trotz Einlassung das maximale Strafmaßund besonders die G20 Prozesse haben gezeigt, dass eskeinen Unterschied macht, wie man sich vor Gericht

    Rede nie mit den Schweinen! Ob Presse, Bullen oder Justiz. Die Feinde der Freiheit sind die unseren!

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    ermittelt, d.h. es könnte eine hilfreiche Warnung seinund zum anderen könnte mit der Veröffentlichung einoffener Raum zum Treffen vereinbart werden, an demsich verschiedene Individuen über den IstZustandinformieren können und zusammenschliessen können,um auf ihre Art und Weise Solidarität in der Situationauszuüben, z.B. Sponti, Soligruppe zum Thema, direkteAktionen.

    2) Solidarität beudeutet nicht nur Kostendecken, sondernbestehende Kämpfe weiterführen.

    Kämpfe weiterführen kann heißen, ausgehend von derAnalyse eines Repressionsvorfalls, Fazite aus demErlebten zu ziehen und perspektisch den Kampf aufintelligente Art zu verändern ohne jedoch die Qualitätder permanenten Konfliktualität zu mindern und ausden Augen zu verlieren. Dadurch wird grundlegend dasPrinzip der Repression, dass Kämpfe ins Stockenkommen oder in geringerer Qualität stattfinden,bekämpft. Kostendeckung ist zwar nötig, aber nurinsofern nicht alle Energie und Zeit für das Geldorganisieren drauf geht. Es gibt auch weitereMöglichkeiten an Kohle zu kommen, die verbunden seinkönnten mit einer politischvisierten Praxis (sieheEnteignung jeglicher Art, Abendessen unterGefährt*innen, etc.). Ausserdem überwiegt beiSolidaritätsVeranstaltungen oft der subkulturelleAspekt, wo politische Inhalte nicht beachtet werdenoder schlicht untergehen. Die Frage könnte unteranderem sein, wie Treffpunkte der „linken“ Szene mehrmit Inhalten gefüllt werden können?

    3) Das bedeutet auch „anscheinend“ kleine Strafanzeigenöffentlich zu machen.

    Die Repressionsmethode der Bußgeldstrafen istmittlerweile gang und gebe. Dies bewirkt einerseits,besonders in Städten mit einer großen „linken“Infrastruktur, das Bußgelder einfach hingenommenwerden, da ja eh eine SolidaritätStruktur die Kostenstemmt. Andererseits wird genau bei diesem,spitzgesagt, Dienstleistungsystem der politisch relevanteAspekt der Repression völlig ausgeblendet. Langfristigsind Bußgelder natürlich nervig aber hinnehmbar, daskleinere Übel, vor dem Knast. Dieses DamoklesSchwerthängt dauernd über unseren Köpfen und ist in unserenKöpfen. Da sind kleinere kontinuierliche Strafanzeigenviel effektiver, uns davor abzuhalten Straftaten wiederzu begehen, weil sie uns mit dem Gedanken vor derEndstation Knast erpressen. Deswegen sind „kleine“

    Strafanzeigen nicht zu unterschätzen, besonders aufeiner psychischen Ebene.

    4) Konsequenzen der allgemeinen Strafverfolgung vonsolchen Lappalien.

    Die psychische Ebene der Repression spielt eine vielgrößere Rolle, als die der blanken und auf der Hautspürbaren Gewalt. Das haben viele Machtstrukturenschon längst gelernt und dementsprechend ihreMethoden verfeinert. Unsere Aufgabe, als diejenigen diediese Machstrukturen zerstören wollen, besteht darindiese Methoden zu erforschen und aufzuzeigen um sieunwirksam zu machen. Wie schon gesagt kann einelangandauernde in kleinen Dosen iniziierte Repressionmehr Schaden bei den Gefährt*innen bewirken, als eineinzelner Faustschlag in einer physischenAuseinandersetzung mit den Bullen. Dies zeigt sichunter anderem wenn wegen kleinen „Delikten“ schonmehr oder weniger martialische Hausdurchsuchungengestartet werden. Diese Vorgehensweise ist genaustenkalkuliert, aber nicht um tatsächlich Beweise zuermittlen, sondern um zu schikanieren. Die Bloßstellungder persönlichen Intimsphäre kann destruktiveWirkungen auf den/die Betroffene haben.

    5) SoliArbeit deshalb auch bei kleinen „Delikten“ wichtig.

    SoliArbeit heisst in diesem Sinne: Die Betroffenen zuunterstützen, auf jedenfall. Wobei es wichtig ist, auchfür Gefährt*innen von wo anders her, aus diesenErfahrungen lernen und erst recht zu erfahren. Dieserkollektive Austausch von Wissen und Erfahrungen kannder individuellen Stärkung nützen und Ideen ins Spielbringen offenisiv die Repression zu bekämpfen. SoliArbeit kann deswegen auch heißen die Repression zuinvertieren und zu einem Gegenangriff aufzurufen. Seidieser inhaltlich oder mit Taten verbunden, am Bestenbeides.

    6) Fragwürdig zu glauben den Staat mit seinen eigenenMitteln (Unschuld, Reue, Deals eingehen) zu bekämpfen.Wegkommen von juristischer Ebene.

    Ausgehend von der Tendenz eines notwendigenGegenangriffs bei Repression, der auf einer grundlegendabneigenden Haltung gegenüber jeglicher Herrschaftberuht, stellt sich die Frage wie und wo diesenvollbringen. Die Mittel die der Staat einen/einerBeschuldigten zu Verfügung stellt, um sich zuverteidigen, sind gewollt begrenzt und vom Staat selbsterschaffen, sowie die Gesetze die gebrochen worden

    Freiheit für jeden Einzelnen und für jede Gruppe im revolutionäre Handeln, Freiheit jeder Gruppe und Einzelnen hinsichtlich der Koalition, dadurch Beförderung des initiativen Handelns, des Selbstvertrauens, auf die Kraft des Einzelnen, Wirkung desEifers des Einzelnen, der Sache zu nützen durch die Tat, und was die Hauptsache ist: Befreiung vom Bleigewicht, der Bevormundung handlungsunfähiger "Führer“. Johann Most

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    für politische Statements zu nutzen, können ebensovielfältig sein wie an anderen öffentlichen Orten. Siekönnen sowohl innerhalb als auch außerhalb desGerichts stattfinden und zielen auf die gegenseitigeSolidarität und Stärkung ab. Es wurden zum Schluß desVortrags noch einige Beispiele genannt, die unsHandlungsmöglichkeiten aufzeigen.

    Für die wegen Bankraub beschuldigte Lisa wurde aneinem Verhandlungstag, der gleichzeitig ihr Geburtstagwar, von den Besucher*innen ein Geburtstagsliedgesungen. Obwohl es im Vorfeld zu großenDiskussionen gekommen ist, ob dies schädlich für dieVerhandlung sei, wurde der Plan durchgezogen. Lisa hatsich sehr gefreut und der Prozesstag wurde wiegewohnt fortgesetzt. Jegliche Befürchtungen sind alsonicht eingetreten.

    In Dresden kam es zu einer anderen Art vonWiderstand. Als die Richterin den Saal betrat und dieAnwesenden nicht von ihren Plätzen aufstanden,schäumte sie vor Wut. Auch nach mehrmaligerAufforderung kamen weder das Publikum noch dieAngeklagte ihrem Autoritätswunsch nach. Sie ließ denSaal räumen, wobei die Angeklagte freiwillig mit denBesucher*innen den Saal verließ und der Prozess inihrer Abwesenheit weitergeführt wurde.

    In Athen spuckte eine Beschuldigte der forensischenGutachterin ins Gesicht, um zu zeigen, dass DNA sehrwohl übertragbar ist.

    In Potsdam weigerten sich die Prozessbeteiligten denProzess zu beginnen, solange es keinen ausreichendgroßen Saal für alle Besucher*innen gibt.

    Gabriel und Begonia Pombo da Silva kamen aus Protestgegen Durchsuchungen am Gericht in Boxershorts undBadeanzug ins Gericht.

    Folgende Fragen wurden vor derVeranstaltung verteilt:1. Wie sehr lassen wir uns von Paranoia einschränken?

    2. Führen mehr Leute im Knast zu mehr Solidarisierung?

    3. Welche Rolle nehmen Anwält*innen ein und welchegestehen wir ihnen zu?

    4. Gehen Leute, die widerständig und kompromisslos sind,gestärkt aus dem Knast bzw. der Repression hervor?

    5. Sollte man auch bei kleinen Delikten große Strafenprovozieren, indem man die Aussage verweigert oder

    einen Deal nicht eingeht?

    6. Sind Erfahrungswerte verloren gegangen, sodass sichunerfahrene Leute schwerer auf Repression vorbereitenkönnen?

    7. Lohnt es sich überhaupt kompromisslos undwiderständig zu sein, wenn draußen nichts passiert oderkein kreatives Umfeld da ist?

    8. Setzt man mit offensivem Handeln auf der StraßeGefangene unter Druck oder sollte es selbstverständlichsein? Bedarf es der Erlaubnis / Initiative der Gefangenen,um Soliaktionen zu machen?

    9. Gibt es in Bezug auf den Vorwurf Grenzen derSolidarität?

    de.indymedia.org/2007/01/166335.shtml

    Religion, die Herrschaft über den menschlichen Geist; Eigentum, die Herrschaft über die menschlichen Bedürfnisse; und Regierung, die Herrschaft über die menschliche Selbstbestimmung, repräsentieren die Festung menschlicher Versklavung und denganzen damit verbundenen Schrecken. Emma Goldman

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    Aufruf zur ProzessbegleitungIm Spätsommer 2017, nach den G20 Revolten wurdedas Plakat „Es wird weitere Angriffe geben!“ öffentlichverbreitet. Der Staat reagierte darauf mit einemStrafbefehl, der anklagt, dass mit diesem Plakat deröffentliche Frieden gestört wurde. Weiter: es wird voneinem besonders schweren Fall des Landfriedensbruchsausgegangen, weil die in Hamburg begangenenStraftaten auf „öffentlichem Straßenland gutgeheißenwurden und zur Wiederholung aufgefordert wurde“.Letztendlich wurde eine Geldstrafe von 80 Tagessätzenzu jeweils 30 Euro festgesetzt.

    Die Tatsache, dass die befreienden Momente desAngriffs auf den Staat beim G20 in Hamburg imPlakattext inhaltlich als Notwendigkeit und logischeKonsequenz von Ausbeutungsverhältnissen beschriebenwurden, kommt nicht von irgendwoher. Der direkteAngriff auf Machtstrukturen und deren Symbole undVerteidiger*innen ist Teil einer revolutionärenPerspektive, die für eine emanzipatorische Gesellschaftkämpft. Für eine befreite Gesellschaft, ohne jeglicheUnterdrückung des Menschen durch den Menschen.Denn die gewalttätige Unterdrückung des Menschenerschafft soziale Ungleichheiten, Ausbeutung,Machtkonflikte und letztendlich Kriege. Das sindeindeutig alles Eigenschaften eines modernen Staates der sich aber stets seiner Angreifbarkeit bewusst ist. DerGrundpfeiler der westlich zivilisierten Welt, derKapitalismus, entspringt keiner natürlichenGegebenheit, denn sonst wären der Staat, seineGesetze, Knäste und Strafmaßnahmen überflüssig.Diese deuten auf seine Verletzbarkeit hin! Denn wasvom Menschen erschaffen wurde, kann auch nur durchihn wieder zerstört werden!

    Daher wundert es nicht, dass schon ein Plakat, welcheszur Überwindung der Ausbeutungsverhältnisse aufruft,staatlich verfolgt wird. Was bleibt dem Staat anderesübrig, als die eigene Macht mit Gewaltausübung undStrafverfolgung zu rechtfertigen und durchzusetzen? Sokann ein Ansatz der revolutionär und antiautoritär seinwill, nichts anderes als herrschaftsfeindliche Ideenunerbittlich zu verbreiten und sie in direkte Aktionenumzusetzen.

    Diese angeklagten Ideen können nicht in einemjuristischen Kontext verteidigt werden, da sie

    grundsätzlich darauf abzielen, das Justizsystem undalles was dafür steht, zu zerstören. Aufgrund dieserTatsache kann vor dem Staat keine Reue, Schuld oderUnschuld gezeigt werden.

    Den Staatslakaien ist es unwichtig, dass plakatiertwurde und somit „nur“ eine eventuelleSachbeschädigung begangen wurde, wichtig ist derverbreitete Inhalt. Vor diesem Staat sind alle Menschen,die subversive Ideen verbreiten, potenzielleStraftäter*innen, das ist nichts Neues. Daher ist es klar,dass mit diesem Strafbefehl indirekt alle diejenigengemeint sind, die auf den Barrikaden in Hamburggekämpft haben. Jede*r mit einer unterschiedlichenVorstellung von einer neuen Welt, aber mit dem selbenWunsch nach einem Umsturz.

    Jedes Maß an Repression kann entmystifiziert undeventuell sogar gebrochen werden, wenn der einzelnenbetroffenen Person ein solidarisches Umfeld den Rückendeckt. Und wenn die Analysen und Praxen, für die ein*eEinzelne*r angeprangert ist, kollektiv verantwortetwerden und eine generelle Komplizenschaft entwickeltwird.

    Es wird weitere Infos und Taten geben!

    Thesen der öffentlichenDiskussionsveranstaltung1) Isolierung und Individualisierung durchbrechen mitKollektivierung (Bekanntmachung).

    Der erste Schritt bei einem staatlichen Angriff gegenunsere Strukturen und Gefährt*innen kann dieBekanntmachung sein. Dies bricht die Isolieurng deseinzelnen Individuums und der Struktur auf. Dabei istzu bedenken inwiefern Medien der Herrschaft benutztwerden sollen, die unsere Inhalte meist nichtunverfälscht darstellen und für ihre eigene Profit undSensationsgier ausbeuten. Dementsprechend könneneigene Medien und Kommunikationswege gefundenwerden, die eine Nachricht eventuell auch in einenKontext eines des gegenwärtigen Kampfes bringt.

    Indem der staatliche Angriff z.b. eineHausdurchsuchung veröffentlicht wird, teilt man zumeinen Gefährt*innen mit, in welcher Sache der Staat

    Ein Teil der Gesellschaft besitzt das Monopol auf dieses Geld und benützt dieses Metall dazu, sich den Rest der Welt Untertan zu machen. Zu diesem Zweck haben sie alle möglichen Folterinstrumente erfunden, wie etwa Gefängnisse etc...Octave Garnier

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    Religion, die Herrschaft über den menschlichen Geist; Eigentum, die Herrschaft über die menschlichen Bedürfnisse; und Regierung, die Herrschaft über die menschliche Selbstbestimmung, repräsentieren die Festung menschlicher Versklavung und denganzen damit verbundenen Schrecken. Emma Goldman

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    Das, im Folgenden beschriebene, Verfahren ist beendetund alle Texte, die es dazu gibt, werden hierchronologisch abgedruckt.

    „„IInn ddeenn SSttrraaßßeenn HHaammbbuurrggss hhaabbee iicchh uunnkkoonnttrroolllliieerrtteeFFrreeiihheeiitt ggeeaattmmeett,, aakkttiivvee SSoolliiddaarriittäätt,, ddiieeEEnnttsscchhlloosssseennhheeiitt,, ddiiee ttööddlliicchhee OOrrddnnuunngg,, ddiiee uunnss vvoonneeiinniiggeenn RReeiicchheenn uunndd MMääcchhttiiggeenn aauuffeerrlleeggtt wwiirrdd,,ggrruunnddssäättzzlliicchh aabbzzuulleehhnneenn..‘‘‘‘ (Riccardo Lupano JVABillwerder, Hamburg, 20. Juli 2017)

    Der Aufstand beim G20 in Hamburg 2017 hat gezeigt,dass die rebellische Entschlossenheit stärker sein kannals jede (vorbeugende) Kontrollvorkehrung. Das ist diewichtigste Erkenntnis dieser Tage, für die Rebell*innen,aber auch für die Feind*innen der unkontrolliertenFreiheit.

    Deswegen ist klar, dass der Staat mit all seiner Machtnach Verantwortlichen, nach Rädelsführer*innen, nachStraftäter*innen fahndet. Klar ist: irgendwer wirdfrüher oder später dafür belangt werden, bzw. einsitzen.Die letzten Entwicklungen diesbezüglich, siehe„Internationale Fahndung“ zeigen das sehr gut. Einepolitische oder antipolitische Bewegung, egal welcherGröße und Tendenz, muss sich mit dieser Tatsacheauseinandersetzen.

    In den vergangen Wochen gab es in Berlin mehrereVeranstaltungen und Diskussionen zum ThemaRepression und der Frage nach dem Umgang damit.Generell gab es viel Zustimmung zu der Idee, offensiveHandlungsmöglichkeiten auszuspähen. Verbundenwurde dies mit dem Wunsch, Gerichtsverfahrengrundsätzlich mehr auf eine kollektive und politischeEbene zu bringen. Deshalb kann diese anstehendeGerichtsverhandlung als möglicher Ansatz undInspiration für darauf folgende Verfahren dienen.

    Fakt ist: Das diesmalige Verhalten und diePositionierung vor Gericht sind ein Resultatverschiedenster Momente des Austauschs unter

    Gefährt*innen. Deshalb beruht die Prozessführung nichtauf einer individuellen Entscheidung, was ja auch einTeilziel der Unterdrückung sein kann. Die kollektiveAuseinandersetzung hat das qualitative Potenzial, dieVereinzelung von Angeklagten aufzuheben. Wo auseinem solidarischen Unterstützer*innenumfeld eineKomplizenschaft entsteht, die sich kollektivverantwortet und handelt. Denn wie heißt es doch soschön: es trifft einen, gemeint sind wir alle...

    Kommt vor und in das Gericht und bringt Plakate, Flyer,Broschüren, Transpis und was ihr wollt zum Thema G20, staatlicher Unterdrückung usw. mit! Lassen wir unsnicht einschüchtern, unsere Überzeugungen weiterhinzu vermitteln!

    „„SSiiee sseellbbsstt hhaabbeenn ddiieesseenn HHaassss pprroodduuzziieerrtt,, ddeerr ssiiee iinnHHaammbbuurrgg hheeiimmggeessuucchhtt hhaatt.. MMiilllliioonneenn vvoonn MMeennsscchheennwweerrddeenn aauussggeebbeeuutteett,, vveerrsskkllaavvtt ooddeerr dduurrcchhAAbbsscchhiieebbuunnggeenn iinn ddeenn ssiicchheerreenn TToodd ggeettrriieebbeenn..““ (Auseinem Strafbefehl, Zitat vom Plakat „Es wird weitereAngriffe geben“)

    Ein Teil der Gesellschaft besitzt das Monopol auf dieses Geld und benützt dieses Metall dazu, sich den Rest der Welt Untertan zu machen. Zu diesem Zweck haben sie alle möglichen Folterinstrumente erfunden, wie etwa Gefängnisse etc...Octave Garnier

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    Der erste, der, nachdem er ein Stück Grund und Boden eingezäunt hatte, auf den Einfall kam, zu sagen: dies gehört mir, und der Leute fand, die einfältig genug waren, um es zu glauben, war der eigentliche Begründer der bürgerlichen Gesellschaft.JeanJacques Rousseau

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    Der erste, der, nachdem er ein Stück Grund und Boden eingezäunt hatte, auf den Einfall kam, zu sagen: dies gehört mir, und der Leute fand, die einfältig genug waren, um es zu glauben, war der eigentliche Begründer der bürgerlichen Gesellschaft.JeanJacques Rousseau